Köbler,
Gerhard, Zielwörterbuch europäischer
Rechtsgeschichte, 5. Auflage, 20140401. Fassung
A
A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für
den abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen →Formularprozesses.
Lit.: Söllner § 9
Aachen ist
der ohne nachweisbare Kontinuität zu einer römischen Siedlung an den
Ausläufern des Hohen Venn 765/766 als fränkische königliche →Pfalz
erscheinende Ort, der nach der Reichsteilung 843/877 in eine Randlage gerät.
Von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) ist es Krönungsstätte der deutschen
Könige (mit Thronsetzung auf einen Marmorthron). 1071 wird A. (lat. [N.])
oppidum genannt, 1087 werden [lat. M. Pl.) cives erwähnt. In den 1120er Jahren
kommt ein Stadtsiegel auf. 1166 erhält A. besondere Rechte. Die 1192 neben der
Gesamtheit der Bürger nachweisbaren →Schöffen entwickeln sich seit 1134
(?) zu einem bedeutenden →Oberhof für teilweise bis zu 200 meist aus
Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird A. freie →Reichsstadt
(Reichslandstadt) bis zur Besetzung durch Frankreich (1794). Über Preußen (1815)
gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Loersch,
H., Achener Rechtsdenkmäler, 1871; Schwabe,
W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der Anspruch
Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn 1959;
Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.;
Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966;
Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und
das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v.
Kraus, T., 2004; Herrmann, T., Anfänge kommunaler Schriftlichkeit, 2006;
Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010
Aargau ist
das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert
die Eidgenossenschaft der →Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird
daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung erhält.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die
Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche
Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau
nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau
und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil
1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925;
Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien
Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des
aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Aargau (1847-1855), 1991
Abandon ist
die wohl im spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht
entstehende Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um
Haftungsfreiheit bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A.
erscheint erstmals in einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh.
findet der A. Eingang in das Recht der juristischen Personen des
Gesellschaftsrechts.
Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P., Geschichte
des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der Seeversicherung, 1925;
Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595
abdingbar (Adj.) durch Vereinbarung abänderbar
Lit.: Kähler, L., Begriff und Rechtfertigung
abdingbaren Rechts, 2012
Abecedarium (bzw.
Promptuarium, Remissorium, Vocabularium) ist
das auf Grund antiker Gedankengänge seit dem 13. Jh. entstehende alphabetisch
geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht,
um 1400 Greifswalder A. für →Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit
7 Handschriften, 1402 Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff.
Schlüssel des Landrechts, 1. H. 15. Jh. Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E.
15. Jh. Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium
Kaspar Popplaus).
Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit dem
Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch.
22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980,
143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77
Abendmahlsprobe ist die an das christliche Abendmahl anknüpfende Form des →Gottesurteils.
Aberacht ist
die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer
Frist von →Jahr und Tag eintretende Verstärkung der →Acht.
Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959
Aberdeen am
Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und 1494/1495 Sitz einer
Universität.
Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972; The
Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000
Aberglaube (15. Jh. in Glosse zum Sankt Trudperter
Hohenlied) ist der von einem herrschenden Glauben als abwegig verworfene
Glaube (lat. [F.] superstitio).
Lit.: Feine, J., Der Aberglaube,
1857; Schefold, K. u. a., Der Aberglaube im Rechtsleben, 1912; Handwörterbuch
des deutschen Aberglaubens, hg. v. Bächtold-Stäubli, H., Bd. 1ff. 1927ff.,
Neudruck 1987, digitalisierte Fassung 2006; Freytag, N., Aberglauben im 19.
Jahrhundert, 2003; Hersperger, P., Kirche, Magie und Aberglaube, 2010
Abfall ist der nach Nutzung einer Sache
verbleibende, nicht mehr genutzte oder nutzbare Rest (z. B. Knochen,
Verpackung, Altöl). Zum Wohl der Gesellschaft muss er vor allem in den Städten
gesammelt und zunächst gelagert (deponoiert), nach seiner großen Vermehrung
seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus wirtschaftlichen Überlegungen aber vor
allem auch wiederverwertet werden.
Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz,
P./Moser, R., 2004
Abgabe ist
die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung
oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden.
Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für
einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht
die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich
das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung (Enno Becker, u. a. Beginn
der Überführung des Steuerstrafrechts aus dem Verwaltungsstrafrecht in das
Kriminalstrafrecht) zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die
Abgaben erneuert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist
Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56
(1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die
Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und
Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg.
v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998; Gehm,
M., Die steuerstrafrechtlichen Bestimmungen in der Reichsabgabenordnung vom 13.
Dezember 1919, 2010
Abgeordneter ist allgemein der durch eine Anordnung
an eine Stelle Gesetzte, insbesondere der Volksvertreter im Parlament. Er ist
nach dem vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht an den Willen der
ihn Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in seiner Entscheidung nur
seinem Gewissen und der Verantwortung für die Gesamtheit unterworfen. In
Österreich führt die Februarverfassung des Jahres 1861 ein von den Landtagen
besetztes Abgeordnetenhaus als zweite Kammer des Reichsrats neben dem
Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des Nationalitätenkonflikts zeitweise
handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte Sitzung).
Lit.: Biographisches Handbuch der
Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, bearb. v. Best, H. u. a.,
1996
Abkürzung ist die aus Zweckmäßigkeitsgründen
gekürzte Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).
Lit.: Kirchner, H.,
Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A. 2008; Schuler, P., Abkürzungslexikon,
2007 (vom Verlag zurückgezogen); Frenz, T., Abkürzungen. Die Abbreviaturen der
lateinischen Schrift, 2010
Ablass ist
die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug, 1187 für
geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen
gelöst) in der christlichen →Kirche aus der Bitte um Vergebung und
Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung
von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem
Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung
führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch
für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John
Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin →Luthers. Nach gegenwärtigem
Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott
für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).
Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter,
Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934;
Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967; Ehlers, A., Die
Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007
Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s zur Beseitigung grundherrschaftlicher
Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit oder ohne Entschädigung zwecks
Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt
nach der Aufhebung aller Frondienste, Zehnten und anderen Feudalrechte durch
die Nationalversammlung Frankreichs am 4. 8. 1789 der Staat →Preußen am
9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten Besitz des Grundeigentums
sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner, das die persönliche Abhängigkeit
der →Bauern von den →Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem
folgen am 14. 9. 1811 zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln
beruhenden dinglichen Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und
bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur
Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf
Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält,
wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die
Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen
muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum
aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832)
öffentliche →Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in
Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in
40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher
Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder
grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).
Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887
Abmeiern ist
das (vorzeitige) Beendigen des grundherrschaftlichen →Meierrechts durch
den Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597
(Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. vor allem aus fiskalischen
Überlegungen verrechtlicht (Meierordnungen, z. B. Calenberg 1772), mit der →Bauernbefreiung
durch Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.
Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855; Wittich,
W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Mohr, W., Die
Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961
Abschichtung ist
die (dem römischen Recht unbekannte) vermögensrechtliche Verselbständigung
eines Kindes bei (tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft
im Mittelalter fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen
Jahren kommt“ (d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn
er bei Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt
die väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist
unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die
A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch
das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das
Zivilgesetzbuch von 1907/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der
Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt
Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und
Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der
Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999
Absetzung ist
die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem
Vermögen (z. B. Absetzung für Abnutzung). Die A. eines Amtsträgers begegnet
schon früh (z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit
verrechtlicht.
Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im
Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F.,
Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen
Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im
deutschen Mittelalter, 2005
Absicht ist
der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das
römische Recht kennt den (lat. [M.]) dolus als Bezeichnung eines Verschuldens.
Im Mittelalter wird der auf den Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch
(lat.) animo deliberato, cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und
(mhd.) geverlich oder mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das
im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich. Im 20. Jh.
wird die für den deliktischen Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit
verlangende Vorsatztheorie (Binding 1877) im Strafrecht durch die als subjektive
Voraussetzung der Rechtswidrigkeit bereits die Möglichkeit der Einsicht in das
Verbotensein der Tat genügen lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl
Schmitt 1910) verdrängt.
Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre Arten im
Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.; Beul,
C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998
absolut (Adj. bzw. Adv.) vollständig, unbedingt, uneingeschränkt, gegen
jedermann wirkend (Gegensatz relativ)
absolutio (F.) ab instantia →Instanzentbindung
Absolutismus ist
die im Einzelnen sehr vielfältige Regierungsform, bei welcher der Inhaber der
Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbedingte
(absolute, unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien,
Frankreich und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch
theoretische Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die
Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern (→Machiavelli, Nicolò [1469-1527],
Il principe, 1513, →Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la
République, 1576, [lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque
soluta potestas, die maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern
und Untertanen bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von
göttlichem Recht, Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt).
Begünstigt wird der A. dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell
gespalten sind und deswegen den Frieden in einem Land nicht sichern können.
Mittel zur Durchsetzung der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines
stehenden Heeres, der Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen
Beamtenschaft und die Einführung eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung
des A. ist die Entmachtung des →Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw.
formaler Mitspracherechte [Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der →Landesherrschaft
(in der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z.
B. Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig
XIV. (1643-1715) in →Frankreich erreicht. Im Heiligen römischen Reich
eifern dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von
Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen,
Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in
Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in
Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina
II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als
erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang
(Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich
beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als
Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la
république, 1576, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BodinJeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf;
Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staatsgedankens
auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus
in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II.
und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in
Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche Bestrebungen, 1961; Schnur, R.,
Individualismus und Absolutismus, 1962; Oestreich, G., Geist und Gestalt des
frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971;
Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970;
Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A. 1988; Der aufgeklärte
Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Anderson, P., Lineages of the
Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W.,
Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die
Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen
Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus
und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie absolue en Europe, 1982;
Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The
Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung
in Deutschland, 1992; Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 1993, 2. A. 2000,
3. A. 2003, 4. A. 2005, 5. A. 2008; Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v.
Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998;
Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a., 1998;
Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400
Literaturnachweisen); Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte
Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif,
U., Recht und Justizhoheit, 2003, (Müßig, U., Recht und Justizhoheit,) 2. A.
2009; Reinalter, H., Lexikon zzum aufgeklärten Absolutismus, 2005; Absolutismus,
ein unersetzliches Forschungskonzept?, hg. v. Schilling, L., 2008; Feist, D., Absolutismus,
2008; Blänkner, R., „Absolutismus“, 2011 (= Dissertation von 1990)
Abstimmung ist
das durch Abgabe einzelner Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung)
erfolgende Verfahren zur Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer
Gesamtheit von zu einer Entscheidung zugelassenen Menschen oder Personen
hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits
im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volkes
mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein
Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des
Vermögens und seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im
Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z.
B. Stimmzählung und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356,
Willensbildung nach Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reiches), bis in
der Mitte des 19. Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit
grundsätzlich gleichem Stimmrecht (Verfassung des deutschen Reiches von 1848)
durchzusetzen beginnt. Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische
Frage ein Entscheidungsverfahren unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform
der A. stellt die →Wahl dar.
Lit.: Stutz, U., Die
Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der
Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U.,
Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J.,
Die Verfassung der römischen Republik, 2000
Abstraktion (1571) ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstands
von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die →Pandektistik auf
der Grundlage einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus
(Hadrumetum um 100-um 170) die Trennung des →Verfügungsgeschäfts (→Übereignung,
→Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen →Verpflichtungsgeschäft
und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom Außenverhältnis
(Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch (Abstraktionsprinzip).
Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in)
Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung
des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum
Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52; Rodríguez-Rosado, B., Abstraktionsprinzip und
redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Abt (Lehnwort
lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba,
„Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der Leiter einer rechtlich selbständigen
Niederlassung eines christlichen →Ordens des weströmischen Gebiets. Er
wird als geistlicher Vater (lat. pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf
den Kirchenvater Augustinus (354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von
Nursia (480-547) legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert
die Weihe zum anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians
von sämtlichen Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit.
Der A. hat gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern.
Deshalb schulden die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich
tritt neben das freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines
jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie). Seit karolingischer Zeit wird der A.
auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078)
sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die Voraussetzung der Weihe zum
Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt der Grundsatz der freien
Wahl für kurze Zeit wieder vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der
benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique,
1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Seibert, H.,
Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999
Abtei (lat.
[F.] abbatia) ist seit der frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit
eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem →Abt geleitete,
rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann →Reichsabtei,
landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Wehlt,
H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999
Äbtissin ist
die Leiterin einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen
Frauenordens (des weströmischen Gebiets). →Abt
Abtreibung ist
der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen
Leibesfrucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise
zulässig. Die →Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als →Mord,
Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf
Grund von Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab.
Seit etwa 1970 (z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im
weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene
Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als
(nach einer Beratung in Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber)
straffrei zugelassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die
Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss. Washington
1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz
und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Gante, M., §
218 in der Diskussion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993;
Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung, Diss. jur.
Münster 1996; Müller, P., Die
Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett,
J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch,
Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der
Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die
Geschichte des § 218 StGB, 2004; Usborne, C., Cultures of Abortion in Weimar
Germany, 2007
Abtretung (lat. [F.] cessio) (1360) ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen →Gläubiger
(Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie
ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als
höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst
spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandats
(Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der
Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger
wenigstens die Übertragung eines selbständigen Rechtes zu, eine fremde
Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den
mittelalterlichen Städten die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen,
die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung
gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen
Gläubiger bedarf (ausgenommen gerichtlich festgestellte Forderungen). Vereinzelt
bestehen auch Verbote von Abtretungen. Das Zustimmungserfordernis entfällt
seit dem Spätmittelalter (letztlich) unter dem Einfluss des gemeinen Rechtes,
in dem das deutschrechtliche Gedankengut die Übertragung der Forderung auch
der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der →Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11 §§ 376ff., Code
civil Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). Im 19. Jh. unterliegt die einschränkende
Lehre Christian Mühlenbruchs (1817) der durch Windscheid und Bähr geprägten
Vorstellung von der Abtretung als einem abstrakten Verfügungsgeschäft (§§
398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationenrecht der Schweiz). In England
gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht übertragbar.
Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Mühlenbruch,
C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit von
Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die
Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924;
Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der
Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche
Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der
Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre auf ausgeählte Gerichte, 2011;
Ebinger, B., Die Forderungsübertragung nach Code civil und badischem Landrecht,
Diss. jur. Mannheim 2011
Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug
eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des
fränkischen Volksrechts (lst. [M.] Pactus legis Salicae, 507-511) bezeugt und besteht bis in das 19.
Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren.
Lit.: Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Abzahlung (1530) ist die planmäßig in kleineren Raten oder Teilbeträgen erfolgende
Zahlung einer Schuld.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des
1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuchs die nach dem Vorbild der
Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 vom Handel umworbenen
mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen Gründen etwa
Nähmaschinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises in Raten
kaufen können, vor Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h. Rücknahme der
Kaufsache bei Zahlungsversäumnis und Fortbestehen der Zahlungspflicht)
schützen will. Es wird mit Wirkung vom 1. 1. 1991 durch das Verbraucherkreditgesetz
abgelöst, das zum 1. 1. 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird.
In Österreich wird 1896 ein Ratengesetz, 1979 ein Konsumentenschutzgesetz
erlassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz
vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von
1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991
Abzahlungskauf →Abzahlungsgesetz
Abzugsrecht ist das Recht zum Abzug des Einzelnen
aus seinen bisherigen unfreien Rechtsverhältnissen, gegebenenfalls unter einer
Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern
mit unterschiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s wird
das A. überflüssig.
L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug,
ius emigrandi, Auswanderungsfrieheit, Diss. jur. Bonn 1977
acceptatio (lat.
[F.]) Annahme
acceptilatio (lat.
[F.]) Empfangnahme →stipulatio
accessio (lat. [F.]) Hinzutreten, Zuwachs
accessio cedit principali (lat) - Zuwachs folgt rechtlich der Hauptsache. →Verbindung
Accursius (Bagnolo
[Certaldo] bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer
bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechtes in
Bologna (Azo, Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz
nach 1230 legt er (in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?)
fünfbändige, durch etwa 1200 Handschriften überlieferte Erklärungen
(Kommentare) zu allen Teilen der justinianischen Kompilation in Form von
Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen
(22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum
17814 zum Codex, 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den
libri feudorum, Summe dieser Zahlen 92811) vor, in denen er Problemlösungen
unter umfangreicher Verwertung der vorangehenden Literatur bietet. Außerdem
sind 8 seiner Gutachten (Konsilien) erhalten, während eine bezeugte Summe nicht
überliefert ist. Zu seinen Schülern zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur
Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del
convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna
Glossa, 2006
Achilleisches Hausgesetz →Dispositio Achillea
Achramire (lat.-afrk.),
adchramire, ist die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen
(Geloben), einen Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen
Bürgen oder Zeugen zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt
unter Übergeben oder Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →festuca,
vielleicht ursprünglich mit der [lat., F.] framea, Lanze).
Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die
germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229
Acht ist im
mittelalterlichen deutschen Recht die als Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel)
mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine
niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der
Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen
Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des Rechtes,
ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche
Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere
Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem
Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der
Betreffende in →Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A.
gilt als →Reichsacht im gesamten Reich. Lösung aus der A. ist möglich.
Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten
Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft
verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches vom Reichskammergericht
zuletzt noch 1698, vom Reichshofrat zuletzt noch 1709 ausgesprochen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und
Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins
für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959;
Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M.,
Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber,
M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997),
55
Achtbuch ist
das über die von einem Gericht ausgesprochene →Acht (und dadurch die Geächteten)
geführte Buch (Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des
Jahres 1235 vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg
ob der Tauber 1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber
Petrus Wacker und Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen
u. a.).
Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960,
16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III., 1986
Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen
enthaltene Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der →Acht zu unterwerfen.
Lit.: Battenberg, F., Reichsacht
und Anleite im Spätmittelalter, 1987´6, 288
acta (lat.
[N.Pl.]) →Akten
acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten
Actio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die
Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht (Klaganspruch). Im →Formularprozess
trägt der Kläger in Gegenwart des Beklagten das Begehren vor dem
Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung einer bestimmten a. Ergibt
sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt keine bereits anerkannte a.
rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann der Gerichtsmagistrat,
wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet,
eine a. in factum in Aussicht stellen. Die zugelassenen actiones, von denen
jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem im 4. Buch der Institutionen
Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den Klagansprüchen)
zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt beispielsweise Johannes
Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird aus der
römischrechtlichen a. der materiellrechtliche →Anspruch.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid, B.,
Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der
Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ,
1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und
14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des
Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P.,
Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung, Vorweisung (vor dem
Prätor), Herausgabe, Exhibitionsklage (vgl. § 809 BGB, Klage auf Besichtigung)
ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei einer (lat.) actio in rem
fehlende Einlassungszwang umgangen werden kann.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3
actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene
Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)
Lit.: Köbler, DRG 48
actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung bzw. zum Ermessen
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II
Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den
Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist im römischen Recht der Klaganspruch eines
wegen einer durch Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten
angegriffenenen und vom Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden
Käufers auf den doppelten Kaufpreis.
Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner §
8; Brägger, R., Actio auctoritatis, 2013
Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im
römischen Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht
actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag
Lit.: Kaser § 39 II
Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der wohl im 3./2. Jh. v.
Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinnia geschaffene Teilungsklaganspruch
mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 83
actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters u. s. w.
Lit.: Kaser §§ 42, 83
actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 28, 29
actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei unvollkommen zweiseitig
verpflichtenden Verträgen z. B. Aufwandsersatzklageanspruch des Entleihers,
Verwahreres, Beauftragten oder Pfandgläubigers)
Lit.: Kaser § 38 IV 2
Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klageanspruch wegen hinausgeworfener oder
ausgeschütteter (Sachen), ist im römischen Recht der gegen den Inhaber von
Räumen wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von Sachen aus den Räumen
entstandenen Schadens gerichtete, verschuldensunabhängige Schadensersatzanspruch
eines Verletzten auf das Doppelte des Schadens (Quasidelikt, Erfolgshaftung?).
Actio (F.) de dolo (lat.), Klaganspruch wegen Arglist, ist im römischen Recht
der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen
einer anderweitigen actio gewährte, binnen Jahresfrist geltend zu machende Klaganspruch
des durch einen Betrug Geschädigten gegen den Täter auf Ersatz des Schadens,
der durch Wiedergutmachung abgewendet werden kann, andernfalls Infamie nach
sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9
Actio (F.) de in rem verso (lat.), Klage wegen des auf eine Sache Verwendeten,
Klaganspruch wegen eingetretener Bereicherung, ist im römischen Recht der
Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein Gewaltunterworfener
aus einem Verpflichtungsgeschäft erlangt und zu einer Bereicherung des
Vermögens des Gewalthabers verwendet. Das nachklassische römische Recht
erweitert den Anwendungsbereich auf Geschäftsführung durch Freie, das gemeine
Recht entwickelt die a. zu einem allgemeinen Bereicherungsanspruch wegen
nützlicher Verwendung.
Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio de in
rem verso, 2001
actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden seitens
eines vierfüßigen Nutztiers, den der Eigentümer durch Herausgabe des Tieres
abwenden kann
Lit.: Kaser § 50 II 4
actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das Sondergut eines
Gewaltunterworfenen gegen den Gewalthaber wegen vom Gewaltunterworfenen
begründeter Geschäftsverbindlichkeiten bis zur Höhe des Wertes des Sonderguts
im Verurteilungszeitpunkt
Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner §
12
Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des
Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.
Lit.: Kaser §§ 39, 83; Walter, T., Die
Funktionen der actio depositi, 2012
actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus Garantieerklärung
Lit.: Kaser § 46 III 3
actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon im Zwölftafelgesetz enthaltener)
Klaganspruch des römischen Rechtes über den bei einem Hausbau rechtswidrig
verwendeten Balken oder später eines anderen Gegenstand eines andern, den der
Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit dem doppelten Wert ersetzen muss
Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H., Tignum
iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41
actio (F.) empti
(lat.) Kaufklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9
actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder für Geschäfte des
Kapitäns bei dem Betrieb eines Schiffes
Lit.: Kaser § 49
II 3; Wacke, A., Die adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des
Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflichtenden
Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.
Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24
actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II
actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner
§§ 8, 9
actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus Sicherungsübereignung
Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner §
9
actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch
Lit.: Kaser § 23
Actio (F.) furti non manifesti (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den
nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen Sache, während
die actio furti manifesti auf das Vierfache des Sachwerts gerichtet ist.
Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA 96
(1979), 89
actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II 1
actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch
des Prätors bei Fehlen einer actio im Edikt und Anerkennung eines
Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von der lex Aquilia nicht erfassten
mittelbaren Schädigungen)
Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002
actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die
actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre
im Zivilrecht, 2006
actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch (wegen Forderungen aus
einem Schuldverhältnis auf Leistung, wobei Einlassungszwang des Gegners
besteht)
Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner §
9
actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch (zur Durchsetzung von absoluten
Rechten auf eine [ursprünglich in der Gerichtsstätte vorhandene] Sache gegenüber
einem sich in Widerspruch zu den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein
Einlassungszwang des Gegners besteht)
Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9
Actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen
Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280; Hamza, G., Bemerkungen zur actio
ad exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminariios Complutenses de
derecho Romano, 25 (20129, 175
actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 32, 85
actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und
usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958
actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters u. s. w.
Lit.: Kaser §§ 42, 83 II
actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag
Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83
actio (F.) mixta
(lat.) gemischter Klaganspruch (zugleich sachverfolgender und pönaler
Klaganspruch)
Actio (F.) negatoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem
der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht
bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache (z. B. Dienstbarkeit, Recht auf
Immission) anmaßt.
Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und
industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio
negatoria und Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum
negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001
actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung
Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83
actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatzklaganspruch wegen Noxalhaftung des
Gewalthabers
Lit.: Köbler, DRG 27
Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch
Lit.: Köbler, DRG 117
actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene Dienste
Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II
Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die (lat.) restitutio in
integrum und das (lat.) interdictum fraudatorium aufnehmende Gläubigeranfechtungsklage
gegen den unentgeltlichen oder wissenden Erwerber aus gläubigerbenachteiligenden
Rechtsgeschäften des Schuldners.
Lit.:
Willems, C., Actio Pauliana und fraudulent conveyances, 2012
actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch (in rem oder in personam)
Lit.: Kaser §§ 31, 39
actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch
actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch, von jedermann aus dem Volk
erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de deiectis verl effusis), bei dem die
Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw. Staatskasse oder an beide fällt
Lit.: Kaser § 50 I 1
actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der (vom Prätor in der
Klaganspruchsformel genau) vorgeschriebenen Worte (z. B. bei
Innominatkontrakt)
Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis
verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II
actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den Gesellschafter
Lit.: Kaser § 43 I
Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten
vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene sachverfolgende Klaganspruch
des besseren Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers, bonitarischen Eigentümers)
gegen den schlechteren Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf
Herausgabe der Sache (vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).
Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9; Apathy, P., Die
publizianische Klage, 1981
actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch (binnen einem Jahr geltend
zu machen)
Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9
Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen Recht der
Klaganspruch gegen den durch Geheiß (lat. [N.] iussum) zu Rechtsgeschäften
ermächtigenden Hausvater bzw. Gewalthaber wegen des Geschäfts eines Haussohns
bzw. Gewaltunterworfenen.
Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod
iussu, Diss. jur. Köln 1996
actio (F.) redhibitoria Wandelungsklaganspruch (binnen sechs Monaten geltend zu
machen)
Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9
actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsguts der
Frau
Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A,
Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969
actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des Pfandgläubigers (anfangs nur
des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache von jedem Besitzer
Lit.: Kaser § 31 III
actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher Klaganspruch
Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I
actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund
Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3
actio (F.) utilis (lat.) (vom Präter im Einzelfall) brauchbar (anwendbar) gemachter
allgemeiner Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der actio legis Aquiliae des
Eigentümers auf andere dinglich Berechtigte oder auf den Hausvater eines
verletzten Hauskinds)
Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio
utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992
actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers
Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3
actus (lat.
[N.]) Trift →Dienstbarkeit
actus (M.) iuridicus (lat.) →Rechtsgeschäft
Lit.: Köbler, DRG 164
actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft
Lit.: Kaser §§ 34, 41
Additio (F.) sapientium (lat.) ist die innerhalb der →Lex Frisionum
überlieferte Niederschrift über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens
Wlemarus und Saxmundus.
Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927;
Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980
Adel ist
die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien einer Gesellschaft. Derartige
Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen auf. Sie sind Wandlungen
unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen deutschen Adels ist ungeklärt.
Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ererbter Boden?) spielt wohl auch die
Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher feststellbar ist die
Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung göttlicher Abkunft). Die
germanischen (lat. [M.Pl.]) principes (Ersten, Anführer) lassen sich nicht als
A. sichern. Das salfränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche
Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht
ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft hervorgegangene
römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als Gegenstück
findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger über die
Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen und
militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender Familien,
denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden (Reichsadel).
Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt sich ihre
örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des bereits in
den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes →Wergeld sowie im
Übrigen durch →Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später →Pairsgericht
gekennzeichneten Adels wird seit dem Hochmittelalter zu den →Landesherren
bzw. →Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit
entstammende, durch Herrendienst entstandene →niedere Adel in den Dienst
der Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger
verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische
Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung,
Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich revolutionär
verwirklichten Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels
(im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich
3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung verwaltungsstrafbar).
Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm
dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111,
120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la
noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des
Uradels in Niedersachsen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906;
Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische
Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1;
Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die
Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen
Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927,
Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz, U., Zum Ursprung und
Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und Haltung des
schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5 (1941), 335;
Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen Reichsfürstenstand,
1943; Hiesel, R., Die staatsrechtliche und soziologische Stellung des
Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A.,
Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel
1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler,
H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P.,
1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum,
1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische
Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im
Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987;
Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G.,
Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im
spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991;
Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der
frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft
im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A.,
Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen
Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel,
ZRG GA 112 (1995), 158; The European Nobilities in the Seventeenth and
Eighteenth Centuries, Bd. 2 1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels,
hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France,
1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung
im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als
kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la
noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999;
Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in
Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht
1868-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A.,
2000; La noblesse dans les territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000;
Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten
Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel
im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel,
2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel,
hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E., Südwestdeutscher Reichsadel im
17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der
höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in
Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Hengerer, M.,
Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M.,
2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003;
Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und
militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und
Rittertum im Mittelalter, 2004, 2. A. 2010; Hechberger, W., Adel im
fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005;
Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige
Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Barth, T., Adelige Lebenswege im alten Reich, 2005;
Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hochmittelalterliche
Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a.,
2006; Adel im Wandel, hg. v. Bumiller, C., 2006; Adel im Wandel, hg. v.
Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel, S., Verbündete Rivalen, 2006; Matzerath, J.,
Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt, hg. v. Labouvie, E.,
2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und Nationalsozialismus im
deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a., 2007; Adel in Bayern,
hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M., Der Adel in der
frühen Neuzeit, 2009; Adel im „langen“ 18. Jahrhundert, hg. v. Haug-Moritz, G.
u. a., 2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., 2010; Adel in
Hessen, hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Risch, H., Der holsteinische Adel im
Hochmittelalter, 2010; Adel verbindet, hg. v. Van Driel, M. u. a., 2010; Groß,
O., Die Debatten über den Adel im Spiegel der Grundrechtsberatungen in den
deutschen Parlamenten 1848/1849, 2013
Ädile sind
im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des plebejischen
Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über
die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die
allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite
gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden sollen.
Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es
Ä. später auch in anderen Gemeinden.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
aditio (lat.
[F.]) Antritt
adiudicatio (lat.
[F.]) Zuspruch
adjektizisch (hinzukommend, erstreckend) z. B. im römischen Recht Klagansprüche gegen
den Gewalthaber auf Grund von Geschäften Gewaltunterworfener (z. B. actio de in
rem verso, actio de peculio, actio quod iussu, actio tributoria) oder gegen den
Geschäftsherrn auf Grund von Geschäften von Geschäftsführern (z. B. actio
institutoria, actio exercitoria), die keine selbständigen Verbindlichkeiten begründen,
sondern die Verbindlichkeiten des Schuldners (Gewaltunterworfenen, Geschäftsführers)
nur auf einen anderen (z. B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken
Adler ist
der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des
höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen
Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der
Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund
zum Reichswappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am
Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von
Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis
dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter
Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen,
neben dem der König bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches den einfachen A. führt. 1848 erklärt die
Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des geplanten Deutschen Reiches,
1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem
preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950
von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804
den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und
führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen
ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer
zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt
seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber
gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen
S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in
Silber Wappen des Königreichs.
Lit.: Gritzner,
E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und
Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H.,
Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen
Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A.
1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005
admallatio (lat. [F.]) Ladung
administratio (lat. [F.]) Verwaltung
Lit.: Busch, J.,
Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom
Amtswalten zum Königsdienst, 2007
Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene Gerichtsbarkeit in
Verwaltungsangelegenheiten (im 19. Jh.)
Lit.:
Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11
Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.
Lit.:
Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43
admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B. Kapitular
admonitio generalis vom 23. 3. 789)
Lit.: Buck, T., Admonitio und
Praedicatio, 1997; Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. v. Mordek, H.
u. a., 2012
adoptio (lat.
[F.]) Annahme an Kindes Statt →Adoption
Adoption ist
die Annahme eines Menschen als Kind unabhängig von der tatsächlichen
Verwandtschaft. Das römische Recht kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat.
[F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris und verschiedenen testamentarischen
Geschäften in Anknüpfung an die Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio
eines Menschen alieni iuris, bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine
Tochter oder einen Enkel einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen
durch →Manzipation (lat. [F.] →mancipatio) überträgt, dieser ihn
dreimal (bzw. einmal) freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat
behauptet, dass das Kind das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der
Magistrat den Menschen dem Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche
Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die →Affatomie bzw. das
Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die römischrechtliche A. in eingeschränkter
Form an einzelnen Stellen aufgenommen (Freiburg im Breisgau 1520) und findet
erst danach allgemein (entweder als adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft
oder als adoptio minus plena Erbberechtigung des Adoptierten nach dem
Adoptierenden) Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen (CMBC 1756 I,
4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil Art. 343ff., Bad LR Art.
343ff.). Wie schon im römischen Recht, so sollte auch im Allgemeinen Landrecht
(II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen einen Erben verschaffen.
In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976
neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt. Sie dient zunehmend der
Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.
Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25;
Hübner; Köbler, DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im
germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata,
1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen Königs durch den
Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches zur Adoption
bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die rechtliche Stellung
der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953; Diederichsen, U.,
Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik
zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts,
1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B.,
Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht,
(in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M.,
Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F.,
Die Aufnahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer
Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F.
u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption,
2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht
und im französischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, FS Wilhelm
Brauneder, 2008, 699; Schott, C., Kindesannahme - Adoption - Wahlkindschaft,
2009; Warnecke, M., Zwangs-Adoptionen in der DDR, 2009
advocatus (lat.
[M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) →Advokat, (mlat.) →Vogt
Advokat (lat.
[M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein
Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.)
advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340
wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14.
Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst
der A. als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere
Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit
der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der →Prokurator
den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur
abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. im Deutschen Reich durch →Rechtsanwalt
ersetzt.
Lit.: Söllner §§ 9, 11;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les
officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators,
1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951;
Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966;
Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger
und Staat, 1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997;
Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115
(1998), 441; Officium advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten
und Prokuratoren, 2006; 200 jaar orde van Advocaten te Antwerpen, hg. v.
Bogaerts, P. u. a., 2012
aedilis (lat. [Adj.]) Haus-, s. Ädil
AEIOU ist
die von dem der Buchstabenmagie
zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit 1437 verwendete
Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche Erklärungen (z. B.
[lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich ist Österreich
untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich ist unter allen
das vielseitigste) erst später erscheinen.
aequitas (lat.
[F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit
Lit.:
Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20
(1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53; Ostwaldt, L.,
Aequitas und Justitia, 2009
Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalls eine
Abweichung vom geltenden Recht begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund
von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kirchenrechtlichen
Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist
die praktische Verwirklichung des Gerechtigkeitsideals. Hauptsächlich
dient die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln.
Lit.: Wohlhaupter,
E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die
aequitas bei Gratian, (in) Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas
in den Lehren des Baldus, 1968; Caroni, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“
patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“,
1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld,
J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen
Rechtes, (in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze,
R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtigkeitsanspruch
des Rechts, 1996, 82
aequus (lat. [Adj.]) eben, gleich, billig, gerecht
aerarium (lat.
[N.]) Staatskasse, Staatsschatz
aestimatum (lat. [N.]) Trödelvertrag
Affatomie ([F.]
„Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes
(fränkische Volksrechte, Kapitularien, Formeln), durch das Güter eines
kinderlosen Erblassers in drei zeitlich getrennten Handlungen im Ding, im Haus
und im Königsding Dritten zugewendet werden können.
Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K.,
1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex
Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in
karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae
und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461
Affektion (F.) Zuneigung, Liebhaberei
Affektionsinteresse (N.)
Liebhaberwert
Lit.:
Kindler, M., Vom Ursprung des Affektionsinteresses im römischen Recht und
seiner Rezeption, 2013
Africanus (Sextus Caecilius Africanus) ist der als Schüler des →Julian bekannte hochklassische
römische Rechtskundige des 2. Jh.s n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quaestiones
bezeugt sind (insgesamt 35 Spalten in Otto Lenels Palingenesie).
Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft,
1961; Africani quaestiones. Studien zur Geschichte und Dogmatik des
Privatrechts, hg. v. Harke, J., 2011
Afrika ist der
südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische Gegebenheiten
die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen Nordrand schon dem
römischen Reich angehört, dessen südliche Teile aber erst mit dem Beginn der
Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als Kolonien durch
Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz genommen
werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jh.s zu verhältnismäßig
selbständigen Staaten befreien können.
Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959;
Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur
Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf
das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson,
B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003;
Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999, 2. A. 2010;
Hazdra, P., Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und
herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v.
Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R.,
Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines
Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas,
2004; Guérivière, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und
postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in
der deutschen Alltagskultur, hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006; Schuerkens,
U., Geschichte Afrikas, 2009; Schicho, W., Geschichte Afrikas, 2010; Harding,
L., Das Königreich Benin, 2010; Weckner, F., Strafrecht und Strafrechtspflege
für Afrikaner und ihnen gleichgestellte Farbige in Deutsch-Ostafrika, 2010; Wllace,
M., History of Namibia, 2011; Thornton, J., A Cultural History of the Atlantic
World 1250-1820, 2012; Brett, M., Approaching African History, 2ß13; Marx, C.,
Südafrika, 2012
Afterlehen ist
die seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem
Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen
(Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen) weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu
England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger des
Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969
Agnat ist
der über Männer Verwandte. Im römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien
Menschen, die in demselben Hausverband (oder in manus) stehen oder noch
ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen
Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in rein männlicher
Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen (→Schwertmagen).
Der verschiedentlich behauptete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem
kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.
Lit.: Kaser §
12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und
Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in
westgermanischen Volksrechten, 1958
Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich genutzten
Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch kleinbäuerliche
naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die Entwicklung Roms zu
einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in das Proletariat,
während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft betreiben können. Die
A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist die durch Berichte
Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit jährlicher
Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder Weideland
bereits familienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge der
Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen
Zuständen entsteht die →Grundherrschaft als überwiegende Form des
Betriebs der →Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im
Hochmittelalter werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen
in Geldleistungen umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem
seit der frühen Neuzeit die Gutsherrschaft durch, die abhängige Bauern zu
Tagelöhnern macht. An die Stelle von Rentengrundherrschaft und Gutsherrschaft
tritt nach der von der Aufklärung verursachten französischen Revolution von
1789 im 19. Jh. (1807-1848) das →Eigentum des einzelnen (befreiten)
Bauern. Im 20. Jh. führt die politische, wirtschaftliche und technische
Entwicklung zur Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zur Notwendigkeit
der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften
in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach
dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäisierung und
Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs
einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jh.s Sonderrecht für das
landwirtschaftliche Grundeigentum.
Lit.: Köbler,
DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland,
1856; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in
Nordwestdeutschland, 1896; Weber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte,
Agrarpolitik - Vorlesungen 1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007;
Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. A. 1921; Weber,
M., Wirtschaftsgeschichte, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte
des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des
germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen
Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K.,
Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82
(1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg.
v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen,
1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden
bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Brakensiek, S.,
Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschadt,
Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Achilles, W.,
Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der Industrialisierung,
1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach,
W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20.
Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und ethnodemographische Veränderungen - Südosteuropa
vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart, hg. v. Krauss, K., 2008;
Oberkrone, W., Ordnung und Autarkie, 2009
Agustín,
Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in Alcala, Salamanca,
Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die Grundlage für die
geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen Rechtes.
Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su „Recollecta
in iure canonico“, (in) Revista española de derecho canonico 45 (1988), 487
Ägypten ist
das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem
Ende des 4. Jt.s v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur
wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. (nach mehr als 330 Königen aus 30
Dynastien) an die Römer, später wird es rasch vom →Islam erfasst. Aus dem
Erbe des osmanischen Reiches wird es 1882 von Großbritanien besetzt, zwischen
1922 und 1946 aber schrittweise verselbständigt.
Lit.: Grünau, W. v., Die staats- und völkerrechtliche
Stellung Ägyptens, 1903, Neudruck 2013; Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens
und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die
ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Otto, E., Ägypten, 1953, 5. A. 1959; Seidl,
E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, H., Die privaten
Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien zum altägyptischen Recht, 1971;
Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H.,
Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J.,
L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994;
Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W.,
Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit,
2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen
Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002; Hölbl, G., Altägypten im
römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt, 2005; Langner, U.,
Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschhheit, 2007; Bingen, J.,
Hellenistic Egypt, 2007; Ägypten unter fremden Herrschern, hg. v. Pfeiffer, S.,
2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie, 6. A. 2008, 7. unv. A. 2010;
Booth, C., Das alte Ägypten, 2009; Cities and Urbanism in Ancient Egypt, hg. v.
Bietak, M. u. a.,, 2010; Kubisch, S. u. a., Kleopatra, 2011; Clauss, M., Der
Pharao, 2011; Rupprecht, H., Recht und Rechtsleben im ptolemäischen und
römischen Ägypten, 2011; Bauschtz, J., Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt,
2013; Jin, S., Richten und Schlichten, 2013; History and Society during the
Mamluk Period (1250-1517), hg. v. Conerman, S., 2014
Ahnengrab
Lit.:
Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und
Rechtsstein, 1950
Ahnenprobe ist der
Nachweis der (adeligen) Abkunft vom 12. bis 19. Jh.
Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862; Klocke,
F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im Mittelalter,
hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.
Ahrweiler
Lit.: Krahforst, P.,
Stadtverfassung und Gerichtswesen im mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur.
Bonn 1962; Inventar des Archivs der Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v.
Zimmer, T., 1965
Akademie ist
die bei dem Hain des griechischen Helden Akademos in Athen von Plato (428/427-348/347
v. Chr.) gegründete, griechische, 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian
verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien
(Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem
Kooptationsprinzip bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären Akademien
(Accademia dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt
1652) vor allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der
Entwicklung der modernen Welt kann aber eher den Universitäten (z. B. Halle
1694, Göttingen 1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich
1847) als Wissenschaftsnetzwerken zugesprochen werden.
Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia,
Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften,
1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v.
Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u.
a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591;
Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung
der Leopoldina, hg. v. Toellner, R. u. a., 2008; Bolewski, H., Die Idee der
Akademie, hg. v. Bolewski, M., 2009; Denker, Forscher und Entdecker, hg. v. Willoweit,
D., 2009 (22 Lebensbilder); Joos, K., Gelehrsamkeit und Machtanspruch um 1700,
2012
Akademie für deutsches Recht ist die am 26. Juni 1933 auf Einladung des Staatsministers
Hans Frank im Justizministerium Bayerns von Wilhelm Kisch, Otto von Zwiedineck-Südenhorst,
Wilhelm Heuber, August von Finck, Wilhelm Arendts, Wilhelm Kißkalt, Karl Lasch
und Hans Frank vorbereitete, durch bayerisches Gesetz vom 22. September 1933
als Körperschaft des öffentlichen Rechtes anerkannte außeruniversitäre
wissenschaftliche Einrichtung der nationalsozialistischen Zeit (1933-1945)
zur weltanschaulichen Umgestaltung des Rechtes (mit anfangs 95 Mitgliedern).
Die A. f. d. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch).
Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt vor allem aus zeitlichen Gründen
notwendigerweise eher gering. Mitglieder sind (nach Pichinot) Albert, Anders,
Arendts Carl, Arendts Wilhelm, Becker, Belitz, Berckemeyer, Bertram,
Bilfinger, Bilke, Blomberg, Böhringer, Bohne, Bormann, Bosch, Bouhler, Brand,
Brandt, Braunmühl, Breska, Bruns, Buch, Buchner, Bühler, Bürckel, Bumke,
Bussmann, Buttmann, Buzengeiger, Calker, Correll, Dahm, Darré, Denzler, Dersch,
Dierig, Dietrich, Ditten, Dorpmüller, Droege, Duisberg, Ebbecke, Eckhardt,
Emge, Engert, Epp, Eschstruth, Exner, Fabian, Feder, Feise, Fiehler, Finck,
Firle, Fischer, Flick, Florian, Forster, Freisler Oswald, Freisler Roland,
Freytag-Loringhoven, Frick, Fritzsche, Frowein, Frundt, Gaertner, Gaus,
Geffroy, Geldmacher, Gelpcke, Gerdes, Gleispach, Glück, Goebbels, Goerdeler,
Göring, Goltz, Gonella, Gottl-Ottilienfeld, Grau, Grauert, Grimm, Grohé,
Gürtner, Haushofer, Heckel, Hedemann, Helfferich, Hellmuth, Henkel, Herle, Heß,
Heuber, Heymann, Hierl, Hildebrandt, Hilgard, Hilland, Himmler, Huber, Hueck,
Huecking, Hühnlein, Jessen, Jordan, Jung, Kaufmann, Keppler, Kerrl, Kilpper,
Kisch, Kißkalt, Klagges, Klausing, Klauer, Kleiner, Kleinmann, Klitzsch, Kluge,
Koch, Koellreutter, Kohlrausch, Krämer, Krohn, Krupp von Bohlen und Halbach,
Kyser, Lammers Clemens, Lammers Hans-Heinrich, Lange Heinrich, Lange Karl,
Lechner, Lehmann, Lehnich, Lent, Lenz, Ley, Linde, Linz, Lippert, Lohse,
Luetgebrune, Lüer, Lutze, Madaus, Mansfeld, Meerwald, Meißner, Menge, Merck,
Meyer Alfred, Meyer Herbert, Meyer Karl, Mezger, Mikorey, Minoux, Mitteis,
Mönckmeier, Mößmer, Moritz, Müller-Erzbach, Mutschmann, Nagler, Neef, Neubert,
Neurath, Nicolai, Niemczyk, Nipperdey, Noack, Noell, Noetzel, Oberlindober,
Oboussier, Oertel, Oetker, Olscher, Opel, Oppikofer, Palandt, Papen, Pfundtner,
Poensgen, Popitz, Popp, Pschorr, Racke, Ranz, Reemtsma, Reinhardt, Reinhart,
Reusch, Ribbentrop, Rienhardt, Röhm, Rohde, Römer, Rößner, Roselius, Rosenberg,
Rothenberger, Röver, Rühle, Rust, Sack, Sahm, San Nicolo, Sauckel, Saure,
Schacht, Schaeffer, Schaffstein, Scheurl-Defersdorf, Schieck, Schippert,
Schirach, Schlegel, Schlegelberger Franz, Schlegelberger Paul, Schmidt, Schmitt
Carl, Schmitt Kurt, Schmitz, Schnauß, Schoetensack, Schraut, Schreyer,
Schröder, Schroer, Schüßler, Schuhmann, Schultze, Schwarz F. X., Schwarz Otto,
Schwarz, Schwede, Schwerin, Schwerin von Krosigk, Selchow, Seldte, Sellier,
Sibeth, Siebert Ludwig, Siebert Wolfgang, Siemens, Simon Gustav, Simon H. A.,
Simons, Singer, Specht, Spiethoff, Sprenger, Springorum, Stauß, Steinaecker,
Steyrer, Stock, Stoll, Stolleis, Streicher, Stuckart, Stutz, Teichler,
Telschow, Terboven, Tewaag, Thierack, Thyssen, Tiemessen, Tischbein, Todt,
Töwe, Tribius, Ullrich Arthur, Ullrich Hans, Ulrich, Vögler, Volkmar, Wagner
Adolf, Wagner Josef, Wagner Robert, Wahl, Waldeck und Pyrmont, Waldmann, Walz,
Weidemann, Wein, Weinrich, Weiß, Wirth, Witte, Wolpers, Wolff, Würdinger,
Wüstendörfer, Zangen, Zarnack, Zwiedeneck-Südenhorst, als korrespondierende
Mitglieder u. a. Fehr, als Ausschußvorsitzende u. a.Dersch, Kunkel,
Felgentraeger, Schmidt-Rimpler, Lehnich, Ulmer, Blomeyer, Wieacker, Scheuner,
in Arbeitsgemeinschaften Lang, Predöhl, Boesler, Moeller, Schmölders, Gerhardt,
Helander, Beckenrath, Brinkmann und Lampe.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für
Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd.
1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker,
G., Der Erbrechtsausschuss, 1997
akademisch (Adj.) die Akademie oder Universität betreffend (z. B. akademische
Gerichtsbarkeit der Universität über Professoren, Studenten, Angehörige,
Bedienstete bis zum 19. Jh.)
Akklamation (F.)
Zuruf, Zustimmung
Akkreszenz (F.) →Anwachsung
Akkusation (F.) Anklage
Akkusationsprozess ist der durch Akkusation (Anklage) seitens eines
(privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen
Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert
eine →Anklage (lat. [F.] accusatio). Kennzeichnend sind die dem Anklageschriftsatz
beizufügende Verpflichtung des Anklägers zum →Talion für den Fall der
Falschanklage und der →Kalumnieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf
den →Strafprozess eingeschränkt. Die Constitutio Criminalis Carolina
(Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.) von 1532 behandelt den A. in Art.
6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein
Gegensatz zum A. ist der →Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jh. (1848)
ist öffentlicher Ankläger der Staatsanwalt. →Anklageprozess
Lit.: Köbler,
DRG 156; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litterarum
contradictarum, Bd. 1 1970; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von
Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971
Akten ist
die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in
Gericht und Verwaltung in einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke.
Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach
dem frühmittelalterlichen Rückgang des Schriftwesens werden sie erst im 14.
Jh. wieder bedeutsamer.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss,
E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben
in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel,
J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408;
Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte
unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg.
v. Lepsius, S. u. a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009
Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der
Gerichte, in einem anhängigen Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) die
Akten mit der Bitte um ein(en) Urteil(svorschlag) an eine rechtskundige Stelle
zu versenden, um danach die Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut
auf dem mittelalterlichen →Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem
Vorbild Juristen und deren →Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219
CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein
(Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879
(§ 16 GVG) endet die der Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. im
Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts,
1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel,
W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1962; Gehrke, H., Die privatrechtliche
Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess,
1983
Aktenwesen →Akten
Aktie (1492) ist der Anteil an der →Aktiengesellschaft. Im 15. Jh. ist A. in Amsterdam
und Brügge der klagbare Anspruch und das diesen verbriefende Papier, in
Zeugnissen von 1606/1607 (niederländisch-ostindische Handelscompagnie, VOC)
vielleicht der Anspruch auf Dividende (aus dem Anteilsschein des Kapitalgebers)
und im Code de commerce Frankreichs von 1807 ein Teil des Kapitals einer
Handelsgesellschaft.
Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Aktienrecht im
Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aktiengesellschaft (1828) ist die Gesellschaft mit
eigener Rechtspersönlichkeit (juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes
Grundkapital hat und für deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das (gesamte)
Gesellschaftsvermögen (unbeschränkt) haftet (nicht auch der Gesellschafter mit
ihrem sonstigen Vermögen). Auf der Grundlage erster Durchbrechungen des
Grundsatzes der persönlichen Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des
wachsenden Kapitalbedarfs in Bergbau und Fernhandel im 15. Jh. entsteht (auf
römischen Grundlagen) nach Vorläufern (Genua 1407 St. Georgsbank) die A. aus
den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos
im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (English East India Company 1600
zunächst als Rahmen für auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated
stock companies, Vereinigte [Niederländische] ostindische Handelscompagnie
VOC 20. 3. 1602, Schweden 1615, Dänemark 1616, Brandenburgisch-Ostindische
Compagnie 1651, Niederlande Österreichs 1719). Sie wird mehr und mehr als
Zusammenschluss mit eigenem Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem
einzelnen Privileg (Oktroisystem). Gesetzlich wird die A. im französischen
Code de commerce (1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im
Eisenbahngesetz Preußens von 1838,) im Gesetz über die Aktiengesellschaften
für die königlich preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession als
Verwaltungsakt auf der Grundlage eines Gesetzes [Konzessionssystem],
Vorstand und Generalversammlung, Verwaltungsratsmodell) und im Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuch (1861, Kombinationsmodell aus Aufsichtsrat und Verwaltungsrat,
Konzessionssystem 1870 durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf
Erteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen ersetzt), danach in Deutschland
(nach zwei Notverordnungen von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf
Österreich erstreckten, 1945 geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994
novellierten Aktiengesetz (ab 1931 Abschlussprüfermodell, 1937 Aufsichtsrat
als [nachträgliches] Kontrollorgan, 1998 ex-ante-Überwachung) geregelt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften
vom 9. November 1843, hg. v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche
Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1
1921; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Aktiengesetz1937.pdf; Schumacher,
H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft, 1937;
Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France, 1938;
Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Rauch, K.,
Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA
69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius
commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann
1974, 167; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft
im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u.
a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Versuch einer Aktiengesetzgebung
in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der
Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen, 1982, 251; Landwehr, G.,
Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes
Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der
Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie
für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für
Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der
Weimarer Republik. Die Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss
des vorläufigen Reichswirtschaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987;
Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des
Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft,
1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000;
Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger,
C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte
und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der
rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company
Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von
Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007; Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer,
W. u. a., Bd. 1f. 2007; Velte, P., Das aktienrechtliche Verwaltungs- und
Aufsichtsratsmodell, ZRG GA 127 (2010), 188; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fleckner, A. Antike
Kapitalvereinigungen - ein Beitrag zu den konzeptionellen und historischen
Grundlagen der Aktiengesellschaft, 2010; Ellenberg, S., Herrschaft und Reform,
2012
Aktiengesetz ist das die Aktie bzw. →Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B. Deutsches Reich 1937)
Aktienrecht (1873) ist das die Aktie betreffende Recht.
Lit.:; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Borgers, T., Das Oberappellationsgericht zu
Lübeck und seine Rechtsprechung zum Aktienrecht, 2012
Aktionär ist der Gesellschafter der →Aktiengesellschaft.
Aktionensystem ist das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. im römischen Recht die
Rechtsschutzverheißung im edictum perpetuum) als Klaganspruch ausgerichtete
Rechtssystem, das den Sachverhalt nicht unter einen Tatbestand subsumiert,
sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard Windscheid (1817-1892)
trennt den materiellen Anspruch von der verfahrensrechtlichen (lat.) actio.
Damit endet im deutschen Recht das A.
Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis
Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch Überleitungsgesetz umgesetzte
weltliche Anerkennung (Transformation) kirchlichen Rechtes im Spätmittelalter
(z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges 1438, Mainzer Akzeptation 1439).
Lit.: Hürten, H., Die Mainzer
Akzeptation, 1955
Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstands von einem anderen, zu lat. [M.]
accessor, Hinzutretender
Lit.: Gerhold, S., Die Akzessorietät der Teilnahme an Mord und
Totschlag, 2014
Akzise (zu lat. [V] accidere, auferlegen, cisa,
Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist die
im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln
1206, Stendal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist am
Stadttor erhobene →Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt auf
Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern
wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem
Vorbild im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641,
Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. Im 19. Jh.
tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808,
im Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der
alle Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf
den jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) im 20. Jh. (1916
bzw. 1918) wieder belebt.
Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen,
D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des
Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992;
Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992;
Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann, H., Der deutsche
Steuerstaat, 2005
Alarich →Breviarium
Alarici
Albanien ist
der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit
einer Fläche von 28748 qkm und rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer
Einwohner (Skipetaren oder Albaner), deren seit dem 15. Jh. schriftlich
bezeugte Sprache zum albanischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie
zählt. Das von Menschen streitiger Herkunft bewohnte Gebiet wird im 1. Jt. v.
Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft,
unter der es 395 n. Chr. Ostrom zugeteilt wird. Am Ende des Mittelalters wird
das von 1392 bis 1479 Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28.
11. 1912 erklärt sich A. für unabhängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943
in Personalunion mit Italien verbundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 entsteht
die Volksrepublik A., die sich zunehmend abschließt. Im Dezember 1990 endet
die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991
bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im
Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung der →Megelle
[1869-1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und demokratisch geprägt. Das
mehrheitlich von Albanern bewohnte Gebiet Kosovo kann sich 2008 mit
internationaler Hilfe von Serbien verselbständigen.
Lit.: Frasheri,
K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening,
1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame
Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v.
Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v.,
Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v.,
Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P.,
Albanische Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet);
Ordolli, S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische
Geschichte, hg. v. Schmitt, O., 2009; Löhr, H., Die Gründung Albaniens, 2010;
Schmitt, O., Die Albaner, 2012; Morscher, L., Albanien 2013
Albericus (de porta Ravennate) ist ein zwischen 1165
und 1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200
Albericus de Rosate ist ein in Rosciate bei Bergamo
aus vornehmer Familie um 1290 geborener, in Padua ausgebildeter, praktisch
tätiger, im September 1360 verstorbener Jurist (Kommentare zu Codex und
Digesten, alphabetum bzw. dictionarium utriusque iuris, opus statutorum,
kleinere Schriften).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum,
F., 1581, Neudruck 2008 (372 Blätter)
Albertiner →Wettin
Albertus Gandinus s. Gandinus, Albertus
Albigenser
Lit.: La
Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004
Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing 4. 3. 1800-Leipzig
22. 5. 1876) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Königsberg und
Göttingen und der Promotion (1822) und Habilitation (1824) in Königsberg 1829
Professor für deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines Lehrers Karl
Friedrich Eichhorn in Göttingen, wo er in einer Rezension den Staat als
juristische Person erklärt und 1837 (als einer der Göttinger Sieben) entlassen
wird. Ab 1838 wirkt er in Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarzburgs und
Anhalts im Bundestag des Deutschen Bundes und nimmt für Harburg an der
deutschen Nationalversammlung von 1848 teil.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AlbrechtWilhelmEduard-DieGewerealsGrundlagedesaelterendeutschenSachenrechts1828.pdf
Albrecht, W., Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts,
1828; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E. Albrecht, 1993
Alcala de
Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene Stadt, die auf römische
Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird
dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine
1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.
Alciat,
Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium
(Latein, Griechisch, 1507 Rechtswissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516
Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen,
(1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529
nach Bourges sowie 1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet
mit Budé und Zasius die vom →Humanismus geprägte Rechtswissenschaft
([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris civilis, 1518, De verborum significatione,
1530), die im (lat.) →mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens
ist er auch ein geschätzter Gutachter.
Lit.: Köbler,
DRG 143; Omnia … opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat,
1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Osler, D., Development in the text of
Alciatus’ Dispunctiones, Ius commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische
Jurisprudenz, 1993; Belloni, A., L’amministrazione della giustizia a Milano,
(in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.
Aldermann
(ae. ealdorman) ist seit dem Mittelalter an verschiedenen Stellen (z. B.
Hamburg 1266, London 13. Jh.) ein Funktionsträger mit unterschiedlichen Befugnissen.
Lit.:
Dollinger, P., Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of English law,
Bd. 1 1999
Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177 bezeugter
Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht stammt.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202
Alemanne ist
der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus
elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten germanischen
Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das Gebiet am oberen
Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497 unterliegen die
von einem König geführten Alemannen den →Franken. Etwa zu dieser Zeit
setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn
des 7. Jh.s zeichnen die Alemannen ihr Recht im →Pactus Alamannorum und
zu Beginn des 8. Jh.s in der →Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum
vom fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich lebt
das Volk der Alemannen in den Ländern Schwaben (Baden, Württemberg), Elsass,
Kantonen der Schweiz, Liechtenstein und Vorarlberg fort.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der
alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung,
1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur
Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen
Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften
Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens,
1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen,
hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998;
Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im
Breisgau, 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die
Alamannen, 2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a.,
2003; Krapp, K., Die Alamannen, 2007; Drinkwater, J., The Alamanni and Rome
213-496, 2007; Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D.
u. a., 2008; Tarodunum/Zarten - Brigobanis/Hüfingen, hg. v. Kleiber, W., 2009;
Alemannische Dialektologie, hg. v. Huck, D., 2014
Alemannien →Alemanne,
→Schwabe
Alexander III.,
der (um 1120?) als Roland (Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna
(vor 1142) Theologie und die Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten
magister Rolandus), veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I.
Barbarossa bedeutsame →Dekretalen (insgesamt mehr als 700, u. a. zur
Papstwahl [Zweidrittelmehrheit der wählenden Kardinäle] und zur
Eheschließung).
Lit.: Pacaut,
M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century,
1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980),
3; Laudage, J., Alexander III. und Friedrich Barbarossa, 1997
Alexander der Große (Pella/Makedonien 20. 7. 356 v. Chr.-Babylon 10. 6. 323 v. Chr.) ist der
das von seinem Vater geerbte Reich Makedonien zeitweise bis Indien ausdehnende
König, mit dem die Zeit des Hellenismus beginnt.
Lit.: Barceló,
P., Alexander der Große, 2007; Demandt, A., Alexander der Große, 2009
Alexander von Roes (2.
H. d. 13. Jh.s, um 1225-vor 1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280
mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich
zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein
([lat.] Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).
Lit.: Schraub,
W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes,
Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende
bei Alexander von Roes, 2002
Alfenus Varus (um 39. v. Chr.) ist ein römischer Rechtskundiger.
Lit.:
Liebs, D., P. Alfenus Varus, ZRG GA 127 (2010), 32
Aller guten Dinge sind drei (d. h. der Kläger muss dem Beklagten in drei
Gerichtsterminen die Möglichkeit zur Gegenwehr geben).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)
Allgäu
Lit.: Wiedemann, R., Der
„Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit nach Personalitätsprinzip, 1932;
Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505, bearb. v. Bilgeri, B., 1940
Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene zivilprozessuale
Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche Prozessordnung
(1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde liegt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProtokollederCommissionzurBeratungeinerAllgemeinenCivilprozessordnungfuerdiebundesdeutschenBundesstaaten1865.pdf
Protocolle der Com-mission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung,
1862ff., Neudruck 1985
Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von allen Mitgliedstaaten des →Deutschen
Bundes ausgearbeiteten Entwurfs von der Frankfurter verfassungsgebenden
Nationalversammlung angenommene, am 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung
des partikularen Wechselrechts, das nach Scheitern der Einigungsbestrebungen
des Jahres 1848 in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als
gleichlautendes allgemeines deutsches Recht) in Kraft gesetzt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der
zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20.
October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U.,
Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978,
77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung
und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484;
Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeineDeutscheWechselordnung1848.pdf
Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach ersten Ansätzen der Jahre 1709 und 1753 vor
allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim
1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark
geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks
Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch geschaffene Gesetz (Publikation 1. Mai
1781, JGS 13, Einführung mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des
gemeinrechtlichen Zivilprozesses (geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime,
Eventualmaxime, grundsätzlicher Anwaltszwang,
mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796
abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsordnung), später in
Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien
in Kraft tritt und erst durch die
ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische
Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische Zivilprozessordnung
von 1895 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die
österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978
Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793 (Sanktionierung, Ende 1794/Anfang
1795 Druckfassung) bzw. 1795 für Preußen auf der Grundlage (des Projects des
Codicis Fridericiani Marchici von 1748 mit Anhängen von 1761 und 1769) und) des
(lat.) Corpus Juris Fridericianum Erstes Buch von der Prozessordnung von 1781
(Patent vom 26. 4. 1781) in Anpassung an das Allgemeine Landrecht geschaffene
Zivilprozessordnung (1822 gegenüber der ursprünglichen Fassung unverändert,
aber um Anhang von 1815 erweitert), die in vernunftrechtlicher Prägung
(Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemeinrechtlichen, als zu
langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich
erreichen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die
Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975;
Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische
Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der
Allgemeinen Gerichtsordnung für die preusßischen Staaten, 1999
Allgemeine Geschäftsbedingung (Wort bei Hinrichs, ZHR 20 [1875], 391) ist die allgemein
verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine Geschäftsbedingungen entstehen (nach
Vorläufern in [mittelalterlichen Formelsammlungen und] Policen von Versicherungen
im ersten Drittel des 18. Jh.s) als Folge der Massengeschäfte nach der industriellen
Revolution am Ende des 19. Jh.s (Eisenbahnbetriebsreglements, Postordnungen,
1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden trotz der erkennbaren Vorteilssicherung
der Verwender (mittels Haftungsbeschränkungen, Beweislast-umkehrungen, Gerichtsstandsklauseln,
Rücktrittsvorbehalten und Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig im
Einzelfall gerichtlich kontrolliert, am 9. 12. 1976 in Deutschland aber in
einem eigenen Gesetz über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen
gesetzlich geregelt, das 2002 als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch
aufgenommen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser,
L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961; Pohlhausen,
R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen
den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS
E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003;
Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Hellwege, P,
Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2010; Webersberger, M., Freizeichnungsklauseln
in allgemeinen Konossementsbedingungen, 2014
Allgemeine Gütergemeinschaft →Gütergemeinschaft
Allgemeiner Teil (1807)
ist der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und
voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung
([lat.] genus, N., Geburt, Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, F., Sehen,
Anblick, Gestalt, Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zum Geschlecht
gehörig, zur Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist
bereits dem lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht
werden in den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus
(1527-1591), sich von der wenig systematischen Reihenfolge der Bestimmungen
der justinianischen Kompilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius
(Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt im Index capitum seiner
Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de
generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegenheiten]), doch wird dies
nicht weiter beachtet. Im Gefolge naturrechtlicher Systematisierungsansätze
(Erhard →Weigel [1625-1699], Samuel →Pufendorf [1632-1694],
allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean
Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian
Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum
universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.)
Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen
Jurisprudenz), in denen er in einer (lat. [F.]) pars generalis (einem allgemeinen
Teil) de iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und
Verbindlichkeiten Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von
der Rechte und Verbindlichkeiten Verschiedenheit) und de acquisitione iurium
et obligationum generatim (vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten im Allgemeinen)
handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt
(Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedancken, den heutigen Zustand der
bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige
Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine vom
Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Definitionen
verwendende Darstellung des positiven Rechtes verlangt, in der alles
systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen
und das Zusammengehörige beieinander steht. Nach erfolgreichen
Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio
(F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum communem (Einleitung in die
allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen
Teil eine kurze Enzyklopädie und Methologie sowie eine straffe Rechts- und Literärgeschichte
enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer juristischen
Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen allgemeinen
Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechtes verlangt. 1772 bietet
Daniel Nettelbladt in seiner (lat.) Nova introductio (F.) in jurisprudentiam
positivam Germanorum communem wohl erstmals einen ausgeführten allgemeinen
Teil in zwei Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine rechtliche Fachwörter,
Personen, Tatsachen, Sachen, Rechtshandlungen, Begründen, Auflösen,
Bestätigen von Verbindlichkeiten, Stellvertretung, Anfechtung, Erwerb,
Verlust und Bewahrung von Rechten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheitsleistung,
Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren
ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser
Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav →Hugo in seinen (lat.) Institutionen
des heutigen römischen Rechtes 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in
7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechtspflege, Entscheidungsgrundlagen
des Richters, Unmöglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römisches
Recht in Deutschland, Justinians Leistung, teilweise Unbrauchbarkeit durch
Änderung der Verhältnisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des
Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obligationen, Familienrechte, Verlassenschaften,
Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls
Schüler Nettelbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche
positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen Civilrechtsgelahrtheit,
die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das System des gesamten
heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil Personen, Sachen,
Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit, Rechte, Verbindlichkeiten,
Sicherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmittel, Schaden, Schadensersatz, Verwaltung
fremder Sachen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfasst. Hugos
Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler Georg Arnold Heise in seinem
Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen
(1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen des Rechtes, Von den Rechten im
Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der Rechte, Von den Subjecten und
Objecten des Rechtes], dingliche Rechte, Obligationen-Recht, jura potestatis,
das gesamte Erbrecht, Restitutio in integrum) zu einem allgemeinen Teil des
Privatrechts. Durch →Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine
Verbreitung und erfasst später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und
Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete.
Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur
Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W.,
Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985;
Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines
allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine
Rechtsgrundsätze, 1997; Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“,
2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Der Allgemeine Teil des Privatrechts, hg. v. Baldus, C. u. a., 2013
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation des Privatrechts in →Österreich.
Sie wird mit dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen
habsburgischen Herrschaftsgebiete schon von Gottfried Wilhelm Leibniz
(1646-1716) als Codex Leopoldinus Leopolds I. (1640-1705) ohne Erfolg angeregt.
1709 setzt Joseph I. (erfolglos) Kompilationskommissionen in Prag und Brünn
ein, (nach der 1749 die österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen
Länder von einer Länderunion in eine Einheit umwandelnden Reform Maria
Theresias) 1753 Maria Theresia eine Kommission (Kompilationskommission [Joseph
von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die 1755 gebildete Revisionskommission
übertragen) zur Abfassung ([einer allgemeinen Gerichtsordnung und] eines
gleichen Landrechts in allen benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden
bzw.) eines (lat.) →Codex (M.) Theresianus (Theresianisches Gesetzbuch),
der (die) Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und
das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der umfangreiche, in
drei Teilen 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende
Entwurf (ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird lediglich
als brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia
nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem Zivilprozessrecht
gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Johann Bernhard
Hortens (Entwurf Horten) wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten vom
16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die gesetzliche Erbfolge betreffenden
Teil 1786 aber als Erbfolgepatent vom 11. 5. 1786 und in seinem
personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch, ErsterTeil (bzw. [später so genanntes] →Josephinisches
Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs)
in Kraft gesetzt, doch verzögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch
die nunmehr geplante Einbeziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II.
(20. 2. 1790) den weiteren Fortgang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von
→Martini an Hand der Benützung des Entwurfs Hortens und des (1794) in
Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker
naturrechtlich geprägten Entwurf (1796 Entwurf Martini mit 8859 Wortformen)
aus, der (nach Inkraftsetzung der Zivilprozessordnung und des Strafgesetzes
1796 und geringer Umarbeitung) durch Patent vom 13. 2. 1797 als Bürgerliches
Gesetzbuch für Westgalizien (→Westgalizisches Gesetzbuch) für das von
den Habsburgern aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien
und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für das bereits 1772 erlangte Ostgalizien
kundgemacht wird (Bürgerliches Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1.
1798). Dieses Bürgerliche Gesetzbuch für Galizien wird als sog. Urentwurf
unter der Leitung Franz von →Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei
Lesungen (unter Abbau der naturrechtlichen Prägung wegen der französischen
Revolution) beraten und nach kaiserlicher Sanktion vom 7. Juli 1810 (ohne Darlehensbestimmungen)
bzw. 29. 4. 1811 (Darlehensbestimmungen) als Anlage zum kaiserlichen Patent
vom 1. 6. 1811 (JGS 94) kund gemacht und zum 1. 1. 1812 (mit 7344 Wortformen
und 4313 Lemmata) unter Aufhebung des gemeinen Rechtes und grundsätzlich der
Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. einheitlich für alle Einwohner ohne
örtliche und ständische Unterschiede bzw. für den gesamten Bereich der
Rechtsvereinheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische
Unterschiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes) für
die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Resolution vom
18. 8. 1810) (zunächst nur in Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis
und Teile des Hausruckkreises], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog.
Fraischbezirk in der Oberpfalz, in
Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien und Lodomerien
[z. T., ohne Bezirke Wieliczka, Podgorze und Tarnopoler Landschaft], Bukowina,
Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten [ohne Oberkärnten], Militärgrenze
[17. 7. 1811] [mit Warasdiner, slavonischer, siebenbürgischer und banatischer
Militärgrenze], nicht aber in Ungarn, Kroatien-Slawonien, Siebenbürgen) als
reines, aber nicht vollständiges Privatrechtsgesetzbuch (mit drei Teilen und
1512 Paragraphen, deutscher Text authentisch, 7344 Wortformen von 4313 verwendeten
Wörtern) in Kraft gesetzt und zwischen 1815 und 1820 nach und nach auch in den
Gebieten eingeführt, die durch den Frieden von Paris oder die Akte des Wiener
Kongresses an die Monarchie zurückfielen oder von ihr erworben wurden (z. B. 1815
bzw. 1816 Lombardo-Venetien, [Lombardei 1816-1865, Venetien 1816-1871], 1815 Tirol
mit Vorarlberg, 1817 Salzburg, Brixental, Zillertal, Innviertel,
Hausruckviertel, 1820 Karlstädter Kreis, 1878 partiell-subsidär Bosnien-Herzegowina).
Der (nicht eindeutig bekannte, vielleicht durch Abstände des Wappens auf dem
Titelblatt im Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw. 9 Millimetern erkennbare, anscheinend
in § 591 die Zeichenfolge … Ordens; Jünglinge unter 18 Jahren, Frauenspersonen,
Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme … aufweisende) Erstdruck wird dem Kaiser
am 24. Juni 1811 überreicht (amtlich publizierter Text in Justizgesetzsammlung
1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht das A. B. G. auf dem römisch-gemeinen Recht
bzw. dem jüngeren (lat.) usus (M.) modernus pandectarum (Schuldrecht, gewillkürtes
Erbrecht), (wenigen Einschüben aus dem) einheimischen Recht (Sachenrecht,
Erbvertrag), kirchlichen (kanonischen), durch die Grundsätze des späten
Vernunftrechts gefilterten Recht (Eherecht für Katholiken) und dem Naturrecht
(Systematik mit Einteilung nach Person und Sache, angeborene, schon durch die
Vernunft einleuchtende Rechte des Menschen in § 16, Auslegungsregeln z. B. §
7, angeborene Freiheit der Inbesitznahme freistehender Sachen § 381, Parentelenordnung).
Von Savigny wird es 1814 in seiner Schrift vom Beruf als misslungen bewertet.
Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von Liechtenstein
übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel gekürzt und seit dem 20. Jh. an das
Recht der Schweiz angeglichen wird, so dass um 2010 dort nur noch etwa 40
Prozent der ursprünglichen Paragraphen gelten). In Moldau wird es 1817 im
Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852 wird es (mit Anpassungen
vor allem im Eherecht und ohne tatsächliche öffentliche Anwendung) in Ungarn (im
Neoabsolutismus gegen den Willen der Ungarn 1853-23. 6.1861, danach aber
freiwillige Kryptorezeption), Kroatien und Slawonien (bis 1918, ohne Novellierungen),
in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent vom 29. 5.
1853 in Siebenbürgen und 1855 in Krakau eingeführt. Bern (1824/1830, Luzern
(1831/1839), Solothurn (1841/1847) und Aargau (1847/1855), Bayern (Entwürfe
von 1832/1834), Sachsen (Entwurf 1852), Serbien (1844) und Montenegro (1888
Code Bogisic) dient es als Vorbild, Bosnien und Herzegowina seit 1878 als
subsidiäre Rechtsquelle nach dem einheimischen (z. B. ottomanischen) Recht. Nach
verschiedenen Veränderungen bereits durch Hofdekrete vor 1848 wird das A. B.
G. (1855 Ehegesetz für Katholiken mit Geltung nur von 1856 bis 1868,) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht,
gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzberichtigung),
1916 (Eigentumsvorbehalt,
Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung)
unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Einfluss der
deutschen historischen Rechtsschule in drei durch kaiserliche Notverordnung
in Kraft gesetzten Teilnovellen pandektistisch novelliert (rund 15 Prozent
der nun 1511 Paragraphen, 51 Paragraphen neu geschaffen, vom alten Bestand
199 mehr oder weniger stark verändert). Berücksichtigt werden dabei außer dem
Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 die Vorarbeiten des Obligationenrechts
(1881) und des Zivilgesetzbuchs (1907/1911) der Schweiz, das Allgemeine
Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) und das deutsche Handelsgesetzbuch (1897)
sowie der Entwurf eines Zivilgesetzbuchs Ungarns (1900/1913). Erfasst werden
verschiedene Sachgegenstände (Verkürzung der Verschollenheitsfristen bei der
Todeserklärung, Verbesserung der Rechtsstellung der Frau und des unehelichen
Kindes und der unehelichen Mutter, Begrenzung der gesetzlichen Erbfolge der
ehelichen Verwandten, Ehegattenerbrecht zu Eigentum statt zu Nießbrauch,
Nachbarrecht, Eigentumsvorbehalt an Maschinen, Realverkehr, Realkredit, Angebot
und Annahme von Verträgen, unerlaubte Verträge, Verträge zu Gunsten Dritter,
Gewährleistung, Schadensersatz, Auslobung, Gastaufnahme, Anweisung, Schuldübernahme
bei Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts, Lohnzahlungszeitpunkt, Lohnfortzahlung
bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers, Kündigungsfristen und
Fürsorgepflichten des Arbeitgebers. Seit 15. 6. 1922 gilt es im Burgenland
(zunächst ohne Eherecht). Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938
wird das Eherecht durch das Ehegesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechtes
der Eheschließung und der Ehescheidung), das Personenrecht durch das Personenstandsgesetz
und vorübergehend bis 1947 das Testamentsrecht durch das Testamentsgesetz (Gesetz
über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. 7. 1938) des Deutschen
Reiches geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache
Novellierung das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Ratengesetz, Mietengesetz
1923, Konsumentenschutzgesetz 1979) wird es durch Nebengesetze ergänzt.
Nach 1945 ist es im sozialistischen Rechtskreis außer Kraft gesetzt. Das
Familienrecht wird auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes vollständig verändert.
1984 wird die Sachwalterschaft aufgenommen. In Nebengesetzesn sind etwa das
Recht des Wohnens, der Verbraucherschutz, das internationale Privatrecht, die
Haftpflicht, die Patientenverfügung (2006) und die eingetragene Partnerschaft
(2010) geordnet. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart noch die Hälfte
oder drei Fünftel (Ogris) oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen Paragraphen
in Geltung (am 14. 2. 2011 861 von einst 1502 Paragraphen [1-3, 5-20, 22-23,
26-28, 33, 38-42, 44-46, 162, 286-299, 302-309, 311-356, 361-363, 365-366,
369-385, 387, 398, 400-421, 423-430, 438-450, 452-455, 457-468, 473-480,
482-484, 486-539, 542, 544-550, 552-565, 567, 570-573, 575-578, 580, 582-583,
588-589, 594-596, 601-614, 617, 647-668, 672-699, 701-715, 717, 719-721,
723-729, 733-737, 738-740, 750, 761, 763-764, 766, 770-778, 782, 786, 790-791,
793-795, 797-798, 802-804, 808-809, 812-814, 816-818, 820-821, 823-827,
829-843, 846, 854-858, 867, 869, 872, 874, 877, 880, 883, 888-901, 904,
907-913, 915, 923, 929-930, 934, 936-950, 952-969, 971-982, 1002-1020, 1023,
1025-1028, 1030-1033, 1035-1046, 1048-1051, 1053-1058, 1060-1069, 1071-1079, 1083-1095,
1099, 1103, 1106, 1108, 1110-1116, 1118-1120, 1176-1195, 1197-1209, 1211-1216,
1234-1236, 1246-1254, 1262, 1267-1277, 1279-1294, 1296-1297, 1299-1304, 1306,
1309-1313, 1317-1318, 1321-1326, 1331-1332, 1337-1338, 1340-1345, 1347-1355,
1357, 1359-1373, 1375-1399, 1411-1419, 1424-1438, 1441-1445, 1447-1457,
1459-1466, 1468, 1470-1473, 1475-1477, 1479, 1481-1484, 1488, 1491-1493,
1496-1502,] entfernt sind etwa Erbzinsvertrag, Widerlage, Morgengabe oder
Obereigentum und Untereigentum).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205;
Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche,
Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des
österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Harras von Harrasowsky,
P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes, 1868; Pfaff,
L., Über die Materialien des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches,
Grünhuts Zs. 2 (1875), 254; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift
zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911;
Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1945; Dölemeyer, B.,
Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius
commune 6 (1977), 274; Ogris, W., 175 Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der
unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Seemann, O., Die mit „1811“
datierten Drucke des ABGB, 1995; Neschwara, C., Die Geltung des
österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn und seinen
Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke, E., Die
Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts,
2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGB1811.htm;
Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 3 hg. v. Berger, E., 2010;
200 Jahre ABGB (1811-2011). Die österreichische Kodifikation im internationalen
Kontext, hg. v. Dölemeyer, B./Mohnhaupt, H., 2012 (darin S. 367 Deutsch, A.,
Billig streitet die Vermuthung ... - Zu Wortwahl und Gesetzesspreche im AbGB);
Festschrift 200 Jahre AGBG, hg. v. Fischer-Czermak u. a., 2011; 200 Jahre ABGB
- Ausstrahlungen, hg. v. Geistlinger u. a., 2011 (u. a. besonders Ogris, W.,
Das ABGB innerhalb und außerhalb Österreich, 2011); 200 Jahre ABGB -
Richterinnenwoche, 2012; 200 Jahre ABGB 1811-2011, hg. v. Barta, H., 2012; Mattiangeli,
D., Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine historischen
Aspekte, 2012; 200 Jahre ABGB, hg. v. Fenyves, A. u. a., 2012; Zweihundert
(200) Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und europäisches
Vertragsrecht, hg. v. Kodek, G., 2012; Vom ABGB zum europäischen Privatrecht,
hg. v. Welser, R., 2012; Die ältesten Quellen zur Kodifikationsgeschichte des
österreichischen ABGB, hg. v. Neschwara, C., 2012; Das ABGH in den
„vaterländischen Blättern“, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012;
Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des →Deutschen
Bundes zwecks Rechtsvereinheitlichung bzw. Rechtsangleichung beratene (allgemeine
deutsche) Gesetz, dessen (→Dresdener) Entwurf im Jahre 1866 gerade der
Bundesversammlung zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen
Österreich und Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses Gesetzes nicht
weiter behandelt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der
Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle
der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
1866, 1984
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbilds des französischen →Code
de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf Anregung der deutschen
Nationalversammlung (Frankfurter Paulskirchenversammlung eingesetzten Gesetzgebungsausschusses
seit 1856 von einer Kommission des Deutschen Bundes vorbereitete, nach
preußischer (1850-1856) und österreichischer (1842, 1853, 1857) Vorlage(n) 1861
im (Nürnberger) Entwurf entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten
des →Deutschen Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31. 5. 1861
durch übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u. a. Preußen 1. 3. 1862, Österreich 1. 7. 1863 Allgemeines
Handelsgesetzbuch, Anlage zum Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1, [ohne
Seerecht] in Geltung bis 1938, Württemberg 15. 12. 1865, Schaumburg-Lippe 1. 1.
1870) ab 1862 als als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An
seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897
das →Handelsgesetzbuch (Österreich
24. 12. 1938).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur
Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd.
1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines
allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der
Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR
5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch,
1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und
des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P.,
Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs auf die
Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm
Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch
Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene
Recht. →Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch
Lit.: Köbler, DRG 182
Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1791) ist eine älteren gescheiterten Versuchen folgende
Vorstufe für die Kodifikation →Allgemeines Landrecht für die preußischen
Staaten (1794). Vorausgeht eine Kabinettsordre des Königs vom 14. 4. 1780, nach
der „alle Gesetze für unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache
abgefasst, genau bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das
Wesentliche mit dem Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende
aus dem römischen Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene
Landes-Gesetze am gehörigen Ort eingeschaltet und solchergestalt ein
subsidiarisches Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der
Provinzial-Gesetze recurriren kann, angefertigt“ werden soll. Eine
Kabinettsordre vom 27. 7. 1780 konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris
Justinians zu Grund gelegt werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von
Carmers hauptsächlich von Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf
der Grundlage von Auszügen aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer
systematischen natürlichen Ordnung erarbeitete Entwurf eines allgemeinen
Gesetzbuchs für die preußischen Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen
gedruckt (Erster Teil Personenrecht, erste Abteilung von dem Hausstand 1784,
zweite Abteilung von den Rechten und Pflichten der verschiedenen Stände des
Staates 1785, dritte Abteilung Rechte und Pflichten des Staates gegen die
Bürger 1786, zweiter Teil Sachenrecht), erste Abteilung Titel 1-6 1787, zweite
Abteilung Titel 7-13 1787, dritte Abteilung Titel 14-22 1788). Die nach der
Veröffentlichung eingereichten Vorschläge (Monita) werden verwertet und in
einer Svarezschen Revision 1790/1791 genutzt. Am 20. 3. 1791 reicht von Carmer
das Publikationspatent für das Allgemeine Gesetzbuch für die preußischen
Staaten ein, dessen Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 geplant wird. Am 18. 4. 1792
verschiebt der König die Geltung aus politischen Gründen bis auf Weiteres.
Wegen des Gebietsgewinns Preußens aus der zweiten Teilung Polens (1793) wird
das im Privatrecht einem abgewandelten Institutionensystem folgende Werk am
1. 6. 1794 als Allgemeines Landrecht für alle preußischen Staaten in Kraft
gesetzt.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EntwurfeinesallgemeinenGesetzbuchesfuerdiepreussischenStaaten1Theil1Abtheilung1784.pdf
u. a. Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die
preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum
allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P.,
2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG
113 (1995), 40; Barzen, C., Die
Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen
Staaten“, 2000
Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben
Bestrafung ist das unter Joseph II.
gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs von
1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Strafgesetz1787.pdf
Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) ist das als →Kodifikation zum 1. 6. 1794 in
Kraft gesetzte umfassende Vernunftrechtsgesetzbuch →Preußens. Ihm gehen
als ältere, im Ergebnis erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung der
rechtlich ganz verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen
Friedrich Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität
Halle an der Saale (1714) und das von Samuel von →Cocceji bearbeitete
Projekt eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe
1749, 1751) voraus. Als Folge des sog. →Müller-Arnold-Prozesses (1. 1.
1780) erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780
betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung,
des Prozessrechts und des materiellen Rechtes) der neu berufene Großkanzler
Johann Heinrich Casimir von →Carmer und Carl Gottlieb →Svarez
(außer dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und
einer Hypothekenordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach
natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom
König (1785) als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788,
zwischen 1784 und 1788 in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an
Hand zahlreicher eingegangener Monita und Denkschriften wird 1791 ein Entwurf
eines →allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten vorgelegt,
(nach Einreichen des Publikationspatents am 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zum
1. 6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen am
18. 4. 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem
1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete
(Südpreußen, Neu-Ostpreußen) unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots
der Machtsprüche und einiger Bestimmungen über die Ehe zur linken Hand) als A.
L. R. erlassen (Anlage zum königlich preußischen Patent vom 5. 2. 1794). Das
Gesetz umfasst in zwei Teilen („Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln
sowie 19194 Paragraphen (fast) das gesamte private und öffentliche Recht
(Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht,
Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom
Einzelnen (über Ehe, Familie und Stände) zum Staat fortschreitender Aufbau ist
vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt ist (noch) nicht der Mensch als ohne
weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen
Verhältnissen und Stand Rechte und Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in
seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl einen Ausgleich zwischen altständischer
Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit dar, der die fortschrittlichen Ideen
des Bürgertums nur eingeschränkt verwirklicht. Im Privatrecht folgt es einem
abgewandelten Institutionensystem. Von Savigny wird es abgelehnt (1816
„Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an der Universität vorgetragen. In den
1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen Rheinlanden, in denen Frankreich
1806/1807 seinen 1804 geschaffenen Code civil in Kraft setzt, und in den 1866
bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten Gebieten wird es nicht eingeführt.
Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch
von 1861 und schließlich durch das →Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1. 1.
1900) wird es Stück für Stück abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160,
198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und
gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG
GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines
Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970,
2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen
zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen
1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ordnung der
Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA 108 (1991), 194;
Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen Landrechts
von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung 1824, hg. v.
Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft -
Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg. v.
Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a.,
1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf
eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P.,
Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen
Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur.
Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G.,
1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen
Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum
ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen
Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR,
ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P.,
2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm;
Hilgenstock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen
Praxis, 2009; Bitter, A. v., Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen
Landrechts von 1794, 2013; Stegmaier, W., Das preußische Allgemeine Landrecht
und seine staatsrechtlichen Normen, 2013
Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt
zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich bei Donellus (Doneau
1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83 Einl. ALR, § 16 ABGB),
doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil Injurienstrafenklage
und Strafrecht genügenden Schutz bieten. Demgegenüber treten später Otto von
Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der Schaffung des Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst verzichtet, nur der Namensschutz
in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei immateriellen Schäden
eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz 1907/1911). Seit 1954
wird ein a. P. in Deutschland durch die Rechtsprechung (BGHZ 13, 334, 1958
BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345 pönale Geldentschädigung)
anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG angesehen (vgl. BGHZ 128,1).
Beachte auch § 201a StGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hedemann, J., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K., Der
privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und
partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des
Persönlichkeitsrechts im 19. Jh., AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die
Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh. 1962; Simon, J., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen,
1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J.,
Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
2007
Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum
Montenegro ist das vor allem unter der
Mitarbeit Baltazar →Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft gesetzte
Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und Erbrecht).
Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962;
Hamza, G., Bemerkungen zur Privatrechtsentwicklung in Montenegro (in Spomenica
Valtazara Bogišića, 1011, 315
Allgemeinverfügung ist die zu Beginn des 19. Jh.s entstandene, lange zwischen Verordung
und Verwaltungsakt stehende, zuletzt dem Verwaltungsakt zugeordnete Einrichtung
des allgemeinen Verwaltungsrechts.
Lit.:
Wandschneider, S., Die Allgemeinverfügung, 2009
Alliierte →Alliierte
Hohe Kommandantur
Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für Berlin seit Juli
1945. Nach dem Auszug des sowjetischen Stadtkommandanten am 16. Juni 1948
tagen die drei westlichen Stadtkommandanten allein. Die Hoheitsgewalt über →Berlin
(West) wird bis zur Vereinigung Berlins (1990) von den drei Westalliierten
ausgeübt.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant,
H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985
Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika,
Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland
einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955.
Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht
aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.
Lit.:
Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004
Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die
Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung aller
Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat erlässt
auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen Ansichten der
westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine Tätigkeit
ein. In Österreich werden nach dem ersten alliierten Kontrollabkommen vom 4. 7.
1945 ein aus den vier militärischen Kommissaren der vier Besatzungsmächte gebildeter
Alliierter Rat und ein Exekutivkomitee mit Stäben (insgesamt als Alliierte
Kommission bezeichnet) eingerichtet, deren oberste Gewalt durch das zweite
alliierte Kontrollabkommen vom 28. 6. 1946 abgeschwächt wird.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung,
1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von
nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der
Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995
Alliiertes Recht ist das von den alliierten
Besatzungsmächten (in Deutschland nach 1945) geschaffene oder veranlassete
Besatzungsrecht.
Allmende (mhd. almende) ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende
Wirtschaftsfläche (einer Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als
zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in
die germanische Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern,
Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber mehrerer (nahe
liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der
König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19.
Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. →Alm
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung
in Deutschland, 1856; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG
GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904;
Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal
des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der
Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes
Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungskorporationen im Freiamt, 1919;
Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und
skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und
Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673;
Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur
Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931; Plett, E.,
Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Osterlandföhr, 1931; Kirchner, R., Die
Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken, Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel,
K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag
til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann, O., Die Bedeutung der Allmende im
neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der
Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht der Stadtallmende, ZRG GA 71
(1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss.
jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg, D., Die wechselseitigen Beziehungen
zwischen Allmendrechten und Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B.,
Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998;
Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R.,
Allmende, (in) Worte des Rechts, 2007, 347
Allod ist
das keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegende Familiengut (19. Jh.,
vgl. Lex Salica 59). Es steht insbesondere im Gegensatz zu →Lehen. In Deutschland
gibt es immer A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle terre sans
seigneur) A. eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook)
verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt
werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in →Eigentum auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur
l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der
steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger,
ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das
Lehnswesen, 2002, 2. A. 2009
Allodifikation ist die (ausdrückliche oder stillschweigende) Umwandlung
von Lehen in →Allod. Tatsächlich findet in der Neuzeit eine allmähliche
A. der deutschen Landesfürstentümer statt (bis 1806). Innerhalb der
Landesfürstentümer erfolgt (nicht zuletzt aus steuerlichen Überlegungen) eine
A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).
Lit.: Köbler,
DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I.,
(in) Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898;
Deter, G., Allodifikation, ZRG GA 130 (2013), 205
Allthing ist
die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte
des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel →Island. Das
A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten.
Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet
jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher
oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen
und zu klären und müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere
Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.
Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971
Alm →Almrecht
Almrecht ist
das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen,
vielleicht seit 3000 Jahren in den Sommermonaten bewirtschafteten Weidefläche
(vor allem des Alpenraums). Diese gehört teils Genossenschaften, teils
Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte
und Dienstbarkeiten eingeschränkt (z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).
Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N.,
Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die
Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft,
ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961;
Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg.
v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967;
Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft
des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss.
staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P.,
Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen
Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG
GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass
Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur,
hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm
und Wein, 1990 (Aufsätze)
alodis (lat.-afränk.)
→Allod
Alp →Alm
Alpen ist der Name des Italien von Frankreich und
Deutschland trennenden europäischen Gebirges.
Lit.: Die Alpen in der
europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965; Die Alpen, hg. v. Mathieu, J.
u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster, U., 2006; Le Alpi porta d’Europa, hg. v. Pani, L. u. a., 2009; Winckler,
K., Die Alpen im Frühmittelalter, 2012
Altar ist der in der christlichen Kirche für
geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch Rechtshandlungen (z. B.
Stiftungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden können.
Lit.: Carlen, L., Orte,
Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Viek, S., Der
mittelalterliche Altar als Rechtsstätte, Mediävistik 17 (2004)
Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach 1556
weitgehend wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.
Lit.: Gerhardt, H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg
im Breisgau 1993
Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der Pfalz an Nürnberg
gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526 nach Vorschlägen
Melanchthons im Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten Gymnasiums und von 1622
bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus, Rittershusius, 1599 Wallenstein,
1667 Leibniz).
Lit.: Will, G., Geschichte und
Beschreibung der nürnbergischen Universität Altdorf 1796, Neudruck 1975; Die
Matrikel der Universität Altdorf, hg. v. Steinmeyer, E. v., 1812, Neudruck
1980; Mummenhoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten
ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer
Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623),
2000
alte Kulm →Kulm
Altena
Lit.: Lappe, J., Die Freiheit
Altena, 1929
Altenteil ist
die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes
an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jh.
nachweisbare A. wird bei freien Bauern durch (seit dem 16. Jh. nachweisbaren)
Vertrag vereinbart (und in neuerer Zeit im Grundbuch dinglich gesichert), bei
grundherrschaftlichen Bauern auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am
Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche
Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist. Art. 96 EGBGB
verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf das Landesrecht.
Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder
der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des
bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche
Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein,
Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil,
Diss. jur. Bonn 1994
Alter ist
die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen
vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das
römische Recht unterscheidet zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes),
Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen
(lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der Reife bei Männern mit
vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und
volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zur
Vollendung des 25. Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach
den frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der
jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10.
Lebensjahrs (angelsächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus
Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte
Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen.
Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur →Abschichtung fort. Nach dem
Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum
Ablauf des 21. Lebensjahrs und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit
der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der
(lat. [F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähigkeit). Wer älter als
sieben Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zur Geschlechtsreife
keine Pflichten begründen bzw. bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das
Vermögen nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag
diese Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen
(lat. sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen
Codex Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht
von 1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, im
Deutschen Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen
Republik und in der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich
(1919) mit 21, dann (1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben
gibt es die Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmündigkeit mit 14 Jahren,
die beschränkte Ehemündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähigkeit mit 16
Jahren und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren im Strafrecht bzw. Jugendstrafrecht.
Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die
Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG
GA 61 (1941), 1; Helfenstein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in
der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit,
Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz,
1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages,
hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995;
Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L.,
Alter in der Volksgemeinschaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Brakensiek,
S. u. a., 2006; Timmer, J., Altersgrenzen politischer Partizipation in antiken
Gesellschaften, 2008; Lebensalter und Recht, hg. v. Ruppert, S. 2009; Youth and
Age in the Medieval North, hg. v. Lewis-Simpson, S., 2008; Brunozzi, K., Das
vierte Alter im Recht, 2012; Wagner-Hasel, B., Alter in der Antike, 2012
Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen
(bzw. sich versprechen lassen).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian 170-223)
Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen
deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung
des deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich
mitbestimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altershilfe für
Landwirte ist eine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 (zum 1. 10. 1957) in
Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen
bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betrieben wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altersversicherung →Sozialversicherung
Altertum ist
der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem
11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer
(Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung
(476 Eroberung Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche
Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Antike
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff.
1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer
Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft,
Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des
Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006
Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.)
750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen)
Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem Germanischen
folgenden und dem →Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B.
althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).
Lit.: Baesecke, G.,
Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel,
R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R.,
Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004; Sonderegger, S., Althochdeutsch
als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes,
1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994;
Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001;
http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html; Nievergelt, A., Althochdeutsch in
Runenschrift, 2009,
Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557
[oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in
Marburg (Pädagogium), Köln (1581) Basel (Amerbach, 1586 Promotion) und Genf (D.
Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen (1592-1596 Steinfurt). Von 1604 bis
1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica
methodice digesta, Politik methodisch behandelt, 1603) ist der erste deutsche
Versuch einer systematischen Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch
mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der
aber im beginnenden Absolutismus letztlich von beschränkter Wirkung bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes Althusius,
1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968, Neudruck 1980,
7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von
Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius und ihre
zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u.
a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975;
Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988;
Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und 1620,
1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica methodice
digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik, übers. v.
Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische Theorie und
politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400. Jahrestag der
Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u. a., 2004
Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel →Stendaler Glosse
Altniederfränkisch ist die im Nordwesten des
fränkischen Reiches in der altdeutschen Zeit des Frühmittelalters gesprochene
Sprache, aus der sich das Mittelniederländische und das Niederländische entwickeln.
Lit.: Köbler, G., Sammlung
altniederfränkischer Tradition – Texte – Glossen, 2002
Altona
Lit.: Maertens, R., Das
Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe
(1937-1945), 2011
Altsächsisch ist
die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten deutschen Sprachperiode von
den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z.
B. →Heliand).
Altzelle
Lit.: Urkundenbuch des
Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1 1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006;
Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken, hg. v. Graber, T. u. a., 2008
Alzey
Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v.
Becker, K., 1973
Amberg in der Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer Gabe Konrads II. an das
Hochstift Bamberg erwähnt. Spätestens 1242 ist es Stadt. Die älteste erhaltene
(deutsche) Bestätigung des Stadtrechts stammt von 1294.
Lit.:
Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., Bd. 1ff. 1994ff.
Amerbach,
Bonifacius (Basel 1495-1562), Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus
von Rotterdam, Professor der Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus
Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).
Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a.,
Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jursprudenz, 1955; Troje, H.,
Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius
Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001
Amerika ist der wohl frühgeschichtlich (um 13000 v. Chr.,
Prä-clovis-Funde bei Austin in Texas) von Sibirien aus (über eine Landbrücke
nach Alaska von Asiaten/Indianern) besiedelte, um die erste Jahrtausendwende
von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der von Europa aus nach Westen
gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte, von Amerigo Vespucci (Florenz
1451?-Sevilla 1512) im Gefolge der Entdeckung der Amazonasmündung (1502) als
verschieden von Indien erkannte, am 25. 4. 1507 von Martin Waldseemüller und
Matthias Ringmann in der (lat.) Cosmographiae Introductio (F., Einleitung in
die Weltbeschreibung) als Amerika benannte, im Süden von Spanien und Portugal
und im Norden vor allem von England (und Frankreich) in Besitz genommene Kontinent,
dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den
Kolonialmächten lösen, aber im 20. Jahrhundert von den 1776 von
Großbritannien verselbständigten →Vereinigten
Staaten von A. stark geprägt werden.
Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den
europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294;
Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der
indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im
Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas,
2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte
Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007;
Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007;
Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education
in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v.
Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H.,
Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Amerika, hg. v. Lehmkuhl, U. u.
a., 2008; The Cambridge History of Law in America, hg. v. Grossberg, M. u. a.,
Bd. 1ff. 2008; Rinke, S., Revolutionen in Lateinamerika, 2010; Lerg, C.,
Amerikqa als Argument, 2011; The Oxford Encyclopedia of American Political and
Legl History, hg. v. Critchlow, D., 2012; Campbell, J., Crime and Punishment in
African American History, 2012; Rinke, S., Lateinamerika und die USA, 2012
Amira, Karl
von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930), Richterssohn, wird nach dem
Studium in München (Konrad Maurer) 1875 ordentlicher Professor in Freiburg im
Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke betreffen Nordgermanisches
Obligationenrecht (1882ff., unvollendet), die Dresdener
Sachsenspiegelbilderhandschrift (1902, 1925/6) und die germanischen
Todesstrafen (1922).
Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der germanischen
Rechtsgeschichte, 1876; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AmiraKarlvonGrundrissdesgermanischenRechts3A1913.pdf
Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890, 2. A. 1897, 3. A. 1913;
Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999; Hein,
O., Vom Rohen zum Hohen, 2001, 313ff.
Amnestie (griech. amnestia, F., Nichterinnerung)
ist im Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechenland
seit dem 6. Jh. belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). Im
16./17. Jh. wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. Im 19. Jh. wird
im deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann
Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.
Lit.: Usteri, P., Ächtung und
Verbannung im griechischen Recht, 1903; Waldstein, W., Untersuchungen zum
römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel, F., Innerstaatliche Amnestien, 1993;
Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung, 2001
Amortisation (F.) Tilgung
Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen
(oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien Kirchenguts
einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269, Österreich 1303, vgl. Ssp
LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand das einmal Ergriffene
nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von 1855 und Art. 137 III
WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.
Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze
überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H.,
The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua
in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit
français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des
Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes
der toten Hand in Spanien, 1990
Amsterdam an
der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300
Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977
Amt (Wort um 765) ist die
Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs vom
Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das
höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer
Magistraturen ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger
herrschaftlicher Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen
[lat.] cursus [M.] honorum). Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats
abgeändert (Ressortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie,
Rangklassen, Qualifikationskriterien, Besoldung). Zu den leitenden Ämtern
treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. Bereits bei Caesar ist
dabei keltisch-lat. (M.) ambactus als Bezeichnung für die gallische Adlige
umgebenden Männer bezeugt (Commentarii de bello Gallico VI, 15). In der
fränkischen Zeit wird das System der Römer zwar grundsätzlich übernommen, aber
erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle Bindung durch die
Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst, Dienstverhältnis, Herrschaft, lat. [N.]
ministerium) des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem
Adel verliehenen Ämter vielfach durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu
eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen
Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare
Amtsträger und macht das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche
Tätigkeitsgebiet wird zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist,
ist Beamteter und wird zum →Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen
Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem
Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in
Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem ausgehenden 19. Jh. ist das
öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das A. im öffentlichen Dienst
wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn und die damit verbundene
Besoldung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.
7 1992, 1; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG
GA 29 (1908), 239; Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe,
J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche
Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter,
Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960;
Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff,
E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium
territorialer Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers,
2003; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche
Amtsträger im Staatswerdungsprozess, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ämtertraktat →Decurio
de gradus
Amtmann ist
der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe
von lat. villicus, officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines
grundherrlichen Hofverbands (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach
der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung
von einem bestimmten Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der
Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201kroeschell.htm;
Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit,
2002
Amtsanwalt ist
(seit 1877/1879) der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.
Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt -
Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang
Sellert, 2000, 537
Amtsbuch (19. Jh.) ist das aus Lagen zusammengesetzte Buch (oder die Rolle),
das (bzw. die) zur Ausübung eines →Amtes gehörige Eintragungen enthält.
Solche Amtsbücher sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.])
commentarii der Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im
Mittelalter entsteht im 9. Jh. das Traditionsbuch und werden seit dem 12. Jh.
viele Amtsbücher (Grundbuch, Lagerbuch, Schreinsbuch, Stadtbuch, Kopialbuch,
Register, Imbreviaturbuch) eingerichtet. →Stadtbuch
Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1 1986,
1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f.
hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters,
Archivalische Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register
1289-1533, Hannoversche Geschichtsblätter 48 (1994), 47; Verwaltung und
Schriftlichkeit in den Hansestädten, hg. v. Sarnowski, J., 2006
Amtsgericht ist
das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang eines →Amtes
(Verwaltungsbezirkes) eingerichtete, beispielsweise in Baden durch Verordnung
vom 22. Juli 1857 zum 1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte →Gericht,
das durch das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum einheitlichen
Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern,
42% Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des
amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v.
Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002;
150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125
Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer, D.,
150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch
Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J.,
2008; 100 Jahre Amtsgericht Elmshorn, 2010
Amtshaftung ist die neben den Ersatzansprüchen des
Einzelnen für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl
stehende Art der →Staatshaftung.
Ihr geht vor allem die spätmittelalterliche Syndikatsklage gegen einen
absichtlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter
voraus. Im späten 18. und im 19. Jh. wird allgemeiner eine Haftung jedes
Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für
jede Fahrlässigkeit), wobei jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem
Herrscher bzw. dem Staat nicht zugerechnet werden kann und deshalb eine private
Ersatzpflicht des Beamten auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine
Ersatzpflicht des Staates geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sachsen-Coburg-Gotha).
Das Bürgerliche Gesetzbuch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine
öffentlichrechtliche Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt
deshalb in § 839 nur eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber
sehen Bayern 1899, Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes vom
22. 5. 1910 eine zwar mittelbare, aber primäre Haftung des Staats vor. Art.
131 WRV leitet die Haftung reichseinheitlich vom Beamten auf den Staat über.
Dem schließt sich Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldensunabhängige
Staatshaftung für Amtspflichtverletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der
Bundesrepublik Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in
Art. 74 I Nr. 25 GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 im
Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
geschaffene unmittelbare, vom Verschulden unabhängige Staatshaftung für
rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar im Einigungsvertrag von 1990
aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz abgeschafft oder
eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine vergleichbare A., das Recht
der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige Haftung des Staates.
Lit.:
Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner
Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung aus
enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der
Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im
Justizstaat, 1995; Haaf, T., Das Tonabbau-Urteil des Reichsgerichts (1912),
2012
Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene →Herzogtum (9. Jh.) im
Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden →Herzogtum.
Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“,
1974
Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer Behörde von
einer anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt sich im 19.
Jh. und wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. H. des 20. Jh.s
abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder Einzelgesetz. Im
späteren 20. Jh. ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze allgemein geregelt.
Lit.: Dreher, M., Die Amtshilfe,
1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982
Amtskalender →Amt
Amtspflicht (Wort 1499)
Lit.:Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Amtspflichtverletzung (Wort 1896) ist die Verletzung
einer einem Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie
begründet nach § 839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch (Amtshaftung,
Staatshaftung).
Lit.: Köbler, DRG 217; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Amtsrecht ist
im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht (lat. →ius [N.]
honorarium).
Lit.: Wieacker,
F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Amtssasse ist
der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete →Landsasse.
Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die
Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie
findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. →Offizialmaxime
Amtsvergehen ist
das in einem →Amt begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die
A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine
Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates strafrechtliche
und disziplinare Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird
danach das Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in
Preußen 1849 zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen
Strafgesetzbuch von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als
Sonderdeliktsgruppe zusammengefasst (§§ 309-331).
Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen,
1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand,
A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die
Verbrechen der Diener des Staats, 2004
Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen übernommene →Vormundschaft.
Analogie ist
der bereits der griechischen Philosophie bekannte Schluss von der
(eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst (nach dem Wortlaut des
Gesetzes) rechtlich verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der
Gleichheit notwendige) Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestands
auf den zweiten oder weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der
juristischen Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer
Interpretation die Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh.
wird auf Grund von Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des
empirischen Wissens die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeitsschluss
aufgelöst und die A. als „rein logische“ (wissenschaftliche bzw. gerichtliche) Ergänzung
des Rechtes aus dem – nur noch positiven und in sich geschlossenen –
Rechtssytem verstanden (Feuerbach, Hufeland, Savigny). Zwischen
Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19.
Jahrhunderts unterschieden.
Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur
neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel
104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu
einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das
Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und
Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden,
1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die
Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodifikationen - Zur Analogie im ALR,
Code civil und ABGB, 2006
Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten
staatlichen Stellen, →Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des
Handelnden (Angeschuldigten) vorzunehmen, und damit die strenge Bindung des
Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zu
Ungunsten Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Deutschen Reich wird am 28.
6. 1935 das A. aufgehoben, nach Ende der nationalsozialisitschen Herrschaft (1945)
aber wieder hergestellt. →Nullum crimen, nulla poena sine lege.
Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche
Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber,
H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot,
Diss. jur. Bonn 1998
Analytical jurisprudence ist die von John →Austin (1790-1859) begründete
Strömung der englischen Rechtswissenschaft.
Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit
Lit.: Der Anarchismus, hg. v.
Oberländer, E, 1972; Lösche, P., Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v.
Diefenbacher, H., 1996
Ancien régime
ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich
vor der französischen Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa
1650 und 1800.
Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien
régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008
Andelang ist
der bei der Übereignung von Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis
zum Ende des 11. Jh.s verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Handschuh?).
Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das
andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79
(1962), 32
Andernach am
Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen
Rotulus (→Grundbuch).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt
Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.
Andlau →Peter
von
Andorra ist
die aus sechs Tälern zu politischer Einheit (Principat d’Andorra)
zusammengefasste Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten
Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von
Urgel und der Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die
verschiedenen Täler zu einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch
Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen
über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht
Andorras nimmt römische und katalanische Sätze auf. 1748 wird das
Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen
von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs, Bischof von [La Seu d’] Urgel)
delegierte Rechte durch einen französischen Departementspräfekten und einen
spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen
werden (Kondominium). Die Verfassung vom 14. 3. 1993 schafft einen Consell
General (Generalrat, Parlament) mit je 7 Abgeordneten aus jeder der vier
Gemeinden, dem der Ministerpräsident verantwortlich ist, dem gegenüber aber die
beiden coprínceps noch Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Handelsabkommen
mit der Europäischen Gemeinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der
Vereinten Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.
Lit.: Guilera, J., Una història d’Andorra, 1960; Engels,
O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition
juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence civile
d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les valls
d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien, 2000; Consell
General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002
Andreas de Isernia ist ein in Isernia im Süden der
Apenninen wohl nach 1220 geborener, in Neapel ausgebildeter und lehrender,
vielleicht 1316 verstorbener Jurist ([lat.] commentaria [N. Pl.] in usus
feudorum, lectura [F.) zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus [M.] regiae
summariae regni Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 507
Anefang ist
das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen und vom Verfolger
wiedergefundenen beweglichen (, durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der
Behauptung des besseren Rechtes an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in
der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jh.] schon und im Sachsenspiegel, Landrecht II, 36
[1221-1224] noch belegte) A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer,
der sich im nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der
Besitzer sich insbesondere dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er
die Sache dem übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung
des Diebes, so muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten.
Kann der Angegriffene sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine
Buße wegen unrechten Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A.
allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den →Herausgabeanspruch) bzw. für
alle auf freiem Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler,
WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879,
824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und
Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918),
145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68
(1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft,
Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung, aufrichtig
Aneignung (Wort 1800) ist der (originäre)
Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch
Inbesitznahme (lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die
Anfangszeit des Rechtes überhaupt. Im römischen Recht wird an aufgegebenen
(lat. [F. Pl.]) res mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum
erworben, während der zivile Eigentumserwerb Ersitzung verlangt. Im Laufe der
Geschichte wird die A. vom abgeleiteten Eigentumserwerb (→Übereignung)
zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten wird.
Lit.: Kaser § 26
I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Anerbe ist
der durch das →Anerbenrecht begünstigte →Erbe.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210
Anerbenrecht ist
das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen
von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den
frühmittelalterlichen Volksrechten, bildet sich aber spätestens im
spätmittelalterlichen deutschen Reich aus, wobei grundherrschaftlicher
Einfluss (Interesse an einem einzigen Verpflichteten) gestaltend gewesen sein
kann. Daneben ist aber (freiere) Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland
verbreitet. Der Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb
die Verfassung Preußens die Teilbarkeit des Grundeigentums sichert. Aus wirtschaftlichen
Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem späteren 19. Jh. A. vor, das
dann zur Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder
eingetragener Höfe) nicht durch letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt
(Österreich 1. 4. 1889, Tirol Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz).
Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die
Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der
französischen und amerikanischen Besatzungszone die alten Anerbengesetze
wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung
erlassen, die das Bundesverfassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne,
1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine verfassungsgemäße gesetzliche
Regelung am 24. 8. 1964 erfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das Erbrecht
und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.; Hagmeister Meyer
zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß,
H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938;
Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in
Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss.
jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in
Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen
des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v.
Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A.,
Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007
Anerkenntnis →Schuldanerkenntnis
Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich
bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden
Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener,
Erbbauberechtigter u. s. w.).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966
Anfechtung (Wort 1261) ist die nachträgliche
Beseitigung einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw.
oder Verfahrenshandlung des durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem
Sinne ermöglicht bereits die →(lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti
(Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) des klassischen römischen Rechtes
die Entkräftung eines Testaments, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers
übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) →in
integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.
Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen
des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920),
210; Harder, M., Die historische Entwicklung der Anfechtbarkeit von
Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die Nichtigkeit und
Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung
bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A.
gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche
Verfügungen. In Deutschland ist seit 1960 eine A. gegen einen (rechtswidrigen)
Verwaltungsakt statthaft.
Lit.: Köbler, DRG 263
angariae (lat.
[F.Pl.], aus dem Persischen, Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens)
Spanndienste, Beherbergungspflichten in Antike und Frühmittelalter, seit 1789
weitgehend abgeschafft
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
2. A. Bd. 2 1928, 308
Angebot (Wort 1783) ist die auf den
Abschluss eines →Vertrags gerichtete →Willenserklärung. Das im
Wesentlichen im Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung
herausgearbeitete A. ist im älteren gemeinen Recht und im angloamerikanischen
Recht nicht bindend, nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900)
aber verbindlich. Wird das Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht
ein Vertrag unter den Beteiligten. Dem Gläubiger vom Schuldner angeboten wird
auch die Leistung.
Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Angelsachse ist
der Angehörige der im 5./6. Jh. unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa
von Norddeutschland auf die britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775
(Beda, Paulus Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.Pl.]Angli
Saxones) benannten →Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die
Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen →Kelten mehrere
Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia,
Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum
Christentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die
Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016-1042 von den Dänen beherrscht und
1066 bei Hastings von dem →Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen.
Aus der Zeit bis 1066 ist mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von
denen mehr als 1150 vom Herrscher ausgestellt sind (von etwa 670 bis 900 rund
450 Urkunden, davon 2-3 Originale aus dem 7. Jh., 17-18 aus dem 8. Jh. und etwa
55 aus dem 9. Jh.).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der
Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff.,
Neudruck 1960; Attenbourgh, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922;
Robertson, A., Laws of the Kings of England, 1925; Braude, J., Die
Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2.
A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den
Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971; Torkar,
R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20,
1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3.
A. 1990,;4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997; Dunn, M., The
Christianization of the Anglo-Saxons c. 597-c. 700, 2009; Kleinschmiedt, H.,
Die Angelsachsen, 2011; Bihrer, A., Die Angelsachsen, 2014
Angelsächsisches Recht
ist das Recht der →Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jh.s und etwa
1066). Es ist überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetzbücher)
der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsaufzeichnungen
unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den
Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts
von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von
Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut
eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen
stellen der →Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die
Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die →Leges Henrici Primi (1114-1118) dar,
mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands
reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit
deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar.
Die Abgrenzung von aufgezeichnetem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam
mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht (z. B. Todesstrafe für Diebstahl
925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand der Rechtsbücher („Gesetzbücher“)
ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten.
Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein
Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen,
die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen
Gericht verhandelt werden, nicht.
Lit.: Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858;
Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198;
Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960;
Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909;
Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913;
Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die
Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1;
Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG
GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English
Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon
Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und
Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of
Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den
angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien
1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971,
2. A. 1979, 3. A. 1990, ;4. A. 2002; Wormald, P., The Making of English Law, 1999;
Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver, L., The Beginnings of
English Law, 2002; Palmer, J., Anglo-Saxons in an Frankish World, 690-900, 2009
Anger
Lit.: Brednich, R., Tie und Anger,
2007
Angers
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138
Angestellter ist
der Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der
Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer Teil der Arbeitnehmer erkannt.
Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft
in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979;
Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die
deutschen Angestellten, 2000
Anhalt über
dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart
Ruine), nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→Askanier)
benennt (1215 [lat.] princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als
einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen
kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder
zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). Am 9. 7.
1945 wird A. innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen
→Preußens vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land →Sachsen-Anhalt
eingegliedert (1990-2003 Regierungsbezirk Dessau).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das
landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der
Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2
(1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus,
P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag,
W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a.,
2007; 800 Jahre Anhalt, hg. v. Anhaltischen Heimatbund, 2012
animo (lat.)
durch Beherrschungswillen, →possessio, →animus
animus (lat.
[M.]) →Wille
animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille
animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille →Schenkung
animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille →Novation
Anjou ist
die Seitenlinie der →Kapetinger (erstes Haus begründet von [lat.]]vicecomes
[M.] Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von
Frankreich, 1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des
letzten männlichen Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus
1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft durch den König von
Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien
(1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn
(1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen
(1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers
zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus →Plantagenet zu →England.
1480/1481 fallen A. und Provence an den König von →Frankreich.
Anklage ist
die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat
erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen
auf. In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung
seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei
Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch Anzeige die A.
vorbringen und erhält im Falle des Erfolgs einen Lohn. Im deutschen Mittelalter
bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren
→Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit stellen und im Fall des
Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten entschädigen muss. Im mehr
und mehr vorherrschenden Inquisitionsprozess erfolgt die A. durch den Richter
auf dem endlichen Rechtstag. Im 19. Jh. wird nach dem Vorbild Frankreichs die
öffentliche A. durch eine vom Gericht unabhängige Behörde eingeführt (Baden
1832 und Württemberg 1843 für Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht,
1849 allgemein). Seitdem gibt es eine private A. nur noch bei (wenigen)
Privatklagedelikten.
Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des deutschen
Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte des Anklägers
im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000
Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund
einer Anklage betrieben werden kann.
Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine →Anklage (insbesondere
seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde)
(→Staatsanwaltschaft) voraussetzt. Er ist in Frankreich eine
unmittelbare Folge der französischen Revolution von 1789. In Deutschland setzt
Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der (gescheiterten)
Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen. →Akkusationsprozess
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Anklam ist
die am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die
vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt.
Sie überliefert ein bedeutsames →Stadtbuch.
Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd.
1ff. 1960ff.
Anleite ist
seit dem Hochmittelalter im deutschen Recht die Einweisung in ein fremdes Gut,
insbesondere die Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams
geächteten Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren
vor dem Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder
einem kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das
Versäumnisverfahren ersetzt.
Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen
Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im
Spätmittelalter, 1984
Annahme →Vertrag
Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des Gläubigers mit der
Annahme der Leistung des Schuldners
Annalen (Jahrbücher)
sind in möglicher Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh.
erscheinende, chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten
(z. B. Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab
Schöpfung]).
Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R.
van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc
Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die
Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004
Annahme (Wort 1715) ist die ein Angebot uneingeschränkt bejahende Willenserklärung
des Angebotsadressaten sowie die Entgegennahme der Leistung des Schuldners
durch den Gläubiger im Zeitpunkt der Leistung (andernfalls Annahmeverzug, Gläubigerverzug).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Annaten (14. Jh.) sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13.
Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den
Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrags, die
seit dem Konzil von Basel (1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt
sind.
Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg,
H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel, M.,
Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994
Annweiler
Lit.: Seebach, H.,
Kleine Geschichte des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009
Anschluss ist
die von dem in Braunau gebürtigen Österreicher Adolf →Hitler 1938 nach
mehrjähriger Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Vereinigung →Österreichs
mit dem Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten Siegermächten
des ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutschsprachigen
Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik →Deutschösterreich voraus,
sich mit dem →Deutschen Reich zu vereinigen, wofür sich in Tirol 98,8
und in Salzburg 99,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten aussprechen. Nach
seiner Bestellung zum Reichskanzler im Deutschen Reich will Hitler dieses Ziel
politisch erreichen. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen
Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkommen), den nationalsozialistischen
Sympathisanten Seyss-Inquart als Sicherheitsminister zu bestellen, die freie
Betätigung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei innerhalb der
vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu amnestieren.
Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung für ein
„freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges
Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwungenen Rücktritts
des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“)
Seyss-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundespräsident
Österreichs (Miklas) Seyss-Inquart zum Bundeskanzler und tritt am 13. 3. 1938
zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des
Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung
Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen
Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksabstimmung vom 10.
4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.
Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter,
F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v.
Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das
Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995;
Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für
einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. phil..
Hannover 2003
Anschütz,
Gerhard (Halle an der Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem
Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908)
und Heidelberg (1916) und 1933 mit 66 Jahren auf Antrag emeritiert. Er ist
Verfechter des demokratischen Gedankens und verfasst auf gesetzespositivistischer
Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose
mitgestalteten Verfassung der →Weimarer Republik.
Lit.: Anschütz,
G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard
Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v.
Pauly, W., 1993, 2. A. 2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)
Ansegis (bei
St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der
fränkische Benediktinerabt (823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der
Erzdiözese Rouen, der 827 in seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der
Fromme, Weltliches, Kirchliches) umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in
einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute bekannten) →Kapitularien Karls d.
Großen und Ludwigs des Frommen zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch
mehr als 60 (63), in vier Gruppen einteilbare Handschriften überliefert
werden.
Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die
Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996
Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083
eine Sammlung (lat. [F.) Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen
Texten und römischen Rechtsquellen.
Lit.: Szuromi, S., Anselm von
Lucca as Canonist, 2006
Anspruch (Wort 1291) ist das Recht, von einem
anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem
Kläger an einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechtes mit einem
bestimmten Inhalt. Im römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) →actio (Klaganspruch) enthalten, wobei im
Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist
und im Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durchsetzbare Rechte
anerkannt werden (aktionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike
Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. Im Spätmittelalter werden die Anforderungen
an die Geltendmachung von Ansprüchen eher abgeschwächt. Der (lat.) usus
modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio. Savigny
versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines
subjektiven Rechtes erwächst, als ein Recht im Zustand der Verteidigung. Nach
Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Entscheidung
eines Gerichts ein Recht.
Lit.: Windscheid, B., Die actio
des römischen Civilrechts, 1856; Nörr, K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius
commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von
materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den
dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M.,
Actio, ius und dominium, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte
des Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anstalt (Wort 1250) ist die von einem
Träger öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen
Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte
Verwaltungseinheit von persönlichen oder sachlichen Mitteln.
Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen
Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der
Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander,
L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen
Recht, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Anstiftung ist
die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen
rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine Grundfigur des →Strafrechts
wird die A. unter Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle
Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst im 19. Jh.
ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851).
Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen
Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Anthropologie (F.) Menschenkunde
Lit.: Dülmen, R.
van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen
Anthropologie in Deutschland, 2005
Antichrese ist
das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische römische Recht
eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders
die Früchte der Pfandsache ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31; Hübner
Antike ([3000/2800
v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die
Kultur der (Sumerer, Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekennzeichnete,
durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene
geschichtliche Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Altertum
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff.
1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge Ancient
History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A.
2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler
Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der
christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon
der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a.,
2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W.,
Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v.
Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des
Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte
und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der
Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken
Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte
der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen,
hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007;
Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte
der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007;
Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch,
E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C.,
Antike, 2008; Stangl, G., Antike Populationen in Zahlen, 2008; Die Ideale der
Alten, hg. v. Rosenberger, V., 2008; Antike - Recht - Geschichte, hg. v. Benke,
N. u. a., 2009; Antike Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v. Wirbelauer, E.,
2009, 3. A. 2010; Leppin, H., Das Erbe der Antike, 2010
Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)
Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena,
1993
Antisemitismus ist die die Juden (Semiten)
ablehnende Haltung. Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Vorläufern in der 2. Hälfte des 19. Jh.s (in Preußen Sozialkonservative wie
Hermann Wagener seit der liberalen neuen Ära von 1858, in Österreich um 1885)
neu. In dieser Zeit gelten Juden als Modernisierungsgewinner des Liberalismus,
wobei auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen
Veränderungen am steigenden Einfluss der Juden zum Ausdruck bringt.→Jude
Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997;
Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland
zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999;
Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die
Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus,
2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des
Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la
espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des
Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v.
Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M.,
Hitlers Vätergeneration, 2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in
Großbritannien 1899-1919, 2006; Mittmann, T., Vom Günstling zum Urfeind der
Juden, 2006; Volkov, S., Germans, Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U.,
Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen
Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus, 2008; Brügmann, C., Flucht in
den Zivilprozess, 2009; Herholt, v., Antisemitismus in der Antike, 2009: Antisemitische
Geschichtsbilder, hg. v. Bergmann, W. u. a., 2009; Herbeck, U., Das Feindbild
vom „jüdischen Bolschewiken“, 2009; Handbuch des Antisemitismus, hg. v. Benz,
W., Bd. 1ff. 1209ff.; Albrecht, H., Antiliberalismus und Antisemitismus, 2010;
Antisemitism in Eastern Europe, hg. v. Petersen, H. u. a., 2010; Imperien in
der Antike, hg. v. Harrison, T., 2010; Bergmann, W. u. a., Antisemitismus in
Zentraleuropa, 2011; Hofer, S., Richter zwischen den Fronten, 2011; Jahr, C.,
Antisemitismus vor Gericht, 2011; Nicosia, F., Zionismus und Antisemitismus,
2012
Antitribonianus ist das 1603 posthum erschienene Werk François →Hotmans,
das im Angriff auf →Tribonian die Anwendbarkeit des (lat. [N.])Corpus
iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher
empfiehlt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HotmanFranz(HotomanusFranciscus)Antitribonian1603.pdf
Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888
Antrag (Wort 1325) ist das →Angebot auf Abschluss eines →Vertrags.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Antrustio (lat.
[M.], zu afrk. druht, lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der im
Volksrecht der →Franken durch dreifaches Wergeld des Freien
ausgezeichnete, auch in Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.
Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im
Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände,
1991
Antwerpen an
der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht.
1852 wird eine Universität eingerichtet.
Anwachsung (Wort 1453, Anwachsungsrecht 1721)
ist die Erhöhung der Anteile anderer
Berechtigter an einer (gesamthänderischen) Gesamtheit im Wege der
Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie hat wohl in alten gesamthänderischen
Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft, Akkreszenz im klassischen römischen
Erbrecht) Bedeutung und wird später eher zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte,
Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem
Gesamthandsprinzip an Gewicht.
Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F.,
Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Anwalt ist
der Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen Recht ist Vertretung
grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge
im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe
(Vögte), Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15.
Jh.s setzt sich neben dem Fürsprecher als Vertreter im (loßen) Wort (Mund der
Partei) die inhaltliche Vertretung der Partei in der Sache im bürgerlichen
Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts
wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte →Prokurator
zum Vertreter der Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte →Advokat zum
außergerichtlichen Berater (1495 am Reichskammergericht acht Prokuratoren,
zwei Advokaten, seit 1500 bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in
Deutschland die Unterschiede trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen
schon seit dem 16. Jh. wieder. Bedeutung hat der A. vor allem im Zivilprozess.
In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als
freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch
in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849
(1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen
von 1849 und 1868). Neben ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 (Rechtsdienstleistungsgesetz)
auch Nichtjuristen eingeschränkt Rechtsberatung durchführen.
Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155,
202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F., Geschichte
der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den
fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die nürnbergische
Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid, H., Anwalt und
Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte,
1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Grahl, C., Die
Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem Großen, 1994; Siegrist, H.,
Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die Advokat-Anwälte, Diss. jur.
Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen Anwaltvereins, hg. v. Deutschen
Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die Entwicklung der Anwaltschaft,
NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve,
W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998;
Klas, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Wiedemann, A., Preußische
Justizreformen, 2003; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A., 2003
Anwaltszwang ist
die (tatsächliche oder) rechtliche Verpflichtung, im →Prozess einen →Anwalt
zu verwenden.
Anwartschaft ist
die einer bestimmten Person zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein
später zu erwartendes Amt oder Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe
Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass (→Erbenwartrecht). Im 20. Jh.
setzt sich die A. als werdendes Recht, das dem Vollrecht wesensgleich ist,
beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch.
Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984
Anweisung (Wort 1271/1286) ist die
schriftliche Aufforderung eines Teiles (Anweisender, Wort 1863) an einen
anderen Teil (Angewiesener) (Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere
Sachen an einen die Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungsempfänger,
Wort 1809) zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und
Delegatar, Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger
Valutaverhältnis). Sie hat römische Grundlagen. Sie gehört in die Frühzeit des →Wertpapiers
(13./14. Jh.). Die pandektenwissenschatliche Erörterung des 19. Jh. bereitet
die Gestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896/1900 vor. Die A. kann
Zahlungsanweisung oder Verpflichtungsanweisung sein.
Lit.: Eisenried,
U., Die bürgerlich-rechtliche Anweisung und ihre Entstehung, 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anwenderecht ist
das in die Anfänge des dichteren Ackerbaus zurückreichende, seit dem 13. Jh.
vielfach schriftlich bezeugte Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes
kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu betreten und dadurch zu benutzen. Das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. als
Teil des Nachbarrechts bestehen.
Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925;
Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie,
1985, 146
Anzeige ist
die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorgangs oder Zustands. Sie ist in
verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer
A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche
kanonische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.])
accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines
einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige
geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002
Aostatal
Lit.: Roddi, G., Il Coutumier
Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur. Freiburg im Üchtland)
Apanage ist
die Ausstattung eines nachgeborenen Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitglieds
eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie
entwickelt sich nach älteren Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh.
in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines
entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige
A. kann auf eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood,
C., The French Apanages, 1966
Apel,
Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg
1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534 Rechtsberater in Nürnberg.
1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für die Rechtswissenschaft vor.
Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell,
1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 100 (1940), 423
Apokalypse
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Apostasie (F.) ist der von der Spätantike bis zur
Aufklärung geahndete Abfall vom Glauben.
Lit.: Hinschius, P., System des
katholischen Kirchenrechts, 1888ff.; Schauf, H., Einführung in das kirchliche
Strafrecht, 1952
Apostelbrief ist
im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der Bericht, den der untere
Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer Partei, die →Appellation
gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen Richter (lat. iudex [M.] ad
quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufs und
eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie später auch die
bisherigen Prozessakten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342
Apotheke („Aufbewahrungsort“, für Heilmittel zunächst in Klöstern, um 1241
verbietet Friedrich II. im Edikt von Salerno das Betreiben von Apotheken durch
Ärzte, 1241 Löwenapotheke in Trier bezeugt) ist das Unternehmen des
wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung und Verkauf von
Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). Seit etwa 1850 gründen Apotheker
Drogerien mit einem breiten Warenangebot, darunter auch Arzneimittel. 1935
wird eine deutsche Apothekerschaft geschaffen, 1937 eine Reichsapothekenkammer
eingerichtet. 1961 ergeht ein Arzneimittelgesetz.
Lit.:
Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen Apothekerwesens im
Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008;
Schäfer, C., Apotheker und Drogist, 2009
Apothekenurteil ist die in drei Stufen nach dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Einschränkung von Grundrechten (z. B.
Berufsfreiheit) ordnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands
vom 11. 6. 1958 über die Zulassung eines Apothekers in Traunreut.
Lit.: Henne, T., Das Lüth-Urteil,
hg. v. Henne, T. u. a., 2004
appellatio (lat.
[F.]) Anrufung, Berufung, →Appellation
Appellation ist
im spätrömischen Verfahrensrecht das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zur
Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren
Richter, das mit einem Urteil endet (Berufung). Die A. ist bei dem unteren Richter
mündlich oder binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Die A. wird im frühen
Mittelalter in vereinfachter Form in der Kirche und in Oberitalien bewahrt. Im
hohen Mittelalter wird die A. (mittels →Apostelbriefs), die seit dem 12.
Jh. im kirchlichen Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen
Prozessrecht in Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In
Italien und Frankreich dringt sie rascher vor. Im Heiligen römischen Reich, in
dem zwischen 1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio sehr unterschiedliche
Einrichtungen benennen kann, ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen
besonderen Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen,
aber auch im älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden
König findet, in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s allmählich die ältere
Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren verdrängen
bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete
Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu
80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden
festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654 auf 600 Gulden
bzw. 400 Reichstaler steigt, und wird 1530 dem Reichskammergericht die
Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken die
Nichtappellationsprivilegien (1470-03-21 Reichsstadt Nürnberg, 1480-07-10
Bayern Herzog, 1482-05-08 Augsburg Reichsstadt, 1485-11-05Augsburg Reichsstadt,
1493-04-27 Köln Stadt, 1495-08-24 Nürnberg Reichsstadt, 1499-05-21 Windsheim, Nassau
1804-06-28, insgesamt (77) Aachen, Augsburg, Baden, Bayern, Biberach,
Brandenburg, Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Braunschweig-Lüneburg, Bremen
Stadt, Bremen Erzstift, Brixen, Dinkelsbühl, Donauwörth, Esslingen, Frankfurt
am Main, Giengen, Hamburg, Hanau-Münzenberg, Herford Stadt, Hessen-Kassel,
Hessen-Darnstadt, Hessen-Rheinfels, Hessen-Marburg, Hildesheim Bischof,
Holstein, Ingelheim Freiherr, Jülich Kleve Berg, Kaufbeuren, Kempten Stadt,
Köln Kurfürst, Köln Stadt, Lindau, Lippe Graf, Lübeck Stadt, Lüttich Bischof,
Magdeburg Erzbischof, Mainz Kurfürst, Manderscheid Graf, Mecklenburg Herzöge,
Memmingen Stadt, Merseburg Bischof, Mübster Stadt, Nassau, Neuenahr und Moers
Graf, Nördlingen, Nürnberg Stadt, Öttingen Graf, Oldenburg und Delmenhorst
Graf, Passau Bischof, Paumgarten Freiherr, Pfalz Kurfürst, Pommern, Rantzau,
Regensburg Stadt, Reußen von Plauen Graf, Reutlingen, Rosheim Stadt, Rothenburg
ob der Tauber, Rügen, Sachsen Kurfürst, Salzburg Erzbischof, Schwäbisch Hall,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Schweden König, Schweinfurt,
Speyer Stadt, Straßburg Stadt, Trient Bischof, Trier Kurfürst, Ulm, Verden
Bischof, Vorpommern, Waldeck Graf, Windsheim, Wismar, Worms Stadt, Württemberg,
Würzburg Bischof). Am Reichshofrat ist die A. vor allem wegen der
Appellationsprivilegeien nicht sehr häufig. 1879 wird die teuere und schwierige
A. im Deutschen Reich durch die →Berufung ersetzt, in England erst 1875
wirklich zugelassen. →Konzil
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117,
152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht
und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K.,
Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84
(1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle
genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als
Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den
Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973;
Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die
kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980;
Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker,
H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die
Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts,
ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993;
Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung
des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche
Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje,
J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen Appellation und
Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110;
Hugo,.L., Vom Missbrauch der Appellation, hg. v. Oestmann, P., 2012;
Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit,
hg. v. Auer, L. u. a., 2013
Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782 Erhebung der von den
Gubernien getrennten Justizsenaten zu Appellationsgerichten durch Joseph II.,
1852 Oberlandesgerichte)
Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das
eine →Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt
(Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach
einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die
eigentliche Appellation. 1356 verleiht die →Goldene Bulle den Kurfürsten
ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die
Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen
erst seit dem 16. Jh.).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen
privilegia de non appellando, 1980
Appenzell erscheint
1071 erstmals als Abbacella. Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt
Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit
1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz, seit 17.
12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton
(Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die
rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918),
1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher
56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land-
und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion –
Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115
(1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006
Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z. B.
einer klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)
Lit.: Deußen, W., Die Approbation
der deutschen Königswahl, 1879; Unverhau, D., Approbatio - Reprobatio, 1973 Aprilverfassung ist die am 25. 4.
1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innenminister Franz Xaver von →Pillersdorff
geformte, nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung
Österreichs mit Gewaltenteilung, Reichstag und Grundrechten, aber ohne
praktische Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeAprilverfassung1848.doc
apud iudicem
(lat.) vor dem Richter, →Prozess, Verfahren
Apulien im
Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen,
wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem Untergang Westroms über
die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum
Benevent der Langobarden. In der Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen
(1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.
Lit.: Palumbo, P., Medio evo
meridionale, 1978
aquae ductus
(lat. [M.]) Wasserleitung(srecht), →Dienstbarkeit
aquae haustus
(lat. [M.]) Wasserschöpfung(srecht)recht,→Dienstbarkeit
Aquileia nahe
der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegründet.
Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof beansprucht seit 558/568 den
Titel eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418
gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien (1866) an
Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das
Patriarchat Aquileja, 1987; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters S.
Maria zu Aquileja (1036-1250), 2005
Aquilius →lex
Aquilia
Aquitanien ist
das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418
westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges
Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter
mit Heinrich II. →Plantagenet (1152) gelangt A. beim Thronantritt
Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit →England. Am Ende des
hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an →Frankreich.
Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C., 1971;
Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972
Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen
dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten
Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.
Araber ist
der Angehörige des in den mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als
(lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der
arabischen Halbinsel siedelt (853 v. Chr. in mesopotamischen Keilschriften
erstmals erwähnt). Die A. erobern nach der Bekehrung zum →Islam im
frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien.
711 wird Gibraltar erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein
Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken unter
Karl Martell zurückgeschlagen. Im 9. Jh., in dem griechische und indische
Schriften in die arabische Sprache übertragen werden, setzt der Zerfall des
bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden,
seit dem 12. Jh. Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen in die
lateinische Sprache) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein.
1260 können die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen
Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht
1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19.
Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand
der Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A.
auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den
wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende
mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht
in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein
auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das
europäische Mittelalter weiter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia
dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg.
v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W.,
Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien,
2004; Katzer, A., Araber in deutschen Augen, 2008; Schlicht, A., Die Araber und
Europa, 2008; Ambrosetti, N., L’eredità arabo-islamica nelle scienze e nelle
arti del calcolo dell’Europa medievale, 2008Burnett, C., Arabic into Latin in
the Middle Ages, 2009; Thorau, P., Lawrence von Arabien, 2010; Schlicht, A.,
Geschichte der arabischen Welt, 2013
Aragonien (Aragón)
im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an
die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach
800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.])
convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung der von den Arabern
beherrschten Gebiete 1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der →Fuero
von →Jaca (1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit
Katalonien und 1238 mit Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches
Recht ein. 1247 werden die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht
auf Vidal de Cañellas zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden
Fueros de Aragón (Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft
Aragoniens gelangen auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442).
Seit 1469 tritt A. hinter →Kastilien (1474 Personalunion) zurück und
verliert die 1707 zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der
selbständigen Verwaltung (1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das
überlieferte besondere Privatrecht gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil
Español fort.
Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K.,
Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des
Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde
Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960,
98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963;
Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die
aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de Aragón,
1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258
Arba ‘at ha-Turim →Jakob Ben Ascher
Arbeit (Wort bereits germanisch) ist die
auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit des
Menschen. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so
verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die
Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A.
treten deshalb, obwohl bereits im Mittelalter das dauernde Vorkommen
vertraglich vereinbarter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die
beständige Sorge der Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind,
erst seit etwa 1840 Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich
der A. schließen sie den →Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des →Arbeitsrechts
ist, für das sich das besondere →Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im
19. Jh. wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im
Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972,
154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail
au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die
Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H.,
Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G.,
Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U.,
Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998;
Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der
gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka,
J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K.,
Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Postel, V., Arbeit im Mittelalter, 2006; Steinfeld,
R., Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123
(2006), 267; Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009;
Rijkers, F., Arbeit - ein Weg zum Heil, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Meskill, D., Optimizing
the German Workforce, 2010; Humann, D., „Arbeitsschlacht“ Arbeitsbeschaffung
und Propaganda in der NS-Zeit 1933-1939, 2011; Keiser, T., Vertragszwang und
Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne,
2013
Arbeiter (Wort 1233-1267) ist der körperliche Arbeit verrichtende Arbeitnehmer.
Lit.: Kulemann, W., Der Arbeiterschutz,
1893, Neudruck 2013; Bödiker, T., Die Arbeiterversicherung, 1895, Neudruck
2013; Lorenz, A., Kleine Geschichte der
Arbeiterbewegung in Deutschland von 1848 bis heute, 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Arbeiterkammer ist die in Österreich ab 1872 geplante, mit Gesetz vom 26. 2. 1920
eingerichtete, 1938 aufgelöste, durch Gesetz vom 20. 7. 1945 wiedererrichtete
Vertretung der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten), die maßgeblich bei
der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt hat.
Arbeitnehmer (Wort 1848) ist der im
Arbeitsverhältnis die Arbeit ausführende Beteiligte im Gegensatz zum
Arbeitgeber (Wort 1847).
Lit.: Pflaume, H., Organisation
und Vertretung der Arbeitnehmer in der Bewegung von 1848/1849, 1934; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz
(RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten am 23. 12. 1926 bzw. 1. 7. 1927) geschaffene
Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeitnehmerseite für
Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der
ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927
Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit
Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbegericht
(1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806)
von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes
zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in
Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird. Noch früher
gibt es in Preußen im 18. Jh. Fabrikdeputationen und im Mittelalter allgemein
auch Entscheidungen innerhalb der Zünfte.
Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die
Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer
Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J.,
Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, Bd. 1 1990;
Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit,
Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit,
1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des
Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes
Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit
in Deutschland, Bd. 2 2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen
Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung
der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005
Arbeitsgesetzbuch ist das für das →Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch
(z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Arbeitskampf (nach Kittner erster bekannter
Arbeitskampf auf deutschem Boden Breslau 1329) →Aussperrung, Streik
Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl,
H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder,
R., Der gewerbliche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts,
Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61
Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.); Weber, P.,
Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik, 2010; Arbeitskämpfe im
Zeichen der Selbstermächtigung, hg. v. Leder, A., 2012
Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13
deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung vorhanden) folgend von
1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur
Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Arbeitsförderungsgesetz
geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte →Sozialversicherung
gegen die wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241;
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991;
Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung,
1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn,
U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung
in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rückkehr der
Arbeitslosigkeit, 2009
Arbeitslosigkeit →Arbeitslosenversicherung
Arbeitsmündigkeit →Mündigkeit
Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der
Arbeitsmündigkeit, 1968
Arbeitsrecht ist
das die →Arbeit betreffende Recht. Es wird trotz der bereits im
Hochmittelalter vorhandenen und seit dem 16. Jh. auch von den Landesherren geordneten
Tätigkeiten als Gesinde, Seemann, Bergmann, Kaufmannsdiener oder
Handwerksgeselle als Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt
(Stadthagen 1895 Arbeiterrecht, Sinzheimer 1907f./1914, Potthoff 1925), nachdem
sich im 19. Jh. die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen Bindungen infolge
des Liberalismus lösen (z. B. Bauernbefreiung) und →Arbeit zum
Gegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche
Regelungen erscheinen Arbeitsschutzbestimmungen (England 1802, Preußen 1839,
Truckverbot 1849/1869, Frauenschutz 1878, Gewerbeaufsicht 1878), die das deutsche
Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert. Flankierend wirkt die →Sozialversicherung.
Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung
des Arbeitsrechts (1891 Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfsdienstgesetz) findet einen
ersten Abschluss in der →Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen
Schlichtungsverordnung (1923). Durch die nationalsozialistische Regierung
wird dann das kollektive A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung (1934
Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder
beseitigt wird. 1949 wird das Tarifvertragsrecht neu gestaltet, 1951 die
Mitbestimmung in der Montanindustrie ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe
weiterer Gesetze erlassen bzw. neu gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu
werden vermag, tritt ersatzweise die Arbeitsgerichtsbarkeit mit Richterrecht
ein. In der Deutschen Demokratischen Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der
Arbeit erlassen, 1978 ein Arbeitsgesetzbuch. In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische
Recht an Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
Europäische Sozialcharta 1961). Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen
von P. Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./1914). Als Besonderheit
des Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei →gefahrgeneigter
Tätigkeit angesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241;
Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen
Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht
im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen
Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen
Arbeitsverwaltung, 1943; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1953; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht,
1955; Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel,
W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel,
S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Wedderburn,
K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale
Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich
1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T.,
Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die
Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund,
1980; Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege
zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur
Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des
schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos
und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB,
1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990;
Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende
Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung
des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996;
Benöhr, H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.
u. a., 1997; Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert,
1998; Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H.,
1998; Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus
und die Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M.,
Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor
Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des
Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp
Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte
der Wirtschaft, 2008; Däumichen, N., Erich Molitor - Mitbegründer der neueren
Arbeitsrechtswissenschaft, 2012; Pierson, T.,
Die juristische Implementation und (De-)Regulierung des sogenannten
Normalarbeitsverhältnisses nach 1949, ZRG GA 129 (2013), 305
Arbeitsverfassung →Arbeitsrecht
Arbeitsvertrag (Wort) 1793) ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche
Leistung von →Arbeit geschlossene →Vertrag. Anfangs individuell
ausgehandelt wird sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen
Vertragsfreiheit zunehmend kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird
grundsätzlich die Schriftform angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag,
2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v.
Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im
deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im
deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter
im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und
Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den
Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der
industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19.
Jahrhunderts, (in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss.
jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeitsvertrag in der
österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG
GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses,
(in) NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte,
1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild,
T., Die Entwicklung des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen
Arbeitsvertragsgesetz mit dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem
österreichischen Entwurf einer Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960,
hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995;
Thiele, A., Die Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M.,
Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis während der Weimarer Republik und in der
Zeit des Nationalsozialismus, 2005; Bausback, M., Der Bestandsschutz des
Arbeitsverhältnisses, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Totseva, M., Grundlagen der
Arbeitsvertragstheorie im 19. Jahrhundert in Deutschland und England, 2013
Arbeitszeit ist
die für →Arbeit aufzuwendende Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung
ist Ausfluss der Verrechtlichung des Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung
verlängert sich die A. durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?).
Am 23. 11. 1918 wird im →Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet
und am 21. 12. 1923 die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das
Arbeitszeitrechtsgesetz allgemein geregelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in
der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner
Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England
1750-1830, 2000
arbiter (lat.
[M.]) Schiedsrichter, →Schiedsgericht
Lit.: Kampmann, C., Arbiter und
Friedensstiftung, 2001
arbiträr (Adj.) willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria],
möglich nach der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch
Benedikt Carpzov 1595-1666, eingeschränkt durch das Strafgesetzbuch Josephs
II. von 1787 bzw. das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).
Arbitrium (lat. [N.])
Ermessen, Gutachten, Entscheid, Schiedsspruch
Lit.:
Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115
(1998), 552
archaisch (Adj.) altertümlich (anschaulich, einfach, mündlich)
Archäologie (Altertumskunde)
ist die Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B.
Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen
Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahrscheinlich
machen kann.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A.
1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die
Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die
klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres
germanisch!, 2002; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie,
2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des Archäologischen,
hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S., Historische Archäologie, 2007;
Eberhardt, G., Spurensuche in der Vergangenheit, 2010; Ickerodt, U.,
Einführung in das Grundproblem des archäologisch-kulturhistorischen
Vergleichens und Deutens, 2010
Archidiakon ist
seit etwa 365 der Leiter der →Diakone einer Bischofskirche, der sich zum
Stellvertreter des →Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh.
weitgehend verschwindet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das
Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84
Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter
des →Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen
Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.
Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911
Archiv ist
die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von
Schriftgut (z. B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme).
Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches)
Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche
an, deren frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren
ist. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Für das
Heilige römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit
König bzw. Kaiser Maximilian am Übergang zur Neuzeit ein. Das Hauptproblem der
Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der
Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausgebildeten Archivaren (München 1821,
Marburg 1894) gesichtet werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des
österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen,
1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen
Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969;
Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg,
Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von
Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die
Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen
Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E., Einführung in die
Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999, 8. unv. A. 2010; Gaisberg-Schöckingensches
Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J., Quellen rheinischer Archive
zur neuzeitlichen Personen- und Familiengeschichte, 1995; Bayerisches
Hauptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996; Musial, T., Staatsarchive im Dritten
Reich, 1996; Strauch, D., Das Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte
der preußischen Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg.
v. bayerischen Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u.
a., 2002, 4. A. 2004, 5. A. 2012; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die
moderne Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D.,
Kleine Theorie des Archivs, 2008; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen der
DDR, 2008; Les archives dans l’université, hg. v. Robert, O., 2009; Staatliche
Archive als landeskundliche Kompetenzzentren, hg. v. Kretzschmar, R., 2010;
Archivische Informationssysteme, hg. v. Maier, G. u. a., 2010; Rechtsfragen
der Nutzung von Archivgut, hg. v. Rehm, C. u. a., 2010; Archivpflege und
Archivalienschutz. Das Beispiel der Familienarchive und „Nachlässe“, hg. v.
d. Generaldirektion, 2011; Gewalt der Archive, hg. v. Weitin, T., 2012; Vogt,
A., Archivführer zur Wissenschaftsgeschichte, 2013; Stadtgedächntis
Stadtgewissen Stadtgeschichte, 2013; Friedrich, M., Die Geburt des Archivs,
2013; Hochedlinger, M., Österreichische Archivgeschichte, 2013
Arco
Lit.: Waldstein-Wartenberg, B.,
Geschichte der Grafen von Arco, 1971
Arelat (N.) Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund im Mittelalter
Arenga ist
die der spätrömischen Rhetorik entstammende Einleitungsformel mittelalterlicher
Urkunden, die mit meist sehr allgemeinem Inhalt vom Protokoll (Urheber,
Empfänger u. s. w.) zum Text (Inhalt)
überleitet.
Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957
argentarius (lat.
[M.]) Bankier, →receptum (argentarii)
Ärgere Hand
(lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der
Ebenburt (→Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden mittelalterlichen
Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen von Angehörigen unterschiedlicher Stände
dem Stand des schlechter geborenen Elternteils angehören. Dieser Grundsatz
nimmt vielleicht seinen Ausgang bei Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der
Durchsetzung der Gleichheitsidee (1789) verliert er seine Bedeutung.
Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R.,
Österreichisches Adelsrecht, 2000
Arglist (Wort um 1000, arglistig um 1300) ist
die hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes
auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten ohne weiteres die
Vertragstreue, so dass die Einrede (lat. [F.] exceptio) der A. auch ohne
besondere Vereinbarung offensteht. In der Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die
Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten Willenserklärung und kann arglistige
Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach sich ziehen.
Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne
Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Arianer ist
der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des
alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott nicht wesensgleich
ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A., die Franken
dagegen von Anfang an Athanasianer.
Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L’Afrique, 1955;
Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Arier ist
der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2.
Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die →Indogermanen
zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane
gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen →Rasse
verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Veränderung den
Nichtjuden.
Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in
Hamburg, 1997
Arimanne (Heermann,
lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden im Frühmittelalter der vollfreie
Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König
verpflichtete Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer vom 10. bis zum 13. Jh.
belegten Abgabe arimannia.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala arimannia,
1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und
exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und
sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen
und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 2000
Arisierung ist im Dritten Reich
(Adolf →Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der →Juden
aus dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a.
Verordnungen vom 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise
ausgeglichen wird.
Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im
Gegensatz zu Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)
Aristoteles (Stageira 384 v. Chr.-Chalkis/Euböa 322 v. Chr.)
Schüler Platos
Lit.: Jaeger, W., Aristoteles,
1923; Düring, I., Aristoteles, 1966; Flashar, H., Aristoteles. Lehrer des
Abendlandes 2013
Armenier ist der Angehörige des armenisch
sprechenden, indogermanischen Volkes (10,4 Millionen), das zu Beginn des 20.
Jh.s von Türken bekämpft wird.
Lit.: Der Genozid an den
Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006
Armenrecht ist
die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten
eines Rechtsstreits. Sie ist eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen
Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie
findet sich etwa in der Kammergerichtsordnung bzw. Reichskammergerichtsordnungen
von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1, 41) oder in der Constitutio Criminalis
Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland wird 1980 das A. durch die →Prozesskostenhilfe
(1981 §§ 114ff. ZPO) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge,
Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du
Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und
Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß,
M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung,
1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut,
Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995, 2. A. 2013; Eser, S.,
Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997;
Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998;
Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u.
a., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das
Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und
Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler,
Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im
mittelalterlichen Island, 2002; Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004;
Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u.
a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm
und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v.
Schmidt, S. u. a., 2006; Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesellschaften
in Europa 1850-1930, hg. v. Brandes, I. u. a., 2008; Ludyga, H., Obrigkeitliche
Armenfürsorge im deutschen Reich, 2010; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser,
2011; Schallmann, J., Arme und Armut in Göttingen 1860-1914, 2014
Armesünder ist
ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator),
in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter,
insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936;
Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163
Arnstein
Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961
Arnulfinger ist der Angehörige der nach Bischof
Arnulf von Metz benannten Familie der Pippiniden oder späteren Karolinger. Von
den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34 Urkunden und ein Brief überliefert
(davon elf Fälschungen oder starke Verfälschungen), zu denen 56 verlorene
Urkunden hinzuzrechnen sind (90 Privaturkunden) (2011 23 echte Urkunden, ein
Brief, 12 mittelalterliche Fälschungen, [vier moderne Fälschungen,] 56
verlorene Urkunden?).
Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger,
hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de; Die Urkunden
der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2011
arra (lat.
[F.]) Angeld, →arrha
Arras
Lit.: Kéry, L., Die Errichtung des
Bistums Arras 1093/1094, 1994
Arrest ist
die Verhaftung (eines Menschen oder einer Sache) oder Beschlagnahme und
insbesondere das Eilverfahren des Zivilprozesses zur Sicherung der Zwangsvollstreckung
wegen einer Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung
übergeht. Im römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeichnung A.
erscheint seit dem Anfang des 13. Jh.s in französischen Quellen und wenig
später auch in lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main
1297, Liber Sextus 1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich
erörtert von Andreas Gail 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jh. verdrängen
arrestieren und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für
ein wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus
einem Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jh. (Köln 1178, beschleunigtes
gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich
bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als
außergerichtliche Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers im Vordergrund steht, aber
schon seit dem 13. Jh. von dem Sacharrest zurückgedrängt wird. Seit dem Ende
des 13. Jh.s macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der
Richter ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst
nach Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvollstreckung
erfolgen kann.
Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und Kummer
- Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische Arrestprozess,
1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter,
1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen
städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914;
Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA 34
(1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien
zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG GA 39
(1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen
Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker Ratsurteilen,
Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996
Arrha (lat.
[F.] arra, arrabon) ist die nach semitischem Vorbild („altorientalischer
Arrhalvertrag“) im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen
Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer
abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner
und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe zurückgeben. Im Frühmittelalter
(Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10, Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für
Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teilleistung ein Vertrag geschlossen
worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger verpflichtet. Vielfach
wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den Beteiligten sofort verschenkt
oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter verliert die auch als Weinkauf
(Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794],
BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld)
ihre schuldbegründende Bedeutung und nähert sich dem →Reugeld. In jedem
Fall hat die a. eine gewisse Beweisfunktion.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127;
Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855;
Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Calogirou, G., Die Arrha im
Vermögensrecht, 1911, Neudruck 2013; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933; Siems,
H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992
Arrhalvertrag ist der aus dem Orient in das spätrömische Recht eindringende, unter
notwendiger Verwendung einer →arrha (Hingabe unter Anrechnung auf die Gesamtleistung
oder ohne Anrechnung) entstehende, vom Formalvertrag und vom Realvertrag zu
trennende →Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164
Arrogation (F.) Annahme
Lit.: Seelentag, A., Ius pontificium cum
iure civili coniunctum - Das Recht der Arrogation in klassischer Zeit, 2013
Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung
für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken
Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird
([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller
und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA
13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)
Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des
13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre
von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum
1200/1205, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina,
1255ff.]).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di
notariato in Italia, 1926
Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike
auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten
Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium,
Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im
Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden
(schätzungsweise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne
späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne
Graduierung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien Künste
im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres aux
XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen
Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage,
B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher
Neuzeit, 2007
Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus) sind die von Papst Gregor
XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Augustinermönchs Johannes →Klenkok
(Dekadikon, Magdeburg 1369) ohne wesentliche Auswirkung für nichtig erklärten
14 Artikel des →Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht
(Landrecht I 3 § 3, III 57 § 1, III 63 § 2), Verfahrensrecht (Landrecht I 18
§§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64, II 12 § 10) und Privatrecht (Landrecht I 6 § 2,
I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.
Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok wider
den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855, 1856,
377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883), 118;
Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31
(1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck 1968,
159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993
articulus (lat.
[M.]) Artikel
Artikel (M.) Gliedchen, Abschnitt
Artikelbrief ist der in Abschnitte gegliederte
Brief (z. B. Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief, Forderungen
der Bauern 1525).
Lit.: Pelz, S., Die preußischen
und reichsdeutschen Kriegsartikel, Diss. jur. Hamburg 1979; Seebass, G.,
Bundesordnung und Verfassungsentwurf, 1988
Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische
Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach Durchführung
der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte Behauptungen
einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr,
dass) und der Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones,
glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben muss, so dass sich (aus diesen auch
als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen) leicht(er) das
Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A. wird bereits
von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496 (Art. 12, ähnlich 1555,
1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter dem Einfluss des
sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 aber bis auf
die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben (vgl. aber
Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder Nichtbestrittenheit von
Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).
Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen
Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess,
1974; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977;
Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur
Überzeugung, 2003
Artushof ist das von dem sagenhaften britischen
König Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in Hansestädten
(z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.
Lit.: Selzer, S., Artushöfe im
Ostseeraum, 1996
Arumaeus (van
Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in
Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert und 1602 zum
außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt. Er
begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch
gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das
Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.
Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis
Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des
Johannes Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 1997
Arzt ist der wissenschaftlich vorgebildete
Heilkundige.
Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und
Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft, Strafverfolgung,
Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs, A./Katzenmeier, C./Lipp, V.,
Arztrecht,
6. A. 2009; Tascher, G., Staat, Macht und ärztliche Berufsausbildung 1920-1956,
2010; Höftmann, D., Der
Vergütungsanspruch des Kassenarztes, 2013
As (lat.
[N.]) ist eine römische Geldeinheit.
Asega ist
eine Figur der (hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer,
Fivelgoer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24
Landrechte), deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung
(Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.
Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27
(1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago
und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und
Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93
Asien ist der von Europa bis zum Pazifik reichende,
u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner beherbergende Kontinent.
Lit.: Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999, 2. A. 2013; Krieger,
M., Geschichte Asiens, 2003; Mann, M., Geschichte Südasiens 1500 bis heute,
2010; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010;
Askanier ist
der Angehörige eines ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um
1000 am Harz erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die
Ostsiedlung und erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die
brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die →Wittelsbacher, die
wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten
Kurfürstenwürde) an die →Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die →Welfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E.,
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von
Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001
assecuratio (lat.
[F.]) →Versicherung
Assekuranz ist
die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung
für die →Versicherung.
Assessor ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher
Amtsträger, seit dem 15. Jh. (?) der
rechtsgelehrte Beisitzer eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammergerichts
oder seit 1495 des Reichskammergerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s
der Anwärter auf eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153; Smend, R., Das
Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine
Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten Priester der Gerechtigkeit,
2005
Assise (mlat.
[F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen
Rechtssätze vor allem in Frankreich und England (z. B. Assise regum regni
Sicilie [von Ariano] 1140, Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon
1166 Assize of novel disseisin, Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179,
Assize of Woodstock 1184). In England entwickelt sich daraus die Laienjury, die
in Frankreich nach 1789 übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von
Jerusalem private Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs
Jerusalem und Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest Northamptonshire
Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Étude critique sur les livres des Assizes
de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht,
1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975;
Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und Northampton (1176), Ius commune
21 (1994), 149
Asso y del Río,
Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del
derecho civil de Castilla ein aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben
das römische Recht tretendes gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht,
das begrifflich und systematisch noch römischrechtlich geprägt ist.
Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y del
Río, 1972
Assyrer ist der Angehörige des im vorderen Orient
(mittleres und nördliches Zweistromland bzw. Irak) vom 2. Jahrtausend v. Chr.
an bedeutenden, das semitische Akkadische sprechenden, im späten 7. Jh. v.
Chr. den Medern und Persern unterliegenden Volks.
Lit.: Chicago
assyrian Dictionary, Bd. 1ff. 1921ff. (21 Bände mit 10000 S.); Cancik-Kirschbaum,
E., Die Assyrer, 2003
Asyl (N.) unverletzlich(er Ort), Zuflucht →Asylrecht
Asylrecht ist
das Recht der geschützten Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und
späterer römischer Zeit besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter
an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von
dort im 5. Jh. auf christliche →Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche
Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die
wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt
das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich
wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus,
Richterhaus u. s. w. erweitert. Der
neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s als geordneter
Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenstehend ab (Frankreich 1539, England
1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten
Schutz vor Verfolgung in einem Verfolgerstaat (Art. 16 GG 1949).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R.,
Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der
Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts,
Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich,
O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des
Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19.
Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad
statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss.
jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen
Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike
Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche
Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl
in der alten Welt, 2004; Shoemaker, K., Sanctuary and Crime, 2011
Aszendent (M.) Verwandter in aufsteigender Linie (z. B. Vater, Großmutter,
Urgroßtante), Gegensatz Deszendent
Atheismus (M.) Gottlosigkeit bzw.
„Ungöttigkeit“
Lit.:
Welteke, D., Der Narr spricht: Es ist kein Gott. Atheismus, Unglauben und
Glaubenszweifel, 2011
Athen ist
der griechische, seit dem 7. Jh. v. Chr. erkennbare Stadtstaat in Attika, in
dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A.
zur →Demokratie über. Im 4. Jh. könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger
gehabt haben. In den Gerichten geht es weniger um Recht und mehr um Öffentlichkeit
für Streit um Ehre. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es
unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen
Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine
Universität.
Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess,
1965; Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, D.,
The Law in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981;
Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken,
J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v.
Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht, C.,
Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA 114
(1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G.,
Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of
Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das
klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B.,
Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen
im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt,
L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens,
hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher,
M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the
Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius,
2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v.
Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Pabst, A., Die athenische
Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette,
H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E.,
Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36; Lanni,
A., Law and Justice in the Courts of Classical Athens, 2006; Karakostas, I.,
König Otto, die Otto-Universität von Athen und ihre juristische Fakultät, 2007;
Ober, J., Democracy and Knowledge, 2008; Lehmann, G., Perikles, 2008; Osborne,
R., Athens and the Athenian Democracy, 2010;Stability and Crisis in the
Athenian Democracy, hg. v. Herman, G., 2011; Lambert, S., Inscribed Athenian
Laws and Decrees 352/2-322/1 BC, 2012
Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten
Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff im
Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf
Aggression, Entwaffnung von Aggressionsstaaten, Selbstbestimmungsrecht der
Völker, Gleichberechtigung im Welthandel, Freiheit der Meere), die von den
Vereinten Nationen übernommen wird.
Atomrecht ist
die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 23.
12. 1959 Atomgesetz).
Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978;
Geier, S., Schwellenmacht, 2013; Göppner, N., Vorgeschichte und Entstehung des
Atomgesetzes vom 23. 12. 1959, 2013
Attentat ist der
gewaltsame Angriff Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.
Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003;
Mühlnikel, M., Fürst, sind Sie unverletzt?, 2014
Aubry,
Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in Straßburg zusammen mit
Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon Zachariäs Handbuch des
französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins Französische und
entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des französischen
Privatrechts des 19. Jh.s.
Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un moment à
la mémoire de Aubry et Rau, 1923
Auctor (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf
den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache
verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den a., kann der angegriffene
Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler, LAW
auctoritas (lat.
[F.]) Ansehen, Zustimmung, (z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft
eines [lat., M.] pupillus bei Vornahme des Geschäfts)
Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer Reimprosa abgefasste
Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das (in wortgetreuer Übersetzung) in
der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) die Grundlage des mitteldeutschen →Görlitzer
Rechtsbuchs bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts
des Sachsenspiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung
entstandene lateinische Übersetzung) darstellt oder auf sie unmittelbar
zurückgeht. Alle Handschriften sind verschollen. Die Überlieferung besteht in
Drucken von 1569 (Havichorst), 1692 (Auszüge, Freher) und 1708 (Thomasius).
Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht in lateinischer
Fassung. Der A. v. kennt ein Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während
der Sachsenspiegel im Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I
42 § 1). Ihm fehlen Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren
Bearbeitungsstufen.
Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus
auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt,
K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus
de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter
zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998
Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss (gerechterweise stets)
gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).
Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs,
1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L., Het
beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur Erhaltung
guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000
Auditor (M.) Zuhörer, Hörer
Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in
Brandenburg-Preußen, 1971
Aufgebot ist
allgemein die öffentliche Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zum
Heeresdienst), insbesondere die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche
Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks
Verhinderung eines Rechtsverlusts vor einer beabsichtigten Änderung der
Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte geltend zu machen. Ähnliche
Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung
in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei
Aneignung gefundener beweglicher Sachen oder bei der Suche nach unbekannten
Erben). Ein A. vor einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte
Laterankonzil 1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt
sich die →Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu
erheben hat, wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird
das A. in der preußischen →Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der
deutschen Zivilprozessordnung (1877/1879). Das A. vor einer weltlichen
Eheschließung wird in Deutschland und Österreich am Ende des 20. Jh.s beseitigt
bzw. eingeschränkt.
Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktalprozess,
1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII
Aufklärung ist
allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen
auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten
Erkenntnisvorgang durch selbständiges unvoreingenommenes Denken wird die
gesellschaftskritische Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. genannt (frühe
Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s). Vorbereitend hierfür wirken
Renaissance, Humanismus und Reformation. Als Denkverfahren werden →Empirismus
und →Rationalismus verwendet. Bewusst wird die Einbeziehung immer
breiterer Kreise (des Publikums) gesucht. Im Recht entsprechen dem Gedankengang
der A. die Anerkennung eines weltlichen →Naturrechts (→Vernunftrechts),
das in die Kodifikationen des →Allgemeinen Landrechts Preußens (1794),
des →Code civil Frankreichs (1804) und des →Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (1811/1812) Eingang findet, und die Ablehnung
von Folter, Hexenprozess, Leibesstrafen einerseits sowie das Verlangen nach
Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht, Grundrechten, Verfassung und
Volkssouveränität andererseits. In der Verwaltung entsteht aus der A. die
Funktionalität anstrebende Kameralwissenschaft. In der Wirtschaft geht es in
der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch führt die A. zum aufgeklärten →Absolutismus
(Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold
in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige
Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der
abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre
im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und
Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg.
v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der
Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der
Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995;
Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein,
N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Der
Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M.,
Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The
Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v.
Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a.,
1999; Aufklärung – Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning,
H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001;
Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in
Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche
Verantwortung, hg. v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v.
Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004;
Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik
zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v.
De Pascale, C., 2005; Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J.,
Enlightenment Contested, 2006; Feiner, S., Haskala - Jüdische Aufklärung, 2007;
Sorkin, D., The Religious Enlightenment, 2008; Lauer, G., Die Rückseiute der
Haskala, 2008; Strukturen der deutschen Frühaufklärung (1680-1720), hg. v.
Bödeker, H., 2008; Meyer, A., Die Epoche der Aufklärung, 2010; Schenk, T.,
Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des aufgeklärten
Absolutismus, 2010; Krünes, A., Die Volksaufklärung in Thüringen im Vormärz
(1815-1848), 2013
Auflassung (Wort 1279 mittelniederdeutsch) ist
die Öffnung eines Grundstücks für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch
tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später
durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen
(außerhalb des Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur
eingeordnet, Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die
Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der
Aufnahme des römischen Rechtes in der frühen Neuzeit wird die A.
zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den von Savigny (1779-1861) entwickelten
dinglichen Vertrag über den Eigentumsübergang an Grundstücken, zu dem die
Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss, wobei die
gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts als ungerechtfertigte Bereicherung
rückgängig gemacht werden kann.
Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe,
O., Die Auflassung des deutschen Rechtes, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K.,
Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884),
84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255;
Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Voser, P.,
Die altdeutsche Leigenschaftsübereignung, 1952; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H.,
Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007), 287;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Aufnehmen des
Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare,
nach der Geburt vielleicht notwendige förmliche Rechtsakt, durch den ein
neugeborenes Kind Mitglied der Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach
nicht mehr ausgesetzt werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums
verschwindet dieses besondere A.
Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA
31 (1910), 131
Aufopferung ist
die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines
begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. §
75 Einl. ALR).
Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und
Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.
Aufrechnung (Wort 1372) ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als
prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) →compensatio bekannte,
wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger
Forderungen durch Verrechnung (Verurteilung nur auf einen vorhandenen
Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.] doli zur Überprüfung der Gegenforderung).
Das ältere deutsche Recht kennt anscheinend einen besonderen
Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige Erklärung entsteht wohl unter
römischrechtlichem Einfluss im Spätmittelalter. Später genügt auf Grund eines
Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße Aufrechnungslage für das Erlöschen
der gegenüberstehenden Ansprüche (ALR I 16 § 301, Cc 1290, ABGB § 1348). Seit
dem späteren 19. Jh. wird die A. als einseitiges Rechtsgeschäft eingeordnet
und wieder eine Aufrechnungserklärung verlangt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz,
O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das
Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur,
hg. v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aufsicht (Wort 1483) ist allgemein der übergeordnete Blick auf eine
Angelegenheit, der Rechte und Pflichten begründen kann.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Auftrag (Wort 1532) ist im römischen
Recht die als (lat. [N.]) →mandatum bezeichnete Übernahme der
unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Mandanten
durch einen Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zum
Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der
Möglichkeit unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstpersönlicher
Konsensualkontrakt). Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere
Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats
wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als
Rechtsmacht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB
1863, § 662 BGB 1896).
Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell,
DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969;
Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag,
Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische Entwicklung und
Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Principles of
European Law Mandate Contracts, prepared by Loos, M., 2013
Aufwendung (Wort 1542) ist der Einsatz von Mitteln zur Erlangung eines Wertes.
Lit.:; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aufwertung ist
die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder
zu anderen Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer
Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist,
entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A.
bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts vom 28. 11.
1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924 auf Grund der Inflation,
Aufwertungsgesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Mügel, O., Die Entwicklung
der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer, M.,
Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichsgerichts
in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der
reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem
Gesetz unterworfen?, 2005
Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem oder
Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. →Schriftlichkeit
Auge ist das dem Sehen dienende Sinnesorgan von
Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden Gerechtigkeit
verwendet werden kann.
Lit.:
Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W., Augenvotive, 1979;
Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980; Geissmar, C., Das Auge
Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004
Augenschein ist
die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits
dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im mittelalterlichen
deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd.
blickender schin, lat. evidentia ocularis). Seit dem 17. Jh. wird der A.
wissenschaftlich erörtert.
Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des
Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1879; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im
mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)
Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst im 19.
Jh. geschaffenes Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sachmangelhaftung
im deutschen Recht dient.
Lit.: Vgl.
Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R.,
1996, 2002, 38f.
Augsburg geht auf den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach
gegründeten Vorort Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um
121 n. Chr. [lat. N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5.
Jh.) trotz Zerstörung durch Germanen (5. Jh. Alemannen) Sitz eines seit dem 7.
Jh. bzw. 738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs
I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab.
1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die
Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276
zeichnet die Stadt ein eigenes, vom König bestätigtes Stadtrecht in
mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine
mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und
sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein
Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters
zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der
Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem
europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es am
26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg an Bayern fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von
Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v.
Meyer, C., 1874ff.; Berner, E., Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg,
1876; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A.,
Gerichtsverfassung und Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit,
Archiv für die Geschichte des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H.,
Geschichte der Stadt Augsburg, 1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E.,
Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien Reichsstadt Augsburg, 1958;
Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W.,
Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder, D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte
der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2. A. 1985; Fassl, P., Konfession,
Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine Stadt in Krieg und Frieden, 1989;
Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in den bayerischen Staat, 1993; Hecker,
H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg, ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger
Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H. u. a., 1997; Künast, H., Getruckt
zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer,
R., Die Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck, B.,
Geschichte Augsburgs, 2005
Augsburger Konfession
(Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg
verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche
mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im Gegensatz zum Helvetischen Bekenntnis).
Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z.
f. systemat. Theologie 15 (1938), 419
Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen römischen Reiches vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I.
(für Karl V.) und den deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach
dem Stand vom 2. 8. 1552 geschlossene Friede, der die freie Religionsausübung
für Katholiken und Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen
(nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] →cuius
regio, eius religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben
auf, verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] →reservatum [N.]
ecclesiasticum). Das Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die
Religionsfreiheit vor. Der lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige
A. R. kann weder die geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft
sichern, bildet aber die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis
1806.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der
Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger
Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3.
A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht
1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A.
2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M.,
Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M.,
Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391; Der Augsburger Religionsfriede, hg. v.
Schilling, H. u. a., 2007
Augsburger Vertrag
(Augsburger Transaktion) →Niederlande
Augustiner ist
der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430)
lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten
(Orden zwischen 1244 und 1256), während Augustinerchorherren (11. Jh.),
Prämonstratenser und Dominikaner nur auch nach der Regel Augustins leben.
Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gutiérrez, D. u. a., Geschichte
des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995; Mönchtum,
Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003
Augustinus (354-430)
Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004; Augustin Handbuch, hg.
v. Drecoll, V., 2007; Chadwick, H., Augustine of Hippo, 2009; Drecoll, V. u.
a., Augustin und der Manichäismus, 2011
Augustus (Rom
23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars,
44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption
Gaius Iulius Caesar, Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener, der
vom Beginn seines Aufstiegs lernen musste, zu lügen und zu betrügen, wo immer
es ihm nützlich erschien) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr.
Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil des
römischen Reiches. Äußerlich stellt er die republikanischen Zustände wieder
her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den zentrierenden
und dadurch stabilisierenden Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird am
Ende auf Grund weitreichender Zustimmung als (lat.) pax (F.) Augusta
(augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote
und Verbote.
Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 3. A. 1999, 4. A. 2009;
Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998;
Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen
Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann, K.,
Augustus, 2007, 2. A. 2012; Augustus, Schriften, Reden und Aussprüche, hg. v.
Bringmann, K. u. a., 2008; Dahlheim, W., Augustus, 2010; Cooley, A., Res Gestae
Divi Augusti, 2009
Auktion ist
die schon der Antike bekannte, dort rechtlich nicht besonders beachtete
Veräußerung einer (beweglichen) Sache an den Meistbietenden durch öffentlichen
Aufruf. Sie erhält sich in der Form der Vergabe von Steuern, Ämtern und
Nutzungen an den Meistbietenden in den romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt
die A. gepfändeter Güter eines nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein.
Daneben findet sich seit dem 14. Jh. die A. von Waren durch Großhändler, seit
der Mitte des 17. Jh.s die A. fremdländischer Waren durch Kolonialgesellschaften.
Wegen der damit möglichen Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit
Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jh. wieder aufgegeben werden. Wegen der
damit wieder möglichen Missstände greift der Gesetzeber seit 1883 wieder ein
(in Deutschland u. a. 1960 § 34b GewO).
Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900;
Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die
römische Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992;
Schneider, A., Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion,
2001
Aurich
Lit.: Conring, W., Die Stadt- und
Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur.
Göttingen 1965
Ausbildung
Lit.: Elementarbildung und
Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005
Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung
durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des
Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der Chancengleichheit im
Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971 Honnefer Modell, 1971ff.
Bundesausbildungsförderungsgesetz).
Lit.: Köbler, DRG 261
Ausbluten(lassen)
Lit.: Rau, K., Augsburger
Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003
Ausbürger ist
der außerhalb der →Stadt lebende →Bürger.
Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger,
1973
Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers in
der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft des Deutschen Reiches. Ab 1963
werden in der Bundesrepublik Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter
Verbrechen durchgeführt. Dabei werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt,
3 freigesprochen.
Lit.: Langbein, H., Der
Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T., Auschwitz vor Gericht, 1995;
Meyer, A., Das Wissen um Auschwitz, 2010; Klee, E., Auschwitz, 2013, Pilecki, W., Freiwillig nach
Auschwitz, 2013; Pendas, D., Der Auschwitz-Prozess, 2013
Ausdärmen ist das gelegentlich angedrohte, kaum
tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch Herausziehen des Darmes aus
dem Körper als Strafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, 1920ff.; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte,
1942
Ausgleich ist
die 1867 unter maßgeblicher Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10.
1803-Budapest 28. 1. 1876) für die Selbständigkeitsbestrebungen →Ungarns
innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung
(ungarischer Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz vom
21. 12. 1867, RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der
österreichischen Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung,
Umwandlung des Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische
Monarchie). Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit
und Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der →Pragmatischen
Sanktion (1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen
Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das
Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen
Ministerium gemeinsam sein sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und
dualistische Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k.,
kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das
daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu →Österreich wird teils
als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird
Ungarn souverän.
Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der
österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K.,
Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001
Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei Wehrpflicht
Lit.: Schulze, W., Landesdefension
und Staatsbildung, 1973
ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen, dass
ein Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zur Sprache gebracht
wird
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer
Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation an
das Reichskammergericht, 1976
Ausländer ist
der aus einem anderen Land kommende und deswegen einem anderen Land angehörige →Fremde.
Der A. erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A.
(18. 4. 1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen
Gemeinschaften).
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G.,
Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in
Deutschland, 2001
Auslegung ist
die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehalts eines Umstandes, insbesondere
einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der römischen Jurisprudenz, die
das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen.
Justininian verbietet 529/530/533 die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12,
Deo auctore 12, Const. Tanta 21). Nach der vorkritischen Hermeneutik der
Aufklärung und des Vernunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen
die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen
ist. Zulässig ist vor allem die erklärende Auslegung, während ausdehnende und
einschränkende A. ausgeschlossen sein können (z. B. Forster, V., Interpres,
1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor allem seit dem 18. Jh. erscheinen vermehrt
Verbote der A. (Stadtrechtsreformation Nürnberg 1479/1484, Landrechtsreformation
Bayern 1518, Papst Pius IV. Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667,
Preußen 1746, 1794, ähnlich Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter
Teil, Frankreich Gesetze von 1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist
Missverstehen die Regel, so dass auch scheinbar klare und eindeutige
Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen methodologischen Darlegungen
unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier Arten von A. (grammatisch,
historisch, systematisch und teleologisch).
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden
Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der
Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz,
1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A: 2012;
Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H.,
Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über
juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C.,
Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts
und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé
législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf
dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R.,
Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen
Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische
Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85; Kosche, K.,
Contra proferentem und das Transparenzgebot im Common Law und Civil Law, 2011;
Interpretation of Law in the Age of Enlightenment, hg. v. Morigiwa, Y. u. a.
2011
Auslieferung ist die Beförderung von Sachen oder
Menschen von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an andere,
meist gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von Tieren
oder Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des Berechtigten
oder Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor allem die A.
eines Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks Strafverfolgung
oder Strafvollzug bedeutsam.
Lit,: His, R., Das Strafrecht im
deutschen Mittelalter, 1920; Stüdemann, A., Die Entwicklung der zwischenstaatlichen
Rechtshilfe in Strafsachen im nationalsozialistischen Deutschland, 2009
Auslobung (Wort 1767) ist
das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jh.) einseitige
Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh.
so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an
unbestimmte Personen angesehen.
Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung,
Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ausmärker ist
der außerhalb einer →Mark Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark
berechtigt ist. Seit dem Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte
ohne Zustimmung der anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die
Allmendberechtigung verkehrsfähig.
Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf,
1957ff.
Ausnahmegericht ist das besonders gebildete und zur
Entscheidung besonderer Fälle bestimmte Gericht. Es findet sich beispielsweise
als Star Chamber oder Court of High Commission in England, als Justizkommission
im Absolutismus in Frankreich oder als Zentraluntersuchungskommission im
Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill of Rights 1689) wird das A. in den
Verfassungen verboten (Frankreich 1791, Deutsches Reich 1849).
Lit.: Pollard, A., Council, Star
Chamber and Privy Council under the Tudors, EHR 37 (1922), 516; Menzel, W.,
Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche und
Machtsprüche der preußischen Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux, C.,
Les Commissions Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003
Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte
Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in der grundsätzlich
die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem Verständnis bedarf
auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über
den Belagerungszustand vom 4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung vom
28. 2. 1933 Deutsches Reich, Art. 87a, 91, 115aff. GG). Im Zweifel entscheidet der souveräne Staat über das
anzuwendende Mittel.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343;
Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und
Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg,
1997; Ausnahmezustand - Carl Schmitts Lehre von der kommissarischen Diktatur,
hg. v. Voigt, R., 2013
Ausschlagung (Wort 1445) ist die bereits dem
römischen Recht bekannte Willenserklärung des vorläufigen Erben, die
Erbschaft nicht anzunehmen (lat. repudiare).
Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ausschuss ist allgemein das aus einer Gesamtheit
Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zur einfacheren
Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).
Lit.: Schmitt, C.,
Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im Anstaltsstaat, 1997
Außenerbe (lat.
heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der bei Fehlen von Hauserben
(lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger
Hausfremder), der die Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen
muss.
Lit.: Kaser § 65
Außenminister - > Minister
Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt
in wilhelminischer Zeit, 2001; Die Außenpolitik der deutschen Länder im
Kaiserreich, hg. v. Auswärtigen Amt, 2012
Außerstreitverfahren →freiwillige Gerichtsbarkeit
Aussetzung ist
die bewusste Verbringung eines Menschen in eine Lage, in der ihr eine besondere
Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A.
einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem Recht und nach einzelnen
frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines neugeborenen Kindes
anscheinend erlaubt, doch lehnt die christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als
Strafe gegeben hat, ist streitig. Im Übrigen ist A. eine Straftat.
Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die germanischen
Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht des frühen
Mittelalters, 1993
Aussperrung ist
die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohnzahlung
planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer Gruppe von Arbeitnehmern zur
Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist
nicht unbestritten.
Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H.,
1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss.
phil. Bochum 1972
Ausstattung ist
die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die
Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung erfolgende
Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im Wesentlichen als →Abschichtung
bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch
auf A. gewähren das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.)
und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).
Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und
ihren Kindern, 2000
Ausstäupen ist
das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl
[Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem
Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung
erreicht bis 1848 die Beseitigung des Ausstäupens.
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Aussteller (Wort 1719)
Lit.: Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aussteuer ist
die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung eines
Haushalts gehörenden Gegenstände (an eine Tochter durch die Eltern oder
näheren Verwandten), die auch als Heimsteuer, Brautschatz und Mitgift
bezeichnet werden kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise rechtlich notwendig (z.
B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht II 2 §§ 231ff. ALR). In
der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung einer Ausbildung
verdrängt.
Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern,
1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000
Austin,
John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London, ist als Begründer der
englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer
der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence,
1832).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Austin
JohnTheprovinceofjurisprudencedetermined1832.pdf, Austin, John, The
Province of Jurisprudence determined, 1832, Löwenhaupt, W., Politischer
Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin,
1982
Austrägalinstanz (Austrägal latinisiert aus
Austrag) ist seit dem 13./14. Jh. ein
zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichskammergerichtsordnung von
1495 für Gefürstete, seit 1521 auch für den übrigen reichsunmittelbaren Adel
anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die
Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das →Reichskammergericht
zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der Deutschen Bundesakte bzw.
Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A. für die Entscheidung von
Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen der Bundesglieder. Für
die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A. ist die Bundesversammlung
zuständig. Vergleichbare Einrichtungen im Deutschen Reich (1871-1918) und in
Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das
Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die
Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrägalgerichtsbarkeit
im Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N.,
Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammergerichtsordnung
von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005
Australien ist der im Südosten Asiens (südlic Indonesiens) gelegene, vor etwa 50000 Jahren besiedelte,
vermutlich bereits im 16. Jh. auch von Europäern entdeckte, in der Gegenwart
von 22 Millionen Menschen bewohnteKontinent.
Lit.: Voigt, J., Geschichte Australiens, 1988; Hughes, R.,
Australien, 1992; Babeck, W., Einführung in das australische Recht, 2011; Voigt,
J., Geschichte Australiens und Ozeaniens, 2011; Gleeson, J. u. a., Historical
Foundations of Australian Law, Bd. 1f. 2013
Austrasien ist
zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des fränkischen Reichs.
Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990
Austria ist
die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu →Austrien erscheinende
Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z.
B. 996 →ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich →Österreich
entwickelt).
Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum
Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Krasa-Florian, S., Die Allegorie der Austria,
2007
Austrien ist
vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960;
Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990
Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem Österreichs zwischen
1933/1934 und 1938.
Auswanderung ist
das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der →Augsburger
Religionsfriede die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des
Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der A. aus
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Überlegungen ein. Nach dem Vorbild
Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes 1815
die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848 die A. überhaupt zu (§ 136
der gescheiterten Reichsverfassung), wobei zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen
Deutsche vor allem nach Amerika auswandern (1897 gesetzliche Regelung).
Teilweise wird bei A. eine →Steuer verlangt (u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer,
1953 aufgehoben).
Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma,
1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum
Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953,
1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die
deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der europäischen
Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003
Ausweis
s. Pass
Ausweisung ist die Anordnung zum Verlassen eines Gebiets
(Landes, Stadt). Wegen ihrer geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung
verbreitet sich die A. seit dem späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung
wird die A. von Straftätern seit dem 17. Jh. zugunsten des Zuchthauses zurückgedrängt.
Lit.: Grenzen und
Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996; Schnabel-Schüle, H., Überwachen
und Strafen im Territorialstaat, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht,
2000; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000
Authenticae (lat.
[F.Pl.]) sind die vielleicht von oder seit →Irnernius wahrscheinlich
unter Verwendung der Epitome Juliani geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten
neun Büchern des →Codex →Justinians eingefügten (362 bzw. 212)
Auszüge aus der →Authenticum genannten Sammlung der →Novellen sowie
(seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw.
28. 1) und Habita (nach C 4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch
Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen
(Navigia, Omnes peregrini, Agricultores u. s. w.) Friedrichs II. (Ad decus), die bis
zu →Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden. Eine
Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der Friede von
Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter die (lat.
[M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert werden die A.
zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst am Beginn der Neuzeit werden alle
Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung
des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H.,
Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Authenticum (lat.
[N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das
Lateinische übersetzte Stücke umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes
geteilte Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem
oströmischen Kaiser →Justinian ergangenen (168 griechisch gehaltenen) →Novellen,
die der Zeit als authentische Fassung gilt. →Authenticae
Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen
Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997
Autobahn ist die nur
für den Automobilverkehr zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute
Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen
und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942)
entscheidet sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen mittels gewagter
Kreditaufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) zwischen 1933 und
1945 rund 3860 Kilometer errichtet werden.
Lit.:
Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278
(2004), 625; Reitsam, C., Reichsautobahn-Landschaften, 2009
Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes Schriftstück
(kein Werk der antiken Literatur als A. erhalten)
Lit.: Hoffmann, H.,
Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1
Automat ist
die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig
ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem
Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für
Rechtsfolgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche
Verhalten abgestellt.
Autonomie ist
das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer
anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der Entstehung des
staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung. A. haben
beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften,
Sozialversicherungsträger, Vereine u. s.
w.
Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie
im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie
im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der
Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der
Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002
Autor →Urheber
Auvergne ist
die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in
Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.]
Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen.
Ein Teil fällt 1527/1531 an den König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat
Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.) forensis
(Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender
auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne wirksam.
Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse
1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974
Averani,
Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen Rechtes in Pisa,
übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) →mos (M.) Gallicus in
die Rechtswissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für die
Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo u. s. w., 1713).
Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff., 4,
658f.
Avignon in Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz des von Frankreich gefangen
gehaltenen Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines Gegenpapsts.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 149
Aware,
Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien nach Westen vorstoßenden,
um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der Überlieferung verschwindenden
Steppenvolks.
Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002
Aymar du Rivail
(Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und
Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?)
1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit Druckerprivileg vom 8. 8.
1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri (M.Pl.) de historia iuris
civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19 unnumerierten Blättern, welche
die erste umfassende Rechtsgeschichte (des römischen und kirchlichen Rechtes)
darstellen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Aymar
duRivailLibridehistoriaiuriscivilisetpontificii1515.pdf , Aymar du Rivail,
Libri de historia iuris civilis et pontificii, 1515, Moeller, E. v., Aymar du
Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in)
Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220
Aytta,
Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden 1507-Brüssel 1577) wird nach dem
Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler →Alciats in Bourges und 1532
Professor des römischen Rechtes in Padua, 1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet
in seinen Veröffentlichungen auch byzantinische Rechtsquellen.
Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en
diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988
Azo (Bologna
1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach dem Studium in Bologna (u. a.
Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine
bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung von (weitgehend
ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung
(die glossa ordinaria verweist auf ihn 3600mal) sowie in (lat.) Summae (F.Pl.)
Codicis (1208-1210), Lectura (F.) Codicis (durch Vorlesungsnachschrift erhalten),
Summae (F. Pl.) Institutionum und Summae Digestorum (str.) (daneben Quästionen,
Distinktionen, Brocardica, Consilia und Definitionen). Insbesondere im 16. Jh.
erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des →Accursius,
Jacobus Balduini, (Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone,
(Goffredus de Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a.
verwendet von Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), vom Klagspiegel ([Conrad
Heyden] um 1436) und wohl auch vom (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris
(Wörterbuch beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).
Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni
civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997, 255
B
Baar ist
die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s bezeugte, bisher nicht sicher erklärte
Bezeichnung des Gebiets an der obersten Donau bei Donaueschingen (z. B. Adalhartespara).
Nach den Herzögen von Zähringen erscheint 1264 Konrad von Wartenberg als Landgraf
in der B., 1304 eine Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg zukommt.
Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen
Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940;
Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305;
Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die
Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse,
H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27
Babelsberger Konferenz
ist die in Babelsberg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz, in der Walter
Ulbricht von der Rechtswissenschaft der →Deutschen Demokratischen
Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durchdringung sowie eine
bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus fordert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Implementationsmechanismen
der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern,
Sonderheft Oktober 1991, 175; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J.,
1993; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997
Babenberger ist
der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg
(Bamberg) benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945 letztmalig
bezeugten Adelsgeschlechts (Popponen, Adalbert von Bamberg bei Haßfeld am 9. 9.
906 enthauptet). Als erster, wohl mit ihnen (oder nach Scheibelreither
vielleicht mit den Liutpoldingern) verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein
Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156 erreichen die B. (Leopold I.
976-994, Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055, Ernst 1055-1075, Leopold II.
1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV. 1136-1141, Heinrich II.
Jasomirgott 1141-1177) im sog. (lat. [N.]) privilegium minus als Ausgleich für
die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den
Babenbergern übertragenen Herzogtums →Bayern die Erhebung ihrer Mark zum
selbständigen, von Bayern gelösten Herzogtum →Österreich des deutschen
Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich I. 1195-1198, Leopold VI.
1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an Baden (1248-1251) und dann
an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts
verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem →Interregnum (1282)
innerfamiliär an die →Habsburger. Die Benennung als B. wird erst im 15.
Jh. allgemein üblich.
Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des
Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K.,
Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht
der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der
Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus,
1973, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 1976, 4. A. 1985, 6. A. 1996; Tausend
Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004;
Dienst, H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der Heilige,
2009; Scheibelreiter, G., Die Babenberger, 2010; Hanko, H., Herzog Heinrich II.
Jasomirgott, 2012
Babylon
Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004
Baccalaureus (9.
Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste
akademische Grad (vgl. angloam. bachelor).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the
13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 63
Bacharach
Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der
Viertäler, 1956
Bachofen,
Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn,
wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin
(Savigny) und Göttingen 1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und
1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechtsethnologischer Grundlage
entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das
Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er
hierfür kein Verständnis.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bach-ofenJohannJakobDasMutterrecht1861.pdf
Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende
Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob Bachofen und das
Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker,
ZRG GA 105 (1988), 17
Bacon,
Francis (London 22. 1. 1561-Highgate bei London 9. 4. 1626), Sohn des englischen
Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der Berufsausbildung
in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613 Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer
und 1618 Lordkanzler. Wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621
alle öffentlichen Ämter. Als Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und
Wissenschaftlichkeit. Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die
Forderung, dass die Wissenschaft nur aus einzelnen Erfahrungen allgemeine
Folgerungen ziehen dürfe (→Empirismus, →Locke).
Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei
Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn, W., Francis
Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis Bacon,
1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005
Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in 88 Artikeln gegliederte
Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt am Main, das zwischen
1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber verfasst worden sein könnte.
Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in
Frankfurt am Main, 1939, 15
Bad
Lit.: Gail, W., Die
Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940
Baden im
Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich
seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von →Zähringen
abstammende Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung
unter Napoleon am Beginn des 19. Jh.s (1806) bis zur Abdankung am 22. 11. 1918
gehalten werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201,
156; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im
neunzehnten Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f.
1906ff.; Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31
(1910), 182; Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter
Markgraf Karl Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der
badischen Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818,
1913; Windelband, W., Die Verwaltung der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl
Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische Geschichte, 1921; Strobel, E.,
Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935;
Hofmann, K., Die germanische Besiedelung Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit
am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1937; Badisches
Wörterbuch, bearb. v. Ochs, E. u. a., Bd. 1ff. 1940 ff.(2011 bis Lieferung
82/83, Abschluss in 5 Bänden geplant für 2015); Baden im 19. und 20.
Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in
seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger
Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum großherzoglichen
Verfassungsstaat Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436;
Haebler, R., Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische
Münz- und Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den
badischen Markgrafschaften, 1961; Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963;
Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967; Gut, J., Die Landschaft auf den
Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970; Blickle, P., Landschaften
im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit im
Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter, Landkreise in
Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das älteste
Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg, 1976;
Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg,
1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die
Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden zwischen Revolution
und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Pforzheim in der frühen
Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code civil in Baden, 1993;
Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, 1993; Die badische Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a.,
1996; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H.
u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches,
1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v.
Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003;
Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200
Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach,
W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005;
Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des
Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der
Regierung von Baden, Bd. 1 bearb. v. Hochstuhl, K., 2006; Kohnle, A.,
Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine
Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen
Kulturgütern, 2008; Becht, H., Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870, 2009;
Maciejewski, J., Amtsmannvertreibungen in Baden im März und April 1848, 2010;
Leschhorn, K., Die Städte der Markgrafen von Baden, 2010; Engehausen, F.,
Kleine Geschichte der Revolution 1848/49 in Baden, 2010; Borgstedt, A.,
Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik
und totalitärer Diktatur, 2012; Weinacht, P., Politische Kultur am Oberrhein,
2012
Baden-Württemberg ist das 1951/1952 (25. April 1952) aus Württemberg-Baden
(Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern
(Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch,
Baden-Württemberg 1959; Landesgeschichtliche Vereinigungen in
Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch
Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg.
v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff.
1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm,
B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte
der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008
Bader, Karl Siegfried (Waldau/Schwarzwald 27. 8. 1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater
Hauptlehrer) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Wien, Heidelberg und
Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und Staatsanwaltschaft in Freiburg im
Breisgau tätig, aber zum 1. 10. 1933 trotz Beitritts zur NSDAP wegen nicht
vollarischer Abstammung seiner in Wien kennengelernten Ehefrau (Grete Weiss)
entlassen und deswegen Rechtsanwalt und Leiter des fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen.
1945 wird er Generalstaatsanwalt und außerordentlicher Professor für
Rechtsgeschichte und Kirchenrecht in Freiburg in Breisgau, 1951 ordentlicher
Professor in Mainz und 1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975
emeritiert). Sein bekanntestes Werk seiner rund 1200 Veröffentlichungen sind
dreibändige Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes
(1957-1973).
Lit.: Zwei Jahrzehnte
Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975; Bader, K., Ausgewählte
Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG GA 119 (2002), 1
Badisches Landrecht von
1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals
gedruckte, bis Ende 1809 bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die
Markgrafschaft Baden-Baden (Landesordnung), das in seinen drei ersten Teilen
(Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf dem württembergischen
Landrecht von 1567 beruht, im vierten Teil das Intestaterbrecht selbständig
behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das Kurpfälzer
Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen Konstitutionen (1572)
zurückgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine
Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86
Badisches Landrecht
von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete, für 1619 geplante, 1622 (und 1710,
1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für ganz Baden (Baden-Baden und
Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771 dauernden) Landesteilung nur
in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige Landrecht, das auf der Grundlage
älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen Landrechts und des
württembergischen Landrechts in sieben Teilen (Untergerichtsordnung,
Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehegerichtsordnung, Verträge, Testamente, Intestaterbrecht,
Strafrecht und Strafprozessrecht) fast das gesamte Recht ordnet (ausgenommen
das Verwaltungsrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20
Badisches Landrecht
von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das Großherzogtum Baden
eingeführte, durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer unter Ausschluss von
Fremdwörtern wortnah in die deutsche Sprache übersetzte Code Napoléon (→Code
civil, 2281 Artikel) Frankreichs mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen
Geltung (revidierte Fassungen von 1846, 1874 und 1899) durch die Inkraftsetzung
des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs am 1. 1. 1900 endet.
Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code Napoléon,
1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale
Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon
in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches
Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodeNapoleonBaden1809.pdf;
Schroeder, K., Hier ist eine baldige aber Radicale Kur nothwendig, NJW 2010,
731; Rabaa, A., Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810,
2011; 200 Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer,
C./Schroeder, K., 2011; Sturm, F., 200 Jahre Badisches Landrecht, 2011
Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180
geborener, wohl in Piacenza anässiger Jurist.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297
Bähr, Otto
(Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895), Sohn eines Regimentsarzts, wird nach dem
Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und Heidelberg Richter in Kassel (1849), (1851
strafverstzt in) Fulda, Kassel und (nach der Annexion Hessen-Kassels durch
Preußen) 1866) Berlin (1879-1881 Reichsgericht, Aufgabe des Amtes wegen
Nervenleidens). Als nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die
gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat,
1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt
er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuldvertrag.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Baehr
OttoDerRechtsstaat1864.pdf , Bähr, Otto, Der Rechtsstaat, 1864, Weber, D., Die
Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983
Bahrprobe ist
das wohl erst seit dem 12./13. Jh. in literarischen Texten (Nibelungenlied)
bezeugte, zunächst außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising
von 1328 (Art. 278) auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren,
bei dem bei Fehlen anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Beschuldigter
an die Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder
auch darf. Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die
Täterschaft des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.]
vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines
Bruders ruft zu mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der
Aufklärung verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter
gebrauchte B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.
Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F., Das
alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H., Die
Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde
6 (1960), 85
Balduinus →Baudoin
Baldus de Ubaldis
(Perugia 2. 10. 1327-Pavia 28. 4. 1400), Sohn eines adligen Professors der
Medizin, wird nach dem Studium in Perugia (Bartolus) Professor des römischen
Rechtes in Perugia (1347-1357), Pisa (1357/1358), Florenz (1358-1364), Perugia
(1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf
Grund der vollständigen Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm
die selbständige Weiterbildung vieler Einzelheiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht,
internationales Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht,
Privatrecht) in rund 2800 (d. h. fast 70 je Jahr) Gutachten (lat. [N.Pl.]
consilia) und verschiedenen (lückenhaften) Kommentaren (lectura Codicis,
Kommentar zum digestum vetus, lectura trium librorum Codicis, lectura super
usibus feudorum, Kommentar zu acta pacis Constantiae, Kommentar zum liber
extra) und Traktaten.
Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960;
Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des
Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C., Ricerche sulla
lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 749
Balkan (Berg
in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung
für die südosteuropäische Halbinsel, auf der das römische Recht nach dem Ende
der Antike in Form des byzantinisch-römischen Rechtes fortwirkt, seit dem 14. Jh.
aber durch den Nomokanon des Pseudo-Phótios vom Ende des 9. Jh.s, das Syntagma
tón theión kai hierón nomón des Mönches Matthaios Blastarés (1335) und den
Hexabiblos des Konstantinos Harmenpoulos (1345) bereichert wird.. →Griechenland,
Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E.,
Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997;
Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan,
M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der
Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A
History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des
Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the
Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande Europas?,
hg. v. Chiari, B. u. a., 2009
Ballei (zu
mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Bezeichnung
für die Provinz des →Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlands) mit
dem Landkomtur (als Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht,
Alten-Biesen, Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz,
Elsass-Schwaben-Burgund, Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge,
Lamparten, Apulien, Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte
des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die Entstehung der
Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer, K., Von Akkon
zur Marienburg, 1999
Ballivus (zu
lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittelalterlichen
Frankreich (um 1150) sowie später in Süditalien und als bailiff im hochmittelalterlichen
England mit meist auch niedergerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929;
Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967
Balte ist
der Angehörige eines baltisch sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen,
Kuren, Letten, Litauer).
Baltikum ist
die neuzeitliche Sammelbezeichnung (seit dem 16. Jh. sind baltische Länder
Estland, Livland mit Lettgallen im Südosten, Semgallen und Kurland, während
Litauen erst seit dem 19. Jh. zu dem B. gezählt wird) für die spätestens seit
dem ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen
Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete
am östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s
von Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von
Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der
Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen
römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen
Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das aufgezeichnete, neben
ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern bestehende Recht ist (von
Dänemark und) vom Heiligen römischen Reich beeinflusst (1315
waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst vom Dienstrecht des Hochstifts
Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer Spiegel [als
Überarbeitung des →Sachsenspiegels], [kompiliert als] wiek-öselsches
Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.], umgearbeitetes Ritterrecht
[systematisiert], Bauernrechte [mit Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht
[Reval] und hamburgisches Stadtrecht [Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht
wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und
Schweden (Estland, 1621 auch Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres)
Livland (sowie das seit 1559 dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens
Lettgallen und 1795 bei der dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei
augsburgische Konfession, deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache
zugesichert bleiben. 1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die
Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864
Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln], liv-, est- und kurländisches
Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen baltischen Privatrechts als aus
deutschen [40 Prozent livländisches, estländisches, lübisches, russisches
Recht, kurländische Statuten, baltische Bauernverordnungen, Gewohnheitsrecht]
und römischen Wurzeln [57 % römisch-rechtlichen Ursprungs] erwachsenen
gemeinen Rechtes örtlicher Prägung erhalten bleibt), 1877 die Einführung der
Städteordnung Russlands von 1870, 1889 die Einführung des russischen
Gerichtsverfassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918)
und Lettland von Russland bzw. der Sowjetunion unabhängig und selbständig, am
6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf
Grund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 gewaltsam eingegliedert und am 6. 9.
1991 wieder unabhängig. 2004 werden Estland, Lettland und Litauen Mitglieder
der Europäischen Union.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Ziegenhorn, C. v., Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772,
Neudruck 1973; Bunge, F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische
Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der
Justizreform vom Jahre 1889, 1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est-
und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen
Satzungen des waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische
Geschichte, 1954; Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechtes in den baltischen
Gebieten, 1964; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v.
Hehn, J. v. u. a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen,
1984; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des
Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die
baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der
freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg. v. Meissner,
C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after Independence, 1996;
Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v.
Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998;
Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus, Bd. 1, hg. v. Garleff, M.,
2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische und
menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004; Tuchtenhagen,
R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K., Schatzhäuser des Geistes,
2006; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982; Tuchtenhagen, R., Zentralstaat und Provinz im
frühneuzeitlichen Nordosteuropa, 2008; Baltisch-europäische
Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2009;
Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Aufklärer im
Baltikum, hg. v. Kronauer, u., 2011
Baluze,
Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium
in Toulouse als Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen
→Kapitularien (einschließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches
(Capitularia regum Francorum).
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961
Bamberg ist
der als Burg Babenberg (→Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort
am oberen Main, der 973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern
gegeben und 1007 unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird.
Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507
schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von →Schwarzenberg die
Bamberger Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis). 1735
wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803
bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur Teil
1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum B. an
Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jh. von Mainz exemte Bistum 1818/1821
Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923 besteht
eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechtswissenschaftlichem
Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer
wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler,
Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P.,
Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis,
1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg,
E. v. u. a., 1937ff.; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann,
H., Bamberger Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das
Bistum Bamberg, 2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006;
Festschrift 200 Jahre Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v.
Meisenberg, M., 2009; Missionierung und Christianisierung im Regnitz- und
Obermaingebiet, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2007; Siewert, U., Das Bamberger
Kollegiatstift St. Stephan, 2007; Staudenmaier, J., Gute Policey in Hochstift
und Stadt Bamberg, 2012
Bamberger Halsgerichtsordnung →Bamberg
Bande ist der Zusammenschluss mehrerer Menschen zur
grundsätzlich gemeinsamen Begehung von Straftaten. Bekannte geschichtliche Beispiele
sind etwa die B. Robin Hoods, des Schinderhannes oder der Roten Armee Fraktion.
Lit.:
Die Entwicklung der Strafpraxis bei Bandenkriminalität, 2010; Gerstenmayer,
C., Spitzbuben und Erzbösewichter, 2012
Bank ist
allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das Unternehmen, dessen
Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem Umfang betreibt, der
einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Nach
antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii,
mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufsmäßige, jeweils auf einer
hölzernen oder steinernen Bank tätige Geldwechsler zuerst in Italien
(Lombarden), wobei wegen der Nähe von Geldwechsel und Darlehen auf Grund des
kanonischen Zinsverbots Juden geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15.
Jh. entstehen halböffentliche Banken und danach öffentliche Banken (Barcelona
1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Nürnberg 1621, Bank of England
1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung industrieller
Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank).
Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (zu etwa der Hälfte von jüdischen
Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln,
M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zur Gefahrenverringerung entwickelten
Aktienbanken allmählich zurückgedrängt, zwischen 1933 und 1945 auch
geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die
Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen, deren Recht zunehmend
europäisiert wird. Im Herbst 2008 entsteht auf Grund ungesicherter Darlehensvergabe
weltweit eine Bankenkrise.
Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen
Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge
öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K.,
Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten
der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von
1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche
Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v.
Grill, W. u. a., 11. A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and
Banking, 1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur.
Münster 1987; Kluge, A., Zur Geschichte der deutschen Bankgenossenschaften,
1991; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Europäische Bankgeschichte,
hg. v. Pohl, H., 1997; Banking, Trade and Industry, hg. v. Teichova, A., 1997;
Fuchs, R., Die Wiener Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld
und Banken, 2000; A History of European Banking, hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000;
James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die
Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die
Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder,
2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003;
James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die
Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von
1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006; Deutsche Bankiers des
20. Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008; Scholtysek, J., Die Geschichte der
National-Bank, 2011; Rosenberg, H. u. a., Die deutschen Banknoten ab 1871, 18.
A. 2011, 19. A: 2014; Denzel, M., Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute
und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827), 2012; Backhaus, F., Mayer Amschel
Rothscild, 2012; Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, hg. v.
Lindenlaub, D., 2013
Bankert (mhd.
Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeichnung für
das seit dem 8. Jh. von der Kirche abgelehnte →nichteheliche Kind.
Bankrott ist das vollständige Scheitern des
Unternehmers, das im Spätmittelalter bei den Bankinhabern zum Zerstören ihrer
Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die Bezeichnung
über das Niederländische und das Französische im 16. Jh. in das
Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem
späteren 16. Jh. das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist
Straftatbestand.
Lit.: Meier, A., Die Geschichte
des deutschen Konkursrechts, 2003
Bann ist
die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote unter Anordnung
gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen (lat. bannus
Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In diesem Sinn kann bereits
der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum Heiden erklären (vgl. Matthäus
18,15-17). Dementsprechend schließt das Christentum (Elvira 306) Sünder in
bestimmten Fällen aus der kirchlichen Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio
Ausschluss aus der Gemeinschaft im 4./5. Jh. gebildet) aus (nicht auch aus der
Kirche insgesamt). In Fällen geringerer Sünde werden nur der Empfang der
Sakramente und das kirchliche Amt abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der
Papst lösen. Im weltlichen Bereich kennt das fränkische Recht den B. des Königs
oder Grafen. Wer dagegen verstößt, muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem
Hochmittelalter gehen die Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und
werden dann durch das Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates
ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem Einfluss der Aufklärung im 18. Jh.
vielfach verboten, im 19. Jh. aber häufig wieder eingeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W.,
Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der
Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v.,
Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die
Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im
bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des
Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U.,
Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche, 1958;
Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H., Studien zu
Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excommunication in the
Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis medii
aevi 64 (2006), 57
Banner ist
die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne
(Heerfahne, Gerichtsfahne). Seit dem 11. Jh. werden Fahnen mit einem Fahnenwagen
in die Schlacht gefahren. Seit Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152)
führt der König ein B. mit schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz -
Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999
bannitio (lat.
[F.]) öffentliche Ladung
Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines Bannes
durch den König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. Im Sachsenspiegel
ist die B. eine grundlegende Erscheinung der Gerichtsbarkeit, doch verliert
die königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Landesherren
ihre Bedeutung.
Lit.: Scheyhing, R., Eide,
Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994
Bannmeile ist
die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines →Bannes
oder einer Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere
Burgen, Städte (z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder
Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines
Staatsorgans den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten
werden dürfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmunität
seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964
Bannwald ist der durch Bann des Königs oder sonstigen
Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jh. lat. [F.] silva regis,
forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).
Lit.: Mantel, K., Wald und Forst
in der Geschichte, 1990; Dasler, C., Forst und Wildbann, 2001
barbarus (lat.
[M.]) plappernder (Nichtrömer)
Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den
spätrömischen Gesetzen, 1992
Barbeyrac,
Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717
für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates
Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch französische
Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.
Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des
Naturrechts in Europa, 1970
Bargilde →Biergelde
Barock
Lit.: Methoden und Probleme der
Alltagsforschung im Zeitalter des Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992
Baron ist
die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann
abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).
Barrister ist
der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des englischen Rechtes.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Baker, J., The
Common Law Tradition, 2000
Barschalk ist
eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern (8./9.
Jh., auch 13. Jh.).
Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer,
T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143
Bartholomäus de Capua ist ein in Capua am 12. 8.
1248 als Sohn eines Juristen geborener, in Neapel ausgebildeter und 1278
promovierter, 1328 verstorbener neapolitanischer Jurist (Glossen, Quästionen,
Reden).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 499
Bartholomäusnacht ist die Nacht zum 24. August
(1572), in der nach der Hochzeit (Bluthochzeit) des Protestanten Heinrich von
Navarra mit Margareta von Valois in Paris und Umgebung mehr als 3000 Menschen
(meistens Hugenotten) getötet werden.
Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura bei
Sassoferrato/Saxoferrato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357)
lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?,
1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333
(baccalaureus) am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.)
doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi,
Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches
Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200
ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex
Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28
gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer,
aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise.
Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage
des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista,
nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein
wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.
Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera
omnia, Drucke seit 1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913.
Neudruck 2012; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo
de Sassoferrato, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989,
559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of
Signs, 1994; Lepsius, S., Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 682
Basel am Rhein
(Basilia 374 n. Chr.) wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (keltische
Rauriker 1. Jh. v. Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an
die Alemannen (6./7. Jh.) vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs (zunächst
von Augst und B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des
Bischofs zu den freien Städten im Heiligen römischen Reich und erwirbt Gebiete zum Jura hin. 1431-1437
ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald
verbaselete) Universität (mit rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d.
h. jährlich etwa 9). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter Ort der
Eidgenossenschaft der →Schweiz an und löst sich 1648 förmlich vom
Heiligen römischen Reich. Die Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft
hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt
sich Basel-Land von Basel-Stadt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v.
Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd.
1ff. 1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909;
Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des
450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f.
1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin
féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E.,
Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und
Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923;
Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine
historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei
Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht
des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935;
Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52
(1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd.
1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818,
1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960),
241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140;
Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der
juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R.,
Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozessrechts, 1964; Bühler,
T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870,
1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85
(1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969;
Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der
Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C.,
Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H.,
Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische
Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler
Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im
19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof
des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht
und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1;
Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen
Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink,
M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt
Basel, 2008; Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht - Zivilrechtspflege
im neuzeitlichen Basel, 2009; Kunz, R., Geschichte der Basler juristischen
Fakultät 1835-2010, hg. v. Hafner, F. u. a. 2011
Basiliken (griech.
[ta[] basilika [nomima], kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für
die (von Kaiser Basilius I. 867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser
Leon VI. (886-912) in →Byzanz die lateinischen Rechtstexte (Codex und Digesten)
Kaiser →Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter griechischer
Paraphrasen ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden
(Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Später
kommen Randbemerkungen (Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet →Harmenopoulos
die B. im →Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B. endet mit der
Einnahme Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die B. in Zusammenfassungen
und Auszügen für Griechenland bis zum Zivilgesetzbuch des Jahres 1946
bedeutsam.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum
libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.
Baske ist
der Angehörige eines vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im
10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem Königreich →Navarra. 1939
beseitigt der spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend
gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.
Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997, 2. A.
2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000
Baudoin (Balduinus),
François (Arras 1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium
in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555
in Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in
Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht
er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende
Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).
Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978
Bauer ist
der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht
der B. mit der Sesshaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht
tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche
Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa im 11. Jh.
bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der
Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan).
Möglich ist unter bestimmten Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B.
Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen
ihre Herren auf (→Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird
vielleicht die Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen die Bauern
Freiheit und Eigentum (→Bauernbefreiung) und werden den (anderen) Bürgern
grundsätzlich gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl
der Bauern wegen der günstigeren Lebensbedingungen in anderen Erwerbszweigen
sehr stark ab und verliert die Landwirtschaft überhaupt ihre wesentliche
wirtschaftliche Bedeutung an die Dienstleistung.
Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer
als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der Freibauern,
ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im Mittelalter, ZRG
GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H.,
1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für Geschichte und
Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien Bauern in Schwaben,
ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im Breisgau, 1936; Mayer,
T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern,
ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern
am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938;
Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs
von 1740, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 25 (1937), 377;
Huppertz, B., Räume und Schichten bäuerlicher Kulturformen in Deutschland,
1939; Höffner, J., Bauer und Kirche 1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg. v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das
Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F., Die landesherrlichen Urbarsbauern in
Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und Bauern im Staat des deutschen
Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N., Zur Kontinuität im bäuerlichen
Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff, K., Der freie Bergbauer
als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger, P., L’évolution des
classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem der Freiheit in der deutschen und
schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956;
Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen Herrschafts- und
Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer, Zeitschrift für
bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch,
1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W.,
Vermögensverhältnisse braunschweigischer Bauernhöfe im 17. und 18. Jahrhundert,
1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969;
Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort und Begriff, hg.
v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches Bauerntum im Mittelalter, hg. v. Franz,
G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9.
Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13.
Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984;
Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur
geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, 1989; Rösener, W.,
Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der
europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v.
Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter,
2003; Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert,
2006; Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006; Kofler, A.,
Bauernleben in Südtirol, 2010
Bauerbrief →Dorfordnung
Bauergericht ist
unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen
tagende Gericht des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen,
1962
Bauernbefreiung (F. Knapp 1887) ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden
gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18.
Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten
Bürgern mit dem Ziel der Modernisierung der Landwirtschaft nach dem Vorbild
Englands auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach
Verbesserungen des Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in
Savoyen (1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von
der Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird
1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805
50000 Domänenbauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807
verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern
persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen
Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. vor allem seit 1848
(Österreich Aufhebung der Robot, Grundentlastung) allgemein durch (z. B.
Russland 1861). Entgegen den Zielsetzungen bewirkt die B. keine allgemeine
Verbesserung der Lage der Bauern.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die
Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und
Schlesien, Bd. 1f. 1893, Neudruck 2013; Darmstädter, P., Die Befreiung der
Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die Bauernbefreiung in
Mecklenburg, 1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19.
Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung, 1957;
Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz, 1957;
Schremmer, E., Die Bauernbefreiung in Hohenlohe, 1963; Winkel, H., Die
Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und Süddeutschland, 1968;
Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg, Bd. 1f. 1977;
Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F.,
Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003; Schneider, K., Geschichte der
Bauernbefreiung, 2010
Bauernkrieg ist
der (zwischen 1300 und 1800) von den →Bauern gegen die →Grundherrn
geführte (einzelne) Krieg. Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der
Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin
Luther (Von der Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf
Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger
Stellungnahme gegen die mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege
mit Niederlagen (bei Frankenhausen, Zabern, Böblingen und Würzburg) der
Bauern (etwa 100000 Tote), ohne dass diese sich jedoch vollständig entrechten
lassen.
Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen
Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband
1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der
Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg,
1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2. A. 2002; Blickle, P., Unruhen in
der ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A. 2010, 3. A. 2012; Strunz-Happe, A.,
Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte
1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von
1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004; Bauernkrieg zwischen
Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008; Der Oberrheinische Revolutionär,
bearb. v. Lauterbach, K., 2009; Die Zwölf Artikel von 1525 und das „göttliche
Recht“ der Bauern, hg. v. Hasselhoff, G. u. a., 2012
Bauernlegen ist das im Hochmittelalter bei Orden
(z. B. Zisterziensern) und dann in England im 15. Jh. beginnende Einziehen wüst
liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch Grundherren zwecks
Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in Mecklenburg und
Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.
Lit.: Nichtweiß, J., Das
Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara, B., Die Agrarkrise in der
Uckermark, (in) Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel 1967, 221ff.
Bauernlehen ist das vereinzelt an einen Bauern
gelangte kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das
Lehensrecht nur in einzelnen Hinsichten einbezogen wird.
Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist vom
Hochmittelalter (bis zum Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch
anders bezeichnete) Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch
gerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde
Nachbarschaft, 1996
Bauerschaft ist die als Einheit verstandene
Nachbarschaft, vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen
Städten.
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften
der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J., Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32
(1911), 229; Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Bauersprache (mnd.
bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das
geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten
werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Baulast ist
im späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits aus
öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegenüber der
Bauaufsichtsbehörde übernommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder
Unterlassen eines Eigentümers. →Kirchenbaulast
Lit.: Döring, C., Die öffentliche
Baulast, 1994; Grahm, Nicole, Kommunale Kirchenbaulasten im Gebiet des
ehemaligen Großherzogtums Baden, 2012
Baurecht ist
objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die
Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der Errichtung und wesentlichen
Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung
beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz der Baufreiheit des
Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine Landrecht von 1794
in I 8 § 65). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen in
den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche einzelne
Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie werden
in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863,
Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869, Preußen 1871, Württemberg 1872,
Sachsen Baugesetz 1900, Bayern Bauordnung 1901, Preußen Wohnungsgesetz 1918,
Deutsches Reich Baugestaltungsverordnung 1936), die mit zunehmender Besiedlungsdichte
immer stärkere Beschränkungen aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit
in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz eingeengt wird (Bundesbaugesetz
1960, Baunutzungsverordnung 1962, Städtebauförderungsgesetz 1971,
Baugesetzbuch 1986, Arbeitsstättenverordnung 2004). Als B. wird in Österreich
das →Erbbaurecht bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht
nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das
Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die
Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das
Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Buff,
A., Die bestimmenden Faktoren der deutschen Bauordnungen, 1970; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P.,
Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; Bauer, C., Anspruch
und Wirklichkeit landesherrlicher Baugesetzgebung, Diss. jur. Marburg 1991; 100
Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding,
G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter,
2002; Bauen nach Vorschrift?, hg. v. Spohn, T., 2002; Kocken, E., Van bouwen,
2004; Untermann, M., Architektur im frühen Mittelalter, 2006; Sokull, J.,
Baurecht und kommunale Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn
2010 (im Druck erschienen 2012); Feldmann, E., Bauordnungen und Baupolizei,
2011
Bausparkasse ist
die genossenschaftlich organisierte →Sparkasse, die Darlehen zu
Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet
(Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building Association in Frankfort/Pennsylvania).
In Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann,
1924 Bausparkasse Wüstenrot).
Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A.
1977
Bautzen
Lit.: Eide, Statuten und Prozesse,
hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002
Bayer ist
der Angehörige des aus streitigen Grundlagen (Bojern, Alemannen, Walchen)
erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und
Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der
→Franken. Um 740 werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer
eingerichtet (Passau, Salzburg, Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht
vor 743 zeichnen die Bayern nach dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→Lex
Baiwariorum). Ihr dem bereits im 6. Jh. nachweisbaren Geschlecht der
Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen
abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als
Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger (Anfang 10. Jh.), das sächsische
(bzw. ottonische) und salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die
Welfen (1070-1138), die Babenberger (1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem
Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die →Wittelsbacher.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum
Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale
Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das
Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge
des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Wörterbuch der bairischen Mundareten in
Österreich, 1970ff. (2012 -eig); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler,
M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild des
Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Conversio Bagoariorum et Carantanorum,
hg. v. Wolfram, H., 1979, 2. A. 2012; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 1983, 3.
A. 2004; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989; Hartmann, P., Bayerns Weg in die
Gegenwart, 1989, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerkungen zur Geschichte Herzog
Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992), 353; Prinz, F., Die
Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 1997, 2. A. 1997; Fait,
B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und
Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000;
Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002;
Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze
der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L.,
Gloriosus dux, 2003; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004
Bayerisches Landrecht
von 1616 ist das von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem Land →Bayern
gegebene einheitliche →Landrecht.
Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen
Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975
Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung an Bayern als
unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über mehreren
bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende oberste
Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen Gerichtsbarkeit in
Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichskammergericht
befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisionsgericht)
Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum
Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es
aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch die
Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch
für anhängige Sachen aufgehoben.
Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes
Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509;
Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J.,
375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das
bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G.,
Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255
Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von →Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch
→Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige
Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand
möglichst genau festlegt.
Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland
geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs
Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978
Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.) →Codex
(M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753) ablösende, bis 1879 geltende
Zivilprozessgesetz →Bayerns.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ZPOBay
ern1869.pdf, Bayerische Zivilprozessordnung, 1869
Bayern ist
das von den Bayern (→Bayer) bewohnte Gebiet. Seit 1255 wird das mit dem
(lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung Österreichs als
eigenes Territorialherzogtum erkennbare, 1180 an die Wittelsbacher verlehnte,
1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte, durch die Ausbildung der
Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und Salzburg aber
geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit Pfalzgrafschaft, Niederbayern,
bis 1346). 1329 werden im Hausvertrag von Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz
(im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit
1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer dem Teil Oberbayern ein
Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland und Brandenburg
vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der Reiche, der
Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826 München), Niederbayern
eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von Bayern-München
von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird nach Schaffung des
Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die Unteilbarkeit des wiedervereinigten
Landes festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung, 1516/1520 eine
(vielleicht von Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte)
Landesordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zum Landrecht von 1335/1346),
1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch den die
Landstände weiter zurückdrängenden, aber nicht entmachtenden Herzog Maximilian
(1598-1651) ein einheitliches Landrecht geschaffen. 1623 wird B.
Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B. statt. In der Mitte des 18.
Jh.s wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr im (lat.) →Codex (M.)
iuris Bavarici criminalis (1751), im →Codex iuris Bavarici iudiciarii
(1753) und im →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756)
zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz (abgesehen von der Nebenlinie
Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus der
Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erheiratet und
zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder
zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter
Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zum 1. 1. 1806 zum Königreich aufgestiegene,
dem Rheinbund angeschlossene und zum 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern
große schwäbische und fränkische Gebiete (Würzburg, Bamberg, Augsburg,
Freising, Teile von Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bayreuth). Am 1. 5.
1808 entsteht zwecks Verhinderung einer zentralistischen Gestaltung des Rheinbundstatuts
und einer Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten Bayerns eine Verwaltung
und Gerichtsbarkeit umfassend modernisierende, von 23 Edikten und
Verordnungen ergänzte Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, am 26. 5. 1818
eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der Abgeordneten). 1871
wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das Königreich zum Freistaat, an
den 1920 Coburg angegliedert wird, der aber 1945 alle linksrheinischen Gebiete
(Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz verliert. Am 1. 12. 1946 wird innerhalb der
Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika eine neue Verfassung für B.,
das einen besonderen Verfassungsgerichtshof erhält, angenommen. 1949 wird B.
ein Teil der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Riezler, S. v. Geschichte Bayerns,
Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1964; Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte
Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der
mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das
baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas
von Bayern, hg. v. d. Kommission für bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern
Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H.,
Kurbayern in der letzten Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich,
H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243;
Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen,
1954; Fried, P., Herrschaftsgeschichte der altbayerischen Landgerichte Dachau
und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967;
Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern
und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Handbuch der
bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H.,
Studien zur Finanzreform Maximilians I. von Bayern in den Jahren 1598-1618,
1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Ostadal, H., Die Kammer der
Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl, L., Caspar von Schmid
(1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle, W., Bayern auf den
Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und Parlamentarismus in
Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in
Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H., Staatshaushalt,
Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was früher in
Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte Bayerns,
1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v.
Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische Staatsabsolutismus
1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte Bayerns, 1984;
Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von Siedlung, Recht und
Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen,
J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern
von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen
der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen
bayerischen Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime
Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Rall, H.,
Kurfürst Karl Theodor, 1993; Bayerisches Wörterbuch, hg. v. d. Bayerischen
Akademie der Wissenschgaften, Bd. 1ff. 1995ff. (rund 25000 Stichwörter, 2011
von a bis bowidl/powidl); Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a.,
1995; Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten
des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M.,
1996; Treml, M., Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000; Heydenreuter, R.,
Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on)
Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von
1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d.
historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.
1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004;
Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 2004; Kraus, A., Geschichte
Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122
(2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid,
A. u. a., 2005; Krey, H., Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer, K.,
Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern
(1598-1651), 2005; Tassilo III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Hesse, C.,
Amtsträger der Fürsten, 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern,
2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v. Wild, J. u. a., 2006;
Schwertmann, M., Gesetzgebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen
Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern, 3. A., Bd. 1f., hg. v.
Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007; Bayern –
Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007;
Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd. 2 2007 (rund 340 Dokumente);
Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Häfner, H.,
Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern, 2008; Die bayerische
Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009; Glasauer, B., Herzog Heinrich
XVI (1393-1450), 2009; Rumschöttel, H., Ludwig II. von Bayern, 2011; Bibliographie
zur Geschichte des bairischen Baierns, hg. v. Müller, M., Bd. 1ff. 2011ff.; Gahlen,
G., Das bayerische Offizierskorps 1815-1866, 2011; Faußner, H., Die römische generalstabsmäßige
Ansiedlung der Bajuwaren, 2013; Immler, G., Die Wittelsbacher, 2013; Hilmes,
O., Ludwig II. - Der unzeitgemäße König, 2013; Tauber, C., Ludwig II., 2013
Beamtenrecht ist
die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der →Beamten
betreffenden Rechtssätze (Ansätze im 17. Jh. und in einem Reichshofratsprozess
von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil
entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).
Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und
die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I.,
Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961;
Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht,
1973
Beamter (Wort 1552) im beamtenrechtlichen
Sinn ist, wer unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person
des öffentlichen Rechtes in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches
Dienstverhältnis und Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor
dem im Mittelalter entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten,
sondern nur Amtsträger. Für diese setzt sich im fränkischen Reich das
Lehnsprinzip durch. Vielleicht seit dem 13. Jh. (bzw. der ausgehenden
Stauferzeit) wird der belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und
zunehmend fachlich geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser
wegen seiner wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil
entschädigungslos seines Amtes enthoben werden. Im 18. Jh. werden Beamte in
Preußen zu Pflichtbewusstsein, Sachkenntnis, Pünktlichkeit und
Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Regeln über die als Zivilbediente
bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II
10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht länger Fürstendiener, sondern
Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde in den Artikeln
87ff. für die richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die
Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. In
Österreich wird die dienstrechtliche Stellung allgemein durch die
Dienstpragmatik vom 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15). Im Deutschen Reich
werden die Beamten 1933 auf die nationalsozialistische Ideologie ausgerichtet
(Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933,
maßregelt durchschnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden die hergebrachten
Grundsätze des (wiederhergestellten) Beamtentums in Art. 33 GG aufgenommen.,
während die Deutsche Demokratische Republik den Beamten zum öffentlichen
Arbeitnehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der Bundesrepublik Deutschland
sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz. Österreich
schafft am 2. 6. 1977 ein Beamtendienstrechtsgesetz. Wegen der hohen Personalkosten
ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von Beamten ausgeübt
werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst,
1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die
Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen
Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum,
1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen
Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung,
1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993;
Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985;
Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische
Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E.,
From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der
NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E.,
Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der
Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurzbiographien); Krause,
F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H.,
Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG),
ZRG GA 126 (2009), 296; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im Rechtsstreit im
Vorteil).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Euripides 485/480-406 v. Chr.)
Beaumanoir,
Philippe de Rémi, Herr (Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn
des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechtes in
Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in
Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des
usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren,
teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.
Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de
Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes du colloque
international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis, 1283-1983,
hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Beaumont bei
Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht viele Orte im Westen des
deutschen Reiches bewidmet werden. →Loi de Beaumont
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers état
d’après la charte de Beaumont, 1884
Bebenburg,
Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363),
Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechtes in
Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des 1338 vom
Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem
kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340)
entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichskaisertum
ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt.
Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30
Beccaria,
Graf Cesare Bonesana von (Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem
Rechtsstudium (1754-1758) 1760-1771 Professor in Mailand, danach im Dienst der
österreichischen Lombardei, verfasst 1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e
delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des
Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die
regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die
Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das
Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit
gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch
aufgeklärte Bildung. Dies hat Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des
Habsburgers Leopolds II. Gegner Beccarias ist Immanuel Kant.
Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/BeccariaCesareDeiDelittiEDellePene1764.htm;
Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare
Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg.
v. Porret, M., 1998
Bedarf (Wort 1616)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Bede ist im
deutschen Mittelalter die im Hinblick auf eine bestimmte Notlage von einem
Herrn (durch Bitte) erbetene und von den Betroffenen durch Zustimmung
bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige →Abgabe in Geld seit etwa
dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft die B. als
Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt (z. B. Bayern
1292, 1295, 1304, 1309).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der
deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992
Bedingung (Wort 1302) ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt
die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist
aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt
(lat. [F.] →condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit
dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900)
folgt dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851)
eingenommenen Standpunkt, dass die erfüllte aufschiebende Bedingung
regelmäßig keine rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine
Gebundenheit des bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für
den Fall des Eintritts der Bedingung besteht
Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung
der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de
ontbindende voorwarde, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
beerbt (Adj.),
mit einem (Abkömmling als) Erben versehen
Beeskow
Lit.:
Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003
Befangenheit ist
das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen Einstellung
unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern wird schon
früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B. erst im
18. Jh. erfasst.
Befestigung ist die künstliche Schutzvorrichtung
(z. B. durch Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.
Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen
Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der
Entstehung des →Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über
(1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.
Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland,
1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911; Isenburg, G.,
Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997
Begnadigung ist
der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines
einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen
Herrn. Sie ist vermutlich ähnlich alt wie die Strafe . Im 20. Jh. wird sie durch
Gnadenordnungen zunehmend verrechtlicht.
Lit.: Lueder, C., Das Souveränitätsrecht der Begnadigung,
1860; Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Köstler, R.,
Huldentzug als Strafe, 1919, Neudruck 1965; Grewe, W., Recht und Gnade, 1936;
Klees, K., Das Wesen der Gnade, 1953; Hupe, I., Das Gnadenrecht, 1954;
Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Schätzler,
J., Handbuch des Gnadenrechts, 1976; Merten, D., Rechtsstaatlichkeit und Gnade,
1978; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Bauer, A., Das Gnadenbitten
in der Strafrechtspflege, 1996; Dimoulis, D., Die Begnadigung in vergleichender
Perspektive, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Rehse, B., Die
Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008
Begräbnis ist
das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen
Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein
anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel
begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die künftige Auferstehung des
verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der
Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung
wird das B. verrechtlicht. Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit
dem Ende des 18. Jh.s bedeutsamer.
Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906;
Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1963, 6. A. 1992, 9.
A. 2004, 10. A. 2010; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer, N., Vom
Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungsbefunde in ethnoarchäologischer
Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog. Zs. 38 (1997),
287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magnificentia, 1998; Hassenpflug,
E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999
Begriff ist die von
Sache und Wort zu trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegegebenheit.
Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002;
Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006
Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht,
dass die Rechtsordnung nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner
Vorschriften ist, sondern ein sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit
aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide)
besteht, aus dem vor allem unter Ausschluss aller außerrechtlichen politischen
und gesellschaftlichen Wertungen durch einen logischen Denkvorgang eine
Lösung des gesetzlich nicht eindeutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden
könne und Lücken durch Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem
Gesetz oder Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechtes über
den Irrtum bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der
Grundsatz, dass ein Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht
geschichtlich auf der →historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch
auf dem →Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg
Friedrich →Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches
System von rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen
Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem
nach vorgegebener, den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für
jede Frage konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass
freilich auf der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig
ausgeschlossen sind. Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem
von Rudolf von Ihering angezweifelt und danach allmählich von der →Interessenjurisprudenz
verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny, F.
v., Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A.,
1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881; Wilhelm,
W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Krawietz, W.,
Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge
der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter wie
Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012;
Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004;
Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004
Begründung →Urteilsbegründung
Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die
Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen
des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von
Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler,
G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69;
Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als
historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis
und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial
Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006; Wunderlich, S., Über die Begründung
von Urteilen am Reichskammergericht im frühen 16. Jahrhundert, 2010; Von der
religiösen zur säkularen Begründung staatlicher Normen, hg. v. Siep, L. u. a.
2012; Harke, J., Argumenta Iuventiana - Argumenta Salviana - Entscheidungsbegründungen
bei Celssus und Julian, 2012
Begünstigung ist
die Hilfeleistung an einen anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in
der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit
als solche verselbständigt.
Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene
Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung
und Hehlerei, 2002
Behörde ist
die organisatorisch selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des
Staates oder sonstigen selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →Verwaltung
wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine
gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des
modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei,
Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer
Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kollegiale Behörden möglich
sind. →Bürokratie
Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H.,
Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch.
Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in
Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation,
1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation im
Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der
Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss.
jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues
Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des
Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire
comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.
Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike Ohrenbeichte (lat. [F.]
paenitentia privata, private Beichte) gründende, in Westeuropa seit dem 6. Jh.
(Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône 644-656) sichtbare, seit dem
12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten des christlichen Beichtvaters
gegenüber einem Sünder hinsichtlich der Entscheidung für und gegen die Lossprechung.
Hierzu entstehen im Frühmittelalter besondere Bußbücher (Columban, Liber
paenitentiarum mensura taxanda [Luxueil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis
[Canterbury? Ende 7. Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Summae
[F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von
Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor
1290?). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog. (lat.) →forum (N.)
internum werden dabei nach den Regeln des Rechtes bzw. der gelehrten Rechte
behandelt. Am päpstlichen Hof entwickelt sich die apostolische Poenitentiarie
als für Gewissenssachen und Gnadensachen zuständige Behörde. Während die
Reformation dem Beichtvater die Entscheidungsgewalt abspricht, stellt die
katholische Kirche die Entscheidung der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich.
Nach 1558 wird das Beichtverfahren in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes
de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen
forum internum und externum für die spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA
76 (1991), 254ff.; Prosperi, A., Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil
von Trient und die Moderne, hg. v. Reinhard, W., 2001; Alle origini del
pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina, M., 2004
Beichtsumme →Beichtstuhljurisprudenz
Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828
Beigeordneter ist in
einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen
Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte.
Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978
Beihilfe ist
die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer Straftat oder
hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen
wird erst im Spätmittelalter gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als
allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem
Ausbau des Rechtes der →Beamten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Beil ist das aus metallener Klinge und hölzernem
Griff zusammengesetzte, hauptsächlich einhändig dem Zerkleinern von Holz
dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mittelalter auch ein Kennzeichen für
herrschaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Leibesstrafen
verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach
Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird.
Lit.:
Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W., Rechtsarchäologie
Europas, 1992
Beilager ist
der Beischlaf bzw. die öffentliche Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung
für die vollzogene →Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der
germanischen Zeit in der Wissenschaft streitig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das
Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das
Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter
und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310;
Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961),
298
Beirut →Berytos
Beisasse ist
(vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner
(Bürger).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954,
5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993
Beisitz ist
eine mindere Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem
Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft
auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B.,
bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit
der Entwicklung des →Ehegattenerbrechts schwindet der noch im preußischen
Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.
Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die
Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
Beisitzer →Assessor
Beispruch ist
im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers
eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen
Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges
Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet im Laufe
des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht
allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.
Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach
altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und
Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und
Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952
Beispruchsrecht →Beispruch
Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand der (ursprünglich
tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen Feind, in dem
bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Gerichten abgeändert
werden kann.
Lit.:
Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungszustand während des ersten
Weltkriegs, 1994
Beleidigung ist
die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines
anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des
Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten,
die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede
bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst.
Im Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die
peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle.
Bei Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander
geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als
Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der
B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble
Nachrede als B. in weiterem Sinn an.
Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung,
1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die Dogmatik der
Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur. Göttingen
1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 1981, 5.
A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998
Belgien ist
das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein
Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene keltisch-germanische
Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet
werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss der vom
Niederrhein einströmenden →Franken, die den nördlichen Teil sprachlich
assimilieren (altniederfränkisch, flämisch). 843/877 gelangt ein Teil an den
Westen (Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das
gesamte Gebiet an →Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg,
für das Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte
(coutumes) binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause
Habsburg (1521/1522/1526) fällt der Raum an →Spanien, ohne im
Freiheitskampf der →Niederlande mit diesen sich (tatsächlich 1571-1581
und rechtlich 1648) aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische
Niederlande). Nach dem spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das
habsburgische →Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der
Besetzung durch das bald seine Kodifikationen von 1804ff. unter Aufhebung
älterer Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795
Batavische Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich
entzogen und mit den Niederlanden zum Königreich der Niederlande vereint.
Unter der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das
teils wallonische (romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi,
Namur, Bastogne, 40 Prozent), teils flämische (niederländischsprachige) Gebiet
(im Nordwesten um Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am
18. 11. 1830 seine Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine
konstitutionelle Monarchie fest (Einheitsstaat). Das Recht ist deutlich von
Frankreich geprägt. Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919
beendet bzw. aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flämische
Revolution die Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht,
Kernland europäischer Einigung (1951/1952 Montanunion, 1957 Euratom,
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), entwickelt sich als Folge des inneren
sprachlichen Gegensatzes aber 1993 zu einem Bundesstaat. →Europäische
Union
Lit.: Recueil des anciennes ordonnances
de la Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H.,
Histoire de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das
Staatsrecht des Königreichs Belgien, 1909; Niemeyer, T., Belgien und seine
Neutralisierung, 1917, Neudruck 2013; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres,
1927; Vercauteren, F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires
publiés par l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen
over Luikse en Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk
recht, 1943; Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen,
Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst,
A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances
et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977;
Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a.,
Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J.,
Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de
officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982;
Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985;
Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van
de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989; Schilling,
J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte
der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20. Jahrhundert, 1993;
Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des Verhältnisses von Staat
und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A. 2002ff.; Delpérée, F., Le
droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger, R., Die Verwaltung der
österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000; Uyttendaele, M., Précis
de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van de Belgische Kamer van
Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die
belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van justitie in
Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits Ètats et la
construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons
nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de
Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005;
Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005;
Heirbaut, D., Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005;
Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die
Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006;
Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van
de vrijheid, 2007; Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der
Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte
geschiedenis van het sociaal, het economisch en het fiscaal recht in Belgie,
2009; Horvat, S., De vervolging van militairrechtelijke delicten tijdens
Wereldoorlog I, 2009; Meinen, I., Die Shoah in Belgien, 2009; Monballyu, J., De
jacht op de flaminganten, 2010; Kakoschke, A., Die Personennamen in der
römischen Provinz Gallia Belgica, 2010; Debaenst, B., Een Proces van
Bloed, Zweet en Tranen!, 2011; Stevens, W., Het leenhof van Dendermonde, 2013
Belial (hebr.
Bosheit, Widersacher Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und
im Spätmittelalter eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra
Jesum coram iudice Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter
Salomo) des kanonistisch geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo
(Teramo, 1382 Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von
Florenz) von 1382. Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die
Rezeption der gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.
Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig,
1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983
Beliebung →Dorfordnung,
Siebenhardenbeliebung
Bellapertica →Petrus
de
Bello,
Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges Rechtsstudium in London
betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen Kodifikationsgedanken und
dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig aufgebauten (span.) Codigo
civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de Chile von 1855.
Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des
chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988
Bellot,
Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der
Redaktor des Zivilgesetzbuchs und Schöpfer des Prozessrechts in →Genf.
Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446
bellum (lat. [N.]) Krieg
Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor
1200 geborener, 1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 496
Benedictus Levita
ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher
mit 405, 436 und 478 (bzw. insgesamt 1719 bzw. 1721) Kapiteln gegliederten, um
850 (vor 852?) wohl in der Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der
Kirche von Mainz) entstandenen, zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten
oder verfälschten, zu einem beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten
Vorlagen beruhenden, vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten,
nur mäßig erfolgreichen Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des
→Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen
kirchlichen wie weltlichen Rechtes (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex
Baiwariorum, Volksrecht der Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinanderreiht.
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961;
Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G.,
Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56
(2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von
Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1
Benedikt XIV.
(Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines
Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste
Vertreter einer geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.
Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope
Benedict XIV, 1970
Benediktiner ist
der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und
nach 529 in Montecassino (bei Neapel) geleiteten ältesten abendländischen
Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich
durchsetzenden Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben
Montecassino vor allem Luxeuil, Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy,
Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm, Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im
Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron,
Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten,
Sankt Emmeram und Göttweig. Als Zweigorden der B. lassen sich Kamaldulenser,
Vallumbrosaner, Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner
verstehen. In Frankreich werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im
Heiligen Reich alle Klöster 1803 säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele
wiederbegründet. Seit 1893 gibt es einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit
21 Kongregationen und rund 200 Klöstern.→regula Benedicti
Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen
Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff.
1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert,
P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988; Dartmann, C.,
Die Benediktiner, 2014
Benediktinerregel →regula Benedicti
Benediktion
Lit.: Franz, A., Die kirchlichen
Benediktionen im Mittelalter, 1909
Beneficium (lat.
[N.] Wohltat, gute Tat) ist im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche)
Gunst (z. B. Übertragung des Rechtes an einer Sache [u. a. b. excussionis sive
ordinis, b. divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b.
abstinendi, b. inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b.
competentiae]), im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte →Leihe.
Als solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten
Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter
und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter
(Amtspfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des
9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von →Lehen.
Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des
römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder
verwendet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte
des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H., Lehnrecht
und Staatsgewalt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A.
1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Reynolds,
S., Fiefs and Vassals, 1994; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v. Bauer, D.
u. a., 1998; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden Ansprüche
Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs) heißt seit dem 16.
Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene Möglichkeit, gewisse
nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert eines zur Urteilszeit
vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der Vollstreckung verbundenen
Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf
Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c. genießt auch der Klerus, dem das zum
standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu belassen ist.
Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom
beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des
beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im
klassischen römischen Recht, 1986
beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung
Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der
Reformation Martin →Luthers von Landesherren und durch den Augsburger
Religionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein
Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion
eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der
Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen Befreiungsabgabe.
Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A.
1949, 55
beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der Vorausklage
beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung
Beneš-Dekrete
sind die von Edvard Beneš (28. 5. 1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der
zweiten tschechoslowakischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete
(Dekret des Präsidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung
[Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und
Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen
Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch außerordentliche
Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung
des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren u. s. w., [Bekanntmachung des
Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,]
Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens
der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken,
Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft
der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19. September 1945 über die
Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen
(ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die
Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen
Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die
Konfiskation des feindlichen Vermögens, Dekret vom 27. Oktober 1945 über die
Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret vom 27.
Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen
Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die
Aussiedlung der deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone
Deutschlands und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem
Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden
Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart
Wirksamkeit.
Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg.
v. Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E.,
Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen und Magyaren in den Dekreten des
Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K.,
2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer,
M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of International and European Law 9
(2004), 1
Benin
Lit.: Harding, L., Das Königreich Benin, 2010 (Nigeria um
1200, 1898 von Großbritannien erobert)
Bentham,
Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in
Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789
veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The Introduction of the
Principles of Morals and Legislation (Einführung in die Grundsätze von Moral
und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt, dass eine Handlung dann
richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das größte Glück der größten
Zahl von Menschen fördere (→Utilitarismus). Dazu strebt er eine
Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on Parliamentary Reform
(Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche
Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er
beeinflusst John →Austins analytische Rechtswissenschaft. Die historische
Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswirkungen
seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und bei den Zinsen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bent-hamJeremyMoralsandLegislation1789.pdf
Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v.
Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J.
Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984;
Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die
Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der „Gesetzgeber der
Welt“, 2008
Bentheim
Lit.: Köbler, G., Historisches
Lexikon der deutschen Länder, 7. A. 2007; Finkemeyer, E., Verfassung und
Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft
1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die territoriale Entwicklung der Grafschaft
Bentheim bis zum Ende des Mittelalters, 1970; Marra, S., Allianzen des Adels,
2006
Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer
öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die →Leistungsverwaltung
durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der öffentlichen
Schlachthäuser).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.
Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe
das →Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten
außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.
Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe,
1990
Berber ist der Angehörige eines eine Berbersprache
sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort vielleicht von gr.
barbaros?)
Lit.: Brandes, J., Geschichte der
Berber, 2004
Bereicherung (Wort 1785, Bereicherungsanspruch 1893) ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann
herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann
bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat.
indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der
besonderen Begehrensform der →Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt
werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht
eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszugeben
ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit
wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein philosophisch-christlichen
Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen
reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren
erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht
auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt →Duaren (1509-1559).
Von Hugo →Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand,
der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist,
herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die
vernunftrechtlichen Kodifikationen aufgenommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl
auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur
die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als
Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.
Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271;
Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG
RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche,
1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher
Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera,
K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert,
W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA
92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen
des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993;
Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of
unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001;
Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004;
Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R.,
2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Berg an der
Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines Geschlechts von Grafen, deren
Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der Pfalz an Bayern gelangt.
1805/1806 formt Napoleon hieraus und aus anderen Gebieten das Großherzogtum
Berg mit Verfassung und Verwaltung nach französischem Vorbild. 1813/1814
werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815 fällt B. an Preußen,
über das sein Gebiet (1946) zu →Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt
der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der
Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im
Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte,
1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v.
Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische
Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008; Hentsch, C., Die Bergischen
Stahlgesetze, 2011
Berg,
Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9. 9. 1843), Amtmannssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793 außerordentlicher Professor in
Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident, Bundestagsgesandter,
Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister. Sein bekanntestes
Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des →Polizeirechts (1799ff.).
Lit.: Köbler, DRG 152
Bergbau →Bergrecht
Lit: Bader, K., Zur Geschichte des
Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur
Geschichte des Eisenerzbergbaues im südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch,
H., Das landesfürstliche Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981;
Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214,
hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur
Bergmannssprache in den sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann,
J., Steinkohlenbergbau in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H.,
Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000
Bergelohn ist
die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der
Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich
herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals
des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr.,
Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil
zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für den Berger wie den
Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender
B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler
Übereinkommen 1910).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957
Bergen („Bergweide“)
am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. →Norwegens
Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die →Hanse eine Niederlassung.
Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen,
hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb.
v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des
lübischen Rechts, 2008
Berggericht
Lit.: Huffmann, F., Über die
sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935
Bergrecht ist
das Berge betreffende Recht, insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der
Gewinnung von Bodenschätzen zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken
folgende, mittelalterliche Bergbau beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der
Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190.
Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im
Frühmittelalter beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau,
durch welche die Stellung des Grundeigentümers beschränkt wird. 1158 verkündet
Friedrich I. Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio
[F.] de regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das
Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus
Silberwerken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher
festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jh.,
Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers
an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit,
Bergbaufreiheit, Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf
Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das
Bergregal des Königs urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf
andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen
(Kuttenberg 1300-1305 als Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509,
Joachimsthal 1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Bergbauunternehmer
arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als
Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in
verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18.
Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein
(Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854,
Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Sachsen 16. 6.
1868), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Berghoheit
tritt. Das Bundesberggesetz der Bundesrepublik Deutschland hebt die Gewerkschaften
alten Rechtes und die Gewerkschaften neuen Rechtes auf und verlangt eine Umwandlung
zum 1. 1. 1986.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Allge-meinesBerggesetzfuerdiepreussischenStaaten1865.pdf
Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri
XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002;
Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871; Ermisch, H., Das
sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La proprietà del
sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899;
Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900; Arndt, A., Noch einmal
der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige
Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A.,
Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt,
A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte
und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Möllenberg, W.,
Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte, 1914; Müller-Erzbach, Das
Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in Tirol,
ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des
Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im
Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930),
233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der
Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der
Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W.,
Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442,
Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J.,
Die Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und
Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806,
1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942),
57; Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA
68 (1951), 435; Isay, R., Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts, 1952; Schneider,
H., Zur Geschichte des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss.
jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren
Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer
Bergrecht, 1956; Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957;
Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA
74 (1957), 178; Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge,
Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Willecke, R., Grundriss des Bergrechts,
1958; Ebel, W., Über das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109
(1968), 146; Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA
76 (1959), 343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches
Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche
Berggesetzgebung, 1977; Boldt, G./Weller, H., Kommentar zum Bundesberggesetz,
1984; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter. Das Trienter
Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing, G.,
Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der mittelalterliche
Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die Entwicklung des
Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M.,
Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H.,
Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale
montanorum, 2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der
griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.;
Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f.
2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004
Bergregal →Bergrecht
Berlich(ius),
Matthias (Schkölen bei Weißenfeld 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638),
Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Jena und Marburg
(Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.)
practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach
der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar. Auf seinem im
Strafrecht eine genauere Beschreibung der Straftatbestände anstrebenden Werk
baut Benedikt Carpzov auf.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BerlichMatthiasConclusionumpracticabilium...liber4A1644Bd1.pdf;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1
1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736
Berlin erwächst
aus zwei älteren (um 1200 geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die
untere Spree liegenden Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach
1171, Ersterwähnung 1237], Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis
ins 10. Jh. nachweisbar?, Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?,
1253 an Frankfurt an der Oder übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307
organisatorisch (zu einer Union) vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397)
entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen
Schöffenrecht hauptsächlich auf dem →Sachsenspiegel aufbaut und durch die
Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts und durch das
Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch brandenburgische
Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt. Unter den 1442/1448
den Widerstand der Stadt B. brechenden Hohenzollern (1415) wird B. 1470
Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die hier 1516 das →Kammergericht
einrichten und sich seit 1701 Könige in Preußen nennen. 1709 wird aus B.,
Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt, Friedrichstadt und einigen
Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit einem Magistrat gebildet. 1810
erhält B. eine Universität. 1871 wird B. Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878
findet dort ein internationaler Kongress über die Staatsverhältnisse auf dem
Balkan statt. 1912 wird der Zweckverband Groß-Berlin geschaffen. Am 27. 4.
1920 wird aus 8 Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken die zweistufig
gegliederte, in 20 Bezirke geteilte Einheitsgemeinde B. gebildet. 1945 wird
B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte aufgeteilt, 1948 in Westberlin und
Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch eine Mauer mit Schießbefehl
getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit rund 890 Quadratkilometern
Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn zur Hauptstadt der
Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der Vereinigung mit
Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245;
Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten
Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste
Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner
Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P.
v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation
Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen,
K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des
Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955;
Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche
Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift
zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke,
D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002;
Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der
Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin
1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft
zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von
Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110
(1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät,
Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser,
T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte
Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich,
W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v.
Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000;
Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D.,
Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die
Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies,
R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006; Regesten der Urkunden zur Geschichte
von Berlin/Cölln im Mittelalter (1237 bis 1499)., bearb. v. Huch, G. u. a.,
2008; Winter, A., Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin, 2008; Geschichte
der Universität Unter den Linden 1810-2010, hg. v. Bruch, R. vom u. a., Bd.
1ff. 2010; Die Matrikel der Universität Berlin (1810-1850), hg. v. Bahl, P. u. a.,
2010; Die Berliner Universität im Kontext, hg. v. Bruch, R. vom, 2010; Die
Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010;
Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin,
hg. v. Grundmann, S., 2010; Kleibert, K., Die juristische Fakultät der
Humboldt-Universität zu Berlin im Umbruch, 2010; Pawliczek, A., Akademischer
Alltag zwischen Ausgrenzung und Erfolg, 2011; Die Berliner juristische Fakultät
und ihre Wissenschaftsgeschichte von 1810 bis 2010, hg. v. Schröder, R. u. a. 2011;
Markovits, I., Juristen - böse Sozialisten?, ZRG GA 129 (2012), 267; Berlin
1933-1945, hg. v. Wildt, M. u. a., 2012; Haase, S., Die Berliner Universität
und die nationale Bewegung 1800-1848, 2012; Geraubte Mitte - Die „Arisierung“
des jüdischen Grundeigentums, hg. v. Nentwig, F., 2013; Kraushaar, F.,
Aufbruch zu neuen Ufern - Die privatrechtlichen und rechtshistorischen
Dissertationen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, 2014
Bern wird
wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von Zähringen auf
ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich zurück (Berner
Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten) und wird 1274
Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich 1353 mit der →Eidgenossenschaft
der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500 Einwohner) zum größten Stadtstaat
nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz
umfasst (etwa 100000 Untertanen). Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am
9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des
Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte
Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit
Inländern verpflichtet.
Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik
Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil
1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.;
Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb.
v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen,
Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische
Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920;
Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern),
1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II.,
Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H.,
Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O.,
Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins
des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der
Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937;
Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946;
Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von
1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste,
ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v.
Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen
Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner
Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler,
F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechtsreformation
von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im
Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat
(1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001;
Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen
7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Studer Immenhauser, B., Verwaltung zwischen
Innovation und Tradition, 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konservativismus,
2008; 100 Jahre bernisches Obergericht in der vorderen Länggasse, hg. v. Obergericht
Bern, 2009
Bernardus Dorna ist ein aus der Provence
stammender, zeitweise in Bologna tätiger, 1222-1234 in Montpellier
nachweisbarer Jurist ([lat.] Summula [F.] de libellis et eorum compositione).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302
Bernardus Papiensis
(Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen
Rechtes und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte
systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium
(Kurzfassung der zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.]
compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren
Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen) des kanonischen Rechtes, das seit dem
späten 12. Jh. als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils
neuesten Stand auf den Universitäten gelehrt wird.
Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen
Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120
Berner,
Albert Friedrich (Straßburg/Uckermark 30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907),
Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Berlin
(Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861 ordentlicher
Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch des →Strafrechts
erfährt 18 Auflagen.
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965
Bernstein
Lit.:
Die Bernsteinstraße, hg. v. Quast, D. u. a. 2013
Berthold von Henneberg →Henneberg
Beruf ist
die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in
Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird,
daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur
gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße gelegentliche Betrauung
eines ausnahmsweise als ao. Prof. titulierten Privatgelehrten mit einer
gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.). Der B. entwickelt sich mit der
Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen
Stadt. Verfassungsrechtlich geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.
Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im
Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen
Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die
Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996; Eisenbach, U., Duale
Berufsausbildung in Hessen, 2010; Professionen, Eigentum und Staat, hg. v.
Müller, D. u. a., 2014
Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die
erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.
Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977
Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als
gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemeiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst
entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19.
Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen
Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus
nach englischem (bzw. französischem) Vorbild erneut ehrenamtliche Laienrichter
zur Seite gestellt werden.
Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte,
1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3
(1976), 221
Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur
Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche Schule.
Lit.:
Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004
Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot, einen
bestimmten Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführung der Gewerbefreiheit im
19. Jh. geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes Gewerbe nachträglich
zu untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher Bund 1869, Deutsches Reich
1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom 24. 11. 1933
führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine Untersagung einer
Gewerbeausübung im Rahmen eines Strafverfahrens bei Begehung einer Straftat
unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als B. bezeichnet.
Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer politischen Überprüfung
von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst B. genannt.
Lit.: Reinhard, E., Die
Entwicklung der Untersagung gewerblicher Unterehmen seit 1869, Diss. jur.
Heidelberg 1940
Berufung ist
das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des ersten Rechtzugs in
Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt sachlich mit der Aufnahme des römisch-kanonischen
Prozessrechts im Spätmittelalter als →Appellation an einen höheren
Richter ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem
Ende des 13. Jh.s aber schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt
werden kann. Gleichzeitig wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für
die bis 1877/1879 als Rechtsmittel verwendete Appellation.
Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W.,
Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268; Weitzel, J.,
Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976
Berytos (Beirut)
ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie
später in Konstantinopel lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.]
antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen. Im ersten Jahr
beginnt man (als dupondius) mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht,
Prozessrecht). Es folgen vier Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher
Schriften ([vielleicht aus Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht,
Vormundschaftsrecht, Testamentsrecht, Vermächtnisrecht). Im zweiten und
dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird der Stoff des Jurisdiktionsedikts
der römischen Privatrechtsmagistrate (Stadtprätor, Provinzgouverneur bzw.
Legat) behandelt. Im zweiten Jahr studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad
edictum praetoris libri aus dem Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfassungsrecht
und Anfänge des Zivilprozessrechts (Allgemeines, Zuständigkeiten, Einleitung
des Verfahrens, Wiedereinsetzung, Haftung für Garantiezusagen, Sicherheitsleistung,
danach in der zweiten Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche
Richter, wichtige dingliche Ansprüche, einige deliktische Ansprüche), im
dritten Jahr (Ediktsstoff Buch 26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung,
Gehilfengeschäftehaftung, Verwahrung, Treuhand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf,
Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zweiten Hälfte des dritten
Jahrs die (ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papinians. Im vierten
Jahr (lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich im Selbststudium
mit den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (einschließlich
des Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechtes), wobei bewusst die
klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer sind
nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an die
Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie
seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie,
Rechtsgeschichte, Rechtsquellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
Zivilprozessrecht, im zweiten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29,
Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, im dritten
Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung
eines Zivilprozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken
D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Verzinsung, Seedarlehen,
Beweis und Irrtum D. 22, im vierten Jahr Mitgift, Vormundschaft, Testament,
Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und im fünften Jahr den Codex
einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215
Besançon (mhd. Bisanz) am Doubs nördlich des Jura wird
1691 Sitz einer Universität (bis 1793).
Besatzung ist die zeitweise Übernahme der
Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen
Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15
Millionen Soldaten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika im
Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).
Lit.: Marx, T., Zwischen Schwert
und Schild, 2004; Die besetzte res publica, hg. v. Meumann, M. u. a., 2006;
Löhnig, M., Zwischenzeit, 2011
Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten
Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer
Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich
die volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt überträgt.
1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge
beseitigt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und
Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der
wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter
alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999
Besatzungsrecht →Besatzungszone
Lit.: Handbuch des
Besatzungsrechts, hg. v. Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende
Besatzungsrecht, hg. v. Schröder, D., 1990; Zwischen Kontinuität und
Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel, D., Von der
wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Die volle Macht eines
souveränen Staates, hg. v. Haftendorn, H. u. a., 1996; Deutschland unter
alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999;
Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland 1945-1949,
ZRG GA 117 (2000), 362; Rensmann, M., Besatzungsrecht im wiedervereinigten
Deutschland, 2002; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren als Element der
Besatzungspolitik, 2005
Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren Besatzungsmächten
zugeteilt ist. 1945 werden das →Deutsche Reich (und das davon wieder
verselbständigte →Österreich) in je eine B. der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer
Abkommen vom 2. 8. 1945). Den Einwohnern werden von Frankreich täglich 900
Kalorien, von Großbritannien 1050, von der Sowjetunion 1080 und von den
Vereinigten Staaten von Amerika 1330 Kalorien zugebilligt (in Berlin 900). Am
5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik
Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die
Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von den alliierten
Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar gemeinsam oder
einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6. 1945-30. 3.
1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., abschließende Regelung in
Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht (Besatzungsrecht
zur Sicherung der Interessen der Besatzungsmächte, zur Entmilitarisierung, Entnazifizierung
und Bestrafung von Kriegsverbrechern sowie zum allmählichen Wiederaufbau)
gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner
Aufhebung oder Abänderung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer,
A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte
Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v.
Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp,
B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein
Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue
Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland
1946-1900, 2001; Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling,
K., Spione in Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer
Besatzung 1945-1949, 2007; Zwischenzeit, hg. v. Löhnig, M., 2011
Beschlagnahme (Anfang 19. Jh.) ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zur
Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle
dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio
[F.] in bona, Gütereinweisung). Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird die B. an
gesetzlich geregelte Voraussetzungen gebunden.
Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme nach
Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Beschreien
der Wände ist die wahrnehmbare Lautgebung eines neugeborenen Menschen. Das B.
ist vom Sachsenspiegel (1221-1224) bis zum preußischen Allgemeinen Landrecht
(1794) bezeugt. Nach vielen Rechtsquellen ist es ausreichende Voraussetzung der
Rechtsfähigkeit.
Lit.: Brunner,
H., Die Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896), 63; Kuyk, I. van, Het
schreiend Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.
Beschwerde (lat.
[N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger
Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln
wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren Vergangenheit auf
Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die →Verfassungsbeschwerde
in Deutschland. →Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur
Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola,
C., 2002
Beseitigung ist
die Entfernung eines Umstands, insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf
sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem möglichen Schadensersatzanspruch
unabhängig.
Lit.: Kawasumi,
Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch,
2001
Beseler,
Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammerratssohn,
wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und Heidelberg mit der streng
geschichtlich die Einrichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgenden,
auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835
habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin
(1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.)
versucht ein dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches
System (allen nicht rein römischen Rechtes) zu entwickeln, in dem die
Genossenschaft besonders bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch
politisch (rechtsliberal).
Lit.: Beseler, G., System des gemeinen deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1847, Bd. 2 1853, Bd. 3 1855, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1847Bd1.pdf,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1853Bd2.pdf,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1855Bd3.pdf,
Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA
10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77
Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft,
ZRG GA 113 (1996), 279
Besitz (10. Jh., Verb besitzen germanisch) ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache. Das römische
Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die tatsächliche
Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht. Notwendig sind
Gewalt über eine Sache ([lat.] corpus) und (nicht notwendig rechtsgeschäftlicher)
Wille zur Herrschaft ([lat.] animus). Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.]
civile) muss die tatsächliche Gewalt auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem
Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium) wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch
bestimmte Klagen gegen Entziehung oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer
[Besitzer mit <lat.> animus <M.> domini, Eigenbesitzwillen wie
Eigentümer oder Ersitzungsbesitzer] und gewisse Fremdbesitzer [unter
Anerkennung eines fremden Besitzrechts besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Prekarist,
Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur
[lat.] possessio [F.] naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B.
Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B.
auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber
einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd.
haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der →Gewere.
Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des Besitzes auch
bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter u. s. w.). Mit der Aufnahme des römischen
Rechtes verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich
kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beeinflussung. In den
naturrechtlichen Kodifikationen ist B. grundsätzlich der Eigenbesitz, doch
gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter, Pächter
oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny versteht
(1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet
ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes hinsichtlich
der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt und in § 309
Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der Sache
ausgehende) Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) kennt
den Tabularbesitz des im Grundbuch Eingetragenen. Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der unmittelbare B.
die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebes),
neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte
mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich
beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.
Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803, 7. A.
1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der
Besitz nach österreichischem Recht, 1865, 4. A. 1895; Pflüger, H., Die
sogenannten Besitzklagen des römischen Rechts, 1890, Neudruck 2013; Kaser, M.,
Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Schubert, W.,
Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung,
1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das
Besitzkonstitut, 1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs,
1977; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo, età
langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des BGB
über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz und
Mobiliarerwerb, 1992; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des
common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Choi, Y., Der Besitzerwerb des Erben, 2013
Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt für
einen anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft
oder in einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhältnis Ausübende (z. B.
Chauffeur). Er ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der
Verschiedenheit von tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlicher Bewertung.
Besitzeinweisung (Wort 1696) ist die Einweisung eines Menschen oder
einer Person in den Besitz einer Sache.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzer (1290) ist die Besitz habende Person.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzerwerb ist der Erwerb des Besitzes (Wort Besitzergreifung 1784). Er erfordert im
römischen Recht die Begründung der tasächlichen Gewalt über eine Sache und den
Willen, diese für sich zu beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder
abgeleitet (derivativ) erfolgen.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzkonstitut (Wort 1888, Besitzmittlungsverhältnis,
§ 868 BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B.
Vermieter), in dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter)
seinen Eigenbesitzwillen bezüglich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für
den Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigenbesitzwillen
begründet.→Besitz
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Besitzrecht →Besitz
Besitzschutz (Wort 1891) ist der dem zunächst
rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der
Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das
römische Recht besondere →Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi
[gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe])
zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers (Verbot der
Gewaltanwendung und Gebot zur richterlich überwachten Rückstellung zu Gunsten
von Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger und Sequester).
Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen
Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht (1495-1806)
auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem bestandskräftigen
Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen
Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem
Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Er ist in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.
Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.;
Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v.
Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J.,
Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz,
2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Besitzstand (Wort 1787) ist der rechtlich in gewisser Weise geschützte
tatsächliche Stand der Verhältnisse, insbesondere des Beitzes.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzstörung (Wort 1831) ist die rechtswidrige Störung des Besitzers
im Besitz.
Lit. :Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besold,
Christoph (Tübingen 22. 9. 1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juristenfamilie
(Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion)
1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist
innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des
neuen öffentlichen Rechtes (Vorbereitung der Lehre vom Bundesstaat).
Lit.: Meyer, F., Christoph Besold als Staatsrechtler, Diss.
jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000,
291ff.
Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen
Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche
Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat -
Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten
Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.
Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen
Gewaltverhältnis, 1982
Bessarabien (östlicher Teil der Moldau zwischen
Pruth und Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt
wurden, 1918 Rumänien, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)→Rumänien, Sowjetunion, Moldawien
Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die
Deutschen aus Bessarabien, 2003, 2. A. 2004, 3. A. 2006
Besserung ist allgemein die Vermehrung der Güte
eines Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zur Leihe
überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges,
veräußerliches Gut.
Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte
des Eigentums in den Städten, 1861; Wolf, M., Der Bau auf fremden Gut, 1900;
Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im Recht des Würzburger Benediktinerklosters
Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur. Erlangen 1962
Bestand (Wort 1272) ist allgemein der Zustand, Bestandkontrakt (1740) bzw. Bestandvertrag
(1809) die deutsche Wiedergabe der (lat.) locatio conductio, Bestandteil (1811)
der zum Bestand einer Sache gehörige Teil.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Bestechung ist
die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für eine Dienstpflichtverletzung.
Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere
Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des Beamtentums.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen
Leben Athens, 1995
Besthaupt ist
das beim Tode eines Bauern besonders in Grundherrschaften an einen Herrn
abzuliefernde beste Stück Vieh. Das B. begegnet in Flandern und Lothringen im
9. Jh. und ist im Hochmittelalter weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit
schwindet es aber in den Städten, wird allgemein jedoch erst am Beginn des 19.
Jh.s aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F.,
Historisch-juristische Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät
und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG
GA 38 (1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller,
W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961
Bestimmtheitsgebot ist
das Gebot (an den Gesetzgeber), einen Rechtssatz insbesondere im Strafrecht so
bestimmt zu fassen, dass der Betroffene Tragweite und Anwendungsbereich
erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung. Es setzt sich seit dem 19. Jh.
durch.
Lit.:
Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz,
1983; Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht? FS
T. Lenckner, 1998, 179
Bet, Josef →Karo
Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne dienende Mittel (z. B.
Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und synthetische B.). Seit dem
16./17. Jh. wird die Sucht nach Betäubungsmitteln als Krankheit erkannt, seit
etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit etwa 1965 rasch aus. Mit der
zweiten Hälfte des 19. Jh.s begint die gesetzliche Bekämpfung (Preußen,
kaiserliche Verordnung vom 25. 3. 1872, Opiumkonferenz von Schanghai 1909, Den
Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opiumgesetz vom 1. 1. 1930, Betäubungsmittelgesetz
1972).
Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen
der Drogengesetzgebung bis zum Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006
Betreibung
Lit.: Malamud, S. u. a., Die
Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich im Spätmittelalter,
ZRG GA 116 (1999), 87
Betreuung ist
in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge für die Person und das
Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder
Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann, durch einen vom
zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die
Entmündigung
Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W.,
Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung
von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001
Betrieb
Lit.:
Jakobi, C., Die vieldeutige Betriebsgemeinschaft, 2013
Betriebsrat ist
das Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in bestimmten Angelegenheiten
eines Betriebs mitwirkt und mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19.
Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4.
2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden
(Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich
1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen,
P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die
Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat,
1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von
Betriebsräten, 1999
Betriebsrisiko ist im Arbeitsrecht die im 20. Jahrhundert verrechtlichte
Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines
Beteiligten.
Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre,
2001
Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des
Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das
Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern
des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet
und (nach Beseitigung während der nationalsozialistischen Herrschaft) durch
Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt.
Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung zur
Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H.,
Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und
Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996
Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur
Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates), die seit 1898 (Leipzig, Aachen,
Wien) wissenschaftlich gelehrt wird und nach steilem Aufstieg (1923 23 Orte,
1924 43, 1939 70) derzeit jährlich 100000 Studierende für mehr als 1000
Professoren findet..
Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v.
Gaugler, E./Köhler, R., 2002; Burr, W./Wagenhofer, A., Geschichte des VHB, 2011
Betrug ist
die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent
I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in
dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Im römischen
Recht erfassen (lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.)
(Hinterhältigkeit) und (N.) furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als
solcher zusammengefassten Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die
durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung findet sich seit dem 16. Jh.,
ohne dass sie aber von der Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann.
Erst in der Mitte des 19. Jh.s bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code
pénal (1810) Frankreichs eine klare Abgrenzung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C.,
System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen,
T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom
strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen
und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W.,
Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die
Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner,
Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a.,
2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001; Die Autobiographie des
Betrügers Luer Meyer 1833-1855, 2010
Betteln ist
das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem
Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln
entschieden bekämpft (Bettelordnungen Nürnbergs von 1370, 1478,
Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, s. a. z. B. Graz 1996).
Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und
seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin,
J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129;
Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln
rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., . und hat seit hero gebetlet, 1996;
Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B., 2007;
Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011
Betti,
Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in Parma und philosophischen
Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches Recht in Camerino und in
Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom, bemüht sich unter
Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein neues Verständnis der →Auslegung
und der Hermeneutik insgesamt.
Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik
der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg.
v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994
Beunde (963 ahd. piunta) ist das dorfnahe, durch
Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche
Grundstück.
Lit.: Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3 1973
Beutellehen ist
das an einen Bürger oder Bauern gelangende →Lehen (Bayern E. 13. Jh.),
bei dem statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in
den Beutel des Herrn zu leisten ist. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B.
Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 wird in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.
Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d.
Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in
Deutschland, 2002, 2. A. 2009, 3. A: 2011
Beuterecht ist
das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ursprünglich
gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das
dritte Laterankonzil unter Christen die Versklavung verboten wird. Im 19. Jh.
setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke
verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).
Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Praeda, hg. v. Coudry, M. u. a., 2009
bewegliche Sache (Wort
1784) →Sache
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Beweis ist
die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein
Verhalten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im
altrömischen und im klassischen römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.])
iudex (Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche.
Demgegenüber dringt im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste
Beweisregeln und Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich
meist außerhalb der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei
der Angegriffene ein Recht zum B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. Im
Frühmittelalter kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch im
Gericht erbracht werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich
unter christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung,
wenn ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht
dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid
anbietet. Möglich wird der Gegenbeweis. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren
bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als
sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu
seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen
Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter
Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestattet wird. Hinzu kommen feste
Beweisregeln. Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit
dem Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene
Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen,
Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast,
s. [lat.] onus [N.] probationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht
den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Bereits der
(lat.) usus (M.) modernus (Cocceji, Leyer) befasst sich vertieft mit den
entsprechenden Fragen. Nach französischem Vorbild (1791) setzt sich im 19. Jh.
die freie richterliche Beweiswürdigung wieder allgemein durch (Berlin 1846,
Preußen 1849), wobei es auf die Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweislast
im Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen Tatsachen,
doch kehrt die Rechtsprechung zu Gunsten schwacher Parteien verschiedentlich die
Beweislast zu Lasten des Gegners um.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167;
Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469; Hänel,
A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis im
Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des
Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K.,
Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38
(1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem
deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang,
ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA
49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess,
1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche
Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law
of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986;
Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V.,
Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof
in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des
europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise
des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1;
Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss.
jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im
Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der
Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als
Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine eines europäischen
Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007; Mentz, D., Die Beweislastumkehr in der
Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010; Repgen, T., Qui dicit probare debet,
ZRG GA 129 (2012), 76
Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine
gerichtliche Zwischenentscheidung über Beweislast, Beweisthema und
Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des
besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders
ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im
18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische
allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig
das französische Zivilprozessrecht (1806) und die davon beeinflusste deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879.
Lit.: Planck, J., Die Lehre vom
Beweisurteil, 1848
Beweislast →Beweis
Beweismittel →Beweis
Beweisurteil ist
das →Urteil über eine Beweisfrage. →Beweisinterlokut
Beyer,
Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn, wird nach den
Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius), Frankfurt an der Oder
und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er als einer der ersten
eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des deutschen Rechtes
([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod veröffentlicht
wird.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeyerGeorgSpecimenIurisGermanici1718.pdf;
Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1 137f.
Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1. 1885-Wangen 22. 10.
1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der katholischen Kirche
und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad Beyerle) und Göttingen
(Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in Jena (1913, Rauch) 1918
Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt am Main, 1934 in Leipzig
und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine Arbeiten betreffen das
Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungsgang im Recht, die Treuhand und
Volksrechte.
Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle,
2005; Schützenmeister, A., Franz Beyerle, 2008; Jocus regit actum, hg. v.
Riosus, F., 2011
Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09. 1882-München 26.
4. 1933), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, der
Promotion bei Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei Ulrich Stutz
(1899) Professor in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903), Göttingen
(1906) und München (1918). Als Abgeordneter der bayerischen Volkspartei wirkt
er in der verfassunggebenden Nationalversammlung (1919) und im Reichstag. (bis
1924). Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsverhältnisse in Konstanz,
die Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.
Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle,
2002
Bezirk ist das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird zwischen 1808 und 1816 in
(Provinzen und) Regierungsbezirke geteilt. Mit österreichisch-kaiserlicher
Entschließung vom 26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die Einteilung der Kronländer in
Kreise und darunter in Bezirke bestimmt, wobei an der Spitze des Bezirks ein
Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereinigung der Bezirkshauptmannschaften
mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksämtern) und der B. 1925 von
einer Zentralstaatsbehörde zu einer Landesbehörde umgestaltet wird. Die
Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder (bis 1990) durch 15
Bezirke.
Bibel ([griech.] Buch] ist die Sammlung der für
Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden Schriften. Diese sind
zwischen 1200 v. Chr. (10. Jh. v. Chr.) und dem 2. Jh. n. Chr. (50-120 n. Chr.)
entstanden. Die jüdische B. gliedert sich in Tora (Weisung), Propheten und
Schriften, die christliche B. ergänzt dieses alte, um die Zeitenwende in seinem
Bestand abgeschlossene Testament um das nachchristliche, im 4. Jh. weitgehend
abgeschlossene neue Testament. Die Übertragung der ursprünglich aramäischen
bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt zwischen 250 v. Chr. und 100
n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das Lateinische im 4. Jh. n. Chr.,
die Übersetzung in germanistische Volkssprachen seit dem ausgehenden 4. Jh.
n. Chr. Das älteste erhaltene Handschriftenbruchstück stammt von etwa 125 n.
Chr. Die christliche B. ist das am weitesten verbreitete und am häufigsten
gedruckte Buch der Welt. Die B. enthält umfangreiches →biblisches Recht.
Lit.: Klauck, H., Die apokryphe
Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and Law, hg. v. Biliarsky, I. u. a.,
2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor zu Paris, hg. v. Berndt, R., 2009;
The Cambridge Companion to the Bible, 2. A. hg. v. Chilton, B. u. a., 2008; Der
Pentateuch, hg. v. Dozeman, T. u. a., 2011; Schöpflin, K., Die Bibel in der
Weltliteratur, 2011; Die Septuaginta und das frühe Christentum, hg. v. Scott
Caulley, T. u. a., 2011; Die Septuaginta - Entstehung, Sprache, Geschichte,
2012; Jaroš, K., Die
ältesten griechischen Handschriften des Neuen Testaments, 2014 (weilt mehr als
5000 Handschriftenbekannt, hier 104 ediert)
Bibliothek ist die Sammlung von Büchern und das ihr
dienende Gebäude.
Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs,
1996 (rund 475000 Bände);, Portale zu Vergavgenheit und Zukunft, hg. v.
Seefeldt, J. u. a., 2003, 2. A. 2003, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Rekonstruktion
und Erschließung mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008;
Jochum, U., Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung
mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009; Festschrift für
Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, D. u. a., 2010
Biblisches Recht
ist das aus den in der jüdisch-christlichen →Bibel (vor allem in den
Büchern Moses) enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am
bekanntesten hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die
grundsätzliche Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes
des Rechtes, der die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht
verbietet. Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in
nachhaltiger Weise.
Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in) Fontes
iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v.,
Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G.,
Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd.
1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages,
1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A
biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994;
Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 1992, 5. A. 1994, 16. A. 2009; Brand,
J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996; Campenhausen, H. v., Die
Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel,
2004
Bielefeld
Lit.: Urkundenbuch der Stadt und
des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer, B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und
Manufakturen in Bielefeld, 1990; Meineke, B., Die Ortsnamen der Stadt
Bielefeld, 2013
Bienenrecht ist
das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende
Eigentümer (s)einen mit dem Schwärmen herrenlos werdenden Bienenschwarm auch
auf einem fremden Grundstück einfangen (Aneignungsrecht). Im deutschen →Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) gelten für das B. die §§ 961ff.
Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910;
Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in den
schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz,
S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990
Biener,
Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in
Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.
Bier (vielleicht
zu lat. bibere trinken) ist das aus stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste,
Weizen) durch alkoholische Gärung gewonnene (gebraute) Getränk. Im Frühmittelalter
wird es von Frauen hergestellt, später entsteht in den Städten eine gewerbliche
Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz
verwendet. In der frühen Neuzeit setzt sich in Bayern ein auf das Jahr 1516
zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz, Hopfen, Hefe, Wasser) durch.
Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur.
Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München,
1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg,
C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001
Biergelde oder
Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige)
Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung
verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar („Abgabenleister“?),
obgleich die Biergelden noch im →Sachsenspiegel (1221-1224) als
besonderer Stand erfasst sind.
Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden,
ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959),
111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Springer, M., Die
Sachsen, 2004
Bifang ist (im
Mittelalter) das von einem Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu
(stärker) genutzte, meist eingefriedete Grundstück.
Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20
(1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Koloniosationsprivilegien,
1976
Bigamie ist
die weitere Eheschließung eines bereits verheirateten Menschen in einer nur die
Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die
Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft
ist die B. seit Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der
Germanen wird die bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von
der Kirche abgelehnt. Im Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein
kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem
Hochmittelalter sehen aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken
als peinliche Strafe vor. Die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507,
Art. 146) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung
eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die →Constitutio Criminalis
Carolina (1532, Art. 121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein.
Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht
von 1794 (II, 20 §§ 1066ff.) und nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch von
1871 mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich
ist die B. Ehehindernis.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die
Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im
Naturrecht des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und
Inquisition in Italien 1600-1750, 2006
Bilanz ist
die zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und passiven Vermögenswerte
einer Person. Sie entwickelt sich im spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders
seit dem ausgehenden 20. Jh. werden die rechtlichen Vorschriften betreffend
eine B. angesichts der wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937
Richtlinien zur Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266
HGB).
Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach
Handels- und Steuerrecht, 2. A. 1940, 9. A. 1991, 10. A. 2011
Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstands (durch
menschliches Tun).
Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung
der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55
(1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und
Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G.,
Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G.,
Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und
Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im
Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Bild und Abbild,
hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der Suche nach der verlorenen
Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das Recht im Bild, 2008;
Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2. A. 2008; Boehme-Neßler, V.,
BilderRecht, 2010; Hayduk, H., Rechtsidee und Bild, 2011; Steinhauer, F., Das
eigene Bild, 2013; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg.
v. Gulczyński, A., 2012; Bild und
Konfession im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Deiters, M. u. a., 2013
Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text bezogenen Bildern
ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften
sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel überliefert (Vorbild eine
bebilderte Willehalmhandschrift? [1300 Miniaturen], 1270?/vor E. 13. Jh.
Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14. Jh./um 1300 Heidelberger
B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971], vielleicht Meißen wohl
1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002], drittes Viertel 14. Jh.
Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener Bilderhandschrift?, Druck
1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur Landrecht bebildert,
vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995], insgesamt mindestens sieben
Bilderhandschriften anzunehmen). Die Bedeutung der Bilder ist streitig. Mehr
Bilderhanschriften als zum Sachsenspiegel gibt es zu dem Decretum Gratiani.
Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener
Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger
Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten
Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht.
Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg,
Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F.,
die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die
Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U.
v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels,
1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999;
Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C.,
Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener
Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als
Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003),
435ff.; http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg164;
http://digital.slub-dresden.de/ppn272362328; http://www.sachsenspiegel-online.de/cms;
Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal.
Germ. 164, hg. v. Kocher, G., u. a., 2010
Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene Strafe.
Sie findet sich für die Majestätsbeleidigung beispielweise in Frankreich 1670
in Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in
Sachsen 1712, in Peußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809,
wird aber nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. im
engeren Sinn verschiedene Einrichtungen.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe,
Bd. 1 1954, 320
Bildung
Lit.: Handbuch der deutschen
Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18. Jahrhundert 2005; Nonn, U., Mönche,
Schreiber und Gelehrte, 2012; Bosse, H., Bildungsrevolution 1770-1830, hg. v.
Ghanbari, N., 2012
Billigkeit ist
die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der
römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den
nach der B. beurteilten Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. →bonae-fidei-iudicia
[N.Pl.]). Im frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens
der B. (lat. →aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob
der König nach B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht
verstärkt die B. auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis
zur Gleichheit und zur Rechtssicherheit.
Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das
aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die
angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Königs, ZRG GA 47 (1927), 115;
Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA
53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den Glossatoren, ZRG
RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des Ingelheimer Oberhofes FS
G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Schott, C.,
Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745; Wesener, G., Aequitas
naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des Rechts,
1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Schröder, J.,
Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999), 29ff.; Schmidt,
R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125
(2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009
Bill of Rights
ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen und von einem
ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet es katholische
Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des Parlaments
sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht und das
grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten
von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787
hinzugefügt werden. →Virginia Bill of Rights
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights, hg. v.
Cogan, N., 1997
Billerbeck
Lit.: Geschichte der Stadt Billerbeck, hg. v. Freitag, W.,
2012
Binding,
Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer
Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für
Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel,
Freiburg im Breisgau, Straßburg und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf
liberaler Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung
staatlicher und gesetzlicher Autorität und bekämpft abweichende Auffassungen
(z. B. Franz von Liszt) entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der
Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet,
so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt werden muss
(Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und
befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des
burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes
in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989;
Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514
Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt innerhalb der sich aus der
europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957) entwickelnden Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union (1992). In
ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit
Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Europäischen Union gelten
Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit und
Dienstleistungsverkehrsfreiheit.
Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren
Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück,
wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche Sachen (lat.
[F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt werden dürfen.
Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh. sichern nach
dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress (1815)
besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823 Weser,
1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der Gegenwart
in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.
Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert,
1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein,
L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S.,
Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die
Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O.,
Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht
in Europa, 1999
Biographie ist die
Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien)
begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates,
Platon, Augustinus), wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B.
besonders wichtig ist. Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14.
Jh.s eine umfangreiche weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus
Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).
Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im
lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K.,
Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987;
Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001;
Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001;
Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt,
hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen
Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v.
Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006;
Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg.
v. McGing, B. u. a., 2006; Handbuch Biographie, hg. v. Klein, C., 2009; Henning,
E., Selbstzeugnisse, 2012
Birkarecht (biaerkeraett,
bjärköarätt) →Schonen, →Schweden
Bischof (griech.
episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem
bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst
das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien
aus allmählich durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu
innergemeindlichen Aufgaben auch weltliche Aufgaben kommen (lat. [F.]
episcopalis audientia). Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich
eine Stadt (lat. [F.] civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und
Volk, tatsächlich aber im Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium
der Bischofskirche, durch die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im
fränkischen Frühmittelalter wird der B. wichtiger Berater des Königs, wird
deshalb das Interesse des Adels an dieser Stellung geweckt und beginnt der
König allmählich mit der Einbeziehung der Bischöfe in sein Herrschaftssystem
durch Beauftragung der Bischöfe mit weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl
durch Klerus und Volk die Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches
Reichskirchensystem). Im Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122)
die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum
Wahlgremium. Danach tritt neben den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben
betraute Weihbischof. Im Reich, für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001
rund 5500 Diözesanbischöfe (und seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und
Generalvikare) nachweisen lassen, wird der B. (seit dem Investiturstreit)
geistlicher Reichsfürst (bis zur Säkularisation 1803). Im evangelischen
Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem
19. Jh. sind Staat und Kirche grundsätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate
(z. B. Österreich 1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmöglichkeiten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152; Friedberg,
E., Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874, Neudruck 2013; Stutz,
U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts, 1909; Feine, H., Die
Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel,
1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA
80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und
Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in
merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v.
Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z.
f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans
le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche
Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die
Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe
der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von
den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer
und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E.,
2007; Norton, P., Episcopal Elections 250-600, 2007; Peltzer, J., Canon Law,
Carrers and Conquest, 2008; Patzold, S., Episcopus - Wissen über Bischöfe, 2009;
Christopher, P., L’élection des évêques, 2009; Thier, A., Hierarchie und
Autonomie, 2011; Patterns of episcopal power, hg. v. Körntgen, L. u. a., 2011;
Jégou, L., L’évêque, juge de pais, 2011
Bismarck,
Otto von (Schönhausen/Altmark 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach
dem Studium der Rechtswissenschaft (1832-1835) in Göttingen und Berlin und
Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt (1839) und 1849 für die Konservative Partei
Mitglied der zweiten preußischen Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund
(1851), Gesandter in Sankt Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8.
10. 1862 preußischer Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für
Preußen und damit gegen Österreich ein. Nach der Gründung des →Norddeutschen
Bundes (1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3.
1890 Reichskanzler (meist gleichzeitig Ministerpräsident und Außenminister
Preußens) und betreibt eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit
Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit Italien erweitert, 1915 von Italien
gekündigt). Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung
der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der →Sozialversicherung.
Im Mittelpunkt seines Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit
starker Bürokratie gelenkte Staat, nicht die Nationsidee.
Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A., Bismarcks
Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung Bismarcks,
1961; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L., Bismarck,
1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krockow,
C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in
der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und die Parteien, hg.
v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck,
H., Bismarck und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004; Otto von
Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u. a., 2006; Gall, L.,
Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285 (2007), 355; Althammer,
B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008; Bismarcks Mitarbeiter, hg. v. Gall, L.
u. a., 2009; Kolb, E., Bismarck, 2009; Haffer, D., Europa in den Augen
Bismarcks, 2010; Thies, J., Die Bismarcks, 2013
Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des →Bischofs. Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen
römischen Reich das weltliche Hochstift bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem
Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit Archidiakon, Archipresbyter,
Propst, Offizial, Generalvikar).
Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen
Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches,
2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005;
Bistümer und Bistumgsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006
Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist im römischen Recht die unentgeltliche, widerrufliche
Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist kein Rechtsverhältnis und begründet
keinen für eine Ersitzung ausreichenden Besitz, wohl aber Schutz gegenüber
Dritten.
Bizone ist
die Bezeichnung für den Zusammenschluss von amerikanischer und britischer
Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4. 1949).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale Interregnum,
1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der Bizone, 1996
Bjärköarätt (N.)
→Birkarecht, →Schonen, →Schweden
Blackstone,
Sir William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780, aus Handwerker- und
Kaufmannsfamilie) wird nach Studien in Oxford (als Fünfzehnjähriger 1738-1741)
und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London 1746 Anwalt (barrister)
in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für englisches Recht in Oxford, (eigenes
Netz wichtiger Kontakte, 1759 The Great Charter, 1761-1770 Unterhaus, Anhänger
des Hauses Hannover, Gegner der Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien) 1763
solicitor general to the Queen, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter (Court
of common pleas). Seine vier, ihn als überzeugten Reformer ausweisenden Bände
Commentaries on the Laws of England (1765-1769, im letzten Kapitel eine
Geschichte der Entwicklung des englischen Rechtes) bieten (beeinflusst von
Matthew →Hale, Burlamaquis, Pufendorf, Locke und Montesquieu) in klarer
verständlicher Sprache und übersichtlicher Gliederung eine umfassende knappe
Darstellung des englischen Verfassungsrechts, Vermögensrechts, Schuldrechts
und Strafrechts bzw. Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und
Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in
Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert, früh in Göttingen und Frankreich
bekannt wird und bis in das 21. Jh. im angloamerikanischen Bereich von großer
Bedeutung bleibt.
Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/BlackstoneWilliamCommentariesOnTheLawsOfEnglandBand1.pdf;
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die
Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938;
Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law,
ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002;
Blackstone and his Commentaries, hg. v. Prest, W., 2009; Prest, W., William
Blackstone, 2009
Blasius de Morcono (in Morcone vielleicht zwischen
1283 und 1293 geboren, 1350 an Pest gestorben) ist der letzte Erläuterer des
langobardischen Rechtes als eines lebenden Rechtes (Tractatus de differentiis
inter ius Longobardorum et Romanorum, vielleicht zwischen 1323 und 1332
entstanden).
Lit.: Dom. Blasii de Morcono de
differentiis inter ius Longobardorum et ius Romanorum tractatus, cura
Abignente, J., 1912; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 513
Blasphemie ist
die Lästerung des christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch
in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche Folgen sind
vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.
Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928;
Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius
commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt
von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005
Bleichgericht
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345
Blendung (F.)
ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine
Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie beseitigt.
blickender Schein →Augenschein
Blijde Inkomst →Brabant
Blinder
Lit.: Laske, W., Zur Stellung des
Blinden im Recht des Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und
Königtum, 1992
Blockade ist
die Absperrung eines Gebiets von anderen Gebieten vor allem im Seekrieg (aus
it. [F.] bloccata). 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im
Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856
und die nicht ratifizierte Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht
der B. fest, die Charta der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive
Zwangsmaßnahme zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hogan, A., Pacific blockade,
1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48
Blume des Sachsenspiegels (Di blume ubir der Sachsen spigel …) ist die in 8 bzw. 10
Handschriften überlieferte ungedruckte, ein Abecedar (Incipiunt regulae juris
Ad decus …) enthaltende Bearbeitung der →Blume von Magdeburg durch
Nikolaus →Wurm (um 1397).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm,
1990
Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus →Wurm am Ende des 14. Jh.s (um
1390) nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbilds verfasste, in zwei Teile
gegliederte, in einer Handschrift überlieferte Werk, das Sachsenrecht
(Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines Recht (lat. [FPl.] leges und canones)
verbinden will.
Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte, H., Das
Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990
Bluntschli,
Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium
in Zürich, Berlin (1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann
Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der
Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft →Zürich
(1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht,
Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche
Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853-1855), das bis zum
Zivilgesetzbuch von 1907/1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.
Lit.: Zürich,
Privatrechtliches Gesetzbuch von Bluntschli, Johann Kaspar, Bd. 1ff. 1854ff., http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PrivatrechtlichesGesetzbuchfuerdenKantonZuerich1854Bd1.pdf
Briefwechsel
Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und
Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die
liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar
Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre
Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher
Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M.,
Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar
Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli,
Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G.,
Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen
Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504; Metzner, C., Johann Caspar Bluntschli, 2009
Blut ist die das Leben von Wirbeltieren sichernde
Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B. Blutbann, Blutrache,
Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.) Bezug nehmen.
Lit.: Strack, H., Das Blut im
Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900; Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998; Schury,
G., Lebensflut, 2001
Blutbann ist
die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. →Hochgerichtsbarkeit
Blutrache ist
die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung
(Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw.
Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit. Das Wort Bluträcher begegnet
erstmals bei Martin Luther in der ersten Hälfte des 16. Jh.s.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das
Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache,
Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter,
Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and
peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind FS F.
Wieacker, 1991, 187ff.; Het recht in eigen hand, Tijdschrift voor Geschiedenis
123 (2010), Nummer 2; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011
Blutschande (Inzest)
ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen (leiblichen) Verwandten, der sowohl
im Alten Testament wie auch bei den Römern verboten ist. Vom christlichen
Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das als Folge die Tötung, die
Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am
Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des römischen Rechtes (1507
[Constitutio Criminalis Bambergensis] Enthauptung). Eine Einschränkung auf
die Verwandten und Verschwägerten aufsteigender und absteigender Linie bringt
das preußische Strafgesetzbuch von 1851.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997
Bocksdorf,
Dietrich (Theoderich) von (Zinnitz bei Calau um 1405 (bzw. um 1410)-Zeitz 9. 3.
1466) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und
Perugia (1436/1437, Dr. iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechtes in Leipzig
(1443-1463) und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche
Arbeiten zum →Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln,
Erbschaftsregeln, Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog.
Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.
Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung
Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen
Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs
„Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (Ulmschneider,
H.); Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen Rechtspraxis,
Universität und kirchlicher Karriere, 2012; Wejwoda, M., Sächsische
Rechtspraxis und gelehrte Jurisprudenz, 2012
Bocksdorfsche Glosse
ist die wohl von Tammo von →Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen
veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Bocksdorf,
Tammo von (um 1385-nach 1460, wohl Onkel Dietrich von Bocksdorffs), verfasst
nach dem Rechtsstudium in Prag als Domherr in Magdeburg 1426 ein →Remissorium
zum Sachsenspiegel und vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones
(Zusätze) zur Sachsenspiegelglosse.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74; Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen
Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012
Bodenreform ist
die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an
staatliche Umwälzungen teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielsetzung
(z. B. Sowjetunion 1929, 1945 sowjetische Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Damaschke, A., Die
Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933;
Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner,
J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale
Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in
Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen
Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die
rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B.,
2005
Bodenregal ist
das vom König im Frühmittelalter grundsätzlich geltend gemachte →Regal
an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich erhalten (domaine
public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt
hat.
Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, § 27
Bodensee
Lit.: Stoffel, F., Die
Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des
Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die
Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins für Geschichte des
Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982
Bodin, Jean
(Angers 1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1548)
und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am Parlament von Paris, 1571
Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576 Staatsanwalt in Laon und schließlich
königlicher Prokurator. In seinem empirisch entwickelten, für die politische
Festigung Frankreichs gedachten Hauptwerk (Les six livres de la République,
1576, Die sechs Bücher über die Republik) beschreibt er rationalistisch das auf
der von Gott gegebenen Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit,
Ständigkeit) aufbauende moderne Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlass
des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen
Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt. Die Monarchie kann für B. den Religionsfrieden
und die Staatsordnung am besten wieder herstellen. Hexerei ist B. das schwerste
Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig ist, inwieweit B.
den →Absolutismus begründet.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BodinJeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf;
Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat
und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973;
Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989; Spitz, J.,
Bodin et la souverainieté, 1998; Couzinet, M., Jean Bodin, 2001; Mayer-Tasch,
P., Jean Bodin, 2. A. 2011
Bodman
Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz,
Adel, hg. v. Berner, H., 1977
Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5. 1754-Mainz
21. 10. 1820) wird nach dem Studium des Rechtes in Würzburg und Göttingen
(Johann Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher Professor
in Mainz und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen Bibliothek
und Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und Namen (z. B.
sog. Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten Fälschungen
sind alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdächtig.
Lit.: Erler, A., Ingelheimer
Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74ff., 77 (1960),
345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem, HJB 74 (1955), 363ff.
Bodmerei ist
die hochverzinste Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust
die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des
Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den
Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische
Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch
indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird
auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr
ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles
d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591
Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die
Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB
1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B.
durch Gesetz vom 21. 6. 1972 im Handelsgesetzbuch Deutschlands ganz
aufgehoben.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche
Entwicklung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den
Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Böhmen ist
das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich
des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird
es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der →Przemysliden
getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. Im 10. Jh.
wird der bisher nicht sicher gedeutete Name Čechy (Tschechen) erwähnt. 973
wird für das zunächst kirchlich Regensburg unterstellte Gebiet das Bistum Prag,
975 das Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt. B. entwickelt sich zum
Herzogtum (1085 Königstitel) im deutschen Reich (1114 Schenk, Reichserzschenk).
Seit dem 12. Jh. wandern deutsche Siedler in den Randgebieten und in den
Städten ein. 1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich wie →Österreich im
Reich verhältnismäßig verselbständigt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den
König von B. zu den Kurfürsten, lässt ihn aber bei der Königswahl als Nichtdeutschen
nicht wählen. Nach dem Aussterben der Babenberger in männlicher Linie in
Österreich (1246) wird Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um
1232-26. 8. 1278) 1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Österreich (1252
Heirat mit der mehr als 30 Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261
annulliert zwecks Heirat mit möglicher Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger
seines Vaters König von Böhmen. 1260 erzwingt er von Ungarn die Übergabe der
Steiermark. 1269 erwirbt er nach einem Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und
Krain. 1273 unterliegt er Rudolf von Habsburg bei der Wahl zum deutschen König.
1276 muss er auf seine Erwerbungen verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf
von Habsburg als Reichslehen nehmen. Am 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der
gewaltsamen Rückgewinnung dieser Güter im Zuge der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld)
getötet, wodurch Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die
Przemysliden aus (1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314
gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg.
Die Markgrafschaft Mähren und Fürstentümer in Schlesien werden angegliedert.
1344 wird Prag Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls
IV. Plan eines böhmischen Landrechts (→Maiestas Carolina) scheitert
1355. !356 betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der
tschechische Religionserneuerer Jan Hus hingerichtet. Im 15. Jh. wird B. zur
Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des
Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen
Rechtswissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf
Grund von Erbansprüchen zum König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der
böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für
Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr vom Reich. 1564
wird eine Landesordnung erlassen, die nach Niederschlagung der mit dem Prager
Fenstersturz (1618) verbundenen Reformationsbewegung (1620, Winterkrieg,
Schlacht am Weißen Berg, Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627
absolutisierend als (v)erneuerte Landesordnung umgestaltet wird. In
beachtlichem Umfang wird römisch-kanonisches Recht aufgenommen. Im 17. Jh.
versucht Österreich eine Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die
Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die
böhmische Hofkanzlei 1748/1749 auf (Directorium in publicis et cameralibus).
1761 entsteht die böhmisch-österreichische Hofkanzlei für die innere
Verwaltung der böhmischen und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt
die Leibeigenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs auch in B. in Kraft gesetzt. Am 8. 4. 1848
verspricht der österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böhmische
Charte), bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen
Aprilverfassung ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zum
Innenministerium. 1918 löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit
1848 gefordert, in der →Tschechoslowakei von Österreich. Am 15. 3. 1939
errichtet das Deutsche Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs
beseitigtes Protektorat Böhmen und Mähren. zum 1. 1. 1993 teilt sich die im
zweiten Weltkrieg aufgeteilte, danach wiederhergestellte Tschechoslowakei in
die Tschechische Republik (Tschechien) und in die Slowakei auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 95, 109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.;
Rössler, E., Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt
von Bergenhold, J., Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und
Gerichtsverfassung, 1866; Codex juris municipalis regni Bohemiae, 1886;
Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der
Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg, C., Die
Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte Böhmens in
vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur
Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et
epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.;
Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen
Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912;
Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der
Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder,
Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur,
ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG
GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen
Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte
von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und
Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen
Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957;
Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungszeitalters in den böhmischen
Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter,
1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen
Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a.,
1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov, J., Das
landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert,
ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens
in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der
böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do
początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des
15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch
erloschener böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale
Originalurkunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W.,
Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die
Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen
und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa,
1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte
Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110
(1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im
mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und
Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das Königreich Böhmen von
1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150;
Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben
Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die
verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285; Untertanen, Herrschaft und Staat
in Böhmen und im alten Reich, hg. v. Cerman, M. u. a., 2005; Küpper, H.,
Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Votypka, V., Böhmischer
Adel, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 973; Kejř,
J., Die mittelalterlichen Städte in den
böhmischen Ländern, 2010; Schelle, K., Recht und
Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das Deutsche
Reich, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2009; Rechtswissenschaft in
Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Höbelt, L., Böhmen, 2012; Religion und
Politik im frühneuzeitlichen Böhmen - Der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. von
1609, hg. v. Hausenblasová, J. u. a., 2014; Deutschland und das Protektorat
Böhmen und Mähren, hg. v. Mund, G., 2014
Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am Main 22. 4.
1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Heidelberg und
Göttingen (1817 Promotion), Privatgelehrter, Stadtarchivar und
Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als welcher er das Urkundenbuch
Frankfurts (Codex Diplomaticus Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiserurkunden
und die (lat. [N.Pl.] Regesta imperii (1831ff.) herausgibt.
Lit.: Jansen, J., Böhmers Leben,
1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich Böhmer, 1959; Frankfurter Biographie 1,
1994, 84ff.
Böhmer,
Justus Henning (Hannover 29. 1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium
in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in
Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier
verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechtes im 18. Jh. ([lat.]
Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14.
A. 1791), 1710 eine Einführung in das allgemeine öffentliche Recht bzw.
Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in ius publicum universale) und 1714-1737
eine umfassende geschichtlich-dogmatische Gesamtdarstellung des protestantischen
Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A.
1756ff.). Er präsidiert 139 Dissertationen, die mit der Einschränkung des
Vorrangs protestantischer Bekenntnisschriften auch der Übertragung des (lat.)
modernus usus (M.) pandectarum auf das Kirchenrecht dienen. Sein
zivilrechtliches Werk umfasst 175 Titel in 50 Bänden.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoehmerJustusHenningIntroductioInIusDigestorum1704.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoehmerJustusHenningIntroductioInIusPublicumUniversale1710.pdf;
Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning
Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer,
(in) Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994,
317; Wall, H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, ZRG G‚KA
87 (2001), 455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer und die Dissertationen
seiner Schüler, 2009
Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit
1864 Lehrer des römischen Rechtes in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873
nach →Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt
und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen
nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs erarbeitet.
Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception du
droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991), 327
Bologna ist
die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der
oberitalienischen Landschaft Emilia am südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich
seit 1115 von den vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen
vermag (und aus der für das elfte Jh. 478 Urkunden und für die Zeit bis 1150
etwa 1300 städtische Urkunden erhalten sind). In B. wird vielleicht auf der
Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und wegen des
Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als Rechtsschule
(lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas gegründet. Ihr
bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus, Geminianus und Pepo)
zunächst →Irnerius mit der von ihm geprägten Schule der →Glossatoren
(Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis Accursius). Um 1140
kommt das Studium des kirchlichen Rechtes hinzu. Die fremden Studenten gründen
am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.]) universitates eine →universitas.
Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten
der Universität sind aus dem Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425
lassen sich rund 3600 deutsche, fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten
in B. nachweisen (durchschnittlich 23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger
Tendenz).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting,
H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I Rotuli dei
lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799, 1888ff.;
Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973,
39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia
dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten
Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz,
J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di
Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi
del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Bologna nel Medioevo, hg. v.
Capitani, O., 2007; Behle, T., Der Magister Walfred von Bologna, 2008; Wray,
S., Communities and Crisis, 2009; Blanshei, S., Politics and Justice in Late
Medieval Bologna, 2010
Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus in der
Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler).
Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im
Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967; Rogalla von Bieberstein, J.,
Jüdischer Bolschewismus, (2. A.) 2010
Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.], Klage nach Treu und Glauben) ist im
klassischen römischen Recht die nach der →Billigkeit beurteilte freiere
Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Leihe,
Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag, Geschäftsführung
ohne Auftrag, Verwahrung, Bruchteilsgemeinschaft [lat. fiducia], Vormundschaft
bzw. Tutel, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand, Innominatkontrakt). Bei einem
b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. ex fide bona) geschuldet wird.
Für die diesbezügliche Feststellung hat der (lat.) iudex (Richter) auf Grund
der Klagformel des Gerichtsmagistrats einen Ermessensspielraum. Er muss Nebenpflichten
aus Abreden, Schutzpflichten und Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne
Einrede des Beklagten berücksichtigen. Der Gegensatz zum b. ist
das (lat.) iudicium (N.) stricti iuris (strengrechtliche Klage, z. B. →condictio).
Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der
bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im
bonae-fidei-iudicium, 1969; Platschek, J., Zur Rekonstruktion der bonae fidei
iudicia, ZRG RA 127 (2010), 275
Bona fides
(lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht
zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der Richter das betreffende
Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses
findet dabei neben der formlosen Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung.
Bei der Ersitzung ist b. f. (Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des
Erwerbs) des Erwerbers ([lat.] bonae fidei possessor [M.]) im Zeitpunkt des
Erwerbs nötig ([lat.] mala fides superveniens non nocet, nachträgliche
Bösgläubigkeit schadet nicht).
Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG 40,
42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961; Hausmaninger,
H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen römischen Recht, 1965
Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon
Bonellus de Barulo, Andreas ist ein wohl vor 1250
in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291 verstorbener
neapolitanischer Jurist ([lat., N. .Pl.] Commentaria super postremis libris codicis,
commentaria in leges Longobardorum, Glossen zu den constitutiones Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 502
Bönhase ist
seit dem 15. Jh. die im Mittelniederdeutschen entstandene Bezeichnung für den
unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14. Jh. von den Zünften bekämpften
Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden
arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).
Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971
Boni homines (lat.
[M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz.
prud’hommes) sind (in Frankreich, Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem späteren
Heiligen römischen Reich) im Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jh.s) und bis
ins 13. Jh. Zeugen, Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit,
guten Leumund sowie meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung
ihrer jeweiligen Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand
zuweisen lassen und kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jh.s treten
sie in den oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.
Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines
des frühen Mittelalters, 1981
Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex 672/675-bei Dokkum
5. 6. 754), aus niederem Adel, im Kloster Exeter erzogen, wird zunächst Lehrer
und 718 Missionar im fränkischen Reich. In Rom am 30. 11. 722 zum Bischof
geweiht, missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells von 723 bis 732
in Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei Geismar und Gründung
der Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen Sitz, 737/738 Legat
für Germanien. 738/739 erneuert er die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg
und Freising. 741/742 gründet er die Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt
(später Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754 wird er in Friesland erschlagen.
Lit.: Schieffer, T.,
Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S., Bonifatius ac socii sui, 1996;
Padberg, L. v., Bonifatius, 2003; Heidrich, I., Fälschung aus gelehrtem Eifer,
DA 67 (2011), 625; Clay, J., In the
Shadow of Death, 2010
Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um
1235-Rom 11. 10. 1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechtes
in Todi, Spoleto und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die
päpstlichen Dekretalen ab 1234 im (lat.) Liber (M.) sextus decretalium
(sechsten Buch der Dekretalen) zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam
sanctam (eine heilige) vom 18. 11. 1302 fordert er die Unterordnung der
weltlichen Gewalt unter den Papst, wird aber am 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet.
Lit.: Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989;
Politische Reflexion der Welt des späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M.,
2004, 129ff.
bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“ beruhend, im Gegensatz zu
zivil (z. B. die im römischen Recht durch bloße Übergabe einer mancipium-Sache
statt Manzipation seitens des Eigentümers erlangte, vom Prätor geschützte
Stellung des Erwerbers)
Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am Rhein gegenüber der Einmündung der Sieg ist ein auf
keltisch-römischer Grundlage entstandener Ort, der im 11. Jh. (von den
Ezzonen) an das Erzstift →Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen
Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch
wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast
vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät
übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949 tagt in B. der
Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik Deutschland, weshalb
das →Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz bezeichnet wird. 1949 wird
B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik
Deutschland (1990) vorläufige Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Wiedemann, A., Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen,
J./Ennen, E., Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger, P., Das historische
Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn
1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln
und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D.
u. a., 1989ff.; 150 Jahre Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die
Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004;
75-Jahr-Feier der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004;
Schmoeckel, M. u. a., Stätten des Rechts in Bonn, 2004
Bonorum possessio
(lat. [F.] Güterbesitz, Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht
die Stellung, die der →Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des
Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte
Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechtes
können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.
Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38;
Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius
esse, ZRG RA 107 (1990), 155
bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl,
Allgemeinwohl
bonus homo →boni
homines
Boppard
Lit.: Heyen, F., Reichsgut im
Rheinland, 1956
Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. →nordisches Recht
Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des
Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942
Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die
regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte
Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen.
Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und Südfrankreich, eine Warenbörse
ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Börsen
bestehen in Antwerpen, Lyon, Amsterdam, Paris, London, Frankfurt am Main,
Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio. 2012 untersagt die
Europäische Kommission die Verbindung von Deutscher Börse und New York Stock
Exchange.
Lit.: Deutsche Börsengeschichte,
hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt, J., Die privatrechtlich organisierte Börse,
2003
Börsengesetz ist
das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des Wertpapierhandels an der Börse
(Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde
deutsche Gesetz.
Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992;
Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994
Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen
rechtlich bedeutsamen Umstand. →guter Glaube
Bosnien ist
die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den
Römern erobert wird (Dalmatia) und bei der Reichsteilung des 4. Jh.s an Ostrom
gelangt. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende
Königreich (1377) gerät mit Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die
Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und
Verwaltung) Österreichs (1883 HGB, ZPO, Wechselgesetz u. a.) einen Aufschwung.
1908 wird B. von →Österreich-Ungarn annektiert und als weitere
pragmatische Angelegenheit von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909
von der Türkei anerkannt). 1918 wird es Teil →Jugoslawiens (1941-1945
Kroatiens). Nach der Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg
wird es 1995/1996 als Bosnien-Herzegowina (zwischen Kroatien, Serbien,
Monenegro und Adria, 4,3 Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer,
bosniakisch-kroatische Föderation und serbische Republik) verselbständigt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S.,
Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna,
A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H.,
Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998;
Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina
1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina,
2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Bote (lat.
[M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen ohne eigene Willensbildung
eine Erklärung (wie ein Brief) empfängt oder abgibt.
Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2
Bourbone ist
der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement Allier benannte
Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von
Bourbon) begründeten Seitenlinie der →Kapetinger. Die jüngere Linie
Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830 bzw. in der
1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das Königtum in →Frankreich.
In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814,
1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien
sowie von 1748 bis 1802 und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.
Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960; Malettke,
K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.
Bourges ist
die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am
Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s
Ausgangspunkt des →mos Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der
Rechtswissenschaft. →Budé
Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du
Berry, 1980
Boutillier,
Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor 1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als
Berater des französischen Königs in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396
das (französische) Rechtsbuch →Somme rural.
Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en
de Somme rural, 1951
Boykott ist
die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung
aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die
Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ahlheim, H., Deutsche, kauft
nicht bei Juden, 2011
Boyneburg
Lit.:
Diehl, T., Adelsherrschaft im Werraraum, 2010; Eckhardt, W.,
Reichsministerialen der Boxneburg, ZRG GA 129 (2012), 377
Bozen
Lit.: Die Bozner Handelskammer vom
Merkantilmagistrat bis zur Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals
zu Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd –
Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005
Brabant ist
das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den
Grafen von Löwen (um 1188 Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich verselbständigende
(1349 Goldene Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die
Rechte des Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406)
1390/1430 an →Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an →Habsburg
(Spanien) kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an
Österreich. Nach Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815
Teil der →Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil →Belgiens.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Moll, W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les
deux chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission
royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les
échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem
van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van
Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe
rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f.
1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in
Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Geschiedenis
van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding, P., Le
Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Geschiedenis van Brabant, hg. v.
Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J., Brabants historie ontvouwd, 2006
bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der Kirche) (kirchlicher Anspruch
auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)
Bracton,
Henry de (Bratton Fleming in Devon 1210-Exeter 1268) ist nach Ausbildung zum
Priester unter William Raleigh (und dem Studium des weltlichen und kirchlichen
Rechtes wohl an der Domschule von Exeter) seit etwa 1229 Schreiber (clerk)
eines Richters, seit 1245 reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am
Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter.
Sein vielleicht nach 1230 von ihm verfasstes oder auch von ihm nur
überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes Werk (lat.)
→De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten
Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 am ehesten in die Jahre
zwischen 1220 und 1240 gehörenden Urteilen (precedents) des Königsgerichts die
beste Darstellung des englischen →common law des Mittelalters. Der
Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil
behandelt er an Hand der verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht,
Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechtes
durch B. ist nicht erweislich.
Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887;
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H.,
Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13. Jahrhunderts,
1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965; Bracton, hg. v.
Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de Bracton
1268-1968, 1970
Brand von Tzerstede (Lüneburg um 1400-Lünenburg 3.
10. 1451), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Leipzig (1414,
1417 baccalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er verfasst die in zwei Handschriften
und einem Fragment überlieferte, 1442 abgeschlossene Glosse zur Vorrede des
Sachsenspiegels von der Herren Geburt und nach eigener Angabe weitere
Glossierungen.
Lit.: Glossen zum
Sachsenspiegel-Landrecht Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002, 124ff.
Brandenburg ist
die nach der slawischen Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand)
benannte Mark ([3. 10.] 1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319,
1165 Wiederbegründung des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch
der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern
(1411/1417). 1473 legt die →Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht
Achilles die Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516
Kammergericht in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 →Preußen
als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird
Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs
östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der
Vereinigung des Bundeslands B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung
am 5. 5. 1996.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H.,
Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888;
Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v.
Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung,
1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im
Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur
brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A.
1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980;
Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von Brandenburg, 1915; Luck, W.,
Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502),
1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd.
1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an
der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze,
B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918,
1931; Erläuterungen zur brandenburgischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B.,
1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815,
bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v.
Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik
der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft
Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch-preußische
geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der
Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von
1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen
Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952),
385; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 1961, 2. A. 1989, 3.
A. 2004, 4. A. 2010; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und
preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg,
Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur,
Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967;
Geschichte von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968;
Harnisch, H., Die Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I.
von Brandenburg, ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter
den Askaniern, 1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von
1594, 1973; Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Ein
sonderbares Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische
Geschichte, hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land
Brandenburg, hg. v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen
Landtage, hg. v. Adamy, K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg
1945-1955, 2001; Das Domstift Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v.
Schößler, W., hg. v. Neitmann, K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden
Kurmärkische Stände (Rep. 23 A), 2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der
Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk, F., Der Provinzialverband der preußischen
Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008; Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter
dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009; Wie die Mark entstand, hg. v.
Müller, J., 2009; Müller, M., Besiegelte Freundschaft - Die brandenburgischen Erbeinungen,
2010
brandenburgischer Landrechtsentwurf →Köppen
Brandileone,
Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische Rechtsgeschichte in
Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.
Brandmarken ist
das schon den Römern (für Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht
durch Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen
auf die Hand oder in das Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den
Langobarden (für rückfällige Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung
noch 1787 in Österreich, 1813 in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet
(Verbot in England 1829, Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung
1849 § 139).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der Brandmarkung,
1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot glorie der
gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994
Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine
Straftat, auf die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen ihrer
Bedeutung in der →Fehde eher gering gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083)
und Landfrieden lehnen sie ab. Der Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung
oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici
von 1224), die (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126)
Feuertod (bei boshaftiger B.), das preußische Allgemeine Landrecht (1794)
Enthauptung und Feuertod. Die fahrlässige B. wird schon früh gesondert
behandelt. Seit dem 19. Jh. werden allgemein unterschiedliche Begehungsformen
unterschieden.
Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen,
E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348;
Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der Straftatbestand
der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M., Räuber,
Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995; Birklbauer, A. u.,a., Die Entwicklung
der Strafpraxis bei Brandkriminalität, 2010
Brant, Sebastian
(Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5. 1521), Gastwirtssohn, wird nach dem
Rechtsstudium (1477) in Basel Professor (1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483
römisches Recht, kirchliches Recht und Poetik, wechselt aber als Folge der
Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501 als Syndicus (bzw. 1503
Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490,
Ausstellungen, ein Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen) veröffentlicht er im Rahmen
der populären Literatur eine Bearbeitung von Tenglers →Laienspiegel von
1495 (1509) und des →Klagspiegels (Conrad Heydens, † 1443/1444)
(Neuausgabe 1516) sowie die Satire Narrenschiff (1494).
Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, (in)
Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten
Rechtes in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und Freiheit,
1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002
Brasilien ist der portugiesischsprachige und größte Staat Südamerikas. Sein Recht
ist stark durch die Kodifikationen Frankreichs beeinflusst. 2002 wird ein
neues Zivilgesetzbuch geschaffen, welches das Handelrecht einbezieht, das
Verbraucherschutzrecht ausgliedert und einen Allgemeinen Teil voranstellt.
Lit.:
Schmidt, J., Zivilrechtskodifikation in Brasilien, 2009
Brauchtum ist
die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer Menschenmehrheit geübten
sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist viele Beziehungen zum
Recht auf (z. B. Weistümer). Insbesondere kann das Recht das B. beeinflussen.
Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch, 1910;
Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg, E.
Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952;
Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und
Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F.,
Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939;
Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und
Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor
den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K.,
Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch, 1966;
Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder, E.,
Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988),
498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff, G., Die
Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v. Schulze,
R., 2004
Brauen ist das Herstellen von Bier aus Getreide und
Wasser(, 12. Jh. Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits dem Altertum
bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem Frühmittelalter (1040
Bischof von Freising für Weihenstephan). In der hochmittelalterlichen Stadt
entwickelt es sich zum verrechtlichten Gewerbe. Die Herzöge von Bayern beschränken
die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und Wasser (1493/1516, Reinheitsgebot,
vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der Einführung der Gewerbefreiheit im
frühen 19. Jh. entstehen Bierfabriken, die als Großbrauereien die
Hausbrauereien verdrängen.
Lit.: Brinkmann, H., Das Brauwesen
der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte,
Brauer und Braustätten in München, 1981; Heckel-Stehr, K., Brauwesen in Bayern,
1988; Blanckenberg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001
Braunschweig an
der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen
(Altstadt, Neustadt E. 12. Jh., Sack 2. H. 13. Jh., Hagen um 1160, Altenwiek)
zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren
Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise
ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog. Ottonianum
(mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff neu ordnet und 1532 ihre Statuten
einer 1675 aufgehobenen Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum
Braunschweig-Wolfenbüttel über und gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von
Hannover und Magdeburg überholt, 1946 mit dem Land B. an Niedersachsen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994, Bd. 8
1388-1400 2008); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs, Hans.
Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis zur
Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit
dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die
Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum
Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921;
Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland
und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog Heinrichs des
Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt Goslar, 1928;
Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das
eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die
wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Anfänge der Stadt Braunschweig,
1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig, 1937; Spieß,
W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Ratsherren der
Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die Unterwerfung der
Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur Geschichte des
Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper, H.,
Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die
Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre
Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt
Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches
Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E.,
Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Lockert,
M., Die niedersächsischen Stadtrechte, 1978; Petersen, W., Verzeichnis der
Einblattdrucke und Handschriften, 1984; Rat und Verfassung im mittelalterlichen
Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefrage,
1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hanse - Städte -
Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C., Der Untergang des Landes
Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u.
a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus, 2002; Justiz und
Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004; Die Wirtschafts-
und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur
Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008; Weglage, S., Menschen und
Vermächtnisse, 2011; Gudladt, K., Rechtswissenschaften an der Technischen
Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2013
Braurecht ist das das Brauen betreffende Recht.
Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen
Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und
Braustätten in München, 1981
Braut (8./9. Jh.) ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in
jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete
Frau.
Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und
Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Brautkind ist das Kind einer (unverheirateten) Braut. Es ist unehelich, kann
aber innerhalb der unehelichen Kinder eine bessere Rechtsstellung haben.
Brautlauf ist
die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.
Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen
16 (1934), 81
Bregenz
Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung
der Stadt Bregenz, 1912
Breisach
Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste
Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39 (1918), 318; Haselier, G., Geschichte der
Stadt Breisach am Rhein, 1969
Bremen (782) südlich
der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines
Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs.
Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das
Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in
der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land im Deutschen
Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970
entsteht in B. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bremisches
Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des
Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der
bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch
(1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K.,
Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische
Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen
zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche
Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957;
Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 1969; 2;
Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Schwarzwälder, H., Geschichte der
freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag
und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 (1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung
der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten,
bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon,
2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische
Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007; Elmshäuser, K., Geschichte Bremens, 2007
Bremgarten
Lit.: Bürgisser, E., Geschichte
der Stadt Bremgarten, 1937
Breslau an
der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines
Bischofs. Seit 1163 ist es in Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der
Familie der Piasten. 1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht,
1241 deutsches Recht. (1261 Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der
Mitte des 14. Jh. wird ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 systematisiertes
Stadtrechtsbuch zusammengestellt. Am Ende des 15. Jh. entstehen die
Rechtsbücher Der rechte Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65
Städte. 1505 missglückt eine Universitätsgründung. 1526 fällt B. mit Böhmen an
Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (1811 zur Schlesischen
Universität umgestaltet). 1741 wird B. von Preußen erobert. Am Anfang des
Jahres 1933 waren an der juristischen Fakultät tätig Eugen Rosenstock-Huessy,
Ernst Cohn, Hans Albrecht Fischer, Theodor Süss, Walter Schmidt-Rimpler,
Johannes Nagler, Arthur Wegner, Hans Helfritz, Heinrich Pohl, Ludwig Waldecker
(Axel Freiherr von Freytag-Loringhoven und Friedrich Schöndorf). Über Preußen
gelangt B. nach 1945 an Polen. →Breslauer Landrecht
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das
Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch,
hg. v. Korn, G., 1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906;
Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-,
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926;
Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer
Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die
Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt
Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt
Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999;
Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000;
Der rechte Weg, hg. v. Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der
Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a.,
Die Blume Europas, 2002; Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v.
Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte
der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004; Ditt,
T., Die Stoßtruppfakultät Breslau, 2010; Garber, K., Das alte Breslau, 2014
Breslauer Landrecht
ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13
Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte
Bearbeitung des Landrechts des →Sachsenspiegels (1346/1356).
Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische
Landrecht, 1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG
59 (1934), 155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
30
Bretagne ist
die schon früh von Kelten besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v.
Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n.
Chr. an wandern keltische Briten von Britannien aus ein, die unter die
Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig,
steht bald aber wieder unter französischer und seit 1113 englischer
Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume
de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne
Frankreichs.
Lit.: La très ancienne coutume de Bretagne, hg. v. Planiol,
M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L., Les
origines de la Bretagne, 1980
Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507
geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechtes, die für die
Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung
behält. →Lex Romana Visigothorum
Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
Brevium exempla
(lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines frühmittelalterlichen
Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg
und bei Lille.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische
Reichsgut, 1960, 18
Briand-Kellogg-Pakt →Kellogg-Pakt
Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag
verschlossene Mitteilung. In Hessen wird 1831 das Briefgeheimnis erstmals durch
die Verfassung geschützt. Die unerlaubte Öffnung eines fremden Briefes ist ein
Straftatbestand.
Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts,
hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur
Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009
Briefadel ist
der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in
den →Adel erhobenen Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem
Einfluss möglich (bis 1918).
Lit.: Köbler, DRG 98
Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen
Gedanken eines Menschen. Bereits im römischen Recht (Lex Cornelia) ist das
unbefugte Öffnen von Urkunden mit Strafe bedroht. Mittelalterliche Botenordnungen
und frühneuzeitliche Landesordnungen (Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 §
1370 ALR (1794) stellt das unerlaubte Eröffnen von Briefen überhaupt unter
Strafe. Der verfassungsrechtliche Schutz des Briefgeheimnisses ist eine
Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831 § 38).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.; Krauß,
M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des Briefes,
2000
Briefmarke ist das als Quittung für vorausgezahlte
Postbeförderungsgebühr verkaufte aufklebbare Wertzeichen. Die B. ist
Inhaberpapier (Josef Kohler, § 807 BGB), wobei streitig ist, ob sie amtliches →Wertzeichen
(§ 148 StGB) ist. Rechtstatsächlich werden am 21. 9. 1847 die ersten (blauen)
Briefmarken der britischen Kornkolonie Mauritius ausgegeben, deren beide Exemplare für 1 Penny und 2 Pence 1993 für
etwa 5 Millionen Euro versteigert werden.
Lit.:
Weipert, S., Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss. jur. Kiel 1996; Bohnert,
J., Briefmarkenfälschung, NJW 1998, 2879
Bringschuld ist
die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel
beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit
verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981, § 28
Brinz,
Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines
Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen und Recht in München
und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854 ordentlicher Professor in
Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München (1871). Sein wichtigstes
Werk ist ein Pandektenlehrbuch (1857ff.), in dem er die juristische Person als
Zweckvermögen versteht.
Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz,
1975
Britannien →Brite
Brite ist
der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das
409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später aus nicht im
Einzelnen feststellbaren Gründen (Ausrottung bzw. Akkulturation?) gegenüber der
Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die →Bretagne bzw. nach
Wales, Cornwall und Schottland zurückweicht.
Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974;
Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg.
v. Todd, M., 2004; Birley, A., The Roman Government of Britain, 2005;
Creighton, J., Britannia, 2006; Britons in Anglo-Saxon England, hg. v. Higham,
N., 2007; Kleinschmidt, H., Migration und Identität, 2009; Hobbs, R./Jackson,
R., Das römische Britannien, 2011
Brite →England,
Großbritannien, Kelte
Britische Zone ist
die 1945 Großbritannien zugeteilte →Besatzungszone Deutschlands. Sie geht
am 1. 1. 1947 in der →Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen
Obersten Gerichtshof.
Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen Zone
1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische
Zone, ZNR 3 (1981), 158
Brixen
Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur
Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes Brixen im Mittelalter, Forschungen und
Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das
Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955
(masch.schr.); Kustatscher, E., Die Städte des Hochstifts Brixen im
Spätmittelalter, 2007
Brocarda oder
Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu
mlat. broccus, Adj., hervorstehend, roman. Spieß?) ist im Hochmittelalter die
in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus
der man durch logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus
Boemus um 1215).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E.,
Brocardica, ZRG KA 69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997
Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung
zweier Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk. Sie
ersetzt die natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die
Römer hatten eine hoch entwickelte Brückenbaukunst.
Lit: Cooper, A., Bridges, Law and
Power in Medieval England, 2006
Bruderschaft (F.,
ahd.) ist der dem Verhältnis von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern
oder Handwerkern
Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en
España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften
1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K.,
Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten,
hg. v. Escher-Apsner, M., 2009; Laqua, B., Bruderschaften und Hospitäler
während des hohen Mittelalters, 2011
Brügge in
Flandern wird trotz römischer Vorläufersiedlung erst im 11. Jh. als Sitz
flämischer Grafen bedeutsam. 1127 erhält es Stadtrechte. Im Hochmittelalter
wird es durch Handel reich. Trotz wirtschaftlichen Niedergangs wird es 1559
Bischofssitz.
Lit.: Van
Houtte, J., De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J., Bruges, Cradle of
Capitalism, 2005
Brünn in
Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen
aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von →Iglau erhält. Brünner
Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber Johann(es) (von Gelnhausen) (1343-1387)
in Brünn um 1350 verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones
(Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes →Rechtsbuch in 730
Artikeln, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das
einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt
Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937),
457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA
65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG
GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14.
století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998;
Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Pfeifer,
C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj mestskych knih v Brne,
2004; Flodr, M., Nálezy Brněnského městského práva, 2007; Jan z Gelnhausenu, Příručka práva
městského (Manipulus vel directorium iuris civilis). K vydání
připravil Flodr, Miroslav [Johann von Gelnhausen, Handbuch des
Stadtrechts >Manipulus vel directorium iuris civilis<, hg. v. Flodr, M.,
2008
Brunnemann, Johann (Cölln bei Berlin 7. 4.
1608-Frankfurt an der Oder 15. 12. 1672), Pfarrerssohn wird nach dem Studium
der Theologie in Wittenberg (1627) und in Frankfurt an der Oder (1632) dort
1636 ordentlicher Professor der Logik. 1638 promoviert er zum Dr. iur. utr. und
wird 1640 Professor der Institutionen, dann der Pandekten, des Codex und der
Dekretalen und 1653 Ordinarius. Bedeutsam ist sein Pandektenkommentar (1670).
Kennzeichnend ist sein Übergang von der exegetischen zur synthetisch-praktischen
Stoffdarstellung. Nachhaltige Wirkung erzielt er mit seinem (lat.) Tractatus
(M.) iuridicus de inquisitionis processu (Rechtlicher Traktat über den
Inquisitionsprozess) von 1648.
Lit.: Hornung-Grove, M.,
Beweisregeln im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Göttingen 1974
Brunnen ist die meist eingefasste Stelle zur
Entnahme (möglichst reinen) Wassers. An Brunnen können unterschiedliche Rechte
bestehen. Seit dem 19. Jh. sind die einzelnen B. allmählich weitgehend durch
öffentlich verwaltete Wasserleitungen ersetzt.
Lit.: Spindler, H., Der Brunnen im
Recht, Diss. jur. Heidelberg 1938; zum allgemeinen statt nutzen, hg. v.
Rippmann, D. u. a., 2008
Brunner,
Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechtsstudium
in Wien (1864 Institutsprüfungsarbeit über das gerichtliche Exemtionsrecht der
Babenberger, 1865 Habilitation über Zeugen und Inquisitionsbeweis der
karolingischen Zeit) Professor in Lemberg (ao. 1866, o. 1868), Prag (1870),
Straßburg (1872) und Berlin (1873, Nachfolge Homeyer). Unter genauer
Quellenkenntnis durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt
nach zahlreichen Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde,
Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit
umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.
Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich
Brunner, 1910; Brunner, H., Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. A.
1930; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931;
Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX
Brunner, Otto (Mödling/Niederösterreich 21. 4.
1898-Hamburg 12. 6. 1982) wird nach dem Studium der Geographie und Geschichte
in Wien 1931 Professor und nach Erscheinen seines die Bedeutung des geltenden
Staatsrechts für das Mittelalter zurückdrängenden, auf Quellenbegriffe
setzenden Werkes Land und Herrschaft (1939, 5. A. 1965) von 1942 bis 1945
Leiter des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. 1954 wechselt er
nach Hamburg. Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck veröffentlicht er seit
1972 Geschichtliche Grundbegriffe.
Lit.: Algazi, G., Herrengewalt und
Gewalt der Herren im späten Mittelalter, 1996; Deutsche Historiker im
Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a., 1999; Alteuropa oder frühe
Moderne?, hg. v. Schorn-Schüttte, L., 1999
Brüssel an
der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der
burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des neuen Königreichs →Belgien.
1834 erhält es eine Universität. Innerhalb der europäischen Gemeinschaften bzw.
der Europäischen Union ist die mehrheitlich frankophone Stadt Sitz der
Europäischen Kommission.
Lit.: Favresse, F., Le conseil de Bruxelles 1282-1521,
Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le droit foncier á
Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979;
Majerus, B., Occupations et logiques policières, 2008; Coppein, B. u. a.,
Histoire du barreau de Bruxelles - Geschiedenis von de balie van Brussel
(1811-2011, 2012
buccellarius (lat. [M.]) „Bissennehmer“, freier
[grundsätzlich erblicher] Anhänger eines Herrn (Codex Euricianus [um 475?] 310,
Lex Visigothorum [7. Jh.?] V, 3. 1)
Lit.: Claude, D., Adel, Kirche und
Königtum im Westgotenreich, 1971; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
Buch ist
das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein Inhalt kann alle
Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa Achtbuch, Gesetzbuch,
Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits in der Antike entstehen
Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer halben Million
katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350 n. Chr.
vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von der
vielfach in ausgeliehenen Lagen oder [lat.] peciis) abgeschriebenen Handschrift
zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt
Gutenberg [Mainz um 1400-Mainz 3. Februar 1468] in Mainz zwischen 1440 und
1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451
42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen von ursprünglich 180 mit Hilfe 20er
Mitarbeiter gedruckten Exemplaren zu je 1282 Seiten in Mons, Kopenhagen,
Aschaffenburg, Berlin, Frankfurt am Main, Fulda, Göttingen, Kassel, Leipzig,
Mainz, Mainz, München, Rendsburg, Schweinfurt, Stuttgart, Trier, Paris, Paris,
Paris, Saint Omer, Cambridge, Edinburgh, Eton, London, London, London,
Manchester, Oxford, Vatikan, Vatikan, Tokio, Wien, Pelplin/Polen, Lissabon,
Moskau, Moskau, Cologny/Schweiz, Burgos, Sevilla, Austin/Texas,
Cambridge/Massachusetts, New Haven/Connecticut, New York, New York, New York,
New York, Princeton, San Marino/Kalifornien, Washinghton D. C.) wird es (nach
Erstdrucken der Clementinae Mainz 1460, des Liber Sextus Mainz 1465, der
Institutiones Mainz 1468, des Liber Extra Straßburg 1468/1471, des Decretum
Straßburg 1471, des Sachsenspiegels Landrecht Basel 1474, des Codex Mainz
1475, des Digestum vetus Rom 1476 und des Infortiatum, Digestum novum 1476) zur
Massenware (um 1500 im deutschen Reich 62 Druckorte, rund 29000 Titel in Europa
- davon 6000 lateinisch, mit vielleicht 17 Millionen Exemplaren, davon etwa
520000 erhalten -, darunter viele Nachdrucke und Neuauflagen), wobei seit 1473
Bücherverzeichnisse geschaffen werden (Vocabularius juris utriusque [1473],
Bertachinus, J., Repertorium, 1481), seit etwa 1500 Auflagen sich im Inhalt
unterscheiden (sog. Inkunabeln, Wiegendrucke) und im 16. Jahrhundert (um 1525
Schwerpunktverlagerung nach Lyon, Paris, 1550 Basel, 1570 Frankfurt am Main,
Venedig) bereits 70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million
einzelne Bücher im Jahr) im deutschen Sprachraum (durch [im 16. und 17.
Jahrhundert] mehr als 2662 Buchdrucker in 381 Druckorten mit rund 130000-150000
Drucken, seit 1530 Titelblatt mit Drucker und Druckort durch den Augsburger
Reichstag vorgeschrieben, seit 1548 Angabe des Verfassers) hergestellt werden.
Zur Sicherung gegen (billigere) Nachdrucke erstreben die Drucker Privilegien
von Landesherren mit strafbewehrten Verboten gegen den unerlaubten Nachdruck.
Der große Erfolg des Buches verstärkt seit der Reformation (1517) Martin
Luthers (1521) die im 13. Jh. beginnende Zensur (Vorzensur, im Heiligen
römischen Reich durch einen Bücherkommissar, in Frankfurt am Main 1579, ab
etwa 1700 in Leipzig). Die Zahl der Drucke des 17. Jahrhunderts wird auf 250000
geschätzt, die des 18. Jahrhunderts auf 600000, die des 19. Jahrhunderts auf rund
1,5 Millionen, so dass man mit 17,5 Millionen deutschsprachigen Drucken seit
dem 15. Jahrhundert (bis 2007) rechnet. 1871 werden im Deutschen Reich etwa
10750 Bücher und Karten verlegt. Von 1913 bis 2010 erscheinen rund 15 Millionen
Drucke, wobei (in Deutschland) 1901 27998 Neuerscheinungen veröffentlicht werden,
1990 45000 und 2007 96479. Die Zahl der Einzelexemplare beträgt dabei im Jahr
2005 rund 981 Millionen. Die Zahl allein der rechtswissenschaftlichen
Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf 3634 pro Jahr.
Lit.: Schottenloher, K., Bücher bewegten die Welt - Eine
Kulturgeschichte des Buches, Bd. 1f., 1951f. 2. A. 1968; Bieber, H., Die
Befugnisse und Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen,
Diss. jur. München 1956; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck,
ZRG GA 77 (1960), 241; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963;
Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse,
1970; Holthöfer, E., Funktionsweisen gemeinrechtlicher Kommunikation, 1972;
Presser, H., Buch und Druck, 1978; Eisenstein, E., The Printing Press as an
Agent of Change, Bd. 1f. 1979; Röhring, H. Wie ein Buch entsteht, 1983, 8. A.
2008, 9. A. 2011; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A.
1987; Hoffmann, H., Buchkunst und Königtum, 1986; Bülow, M., Buchmarkt und
Autoreneigentum, 1990; Giesecke, M., Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, 1991;
Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 1994;
Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im
späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Neddermeyer, U., Von der
Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg.
v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999;
Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Osler, D., Catalogue of Books
printed, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert,
hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe Basler
Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson, L.,
Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W.,
2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002, 7. A. 2007; Juristische
Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der
historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen
Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in
Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003;
Darnton, R., Die Wissenschaft des Raubdrucks, 2003; Meyer, S., Bemühungen um
ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche
zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon des Buches, hg.
v. Rautenberg, U., 2. A. 2003; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben – Zerreißen,
hg. v. Körte, M. u. a., 2007; Reske, C., Die Buchdrucker des 16. und 17.
Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2007; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008; Löhr, I., Die
Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Mintzel, A., Von der schwarzen
Kunst zur Druckindustrie, 2011; Eichacker, T., Die rechtliche Behandlung des Büchernachdrucks
im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, 2013; Hauschild, S. Skriptorium - Die
mittelalterliche Buchwerkstatt, 2013
Buch,
Johann von (um 1290-nach 1356), aus einer seit 1194 als Herren von Buch (bei
Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie, ist nach dem Studium
in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von Brandenburg (1332
Hauptmann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis, Generalhauptmann,
zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht
des →Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit einer die
Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden Glossierung
(buchsche Glosse, Konkordanzliteratur) und verfasst um 1335 den →Richtsteig
Landrechts.
Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der
Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski,
B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann
von Buch, ZRG 123 (2006), 110
Buchau
Lit.: Die Urkunden des Stifts Buchau. Regesten 819-1500,
bearb. v. Seigel, R. u. a., 2009
Buchda, Gerhard ([Stadt]Roda/Thüringen 22. 10.
1901-Stadtroda/Thüringen 20. 12. 1977), Verwaltungsamtmannssohn, wird nach kaufmännischer
Lehre und Studium der Rechtswissenschaft in Jena (1923-1926) 1930 promoviert
(Das Privatrecht Immanuel Kants) und 1934 habilitiert (Geschichte und Kritik
der deutschen Gesamthandslehre, betreut von Rudolf Hübner). 1937 wird er zum
außerordentlichen Professor an die Universität Halle-Wittenberg berufen und
1939 zum ordentlichen Professor ernannt, 1945 entlassen. 1949 wird er nach
Jena berufen, wo er 1967 emeritiert wird.
Lit.: Lieberwirth, R., Nachruf ZRG
GA 95 (1978), 492; Gedächtnisschrift für Gerhard Buchda, hg. v. Krahner, L. u.
a., 1997
Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger
(Universität Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris
1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat
(Reichsfiskalprokurator am Reichskammergericht) in Frankfurt am Main
eingerichtet (um 1725 dem Reichshofrat angegliedert), das ohne geringe tatsächliche
Bedeutung bis 1792 wirkt.
Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952;
Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse,
1970
Buchführung →Buchhaltung
Buchhaltung ist
die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur
Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich
bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen
die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh.
(Genua 1157, Bologna, Lübeck 13. Jh., Regensburg 14. Jh.). Das älteste
erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie
Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte
Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327).
Lehrwerke der B. erscheinen seit 1494 (Pacioli, Luca in Venedig). In Frankreich
schreiben Ordonnance du commerce (1673) und Code de commerce (1807) Art und
Weise der B. vor. Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen
Verfeinerung und greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann
bleibt dabei die öffentliche Verwaltung (kameralistische B., Österreich 18.
Jh.) jeweils deutlich zurück. Auf Grund Richtlinien der Europäischen
Gemeinschaften wird in Deutschland mit dem Bilanzrichtliniengesetz ein eigenes
Buch des Handelsgesetzbuchs für das Buchführungsrecht und Bilanzrecht
geschaffen. Daneben finden internationale Grundsätze vielfache Anerkennung
(Generally accepted accounting principles, International Accounting
Standards, International Financial Reporting Standards).
Lit.: Jäger, E., Beiträge zur Geschichte der
Doppelbuchführung, 1874; Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in
Deutschland, 1913; Sykora, G., System und Methoden der Buchführung, 1952;
Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Thomson, H. u. a.,
Foreign Books in Bookkeeping and Accounts, 1968; Edwards, J., A History of
Financial Accounting, 1989; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des
Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003
Bückler, Johannes →Schinderhannes
Budaeus →Budé
Budapest an
der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen
ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda (Ofen) und Pest (kurz nach 1230
deutsche Gründung), die 1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis
1686). 1635 wird eine Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der
transleithanischen Reichshälfte Österreich-Ungarns, 1918 Hauptstadt Ungarns.
Lit.: Das Ofner Stadtrecht, hg. v.
Mollay, K., 1959; Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970; Blazovich, L.
u. a., Buda város jogkönyve, 2001; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum
ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Budé (Budaeus),
Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540) tritt nach dem Rechtsstudium in
Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von Frankreich. Nach einer Plutarchübersetzung
aus dem Spanischen (1503) legt er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas
(Anmerkungen zu den Pandekten) vor, in denen er die Pandekten
philologisch-historisch untersucht und das erste Beispiel des (lat.) →mos
(M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die Anwendbarkeit der in sich
uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart verneint er.
Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé, 1970
Buer 1003
erstmals erwähnt, 1911 Stadtrecht, 1928 mit Horst in Gelsenkirchen eingemeindet
Lit.:
Buer 1911, hg. v. Goch, s. u. a. 2013
Budgetrecht ist
das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt (Budget, zu lat. bulga, F.,
Tasche) durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das →Parlament
über (Preußen 1850).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Büdingen
Lit.: Philippi, H.,
Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954
Bugenhagen, Johannes (Wollin/Pommern 24. 6.
1485-Wittenberg 19. 4. 1558) wird nach artistischem Studium in Greifswald 1504
Rektor der Ratsschule in Treptow an der Rega, wird zum Priester geweiht und
amtet als Notar. 1517/1518 verfasst er die erste auf Quellen gestützte
Geschichte Pommerns. 1521 schließt er sich der Reformation Martin Luthers in
Wittenberg an und verfasst von Brauschweig (1528) aus Kirchenordnungen für
Hamburg (1528/1529), Lübeck (1530/1532), Pommern (1534/1535), Dänemark
(1537/1539), Holstein, Braunschweig-Wolfenbüttel und Hildesheim (1542).
Lit.: Sehling, E., Die evangelischen
Kirchenordnungen, 1ff. 1911ff.; Johannes Bugenhagen, hg. v. Leder, H., 1984;
Leder, H., Johannes Bugenhagen, 2002; Lorentzen, T., Johannes Bugenhagen als
Reformator der öffentlichen Fürsorge, 2008; Leder, H., Johannes Bugenhagen
Pomeranus, hg. v. Gummelt, V., 2002
Bukarest erscheint
auf antiken Siedlungsspuren im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es
Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine Universität.
Bukowina (Buchenland) am Osthang der Karpaten ist im Altertum von Dakern und
Bastarnen, seit dem 7. Jh. von Slawen besiedelt. Über das Reich von Kiew, und
das Fürstentum Halitsch-Wolhynien kommt das Gebiet seit dem 14. Jh. zum
Fürstentum Moldau, das ab 1512 unter den Einfluss des osmanischen Reiches
gerät. 1775 gelangt die B. nach Besetzung (1774) durch Vertrag an →Österreich
(Teil Galiziens), wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an →Rumänien,
1940 im Norden an die Sowjetunion, nach deren Auflösung 1991 an die Ukraine.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I.,
Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Scharr, K., Die Bukowina, 2007; Scharr, K.,
Die Landschaft Bukowina, 2010
Bulgarien südlich
der unteren Donau ist anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr.
unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7.
Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der
Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich findet. 1393/1396 fällt B. an
die Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes
Zarenreich vollständig von der türkischen Herrschaft. 1892 wird eine
juristische Fakultät in Sofia gegründet. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht
ist entsprechend dieser Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich
(französisch, deutsch, aber auch russisch), sozialistisch (1951
Außerkraftsetzung aller vor 1944 verabschiedeten Gesetze) und nach 1990
demokratisch geprägt. 2007 wird B. Mitglied der Europäischen Union.
Lit.: Angelov, D. u. a., Istorija na bulgarskata feodalna
darzhava i pravo, 1972; Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur
Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R.,
A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100
Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Manolova, M., Istorija
na darzhvata i pravoto, 2001; Tokuschev, D., Istorija na novobulgarskata
darzhava i pravo, 2001; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H.,
2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2006; Köbler, G.,
Rechtsbulgarisch, 2006; Brunnbauer, U., Die sozialistische Lebensweise, 2007;
Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2007; Stepanov, C., The Bulgars,
2010
Bulgarus (Bologna? vor 1100?-1. 1. 1166?) ist ein
Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation, einen Apparat zu De
regulis iuris, einen Tractatus de iudiciis, Quaestiones, Summulae, Distinktionen,
Casus Codicis und anderes verfassender Glossator.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 162
Bulle ist
die ein Siegel umschließende Kapsel, das (vorwiegend päpstliche) Siegel (meist
aus Gold oder Blei) sowie die mit ihm versehene Urkunde (zwischen [lat. F.Pl.]
litterae und [N.] privilegium bzw. einfachem Brief und feierlichem Privileg).
Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort
am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356
→Goldene Bulle Karls IV.). In der B. Unam sanctam begründet Papst Bonifaz
VIIII. einen Anspruch des Papstes auf Universalherrschaft auch in weltlichen
Angelegenheiten (Es ist zum Heile für jedes menschliche Wesen durchaus
unerlässlich, dem römischen Papst unterworfen zu sein).
Lit.: Eitel, A., Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter,
1912; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356,
bearb. v. Müller, K., 1970; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Stieldorf,
A., Basiswissen Siegelkunde, 2004
Bund ist
die (gewollte) Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten Einheit.
Politisch bedeutsam ist beispielsweise der →Deutsche B. Im Bundesstaat
kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582; Bünde
- Städte - Gemeinden, hg. v. Freitag, W. u. a., 2009
Bundesakte →Deutsche
Bundesakte
Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).
Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F.
u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre Bundesarbeitsgericht,
hg. v. Oetker, H. u. a., 2004
Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der
Bundesbeschlüsse und gerichtlicher und gerichtsähnlicher Entscheidungen durch
den Deutschen Bund gegenüber einem Bundesglied (z. B. 1830 gegen Braunschweig,
1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).
Bundesfinanzhof ist seit 1950 das oberste Gericht der Bundesrepublik
Deutschland in Finanzstreitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger
des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.
Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993; 60
Jahre Bundesfinanzhof, hg. v. Bundesfinanzhof, 2010
Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 als Nachfolger des Reichsgerichts das
oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik
Deutschland mit Sitz (nicht wie von der Regierung Konrad Adenauer gewünscht in
Köln, sondern) in Karlsruhe (Präsidenten 1950 Hermann Weinkauff, [zwischen 1954
und 1964 mehr als 70 Prozent aus der Zeit vor 1945 übernommene Richter und
Staatsanwälte,] 1960 Bruno Heusinger, 1968 Robert Fischer, 1977 Gerd Pfeiffer,
1988 Walter Odersky 1996 Karlmann Geiß, 2000 Günther Hirsch. 2008 Klaus
Tolksdorf). Wichtige Entscheidungen betreffen die Strafbarkeit der Kuppelei,
die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die Anerkennung der
finalen Handlungslehre, die Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des
Sicherungseigentums, die Anerkennung der Produzentenhaftung).
Lit.: Möhring, P., 25 Jahre
Bundesgerichtshof, NJW 1975, 1820; 25 Jahre Bundesgerichtshof, hg. v.
Krüger-Nieland, G., 1975; Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs,
1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus, D.,
Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen
Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben,
hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom
Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia -
Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein
der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Geiß, K., Fünfzig
Jahre Bundesgerichtshof, 2001; Ohe, A. v. d., Das Gesellschaftsbild des Bundesgerichtshofs,
2010
Bundesgerichtshof (in Österreich) ist das ab 15. 7. 1934 den Verfassungsgerichtshof und
den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Gericht, das 1938 durch den Anschluss
seine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit verliert, durch Verordnung vom 11.
1. 1940 in Verwaltungsgerichtshof in Wien umbenannt wird und 1941 im
Reichsverwaltungsgericht (bis 1945) aufgeht.
Bundesgesetzblatt ist das Gesetzblatt für Bundesgesetze (z. B. in Deutschland oder in
Österreich).
Bundesintervention ist im Deutschen Bund (1815-1866) die Möglichkeit des Eingreifens des
Bundes in die inneren Angelegenheiten eines Mitgliedstaats zur Wahrung der
inneren Sicherheit auf Ersuchen oder bei Handlungsunfähigkeit der Regierung.
Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland (1949,
Richtlinienkompetenz) und Österreich (1920, seit 1929 durch Bundespräsidenten
ernannt) sowie die Amtsbezeichnung Otto von Bismarcks im Nordeutschen Bund (von
1867 bis 1870/1871).
Lit.:
Die Bundeskanzler und ihre Ämter, hg. v. d. Stiftung Haus der Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland u. a., 2006
Bundeskartellamt ist das 1957 in Deutschland
gegründete Bundesamt für Kartellangelegenheiten.
Lit.: 50 Jahre Bundeskartellamt,
2007
Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen
Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete, nationalliberal
besetzte Gericht (Präsident Heinrich Eduard Pape 1816-1888). 1871 wird es zum
auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im
→Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das
Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3,
200; Müller, K., Der Hüter des Rechts, 1997; Weiss, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das
Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001; Henne,
T., Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren, 2005
Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949, Wahl durch
besondere Bundesversammlung) und Österreich (1920, Wahl durch den Nationalrat,
seit 1929 Wahl durch das Volk).
Bundesrat ist
(von 1867 bis 1870/1871 im →Norddeutschen Bund [eigentlich eher ein
Fürstenhaus] und) im Deutschen Reich von 1871 das die Mitwirkung der
Einzelstaaten am Bundesgeschehen ermöglichende Organ, das als Träger der
obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit repräsentiert (Staatenhaus der
gescheiterten Reichsverfassung von 1848/1849). Von seinen 58 Stimmen entfallen
17 auf Preußen (Möglichkeit der Verhinderung jeder Verfassungsänderung), 24
auf 7 mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem →Reichstag
erlässt der B. Gesetze. Im Februar 1919 wird dieser B. durch den
Staatenausschuss und vom August 1919 an durch den Reichsrat ersetzt, der 1934
aufgelöst wird. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als
(weisungsgebundene) Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder, ebenso Österreich
(Art. 24 Bundes-Verfassungsgesetz, mindestens drei Mitglieder für jedes
Bundesland, Abstimmung regelmäßig nach Parteizugehörigkeit, bei Berührung von
Länderinteressen absolutes Vetrorecht gegenüber Beschlüssen des Nationalrats).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248,
257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T.,
Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Ziller,
G. u. a., Der Bundesrat, 10. A. 1998; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974;
Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982;
Vierzig Jahre Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1989; Klein, E., Die Rolle des
Bundesrates und der Länder, 1998
Bundesrecht ist
das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht,
im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.
Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd.
1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts,
1875
Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaats.
Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v.
Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u.
a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001
Bundesrepublik ist die föderalistische Republik (z. B. Österreich,
Deutschland).
Bundesrepublik
Deutschland ist der nach der Niederlage
der Achsenmächte Deutsches Reich, Italien und Japan gegen die Alliierten
(Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich)
im zweiten Weltkrieg (8. Mai 1945 Kapitulation des deutschen Reichs), nach der Wiederverselbständigung
des sich 1938 an das Deutsche Reich anschließenden Österreich und nach der
Einteilung des Deutschen Reichs in vier Besatzungszonen aus den Besatzungszonen
der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs über die
Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens (1946 bzw. 1. 1.
1947) und die Trizone (einschließlich der Besatzungszone Frankreichs 8. 4. 1948)
auf Grund einer Londoner Konferenz 1949 gebildete deutsche Bundesstaat mit
(1948) den Ländern Baden (bis 1951/1952), Württemberg (bis 1951/1952, dann
Baden-Württemberg), Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen,
Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und (West-Berlin sowie ab 1. 1. 1957)
Saarland und (ab 1990) (Berlin,) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,
Sachsen-Anhalt sowie Thüringen. Seine Verfassung ist das auf Aufforderung der
westlichen Besatzungsmächte (über die Ministerpräsidenten der westlichen
Länder) von einem Verfassungskonvent in Herrenchiemsee (1948) und einem
parlamentarischen Rat (ab 1. 9. 1948) erarbeitete, am 23. 5. 1949 verkündete
Grundgesetz., dem gegenüber ein Besatzungsstatut wichtige Bereiche den
Besatzungsmächten vorbehält (eingeschränkt durch Deutschlandvertrag von 1955,
beendet 1990). Auf Grund des Gewichts des Verhältniswahlrechts im gemischten
Wahlrechtssystem stehen sich Bundesregierung und Koaltionsparteien einerseits
und Oppositionsparteien andererseits gegenüber. Jedes Gesetz kann vom Bundesverfassungsgericht
auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Seit 1951 verbindet sich die
B. mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie
später weiteren europäischen Staaten zu europäischen Gemeinschaften (für
Kohle und Stahl, 1957 für Atomwesen und Wirtschaft), zur Europäischen Gemeinschaft
bzw. zur Europäischen Union. Nach dem Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972
treten B. D. und Deutsche Demokratische Republik 1973 den Vereinten Nationen
bei. Am 3. 10 1990 tritt die.Deutsche Demokratische Republik auf Grund (des Vertrags
über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. 5.
1990 und) des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 der B. bei. Die Übertragung des
bundesdeutschen Sozialstaats auf die neuen Bundesländer ist alternativlos,
verschärft aber die latente Krise des Sozialstaats, Die Finanzierung belastet
besonders die unteren und mittleren Bevölkerungsschichten. Die sozialpolitisch
begründete Erhöhung der Entgelte verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit. Innerhalb
der B. wird das Recht vielfach verändert.
Lit.:
Schwarz, H., Vom Reich zur Bundesrepublik, 1966; Akten zur Vorgeschichte der
Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1ff. 1976ff.; Bewegt von der Hoffnung aller
Deutschen, hg. v. Benz, W., 1979; Rupp, H., Politische Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 1979, 4. A. 2009; Roßnagel, A., Die Änderungen des
Grundgesetzes, 1981; Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher,
K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur
Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000;
Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; 40
Jahre Bundesrepublik, hg. v. Nörr, K, 1990; Thränhardt, D., Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Kröger, K., Einführung in die
Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1993; Geschichte der
deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Birke, A., Die Bundesrepublik Deutschland,
1997, 2. A. 2011; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J., Deutsche
Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v. Dönhoff,
M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, Teil 1 1999, Teil 2 2007; Fünfzig
Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N.,
Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel,
H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, (in) Der Staat, 1999, 221;
Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz,
Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M.,
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002; Utz, F., Preuße, Protestant,
Pragmatiker - Der Staatssekretär Walter Strauß und sein Staat, 2003; Rödder,
A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2004; Die Bundesrepublik
Deutschland. Staatshandbuch, 2003; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland
(1949-1990), 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2005; Lappenküper, U., Die Außenpolitik der Bundesrepublik
Deutschland 1949 bis 1990, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009; Bevers,
J., Der Mann hinter Adenauer, 2009 Ritter, G., Wir sind das Volk, 2009;
Weizsäcker, R., Der Weg zur Einheit, 2009; Benz, W., Auftrag Demokratie, 2009; Pierson,
T., 1968 und das Recht, ZRG 128 (2011), 391; Gehler, M., Deutschland, 2010;
Hesse, E., Systemwechsel in Deutschland, 2010; Rechtsentwicklungen im vereinten
Deutschland, hg. v. Weiß, N., 2011; Staat und Recht in Teilung und Einheit, hg.
v. Krüper, J. u. a., 2011; Fichtner, T.
u. a. Dutschkes Deutschland, 2011; Herold, M., Die rechtliche Entstehung der
Bundesländer, 2012; Rigoll, D., Staatsschutz in Westdeutschland, 2013; Michels,
E., Guillaume, der Spion, 2013; Wolfrum, E., Rot-Grün an der Macht. Deutschland
1998-2005, 2013; Wiegeshoff, A., Wir müssen alle etwas umlernen, 2013; Die
Rosenburg - Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Vergangenheit, hg. v.
Görtemaker, M. u. a., 2013, 2. A. 2013; Koerfer, D., Diplomatenjagd, 2013
Bundessozialgericht ist das am 11. 9. 1954 eröffnete oberste Gericht der
Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel.
Bundessozialhilfegesetz s. Sozialhilfe
Bundesstaat ist
der Zusammenschluss (Bund) von Staaten zu einem neuen Staat (z. B. [Vorformen
Städtebünde, Heiliges römisches Reich, holländische Generalstaaten, theoretische
Begründung durch Althusius [1563-1638], Leibniz [1646-1717], Vereinigte Staaten
von Amerika 1787, Schweiz 1848, Norddeutscher Bund 1867, Deutsches Reich 1871, Österreich
1920, Russland). Die staatlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils
zwischen Gesamtstaat (Oberstaat) und Gliedstaaten (z. B. Bundesland, Kanton,
Land) aufgeteilt. Nach dem Subsidiaritätsprinzip hat die kleinere Einheit
grundsätzlich den Vorrang vor der größern Einheit. Die Gliedstaaten sind zwar
Staaten, haben aber nur in den von der Verfassung eingeräumten Ausnahmefällen
Souveränität. Gegensatz des Bundesstaats ist der Einheitsstaat (z. B. Frankreich,
Italien, Ungarn, Österreich 1862-1918, Deutsches Reich 1933-1945), doch nähern
sich beide in der Wirklichkeit einander an (z. B. Österreich stärker
zentralisiert).
Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996;
Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002; Baier, C.,
Bundesstat und europäische Integration, 2006; Fassbender, B., Der offene
Bundesstaat, 2007; Brandt, P., Mit anderen Augen, 2013
Bundestag ist
allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes (z. B. Deutscher Bund
1815-1866 in Frankfurt am Main), insbesondere das Parlament der Bundesrepublik
Deutschland (1949ff.), aber auch Österreichs zwischen 1934 und 1938.
Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre
Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche
Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche
Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P.,
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker,
S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau
1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder
des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.; Becker,
M., Max von Seydel und die Bundesstaatstheorie des Kaiserreichs, 2009
Bundesverfassungsgericht ist das nach dem vorangehenden Verfassungsgerichtshof
Bayerns am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete Verfassungsgericht (des
Bundes) der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000
Verfassungsbeschwerden).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich,
K./Korioth, S., Das Bundesverfassungsgericht, 6. A. 2004, 7. A. 2007;
Häußler, R., Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer
Führung, 1994, Neudruck 2014Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie
und Misstrauen, 1998; Das Bundesverfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000;
Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das
Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913;
Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001;
Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U.,
Der Gang nach Karlsruhe, 2004; Das Bundesverfassungsgericht im politischen
System, hg. v. Ooyen, R. van u. a., 2006; Lembcke, O., Hüter der Verfassung,
2007; Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Jestaet, M. u. a., 2011
Bundes-Verfassungsgesetz (1920) ist das von Hans Kelsen wesentlich geprägte, von der
konstituierenden Nationalversammlung beschlossene Gesetz zur Einrichtung der
Republik Österreich als Bundesstaat vom 1. Oktober 1920 (B-VG, womit die
Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird, Staatsgesetzblatt 1920,
450, authentisch kundgemacht unter BGl. 1920, 1, ohne Präambel, Staatszielbestimmungen
oder Grundrechte). 1925 wird die mittelbare Bundesverwaltung eingeführt und
werden Zuständigkeiten des Bundes erweitert. 1929 wird die unmittelbare
Volkswahl des Bundespräsidenten festgelegt. Danach wird das B. in der Fassung
von 1929 kundgemacht (BGBl. 1930, 1). 1934 wird es durch Verordnung der
Regierung Dollfuß außer Kraft gesetzt und eine neue Verfassung (Maiverfassung)
erlassen. Auf Grund des zweiten Verfassungs-Überleitungsgesetzes von 1945
(StGBl, 1945, 232) tritt es nach dem Stand vom 5. 3. 1933 wieder in Kraft. 1981
wird die Volksanwaltschaft eingefügt, 1988 der unabhängige Verwaltungssenat.
1994 wird das Bundes-Verfassungsgesetz neu gefasst.
Lit.: Die
Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, hg. i. V. m. Froelich, G./Merkl, A. v.
Kelsen H., 1922, hg. v. Walter, R., 1903, Neudruck 2010; Polaschek, M., Die
Rechtsentwicklung in der ersten Republik, 1992
Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B.
Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main, Art. 38ff.
Bundes-Verfassungsgesetz Österreich, Maiverfassung 1934 Österreich in jeweils
besonderer Zusammensetzung mit jeweils besonderer Zuständigkeit). In der
Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten.
Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schweizerischen
Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und
Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35
Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in (Berlin [1952] bzw. seit 1997) Leipzig.
Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v.
Schmidt-Aßmann, E., 2003
Bundeswehr ist das
(rund 13000 Offiziere der Wehrmacht des Deutschen Reiches übernehmende) Heer
der Bundesrepublik Deutschland seit 1955.
Lit.:
50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a., 2005; Die Bundeswehr 1955 bis 2005,
hg. v. Nägler, Frank, 2007; Loch, T., Das Gesicht der Bundeswehr, 2008; Pauli,
F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2009; Bundeswehr und Gedenkstätten
des NS-Unrechts, hg. v. Wrochem, O. v. u. a., 2009; Pauli, F.,
Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2010; Militärische Aufbaugeneration der
Bundeswehr 1955 bis 1970, hg. v. Hammerich, H. u. a., 2010; Auslandseinsätze
der Bundeswehr, hg. v. Chiari, B. u. a., 2010
Bündnis ist der politische Zusammenschluss.
Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit
Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971;
Frehland-Wildeboer, K., Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714-1914, 2010
(114 früh veröffentlichteVertragstexte)
Bündnisrecht ist
das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber
herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England und Frankreich durch den
Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und
der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück (1648) für die Reichsstände,
sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich richtet. Im →Deutschen Bund
ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder
einzelner seiner Glieder nicht zu beeinträchtigen. Allmählich engt sich in der
späteren Neuzeit das B. auf souveräne Staaten ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bündnisrecht,
1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der
Reichsstände, Der Staat 8 (1969), 449
Bundschuh →Bauernkrieg
Bunge,
Friedrich Georg von (Kiew 13. 3.1802-Wiesbaden 9. 4. 1897) begründet als
Professor für Provinzialrecht in Dorpat (1831, 1840 entlassen, Stadtsyndikus
Revals, 1864 Gotha) die baltische Rechtsgeschichte und bearbeitet den 1864
veröffentlichten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten Band 3 des
Provinzialrechts der Ostseegouvernements Russlands (Liv-, Est- und
Curländisches Privatrecht), der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945
als Zivilgesetzbuch gilt.
Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller-
und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112; Küpper, H., Einführung in die
Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Burchard von Ursberg
Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische
Geschichtsschreiber Burchard von Ursberg, 1982
Burchard von Worms
(965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain
(Güter bei Fritzlar und Frankenberg?), wird nach seiner Erziehung in Koblenz
aus der Nähe Erzbischof Willigis’ von Mainz durch Kaiser Otto III. 1000 Bischof
von Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes, eigenständige Ansätze
enthaltendes Handbuch ([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln
(davon 163 noch herkunftmäßig ungeklärt, 45 Prozent der Texte gegenüber den
Vorlagen inhaltlich geändert, vor allem in den Rubriken) ist die wichtigste vorgratianische
Kanonessammlung. Sie beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem
Anselm gewidmete Sammlung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch
über Synodalsachen) des →Regino von Prüm und einzelnen Kanones und
Dekretalen sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Sie stellt gegenüber den
Vorgängerarbeiten einen erheblichen Fortschritt dar und erreicht mit dem Ziel
einer durch Auswahl der Quellen (Bibel, Dekrete der Konzilien und Päpste,
Schriften siebener Kirchenväter, 3 Bußbücher) in sich konsistenten widerspruchsfreien
Sammlung autoritativer Texte für die kirchenrechtliche Praxis die Schwelle zu
wissenschaftlicher Kanonistik. Burchards (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri
(1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.
Lit.: Meyer, G., Überlieferung und
Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141;
Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Metz, W., Zur
Herkunft und Verwandtschaft, Hess. Jb. f. Landesgeschichte 26 (1976), 27ff.;
Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen
1971; Hoffmann, H./Pokorny, R., Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms
1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms,
2001; Bischof Burchard I, in seiner Zeit, hg. v. Müller, T. u. a., 2001;
Austin, G., Law, Theology and „Forgery“ around the year 1000, 2005; Austin, G.,
Shaping Church Law around the Year 1000, 2009
Burg ist
der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht dient (Fluchtburg). Im
Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B. bezeichnet.
Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen (vor allem im 12. und
13. Jh.) Burgen, von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit
dem 11. Jh. sondern sich B. (mit Graben, Wall, Ringmauer, Turm, Tor und
Wohnbauten wie Kemenate oder Palas) und Stadt. Seit dem 15. Jh. bzw. in der
Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss oder auch die Festung. In der
Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten mitteleuropäischen Burgen
verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch Ruinen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
68, 79, 96; Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons
Aargau, 1906; Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63;
Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen,
Schlösser und Burgherrengeschlechter der Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970;
Jäschke, K., Burgenbau und Landesverteidigung um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum,
hg. v. Patze, H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd.
2 1983, 927; Streich, G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles,
Conquest & Charters, 1989; Biller, T., Die Adelsburg in Deutschland, 1993,
2. A. 1998; Burg – Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der
Überlieferung, hg. v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H.
u. a., 1999; Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und
Bober, 1999; Pfälzisches Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1
1999; Krahe, F., Burgen und Wohntürme, 2002; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der
Burgen, Schlösser und Festungen, 2004; Zur Sozial- und Kulturgeschichte der
mittelalterlichen Burg, hg. v. Clemens, L. u. a., 2009; Die Burg, hg. v.
Großmann, G., 2010; Befestigungen und Burgen am Rhein, hg. v. Felten, F., 2011;
Burgen Perspektiven, hg. v. Südtiriler Burgeninstitut, 2013; Großmann, U., Die
Welt der Burgen, 2013
Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs,
bäuerlich-ländliches Landrecht [burges lantrecht, Erbrecht, Ehegüterrecht,
Sachenrecht, Friedensrecht, Verfahrensrecht] auf elf Seiten in einer
mittelniederdeutsch-elbostfälisch gehaltenen Sammelhandschrift des frühen 15. Jahrhunderts
[1310-1330] überliefert, vielleicht auf flämischen Siedlern des 12. Jh.s
beruhend)
Lit.: Das Burger Landrecht hg. v.
Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003
Bürge (Wort um 750 belegt) ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines
Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der
Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Das Rechtssprichwort Bürgen muss man
würgen, aber nicht an den Leib reden, bringt zum Ausdruck, dass nach römischem
Recht der Bürge zwar haften muss, aber bei Nichtleistung von Strafen verschont
bleiben soll. →Bürgschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Burgenland ist
das ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von
Deutschen besiedelte, durch viele Burgen gekennzeichnete Gebiet
(Deutsch-Westungarn mit Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg) an der
Grenze zwischen Österreich und Ungarn, das 1919 (trotz Widerstands Ungarns)
(ohne Ödenburg/Sopron [Mehrheit von 64 Prozent für Verbleib]) →Österreich
als Bundesland zugesprochen, im November von Ungarn 1921 besetzt, aber dann
kampflos zurückgegeben wird (1939-1945 zwischen Niederdonau/Niederösterreich
und Steiermark aufgeteilt).
Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.;
Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991
Bürger ist
der Bewohner der →Stadt. Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.),
das ursprünglich hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im
Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter
engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem
11. Jh. auf den B. ein. Er hat →Bürgerrecht und ist trotz unterschiedlicher
ständischer Herkunft meist oder grundsätzlich frei (Stadtluft macht frei), wenn
auch seiner Stadt verpflichtet. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht
zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794, II, 8, § 1). Er ist der
Vorläufer des modernen Staatsbürgers.
Lit.: Maurer, G., Geschichte
der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 2 1879, 191ff.; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936),
150; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 251ff.;
Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben
1604-1874, 1962; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter,
Diss. jur. Göttingen 1964; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672;
Felser, R., Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer
Städte und Märkte, 1977; Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im
Spätmittelalter, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Res publica, Bürgerschaft
in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg.
v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und Stadtverfassung, 1996;
Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall, L., 1997; Ruppert, K.,
Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland zwischen französischer und
deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Kleinbürger, 1998;
Reidegeld, E., Bürgerschaftsregelungen, Freizügigkeit, Gewerbeordnung und
Armenpflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums,
hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges,
R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig,
S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Schulz, A., Lebenswelt und Kultur des
Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, 2005; Roeck, B., Lebenswelt und Kultur
des Bürgertums in der frühen Neuzeit, 2. A. 2010; Bürgertum nach dem
bürgerlichen Zeitalter, hg. v. Budde, G. u. a., 2010;
Bürgerbuch ist
das die →Bürger der mittelalterlichen Stadt verzeichnende, älteren Listen
folgende →Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259,
insgesamt 228 Bürgerbücher aus dem deutschen Reich bekannt, dazu 82
Bürgerlisten).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest, hg. v. Rothert, H., 1958; Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung,
hg. v. Ribbe, W., 12. A. 2001, 186ff.; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v.
Schwinges, R., 2002; Morita, N., Wie wurde man Stadtbürger?, 2008
Bürgerlehen ist
das →Lehen eines →Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch
den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg
1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des
Widerstands des landständigen Adels ab. Zumindest im Nordosten des Heiligen römischen
Reiches scheint das B. dem ritterlichen Lehen nicht völlig gleichwertig
gestellt zu sein. Die in der Neuzeit noch bestehenden B. gleichen sich an Miete
und Pacht an.
Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1957; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im
Spätmittelalter, 1979; Schwarz, U., Bürgerlehen und adlige Lehen der Herzöge
von Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), 9ff.
Bürgerlicher Tod ist
der rechtliche Tod (zivile Tod, fingierte Tod, lat. mors ([F.] civilis,
Johannes Teutonicus, Glosse mortuus zu C 16 q. 1 c. 8) im Gegensatz zum
natürlichen Tod. Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit
(Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu
schenken, zu testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein u. s. w.). Er ist wohl
aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16.
Jh. mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsverlust).
Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge
jedes Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen (vgl. § 7
StGB Bayern 1813). In der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück
(Bayern 1849, Preußen 1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der
bürgerliche Tod zieht zeitweise auch die Ablegung des klösterlichen
Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.
Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod
als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969;
Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81; Hubmann, V., L’image de
la mort, 1990
Bürgerliches Gesetzbuch
(Wort 1786, bürgerliches Recht 1349, bürgerlich 1338) ist allgemein das vom
politischen Bürgertum im 18. Jh. zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts
geforderte Gesetzbuch. Es wird in Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich
1811/1812 (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) und in Sachsen 1863
(Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während es andernorts nur zu Entwürfen
kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842, Bayern 1861/1864). In Deutschland
erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen der Jahre 1867-1872 die
nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20. 12. 1873 ([lat.] lex
Miquel-Lasker), dass die Gesetzgebungszuständigkeit des Deutschen Reiches vom
Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht (sowie das gerichtliche
Verfahren) ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt
und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (28. 2. 1874, Levin
Goldschmidt, Franz Philipp von Kübel, Anton von Weber, Hermann von Schelling)
vom 15. 4. 1874 wird eine (erste) Kommission (17. 9. 1874) mit 11 Mitgliedern
(Eduard Pape Vorsitzender, Albert Gebhard Allgemeiner Teil, Franz von Kübel
Schuldrecht, Reinhold Johow Sachenrecht, Gottfried Planck Familienrecht,
Gottfried von Schmitt Erbrecht, Gustav Derscheid, Karl Kurlbaum, Anton von
Weber, Paul von Roth, Bernhard Windscheid [bis 1883]) eingesetzt. Seit 1. 10.
1881 berät sie Teilentwürfe. Ihr am 27. 12. 1887 mit Motiven vorgelegter, 1888
veröffentlichter Entwurf wird von verschiedenen Seiten (u. a. Anton Menger,
Otto von Gierke) vor allem als zu wenig volkstümlich und zu wenig sozial
angegriffen (insgesamt rund 700 Beiträge). Daraufhin wird nach Vorbereitung
durch eine interne Vorkommission des Reichsjustizamts 1890 eine zweite Kommission
(25 Juristen, u. a. Gottlieb Planck, Karl von Jacubezky, Alexander Achilles,
Heinrich Börner, Hermann Struckmann, Arbeitsbeginn 1. 4. 1891) mit der Umarbeitung
beauftragt, die nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit
Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der nach Umarbeitung durch das
Reichsjustizamt 1896 im Reichstag mit einer Denkschrift eingebrachte dritte
Entwurf wird nach drei Lesungen am 1. 7. 1896 (u. a. mit 53 der 97 Stimmen der
ihre gesellschaftspolititsch relevanten Grundlagen wahrenden konservativen
Parteien) beschlossen, am 14. 7. 1896 vom Bundesrat gebilligt, am 18. 8. 1896
ausgefertigt, am 24. 8. 1896 verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt
(2385 Paragraphen mit etwa 130000 Wörtern), wobei flankierend das Handelsgesetzbuch,
die Reichsjustizgesetze, die Grundbuchordnung und das Zwangsversteigerungsgesetz
angepasst bzw. erlassen werden. Das die Geltung des preußischen Allgemeinen
Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechtes in Deutschland beendende
Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht
begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven
Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher nach
dem sog. Pandektensystem gegliedertes Erzeugnis technisch geschulter Juristen
(ohne eine einzelne überragende schöpferische Persönlichkeit). Inhaltlich
überwiegen die den bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften
liberalen Züge, zu denen patriarchalisch-konservative und soziale, dem Schutz
des Schwächeren dienende Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch
beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan 1898, Schweiz 1907, Österreich
1914, 1915, 1916, China 1912, Brasilien 1916, Thailand 1925, (Türkei 1926,)
Peru 1936, Griechenland 1940/1946, Italien 1942, Frankreich, Portugal 1966).
Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht erheblich verändert
(Erbbaurechtsverordnung vom 15. 1. 1919, Ehegesetz vom 6. 7. 1938, positive
Vertragsverletzung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Arbeitsrecht, Wohnungsmietrecht,
Verbraucherschutz, Schuldrechtsreform 2001/2002, allgemeines Persönlichkeitsrecht,
Verkehrssicherungspflichten, Wohnungseigentum, Gleichberechtigungsgesetz
18. 6. 1957, Mietrechtsänderungen, 1969 Dienstvertragsrecht, Nichtehelichengesetz
19. 8. 1969, Eherechtsreformgesetz vom 14. 6. 1976 mit Zerrüttungsprinzip,
allgemeine Geschäftsbedingungen, Reisevertrag, Betreuungsrecht, Namensrecht,
Kindschaftsrechtsreform, 1. 1. 2002 Aufnahme des Gesetzes über die allgemeinen
Geschöftsbedingungen, des Haustürgeschäftswiderrufsrechts, des Verbraucherkreditgesetzes,
des Teilzeit-Wohnrechtegesetzes und des Fernabsatzgesetzes sowie Änderung
des Leistungsstörungsrechts durch das von Richtlinien der Europäischen Union veranlasste
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 2001/2002).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBDR18961900.htm;
Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
181, 182, 207, 212; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für
das deutsche Reich, Bd. 1ff. 1888; Zusammenstellung der gutachtlichen
Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, gefertigt im
Reichsjustizamt, Bd. 1ff., 1890f.; Stenographische Berichte über die
Verhandlungen des Reichstags .. 1895/1996; Protokolle der Kommission für die
zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1ff. 1897ff.;
Gradenwitz, O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker,
F., Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über
Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Brandt, D., Die politischen Parteien und
die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die
Beratung des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten
Quellen, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der
Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Die Vorlagen der Redaktoren
für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., 1981ff.; Behn, M., Der Generalbericht der
badischen Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen
Gesetzbuches für das deutsche Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P.,
Liberale Verfassung und bürgerliches Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John,
M., Politics and the Law in the late nineteenth century Germany. The Origins of
the Civil Code, 1989; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches
Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der
Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100
Jahre BGB, NJW 1996, 1697; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1995; Schulte-Nölke, H., Die schwere
Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und
Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen
Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg.
v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer
Juristen bis zum ersten Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche
Zivilrecht 100 Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische
BGB-Entwurf von 1842, 1998; BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998;
Eiffler, S., Die Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert
Bürgerliches Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Schwab, D., Das BGB und seine Kritiker,
ZNR 22 (2000), 325ff.; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer,
E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische
Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die
Entstehung des BGB, 2000; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und
Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei, 2001; Dittmann, M., Das Bürgerliche
Gesetzbuch aus der Sicht des Common Law, 2001; Repgen, T., Die soziale Aufgabe
des Privatrechts, 2001; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt.
Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann
(1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a.,
2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert,
J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003; Thiessen, J., Das unsoziale BGB, 2003; Die
soziale Dimension des Zivilrechts, hg. v. Peer, G. u. a., 2004; Staudinger, J.
v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Eckpfeiler des Zivilrechts, 2005,
Neubearb. 2011; Symposion Hundert Jahre BGB, hg. v. Hamza, G., 2006; Hensel,
R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006; Riedel, T., Gleiches Recht für
Mann und Frau, 2008; Zrenner, P., Die konservativen Parteien und die Entstehung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008; Weller, A., Die Einführung des BGB im
französischen Rechtsgebiet der preußischen Rheinprovinz, 2011; Boente, W.,
Nebeneinander und Einheit im Bürgerlichen Recht, 2013
Bürgerliches Recht (Wort
1349 belegt) ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als
Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich
sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das
Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende
des kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant der Gemeinschaft zunächst
in der →Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer →magister (M.)
civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen.
Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch
richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein
allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. →Selbstverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz,
H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der
Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die
Entwicklung der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957;
Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im
Amt, 2004
Bürgerrecht ist
die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der →Bürger. Schon in Rom
vermittelt die in erster Linie durch Geburt erlangbare Stellung als civis (M.)
Romanus ([lat.] römischer Bürger) ein Bündel von Rechten (Stimmrecht in der
Volksversammlung, passives Wahlrecht für Ämter, Berufungsrecht gegen Todesstrafe,
gültige Ehe, Rechtsgeschäfte nach Zivilrecht, Legisaktionenverfahren) und
Pflichten (Steuerpflicht, Wehrdienstpflicht), weil nur für den civis Romanus
das römische (lat.) →ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das
B. den Bürger zunächst der →Stadt (seit dem Hochmittelalter) aus der
Allgemeinheit aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch
Geburt, daneben durch einen besonderen Akt der Aufnahme. →Grundrecht,
Menschenrecht
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1,
2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die
Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J.,
Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und
Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und
Stadtverfassung, 1996
Burgfriede ist im Hochmittelalter der in der Burg
zu wahrende Friede.
Burggraf (seit 10./11. Jh.) ist der eine Burg (und
damit anfangs auch eine Stadt) verwaltende Graf (z. B. Regensburg 970, Köln,
Mainz, Trier, Straßburg, Worms, Speyer, Utrecht, Toul, Cambrai, Augsburg,
Würzburg, Magdeburg, B. von Nürnberg).
Lit.: Rietschel, S., Das
Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Peterka, O., Das
Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das Burggrafenamt und
Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Sander, P., Stadtfestungen und
Burggrafenamt im früheren Mittelalter, HV 13 (1910), 70ff.; Eckhardt, K.,
Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163; Helbig, H., Der wettinische
Ständestaat, 1955, 204
Burghausen
Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte
der Stadt Burghausen an der Salzach, 1960
Burglehen ist das eine Burg betreffende Lehen, das
den Burgmann zur Burghut verpflichtet. Es findet sich vom 12. bis zum 15. Jh.
Der sich festigende Territorialstaat drängt das B. zurück.
Lit.: Klebel, E., Studien zum
mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Spiess, K., Lehnsrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung, 1978
Burgrecht erscheint
seit der ersten Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des
lateinischen ius (N.) civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine
Landleihe zu freiem Erbzins (und in Österreich auch den Rentenkauf). Daneben
findet es sich etwas später als Benennung des →Stadtrechts und des →Bürgerrechts.
Lit.: Köbler, DRG 104; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf
in Österreich im Mittelalter, 1906; Fischer, H., Burgbezirk und Stadtgebiet im
deutschen Süden, 1956; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen
1964; Illichmann, E., Recht und Besitz der Bauern und Hintersassen des
Mittelalters in Österreich, 1983
Bürgschaft (Wort 950 belegt) ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem
Gläubiger eines Dritten und einem →Bürgen, in dem sich der Bürge
gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der
Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bei den Römern ist die B. das
wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich
dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des
Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine
Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst
aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat.
[F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor,
fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Die Verpflichtung des Bürgen als
eines Nebenschuldners ist vom Bestand der Hauptschuld abhängig. Für das deutsche
Recht steht ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?,
Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten
Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet
der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner.
Verschiedentlich haften beide gesamtschuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige
Gestaltung, dass der Schuldner primär und der Bürge grundsätzlich nur subsidiär
haftet (Einrede der Vorausklage), in Norddeutschland. Während nach dem Code
civil Frankreichs von 1804 und dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
Österreichs von 1811 die Bürgschafterklärung keiner Form bedarf, verlangen das
Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Obligationenrecht der Schweiz (1881)
und das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands (1900, vgl. §§ 1346ff. ABGB)
Schriftform der Bürgschaftserklärung. Aus dem Recht des leistenden Bürgen gegen
den Gläubiger auf Abtretung der Hauptforderung im gemeinen Recht (lat.
beneficium [N.] cedendarum actionum, Wohltat der abzutretenden Klagansprüche)
entsteht ein gesetzlicher Forderungsübergang (Legalzession).
Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47
(1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes,
ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und
Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft
im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Mückenheim, U., Die
Bürgschaft in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Hamburg 1964; Ogris, W.,
Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140ff.;
Reimer, K., Treuhandbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968),
194; Les sûretés personelles, 1971; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in
historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28
(1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA
96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen
Gesetzbüchern des 16.-18. Jahrhunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im
Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen
englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998; Kowolik, Y., Interzessionen
von Nahbereichspersonen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den →Burgundern in der Völkerwanderung
besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms, nach 436
[Niederlage gegen Römer oder Hunnen?] bzw. 443 um Genf und Lyon). 534 gelangt
B. an die Franken und ist zweitweise ein fränkisches Teilreich. 843 wird das
Gebiet entlang der Saône zwischen westfränkischem Reich und lotharischem Reich
geteilt. 879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888
errichteten Königreich B. (Hochburgund) um 931/933 bzw. 950 aufgesogen wird und
mit diesem einschließlich der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032/1033 an das
Deutsche Reich fällt. Das westlich der Saône entwickelte, 963 an die →Kapetinger
gelangte Herzogtum B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung (1363 Philipp
der Kühne, Erweiterung um Flandern, Artois, Rethel, Nevers, Freigrafschaft,
Brabant, Limburg, Hennegau, Holland, Seeland), bis es über Maria von B.
1477/1482 großteils (Niederlande, Franche-Comté) an die →Habsburger kommt
(und dort von 1512 bis 1806 den burgundischen Reichskreis bildet), in seinem
Kern (Herzogtum B. und Pikardie) aber 1493 →Frankreich zugeschlagen wird.
Das übrige B. wird zwischen 1674 und 1678 (Freigrafschaft) von Frankreich
erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne
aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches
Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les
origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901;
Poupardin, R., Le royaume de Bourgogne (888-1038), 1907; Walther, A., Die
burgundischen Zentralbehörden, 1909; Chaume, M., Les origines du duché de
Bourgogne, Bd. 1ff. 1925ff.; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke,
R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Vaughan, R., Philip the
Bold, 1962, 2. A. 1979, 3. A. 2002; Vaughan, R., Philip the Good, 1970, 2. A.
2002; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 1971, 2. A. 1979 bzw. 1998; Vaughan, R.,
Charles the Bold, 1973, 2. A. 2002; Rompaey, J. van, De grote raad van de
hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger,
bearb. v. Schieffer, T., 1977; Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en
Champagne, 1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas
Rolin, 1995; Esders, D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum,
1997; Schnerb, B., L’état bourguignon 1363-1477, 1999; Ehm, P., Burgund und das
Reich, 2002; Gresser, P./Richard, J., La gruerie du comté de Bourgogne aux XIV
et XVe siècles, 2004; Hofordnungen der Herzöge von Burgund, hg. v. Kruse, H. u.
a., Bd. 1 2005; Godding, P., La législation ducale en Brabant sous le règne de
Philippe le Bon, 2006; Oschema, K., Freundschaft und Nähe im
spätmittelalterlichen Burgund, 2006; Kamp, H., Burgund, 2007; Kraume, H.,
Glanzvolles Burgund, 2010; Bourgondie voorbij, 2010
Burgunder oder
Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht
Bornholm) über die Oder und Weichsel (um 57 n. Chr. bei Plinius dem Älteren und
um 150-170 n. Chr. bei Ptolemäus erwähnt) an den mittleren Rhein gelangten
ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der →Lex Burgundionum
bzw. →Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder
8. Jahrhundert untergegangenen Sprache ist möglicherweise außer dem Namen
nichts sicher bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A.,
Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De
l’établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die
französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les
Borgondes, 1968; Favrod, J., Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder,
2004
Burgundio von Pisa ist ein seit 1136 erwähnter
Übersetzer griechisch geschriebener Digestenstellen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 242
Burgus (M.)
bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem Germanischen (str.) seit dem
2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach (5. Jh.) allgemeiner eine Siedlung.
Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte,
teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der
Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh.,
Freiburg im Breisgau 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die
Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von →Bürger anzeigt. Im
14. Jh. schwindet b. wieder.
Lit.: Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung,
ZRG GA 50 (1930), 1ff,.; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt,
1953, 3. A. 1981; Schlesinger, W., Burg und Stadt, (in) Mitteldeutsche
Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965
Burgward (lat. burgward[i]um, 961) ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der
Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (→Burg) als
Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich (z. B. Biederitz, Möckern,
Magdeburg, Frohse, Barby, Calbe an der Saale, Haldensleben, Wanzleben,
Unseburg, 1. H. 11. Jh. Merseburg, Ritteburg, Wallhausen, Sulza).
Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895;
Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, (in) Mitteldeutsche Beiträge zur
deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158; Billig, C., Die Burgwardorganisation
im obersächsisch-meißnischen Raum, 1989
Burgwerk ist im Frühmittelalter die Verpflichtung
zur Unterhaltung von Burgen und ähnlichen Befestigungsanlagen. Im
Hochmittelalter begegnet hauptsächlich die Befreiung hiervon.
Lit.: Schlesinger, W., Burgen und
Burgbezirke (in Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des
Mittelalters, 1961, 158ff.
Bürokratie (F.)
ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw.
durch Trennung von Amt und Person bzw. durch Regelgebundenheit und durch
Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvorgänge gekennzeichnete
Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18. Jh.s erfasst.
Der frühe Liberalismus lehnt die B. ab, Max Weber versachlicht die Bedeutung
des Wortes.
Lit.: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A. 1986;
Wunder, B., Geschichte der Bürokratie in Deutschland, 1986; Süle, T.,
Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie,
1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Herrschaftsverdichtung,
Staatsbildung, Bürokratisierung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2011
Burschenschaft (1791) ist der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren
Landsmannschaften tretende, national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss
(Verbindung) der Studenten (1811 Jahn, F./Friesen, K., Ordnung zur Einrichtung
von Burschenschaften, 12. 6. 1815 Jena Urburschenschaft, 1819 Verbot der
Burschenschaften, geheime Wirksamkeit, 1848/1849 150 Abgeordnete der
Frankfurter Nationalversammlung Burschenschaftler, 1935 erzwungene
Selbstauflösung der Deutschen B., 1950 wieder begründet).
Lit.: Bayer, E., Die Entstehung der deutschen
Burschenschaft, 1883; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der
Burschenschaft, hg. v. Haupt, H., Bd. 1ff. 1910ff.; Brunck, H., Die deutsche
Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999; ein großes
Ganzes, hg. v. Brunck, H. u. a., 2011
Bursprake ist in Nordeutschland im Hochmittelalter
und Spätmittelalter (im Mittelniederdeutschen) die Versammlung der Nachbarn in
Stadt und Land. B. kann auch das dort verlesene oder geschaffene Recht
bezeichnen (z. B. Lübeck, Wismar). Verschiedentlich gewinnt die B.
gerichtliche Befugnisse.
Lit.: Bolland, J., Zur städtischen
Bursprake im hansischen Raum, ZLGA 36 (1956), 96
Bußbuch ist
das ein System kirchlicher →Bußen für Sünden enthaltende Buch
([→lat.] →Paenitentiale, liber paenitentialis). Es erscheint seit
dem 6. Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban,
(lat.) Liber [M.] de poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury,
[lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf dem Festland
(rund 400 Handschriften, u. a. Buch 19 von →Burchard von Worms,
Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.)
confessorum (Summe der Bekenner) der →Beichtstuhljurisprudenz.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die
Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, H., Die Bußbücher und
die Bußdisziplin der Kirche, 1888; Schmitz, H., Die Bußbücher und das
kanonische Bußverfahren, 1898; Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensies, 1929; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Bieler, L.,
The Irish Penitential, 1963; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978; Kottje,
R., Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus, 1980;
Körntgen, L., Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, 1993;
Kottje, R., Bußbücher in mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen, Sacris
erudiri 45 (2006), 305ff.
Buße ist
ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch eine Leistung an den
Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist dem römischen Recht als
die Geldsumme bekannt, mit der anfangs (in festen Sätzen) das vergeltende
Racherecht des Verletzten etwa bei Körperverletzung oder Sachbeschädigung
abgelöst wird (lat. [F.] poena). Die (lat. [F.] lex Aquilia stellt auf den Wert
der beschädigten Sache ab. In der jüdisch-christlichen Kirche ist die Buße die
Abwendung von einer sündhaften Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die
Germanen, bei denen ein Teil der B. auch an die Allgemeinheit fällt. In den →Volksrechten
des Frühmittelalters wird ein ganzes System von mehreren Zielen dienenden Bußen
(lat. compositiones) festgehalten (→Kompositionensystem), zu dem
insbesondere auch das →Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der →Bußbücher.
Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die →Strafe
zurückgedrängt, wobei die öffentliche Buße etwa im Bistum Konstanz noch im 15.
und frühen 16. Jh. erkennbar ist. (vgl. auch noch § 1497 sächsisches BGB von
1863). Die Leistung an den Verletzten wird mehr und mehr als →Schadensersatz
verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als an den Staat
(für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter fortgeführt, wobei
eine an eine Gemeinschaft zu leistende B. öfter gemeinsam vertrunken wird. Das
Reichsstrafgesetzbuch des deutschen Reiches von 1871 kennt (neben der Strafe)
die Zahlung einer B. für Beleidigungen und Körperverletzungen in den §§ 188,
231 StGB (in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1968, in der
Bundesrepublik Deutschland bis 1974). Ähnliche Regeln enthalten das Urhebergesetz,
das Patentgesetz und das Markenschutzgesetz bis 1965/1974.
Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 43ff., 2, 207ff.; Waechter, C. v., Die Buße bei Beleidigungen und
Körperverletzungen, 1874; Dochow, A., Die Buße im Strafrecht und Strafprozess,
1875; Dohna, A. zu, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen System des
Immaterialgüterschutzes, 1902; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG
GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541;
Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Rüping, H., Geldstrafe und Buße,
Z. f. s. ges. StW 85 (1973), 672; Hattenhauer, H., Über Buße und Strafe, ZRG GA
100 (1983), 53; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im
Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1ff.; Mansfield, M., The Humiliation of
Sinners, 1995; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001; Schumann, E.,
Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, 2003 (ungedr. Habilitationsschrift);
Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004
Bußgeld ist
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung
für eine Ordnungswidrigkeit.
Bussi, Emilio (13. 4. 1904-Rom 14. 11. 1997) wird
nach dem Studium des Rechtes 1940 Professor in Cagliari, 1958 in Modena und
widmet sich zunächst dem gemeinen Recht (La formazione dei dogmi di diritto nel
diritto comune, Bd. 1f. 1937ff.), danach dem Heiligen Römischen Reich der
frühen Neuzeit (Il diritto pubblico del Sacro Romano Impero, Bd. 1f. 1957ff.
Lit.: Dilcher, G., Nachruf ZRG GA
116 (1999), 707ff.
Buteil ist
im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht
teils in der Hälfte des Viehs, teils im →Besthaupt. Sie schwindet schon
am Ende des Frühmittelalters.
Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2
Büttel ist
der gebietende Mensch, insbesondere der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet,
pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens
wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. →Gerichtsvollzieher
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Angstmann, E., Der Henker in
der Volksmeinung, 1928; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991; Metzke, H.,
Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18.
Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener,
2002
Butzbach
Lit.: Bachmann, B., Die Butzbacher Stadtrechnungen im
Spätmittelalter, 2011
Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer von Rostock
abgeteilten Universität.
Lit.: Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur
armen mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008
Buxtehude
Lit.: Schindler, M., Buxtehude,
1959
Bynkershoek (Bijnkershoeck), Cornelis van (Middelburg/Seeland 29. 5. 1673-Den Haag 16.
4. 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und 1704
Richter des Hoge Raad van Holland en Zeeland (1723 Präsident). In seiner
Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer)
begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit
es mit Waffen beherrscht wird. Seine (lat.) Observationes (F.Pl.,
Beobachtungen) zu vielen Verfahren sind seit 1923 veröffentlicht.
Lit.: Star Numan, O., Cornelis van Bankershoek, 1869;
Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, (in) Zestig juristen, 1987,
141; Bergh, C. van den, Der Präsident Cornelis van Bijnkershoek, Zs. f. europ.
Privatrecht 3 (1995), 423
Byzantinisches Recht ist das in Ostrom (Byzanz)
gepflegte römische Recht in griechischer Sprache auf der Grundlage der
Kompilationstätigkeit Kaiser Justinians (527-565). Wichtigste Werke sind
Theophils Paraphrase der Institutionen, Nomos georgikos, Nomos nautikos (Ende
9. Jh.s), Eisagoge, Prochiron 907, eparchikon biblion (nach 907), Ekloge ton
nomon (941), 113 Novellen Kaiser Leon VI., Basiliken (888?) mit Scholien (11.
Jh.) und Kurzfassungen (z. B. synopsis Basilicorum 10. Jh.), Peira (M. 11.
Jh.), Nomokanones, Tipukitos (12. Jh.), Hexabiblos (14. Jh., endgültig erst
durch das Zivilgesetzbuch Griechenlands von 1946 abgelöst).
Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v.
Zachariae von Lingenthal, H. v., Bd. 1ff. 1856ff.; Zachariae von Lingenthal, H.
v., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Jus
Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J. u. a., Bd. 1ff. 1931ff.; Wenger. L., Die
Quellen des römischen Rechtes, 1953; Simon, D., Rechtsfindung am byzantinischen
Reichsgericht, 1973; Beck, H., Nomos, Kanon und Staatsräson in Byzanz, 1981;
Van der Wal, N. u. a., Historiae iuris graeco-romani delineatio, 1985;
Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986; Simon, D.,
Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73ff.;
Das Eparchenbuch Leons des Weisen, hg. v. Koder, J., 1991; Burgmann, L. u. a.,
Repertorium der Handschriften des byzantinischen Rechts, Bd. 1f. 1995ff.;
Letsios, D., Nomos Rhodiôn nautikos, 1996; Burgmann, L., Das byzantinische
Recht und seine Einwirkung auf die Rechtsvorstellung der Bachbarvölker,
Südosteuropa-Jahrbuch 26 (1996), 277ff.
Byzanz ist
die nach einem sagenhaften Gründer Byzas benannte, 326/330 von dem römischen
Kaiser Konstantin von Byzantion in Konstantinopel umbenannte Stadt am
Bosporus, die 395 Hauptstadt des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird
und damit zugleich für das von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der
von Kaiser Justinian (527-565) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete
zurückzugewinnen, bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios
(610-41) verstärkt griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das byzantinische Reich
in der Folge von Persern, Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert
nach der kirchlichen Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der
katholischen Kirche (1054) 1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine
Stellung als Großmacht. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die
Kreuzfahrer (1203/4) wird das byzantinische Reich unter die Venezianer und die
übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen, Serben und Bulgaren bedrohen den
verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit der Eroberung Konstantinopels am
29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw. das Byzantinische Reich.
Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des
griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Krumbacher, K.,
Geschichte der byzantinischen Literatur, 1897; Ball, H., Byzntinisches
Christentum, hg. v. Wacker, B., 2011; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des
mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im
früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes,
1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, (in) Handbuch der
Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und
Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994;
Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen
der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P.,
Byzanz, 2. A. 1994, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Simon, D., Die Epochen der
byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P.,
Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G.,
Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das
mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century,
1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Norwich, J., Byznanz, 1998;
Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die
Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz,
2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2001; Haldon, J.,
Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W., Finanzverwaltung in Krisenzeiten,
2002; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb.
v. Dölger, F., 2. A. 2003; Lilje, R., Byzanz, 2003; Lilie, R., Byzanz und die
Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen
Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou, E., 2006; Lilie,
R., Einführung in die byzantinische Geschichte, 2007; Encyclopaedic
Prosopographical Lexicon of Byzantine History and Civilisation, hg. v.
Savvides, A. u. a., 2007ff.The Cambridge History of the Byzantine Empire, hg.
v. Shepard, J., 2008; The Oxford Handbook of Byzantine Studies, hg. v.
Jeffreys, 2008; Meier, N., Anastasios I. Die Entstehung des byzantinischen
Reiches, 2009; Sommer, A., Die Münzen des byzantinischen Reiches 491-1453, 2010;
Schreiner, P., Byzanz zwischen Systematisierung und Atomisierung, HZ 292
(2011), 425
C
Caccialupus, Johann Baptista ist ein in San Severino in der Mark Ancona um 1420
geborener, in Perugia ausgebildeter, seit 1452 in Siena lehrender Jurist
(Tractatus de modo studendi in utroque iure, De modis arguendi, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 849
Caemmerer, Ernst von
(Berlin 17. 1. 1908-Freiburg im Breisgau 23. 6. 1985), Historikerssohn, wird
nach dem Studium des Rechtes in München und Berlin und der Promotion (1931,
Martin Wolff) Assistent und Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für
ausländisches und internationales Privatrecht in Berlin (Ernst Rabel) sowie
nach der Habilitation in Frankfurt am Main (1946 Walter Hallstein) 1947
Professor in Freiburg im Breisgau. Er wird sehr bedeutsam für die
Rechtsvergleichung.
Lit.: Festschrift Ernst von Caemmerer, 1978
Caepolla, Bartholomäus ist
ein in Verona um 1420 geborener, in Bologna und Padua ausgebildeter, 1445
promovierter, in Padua, Ferrara, Verona und Padua lehrender, 1475 oder 1477
verstorbener Jurist (De servitutibus, cautelae Caepollae, De contractibus
emptionum et locationum, De imperatore militum deligendo, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 843
Caesar (Cäsar),
Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird
nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr.
erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und auf die
britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im
Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er ermordet.
Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind seine
Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen berichten.
Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Caesar, Der gallische Krieg - Bellum
Gallicum - lateinisch-deutsch 6. A. 2011; Caesar, Der Gallische Krieg, hg. v.
Schönberger, O., 4. A: 2013;Gelzer, M., Caesar, 1921, Neudruck 1983, m.
Einführung v. Baltrusch, E., 2008; Walser, G., Caesar und die Germanen, ZRG GA
57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K.,
Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora,
L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch, E.,
Caesar und Pompeius, 2004, 2. A. 2010; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005, 3. A.
2011; Caesar, hg. v. Baltrusch, E., 2007; Will, W., Veni, vidi, vici. Caesar
und die Kunst der Selbstdarstellung, 2008; Will, W., Caesar, 2009; Jehne, M.,
Der große Trend, 2009
Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche
Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter
Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Delegierten der Generalstände
(états généraux) in Frankreich.
Lit.: Marion, M., Dictionnaire
des institutions de la France, 1923, 66
Calenberg ist
ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in
verwickelten Nachfolgen im Land →Hannover und damit über Preußen (1866)
in Niedersachsen (1946) aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die
Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das
Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980
Calonius →Turku
Calvin,
Johannes (Jean) (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem
Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris
Anhänger der Reformation Martin →Luthers (1533 Flucht aus Frankreich) und
beeinflusst von Genf aus Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Sein Hauptwerk
ist die (lat.) Institutio (F.) religionis christianae (Einrichtung der
christlichen Religion, 1536, Endfassung 1559). Der von ihm begründete
Calvinismus wirkt sich vor allem wegen der Verbindungen mit dem Humanismus und
der positiven Haltung gegenüber der humanistischen Ethik (über Hugo Donellus
und Dionysius Gothofredus) auf die Entstehung des weltliche Machtansprüche der
Kirche und die Unterscheidung von Klerikern und Laien ausschließenden öffentlichen
Rechtes und auf Gedanken der →Demokratie und des →Widerstandsrechts
sowie subjektiver Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und
Achtung der Menschenwürde bedeutsam aus.
Lit.: Köbler, DRG 153; Schulthess-Rechberg, G. v., Luther,
Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat und Kirche,
1909; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Müller, W., Church and State in
Luther and Calvin, 1954; Pfisterer, E., Calvins Wirken in Genf, 1957; Staedtke,
J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970;
Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u. a., 1989;
Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W., Calvin,
1994; Spijker, W. v., Calvin, 2001; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf
das humanistische Rechtsdenken, 2004; Persecution and Pluralism, hg. v. Bonney,
R. u. a., 2006; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2007; Calvin Handbuch, hg.
v. Selderhuis, H., 2008
Cambacérès,
Jean-Jacques-Regis de (Montpellier 1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach
Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent
(1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen Revolution drei
Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen →Code civil vor, die sich auch
wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den 1804 entstandenen
Code civil Frankreichs auswirken.
Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961
cambium (lat.
[N.]) →Wechsel
Cambrai
Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le
droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f. 1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland
und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59 (1939), 88
Cambridge am
Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus
der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus →Oxford eine Universität.
In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kennzeichnend für den Grundsatz der
Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca.
12000 Studenten).
Lit.: Emden, A., A biographical register of the University
of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the
University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P.,
Oxford and Cambridge, 2003
camerarius (lat.
[M.]) →Kämmerer
Canon (lat.-griech.
[M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen.
Hiervon leitet sich die Bezeichnung →kanonisches Recht ab.
Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum
des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen
außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)
Canossa →Investiturstreit
Lit.: Weinfurter, S., Canossa,
2006; Canossa 1077, hg. v. Stiegemann, C., 2006; Fried, J. Canossa, 2012; Canossa, hg. v. Hasberg, W. u. a., 2012; Fried, J.,
Canossa - Entlarving einer Legende, 2012
Cantiuncula (Chansonette), Claudius (Metz um 1490-Ensisheim 1549) wird nach dem
Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des
weltlichen Rechtes und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und
Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis
(1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechtes in Deutschland
nach den Grundsätzen des →Humanismus.
Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch,
G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355;
Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970
Capella (F.) regia
(lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den Merowingerkönigen eigene
Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz
und schließlich die Gesamtheit der mit dem König ziehenden Geistlichen
(capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen Großen). Im ostfränkischen
Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum
personalen Ausgangspunkt des ottonisch-salischen →Reichskirchensystems.
Mit dem →Investiturstreit verliert die c. r. ihre darauf gegründete
Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, Bd. 1f. 1959ff.
Capitaneus (lat.
[M.], zu lat. [N.] caput, Haupt) ist allgemein eine Bezeichnung für eine
hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am
Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere (städtische) Adlige Verwendung
findet (daneben auch in Schwaben, Friesland oder Brandenburg).
Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im
Mittelalter, 1916; Stahl, B., Adel und Volk im Florentiner Dugento, 1968; Kamp,
N., Konsuln und Podestà, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer
in Reichsitalien, 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische
Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; La
vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001
capitis deminutio
(lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit abgestuft bezüglich der
Freiheit, des römischen Bürgerrechts oder der Familienzugehörigkeit im
römischen Recht
capitula (lat.
[N.Pl.]) Kapitel (N.Pl.)
Capitula (N.Pl.) Angilramni sind die mit mehr als
230 Zitaten in zwei Dutzend der wichtigsten Kirchenrechtssammlungen zwischen
etwa 850 und 1150 am stärksten rezipierte Fälschung Pseudoisidors und bilden
eine wichtige Grundlage für das kirchliche Strafprozessrecht bis zur Gegenwart.
Lit.: Schon, K., Die Capitula
Angilramni. Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006; Schon, K.,
Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana,
2006
Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um
800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
capitulare →Kapitular
Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer
Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s abschriftlich überlieferte, in 70
Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten
Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der
Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches ordnen will (Forst, Ackerbau,
Viehzucht, Weinbau, Gärten, Handwerk, Haushaltung, Rechnungslegung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im
Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis,
ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur
Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971; Tautscher, A.,
Betriebsführung und Buchhaltung in den karolingischen Königsgütern,
Vierteljahrschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 61 (1974), 1ff.
Capitulare (N.) Haristallense (lat., Kapitular von
Herstal bei Lüttich) ist das im März 779 auf einer Reichsversammlung
geschaffene, in vielen jüngeren Abschriften überlieferte, sich erstmals als
(lat.) Capitulare (N.) bezeichnende Kapitular. Es enthält kirchliche und
weltliche Bestimmungen. Es versucht die Einschränkung der Fehde.
Lit.: Schneider, R., Zur
rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967), 273; Mordek, H.,
Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal, DA 61 (2005), 1
Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das nach streitiger
Ansicht die →Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde, in zwei
Handschriften überlieferte Kapitular Karls des Großen für Sachsen vom 28. 10. 797.
L.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareSaxonicum.htm;
Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968; Springer, M., Die
Sachsen, 2004
Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in einer Handschrift überlieferte, in
Kapitel gegliederte, (nach?) 782 entstandene Anordnung Karls des Großen
gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe,
Verbrennen der Leiche [archäologisch für das 8. Jh. kaum nachgewiesen],
Menschenopfer [nicht nachgewiesen]) anhängenden →Sachsen, die
auffälligerweise sehr häufig die →Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr
zweiter Teil erst 803 entstanden.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulatiodepartibusSaxoniae.htm;
Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970;
Schubert, E., Die Capitulatio pro partibus Saxoniae (in) Geschichte in der
Region, 1993, 3ff.; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Häßler, H., 1999;
Springer, M., Die Sachsen, 2004
Cappenberg
Lit.:
Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v. Niemeyer, G. u. a., 2005
Capua
Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd. 1f.
1957ff.
Carbonaria silva (lat. [F.] Kohlenwald, Erstbeleg
388 n. Chr. bei Sulpicius Alexander) ist der im Frühmittelalter als Grenze
bedeutsame Wald von südlich der Sambre bis etwa der Gegend von Löwen. Aus den
im (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Tit. 47) genannten unterschiedlichen
Fristen wird geschlossen, dass die Aufzeichnung erst nach 507 erfolgt ist, weil
erst zu dieser Zeit das Gebiet jenseits der Loire Teil des Reiches der Franken
wird. Im 8. Jh. verliert der Wald auch durch Rodungen seine Bedeutung.
Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und
das Frankenreich, 1997
Cardiff am
Taff in Wales ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es
Stadtrecht. 1883 erhält es eine Universität.
Carmer,
Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Rützen im Kreis
Guhrau 23. 5. 1801), reformierter Hofratssohn aus ursprünglich
niederländischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749
Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1763 Präsident der Oberamtsregierung
Breslau, 1768 Chefpräsident sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und
1779 als Folge der Müller-Arnold-Prozesse Großkanzler und Erster Minister des
Justizdepartements (bis 1795). Infolge seines Wirkens wird 1781 das
Prozessrecht im (lat.) →Corpus (N.) iuris Fridericianum ([Friedrichsches
Rechtskorpus,] Erstes Buch, 1793 überarbeitet in der Form der Allgemeinen
Gerichtsordnung) neu geordnet und vor allem durch Svarez die Entstehung des →Allgemeinen
Landrechts entscheidend gefördert.
Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Houwald, G. Frhr. v., Ahnen und Enkel des Johann
Heinrich Casimir Graf von Carmer, 1977
Carolina (lat.
[F.]) →Constitutio Criminalis Carolina
Carpzov,
Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595-Leipzig 30. oder 31. 8. 1666), Sohn eines
gleichnamigen Professors der Rechte in Wittenberg, wird nach dem Rechtsstudium
in Jena, Leipzig und Wittenberg (Wittenberg 1618 Promotion) 1620 Mitglied des
Leipziger Schöffenstuhls, 1644 Hofrat in Dresden, 1644/1645 Professor in
Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie
gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis
Saxonica rerum criminalium (1635, 9. A. 1695, 12. A. 1751, Neue
kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die erste systematische Darstellung des
(deutschen) Strafrechts unter Bemühung um Abgrenzung der harten ordentlichen
Strafen von den im Ermessen des Gerichts stehenden arbiträren Strafen. Die
(lat.) Iurisprudentia (F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D.
Augusti Electoris Saxoniae (1638, 8. A. 1721, Römisch-sächsische Rechtswissenschaft
nach den kursächsischen Konstitutionen) erklärt die kursächsischen Konstitutionen
an Hand der entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica
consistorialis (1649, 8. A. 1721, konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft)
ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktIurisprudentiaEcclesiasticaConsistoralis1649(1652).pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktIurisprudentiaRomanoSaxonica1638(9A1703).pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktPracticaNovaImperialisSaxonicaRerumCriminalium1635(1684).pdf
;Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens
für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I.
Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966),
310; Schieckel, H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I.
Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997;
Benedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Wilde, M., Die Zauberei-
und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003
Carta,
charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor allem die (vom
Veräußerer) subjektiv gefasste (und unterschriebene) Geschäftsurkunde
(Verfügungsurkunde) des frühmittelalterlichen Rechtsverkehrs (z. B. des
Klosters Sankt Gallen) im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde. Seit
dem 9. Jh. schwindet die c. Ihre Aufgabe übernimmt im 12. Jh. die
Siegelurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck
1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Redlich, O., Die
Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen
der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1951; Classen, P., Kaiserreskript und
Königsurkunde, 1977, 190; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P.,
1977
cartularius
(lat. [M.]) mittels Urkunde (lat. carta) Freigelassener
Lit.: Olberg,
G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges
Barbarorum, 1991
case-law
(engl. [N.]) →Fallrecht
Cassiodor,
Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach 580), aus in Kalabrien
begüterter Familie senatorischen Ranges, 507 (lat.) quaestor, 514 (lat.)
consul, 523-527 (lat.) magister officiorum, 533-537 (lat.) praefectus
praetorio, ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf
Grund seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.]
[epistulae] verschiedene [Briefe]) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien
bis 537 erkennen lässt (um 555 Rückzug in das von ihm gegründete Kloster
Vivarium).
Lit.: O‘Donnell, J., Cassiodor, 1979; Krautschick, S.,
Cassiodor und die Politik seiner Zeit, 1983; Meyer-Flügel, B., Das Bild der
ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor, 1992; Stüven, A., Rechtliche
Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Kakridi, C., Cassiodors
Variae, 2005
Cassius,
Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird als Schüler des →Sabinus
Haupt der römischen Rechteschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine
(mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen
Rechtes) sind nur mittelbar durch Auszüge überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
casum sentit dominus (lat.). Den (Fall bzw.) Zufall fühlt der Eigentümer (d. h.
seinen Schaden trägt grundsätzlich jeder selbst).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
casus (lat. [M.] Fall, Zufall
caupo (lat.
[M.]) Schankwirt
causa (lat.
[F.]) Grund, Ursache, Fall
Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner § 8;
Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952; Bremkamp, T.,
Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts, 2008; Fu, G., Das
Causaproblem im deutschen Bereicherungsrecht, 2010
causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen
causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen
causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten
causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten
Cautela (lat.
[F.], Vorsicht) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350
deutsch (mit lateinischen Zitaten) verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte
(8 Handschriften bis 1483) kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen
Verhalten vor Gericht (14 Zeilen Vorrede, 97 Zeilen Text, 11 Zeilen Nachrede). →Premis
Lit.: Unger, F., Des Richtes Stig, 1847; Homeyer, C., Der
Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RichtsteigLandrechtnebstCautelaundPremis1857.pdf;
Ovesfelde, H. v., Die Cautela, 1939; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
cautio (lat.
[F.]) Sicherheitsleistung bzw. das als Stipulation für den Fall eines künftigen
Schadens aus einem bestimmten Umstand (z. B. Einsturz eines Gebäudes)
abgegebene Leistungsversprechen des römischen Rechtes
Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW;
Salmen-Everinghoff, C., Zur cautio damni infecti, 2009
cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische →Sicherheitsleistung, →Mucius
Scaevola
Celle (nach Erhebung des
Fürstentums Calenberg-Grubenhagen zum Kurfürstentum 1692 Notwendigkeit eines
Oberappellationsgerichts, das als
Ausgleich für den Verlust als Residenz eines Teilherzogtums in C. 1711 eröffnet
wird)
Lit.: Figge, R., Altes Recht in
Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss von Reichshofrat und Reichskammergericht
auf die Entstehung und Entwicklung des Oberappellationsgerichts Celle, 1986;
Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2006; Stodolkowitz, S., Das
Oberappellationsgericht Celle, 2011; Dreihundert Jahre Oberlandesgericht
Celle, 2011; Rohde, R. u. a., Celle im Nationalsozialismus, 2012
Celsus,
Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater
des →Celsus (filius) bekannte klassisch-römische Rechtskundige.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137
Celsus,
Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der
bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen Rechtes (u. a. [lat.] Libri
[M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten) der Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n.
Chr.), von dem etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das
Recht ist die Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba
earum tenere, sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte
zu wahren, sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.)
Iuventianum (129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen
Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus,
(in) Prescriptive formality, 1994
Centena (lat.
[F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwaltungseinheit
streitigen Inhalts (Erstbeleg 511/558).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Dannenbauer, H., Hundertschaft,
centena und huntari, Hist. Jb. 62-69 (1949), 155; Metz, W., Zur Geschichte der
fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die
Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974; Murray, A.,
From Roman to Frankish Gaul, Traditio 44 (1988), 59ff.
Centenarius (lat.
[M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000
Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern,
Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt
des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil. Wien
1968); Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 33 (1988), 59ff.
Cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines Gesetzes weg, fällt das
Gesetz selbst weg.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse zu Digesten 35, 1, 72, § 6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG
KA 46 (1960), 81
cessio (lat.
[F.]) Abtretung (einer Forderung) →Zession
Chamave →Ewa
Chamavorum
Chambéry in
den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.
Champagne ist
die südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von
den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361
Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung
der Usages de C. und Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der
Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295
und 1300 den Ancien coutumier de C.
Lit.: Portejoie, P., L’ancien coutumier de Champagne, 1956;
Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977
Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem
Gleichheitsgrundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten
Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.
Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor
Gericht, 1980
Charisma (N.) Heil, Ausstrahlungskraft
Lit.: Das Charisma, hg. v.
Rychterova, P., 2008
Charivari (N.) Durcheinander, Wirrwarr, Katzenmusik
(Volksbrauch)
Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist die mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009
in ihrer überarbeiteten Fassung vom 12. 12. 2007 den Gemeinschaftsverträgen der
europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union rechtlich
gleichgestellte und damit rechtsverbindliche, neben den ungeschriebenen, als
allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts fortgeltenden Unionsgrundrechten
geltende Charta der Grundrechte in der Europäischen Union im Sinne eines formellen
Sytems europäischer Wertnormen. Diese objektive europäische Werteordnung nimmt
am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts Teil. Die letzverbindliche Kontrollzuständigkeit
hat der Europäische Gerichtshof.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ChartaderGrundrechtederEU2010.pdf
Charta der
Vereinten Nationen →Vereinte Nationen
Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte(, bis
Juli 1830 geltende) Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.
Chartepartie (aus
[lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht seit dem
Hochmittelalter die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes
(vgl. ADHGB von 1861).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 1883; Wattenbach, W., Das
Schiffswesen im Mittelalter, 1896, Neudruck 1958; Scrutton, T., The contract of
affreightment, 1939; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la
marine von 1681, 1996; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003
checks and balances Kontrollen und Ausgleiche durch Gewaltenteilung in der Verfassung
Chemnitz →Hippolithus
a Lapide
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952
China (u. a. 1983/1984 in Zhangjiashan im Grab M 247 mehr als 1000 Bambusleisten
aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt mit 70 Prozent Rechtstexten und 227
Bambusleisten mit einem Textkorpus Zouyanshu) (1271-1291 Aufenthalt Marco Polos
aus Venedig im mongolischen China, um 1900 starker Einfluss des deutschen
Rechtes) (1978 offizielle Übernahme westeuropäischen Rechtes begonnen, anfangs
angloamerikanisch, später auch deutsch)
Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China,
Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und
Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v.
Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim,
C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., The Social Life
of Opium in China, 2005; Falkenhausen, L. v., Chinese Society in the Age of
Confucius, 2006; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1279-1949, 2. A. 2009;
Schoettli, U., China, 2007; China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006;
Schmidt-Glintzer, H., Kleine Geschichte Chinas, 2008; Höllmann, T., Das alte
China, 2008; Schmieder, F., Marco Polo (1254-1324), 2009; Weiers, M.,
Geschichte Chinas, 2009; Lei, Y., Auf der Suche nach dem modernen Staat, 2010;
Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Kangying, L., The Ming
Maritime Policy in Transition. 2010; Kroll, S., Normgenese durch Re-Interpretation.
China und das europäische Völkerrecht, 2012; Zhang, Q., The Constitution of
China, 2012; Simon, K-. Civil Society in China, 2013
Chirographum (lat.-gr.
[N.] Handgeschriebenes) ist in der römischen Antike die (eigenhändig
geschriebene, subjektiv gefasste) Papyrusurkunde. Von England (Mitte 9. Jh.)
aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei Ausfertigungen auf einem
danach zerschnittenen Blatt hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges
Rechtsgeschäft (854/855?, Saint Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird
das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde, im Übrigen
durch die Urkunde öffentlicher Notare zurückgedrängt, bleibt aber bis zum 18.
Jh. in Gebrauch. →Chartepartie
Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW; Redlich,
O., Die Privaturkunde des Mittelalters, 1911; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und Teilurkunde
im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233; Parisse, M., Remarques sur les
chirographes, AD 32 (1986), 546ff.; Anglo-Saxon Manuscripts and their Heritage,
hg. v. Pulsiano, P. u. a., 1998
Chlodwig (Chlodowech, 466-511), merowingischer
König der Franken (482-511)
Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und
das Frankenreich, 1988, 3. A. 1997
Chorbischof (Landbischof)
ist im oströmischen Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des
städtischen Bischofs für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s
erscheint unter angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh.
aber wieder schwindet (Konzil von Metz 888).
Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928,
Neudruck 1963; Müller, J., Gedanken zum Institut der Chorbischöfe , FS K.
Pennington, 2006, 77ff.
Chorherr ist
der (Kanoniker bzw.) Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden
Kapitels (mit Sitz im Chor) ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen
sich schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter
entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um
755 regula canonicorum, Konzil von Aachen 816). Die frühhochmittelalterliche
Kirchenreform führt zur stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12.
Jh. werden Empfehlungen des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen
(Augustinerchorherr).
Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in
Deutschland, 1976; Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163;
Crusius, I., Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, 1985; Die
Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003
Chrenecruda (afrk.
„reine Erde“?) ist die in Titel 58 des salfränkischen Volksrechts (Pactus legis
Salicae) erwähnte, den leistungsunfähigen Wergeldschuldner betreffende →malbergische
Glosse, die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes
oder vielleicht auch aus einer magischen Zauberhandlung übernommenes
Formalverhalten bezieht.
Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28
(1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica,
1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252
Christentum ist
die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner Anhänger. Unter Fortführung
jüdischer Vorstellungen des alten Testaments geht das C. davon aus, dass sein
Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen Tod am Kreuz die Menschen
von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran anknüpfenden Gedanken (Urchristentum
30-150 n. Chr.) breiten sich im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat
seit dem 2. Jh. und entschieden seit der Mitte des 3. Jh.s das C. verfolgt,
ohne dass der gewollte Erfolg erreicht wird. Durch das Toleranzedikt Kaiser
Konstantins (311) wird das C. gleichberechtigter Kult, durch Kaiser Theodosius
I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem
auf die germanischen Völker über (im 5. und 6. Jh. Bischofskirchen in den
Bischofsstädten, während z. B. im Rheinland die Zeugnisse für die ländlichen
Gebiete noch spärlich bleiben (Flonheim nordwestlich Alzeys) und Belege für
Heidentum noch reichlich zu finden sind. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu
den besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In
der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der
Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde, doch bedeutet die französische
Revolution von 1789 eine Wende zu Säkularisierung.. Bereits kurz nach seiner
Entstehung entwickelt das C. in Anlehnung an römisches Recht ausgeprägte
rechtliche Regeln (→kirchliches Recht), die in vielen Hinsichten das
weltliche Recht mitgestalten.
Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG
51, 68, 99, 146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R.,
Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 1949, 4. A. 1976, 6. A.
1998; Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 1965,, 10. A.
20118. A. 2004; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W.,
Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff., 2. A. 1960ff.; Christentum,
Säkularisation und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981;
Deschner, K., Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1988ff.; Die
Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999;
Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter,
A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan, J., Der historische
Jesus, 1994; Drobner, H., Lehrbuch der Patrologie, 1994, 2. A. 2004, 3. A. 2011;
Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte
des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im Alpenraum,
1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und
Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998;
Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der
christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher
Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v.
Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000;
Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a.
2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum,
2002; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch,
S., Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen Christentum, 2003; Tamcke, M.,
Das orthodoxe Christentum, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das
Christentum, 2004; Zschoch, H., Die Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter,
2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Bonifatius, hg.
v. Felten, F., 2004; The Spread of Christianity in the first four Centuries,
hg. v. Harris, W., 2005; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Markschies,
C., Das antike Christentum, 2006; Seebaß, G., Geschichte des Christentums, Bd.
3 2006; Engberg, J., Impulsore Chresto, 2007; Terrien, M., La christianisation
de la région rhénane du IVe au milieu du VIIIe siècle, 2007; Fonti per la
storia della cristianizzazione dei Germani, hg. v. Mico, N. de u. a., 2007; Judge,
E., The First Christians in the Roman World, 2008 (Aufsätze); Habermas, R.,
Mission im 19. Jahrhundert, HZ 287 (2008), 629; Gender and Christianity in Medieval
Europe, hg. v. Bitel, L., 2008; The Oxford Handbook of Early Christian Studies,
hg. v. Ashbrook, S. u. a., 2008; Koch, D., Bilder aus der Welt des
Urchristentums, 2009; Cook, J., Roman Attitudes Toward the Christians, 2010;
Erinnerungsorte des Christentums, hg. v. Markschies, C. u. a., 2010; Athanasius
Handbuch, hg. v. Gemeinhardt, P., 2011; Hume, D., The Early Christian
Community, 2011; Wendt, H., Die missionarische Gesellschaft, 2011; Lange, C.,
Eine kleine Geschichte des Christentums, 2012; Leppin, V., Geschichte des
mittelalterlichen Christentums, 2012; Brunner, K., In Freiheit glauben, 2013;
Schwertmission, hg. v. Kamp, H. u. a., 2013; Koch, D., Geschichte des
Urchristentums, 2013 (ca. 30 n. Chr.-150 n. Chr.); Schlögl, R., Alter Glaube
und moderne Welt - Europäisches Christentum im Umbruch 1750-1850, 2013
Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung
(Eusebius [um 325], Hieronymus [um 378], Paulus Orosius [417], Isidor von
Sevilla [um 627], Regino von Prüm, Frutolf von Michelsberg, Kaiserchronik
[1140/1150], Otto von Freising, sächsische Weltchronik [um 1230?], Magdeburger
Weichbildchronik [1235-1250], Martin von Troppau)
Lit.: Schmidt, H., Die deutschen
Städtechroniken, 1958; Krüger, K., Die Universalchronik, 1976ff.; Schwäbische
Chroniken der Stauferzeit, 1978; Schmale, F., Funktion und Formen
mittelalterlicher Geschichtsschreibung, 1985; Sprandel, R., Chronisten als
Zeitzeugen, 1994; Van Houts, E., Local and Regional Chronicles, 1995; Naß, K.,
Die Reichschronik des Annalista Saxo, 1996; Hauptwerke der
Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Goetz, H.,
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 1999;
Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit,
2000; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz
1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und
Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum
Romanorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003; Von Fakten und Fiktionen, hg. v.
Laudage, J., 2003; Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Naß, K., 2006; Encyclopedia of thje Medieval Chronicle, hg. v. Dunphy,
G., Bd. 1f. 2010; Nuhn (von Hersfeld), J., Die „Wallensteiner Chronik“, hg. v.
Krafft, O., 2013
Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die
Zeit (Zeitkunde).
In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an
gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms
[753 v. Chr.]). Julius Caesar geht dabei (46 v. Chr.) von drei Jahren zu 365
Tagen und einem Jahr von 366 Tagen, einem Jahresbeginn am 1. Januar und 12
Monaten aus. Die Rechnung der Jahre nach Christi Geburt leitet sich von
Eusebius von Caesarea (frühes 4. Jh.) oder von den Ostertafeln des Dionysius
Exiguus (525) her, die sich zu Beginn des 8. Jh.s in England durchsetzt und von
dort auf das Reich der Franken übergreift. Regino von Prüm datiert ab Christi
Geburt und wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die durchgehende
Zählung nach Inkarnationsjahren an. Wegen der 11 Minuten und 14 Sekunden das
Sonnenjahr überschreitenden tropischen Jahres des julianischen Kalenders (ein
Tag in 128 Jahren), folgt in der Reform des Jahres 1582 (gregorianische
Kalenderreform mit einer fehlerhaften Abweichung von einem Tag in 3323 Jahren)
auf den 4. Oktober der 15. Oktober. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden auch die
vorchristlichen Jahre nach Christi Geburt gezählt. Eine internationale
Standaridiserung geht in der Gegenwart von der Schreibweise Jahr, Monat, Tag
(z. B. 2007-09-30) aus.
Lit.:
Grotefend, H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit,
1891ff., Neudruck 1970; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung, 1898, 14.
A. 2007; Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit, 1897; Mahler,
E., Handbuch der jüdischen Chronologie, 1919, Neudruck 1967; Sonntag, R.,
Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen
Mittelalters, 1987; Brincken, A. v. d., Historische Chronologie des
Abendlandes, 2000; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Gutmann, A., Die Schwabenkriegschronik
des Kaspar Frey, 2010
Chur
Lit.: Casparis, H., Der Bischof
von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin, F., Die Churer Waisenpflege, 1920;
Deplazes, L., Reichsdienste und Kaiserprivilegien, 1973
Cicero,
Marcus Tullius (Arpinum 3. 1. 106-bei Formiae 7. 12. 43 v. Chr.), aus der
Ritterschicht (eques) seines Geburtsorts stammender, 104 v. Chr. nach Rom
gelangender und dort römisch-griechisch erzogener Schüler des Mucius augur und
des Mucius Scaevola, ist nicht nur ein machtbewusster und ehrgeiziger, beweglicher,
aber mit Vorsicht zu benutzender und kaum an die tatsächliche Macht gelangter
Politiker (63 v. Chr. Konsul), sondern in erster Linie der bedeutendste
Gerichtsredner und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor
allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der
Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Naturrechtsidee
an die spätere Zeit.
Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler,
DRG 17; Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991;
Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik, 1989, 4. A. 1997; Marcus
Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M., 1997; Kurczyk, S.,
Cicero und die Inszenierung der eigenen Vergangenheit, 2006; Res publica und
Demokratie, hg. v. Richter, E. u. a., 2007; Fox, M., Cicero’s Philosophy of
History, 2007; Lintott, A., Cicero as Evidence, 2008; Bringmann, K., Cicero,
2010; Pina Polo, F., Rom, das bin ich, 2010; Pflüger, H., Ciceros Rede pro Q.
Roscio comoedp, 2013
Cinus (de
Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach
dem Studium des weltlichen Rechtes in Bologna Anhänger des deutschen Königs Heinrich
VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und
wird Professor in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333),
Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334). Sein Hauptwerk ist der um 1312 bis
1314 verfasste Kommentar zum Codex, neben dem Glossen, quaestiones, consilia
und ein Traktat De successione ab intestato stehen.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita e opere, 1881; Libertini,
V., Cino da Pistoia, 1974; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 633
Cisleithanien ist die nichtamtliche Bezeichnung der Länder Österreichs diesseits des
Flusses Leitha (Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Krain,
Küstenland, Dalmatien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Böhmen, Mähren, Schlesien,
Galizien und Bukowina [im Gegensatz zu Transleithanien]), die bis 1915 als die
im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder umschrieben und dann als
Kaisertum Österreich benannt werden.
Lit.:
Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988
Civilian ist
im englischen Recht die Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law)
ausgebildeten Juristen.
Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey
Millar, D. u. a., 1997
civis (lat.
[M.]) Bürger
Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964
civis (M.) Romanus (lat.) römischer →Bürger
civitas (lat.
[F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft
Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894,
Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt
clam (lat.)
heimlich
clausula (lat.
[F.]) Klausel
clausula (lat. [F.]) arbitraria Ermessensklausel des römischen Rechtes (z. B. auf
Herausgabe einer Sache) in der Klageformel
Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die für Einzelfälle bereits im Altertum angesprochene,
im Hochmittelalter auf dieser Grundlage zum Ausdruck gebrachte Vorbehaltsklausel
der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus
sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden
Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen
bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die
Geschäftsgrundlage, (in) Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153;
Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985;
Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991; Gieg, C., De tacita
conditione rebus sic stantibus, Diss. jur. Würzburg 1991; Rummel, M., Die
clausula rebus sic stantibus, 1991
Clementinen (Clementinae) sind die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht
auf Ausschließlichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst
Johannes XXII. (1316-1334) am 23. 10. 1317 (Bulle Quoniam nulla) in 106
Kapiteln herausgegebenen →Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.) →corpus
(N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Die 1326
abgeschlossene Bearbeitung durch Johannes Andreae wird zur (lat.) glossa (F.)
ordinaria (ordentlichen Glosse).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Clementinae1314.pdf;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Tarrant, J., Constitutiones Clementinae, ZRG KA 70 (1984),
67ff., 71 (1985), 76ff.
clientes (lat. [M.Pl.]) Klientel, geschützte
Abhängige, Anhänger, Dienstleute
Lit.: Patronage in Ancient
Society, hg. v. Wallace-Hadrill, A., 1990
Cluny (nordwestlich Mâcons) in Burgund ist die vom Herzog von Aquitanien am 11. 9. 910
gegründete Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen
Reformbewegung (kluniazensische Kirchenreform) mit rund 300 angeschlossenen
Männerklöstern und Frauenklöstern wird. Mit der Umformung zum Orden und der
Einführung von Generalkapiteln verliert C. um 1200 seine besondere Stellung. Das
Kloster wird 1790 im Zuge der französischen Revolution aufgehoben. Die Kirche
wird anschließend bis auf einen Querhausarm abgerissen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd.
1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J.,
1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny,
1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a., 1997ff.;
Racinet, P., Crises et renouveau, 1997; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998;
Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, hg. v. Constable, G. u.
a., 1998; Prat, D., Études clunisiennes, 2002; Baud, A., Cluny, 2003; Barret,
S., La mémoire et l’écrit, 2004; Rosé, I., Construire une société seigneuriale,
2008;Lamke, F., Cluniacenser am Oberrhein, 2009; Hurel, O./Riche, D., Cluny,
2010
Coburg
Lit.: Das älteste Coburger
Stadtbuch 1388-1453, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977
Cocceji,
Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679-Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völkerrechtsprofessors
Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719),
wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort (1702) Professor,
tritt aber wenig später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens
(1711-1713 Delegierter Preußens am Reichskammergericht in Wetzlar, 1713
Präsident des Kammergerichts in Brandenburg, 1727 Etatminister, 1731 Präsident
des Oberappellationsgerichts, 1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister),
wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn gehen die 1747/1748 erschienenen
Gerichtsordnungen (Projekt des Codicis Fridericiani Pomeranici, Projekt des
Codicis Fridericiani Marchici) zurück (1746 Abschaffung der Aktenversendung),
während der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechtes auf der Grundlage
der dem römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des
Corpus juris Fridericiani, Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751,
Obligationenrecht 1753 bei Versendung verloren) im Ergebnis scheitert. Von
beachtlichem Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der
bestehenden Gerichtsverfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755
Justizprüfungskommission, Verbot der Aktenversendung, geordneter dreistufiger
Instanzenzug).
Lit.: Köbler, DRG 140; Codex Fridericianus Marchicus, 2000
(Einführung durch Mohnhaupt, H.); Trendelenburg, F., Friedrich der Große und
sein Großkanzler Samuel von Cocceji, 1964; Neufeld, H., Die fridericianische
Justizreform, Diss. jur. Göttingen 1910; Springer, M., Die Coccejische
Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961
Code civil
ist das (am 24. 3.) 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach
ersten vergeblichen Versuchen unter König Heinrich III. (1574-1589), das
hinsichtlich einer Linie Bordeaux-Lyon-Genf südliche droit écrit (Schriftrecht
römischer bzw. westgotischer bzw. burgundischer Herkunft) mit dem nördlichen droit
coutumier (Gewohnheitsrecht überwiegend fränkischer Herkunft) zu verbinden, greift
die französische Revolutionsbewegung trotz Fehlens von Vorarbeiten auch die
Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechtes auf und bestimmt in der
Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes à tout le
royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze)
geschaffen werden soll (il sera fait). Nach vier erfolglosen Entwürfen (1793 [719
Artikel, Gleichberechtigung der Ehegatten, einfache Scheidung, Zersplitterung
der Erbschaft durch gesetzliche Erbfolgeteilung, Adoption], 1794 [297 Artikel]
und 1796 [Projet de Code civil] durch Cambacérès, 1798-1799 durch Target) wird
hierfür am 12. 8. 1800 eine von der Regierung abhängige Kommission (vier
ehemalige Rechtsanwälte Tronchet, Portalis [römisches Recht], Bigot de
Préameneu, Maleville [römisches Recht, traditionell]) eingesetzt, die in vier
Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 bzw. 55 von 102
bzw. 107 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung
und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36
Einzelgesetze (Verordnungen) fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 (unter
Abschaffung des alten Rechtes) als Code civil des Français zusammen (1807 Code
Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Der C. c.
umfasst 2281 Artikel ([2010] 2285), die in (einen Titre préliminaire und
ausgehend vom Institutionensystem in) drei Bücher (Personen [keine Bestimmungen
über juristische Personen], Güter und Eigentumsabwandlungen,
Eigentumserwerbsgründe (u. a. Erbrecht, Schuldrecht]) geteilt sind. Die
Bestimmungen verwirklichen antifeudalistische, egalitäre und zentralistische
Grundsätze der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches
bzw. germanisches Gedankengut (Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem
Gesetz, Laizität, kennzeichnend sind Säkularisierung des Zivilstands und der
Ehe, beschränkte Scheidungsfreiheit, starke väterliche Gewalt, ungleiche
Stellung unehelicher Kinder, Verbot der Vaterschaftsuntersuchung, Eigentum,
Vertragsfreiheit, Deliktshaftungsgeneralklausel, Gleichheit der Erbschaft,
großer Pflichtteil). Sie treten außer in Belgien, Genf, Piemont, Italien (bis
1813) und Holland sowie im Großherzogtum Warschau (später Königreich Polen) und
kurzfristig im Villacher Kreis und in Osttirol auch in den linksrheinischen
Annexionsgebieten in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12.
1810/29. 5. 1811-1. 10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814
[Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen
Departement, 1808 im Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im
Großherzogtum Berg (1. 1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814),
1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814)
und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1.
1814) und 1808 in Danzig (21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C.
c. in Geltung (linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen,
Birkenfeld, Rheinbayern, (rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des
Reichsgebiets mit ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der
C. c. mehr oder weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung
vieler Länder (Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien
1865-1940, Schweiz, Spanien 1889, Portugal 1867, Südamerika und Mittelamerika [Haiti
1825, Mexiko-Oaxaca 1828, Bolivien 1830, Costa Rica 1841, Peru 1852, Chile
1855, Mexiko 1870, Argentinien 1871, Brasilien 1916, Peru 1936], Louisiana
1808, 1825, Rumänien 1863/1865, Ägypten 1865, Quebec 1866, französische
Kolonien in Afrika). Wichtige Kommentare stammen von Charles-Bonaventure
Toullier und Alexandre Duranton. Im Vordergrund steht im 19. Jh. die Exegese
des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der Gerichtspraxis. Durch Novellen ist der C.
c. an geänderte Vorstellungen angepasst (z. B. 1807 Majorat, 1816 Verzicht auf
die Scheidung, 1819 Streichung des Erbverbots für Ausländer, dann Aufhebung des
bürgerlichen Todes und des körperlichen Zwanges, 1884 Ehescheidung, 1896 und
1912 Verbesserung der Rechtsstellung unehelicher Kinder, 1907 Recht der Ehefrau
auf Arbeitslohn, 1938 Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Ehefrau,
Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité, 200 Jahre
nach Inkrafttreten noch etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes in manchmal
destrukturierter Fassung in Kraft), durch neue Codes (z. B. Code de la
propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner
Bedeutung geschwächt. 2002 wird ein viertes Buch für das Überseegebiet Mayotte
angefügt, das 2006 nach Schaffung eines vierten Buches über Sicherheit zum
fünften Buch wird.
Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141,
180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, K., Handbuch des französischen
Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Fenet, P., Recueil complet des travaux
préparatoires du Code civil, 1827; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des
französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code
civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm,
W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241;
Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A.,
Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E.,
Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977;
Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in
Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A.
1995; Halpérin, J., Le Code civil, 1996, 2. A. 2003; Code Napoléon. Badisches
Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a., 1997; Caroni, P., Saggi sulla
storia della codificazione, 1998; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des
Français, ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004;
Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y.,
2004; Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004, 2004; Code civil (Text imprimé). Les défis
d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C. u. a., Der französische Code civil, NJW
2004, 3757; Le Code Napoléon, hg. v. Beauthier, R., 2004; Richterliche
Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb
Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 (S. 21 Angabe der Übersetzungen
ins Deutsche); Zweihundert (200) Jahre Code civil, hg. v. Schubert, W. u. a.,
2006; Le Bicentenaire du Code civil, hg. v. Witz, C., 2006; Geyer, S., Den Code
civil richtiger auslegen, 2008
Code de commerce ist
das den Code Savary (Ordonnance) von 1673 und die Ordonnance de la marine von
1681 verwendende, von Gorneau, Vital Roux und Morgues redigierte, 1807
geschaffene Handelsgesetzbuch Frankreichs.
Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen römisch-kanonischen Prozess
seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes Beweisverfahren reformierenden
königlichen Gesetze (ordonnances) verstärkende Zivilprozessgesetzbuch Frankreichs
von 1806 (öffentliches, mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle
des Richters, unmittelbare Beweisaufnahme, Anwaltszwang, Prinzip zweier
Instanzen, obligatorischer Vergleichsversuch, Notwendigkeit der Urteilsbegründung,
in Kraft 1807), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen
Nouveau Code de procédure civile mit erheblichen Erweiterungen der
richterlichen Befugnisse ersetzt wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P.,
Théorie de la procédure civile 1828; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss.
jur. Lausanne 1986; 1806 - 1976 – 2006;
De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006
Code d’instruction criminelle
ist das seit 1801 geplante Strafprozessgesetzbuch Napoleons für Frankreich vom
16. 11. 1808 (in Kraft getreten am 1. 1. 1811), das 1958 durch den Code de procédure
pénale ersetzt wird.
Lit.:
200 Jahre Code d’instruction criminelle, hg. v. Jung, H. u. a., 2010
Code Napoléon
ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige
Name des →Code civil.
Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code
Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in
Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des
Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code
Napoléon et Code Civil vaudois, (in) Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross,
N., Der Code Napoléon in Baden, 1997
Code pénal
ist das (einem Code pénal von 1791 und des Jahres IV sowie einem Entwurf eines
Code criminel von 1804 folgende) Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810 (in Kraft
getreten zum 1. 1. 1811), das seit 1989 erneuert wird (neuer Code pénal
1992/1994).
Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code
pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
codex (lat. [M.] Klotz, Scheit
Holz, von Holzbrettchen umschlossener Beschreibstoff, Beschriftungstafel für
Schriftrollen, Tafel, verbundene Mehrheit von Tafeln oder Pergamentstücken,
Buch (als günstiger Alternative zur Schriftrolle, bereits im 2. Jh. n. Chr. in
der christlichen Literatur ziemlich verbreitet, für Texte von Rechtskundigen vielleicht
seit Anfang des 4. Jh.s, etwa
seit dieser Zeit weitgehend durchgesetzt)
Codex (lat.
[M.]) ist allgemein das umfassende Buch von Gesetzen bzw. Konstitutionen (Gesetzbuch)
im Gegensatz zum Einzelgesetz (lat. [F.] constitutio). Im Besonderen ist C. das
kompilatorische, (römischrechtliche) Buch der Gesetze (Konstitutionen) (Gesetzbuch)
des oströmischen Kaisers →Justinian (527-565). Dieser lässt ab 13. 2. 528
(Konstitution [lat.] De novo codice componendo, Über den neu
zusammenzustellenden C.) von einer zehnköpfigen Kommission unter der Leitung
Tribonians aus dem Codex Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex
Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der
römischen Kaiser (ab Hadrian) unter Tilgung von Widersprüchen in einem nur im
Index der Titelrubriken und Inskriptionen von Buch 1, 11-16 (im Papyrus Oxy 15,
1814) und im Übrigen nicht erhaltenen Codex (Iustinianeus) (vetus) (veröffentlicht
unter dem 7. 4. 529) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und
drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis, Gesetzbuch der
wiederholten Vorlesung, 16. 11. 534). Dieser durch Bruchstücke eines Palimpsests
des 6. oder 7. Jh.s und jüngere, ebenfalls jeweils unvollständige Handschriften
(Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt
in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9
Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert
als C. nach Buch, Titel [in Ediktsordnung] und Konstitution sowie
gegebenenfalls Paragraph, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge
ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305, 1200, der Severerkaiser
880, Konstantins 200, Theodosius’ I. und Theodosius’ II. 550, Justinian 400)
mit insgesamt etwa 400000 (407860?) Wörtern. Im Mittelalter werden als C. nur
die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum →Volumen (parvum)
gerechnet wird.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15;
Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private
und unvollständige Gesetzessammlung für →Österreich (unter und ob der
Enns).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexaustriacus1704bd1.pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexaustriacus1704bd2.pdf Köbler, DRG
145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704
Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen
um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palimpsesthandschrift
erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen
Recht beeinflusst ist. →Lex Visigothorum
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A.,
Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller,
F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R.,
Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Codex (M.) Fridericianus Marchicus s. Project des
Codicis Fridericiani Marchici
Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius
(Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat
erstellte, in Bücher und Titel gegliederte, dort chronologisch gereihte, nur
bruchstückweise (in den fragmenta Vaticana und in Auszügen in der Lex Romana
Visigothorum) erhaltene, bis Mai 291 reichende Sammlung von Konstitutionen
(Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis Diokletian (284-305).
Der C. ist in späteren Werken (u. a. →Codex [Justinians]) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) Hammurapi →Hammurapi
Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der
Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291
und von 295 bis 298) und bekannten Rechtskundigen namens →Hermogenian privat
erstellte, in Titel gegliederte, später ergänzte, nur bruchstückweise
erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende Sammlung von Konstitutionen
(Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren
Werken (u. a. →Codex) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22;
Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von →Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene,
am 7. 10. 1751 für →Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts
(Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die
Rechtszersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben
als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.
Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988
Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von →Kreittmayr in deutscher Sprache aus
bayerischem Recht (meist von 1616) und gemeinem Recht (z. B. über Klage,
Provokationsprozess, Wirkungen der Ladung, Urheberbenennung, Rechtskraft,
Restitution, Syndikatsklage, Immission) geschaffene, gegenüber einem Entwurf
deutlich veränderte, 1753 in Kraft gesetzte, klare und fast lückenlose,
Prozesse erfolgreich abkürzende Zivilprozessgesetzbuch →Bayerns, das
sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870
gilt.
Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche
Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schöll, W., Der
Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex iuris Bavarici
judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a., Kommentar über die
bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck 1993
Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh. geschaffene Gesetzbuch der
katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch →Gasparri in die Wege
geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet, wird es am 27. 5. 1917 zum
18./19. 5. 1918 in fünf Büchern (allgemeiner Teil, Personenrecht, Sachenrecht,
Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran schließt sich (25. 1. 1983
promulgiert, 27. 11. 1983 in Kraft) 1983 eine seit 1959 vorbereitete Neufassung
an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung, Verkündigungsdienst der Kirche,
Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess). Daneben steht für 29
katholische Ostkirchen der am 18. 10. 1990 promulgierte und am 1. 10. 1991 in
Kraft getretene (lat.) Codex (M.) canonum ecclesiarum orientalium (Gesetzbuch
der Bestimmungen der östlichen Kirchen).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexiuriscanonici1917.htm
Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P.,
1917; Stutz, U., Der Geist des Codex iuris canonici, 1918; Codicis iuris
canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Le droit et les
institutions de l’église catholique latine de la fin du XVIIIe siècle a 1878,
1981; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner
Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici,
Stichwortverzeichnis, 1986
Codex (M.) Iustinianeus →Codex
Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist das von →Kreittmayr auf der Grundlage des
vorangehenden Landrechts Bayerns und des gemeinen Rechtes in Zusammenwirken mit
der Ständevertretung und den Justizbehörden in München, Landshut, Burghausen,
Straubing und Amberg in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 veröffentlichte,
alle zur bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit gehörigen Materien samt Jagdrecht,
Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und
statutarischen Rechtsgrundsätzen zusammenfassende Gesetzbuch („neu
verbessertes und ergänztes kurbayerisches Landrecht“, Kompilation). Der C.
gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen in vier Teile
(Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht). Er löst das bayerische
Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten, wird auf
die 1815 erworbenen Gebiete (außer Rheinpfalz) erstreckt und wird zum 31. 12.
1899 durch das →Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,)
Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff.,
Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen
1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967;
Zimmermann, K., Die Monita zum Entwurf des Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis, 2008
Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden, nur teilweise
verwirklichten Plan (eines C. T. aus Konstitutionen und Schriften von Rechtskundigen)
in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und am 1. 1.
439 in der östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von
Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete (amtliche)
Buch der Gesetze (Gesetzbuch) Kaiser Theodosius’ II. (408-450) mit vielleicht
294054 Wörtern. Der dem Vorbild des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und Codex
Hermogenianuns folgende C. enthält ungefähr 2500 kaiserliche Konstitutionen
(Gesetze) von 313 (Konstantin) bis 437 (Theodosius II.) aufgeteilt in etwa 3250
Stücke. Er gliedert sich in der Ordnung des Edikts in 16 Bücher (1,1-1,4 Rechtsquellen,
1,5-1,35 Staatsverfassung Gerichtsverfassung, 1,1-18a Verfahren, 1,19-5 Privatrecht,
6 Standesrecht, 7 Militärrecht, 8,1-11 Subalternbeamte, 8,12-19 unentgeltlicher
Erwerb, 9 Strafrecht mit Strafverfahren und Strafvollstreckung, 10 Fiskalrecht,
11,1-28 Steuerrecht, 11,29-39 Verfahren, 12 Gemeinderecht, 13 Berufskörperschaften,
14 Sozialleistungen in Großstädten, 15 Lustbarkeiten, 16 Kirchenrecht bzw. 1,
6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche)
sowie insgesamt rund 450 (systematisch angeordnete?) Titel und ist innerhalb
dieser Titeleinteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400
Konstitutionen hauptsächlich durch das (lat.)→Breviarium (M.) Alaricianum
(506, Kurzbuch des Alarich) auszugsweise überliefert (ein Drittel?), die
Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften (Rom, Biblioteca Vaticana, Vat. reg.
886, Paris, Bibliothèque Nationale Cod. 9643) und Papyri (P. Oxy 15, 1913 u.
a.). Der C. T. wird in Ostrom ab 527-534 von den Kompilationen Kaiser Justinians
(Codex) verdrängt, in den westgotischen Gebieten durch das Breviar Alarichs II.
(lat. [N.] Breviarium Alaricianum)
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21,
22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen,
T., 1905; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Rechtes, 1888, 2. A. 1912; Seeck, O., Regesten der Kaiser und Päpste für die
Jahre 311 bis 476 n. Chr., 1919; Codex Theodosianus, hg. v. Krüger, P., 1923
(etwas vollständiger durch im Codex Justinians übernommene, veränderte
Stellen); Gradenwitz, O., Heidelberger Index zum Theodosianus, 1925,
Ergänzungsband 1929; The Theodosian Code and novels, and the Sirmondian
constitutions, übers. v. Pharr, C., 1952; Gaudemet, J., La formation du droit
séculier et du droit de l’Eglise aux IVe et Ve siècles, 2. A. 1979; Dilger, A.,
Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch,
ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger,
A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Voß, W.,
Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike, 1982; Moscati, L.,
Nuovi studi sul codice teodosiano, 1983; The Theodosian Code, hg. v. Harries,
J. u. a., 1993; Dovere, E., Ius principale e catholica lex, 1995; Matthews, J.,
Laying down the law, 2000; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002;
Sirks, A., The Theodosian code, 2007
Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen
österreichischen Gesetzbuchs (Privatrecht, Zivilprozessrecht, ohne Strafrecht)
unter Maria Theresia (vom 25. 11. 1766 mit mehr als 8000 Bestimmungen, 23145
Wortformen). Er beruht auf der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten
Kompilationskommission, die ein auf natürliche Billigkeit gegründetes
volkstümliches Recht schaffen und dabei die einzelnen Provinzialrechte, das
gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten heranziehen soll. Das von Josef
Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von Zencker geförderte, hauptsächlich
1766 in Brünn tätige Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit,
erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das →Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch von 1811/1812.
Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P.,
Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex
Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die
Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm
Codex Urnammu
ist der 1948 entdeckte sumerische Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch
(Ur) (um 2100 v. Chr.), von dem wenigstens 40 Bestimmungen (über Mord, Raub,
falsche Anschuldigung, Ehebruch, Vergewaltigung, Ehe, Scheidung, Hexerei, Körperverletzung,
Miete, Arztbehandlung, Darlehen, Erbe, Sklaven, Wasserdiebstahl und
Vernachlässigung von Land) in fünf Abschriften in Nippur, Ur und Sippar
erhalten sind.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexUrNamu.pdf;
Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Codice civile →Italienisches
Recht
Codicillus (lat.
[M.] Büchlein, grundsätzlich Plural codicilli verwendet) ist im klassischen
römischen Recht die letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines →Testaments
zählt oder (außerhalb eines Testaments) nur Fideikommisse und fideikommissarische
Freilassungen (nicht dagegen Erbeinsetzungen und Enterbungen) enthalten darf.
Durch die so genannte Kodizillarklausel eines Testaments kann der Erblasser
bestimmen, dass eine als Testament unwirksame Erklärung wenigstens als c. gelten
soll.
Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38
Código (M.) civil
(span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von
Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das
Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche,
auf den Foralrechten (fueros) beruhende Unterschiede im Verhältnis zu →Kastilien.
Código (M.) de comercio (span.) →Handelsgesetzbuch
Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische Zivilprozessgesetzbuch
des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos Reis geprägt wird.
Coemptio (lat. [F.]), Zukauf, ist im römischen Recht eine der (lat. [F.])
Manzipation nachgeformte Handlung zur Begründung der Hausgewalt (lat. [F.] manus)
des Hausvaters über die Frau unter Zahlung eines symbolischen Kaufpreises
zwecks Eheschließung.
Coercitio (lat.
[F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende
magistratische Zuchtgewalt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG
18, 20
cognati (lat.
[M.Pl.]) Blutsverwandte, →Verwandte
cognitio (F.)
Erkenntnis →cognitio (F.) extra ordinem
Cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der Ordnung) ist im klassischen
römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das durch allmähliche
behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsverfassung und das zugehörige
Formularverfahren ersetzt. →Kognitionsverfahren
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG
34; Köbler, LAW
cognitor (lat.
[M.]) Prozessvertreter →Stellvertreter
Coimbra am
Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064
wird es den Mauren entzogen (im 12./13. Jh. Hauptstadt →Portugals). Die
1290 in Lissabon gegründete Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354,
1377-1537 nochmals Lissabon).
Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de Coimbra,
1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista Portuguesa de
história 1 (1940), 49
Coing, Helmut (Celle 28. 02.
1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft in Kiel, München, Göttingen und Lille in Göttingen 1935
promoviert (Wolfgang Kinkel) und in Frankfurt am Main 1938 habilitiert (Erich
Genzmer). 1940 wird er außerordentlicher Professor in Frankfurt am Main, nach
Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1948 ordentlicher Professor. Von 1964 bis
1980 ist er Direktor des von Erich Genzmer (für das Mittelalter) geplanten
Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main.
Lit.: Coing, H., Die Frankfurter
Reformation von 1578, 1935; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in
Frankfurt am Main, 1939; Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v.
Wilhelm, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschicht, hg. v. Coing, H., 1973ff.; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Helmut Coing, (in) Juristen im
Portrait, 1988, 215ff.; Simon, D., Zwischen Wissenschaft und Wissenschaftspolitik,
NJW 2001, 1029ff.
Coke, Sir
Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9. 1634), Norfolker
Landadligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge (Trinity College)
und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578
Anwalt, 1589 Parlamentsmitglied, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister
(Attorney General, Generalstaatsanwalt). Zunächst entschiedener Anhänger des
Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of the Court of Common Pleas
(1613 Privy Councillor, Vorsitzender von King’s Bench) die Unterordnung des
Monarchen (bzw. dessen Chancery, Star Chamber und High Commission) unter das
(von der Vernunftkonzeption geprägte) common law und wird deswegen schließlich
1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament heraus den Widerstand
gegen den König (1622/1623 in Haft, am 7. 6. 1628 Annahme der Beschwerden des
Parlaments wegen rechtswidriger Besteuerungen, Zwangsanleihen und
Verhaftungen durch den König). Daneben veröffentlicht er nach einer umfassenden
Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600-1615, Ausgangspunkt der doctrine of
precedent) und einer Sammlung von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628
seine vierbändigen Institutes, die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen →common
law bilden. Davon stellt das als Commentary upon Littleton(´s Tenures)
gestaltete erste Buch (Coke upon Littleton) eine Rechtsgrundlegung
(Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei Bücher (1641) begründen verfassungsmäßig
den Vorrang von Parlament und Recht im Staat (im Wege der Politiserung des
Rechtes und der Verrechtlichung der Politik). Im Ergebnis verdrängen Cokes
Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law French abgefassten älteren
Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.
Lit.: Johnson, C., Life of Sir E. Coke, 1837; Block, H., E.
Coke, 1929, Neudruck 1992; Mosse, G., The Struggle for Sovereignty in England,
1950; Thorne, S., Sir Edward Coke, 1957; Bowen, C., The Lion and the Throne,
1957; Beauté, J., Un grande juriste anglais, 1975; Hostettler, J., Sir E. Coke,
1997; Boyer, A., Sir E. Coke and the Elizabethean Age, 2003
Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen
Recht die Verrechnung des Vorausempfangs (Abfindung, Mitgift) eines Hauserben
mit seinem Erbteil vor dem Prätor.
Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59
Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat., Benennung im 16. Jh.)) ist die spätantike, unter
dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz Gottes,
das der Herr Moses gebot,) in drei Handschriften überlieferte Schrift eines
unbekannten Verfassers (des späten 4. Jh.s?), die Stellen der Bibel mit Stücken
des →Gaius, der Spätklassiker, des →Codex Gregorianus und des →Codex
Hermogenianus mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 394; Frakes,
R., Compiling the Collatio Legum Mosaicarum et Romanorum, 2011
Collectio (F.) Anselmo dedicata ist die vielleicht in Mailand (oder Reims) um 900 von einem unbekannten
Verfasser geschaffene, fast 2000 Kapitel (vor allem aus den pseudoisidorichen
Dekretalen) enthaltende, systematische Sammlung von Kirchenrecht.
Lit.:
Zechiel-Eckes, K., Quellenkritische Anmerkungen zur Collectio Anselmo
deidicata, (in) Recht und Gericht in der Kirche und Welt, hg. v. Hartmann, W.,
2007
Collectio (F.) Danieliana ist eine in einer Berner,
früher François Daniel gehörigen Handschrift überlieferte Kirchenrechtssammlung,
die eine Frühform der Capitula Angilramni enthält.
Lit.: Schon, K., Unbekannte Texte
aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006
Collectio
Francofurtana ist eine wohl am Ende
des 12. Jh.s im nördlichen Frankreich (Champagne) etstandene, mehr als 700 Kapitel
umfassende in vier Handschriften bezeugte Dekretalensammlung.
Lit.: Die Collectio Francofurtana,
hg. v. Landau, P./Drossbach, G., 2008 (Edition hat ziemliche Mängel)
Collectio (F.) vetus Gallica ist eine in Lyon um
600 entstandene kirchenrechtliche Sammlung, die bis in die Zeit um 800 auf
Einteilung und Themen kirchenrechtlicher Werke einwirkt.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und
Reform im Frankenreich, 1975
Collegantia
Lit.: Condanari-Michler, S., Zur
frühvenezianischen collegantia, 1937
colonia (lat. [F.]) gegründete, später auch erhobene römische Stadt außerhalb
Roms (z. B. colonia Agrippinensis, Köln)
Colonus (lat.
[M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene
Landpächter.
Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW; Schipp, O., Der weströmische Kolonat, 2010
Comecon (engl.
Council for Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von
der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, Polen, der Tschechoslowakei,
Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur
wirtschaftlichen Vereinigung Osteuropas innerhalb der internationalen
sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).
Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A.,
Integration im RGW, 1983
comenda (lat.
[F.]) →commenda
Comes (lat.
[M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im
Frühmittelalter der →Graf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW;
Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling,
H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens,
1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998
Comitia (lat.
[N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die unterschiedlich gegliederte
Volksversammlung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18
Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische Volksversammlung.
Comitatus (lat.
[M.]) Begleitung →comes, (mlat.) Grafschaft
Lit.:
Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G.,
Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, G., Comitate in Franken,
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G.,
Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221;
Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1;
Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen
zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum
frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft
der Andechser, 1994
Commenda (lat.
[F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der
jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The
Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5
Commendatio (lat.
[F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn
anvertraut.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW
Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch naturrechtlich beeinflusste
Zusammenfassung des →englischen Rechtes durch →Blackstone
(1723-1780).
Commercium (lat.
[N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende
Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.
Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12;
Köbler, DRG 21
commixtio (lat. [F.]) Vermengung
Commodatum (lat.
[N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht anerkannte →Leihe
(Realkontrakt).
Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B., Das
commodatum, 2005
Common law
(engl., gemeines Recht) ist in England das für alle einheitlich geltende Recht
im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in
England seit dem Hochmittelalter entwickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem
römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von Gerichten in England
geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 1929,
2. A. 1936, 5. A. 1956; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971,
2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Caenegem, R. van, The Birth of the English
Common Law, 1973, 2. A. 1988; Simpson, A., Biographical Dictionary of the
Common Law, 1984; The Reception of Continental Ideas in the Common Law World,
hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American Law and Canon
Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books and the Law.
2000; Rudolph, J., Common Law and Enlightenment in England, 2013
Commonwealth (engl.)
gemeinsamer Reichtum, Weltreich
Communio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die →Gemeinschaft (z. B.
mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat,
über den er verfügen kann.
Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1
communis opinio
(lat. [F.]) gemeinsame Meinung, öffentliche Meinung (z. B. c. o. doctorum [der
Rechtslehrer] vor allem vom 16.-18. Jh. als Argument für die Wahrscheinlichkeit
der Richtigkeit einer Auffassung)
Lit.:
Schröder, J., Communis opinio, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler,G., 1987, 404
Como
Lit.: Campiche, C., Die
Comunalverfassung von Como, 1929
compendium (N.) iuris
(lat.) Rechtshandbuch
Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968
Compensatio (lat.
[F.]) ist die im klassischen römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren
oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit einer Gegenforderung. →Aufrechnung
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H., Die
Compensation nach römischem Rechte, 1854; Dernburg, H., Geschichte und Theorie
der Compensation, 2. A. 1868, Neudruck 1965; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Compilación de Leyes
(Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo
(1405-1499) zusammengestellte Sammlung kastilischer Vorschriften in 8 Büchern
(ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. →Libro do Leyes
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
1,558,674
Compilatio (F.) maior
(lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher gegliederte
Sammlung des aragonesischen Rechtes durch Vidal de Canellas († 1252) in
aragonesischer Sprache.
Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979,
1
Compositio (lat.
[F.]) ist in den lateinischen Texten des Frühmittelalters die →Buße. →Kompositionensystem
Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H.,
Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107
Conchyleus →Coquille
concilium (lat. [N.]) Zusammenrufung?, Vereinigung, Versammlung (z. B. der Plebejer
in Rom), →Konzil
conclusio (lat. [F.]), Schluss, Folgerung
Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom
Kaiser des Heiligen römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der
Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.
Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16.
Jahrhundert, 1905
Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des →Decretum Gratiani (Dekret
Gratians).
concussio (lat.
[F.]) →Erpressung
condemnatio (lat. [F.]) Verurteilung (im römischen Recht grundsätzlich auf Leistung
von Geld, bei der Noxalhaftung wahlweise auf Geld oder Preisgabe des
Schädigers)
Condicio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die →Bedingung.
Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der
Denkfigur der condicio sine qua non, 1984; Effer-Uhe, D., Die Wirkung der
condicio im römischen Recht, 2008
Condictio (lat.
[F.]) ist im Formularverfahren des klassischen römischen Rechtes die strengrechtliche
Klagformel (lat. actio in personam) auf Übereignung einer bestimmten Sache oder
Geldsumme (z. B. aus Darlehen, Litteralkontrakt, Diebstahl), die im spätantiken
römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf
eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. →Kondiktion
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9;
Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als
Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio,
1952
condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht (geschuldeter,
erwarteter und nicht) erbrachter Gegenleistung, →Bereicherung
condictio (F.) ex lege (lat.) Bereicherungsanspruch aus gesetzlicher Obligation,
→Bereicherung
condictio (F.) furtiva (lat.) Bereicherungsanspruch gegen den Dieb auf einfachen
Sachwert, →Bereicherung
condictio (F.) indebiti (lat.) Bereicherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung
einer Nichtschuld, →Bereicherung
condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrunds,
→Bereicherung
condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrunds,
→Bereicherung
condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen
oder unzulässigen Rechtsgrunds, →Bereicherung
condictio (F.) sine causa (lat.) Bereicherungsanspruch wegen rechtsgrundloser
Leistung, →Bereicherung
conditio (lat. [F.]) Bedingung (z. B. c. sine qua [non], Bedingung ohne die nicht
wie z. B. Schaden für Schadensersatzanspruch)
condominium (lat. [N.] Miteigentum, Mitherrschaft (z. B. condominium plurium in solidum
[17. Jh.] ohne ideellen Anteil am Gesamtgut, Verfügung nur durch Gesamtheit)
conductio (lat.
[F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag, s. locatio conductio
Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio,
1956
Confarreatio (lat. [F.]) ist die altrömische Eheschließung unter Speltbrotopferung
(für Patrizier?).
Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise (als
Grundsatz des Beweisrechts des Inquisitionsprozesses in den Quellen nicht
wirklich belegt).
Lit.: Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen
Rechtssprichwörtern, 1971; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses (in)
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 367ff.; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
7. A. 2007
confin →Militärgrenze
Confoederatio (lat. [F.]) cum principibus ecclesiasticis (Bündnis mit den geistlichen Fürsten) ist die im 19. Jh.
aufgekommene lateinische Bezeichnung für das in einem Original und 5
Abschriften überlieferte, 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits
eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König Friedrichs II. für
die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegenleistung für die Wahl
Heinrichs (VII.) zum König am 23. 4. 1220 (z. B. Verzicht auf den Nachlass bzw.
das Spolienrecht und Regalien bei den geistlichen Reichsfürsten, Verzicht auf
neue Zollstätten und Münzstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfreiheit über
Kirchenlehen, Verstärkung des Kirchenbanns durch Reichsacht). Am 12. 3.
1275 und am 9. 11. 1292 wird die C. erneuert.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Confoederatiocumprincipibusecclesiasticis1220.htm;
Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg.
v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982, 420; Eickels, K. v./Brüsch, T., Kaiser Friedrich
II., 2000
confusio (lat. [fF]) Zusammengießung, Vermischung z. B. zweier gleichartiger
Flüssigkeiten verschiedener Eigentümer, von Gläubigerstellung und
Schuldnerstellung in einer Person oder von Eigentum und Inhaberschaft an einem
beschränkten dinglichen Recht in einer Person
Lit.:
Kiess, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
coniunctio (lat. [F.]) Verbindung
Lit.:
Lösch, S., Die coniunctio in testamentarischen Verfügungen des klassischen
römischen Rechts, 2013
coniuratio (lat. [F.]) gemeinschaftlicher Schwur,
Verschwörung, Schwurgemeinschaft, usurpatorische Verbrüderung (z. B. Cambrai
1076, Köln 1114)
Lit.: Ebel, W., Der Bürgereid,
1958; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Körner,
T., Juramentum und frühe Friedensbewegung, 1977; Kolmer, L., Promissorische
Eide im Mittelalter, 1989; Distler, E., Städtebünde, 2006
Connan,
François (Paris 1508-Paris 1. 9. 1551), Sohn eines maître des comptes, wird
nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Orléans und Bourges
(mit Bekanntschaft zu Calvin) um 1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher
Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechtes in zehn Büchern ([lat.]
Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare
des weltlichen Rechtes) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen
durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem
wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) →actio
als ein rechtserhebliches Verhalten und legt damit einen ersten Grund für den
Gedanken der →Willenserklärung.
Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus,
1968
Conrad, Hermann (Köln 21. 10. 1904-Bonn 18. 3.
1972) wird nach dem Studium des Rechtes in Köln promoviert (F. Gescher,
Kanonist) und habilitiert (Hans Planitz). Nach Lehraufträgen in Rostock, Köln,
Freiburg im Breisgau, Lausanne, Genf und Breslau wird er 1941 nach Marburg und
1948 nach Bonn berufen. Er versucht eine unvollendet gebliebene Gesamtdarstellung
deutscher Rechtsgeschichte.
Lit.: Kleinheyer, G., In memoriam,
ZRG GA 90 (1973), 487ff.; Gedächtnisschrift Hermann Conrad, hg. v. Kleinheyer,
G. u. a., 1979 (Schriftenverzeichnis 621-634)
Conring,
Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter
ostfriesischer Familie, geboren und aufgewachsen in einem Pfarrhaus, wird nach
dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden
(seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin
(1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen
und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 feststehenden
Buch (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechtes)
widerlegt er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein
Gesetz Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog.
→lotharische Legende) und erfasst im Blick auf Erkenntnis der Gegenwart
damit deutsche Rechtsgeschichte.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConringHermannDeorigineiurisGermanici1643.pdf;
Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark,
ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H.,
De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994;
Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999,
191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004; Jori, A., Hermann
Conring (1606-1681), 2006
Consensus (lat.
[M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung) ist seit dem klassischen römischen
Recht Voraussetzung des Konsensualvertrags.
Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW; Hannig, J., Consensu
fidelium, 1982
Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die
Eheschließung(, gilt als Grundsatz bereits in Rom, kann aber gegenüber den vom
Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam ausgehenden Vorstellungen der Germanen
und germanistischen Nachfolgevölker erst im Frühmittelalter von der Kirche
durchgesetzt werden, wobei bei Beschränkung auf die bloße Willensübereinstimmung
Beweisprobleme bestehen, denen die katholische Kirche 1563 auf dem Konzil von
Trient [Decretum Tametsi] mit Formvorschriften in Gestalt der notwendigen
Mitwirkung eines Geistlichen und zweier Zeugen begegnet).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Julian um 100-um 170 n. Chr.); Freisen, J., Geschichte des kanonischen
Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Brundage, J., Law, Sex and
Christian Society in Medieval Europe, 1987; Weigand, R., Liebe und Ehe im
Mittelalter, 1993; Weber, I., Consensus facit nuptias, ZRG KA 118 (2001), 31
consilium (lat.
[N.]) Rat, Gutachten, span. consejo, it. consiglio, als c. principis (Rat des
Prinzeps) fallweise beratendes Gremium in Rom seit Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14
n. Chr.)
Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18,
106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v.
Baumgärtner, I., 1995; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der
Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 395; Lange, H., Recht und Macht,
2010
Consolat del Mar (Llibre
del C. d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del
mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene,
später andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte
Zusammenfassung des mittelmeerischen Seegewohnheitsrechts. →Seerecht
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29
(1884), 413; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre
del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de
Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.
Consortium (lat.
[N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach
der Nachlassteilung zu einer vereinbarten →Gemeinschaft.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler,
DRG 22, 47
constitutio (lat.
[F.]) Beschluss, Gesetz
Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen
aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz (constitutio) Kaiser (Marcus Aurelius)
Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der
Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das römische
Bürgerrecht gibt.
Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse,
C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana
und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976
Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) →Bamberger Halsgerichtsordnung (1507)
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Des Kaisers Karl V. und des Heiligen Römischen
Reiches Gerichtsordnung, Strafgesetz[buch] Karls V.) ist die (deutsch
verfasste) reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532 (31.
7. 1532). Sie geht auf in einem Gutachten des 1495 errichteten
Reichskammergerichts festgehaltene Missstände und Beschwerden über die sich häufenden
ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter vor
allem infolge des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und Emanzipierung
von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der Staatlichkeit
anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag (von Lindau 1496/1497)
zurück. Dieser setzt in Freiburg im Breisgau 1497/1498 (Reichsabschied § 34)
zum Zweck der Besserung des Strafverfahrens (eine) von 1503 bis 1517 untätige,
danach vier Entwürfe (Worms 1521, Nürnberg 1524, Speyer 1529, Augsburg 1530)
vorlegende Kommission(en) ein (u. a. Reichsregiment). Sie übernimmt im Wesentlichen
den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg,
Johann Freiherr von →Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der
praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden
römisch-kanonischen Strafprozessrechts geschaffenen (lat.) Constitutio (F.)
Criminalis Bambergensis (→Bamberger Halsgerichtsordnung) von 1507 in
ihre 219 Artikel. Sie will wegen des Widerstands einzelner Reichsglieder (z.
B. Sachsen, Brandenburg, Pfalz) grundsätzlich nur subsidiär gegenüber den alten
wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billigen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische
Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das
gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in
das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh., in dem noch die (lat.) Constitutio
(F.) criminalis Theresiana Maria Theresias für die deutschen (d. h.
nichtungarischen) Erbländer Österreichs einschließlich Böhmens (1768) von der
C. beeinfusst ist. Die C. geht vom Anklageprozess (Akkusationsprozess) aus
(Art. 11ff.), demgegenüber der Inquisitionsprozess (Art. 6ff.) die Ausnahme
darstellt, doch setzt sich wegen der hohen Belastungen des möglichen Anklägers
praktisch der Inquisitionsprozess durch, in dem der Richter Ankläger und
Entscheider (Art. 81) zugleich ist. Der geheimen Inquisition (Untersuchung)
folgt der endliche Rechtstag als öffentliche, aber inhaltlich fast
bedeutungslose Formalhandlung. Besonders bedeutsam sind die Lehre von den für
die Anwendung der →Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen
erforderlichen →Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider, sog.
Indizienlehre) und die Ansätze zu allgemeinen Lehren (Schuld, Teilnahmeformen,
Notwehr, Versuch).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PeinlicheGerichtsordnungKarlsV.pdf;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte
der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen
Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die
Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff.,
Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der
Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H.,
Goblers Karolinen-Kommentar, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen
Gerichtsordnung Karls V., 1929; Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1;
Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77
(1960), 288; Kusch, G., Der Indizienbeweis des Vorsatzes im gemeinen
Strafverfahrensrecht, Diss. jur. Hamburg 1963; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung
der Constitutio Criminalis Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Dreisbach, H., Der
Einfluss der Carolina auf die Rechtsprechung norddeutscher Oberhöfe, Diss. jur.
Marburg 1969; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnises im Strafverfahren,
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1969, 367ff.; Strafrecht, Strafprozess und
Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a. 1984
Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria Theresia am 31. 12. 1768 (zum
1. 7. 1770) zwecks Vereinheitlichung für die österreichischen Erbländer (außer
Ungarn) erlassene, 1082 Paragraphen umfassende (deutsch gefasste) Strafgesetzbuch
(und Strafverfahrensgesetzbuch) (Allgemeine peinliche Gerichtsordnung) mit
etwas verbesserter Stellung des Beschuldigten, Inquisitionsverbot, freier
richterlicher Beweiswürdigung, festen Tatbestandsbeschreibungen (u. a.
Zauberei, Hexerei), Möglichkeit der Analogie von Straftatbeständen und Folter
(bis 1796), das aber bereits am 13. 1. 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch
über Verbrechen und derselben Bestrafung ersetzt wird (für das
Militärstrafrecht 1855). Die auch als (lat.-griech.) nemesis Theresiana (Rache
Maria Theresias) bezeichnete C. C. T. beruht auf einer von der →Constitutio
Criminalis Carolina von 1532 geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitutio%20Criminalis%20Theresiana1768_komplett.pdf;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur
Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880;
Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich, 1968; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht,
1973;; Grundlegende Strafrechtsquellen, hg. v. Reiter, I., 1996; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Constitutio (F.) de expeditione Romana (lat.), Gesetz über den Romzug,
ist eine um 1158 als Gesetz König Karls des Großen von 790 ausgegebene, auf der
Reichenau entstandene Fälschung (Privatarbeit). Sie beschreibt Rechte und
Pflichten von Reichsfürsten auf dem Romzug des Königs. Sie begünstigt die
Reichsfürsten gegenüber dem König.
Lit.: Constitutiones, Bd. 1, hg.
v. Weiland, L., 1893, 661, Nr. 447 (MGH); Klapeer, G., Zur Überlieferung der
Constitutio de expeditione Romana, MIÖG 35 (1914), 725ff.
Constitutio (F.) Joachimica (lat.), Joachimisches Gesetz, ist die verhältnismäßig
kurze, auf Erbrecht beschränkte, römisches Recht zu Lasten sächsischen Rechtes
übernehmende „Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer
Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527
(Reformation des Landrechts, Erstdruck Frankfurt an der Oder 1528).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConstitutioJoachimica1527.htm;
Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841,
Neudruck 1972; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594,
1973
Constitution (N., zu lat. [F.] constitutio, Festsetzung, Gesetz) wird in
England seit dem 17. Jh. zur Bezeichnung des Zustands eines Staates (bodie
politique), im 18. Jh. zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand
herstellen oder festlegen.
Constitution,
Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen (1527) s.
Constitutio Joachimica
constitutum (lat.
[N.]) →Beschluss, Festsetzung
constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage
constitutum (N.) possessorium (lat.) →Besitzkonstitut
Consuetudo (lat.
[F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle
erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und
praktisch-relevante Rechtsquelle. →Gewohnheitsrecht
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005
Consul (lat.
[M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige
Konsuln (consules, Kollegialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch
eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität),
wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Einzelne
Aufgaben (z. B. Gerichtsbarkeit) sind anderen Magistraten (z. B. Prätoren)
zugeteilt. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der
Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im
Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090)
ist c. der städtische Ratsherr.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die
Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81
Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris consulti (lat.) ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh.
vermutlich in Gallien entstandene, durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte
Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus den Paulussentenzen, dem →Codex
Gregorianus, dem →Codex Hermogenianus und dem →Codex Theodosianus.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408
Contempt of court
(engl., Missachtung des Gerichts) ist im angloamerikanischen Recht die
gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw. tort) anerkannte Störung der
Gerichtstätigkeit.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Contius →Le
Conte
Contractus (lat.
[M.], Zusammengezogenes) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus
dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt,
Litteralkontrakt oder Konsensualkontrakt sein. Dagegen ist das für sich allein
unverbindliche (lat. [N.]) pactum kein c. Seit dem Hochmittelalter wird in der
Kirche auch das bloße (lat. [N.]) pactum klagbar (pacta sunt servanda), so dass
sich ein allgemeiner Begriff des (Kontrakts oder) Vertrags entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S.,
Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen
Spätscholastik und Aufklärung, (in) Scholastica 1973, 223; Feenstra,
R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A.,
1998
Contractus mohatrae (lat. [M.] Wagnisvertrag, zu arab.muchâtarah, Gefahr, Wagnis) ist der
Vertrag, bei dem eine (meist unvertretbare) Sache zum Verkauf übergeben wird
und der Empfänger bei Verkauf den erhaltenen Preis als Darlehen haben soll. Der
c. m. dient im Mittelalter der Umgehung des kanonischen Zinsverbots.
contrarius consensus
(lat. [M.]) Aufhebungsvertrag
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus,
1968
contrat (M.) social (franz.) Gesellschaftsvertrag
Contumacia (lat.
[F.]) ist im klassischrömischen Kognitionsverfahren die Prozessweigerung
(Ladungsungehorsam), die in einem Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass
der Geladene gemäß dem Klagebegehren verurteilt wird.
Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2
Conubium (lat.
[N.]) ist im altrömischen Recht die (allen Römern untereinander zustehende,) dem
Fremden (Nichtrömer) durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im
Eherecht.
Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60
conventio (lat. [F.]) Zusammenkunft, Vereinbarung, Willensübereinstimmung, Einigung
über den Zweck einer Sachhingabe, stillschweigend (tacitus) möglich
copula (lat. [F.]) Verbindung, Band, Vereinigung (z. B. copula carnalis,
fleischliche bzw. körperliche Vereinigung der Ehegatten)
copy right →Urheberrecht
Coquille (Conchyleus),
Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem
Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum
veröffentlichten Schriften stellt er das Gewohnheitsrecht (franz. droit
coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au
droit des François, 1607).
Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910, Neudruck
1971
Cork im
Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen bei einem Kloster des 6.
Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der Herrschaft Englands Stadt. 1845
erhält es eine Universität.
Cornberg
Lit.:
Urkunden und Regesten des Klosters Cornberg, hg. v. Burkardt, J., 2010
corpore (lat.)
durch tatsächliche Sachherrschaft, →Besitz, →corpus, →possessio
corpus (lat.
[N.]) Körper
Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der katholischen
→Reichsstände. →corpus evangelicorum
Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die
gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.
Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus
delicti, 1933
Corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der
evangelischen →Reichsstände. →corpus catholicorum
Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller conclusorum
des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung des
corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968
Corpus (N.) iuris (lat.) Körper des Rechtes, Gesamtheit
der Rechtsordnung, s. Codex Justinians 5. 13. 1)
Corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die um 1500 von dem Pariser Kirchenrechtler
Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor XIII. (1572-1585) am 1. 7.
1580 (Cum pro munere pastorali) amtlich verwendete Bezeichnung für die
anerkannten, 1582 gemeinsam herausgegebenen 4 (bzw. 6) Rechtsquellen der
(katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum Gratiani (Dekret
Gratians, Condordantia discordantium canonum, um 1140), den auf Antrag Papst
Gregors IX. von seinem Kaplan Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 in 5
Büchern gesammelten, alle nicht aufgenommenen Stücke ausschließenden
päpstlichen →Dekretalen (→Liber [decretalium] extra [decretum]),
den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. 1298 zusammengestellten Dekretalen (→Liber
sextus [in Bezug auf die fünf Bücher des Liber extra]) und den →Clementinen
(Texte Papst Clemens V., vorgelegt 1317) (sowie privat gesammelten Extravaganten
Papst Johannes XXII. und Extravagantes communes). Es gilt - in der 1582
veröffentlichten Gestalt der sog. (lat.) editio (F.) Romana (römischen Ausgabe)
- bis zum Inkrafttreten des →Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris
canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1f. 1879ff., Neudruck 1955, 1959, 2. A. 1995;
Stickler, A., Historia iuris canonici latini, 1950; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gagnèr, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Gaudement, J., Les
sources du droit canonique, 1993; Bellomo, M., The Common Legal Past of Europe,
1995; Brundage, J., Medieval canon law, 1995; Dickehof-Borello, E., Ein Liber
septimus für das corpus iuris canonici, 2002; Ordnungskonfigurationen im hohen
Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006
Corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von dem oströmischen Kaiser
Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft gesetzten Rechtsquellen
einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er besteht aus dem →Codex
(repetitae praelectionis) von 534, den →Digesten oder →Pandekten
(533) und den →Institutionen von 533 sowie den privat gesammelten →Novellen.
In Byzanz wird um 900 n. Chr. die Hauptmasse dieser Texte in die griechische
Sprache übersetzt (Basilika, Basiliken), wobei seit dem 11. Jh. Handschriften
hergestellt werden, die am Rand Ausschnitte aus Lehrbüchern und
Vorlesungsschriften enthalten (Scholien). Die Bezeichnung c. entspricht dem
Namen (lat.) →corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen.
Sie wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetzgebungswerke durch
Dionysius Gothofredus (1583) üblich. Auf dem c. i. c. beruhen der
Universitätsunterricht im römischen Recht und die Rezeption des römischen
Rechtes, wobei sich ein (lat. [M.] ) usus modernus (moderner Gebrauch) pandectarum
(der Pandekten) durchsetzt. Mit den Kodifikationen Allgemeines Landrecht
(Preußen 1794), Code civil (Frankreich 1804) und Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch (Österreich 1811/1812) wird das c. i. c. grundsätzlich abgelöst.
Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 137,
142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z. T. 22. A. 1973;
Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck
1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das römisch-justinianische
Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben);
Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A.
1834; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953, 562; Ochoa, X./Diez,
A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus
iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52
Corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des
Lehnsrechts im 18. Jh.
Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3.
A. 1727
Corpus (N.) juris
Fridericiani ist der gescheiterte Versuch
einer materiellrechtlichen Gesetzgebung Preußens (Kabinettsordre vom 31.
Dezember 1746 für ein Teutsches Allgemeines Landrecht) unter Samuel von
Cocceji. Der König will ein Werk, das sich „bloß auf die Vernunft und Landesverfassungen
gründet, damit einmal ein gewisses Recht im Lande etabliret und die unzähligen
Edikte aufgehoben werden mögen“. 1749 erscheint ein Entwurf des Personenrechts,
1751 ein Entwurf des Sachenrechts. Das Manuskript des dritten Teils
(Obligationenrecht) geht (1753) im Postversand verloren. Der Tod Samuel von →Coccejis
(1755) und die Wirren des siebenjährigen Krieges beenden die Arbeiten. Das
zweite und dritte Buch des ersten Teiles über das Eherecht und das
Vormundschaftsrecht erlangen in einigen Landesteilen Gesetzeskraft, obwohl sie
sehr dem römischen Recht verhaftet sind.
Lit.:
Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des preußischen
Kammergerichts von 17841810,2006;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf
Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.), Erstes Buch, ist das nach dem
Müller-Arnold-Prozess (1779) und einer Kabinettsordre vom 14. 4. 1780 am 26.
April 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs
des Großen bzw. seines Großkanzlers Johann Casimir von →Carmer, das den
Untersuchungsgrundsatz in den Zivilprozess einführt, die Advokaten durch
Assistenzräte ersetzt und die Beendigung aller Prozesse innerhalb eines Jahres
anstrebt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CorpusIurisFridericianum1781.pdf,
Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982
Corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen
militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1723.
Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts,
1891; Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, hg. v. militärgeschichtlichen
Forschungsamt, Bd. 1 1979
Corpus (N.) iuris publici (lat.) ist die Bezeichnung für private Sammlungen des
öffentlichen Rechtes des Heiligen römischen Reiches im 18. Jh.
Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani
imperii academicum, 1722
Corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für eine private Sammlung des
sächsischen Rechtes.
Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus
iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724
corpus (lat. [N.]) possidendi Herrschaftsgewalt über eine Sache durch Übergabe einer beweglichen Sache
oder Betreten einer unbeweglichen Sache oder bei originärem Erwerb durch
deutliche Kundgabe
Corrigere (lat.)
ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117) in das römische
Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht wieder recht zu
machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem germanistischen „richten“.
Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59
Cortes ist
die den König beratende Versammlung der Geistlichen, Adligen und
Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte
des 12. Jh.s.
Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978;
Procter, E., Curia and cortes, 1980
Corvey
Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die
Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und
Corvey, 1992
Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des →englischen Rechtes.
Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh.
Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der Möglichkeit der
Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen
Rechtsschutz gewährt, wenn das →common law zu unangemessenen Ergebnissen
führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort und begründen
bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechtes, das an der Billigkeit
(→equity) ausgerichtet ist.
Lit.: Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker,
J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4.
A. 2002
Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen
zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster mit
einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.
Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947
Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen
zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster.
Court of King‚s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige
königliche Gericht des →englischen Rechtes in Westminster.
Coutume (franz.
[F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.]
consuetudo), die auch in einer Abgabe oder Leistung bestehen kann. Die c. als
eine Mehrheit von rechtlich bedeutsamen Gewohnheiten erlangt in Frankreich seit
dem 10./11. Jh. Gewicht und wird im Norden seit Beginn des 13. Jh.s mit
örtlichen Bezügen auf Grund der Aussagen von Sachkennern in Rechtsbüchern
(nichtamtliche coutume, amtliche coutumiers) schriftlich aufgezeichnet, wobei
sich eine Trennung in das nördliche Gebiet des droit (M.) coutumier
(Nordfrankreich, Belgien, Niederlande, Genf, Waadt, Neuenburg, Fürstbistum
Basel) und das südliche Gebiet des (römischen) droit (M.) écrit (Südfrankreich)
bildet und wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch
römisches Recht und kirchliches Recht in die coutumiers einbezogen werden ([ursprünglich
lateinisch] Très ancien coutume [bzw. coutumier] de Normandie [lat. Statuta et
consuetudines Normanniae] 1199/1200 bzw. 1220 bzw. 1200/1204 [nach 1220 in das
Französische übersetzt], Grand coutumier de Normandie 1254-1258 [Summa de
legibus Normanniae in curia laicali], Conseil à un ami [im Vermandois] des
Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253 bzw. 1254-1258, Livre de justice et de
plet [um] 1260 [Gegend von Orléans], Facet von Saint Armand-en-Prévèlet/Belgien
1265, Etablissements de Saint Louis um 1270 [Tourraine-Anjou, Orléanais],
Coutumes de Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir
[Philippe de Remi Beaumanoir], Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du
Châtelet 1295-1300 [auf der Grundlage von Usages de Champagne von etwa 1253],
Recht von Uccle/Brüssel/Belgien 1300, Très ancienne coutume de Bretagne
1312/1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand
coutumier [de France bzw. Ile de France] des Jacques d’Ableiges um 1388, Somme
rural des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou/Poictou 1417,
insgesamt schätzungsweise 360 verschiedene coutumes). 1454 befiehlt König Karl
VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter
Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche Aufzeichnung
aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung, was bis 1545
zu 20 redigierten coutumes und bis 1750 zu 681 coutumes, von denen 88 vom König
gebilligt sind, führt. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580)
entwickelt sich (hieraus) mit Hilfe der vom König dem Parlement de Paris
übertragenen Prüfungszuständigkeit ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit
commun coutumier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général, hg. v.
Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner, H., Die coutumiers der
Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier de Moudon de
1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851;
Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des
coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes
au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des coutumes, 1962; Poudret,
J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La coutume de Vaudémont, hg.
v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972;
Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O.,
Bibliographie des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v.
Ourliac, P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens,
L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Olivier-Martin, F.,
Histoire du droit français, 1992; Gouron, A., Droit et coutume en France aux
XIIe et Xiiie siècles, 1993; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen
Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de →Beaumanoir. Er bemüht
sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu
aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und
Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen, römisches
Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht
zurückschreckende Privatarbeit, die der Rechtswirklichkeit nicht vollständig
entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf
die Rechtspraxis.
Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f.
1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G.,
1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de
Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Coutumier (franz.
[M.]) ist die private Aufzeichnung der →coutume im mittelalterlichen
Frankreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou,
hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé,
1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Covarubias y Leyva,
Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches
Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574 Präsident des
Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des bedingten
Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.
Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, (in)
Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275;
Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957
Cowell,
John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechtes in Cambridge 1594
Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung des englischen
Rechtes nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones
[F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechtes) und muss wegen
seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen
absolutismusfreundlichen und parlamentsfeindlichen Haltung 1611 seine
Professur aufgeben.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff.
1903ff., Bd. 5, 20
creditor (lat.
[M.]) →Gläubiger
Crimen (lat.
[N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum
(N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere Strafrecht und
Strafprozessrecht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit der von der
Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange
noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord
(lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Diebstahl, nächtliches
Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis.
Lit.: Kaser §§
32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW
Crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen Recht die Verletzung des
Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit Augustus geht die (lat.
[F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen Magistraten auf den Prinzeps und
damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern Arcadius und Honorius kann zum
Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder politische Vorwurf mit der
Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt werden. Diese Vorstellung
übernimmt das Frühmittelalter allmählich mit gewissen Abwandlungen. Im
weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den →Mainzer
Reichslandfrieden von 1235, die →Goldene Bulle (1356), die →Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) und die →Constitutio Criminalis Carolina
(1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird Inhalt
des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren
Bezugspunkt verliert.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck
1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz,
K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen
maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der Zauberei. →Hexerei
Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902
Criminal Code
(1879) ist der an dem 1860 verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal
Code) ausgerichtete Entwurf eines englischen Strafgesetzbuchs, der vom
Parlament nicht angenommen wird.
Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht betreffende Zusammenfassung
verstreuter gesetzlicher Vorschriften im →englischen Recht.
Cui bono?
(lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.)
geprägtes lateinisches Rechtssprichwort.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen Religion) ist die von dem
Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J. Stephani (1544-1623) (in
seinen [lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris canonici von 1599 mit dem Satz [lat.]
ut cuius sit regio, hoc est ducatus, principatus seu ius territorii, eius etiam
sit religio, hoc est ius episcopale seu iurisdictio spiritualis) geschaffene
Formulierung für die der Sache nach bereits im →Augsburger
Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche Gerichtsbarkeit des reichsunmittelbaren
Landesherrn im Heiligen römischen Reich ([lat.] ubi unus dominus, ibi una religio, wo
ein Herr, da eine Religion). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von
den protestantischen Reichsständen beansprucht, in der Gegenreformation auch
von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der dann
auf das Normaljahr 1624 abstellende Satz zu Lasten der Untertanen die Wahrung
der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die
Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit des →Absolutismus
und der →Souveränität.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat
und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42
(1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5.
A. 2005; Schneider, B., Der Westfälische Friede in der Deutung der Aufklärung,
1989; Schneider, B., Ius reformandi, 2001
Cujas,
Jacques (Toulouse 1522?-Bourges 4. 10. 1590) wird nach dem Rechtsstudium in
Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges
(1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567).
Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen
Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani,
1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.)
Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570, kurze Erklärungen zu den Büchern
der Digesten) stellt er eine gegliederte Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen
dar.
Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen,
1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108
Culpa (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die
vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst. C. ist ausgeschlossen bei
Geisteskranken (furiosi) oder Kindern (infantes). Bei c. des Geschädigten wird
die c. des Schädigers aufgehoben (Kulpakompensation).
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44, 49, 61,
216; Köbler, LAW
culpa (lat. [F.]) in concreto, Verletzung der Sorgfalt, die in eigenen Angelegenheiten beachtet würde,
durch den Schuldner
Culpa (F.) in contrahendo (lat., Wort 1857 bei Brinz) ist das von Rudolf von Ihering
(Jhering, 1818-1892) 1861 als Haftungsgrund herausgearbeitete, vom Bürgerlichen
Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte
Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).
Lit.: Ihering, R., Culpa in contrahendo, Jb. f. d. Dogmatik
4 (1861) 1; Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in contrahendo,
FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering,
1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 113; Keller, M., Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung,
2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Benedikt, J., Culpa in Contrahendo, Bd. 1 2012
culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden
culpa (F.) lata (lat.) grobe
→Fahrlässigkeit
culpa (F.) levis
(lat.) leichte →Fahrlässigkeit
culpa (F.) levissima (lat.) leichteste →Fahrlässigkeit
Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der
Rechtsgeschichte, 1968
Cura (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei Geisteskranken ([lat., M.Pl.] furiosi),
Verschwendern ([lat., M.Pl.] prodigi), Tauben, Stummen, Altersschwachen,
(Leibesfrüchten bzw. nascituri) sowie gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf
Antrag auch bei Mündigen unter 25 Jahren ([lat., M.Pl.] minores XXV annis), mögliche
→Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der
Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf.
Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8;
Köbler, DRG 36, 57
curator (lat.
[M.]) Pfleger →cura
curia (lat.
[F.]) Hof, Herrscherhof, Hofrat
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein, J., Die
Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía, J., El curia o cort,
Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E., Le gouvernement
capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen,
C., Curia regis, 1999
curtis (lat.
[F.]) Hof, Herrenhof
Lit.: Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W.,
Nd. 2 1975; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof
cursus (M.) honorum (lat.) Ämterlaufbahn der römischen Republik (Quästor, Ädil, Prätor,
Konsul
Cusanus →Nikolaus
von Kues
Custodia (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines
Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer, Entleiher, Mieter, Werkunternehmer,
Pfandgläubiger, möglicherweise Verkäufer), haftet danach für das Abhandenkommen
der Sache (z. B. durch Diebstahl) und solche Schäden, die gerade bei
unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten
Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW
Cyprianus ist ein in Florenz geborener, am Ende des
12. Jh.s verstorbener Glossator mit Glossen zu allen Teilen der justinianischen
Kompilation.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 236
Czernowitz am
Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über
die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875
eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940
an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.
Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v. Corbea-Hoisie,
A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z., Erinnerungen an
Czernowitz, 2007
D
Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht
geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)
Dabelow,
Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768–Dorpat 27. 4.
1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787
Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle
(bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819
Hofrat und Professor in Dorpat.
Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie,
Bd. 4 685
Dacheriana ist
die nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery † 1685) benannte, um 800 in Lyon
entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259
Dahn, Felix (Hamburg 9. 2. 1834-Breslau 3. 1.1912),
Sohn eines deutsch-französischen Schauspielerehepaars, wird nach dem Studium der
Philosophie und des Rechtes in München und Berlin 1857 mit Studien zur
Geschichte der germanischen Gottesurteile in München habilitiert. 1863 wird er
Professor in Würzburg, 1872 in Königsberg und 1888 in Breslau. Sein größter literarischer
Erfolg ist der in 30 Auflagen (1900) veröffentliche Roman Ein Kampf um Rom
(1876ff.), während das zwölfbändige Hauptwerk Die Könige der Germanen (1861ff.)
weniger Anerkennung findet.
Lit.: Meyer, H., Friedrich Dahn,
1913; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 3 1957, 285
Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr von
(Herrnsheim bei Worms 10. 2. 1744-Regensburg 8. 2. 1817) wird nach dem Studium
des Rechtes in Heidelberg 1768 Priester, 1772 Statthalter des Erzbischofs von
Mainz in Erfurt, 1780 Rektor der Universität Würzburg, 1787 Koadjutor in Mainz,
1788 Koadjutor in Konstanz, 1800 Bischof von Konstanz, 1802 Erzbischof von
Mainz und 1806 Fürstprimas von Deutschland (im Rheinbund). Im
Reichsdeputationshauptschluss erhält er 1803 Regensburg, Aschaffenburg und
Wetzlar, 1806 Frankfurt am Main und 1810 Fulda und Hanau. 1803 muss er
abdanken, bleibt aber Erzbischof von Regensburg.
Lit.: Färber, K., Kaiser und
Erzkanzler, 1988; Carl von Dalberg, hg. v. Färber, K. u. a., 1994; Carl von Dalberg,
hg. v. Hausberger, K., 1995; Hein, N., Der Staat Karl Theodor von Dalbergs,
Diss. phil. Frankfurt am Main 1996; Hömig, H., Karl-Theodor von Dalberg, 2011
Dalloz,
Désiré (1795-1869) wird nach dem
Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de
la cour de cassation et des cours d’‘appel (1824 Jurisprudence générale du
royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de
jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach
Materien geordnet in alphabetischer Reihenfolge wichtige Entscheidungen mit
Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und
erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als
den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und
wissenschaftlichen Stellungnahmen vertreibt.
Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz
(1795-1869), 1964
Dalmatien ist
das zunächst von Dalmatern besiedelte Ostufer der Adria mit den davorliegenden
Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des
6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um
die 1420 erreichte Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die
Türken. Über Venedig (Auflösung der Republik 1797) bzw. (nach Auflösung der
illyrischen Provinzen Napoleons) über den Wiener Kongress (1815) erlangt →Österreich
das 1816 zum Königreich erhobene D. 1920 wird es →Jugoslawien zugeteilt,
aus dem es 1991 vor allem an →Kroatien fällt.
Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische Munizipalverfassung
im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24 (1903), 211; Stanic,
M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Clewing, C.,
Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000; Cetnarowicz, A., Die
Nationalbewegung in Dalmatien im 19. Jahrhundert, 2008
Damasus ist ein um 1210 bis 1220 in Bologna
wirkender Lehrer des kirchlichen Rechtes.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 300
Damme →Vonnisse
von Damme
Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte
Vermächtnis, bei dem vielleicht der treuhänderische Vermögenskäufer (lat.
familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme,
später auch für andere Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG
23
Damnum (lat.
[N.]) (iniuria datum) ist im klassischen römischen Recht der rechtswidrig
zugefügte Schaden, zu dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.)
Aquilia de damno (aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.
Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65
Danelaw ist
eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen
beherrschte Gebiet →Englands (z. B. Northumbria, Ostanglien).
Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain,
1977
Däne →Dänemark
Dänemark ist
der im Norden an Deutschland grenzende skandinavische Staat. Die Festigung
einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6. Jh.) durch einen König
gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem Alten (ab etwa 940
ununterbrochene Königsreihe). Wenig später setzt sich das Christentum in D.
durch. Zeitweise herrschen die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut
der Große 1018-1035), der Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und →Norwegen,
→Schweden sowie →Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200
wird erstmals das Recht (für Schonen [kurz nach 1200, dänisch, lateinisch als
Liber legis Scaniae, Rechtsbuch Schonens Erzbischof Andreas Sunesens], Seeland
[Waldemar, Erik] und Jütland [März 1241 unter König Waldemar II.] erhalten)
schriftlich aufgezeichnet, wobei kirchlicher Einfluss nachweisbar ist. Dementsprechend
wird bereits im 13. Jh. inhaltlich ergänzend gelehrtes Recht erkennbar. 1479
wird in Kopenhagen eine Universität gegründet. Seit dem 16. Jh. wird in
Einzelfällren die Folter verwendet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg
(1448-1863) die lutherische Reformation durchgeführt. Vom Einfluss der
katholischen Kirche befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das
Land. Im Gefolge des Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden
zurückgedrängt, wobei die Ostgebiete an Schweden fallen. 1660 erzwingen Bürger
und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie (mit
einem 1661 eingerichteten Höchstgericht), die sich 1665 (durch lat. [F.] lex
regia, königliches Gesetz) dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683
unter Christian V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht,
Kirchenrecht, Ständerecht mit Eherecht und Unmündigenrecht, Seerecht,
Schuldrecht, und Sachenrecht, Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, seeländisches
und schonisches Recht, im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von
Grundnormen aber noch in Kraft, ähnlich 1687 für das von 1380 bis 1814 mit D.
verbundene Norwegen) in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh., in
dem 1736 eine juristische Prüfung eingeführt wird und innerhalb der
erwachsenden Rechtswissenschaft die Rechtsgeschichte erfasst wird (Peder Kofod
Ancher, En Dansk Lov-Histoire 1789ff.), dringt mit Aufklärung und Naturrecht
die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich
geändert. 1788 beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an
Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie unter Einführung einer Verfassung
(Entwurf einer Verfassungsurkunde für das Königreich D. und die Herzogtümer
Schleswig und Holstein von Anfang 1848, Danmarks Riges Grundlov 5. Juni 1849)
nach dem Vorbild Belgiens bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie
abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den →Deutschen
Bund bzw. Preußen verloren (ein Drittel der Einwohner, zwei Fünftel des
Gebiets). 1866 wird die Verfassung verändert. Seit 1872 arbeitet D. mit den
anderen nordischen Ländern trotz Sonderung des Westnordischen vom Ostnordischen
vereinheitlichend zusammen. 1866/1930 wird das Strafrecht, 1916/1919 das
Prozessrecht geändert. Ab 1891 wird die Sozialversicherung eingeführt. 1901
setzt sich der Gedanke der parlamentarischen Kontrolle durch. 1915 wird erneut
die Verfassung verändert. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung Nordschleswig
zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in
der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regierungsform, die sich
zum Sozialstaat wandelt. Das Einkammersystem wird eingeführt. 1960 tritt D. der
Europäischen Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft (bzw.
1993 Europäischen Union). 1979 erhält →Grönland Autonomie.
Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883;
Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u.
a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og
vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K.,
Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die
dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im
fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores
historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske
profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v.
Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen,
E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F., Hovedpunkter
af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte, übers. v.
Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940; Dahl, F.,
Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P., Dansk
Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde, 1942,
Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Højesteret
1661-1961, 1961; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger,
O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung
in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in spätmittelalterlichen
Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976), 257, 94 (1977), 20;
Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976; Kroman, E., Dänemarks alte
Rechte – Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA 94 (1977), 1; Riis, T., Les
Institutions Politiques Centrales du Danemark 1100-1332, 1977; Danmarks
historie, Bd. 1ff. 1977ff.; Dübeck, I., Købekoner og konkurrence, 1978; Ekbom,
C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979; Danske og Norske Lov i 300
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Thygesen, F., Das Verhältnis zwischen dänischem und deutschem Recht, ZRG GA 105
(1988), 289; Den Danske rigslovgivning 1397-1513, hg. v. Andersen, A., 1989;
Tamm, D., Laerebog i Dansk retshistorie, 1989; Tamm, D., Retshistorie 1 Dansk
retshistorie, 1990; Tamm, D., Med lov skal land bygges, 1990 (Aufsätze); Den
Danske rigslovgivnning 1513-1523, hg. v. Andersen A,. 1991, Jyske Lov i 750 år,
1991; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992; Danmark i senmidelalderen, hg.
v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H., Besaßen die dänischen Könige der
vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG GA 112 (1995), 423; Björne, L.,
Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische
Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish judges in the 20th century, 2003;
Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum, 2003; Dänemark, Norwegen und
Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Geiger,
T., Die dänische Intelligenz von der Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005;
Tamm, D., Retshistorie, 2005; Bellamy, M., Christian IV and his Navy, 2006;
Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und
Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D., 2008; Quellen zur dänischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte (12.-20. Jahrhundert), hg. v. Tamm, D. u. a., 2008; Zwischen
Grenzkonflikt und Grenzfrieden, hg. v. Henningsen, L., 2011; Andersen, P.,
Legal Procedure and Practice in Medieval Denmark, 2011; Loebert, S. u. a., Die
Entstehung der Verfassungen der dänischen Monarchie (1848-1849)., 2012;
Greßhake, F., Deutschland als Problem Dänemarks, 2013; Liedegaard, B., Die
Ausnahme - Oktober 1943 - Wie die dänischen Juden, 2013
Daniels,
Heinrich Gottfried Wilhelm (Köln 25. 12. 1754-Köln 28. 3. 1827), wird nach dem
Studium der Mathematik und des Rechtes in Köln 1770 in der Philosophie und 1775
in der Rechtswissenschaft promoviert. 1776 wird er Advokat bei dem Hofrat des
Erzbischofs von Köln, 1783 ordentlicher Professor der Universität Bonn und 1792
Richter am kurkölnischen Appellationsgerichtshof in Bonn. Nach dem Verlust
aller Ämter infolge des Einmarschs Frankreichs lehrt er seit 1798 Gesetzgebung
an der neuen Zentralschule in Köln, wird aber 1804 Substitut de Procureur
Général am Kassationshof in Paris, 1813 Generalprokurator am Appellationshof
in Brüssel, 1817 geheimer Staatsrat in Berlin und 1819 erster Präsident des
rheinischen Appellationsgerichtshofs in Köln.
Lit.:
Weisweiler, W., Geschichte des rheinpreußischen Notariats, Bd. 2 1925; Recht
und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969;
Reisinger-Selk, N., Heinrich Gottfried Daniels, 2008; Daniels, H., Vorlesungen,
hg. v. Becker, C., 2009
Dank
Lit.: His, R.,
Dank, ZRG GA 57 (1937), 474
Danzig an
der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s (997) als
(pommerellische) Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche
Zuwanderer, die sich hauptsächlich beiderseits der Langgasse niederlassen, →lübisches
Recht (1263) mit. Nach Zerstörung der Stadt (1236 civitas Danczik) durch den
Deutschen Orden in Kämpfen um die Erbfolge im Herzogtum Pommerellen im Jahre
1308 erhält D. vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1342/1343 →Kulmer
Recht. 1454 löst sich das in vier Teile gegliederte D. vom Deutschen Orden und
unterstellt sich Polen, wofür es verschiedene Vorrechte erhält. 1792 kommt D.
bei der zweiten Teilung Polens an Preußen, Nach dem Versailler Vertrag vom 20.
6. 1919 wird es, um Polen einen Ostseehafen zu sichern, am 15. 11. 1920 Freie
Stadt (400000 Einwohner, 5 Prozent Polen, 1966 qkm), in der weiter deutsche
Gesetze gelten. Diese freie Stadt D. ist ein Staatsgebilde mit beschränkter
Souveränität ohne Staatsoberhaupt, aber mit Regierungsoberhaupt. Am 1. 9. 1939
wird D. in das Deutsche Reich eingegliedert. 1945/1990 fällt es an Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte
der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Geschichte Danzigs, 1921; Keyser, E.,
Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum ältesten Recht
von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein Danziger
Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser,
E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei
alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen
der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940),
161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971;
Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen
Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 1979, 2. A. 1988;
Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in
Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415; Das Danziger Pfundzollbuch der Jahre 1409
und 1411, bearb. v. Jenks, S., 2012
dare (lat.)
geben
Darjes,
Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und
Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung des Privatrechts und
entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systematisch (1740) das
erbrechtliche Parentelensystem. →Parentel
Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg
Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007
Darlehen (Wort 1507) ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig
verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine
Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in
gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) (zu
Eigentum) erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) →nexum
wohl bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstverpfändung für ein D.).
Daneben besteht das formfreie (lat. [N.]), grundsätzlich unentgeltliche →mutuum
als →Realkontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.]) →condictio
als abstrakte Klage erhält, wobei Zinsen besonders vereinbart werden müssen. Im
weitgehend geldlosen frühmittelalterlichen Recht ist D. nur ein Fall der
allgemeineren →Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgelts für das D. wendet
sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.]
mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen
den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch.
Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte
Personen, schließlich 1654 durch den jüngsten Rechtsabschied sogar allgemein
erlaubt, wobei römisches Recht des Darlehens (lat. [N.] mutuum) unter
Abänderung aufgenommen wird. Allerdings werden Höchstzinssätze (oft 6%)
festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen verboten. Das Allgemeine
Landrecht Preußens (1794) trennt das D. eindeutig von der Leihe (lat. [N.]
commodatum). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812)
versteht das D. als Realvertrag, doch entwickelt sich daneben auch ein konsensualer
Darlehensvertrag. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die
Zinsschranken (ADHGB, 1861), doch bewirkt ein wuchermäßiges Verhalten
Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in Deutschland das D.
(Gelddarlehen, 488 BGB) vom D. anderer vertretbarer Sachen (Sachdarlehen)
getrennt.
Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18;
Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120,
241; Lübtow, U. v., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H., Darlehen
und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Dehesselles, T., Policey, Handel und Kredit im Herzogtum
Braunschweig-Wolfenbüttel, 1999; Sturm, B., wat ich schuldich war -
Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550-1750), 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Daseinsvorsorge (Forsthoff, E., Der totale Staat,
1933, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938) ist die vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie
wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen
Verwaltung.→Leistungsverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff.
1983ff.; Scheidemann, E., Der Begriff Daseinsvorsorge, 1991; Hermes, G.,
Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; Laak, D. van, Der Begriff
Infrastruktur, Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), 280; Kersten, J., Die
Entwicklung des Konzepts Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat
44 (2005); Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006;
Ringwald. R., Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, 2008
Datenschutz ist
der Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch eine andere Person. Er
entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung der
elektronischen Datenverarbeitung, wobei das weltweit erste Datenschutzgesetz
1972 in Hessen erlassen wird. Zu seiner Ausführung sind besondere staatliche
Datenschutzbeauftragte bestellt (Hessen 18. 6. 1975-22. 10 1991 Spiros
Simitis).
Lit.: Köbler, DRG 260; Vierzig Jahre
Datenschutz in Hessen, hg. v. Kartmann, N. u. a., 2012
datio (lat. [F.]) Gabe, Hingabe
(z. B. bei Leihe, Verwahrung, Pfand)
Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird
schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der
Gläubiger als Erfüllung anerkennt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62
Dauer
Lit.: Krause, H., Dauer und
Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206
DDR (Deutsche
Demokratische Republik)
Decemviri (lat.
[M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung
allgemeiner Angelegenheiten (z. B. →Zwölftafelgesetz).
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19
De Chasseneuz,
Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle,
Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517
(lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten
großen Kommentar zum partikularen Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) in
Frankreich.
Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880,
Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss.
jur. Dijon 1977
Deciani,
Tiberio (Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Padua (1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In seinem posthum
veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt
er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen
Straftatbestand.
Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938),
121
Decius, Philippus ist ein in Mailand 1454
geborener, in Pavia und Pisa ausgebildeter, 1475 promovierter, dort, 1484 in
Pisa, 1487 in Siena, 1487 in Pisa, 1502 in Padua und später in Pavia und Pisa
lehrender, vielleicht in Siena 1536 verstorbener Jurist (lectura zu Digesten
50, 17, commentaria zu den Digesten, consilia).
L.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 875
Déclaration (F.) des droits de l‚homme et du citoyen (franz.) ist die von der Nationalversammlung in Frankreich
1789 angenommene Erklärung der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der
Verfassung vorangestellt wird.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ErklaerungderMenschenundBuergerrechte1789.pdf;
Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 1964
Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan
1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der →Willenserklärung.
Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Declaration of Rights (England 1689)
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ofRights1689.htm
decreta (lat.
[N.Pl.]) (z. B. sog. decreta Tassilonis oder decretum Tassilonis von 756?-772?,
45 bayerische Synodalbestimmungen aus Aschheim, Dingolfing und Neuching),
Entscheidungen →Dekret, decretum
Lit.:
Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit, 1989
Decretio (F.) Childeberti (lat., auch decretus, decretum) ist ein spätestens am 1.
3. 596 verkündetes, vielleicht in verschiedenen Teilen aus verschiedenen Jahren
stammendes, in 24 Textzeugen durch 21 noch greifbare Handschriften
überliefertes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs Childebert II. für
Austrasien mit gemischten Inhalten (z. B. Eintrittsrecht der Enkel, mehrfach
Todesstrafe), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex Salica
überliefert ist.
Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio
Childeberti und ihre Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1; Woll, I.,
Untersuchungen zu Überlieferung und Eigenart der merowingischen Kapitularien,
1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, 1995;
Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kölzer, T., Die
merowingischen Kapitularien in diplomatischer Sicht (in) Scientia veritatis,
2004, 16ff.
Decretum (lat.
[N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit
der er unmittelbar Recht setzt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste
Kanonessammlung →Burchards von Worms.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier
bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140
[1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellensammelnde und rechtlich
argumentierende aber keine Texte aus bisher nicht verwendeten Sammlungen
aufnehmende oder Ergänzungen aus schon benutzten Quellen einfügende Fassung um
1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600
mittelalterliche Handschriften, noch ältere Vorstufe „Rohfassung“ möglicherweise
in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna von dem nicht
näher bekannten Mönch →Gratian auf Grund zahlreicher älterer Sammlungen
zusammengestellte (lat.) Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung
widersprüchlicher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich
vereinende D. G. stellt ohne strenge Systematik bzw. in schwer verständlicher
Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen
Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [etwa
25%?], Auszüge aus Bußbüchern, römische Rechtssätze sowie biblische Sätze,
insgesamt 3945 [lat. M.Pl.] canones oder [lat. N.Pl.] capitula) zusammen. Sein
erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder
allgemeine Bestimmungen über allgemeine Rechtslehre und Kleriker. Der zweite
Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen (lat. [F.Pl.] quaestiones) und
Kapitel (lat. [N.Pl.] capitula) gegliederten (fiktiven) Fällen oder (lat.)
causae (C.), die beispielsweise das Prozessrecht, Strafrecht, kirchliche Vermögensrecht,
Recht der Mönche, Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33, quaestio 3 als
Traktat ausgestaltet) betreffen. Der dritte, wohl erst in der zweiten Fassung
eingefügte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) unter der Überschrift
(lat.) De consecratione (Von der Weihe) das Recht der Weihe und anderer
Sakramente dar. Kommentiert wird die Konzilskanonenes und päpstliche Dekretalen
bereits aus dem 4. Jh. enthaltende Sammlung durch die Dicta Gratiani. Materielle
Quellen sind Konzilskanones (davon rund 400 Kapitel aus den pseudoisidorischen
Fälschungen), päpstliche Dekretalen, etwa 1200 Texte der Kirchenväter, vielleicht
erst spät eingefügtes weltliches, vor allem römisches Recht (aus der
justinianischen Kompilation) und Texte der (lat.) Glossa ordinaria des 12. Jh.s
zur Bibel. Eine wichtige unmittelbare Quelle sind die Sammlungen des Ivo von
Chartres (Panormia, nach 1095, Tripartita um 1100), ein bedeutsames Vorbild
Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barmherzigkeit und
Gerechtigkeit, um 1100). Hinzu kommen Anselm von Lucca (um 1083), Sententiae
magistri A. (um 1110), Sammlung Polycarpus (um 1111) und Drei-Bücher-Sammlung
(um 1120). Um 1150 beginnt die europäische Verbreitung, die bis 1160 das
gesamte damals bekannte Abendland erreicht. An das D. G. schließt sich bald (in
Bologna um 1145? [Paucapalea], vor 1150?) eine wissenschaftliche Behandlung
(Dekretistik in der Form von Glossen und Summen z. B. Huguccio von Pisa) an,
deren Glossen →Johannes Teutonicus um 1215 zu einer (lat.) glossa (F.)
ordinaria zum D. G. zusammenfasst (um 1245 von Bartholomaeus Brixiensis
überarbeitet). Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) →corpus
(N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem
auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitierweisen sind seit der
Nummerierung der Kapitel in der Ausgabe Charles Dumoulins von 1553/1554 (nicht
mehr die lateinischen Textanfänge der Stellen, sondern) z. B. für den ersten
Teil D. (Distinktion) 20. C. (Kapitel) 2, für den zweiten Teil C. (Causa) 9 q.
(quaestio) 3 c. (capitulum) 11 und für den dritten Teil De cons. D.
(Distinktion) 1 c. (Kapitel) 5.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.;
Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians Dekret, Österreich. Archiv f.
Kirchenrecht 12 (1961), 177; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983;
Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen
des gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two
Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche
Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997,
1331; Landau, P., Kanones und Dekretalen, 1997; Beyer, A., Lokale Abbreviationen
des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar, C., El borrador de la „Concordia“ de
Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593;
Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum, 2000; Larrainzar, C., La formacion
del Decreto de Graciano par etapas, ZRG KA 87 (2001), 67; Winroth, A., Recent
Work on the Making of Gratian’s Decretum, Bulletin of Medieval Canon Law 26
/2004-2006), 2; Décret de Gratien. Causes 27 à 36 Le mariage, hg. v.
Werckmeister, J., 2011
decretum (lat. [N.]) principis Entscheidung des (römischen) Kaisers in Zivilprozessen und
Strafprozessen
Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden
(Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo
III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung
kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.
Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden
des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit,
1989; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern, FS K. Reindel, 1995, 137
Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?), systematische, an
unbekanntem Ort geschaffene, relativ reich und erheblich unterschiedlich
überlieferte, etwa eine Seite umfassende Übersicht über ein staatliches
Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter und Herrscher, Hofämter und städtische
Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger [Ämtertraktat]), die
vielleicht nur Lehrzwecken dient und keiner bekannten Wirklichkeit vollständig
entspricht.
Lit.: Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Beyerle, F., Das frühmittelalterliche
Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Barnwell, P., Epistula Hieronimi
de gradus Romanorum, Historical Research 64 (1991), 77
Dediticius (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30;
Köbler, DRG 35, 57
Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste
staatsrechtliche Schrift des →Marsilius von Padua, in der er von der
Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Defensorpacis1324(1522).pdf;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der „Defensor pacis“ des
Marsilius von Padua, 1959
Definition (F.)
ist die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und insofern als verhältnismäßig
unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des
übergeordneten Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden
oder kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist [innerhalb] der [Gattung]
Mensch, der [welcher der Art nach] weiblich ist, F = Mw).
Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.
Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure
civili periculosa est, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23
Deichrecht ist
die Gesamtheit der den Deich (als die gegen Fluten vorgenommene Erdaufschüttung)
betreffenden Rechtssätze, wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jh. vor allem an
der Nordsee entwickeln. Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils
herrschaftlich ein Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich
unmittelbar geschützten Grundstücksberechtigten. Der Deichverband ist
Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe,
Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist
in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d.
h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer
sein Kabel nicht ordnungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines
Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht
will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur
Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegenüber dem
Deichregalträger. Es werden Deichordnungen aufgezeichnet oder auch erlassen
(Kleve 1448, Eiderstedt 1592, Hamburg 1639, Wursten 1661, Braunschweig-Lüneburg
1664, Bremen 1693). Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände
zurück (Preußen Deichgesetz 1848). Bei der Schaffung der deutschen Rechtseinheit
durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) wird das D. dem Landesgesetzgeber
überlassen. Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913 werden die
Deichverbände als Wassergenossenschaften behandelt.
Lit.: Schrader, C., Systematische Übersicht über das
Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die
Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967;
Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene
cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A.,
Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A.
1925; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes,
E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937;
Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die
Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De
historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden,
H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan
Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken,
1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um
1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D.,
Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, (in) Probleme der
Küstenforschung 15 (1984), 1; Gottschalck, M., Deich- und Wasserbau, 1985;
Petersen, S., Deutsches Küstenrecht, 1989; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des
Landes, 2003; Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki,
K., Die schleswigsche Deichstavengerechtigkeit, 2004
Dei gratia
(lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach biblischem und auch
kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur religiös zu
verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck bringen
will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung durch
den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.
Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung
und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und
Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000
Dekalog sind
die zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17,
5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche
Störungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten
Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit
bis in die Gegenwart.
Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der
Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982
Dekan (M., zu lat. decem, Num. Kard.,
zehn) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Dekret ist
allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das (lat.) →Decretum
(N.) Gratiani.
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der
ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.
Dekretale ist
die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Papst Siricius
an Bischof Himerius von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte
des 12. Jahrhunderts mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr
häufige Entscheidung des Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie
verkündende feierliche Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise
die Sammlung des Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die
(lat.) Collectio (F.) Wigorniensis (um 1173/1174, noch unsystematisch), der
(lat.) Appendix (M.) concilii Lateranensis III (England um 1183, bereits
systematisch nach Titeln geordnet und teilweise auch in einzelne Blöcke
zerlegt), die Collectio Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 (bzw.
1188/1190 und 1226) entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte
Sammlungen, später sog. compilatio prima [= Breviarum extravagantium, geteilt
in fünf Bücher iudex, iudicium, clerus, conubia, crimen h. h. Richter, Gericht,
Klerus, Ehe, Verbrechen] 1188-1191 bzw. um 1188/1190 Bernardus Balbi von Pavia
bzw. Bernardus Papiensis [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern,
compilatio secunda des Johannes Galensis 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191
und 1198], compilatio tertia 1209/1210 [Papst Innozenz III. durch] Petrus
Beneventanus bzw. Petrus Collivaccinus [erste authentische Sammlung, Dekretalen
Papst Innozenz’ III.], compilatio quarta 1216 Johannes Teutonicus (mit Texten
insbesondere des vierten Laterankonzils, von Papst Innozenz III.
zurückgewiesen), compilatio quinta 1226 [Papst Honorius III. 1216-1227 durch]
Tancred bzw. Tancredus Bononienis). Sie werden auf Grund eines von Papst Gregor
IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen Kirchenrechtler →Raymundus
de Penyafort (1180-1275) zu einer neuen ergänzten Dekretalensammlung (mit
2139 Kapiteln zwischen 1140 und 1234) vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.)
Liber (M.) (decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie
gliedert sich in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie
ersetzt alle älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa
(F.) ordinaria stammt von Bernardus Parmensis († 1266) bzw. →Johannes
Andreae († 1348). Die bedeutendste Summe ist die 1253 abgeschlossene, seit 1477
so bezeichnete (lat. [F.]) Summa aurea (goldene Summe), die wichtigste
Kommentierung die zwischen 1262 und 1265 entstandene (lat.) Lectura (F.),
Lesung, des Hostiensis (Heinrich von Segusia, Susa vor 1200-Lyon 1270). Zitiert
wird dieser Liber extra z. B. als X 1. 2. 13.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung
der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S.,
Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P., Kanones und
Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117
(2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early middle ages,
2001; Zechiel-Eckes, K., Die erste Dekretale - Der Brief Papst Siricius’ an
Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255), 2013
Dekretalist ist
der die →Dekretalen (1234 nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende
Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis
[Summa aurea, goldene Summe], Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de
Tudeschis [Panormitanus]). Die Gesamtheit der Dekretalisten wie die Tätigkeiten
der Dekretalisten werden als Dekretalistik bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the
Schools of Law, 1983
Dekretist ist
der das →Dekret Gratians bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea,
Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio, Johannes Teutonicus).
Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983
delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) →dilatura
De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des englischen Rechtes) ist eine
1470 vom Richter Sir John →Fortescue verfasste Darstellung des →englischen
Rechtes im Vergleich zum festländischen Recht.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
delegatio (lat. [F.]) Anweisung
Delegation ist
die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere.
Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D.
weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jh. (lat.
iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen römischen Reich wird die D. wegen des
damit verbundenen Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung
des Reichskammergerichts eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von
Konstanz (1414-1418), Basel (1431-1437) und Trient (1545-1563), in den
deutschen Ländern seit dem 18. Jh. Trotzdem ist die D. als Übertragung einer
Zuständigkeit eines staatlichen Organs auf ein anderes, das danach die
Zuständigkeit neben dem oder statt des Delegierenden ausübt, möglich. In
Österreich sind die Delegationen 1867 ein 120 Mitglieder umfassendes
Gesetzgebungsorgan für die pragmatischen Angelegenheiten der
österreichisch-ungarischen Monarchie, das rechtstatsächlich auf die Erstellung
des entsprechenden Haushaltsplans beschränkt ist.
Lit.: Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio Ordinaria,
Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R.? v., Jurisdictio
delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878),
491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und delegata,
1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, Neudruck
1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche
Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I., Delegation und
Novation im klassischen römischen Recht, 1998; Olechowski-Hrdlicka, K., Die
gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001
De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über
die Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in
lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law)
des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Rechtsprechung der königlichen
Gerichte (ausgenommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser
gilt Ranulf de →Glanvill. Ein
Einfluss des römischen Rechtes ist nur in terminologischer Hinsicht
zweifelsfrei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Delictum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die den Einzelnen, seine Familie oder sein
Vermögen verletzende Tat (zu lat. delinquere, V., zurücklassen ausgehen,
fehlen, sich vergehen, z. B. Diebstahl, Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung).
Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist
anfangs die Vergeltung am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später
die an die Stelle des Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die
entweder in einem bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des
betroffenen Gegenstands bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende
Klagen. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen
und →Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des
nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden.
Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt
aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die
Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.
Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW;
Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur
Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum
hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49
Delikt (Wort 1559, Lehnwort zu [lat., N.] delictum) ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils →Strafe,
teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes auch die Figur
des (lat. [N.]) →delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die mit
öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu
Schadensersatz verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die
Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939;
Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen
des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A.
2001, 10. A. 2006; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996;
Zimmermann, R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation
des deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; La faute et sa
punition dans les sociétés orientales, hg. v. Furand, J. u. a., 2012
Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung zur Verantwortung gezogen
werden zu können. Sie fehlt
schon im römischen Recht den Geisteskranken (lat., M.Pl., furiosi) und Kindern
(lat., M.Pl., infantes). Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche
Handhabung im Einzelfall eher unklar. Mit der Rezeption wird die Mündigkeit (Vollendung
des 14. Lebensjahrs) maßgeblich für die D.
Demagoge
(M.) Volksführer, Volksverführer
Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und
demagogischer Verbindungen“ durch den →Deutschen Bund auf Grund der am
20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen →Karlsbader
Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz eingesetzten Zentraluntersuchungskommission.
Die D. besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von
Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die
Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die
Entfernung von Studenten von der Universität. In diesem Zusammenhang werden in
Preußen 1836 192 Studenten verurteilt, davon einige zur Todesstrafe. Bekannte
Verfolgte sind Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt, Joseph von Görres,
Karl Friedrich Eichhorn, Friedrich Schleiermacher oder E. T. A. Hoffmann.
Lit.: Toll, H., Akademische
Gerichtsbarkeit und akademische Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30; Brümmer, M., Staat kontra Universität,
1991; Mann, C., Die Demagogen und das Volk, 2007
Demokratie (Lehnwort zu demokratia, griech., F., Volksherrschaft) ist die
erstmals in →Athen unter Kleisthenes (508 v. Chr.) in gewisser Weise
verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen, die von Aristoteles
als Entartung der Herrschaftsform Politie (griech., F., politeia) angesehen
wird. Nach der Antike gewinnt die D. trotz Erwähnung bei Martin Luther (1539
für Schweiz und Dithmarschen), Samuel Pufendorf (1667 als Gegensatz zum
Reichstag) oder Johann Stephan Pütter (1787 für Reichsstädte) erst wieder seit
der französischen Revolution des Jahres 1789 tatsächliche Bedeutung. Dabei wird
teils auf die vollständige Gleichheit und Beteiligung aller an der Herrschaft
abgestellt, teils auf die Volkssouveränität, teils auf Gewaltenteilung, Grundrechte,
Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem. Im Einzelnen sind die Formen der
verwirklichten D. dementsprechend verschieden (z. B. 1919 im Deutschen Reich
eine mit plebiszitären Merkmalen angereicherte parlamentarische D. mit vom Volk
gewähltem Reichspräsidenten, 1949 Volksdemokratie der Deutschen Demokratischen
Republik).
Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1
1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen
Demokratien, 1850ff.; Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen
Parlamentarismus, 2. A. 1926; Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2.
A. 1929; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966;
Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216
(1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971;
Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 1986, 4. A. 1995; Biographisches
Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in
Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Kurz, A., Demokratische
Diktatur?, 1992; Lepsius, M., Demokratie in Deutschland, 1993; Die athenische
Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995;
Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur
Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte
Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Riethmüller,
J., Die Anfänge des demokratischen Denkens in Deutschland, 2001; Die Anfänge
des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und
Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006;
Canfora, L., Eine kurze Geschichte der Demokratie, 2006; Raaflaub, K. u. a.,
Origins of Democracy, 2007; Verachtet, verfolgt, verdrängt - Deutsche
Demokraten, hg. v. Bockhofer, R., 2007; Nippel, H., Antike oder moderne
Freiheit?, 2008; Robinson, E., Democracy beyond Athens, 2011Nolte, P., Was ist
Demokratie?, 2012; Braunschweig, C., Die demokratische Krankheit, 2012;
Gesichter der Demokratie, hg. v. Hein, B., 2012; Postnationale Demokratie,
Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013; Kämper, H.,
Wörterbuch zum Demokratiediskurs 1967/68, 2013; Postnationale Demokratie,
Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013
Demolombe,
Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen
31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum →Code civil (1845ff.).
Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses
œuvres, 1888
Demonstration (F.) Aufzeigung, Protestzug
Lit.: Dostal, C., 1968 –
Demonstranten vor Gericht, 2006
Demoskopie (F.) Volksbefragung, Meinungsforschung
Lit.: Kruke, A., Demoskopie in der
Bundesrepublik Deutschland, 2007
Denarius (lat. (M.) Zehner, zehn As) ist eine
römische, im Mittelalter sprachlich weitergeführte Münze.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A.,
Der Denar der Lex Salica, 1910; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006
denegatio actionis (lat.) Verneinung des Klaganspruchs
Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der die überlieferten Zeugnisse eines Vorgangs oder
einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des modernen
Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter. Die
eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels
(1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521)
1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit
an.
Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des
Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für
denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112
(1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung
der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts in Preußen,
2005
Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus
18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses
setzt seit Innozenz III. (1160/1161-1216, 1199/1209) ein Verhalten gegen die
Interessen der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen
anzeigen darf, wobei der Anzeigende weder nachweisen noch Kosten tragen muss.
Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des
17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000
Denunziation ist allgemein die Mitteilung oder Anzeige.
Ausgehend von der (lat.) →denuntiatio (F.)
evangelica wird im gemeinen Strafrecht (Clarus, Practica criminalis, 1578)
darunter die Strafanzeige mit dem Ziel der Wahrheitsermittlung verstanden,
wobei Vorteile und Gefahren der D. durchaus gesehen und erörtert werden. Seit
der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, verstärkt in der ersten Hälfte des 19. Jh.s,
entwickelt sich unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus die
Bedeutung der böswilligen, hinterlistigen und verräterischen Anzeige an die
Polizei.
Lit.: Denunziation, hg. v.
Jerouschek, G. u. a., 1997; Sauerland, K., 30 Silberlinge, 2000; Koch, A.,
Denunciatio, 2006; Nolte, J., Demagogen und Denunzianten, 2007; Böske, S.,
Denunziationen in der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. jur. Bielefeld 2008;
Hornung, E., Denunziation als soziale Praxis, 2010; Sauerland, K., Dreißig Silberlinge - Das Phänomen
Denunziation, 2012
Depositio (lat.
[F.]) ist die →Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die
bereits im klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner
bestimmte Erleichterungen verschafft.
Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Depositum (lat.
[N.] Verwahrung) ist im römischen Recht die →Hinterlegung einer
beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der
Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer nicht zurück, so hat nach dem
Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen Unterschlagung auf das
Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf
grundsätzlich nur den einfachen Wert. Depositum irregulare (unregelmäßige Verwahrung)
ist die Verwahrung, bei welcher der Verwahrer das verwahrte Geld gebrauchen
darf, aber zur Rückzahlung desselben Betrags und gegebenenfalls vereinbarter
Zinsen verpflichtet ist.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 45
Depot (N.)
(Verwahrung, Verwahrungsort)
Depotgesetz ist
das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die Verwahrung von
Wertpapieren.
Lit.: Buxbaum,
C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002
Deputat (N.)
Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung
Derby (ae.
Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager Derventio zurück. 1204
erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry,
1983
Der Ältere teilt, der Jüngere wählt ist ein bereits
bei Seneca (1-65 n. Chr.), Controv. 6, 3 ([lat.] maior frater dividat
patrimonium, minor eligat, der größere Bruder soll das Vatergut teilen, der
kleinere aus den Teilen auswählen), Augustinus (354-430), De civitate Dei cap.
20 ([lat.] quando terrenorum aliquid partiendum est, maior dividat, minor
eligat, wenn etwas Irdisches zu teilen ist, soll der Größere bzw. Ältere teilen
und der Kleinere bzw. Jüngere wählen) und im Sachsenspiegel Eike von Repgows
(1221-1224, Wo zwei zur Erbschaft kommen, soll der Ältere teilen und der
Jüngere wählen) belegter Satz. Hinter ihm steht die Einsicht, dass der Teilende
nur dann so gut wie möglich teilen wird, wenn er befürchten muss, dass eine
ungleiche Teilung durch das Wahlrecht des anderen sich gegen ihn wenden kann.
Dementsprechend wird nur ein hinterhältiger, skrupelloser Betrüger (z. B. ein
E. in einem Lügenreich) als Jüngerer z. B. eine Zahl von Prüflingen absichtlich
(z. B. nach den Anfangsbuchstaben der ungleich auf das Alphabet verteilten Familiennamen
der Prüflinge) ungleich teilen, wahrheitswidrig die Gleichheit der offensichtlich
grob ungleichen Teile behaupten und sich selbst den größeren Teil nehmen.
Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere
teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478
Der Hehler ist nicht besser als der Stehler.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)
Der König ist gemeiner Richter überall.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-1224, Landrecht III 26 §
1)
Der rechte Weg
Lit.:
Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F.,
2000
Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten
überlieferte), 1421 vorliegende Gesamtverarbeitung des in Sachsenspiegel,
Sachsenspiegelglosse und Schwabenspiegel enthaltenen Rechtsstoffs in
alphabetischer Reihenfolge durch einen unbekannten Verfasser.
Lit.:
Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928
Derelictio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von →Eigentum und →Besitz
durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das
Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern
mit der Aneignung durch einen anderen. Nachfolgender ursprünglicher Erwerb
von Eigentum und Besitz durch jedermann sind grundsätzlich rechtmäßig.
Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio, 1932;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985; Hoyer, H., Die Dereliktion
von Liegenschaften , FS Wilhelm Brauneder, 2008, 181
Dereliktion (1774) ist die bewusste und gewollte Aufgabe des Eigentums
und Besitzes einer Person an seiner Sache (ohne abgestimmten Erwerb des
Eigentums und Besitzes durch einen anderen.)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Derivat (N.) Abgeleitetes
Lit..
Derivate und Finanzstabilität - Erfahreungen aus 4 Jahrhunderten, hg. v.
Institut für bankhistorische Forschung e. V: , 2013
derivativ (abgeleitet)
derivativer Erwerb,
abgeleiteter →Eigentumserwerb (im römischen Recht z. B. durch mancipatio,
in iure cessio oder traditito, in der Gegenwart durch Übereignung)
Dernburg,
Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841
getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem Studium in Gießen und der
Habilitation in Heidelberg (1852, Vangerow) Professor in Zürich, Halle (1862)
und Berlin (1872) und Mitglied des Herrenhauses Preußens. 1871 veröffentlicht
er ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen Privatrechts, 1884 ein dreibändiges
Lehrbuch des Pandektenrechts und 1898 ein dreibändiges Lehrbuch des
bürgerlichen Rechtes des Deutschen Reiches und Preußens.
Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231
Descartes (Cartesius),
René (La Haye 31. 3. 1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der
Jesuitenschule La Flèche Mathematiker und Philosoph, mit dessen (lat.) Meditationes
(Betrachtungen) eine neue Epoche der Philosophie beginnt. Als einzige
Gewissheit gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich
denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung
(deduktiv) das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die
Aufklärung fördert.
Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen
Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen
Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a.,
1999; Schultz, U., Descartes, 2001; Descartes und Deutschland, hg. v. Ferrari,
J. u. a., 2009; Herrmann, F., Descartes’ Meditationen, 2011; Kellerer, S.,
Zerrissene Moderne, 2012
Desertion (F.)
Fahnenflucht (zwischen 1939 und 1945 in der deutschen Wehrmacht etwa 30000
Todesurteile wegen D., Wehrkraftzersetzung u. s. w., davon rund 20000
vollstreckt)
Lit.:
Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Salisch, M. v., Treue Deserteure, 2008; Wolff,
C., Deserteurs et transfuges dans l’armée romaine, 2009; Deserteure,
Wehrkraftzersetzer und ihre Richter, hg. v. Kirschner, A., 2010
Designation (Bezeichnung) ist die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines
Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort
stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben
nebeneinander berechtigt sind. Bedeutung erlangt die D. in der Form der
Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das Königtum im
fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B. Bestimmung Ludwigs
des Frommen zum Mitkaiser Karls des Großen 813, Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser
Ludwigs des Frommen 817).
Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913;
Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965,
1981, 36; Schreyer, B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67
(1950), 407; Wolf, G., Designation und designare bei Widukind von Corvey, ZRG
GA 73 (1956), 372; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von
„designare“, ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92
(1975), 174; Giese, W., Designative Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen
der Völkerwanderungszeit, ZRG GA 117 (2000), 39; Giese, W., Untersuchungen zur
Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzogtümern und Fürstentümern, ZRG GA
119 (2002), 44; Giese, W., Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger,
DA 64 (2008), 437
Deszendent (M.) Abkömmling, Verwandter in absteigender Linie wie z. B. Tochter, Enkel, Urenkelin, Gegensatz
Aszendent
detentio (lat.
[F.]) →Innehabung
detentor (lat.
[M.]) Inhaber, →Innehabung
Deutsch ist
ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit
zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv
(diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen
Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und
erst gegen Ende des Frühmittelalters auf ein neues, aus Alemannen, Bayern,
Franken, Sachsen, Thüringern und Friesen entstandenes, einheitliches Volk
bezogen wird. Die deutsche Sprache gliedert sich in hochdeutsch im (hohen) Süden
und niederdeutsch im (niederen) Norden und in die zeitlichen Abschnitte
Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065, daneben Altsächsisch, Altniederfränkisch),
Mitteldeutsch (Mittelhochdeutsch 1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neudeutsch
(Neuhochdeutsch ab 1500 bzw. 1350, Neuniederdeutsch als Schriftsprache nicht
mehr wirklich entwickelt). Seit dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich
Latein als Wissenschaftssprache ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D.
als internationale Wissenschaftssprache auf Betreiben der alliierten
Siegermächte boykottiert, nach dem zweiten Weltkrieg verliert es sein
bisheriges Gebiet nahezu vollständig an das Angloamerikanische. Die aus
anderen Sprachen in das Deutsche aufgenommenen Wörter (Fremdwörter, Lehnwörter)
verzeichnet das 1913 von Hans Schulz begonnene, später von Otto Basler
fortgeführte, 1988 abgeschlossene und seit 1990 für die Buchstaben von A bis O
neu in Bearbeitung genommene, bis 2010 bis hysterisch vorangekommene Deutsche
Fremdwörterbuch (http://www.ids-mannheim.de/Lexik/fremdwort/). Ein den
Wortschatz des Deutschen der Gegenwart korpusgestützt dokumentierendes Online-Informationssystem
(Wörterbuch) ist elexiko (http://www.ids-mannheim.de/lexik/elexiko).
Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte
des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R.,
Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin, H., Von Raum und
Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Deutsch als Wissenschaftssprache, hg. v.
Kalverkämper, H. u. a., 1986; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes theodiscus,
HZ 247 (1988), 295; Ammon, U., Die internationale Stellung der deutschen
Sprache, 1991; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104 (1996), 26;
Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Lautverschiebungen
in den germanischen Sprachen, 2005; Schmidt, W., Geschichte der deutschen
Sprache, 10. A. 2006; Reinbothe, R., Deutsch als internationale Wissenschaftssprache,
2006; Schneider, R., Die Anfänge der deutschen Geschichte, ZRG GA 124 (2007), 1;
Casemir, K. u. a., Deutsch, 2013; Vogel, R., Einführung in die Morphologie des
Deutschen, 2013; Hill, E., Einführung in die historische Sprachwissenschaft des
Deutschen, 2013
Deutschböhmen s. Böhmen
Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die
Gewerkschaft ersetzende nationalsozialistische Einrichtung des Arbeitswesens,
die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat.
Lit.: Köbler, DRG 242
Deutsche Bank ist
die führende Aktiengesellschaft des Bankwesens in Deutschland.
Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995;
James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche
Bank im Dritten Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die Deutsche
Bank, 2005
Deutsche Bundesakte
(8. 6. 1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Grundlage (Verfassung)
des →Deutschen Bundes, deren Grundrechte aber nur die Staaten und ihre
Regierungen zur Beachtung verpflichten.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DeutscheBundesakte1815.htm
Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 durch Beschluss des Volkskongresses
aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik
nach sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen
Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, mit der Deklaration der
Regierung der Sowjetunion vom 25. 3. 1954 formell aus dem Besatzungsstatus in
die Souveränität entlassene, vertraglich und tatsächlich aber an die
Sowjetunion gebundene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich abgeschlossene,
mit einer reinen Binnenwährung wirtschaftende und dadurch vom Weltmarkt
abgeschottete, aber wegen der Einfuhr wettbewerbsfähiger westlicher
Industrieanlagen 1981/1982 mit rund 23 Milliarden D-Mark (1985 15,5 Milliarden)
im Westen verschuldete, nach Protesten des Volkes durch Öffnung der Mauer am 9.
11. 1989 wieder frei zugängliche, (nach Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990) zum
3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangene
deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und
Sozialdemokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen
Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000 informelle
Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist (anfangs noch
nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15 Prozent
mittlere und kleinere Privatunternehmen, 1972 noch 11400 zumindest teilweise
private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung
materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, an die →Weimarer
Reichsverfassung von 1919 angelehnte, gesamtdeutsch geplante, aber weder
Gewaltenteilung (stattdessen Gewalteneinheit) noch Opposition (stattdessen
Blocksystem der Parteien) kennende, einen Einparteienstaat ohne freie Wahlen bewirkende
Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die sozialistischen
Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen
Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste Staatsorgane sind (seit
1960) Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7 Mitglieder), Volkskammer (sowie
Sekretariat des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
und Politbüro des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands mit den zusätzlichen Einrichtungen Nationaler Verteidigungsrat,
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Gesellschaft für deutsch-sowjetische
Freundschaft und Präsidium des Nationalrats der Nationalen Front). Die
Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale Selbstverwaltung noch
Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte
gegliederte Gerichtsbarkeit entbehrt einer Verfassungsgerichtsbarkeit und
einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von besonderen gesellschaftlichen
Gerichten ergänzt. In den ersten zehn Jahren des Bestands des Staates fliehen
2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Zwischen 1963 und 1989 werden 31755
Menschen für rund 2,5 Milliarden Deutsche Mark von der Bundesrepublik
Deutschland freigekauft. Das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von
einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der 1981
letzmals vollstreckten Todesstrafe festhält. Das Bürgerliche Gesetzbuch,
dessen Bedeutung durch die Aussonderung des Vertragsrechts und des
Wirtschaftsrechts verringert wird, wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes,
nur 480 Paragraphen umfassendes Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975, ohne allgemeinen
Teil und ohne Abstraktionsprinzip) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und
Erbrecht von geringer Bedeutung sind (Versorgungsrecht für die Bürger). Das
Familienrecht ist durch ein Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das
Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961). Für den Zivilprozess
wird 1975 eine neue Zivilprozessordnung geschaffen (Amtsermittlungsgrundsatz).
Aus rechtsstaatlicher Sichtweise wird die D. insgesamt sehr kritisch, wenn
auch günstiger als die nationalsozialistisch beherrschte Zeit zwischen 1933
und 1945 beurteilt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
245, 250, 261ff., 271ff.; Martin, M., Zivilrecht der DDR Sachenrecht, 1956;
Wiedemann, H., Das sozialistische Eigentum in Mitteldeutschland, 1964;
Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin, H., Bd. 1f. 1968ff.;
Markovits, I., Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reiland,
W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann, W.,
Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Göttingen 1971; Ortslexikon der
Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Brunner, G., Einführung in das Recht
der DDR, 1975, 2. A. 1979; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische
Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Schuller, W., Geschichte und Struktur des
politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden
deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und
Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F.,
Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR,
1985; Autorenkollektiv Wirtschaftsrecht, 1986; Autorenkollektiv Strafrecht der
DDR, 1988; Wolle, S., Die heile Welt der Diktatur, 1988, 3. A. 2009; Weber, H.,
Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000, 5. A. 2012; Das Oberste Gericht der DDR -
Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in
der DDR, 2. A. 1990; Haase, H., Das Wirtschaftssystem der DDR, 1990; Sommer,
H., Gesellschaftsformen der DDR, NJW 1990, 676ff.; Rechtsgeschichte in den
beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991; Fricke, K., MfS intern,
1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der Wiedervereinigung?,
JuS 1991, 353; Weber, H., DDR, 1991; Markovits, I., Die Abwicklung, 1992; Wer
war wer in der DDR?, hg. v. Müller-Enbergs, H. u. a., 1992, 2. A. 1995, 3. A.
2000, 4. A. 2006 (3213 Biogramme), 5. A. 2010 (4000 Biogramme); Eisert, W., Die
Waldheimer Prozesse, 1993; Steuerung der Justiz in der DDR, hg. v.
Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der Untersuchungsausschuss freiheitlicher
Juristen 1949-1969, 1994; Entnazifizierungspolitik der KPD/SED 1945-1948, hg.
v. Rösler, R., 1994; Eine Diktatur vor Gericht, hg. v. Weber, J. u. a., 1995;
Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19. Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995;
Werkentin, F., Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht, 1995; Die
Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995; Beckert, R., Die erste und
letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der Länder in der SBZ/DDR,
1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur
Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Die Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg.
v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft in der DDR 1949-1971, hg. v.
Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996;
Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel, Die sozialistische
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des Sozialrechts in der DDR, 1996; Lexikon des DDR-Sozialismus, hg. v.
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1997; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997; Heitmann, S.,
Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M., Machtwechsel von
Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit,
1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Walter, M., Die Freie
Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a.,
Willfährige Propagandisten, 1997; Schwan, H., Erich Mielke, 1997; Volksrichter
in der SBZ/DDR 1945-1952, hg. v. Wentker, H., 1997; Mählert, U. Kleine
Geschichte der DDR, 1998; Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber,
1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat,
1998, 2. A. 2013; Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v.
Lück, H., 1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die
Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v. Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe
mit staatlicher Beteiligung, 1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR,
1998; Lorenz, T., Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die
DDR-Justiz vor Gericht, Diss. jur. Hannover 1998; Harder, G., Das verliehene
Nutzungsrecht, 1998; 50 ;Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR,
1998, 2. A. 1999; Werkentin, F., Recht und Justiz im SED-Staat, 1998, 2. A.
2000; Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C., Das Verschwinden der DDR
und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der Deutschen Einheit: Recht
und innere Sicherheit, NJW 1999, 1450; Widerstand und Opposition in der DDR,
hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der
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H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von Regime-Unrecht, NJW 1999,
3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999;
Zivilrechtskultur der DDR, hg. v. Schröder, R., 1999ff.; Foitzik, J.,
Sowjetische Militäradministration in Deutschland, 1999; Kloth, H., Vom
Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J., Justizpolitik im SED-Staat,
2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiedervereinigungsrecht, 2000;
Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000 (nicht erschienen); Lexikon
Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000;
Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1ff.
Wahlfälschung u. a., 2000ff.; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche
Aufarbeitung des DDR-Unrechts, NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an
der deutsch-deutschen Grenze, 2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor
Gericht, 2000; Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U.,
An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands, 2000; Mierau, J., Die
juristischen Abschluss- und Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR –
Recht und Justiz als politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Die
DDR und der Westen, hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung
in der SBZ/DDR, 2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und
ihre Folgen, hg. v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und
Repression, 2001; Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte
Geschichten, 2001; Wentker, H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn
Jahre deutsche Rechtseinheit, hg. v. Koch, E., 2001; Steininger, R., Der
Mauerbau, 2001, 2. A. 2001. 3. A. 2001, 4. A. (Berlinkrise und Mauerbau) 2009;
Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission, 2002; Ihme-Tuchel, B.,
Die DDR, 2002, 3. unv. A. 2010; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der Partei
– Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Armee ohne Zukunft, hg. v. Ehlert, H.,
2002, Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Heuer, U., Im
Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung,
2002; Soziale Ungleichheit in der DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M.,
Karl Polak, 2002; Horstmann, T., Logik der Willkür. Die zentrale Kommission für
staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an
der deutsch-deutschen Grenze, hg. v. Marxen, K. u. a., 2002; Was war die Stasi?, hg. v. Dümmel, K. u. a., 2002, 3.
A. 2009, 4. A. 2012; Knabe, H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und Kirchen in der
DDR, hg. v. Dähn, H. u. a., 2003; Bilanz und Perspektiven der DDR-Forschung,
hg. v. Eppelmann, R. u. a., 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Alltag
in der DDR, 2003; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und
Agrarrevolution von oben. Die Demokratische Bauernpartei Deutschlands
1948-1963, 2003; Leupolt, S., Die rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts,
2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer
Frieden, 2003; Heydemann, G., Die Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J.,
Die Außenpolitik der DDR, 2003; Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk,
I., Geist im Dienst der Macht, 2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher
Unternehmen in den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. Bayer, W., 2003;
Ebbinghaus, F., Ausnutzung und Verdrängung, 2003; Mollnau, K., Recht und
Juristen im Spiegel der Beschlüsse des Politbüros und Sekretariats der SED,
2003; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie
Karl Polaks, 2003; Schneider, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?,
2004; Grafe, R., Deutsche Gerechtigkeit, 2004; Grütz, R., Katholizismus in der
DDR-Gesellschaft 1960-1990, 2004; Peterson, E., The Limits of Secret Police
Power, 2004; Digutsch, G., Das Ende der nationalen Volksarmee, 2004;
Baumgarten, K./Freitag, P., Die Grenzen der DDR, 2004; Osterburg, D., Das
Notariat in der DDR, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der
SBZ/DDR, 2005; Thiemrodt, P., Die Entstehung des Staatshaftungsgesetzes der
DDR, 2005; Arp, A., VEB. Vaters ehemaliger Betrieb, 2005; Weinreich, B.,
Strafjustiz und ihre Politsierung in SBZ und DDR bis 1961, 2005; Wolff, F.,
Einigkeit und Recht, 2005, 2. A. 2005; Seibel, W., Verwaltete Illusionen – Die
Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt, 2005; Bauerkämper,
A., Die Sozialgeschichte der DDR, 2005; Kurze, D., Sozialistische Betriebe und
Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess, 2005; Sozialstaatlichkeit in
der DDR, hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2005; Schöne, J., Frühling auf dem Lande?
Die Kollektivierung, 2005; Ritter, G., Der Preis der Einheit, 2006; Markovits,
I., Gerechtigkeit in Lüritz, 2006; Windmüller, J., Ohne Zwang kann der
Humanismus nicht existieren, 2006; Inszenierungen des Rechts, hg. v. Marxen, K.
u. a., 2006; Republikflucht, hg. v. Melis, D. van u. a., 2006;
Fischer-Langosch, P., Die Entstehung des Familiengesetzbuches der DDR von
1965, 2007; Johannsen, L., Die rechtliche Behandlung ausreisewilliger Staatsbürger
in der DDR, 2007; Behling, K./Eik, J., Vertuschte Verbrechen – Kriminalität in
der Stasi, 2007; Rickmers, E., Aufgaben und Struktur der Bezirkstage und Räte
der Bezirke in der DDR 1952-1990/91 am Beispiel des Bezirkes Cottbus, 2007;
Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Riegel, P.,
Der tiefe Fall des Professors Pchalek, 2007; Müller, S., Das
administrative Element im Zivilrecht der DDR. Diss. jur. Jena 2007; Fulbrook,
M., Das ganz normale Leben, 2008; Sperlich, P., The East German social courts,
2007; Modrow, H., In historischer Mission - Als deutscher Politiker unterwegs,
2007; Wuttke, J., Konfliktvermeidung und Streitbeilegung in Familienrechtssachen
in der DDR, 2008; Willing, M., Sozialistische Wohlfahrt, 2008; Wolfrum, E., Die
DDR, 2008; Rogg, M., Armee des Volkes, 2008; Vinke, H., Die DDR, 2008; Hirsch,
S., Der Typus des sozial desintegrierten Straftäters, 2008; Buchholz, E., Strafrecht
im Osten, 2008; Krewer, P., Geschäfte mit dem Klassenfeind, 2008; Segert, D.,
Das 41. Jahr 2009; Schulz, G., Mitteldeutsches Tagebuch, 2009; Die
demokratische Revolution 1989 in der DDR, hg. v. Conze, E. u. a., 2009;
Kowalczuk, I., Endspiel, 2009; Koritsch, H., Die verspielte Chance, 2009;
Erinnerungsorte der DDR, hg. v. Sabrow, M., 2009; Krenz, E., Gefängnis-Notizen.
2009; Eisenhardt, U., War die DDR ein Unrechtsstaat?, Journal der juristischen
Zeitgeschichte 3 (2009), 45; Gräf, D., Im Namen der Republik, 2009; Boldorf,
M., Brüche oder Kontinuitäten, HZ 289 (2009), 287; Stadelmann-Wenz, E.,
Widerständiges Verhalten und Herrschaftspraxis in der DDR, 2009; Seifert, U.,
Gesundheit staatlich verordnet, 2009; Sozialistische Städte zwischen Herrschaft
und Selbstbehauptung, hg. v. Bernhardt, C. u. a., 2009; Bogisch, M., Die LDPD
und das Ende der DDE, 2009; Rüdiger, G. u. a., Die 111 Tage des Potsdamer
Bürgerlomitees Rat der Volkskontrolle 1989/90, 2009; Palmowski, J., Inventing a
Socialist Nation, 2009; Schütterle, J., Kumpel, Kader und Genossen, 2010;
Greiner, Bettina, Verdrängter Terror, 2010; Gürtler, L., Vergangenheit im
Spiegel der Justiz, 2010; Petrov, N., Die sowjetischen Geheimdienstmitarbeiter
in Deutschland, 2010; Stuhler, E., Die letzten Monate der DDR, 2010; Rettler,
W., Der strafrechtliche Schutz des sozialistischen Eigentums in der DDR, 2010; Taylor,
F., Die Mauer - 13. August 1961 bis 9. November 1989, 2010; Duda, S., Das
Steuerrecht im Staatshaushaltssystem der DDR, 2011; Keßler, H. u. a., Ohne die
Mauer hätte es Krieg gegeben, 2011; Reichel, T., Sozialistisch arbeiten, lernen
und leben. Die Brigadebewegung, 2011; Stasi - die Ausstellung, Gesamtred. Camphausen,
G., 2011; Schmidt, K., Zur Frage der Zwangsarbeit im Strafvollzug der DDR, 2011;
Die DDR, hg. v. Brunner, D. u. a., 2011; Das MfS-Lexikon, hg. v. Engelmann, R.,
2011; Wilke, M., Der Weg zur Mauer, 2011; Sonntag, M., Die Arbeitslager in der
DDR, 2011; Heinemann, W., Die DDR und ihr Militär, 2011; Wenzke, R., Ab nach
Schwedt!, 2011; Muhl, F., Volkseigentum ist unantastbar, 2011; König, G.,
Fiasko eines Brunderbundes, 2011; Wernicke, S., Jugendstrafvollzug in der
DDR, 2011; Gieseke, J., Die Stasi, (Sonderausgabe) , 4. A. 2011; Rudnick, C.,
Die andere Hälfte der Erinnerung, 2011; Bröckermann, H., Landesverteidigung und
Militarisierung, 2011; Jander, I.,
Politische Verfolgung in Bradenburg 1949 bis 1953, 2012; Otto, E., Das
Verwaltungsrecht in der SBZ/DDR, 2012; Honecker, E., Letzte Aufzeichnungen,
2012; Jander, I., Politische Verfolgung in Brandenburg, 2012; Buchholz, E., Das
DDR-Justizsystem, 2012; Udke, G., Erlebnisse und Erfahrungen. Aus dem
Arbeitsleben eines Juristen in der DDR 1958 bis 1991. 2012;
Neunzehnhundertneunundachtzig und die Rolle der Gewalt, hg. v. Sabrow, M., 2012;
Dokumente zur Deutschlandpolitik. „Besondere Bemühungen“, hg. v. Bundesministerium
des Inneren u. a., Bd. 1 2012; Schekahn, J., Die Untersuchungshaftanstalt der
Staatssicherhit in Rostock, 2012; Grünwald, K., Das Staatskirchenrecht der DDR,
2012; Büchler, M., Verfassung als Kampagne - Verfassungspolitik und
Verfassungskultur in der SBZ und DDR, Online-Ress. Diss. jur. Univ. Hagen 2012;
Buthmann, R., Hochtechnologien und Staatssicherheit - Die strukturelle
Verankerung des MfS in Wissenschaft und Forschung der DDR, 2. A: 2012; Görlich,
C., Urlaub vom Staat, 2012; Hanisch, A., Die DDR im KSZE-Prozess 1972-1985,
2012; Wolff, F., Ein Leben - Vier Mal Deutschland, 2013; Burdumy, A.,
Sozilpolitik und Repression in der DDR, 2013; Walter Ulbricht, hg. v. Krenz,
E., 2013; Keller, I., Die strafrechtliche Aufarbeitung von DDR-Justizunrecht,
2013; Die DDR im Blick der Stasi 1953 - Die geheimen Berichte an die
SED-Führung, bearb. v. Rngelmann, R., 2013; Irmen,
H., Stasi und DDR-Militärjustiz, 2013; Kowalczuk, I., STASI Konkret, 2013 Klose, B., Das
Verblassen eines Makels, 2013; Sarge, G., Im Dienste des Rechts, 2013; Lapp,
P., Grenzregime der DDR, 2013; Judt, M., Der Bereich Kommerzielle
Koordinierung, 2013; Bühne der Dissidenz und Dramaturgie der Repression - Ein
Kulturkonflikt in der späten DDR, hg. v. Niethammer, L. u. a., 2013; Hürtgen,
R., Ausreise per Antrag, 2013; Bobsin, K., Das Presseamt der DDR, 2013; Schroeder,
K., Der SED-Staat, 2013; Bühne der Dissidenz , hg. v. Niethammer, L., 2013; Wölbern,
J., Der Häftlingsfreikauf aus der DDR 1962/63-1989, 2014
Deutsche Nationalgesetzgebung →Kodifikationsstreit, →Allgemeine
Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
Deutschenspiegel ist das durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14.
Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift (Universitätsbibliothek
Innsbruck cod. 922) und einige verstreute Artikel (in 18 Handschriften des sog.
Schwabenspiegels) überlieferte, mittelbayerische Rechtsbuch, das sich selbst
als spiegel aller tiuscher liute benennt. Der (von Julius Ficker so genannte)
D. beruht wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer
Handschrift der Klasse Ib des →Sachsenspiegels (und vielleicht einer
weiteren, wohl im mit Magdeburg eng verbundenen Minoritenkonvent in Augsburg
erfolgten Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des
Landrechts unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier
Gedichte des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der
(kirchenrechtlichen) Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichslandfriedens,
zweier Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger
Gewohnheitsrechts umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen
im Wesentlichen unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen, aber jeweils Sachsen
durch deutsche Lande oder deutsche Leute ersetzen. Als Quelle werden statt der
guten Vorfahren die Könige mit weiser Meister Lehre genannt. Vermutlich ist der
D. 1275/1276 in Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. Das
Verhältnis zwischen D. und Schwabenspiegel ist streitig geworden. →Schwabenspiegel
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Spiegel%20Deutscher%20Leute_Ficker.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Deutschenspiegel-Eckhardt-Huebner.pdf;
Köbler,
DRG 103; Der Spiegel deutscher Leute, hg. v. Ficker, J., 1859; Müller, E. Frhr.
v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des
Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels,
ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des
Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger
Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der oberdeutschen
Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C.
Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A.,
Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen);
Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und
das Kaiserrrecht, ZRG GA 102 (1985), 12ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher
des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33
Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden
Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer
Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden
Rechtes) (in Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992
Deutscher Bund ist
der als unauflöslich geplante völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein,
Staatenbund, aber mit einigen bundesstaatlichen Zügen) von (nach der Deutschen
Bundesakte vom 8. 6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten (34
Fürstentümer, 4 freie Städte mit einem Gebiet von 630100 Quadratkilometern und
einer Bevölkerung von 29,2 Millionen, Österreich etwa 31 Prozent, Preußen etwa
26 Prozent) auf der Grundlage der →Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815,
Wiener Kongressakte 9. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er
folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des →Heiligen
römischen Reiches durch Kaiser Franz II.
am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration
wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen
Fürsten (vor allem Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden, Württemberg,
Bayern) und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland)
ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend
bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem national-deutschen
Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 38 (1817 39 [Hessen-Homburg], dann 41,
1863 35, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und Preußen
mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern, Sachsen, England wegen
Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen
Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha,
Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen, Braunschweig,
Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg,
Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen, Schwarzburg-Sondershausen,
Schwarzburg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen,
Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe,
Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien
Städte) Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg) in einer Art Zwischenstufe auf
dem Weg zu einem für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen
Bund als einem Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Als seine
Ziele sind festgelegt die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands
und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.
Sein Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongress)
in Frankfurt am Main (Palais Thurn und Taxis) (vom 12. 7. 1848 bis September
1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusammentretendem Plenum hat jeder
Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die
elf größten Staaten je eine Stimme, die anderen 27 Staaten die übrigen 6
Stimmen. Den Vorsitz übt →Österreich aus. Der Deutsche Bund hat
grundsätzlich nur sehr geringe gesetzgebende, vollziehende und richterliche
Gewalt, doch wirken seine Mitglieder vereinzelt in Gesetzgebung (Urheberrecht,
Wechselrecht, Handelsrecht, gescheitert im Schuldrecht, Patentrecht und
Verfahrensrecht), Vollzug (z. B. Karlsbader Beschlüsse) und Rechtsprechung
(Austrägalgerichtsbarkeit, Dreistufigkeit der Gerichtsbarkeit) zusammen. Nach
den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1850/1851 in
verstärkten Gegensatz, doch einigt man sich auf den Dresdener Konferenzen (23.
12. 1850-15. 5. 1851) auf eine Fortführung des Deutschen Bundes. An der
Verwaltung des durch Bundesexekution vom 1. 2.-1. 8. 1864 Dänemark abgewonnenen
Schleswig-Holsteins entzündet sich dann wegen der Einberufung des holsteinischen
Landtags (am 8. 4. 1866) ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein am
9. 6. 1866 besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung
des Bundesheeres gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für
erloschen erklärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen
Bundes (Österreichs und Sachsens) gegen Preußen bei Königgrätz bzw. Sadowa (3.
7. 1866) am 26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und auf
Holstein (und gegenüber Italien auf Venetien) verzichtet und die
Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt. Allgemein anerkannt wird die
friedensichernde Wirkung des Deutschen Bundes.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 169, 192, 196; Acten
des Wiener Kongresses, hg. v. Klüber, J., Bd. 1ff., 1815ff.; Protocolle der
deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1850-1866; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das
Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966;
Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971;
Gruner, W., Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v.
Rumpler, H., 1990; Fehrenbach, E., Verfassungsstaat und Nationsbildung
1815-1871, 1992; Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des
Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte
des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und
Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen
Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der
Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C., Deutscher
Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund,
2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Großbritanniens
anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention
und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J., Deutscher Bund und deutsche Nation
1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche Bund 1815-1866, 2006; Werner, E., Die Märzministerien, 2009; Doering-Manteuffel,
A., Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871, 3. A. 2010;
Hahn, H. u. a., Reformen, Restauration und Revolution, 2010; Schmidt, S., Der
Frankfurter Wachensturm, 2011 (3. 4. 1833); Gruner, W., Der Deutsche Bund
1815-1866), 2012; Jansen, S., Die Souveränität der Gliedstaaten im Deutschen
Bund, 2014
Deutscher Juristentag ist der 1860 auf Vorschlag der juristischen Gesellschaft zu Berlin
gegründete, früh Nationsbildung durch Rechtsvereinheitlichung und Rechtsvereinheitlichung
durch Nationsbildung anstrebende Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf
wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen
der deutschen Rechtsordnung (bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wechselrecht,
Strafrecht, Prozessrecht, 1906 Verwaltungsrecht, 1921 Verfassungsrecht) zu
untersuchen bzw. seit 1921 das Recht parteipolitisch unabhängig fortzubilden.
An seine Stelle tritt 1933 der 1928 gegründete Bund nationalsozialistischer
deutscher Juristen, 1936 der nationalsozialistische Rechtswahrerbund. 1949
wird der deutsche Jurstentag wieder tätig. Seit 2001 führen deutscher
Juristentag, österreichischer Juristentag und Schweizer Juristenverein einen
europäischen Juristentag (in Nürnberg, Athen, Wien, Genf, Budapest, Luxemburg u. s. w.) durch.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche
Juristentag 1860-1960, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1;
Dilcher, G., Der deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Landau, P., Die
deutschen Juristen und der nationalsozialistische Juristentag 1933, 1996;
Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag 1860-1994, 1997; Hartwich, E., Der
deutsche Juristentag, 2008; Festschrift 150 Jahre deutscher Jurstentag, hg. v.
Deutschen Juristentag, 2010
Deutscher
Orden ist die im Februar 1199 (durch Papst
Innozenz III. unter Verleihung der Johanniterregel für die karitativen Aufgaben
und der Templerregel für die militärischen Tätigkeiten) aus einer Lübeck-Bremer
Spitalsbruderschaft (erster Ansatzpunkt Marienhospital in Jerusalem zwischen
1118 und 1127, [fortgeführt?] 1190 Hospital vor Akkon, September 1190 Privileg
König Guidos von Jerusalem, Februar 1191 päpstlicher Schutz, Juli 1191 Hospital
in der rückeroberten Stadt) zu einem geistlichen (Ritter-)Orden mit Sitz in
Montfort bei Akkon umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt der Deutsche
Orden auf Anforderung König Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen
(Burzenland). 1225/1226 ruft Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden
gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer
Land (zwischen 1228 und 1309 590 Brüden in Preußen nachweisbar). Der 1226 mit
reichsfürstlichen Rechten begabte Deutsche Orden, der nach dem Verlust Akkons
1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg in Westpreußen und (nach
der Niederlage bei Tannenberg/Grunwald 1410) 1457 nach Königsberg verlegt,
erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15. Jh.s die größte
Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die Schirmherrschaft des
Königs von →Polen anerkennen. Die Güter im Mittelmeerraum gehen verloren.
1525/1561 wird das Deutschordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und
Kurland umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt
und 1657/1660 vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt
der Deutsche Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu
beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern
gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene
Fürstentum Mergentheim von Napoleon beseitigt, so dass dem Deutschen Orden
unter dem Hochmeister Anton Viktor von Österreich nur die Häuser im
Habsburgerreich verbleiben. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter
Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt. Nach Ende der
Herrschaft der Habsburger in Österreich (1918) wird 1923 der Ritterbruderzweig
abgeschafft, während die geistliche und karitative Tätigkeit fortgeführt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen Ordens
aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für
siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich,
ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen
Ritterordens bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen
Angehörige des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des
Deutschmeisters, 1964; Forstreuter, K., Der Deutsche Orden am Mittelmeer, 1967;
Wunder, H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg,
1968, Kisch, G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des
Deutschordenslandes, 1973; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 1974, 4.
A. 1986; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Sperling, F.,
Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter
dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Boockmann, H., Der Deutsche Orden,
1981, 4. A. 1994; Neitmann, K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in
Preußen 1230-1449, 1986; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus
Marburg, 1989; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold,
U., 1998; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der
Deutsche Orden im Burzenland, 2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel
seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, 2004; Militzer, K., Die
Geschichte des Deutschen Ordens, 2005; Demel, B., Unbekannte Aspekte der
Geschichte des Deutschen Ordens, 2006; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007;
Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007; Morton,
N., The Teutonic Knights in the Holy Land, 2009; Salch, D., Vestis Alba et Crux
Nigra, 2010; Demel, B., 1190-2010 - 820 Jahre Deutscher Orden, 2011; Dorna, M,,
Die Brüder des Deutschen Ordens in Preußen 1228-1309. Eine prosopgraphische
Studie, 2012 (590); Generalprobe Burzenland, hg. v. Gündisch, K., 2013
Deutscher Rechtshistorikertag ist die auf Anregung
Heinrich Mitteis‘ in Heidelberg 1927 erstmals zusammengetretene Versammlung
der deutschsprachigen oder an der Rechtsgeschichte Deutschlands interessierten
Rechtshistoriker. Diesem Treffen folgen Tagungen in Göttingen 1929, Jena 1932,
Köln 1934, Tübingen 1936, (Marburg 1947,) Heidelberg 1949, Wien 1951, Würzburg
1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960,
Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970,
Nürnberg-Erlangen 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980,
Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen/Nijmegen
1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg
2002, Bonn 2004, Halle 2006, Passau 2008, Münster 2010 und Luzern 2012. Seit
1994 gibt es auch ein jährlich tagendes europaweites Forum junger
Rechtshistoriker zwecks wissenschaftlichen Austauschs.
Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen Richter.
Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933,
Krit. Justiz 1982, 323
Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und
herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer, also nicht aus
römischrechtlicher oder kirchenrechtlicher Wurzel stammende, vor Schaffung
des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) auch ohne gesetzgeberischen Akt
unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es
als wissenschaftlich erfassbare Einheit vielleicht seit dem Spätmittelalter (z.
B. Lüneburg 1401) gesehen, jedoch insgesamt erst anerkannt, als Hermann →Conring
(1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechtes (De origine iuris Germanici)
erörtert und 1649 eine geschlossene Darstellung des gesamten tatsächlich im
Heiligen römischen Reich geltenden Rechtes fordert, wie sie etwa Georg Adam
Struves Iurisprudentia Romano-Germanica (Römisch-deutsche Rechtswissenschaft,
1670) oder Joachim Hoppes Commentatio succincta zu den Institutionen
Justinians (1715) bieten. In Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrechtlichen
Vorgang aufgenommenen gemeinen römischen (Privat-)Recht wird das gemeine
deutsche Privatrecht zuerst 1675 durch Johann →Schilter (1632-1705)
erfasst und seit 1701 bzw. 1705 durch Christian →Thomasius (1655-1728),
der in seinen 1713 erschienenen (lat. [F.Pl.]) Notae ad singulos Institutionum
et Pandectarum titulos (Bemerkungen zu den einzelnen Titeln der Institutionen und
Pandekten) alles nichtrezipierte römische Recht ausscheidet, auf Grund der
Reichsgesetze und deutschen Gewohnheiten behandelt und vorgetragen (lat.
[F.Pl.] Institutiones iuris Germanici, Einrichtungen des deutschen Rechtes)
und nach Vorlesungen seit 1707 erstmals von Georg →Beyer (1665-1714) in
einem posthum von Michael Heinrich Gribner veröffentlichten Leitfaden (nach der
romanistischen Systematik der Institutionen) dargestellt (z. B. Recht des
Adels, der Kaufleute und Handwerker, Leibeigene, morganatische Ehe,
Einkindschaft, Hand muss Hand wahren, Erbvertrag, Gerade, Morgengabe, Musteil,
Leibgedinge, Versicherungsvertrag, Retraktsrecht, Verlobung, Ehe, Adoption,
Emanzipation, Einlager, Majorat, Fideikommiss, Ganerbschaft, Gesellschaft,
Emphyteuse, Überbau, Schenkung). Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch,
teils praktisch ausgerichtet (vgl. z. B. Heineccius, Johann Gottlieb
[1681-1741], Elementa iuris Germanici 1735ff., Pütter, Johann Stephan
[1725-1807], Elementa iuris Germanici privati hodierni, Elemente des heutigen
deutschen Privatrechts, 1756, Runde, Justius Friedrich [1741-1807] 1791, weiter
später Eichhorn [1823], Mittermaier [1821] Reyscher [1837ff.], Beseler [1847ff.],
Gerber [1848f.], Stobbe [1871], Gierke [1895ff.] u. a.) Als wissenschaftliches
Prinzip des deutschen Privatrechts gilt dabei zunächst die (ungefähre)
Übereinstimmung (unterschiedlichster) partikulärer Rechtssätze (z. B.
Pütter), dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen
Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache, z. B. Runde) und danach die
gemeinsame Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte (z. B. Eichhorn). Der
Ansicht Carl Friedrich →Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und
Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine wissenschaftlich
gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen sei,
widersprechen Georg →Beseler (Volksrecht) und Otto von →Gierke
(gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1900) hat diese, nicht durch einen überzeugenden Nachweis einer einheitlichen
Quelle eines gemeinen deutschen Privatrechts entschiedene Streitfrage ihre
praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche
Privatrecht in seiner tatsächlichen Vielfalt sinnvollerweise insgesamt in die
allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche
Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches
Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen
Privatrecht, Ius Commune 1 (1967), 195; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung
eines nationalen Privatrechtssystems aus römisch-deutschem Rechtsstoff, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, 1974, 217; Kroeschell, K., Zielsetzung und
Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in)
Wissenschaft und Kodifikation 1974, 249; Rückert, J. A. L. Reyschers Leben und
Rechtstheorie 1801-1880, 1974; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der
germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491;
Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K.,
Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47;
Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die
Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Luig, K.,
Die sozialethischen Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft
des 19. Jahrhunderts, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 281;
Luig, K., Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts in der Sicht von
Heinrich Mitteis, (in) Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991, 91;
Scherner, K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118
(2001), 346; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003;
Christian Thomasius (1655-1728), hg. v. Lück, H., 2006; Schäfer, F.,
Juristische Germanistik, 2008
Deutsches Recht
ist allgemein das in Deutschland geltende Recht (Gesetzesrecht, Richterrecht,
Gewohnheitsrecht) und in einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel
stammende Recht in Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer
Wurzel stammenden Recht in Deutschland), wobei mit Savigny teilweise das
rezipierte römische Recht nach seiner Rezeption (im Sinne eines entlehnten
Rechtes) (auf Grund des natürlichen Rechtsgefühls und der analogen Heranziehung
römischrechtlicher Quellen) als d. R. angesehen wird. Wissenschaftsgeschichtlich
haben sich um d. R. besonders Hermann Conring (1643), Johann Schilter (1672),
Christian Thomasius (1701), Johann Heinrich Christian von Selchow und Johann
Stephan Pütter (1770) verdient gemacht.
Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte
des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19
(1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40
(1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechtes, 3. A. 1935;
Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die
Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius
teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W.,
Deutsches Recht im Osten, 1952; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19.
Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe
germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und
20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H.,
Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970,
313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215; Keller,
O., Forschungsbericht - deutsches Recht im Osten, ZRG GA 129 (2012), 376
Deutsches Rechtswörterbuch ist das 1896 von einer
Kommission der preußischen Akademie der Wissenschaften (Amira, Heinrich
Brunner, Frensdorff, Gierke, Richard Schröder, Ernst Dümmler, Karl Weinhold)
vorgeschlagene, alphabetisch geordnete Wörterbuch der älteren deutschen Rechtesprache
(der vor 1815 belegten Grundwörter und der vor 1700 belegten
Zusammensetzungen), das von Heidelberg (Richard Schröder) aus seit 1914
erscheint, seit etwa 2000 (retro)digitalisiert ist und in 16 Bänden mit 120000
Stichwörtern bis 2036 abgeschlossen sein soll (2007 Band 11 Rat bis R/S,
2013 13 1/2 Schwefel-setzen).
Lit.: Wissenschaftliches
Wörterbuch der deutschen Rechtesprache, ZRG GA 18 (1897), 211; Lemberg,
I./Speer, H., Bericht über das deutsche Rechtswörterbuch, ZRG GA 114 (1997),
679; Speer, H., Rechtssprachlexikographie und neue Medien, (in) Das Wort,
2002, 89; http;//www.deutsches-rechtswoerterbuch.de; Das Deutsche
Rechtswörterbuch - Perspektiven, hg. v. Deutsch, Andreas, 2010
Deutsches Reich
ist eine Bezeichnung für verschiedene verfassungsrechtliche Organisationsformen
der Deutschen. Dabei wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im
Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen
die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon Venetum, Brixener
Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.)
Teutonicum (D. R.) genannt wird. Es wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts
(Lothar III., Konrad III.) hauptsächlich als römisches Reich, alsbald auch als
heiliges Reich und 1474 als →Heiliges römisches Reich bezeichnet und führt diesen Namen 1512
erstmals auch offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst
wieder gegen sein Ende (1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. nennt sich
danach ebenfalls der 1848/1849 vergeblich angestrebte, am Widerstand der
partikularen Fürsten gescheiterte deutsche Nationalstaat. Für den Namen
(zweites) D. R. entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des
Norddeutschen Bundes bei der Benennung des nach dem Sieg des Norddeutschen
Bundes über Frankreich im deutsch-französischen Krieg vom 19. 7. 1870 bis 26.
2. 1871 (Kriegserklärung Frankreichs am 19. 7. 1870 wegen der Ablehung eines öffentlichen
Verzichts auf eine Thronfolge in Spanien für die Zukunft durch Preußen) auf
Betreiben Otto von Bismarcks am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern,
Württemberg, Baden und Hessen(-Darmstadt) auf neuen Grundlagen vereinbarten, am
1. 1. 1871 ins Leben tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaats (, dem Österreich,
Luxemburg, Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich
(540742 qkm, 56,37 Mill. Einwohner) umfasst (die 22 monarchischen Staaten)
Preußen (65 Prozent oder fast 2/3 des Reichsgebiets, 62 Prozent oder mehr als 3/5
der Reichsbevölkerung, tatsächliche Vorrangstellung, seit etwa 1895 gegenüber
der Reichsverwaltung allmählich schwindend), Bayern, Sachsen, Württemberg,
Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg—Strelitz,
Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt, Schaumburg-Lippe,
Lippe, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie,
Reuß jüngere Linie, (die drei Stadtrepubliken) Bremen, Hamburg, Lübeck sowie (das
am 10. 5. 1871 von Frankreich gewonnene, durch Gesetz vom 9. 6. 1871 vereinigte
Reichsland) Elsass-Lothringen und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen
deutschen →Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun u. s. w. Nach seiner am 16. 4. 1871 in Kraft
tretenden Verfassung ist (in dieser eingeschränkten Monarchie) der Kaiser
(König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte. Träger der
Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte (Bundesrat), die
ihre starke Stellung aber auf dem Wege zu einem unitarischen Bundesstaat
infolge der Reichsgesetzgebung allmählich verliert. Der Kaiser regiert durch
den von ihm frei ernannten und entlassenen Reichskanzler (1871-1890 Otto von
Bismarck), der jedoch alle Anordnungen gegenzeichnen muss und dadurch die
Verantwortung übernimmt (und dem die obersten Reichsbehörden bzw. Reichsämter
untergeordnet sind). (Nach Ländergröße gewichteter) Bundesrat und Reichstag
(allgemeine, unmittelbare, geheime Wahl wie in Frankreich und Griechenland
und später auch anderen Staaten) beschließen (gleichrangig) die Gesetze, die
dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das
Reichsgericht in Leipzig. Nach Entlassung des auf Ausgleich bedachten
Reichskanzlers Bethmann Hollweg entsteht eine Art Kriegsdiktatur
(Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Stellvertreter Erich Ludendorf),
bis am Ende des Oktober 1918 General Erich Ludendorf gestürzt wird. Am 9. 11.
1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf den Thron
bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des bestehenbleibenden
Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler
nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das nationalsozialistische,
totalitäre →Dritte (Deutsche) Reich (zentralistischer Einheitsstaat,
nach dem Anschluss Österreichs 1938 inoffiziell, 1943 offiziell Großdeutsches
Reich) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses Deutsche Reich mit der
vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten Siegermächten des zweiten
Weltkriegs zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt die Bundesrepublik
Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm rechtlich identisch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.;
Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen
Reiches, 1887, 5. A. 1911ff.; Brandenburg, E., Die Reichsgründung, 2. A. 1924,
Neudruck 2005; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v. Anschütz, G. u. a.,
1930; Anschütz, G., Die Verfassung des deuschen Reiches vom 11. August 1919,
14. A. 1933; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und
italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen
Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3
1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der
deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und
seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W.,
Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen
Imperium zum Hausmachtkönigtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7.
A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten
Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe
und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und
europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen
Reiches, 1994, 2. A: 1998, 3. A. 2010, 4. A. 2012; Fried, J., Der Weg in die
Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der großen Mächte, hg. v.
Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A.
2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das
Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E., Das deutsche Kaiserreich, 2004; Frotscher,
W./Pieroth, B., Verfassungsgeschichte, 10. A. 2011, 11. A. 2012; Mertens, E.,
Römisches Reich im Besitz der Deutschen, HZ 282 (2006), 1; Zachau, P., Die
Kanzlerschaft des Fürsten Hohenhlohe 1894-1900, 2007; Hildebrand, K., Das
vergangene Reich, 2008; Röhl, W., Wilhelm II., Bd. 3 2008; Stalmann, v., Fürst Chlodwig
zu Hohenlohe-Schillingsfürst 1819-1901, 2009; Politische Versammlungen und ihre
Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009; Wilhelm, U., Das deutsche Kaiserreich
und seine Justiz, 2010; Obst, M., Einer nur ist Herr im Reiche - Kaiser Wilhelm
II. als politischer Redner, 2010; Canis, C., Der Weg in den Abgrund, 2011; Winzen,
P., Im Schatten Wilhelms II., 2011 (schwaches Werk); Kaiser Friedrich III.
Tagebücher 1866-1888), hg. v. Baumgart, W., 2012 (sehr schwacher Herrscher); Kroll,
F., Geburt der Moderne, 2013; Conze, E., Das Auswärtige Amt, 2013
Deutschland ist
eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant
entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des →Deutschen Reiches
bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte,
1891f., 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A.
1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der
Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938;
Kienast, W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.;
Raumer, K. v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands
Grenzen, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und
Gestaltung, Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu
gestalteter Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition
und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte
1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Baum,
W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte,
1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über
Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche
Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg.
v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998;
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd.
1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u.
a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS
2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das
alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der
Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000;
Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der
Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State Building and
Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche
Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird
besichtigt – Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA 118
(2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H., Deutschland
auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; Schabert,
T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002;
Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon der deutschen
Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste, H., Der deutsche
Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v. Elvert, J. u. a.,
2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004; Goertz, H.,
Deutschland 1500-1648, 2004; Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und
deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte,
2004; Ehmer, J., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1800-2000,
2004; Weichlein, S., Nation und Region, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte
im Mittelalter, 2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt,
A., 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005;
Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a.,
Die Geschichte Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner Deutschlandpolitik
1989/1990, 2005; Weber-Fas, R., Epochen deutscher Staatlichkeit, 2006; Kühne,
J., Zu Veränderungsmöglichkeiten der Oder-Neiße-Linie nach 1945, 2006, 2. A.
2008; Glaser, R. u. a., Geographie Deutschlands, 2007; Wagner, A., Die
Entwicklung des Lebensstandards in Deutschland zwischen 1920 und 1960, 2008; Langewiesche,
D., Reich, Nation, Föderation, 2008; Das
Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse, hg. v. Müller, S. u. a., 2009;
Rödder, A., Deutschland einig Vaterland, 2009; Uhl, M., Die Teilung Deutschlands,
2009; Gehler, M., Deutschland, 2010; Staat und Recht in Teilung und Einheit,
hg. v. Krüper, J. u. a., 2011; Müller, C., US-Truppen und Sowjetarmee in Deutschland,
2011; Mittler, G., Geschichte im Schatten der Mauer, 2011; Stangel, M., Die
Neue Linke und die nationale Frage, 2013
Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten
Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der
Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die →Alliierte
Hohe Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik Deutschland die volle
Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten
zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands,
hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996
Deutschösterreich ist (im 19. Jh. die inoffizielle Bezeichnung für die
deutschsprachigen Gebiete Österreich-Ungarns und danach) die am 30. Oktober
1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss
über die republikanische Regierungs- und Staatsform) von der provisorischen
Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile →Österreichs ausgerufene
Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem
Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen
innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und
Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen,
Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und
den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye
schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus
bzw. macht es von der Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich
anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise
die Unabhängigkeit Österreichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich
seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der
Monarchie (nochmals) ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W.,
Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000;
Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und
Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003
Deutschtirol ist
im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil der verschiedensprachige
Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht
südlich bis zur Salurner Klause.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge
zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter,
1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 2.
A. 1988, 3. A. 2001
Devestierung ist
im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung
(Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen Übertragung bildende,
ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B.
Papst Formosus 897, Petrus Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil
1414-1418, Alfred Dreyfus Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht
mehr durchgeführt.
Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867
Devolution ist
der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine andere, insbesondere in
der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren
Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht
rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei Justinian. Seit dem 13. Jh.
schränkt die Kirche den Anwendungsbereich ein.
Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 343
Dezemberverfassung ist in →Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21.
12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die Ministerverantwortlichkeit,
Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung des Grundgesetzes der
Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus, kaiserlichem
Vetorecht und Notverordnungsrecht], Staatsgrundgesetz über die allgemeinen
Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit
und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über
die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche und
verwaltungsgerichtliche Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz
über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhängigkeit
des Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren, Geschworenengerichte,
Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs], Staatsgrundgesetz über die Ausübung
der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze],
Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der
ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die
einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19
Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung
und Justiz u. a. vorsehen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeDezember1867.doc;
Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Haider, B., Die Protokolle des Verfassungsausschusses
des Reichsrates von 1867, 1997
Dezennalrezess ist der zehn Jahre laufende Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände,
den Maria Theresia seit 1749 (außer in Kärnten) in ihren Ländern politisch
erzwingt.
Dezision (F.)
Entscheidung, Urteil
Diakon (Lehnwort aus dem Griechischen, „Diener, Helfer“) ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener
oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur
Priesterschaft. In der protestantischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19.
Jh., in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an
Bedeutung. Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele
liturgische Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und
Bußsakramenterteilung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978;
Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas
christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus
im Dekret des Bischofs Burchard von Woms, 1992; Handbuch Geschichte der
deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000
Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist
ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt
(lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanzangelegenheiten angewandten
Rechtssätze des englischen Rechtes.
Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium,
ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v.
Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983
Diät ist
ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der Aufenthaltsort. Diäten sind
seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Abgeordneten für die von ihm
für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen Reiches vom 21. 5.
1906).
Lit.: Butzer, H., Diäten und
Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003
Dichterkrönung ist die von 1315 (Albertino Mussato
Universität Padua) bis 1804 (Karl Reinhard) nachweisbare Ehrung von Dichtern
durch Krönung seitens der Päpste und Fürsten.
Lit.: Broadus, E., The
Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg, hg. v. Fuchs, F., 2004
Dictatus (M.) papae
(lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers der Briefe Papst
Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze
Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in
das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte
der römischen Kirche und des Papstes betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirksamkeit
entfalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors
VII., (in) Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201;
Hofmann, K., Der Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors
VII., DA 32 (1976), 86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht,
Studi Gregoriani 13 (1898), 123
Dieb ist
der Täter des →Diebstahls.
Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001;
Siciliano, D., Das Leben des fliehendenDiebes, 2003, 2. A: 2013
Diebstahl ist
die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem
Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzueignen (bzw. ganz allgemein eine Form von
Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.]
furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur
Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend
öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den
Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen
Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer →Buße geahndet. Mit der
Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der →Todesstrafe (Hängen),
der kleine D. mit der →Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die
Grenze zwischen groß und klein an unterschiedlichen Orten und zu
unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt wird. Die →Constitutio
Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung, doch setzt
sich dies nicht vollständig durch und werden D. und rezipiertes (lat. [N.])
futum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D.
endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird
in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben.
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen
Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter,
1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H.,
Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im
altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung beim
einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte, Diss.
jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Rechtsprechung des preußischen
Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989; Schnyder, S., Tötung und
Diebstahl, 2010
Dienst (Wort germanisch) ist die
Tätigkeit eines Menschen für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist verschieden,
kann aber in einem →Dienstvertrag bestehen.
Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E.,
1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg.
v. Auswärtigen Amt, Bd. 1ff. 1999ff.; Concepts and Patterns of Service in the
Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Dienstadel ist
der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien
Dienstmannen aber auch ursprünglich Freier im ausgehenden Frühmittelalter.
Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1; Witzel,
W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen des
Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen
Mittelalter, 2005
Dienstbarkeit (Wort 1307, Wiedergabe von Servitut) ist das
beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen
Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu
Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In
dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad),
(M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die
als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei werden
eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die
Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die Personalservitut
zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich verschiedene beschränkte
dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften seit dem Hochmittelalter
auf unterschiedlicher Grundlage. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen
Regeln über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede
Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog.
deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen. Das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) folgt weitgehend dem
römischen Recht.
Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163;
Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B.,
Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Dienstleistung ist die Leistung einess Dienstes für
einen anderen durch einen.
Lit.: Dienstleistungen, hg. v.
Gilomen, H. u. a., 2007
Dienstmann ist
im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie.
Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst
eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich
angestellten Gepäckträgers.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere
Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen
Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A.
1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003
Dienstrecht ist
das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die
Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes, manchmal schriftlich
niedergelegtes Recht (z. B. Limburg 1035, Bischof von Bamberg [1057-64], St.
Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln [um 1154], Bischof von
Basel, Grafen von Tecklenburg), das mit dem Aufstieg der Dienstmannen in den niederen
Adel im allgemeinen Lehnrecht aufgeht. In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor
allem das Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v.,
Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die
Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965
Dienstvertrag (Wort 1794) ist der gegenseitige
Vertrag, in dem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur Leistung vereinbarter
Dienste irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung
der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört
dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner
Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat.) →locatio conductio ([F.]
Hinstellung - Mitführung) zusammengefasst sind (→locatio conductio operarum,
locator ist Dienstnehmer, conductor ist Dienstgeber, grundsätzlich auf
bestimmte Zeit gegen Entgelt). Er hat deswegen nur einen geringen Anwendungsbereich,
weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des Sklavenstatus erbracht
werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales) nicht durch Entgelt
entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium) anerkannt werden.
Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund
grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbindung geleistet.
Diese personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse werden nur in der
hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der
frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. hebt die
personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse auf, regelt den D. im
Wesentlichen römischrechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den
gerechten Ausgleich (z. B. §§ 611ff. BGB). Da dieser wegen der ungleichen
Gewichtigkeit von Dienstgeber und Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der
besondere →Arbeitsvertrag für das abhängige, fremdbestimmte
Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige Anwendungsfälle beschränkt.
Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG
45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrags, FS H.
Brunner, 1914, 37; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen
Mittelalter, 1934; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnungen in den jüngeren
Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des
Spätmittelalters, 1984; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag,
Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, Diss. jur. Bielefeld 1987; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010: Stähler, M., Der freie
Dienstvertrag in der Rechtsprechung seit 1900, 2010
Diepholz
Lit.: Moormeyer, W., Die
Grafschaft Diepholz, 1938
Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den Menschen) ist eine Regel
des Rechtes des Verzugs, die sich für das klassische römische Recht nicht
nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht muss der Schuldner
eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe bestimmt ist, an
diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.) →usus (M.) modernus
pandectarum den Satz d. i. p. h., der jedoch nicht überall anerkannt wird. Der
Code civil (1804) lehnt ihn ab.
Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am
Ende)
Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet, nicht die innere Einstellung).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den
Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Dietrich von Bern
→Theoderich
Dietrich von Bocksdorf →Bocksdorf, Dietrich von
Dietrich von Nieheim
Lit.:
Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v.
Lhotsky, A. u. a., 1956
Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene,
dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur zwischen den
unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösungen
verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit
dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen
(z. B. Berhard Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines
Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt
Finsterwalder).
Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale,
1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345
Differenzgeschäft ist
das auf der Preisdifferenz zweier zu unterschiedlicher Zeit geschlossener
Rechtsgeschäfte beruhende Rechtsgeschäft.
Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft
(§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Digesten (Durchgearbeitetes)
(oder Pandekten) sind (allgemein Gesamtdarstellungen [des römischen Rechtes]
und besonders) die (9142 bzw. 9950 Fragmente) Auszüge aus (mehr als 200 von
fast 2000 noch vorhandenen) Schriften bzw. 1528 Büchern (wahrscheinlich 39)
klassischer Rechtskundiger des römischen Rechtes, die (im Umfang von
vielleicht 1000354 Wörtern) der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter
Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum als Kompilation
entstandenen Gesetz erhebt (16. 12. 533 [Constitutio Tanta] bzw. 30. 12. 533).
Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Rechtskundige und
Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus
und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus
Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die
erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit
Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in (4) Untergruppen
einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Kommentaren zum ius civile,
Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der
Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener
vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit
3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund
stehen Rechtskundige der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5],
Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7%
(bzw. 5-10%) dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der
Rechtskundigen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das
prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und 150000
versus) gegliedert (Buch 1 Rechtsquellen, Bücher 2 bis 46 das Privatrecht,
Bücher 47, 48 Strafrecht, Buch 49 Appellation Buch 50 Verwaltungsrecht und
Bedeutung von Wörtern). Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor
Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neuzeit als →Interpolationen
bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit
zwischen 603 und 1076 (erste Wiedererwähnung) im Westen kaum genannten D. sind
in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907 Blätter umfassende, in
zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Konstantinopel/Byzanz im
6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder
10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wiederentdeckte,
wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa – littera Pisana –, 1406 von Pisa nach
Florenz gebrachte [Codex Florentinus] und 1553 erstmals gedruckte Handschrift)
und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von
dieser unabhängigen Vorlage durchkorrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte
des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien geschaffene Stammform [Codex
Secundus] der in drei Teile geteilten Vulgathandschriften) sowie drei
Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt
dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und
Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme
(Rezeption) der Gedankenwelt der römischen Rechtskundigen im Mittelalter.
Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat.
[F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw.
Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2,
früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente). Bekannte
Drucke stammen von 1523, 1553 Lelio Torelli in Florenz und 1583
Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum
seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004;
Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et
Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme,
F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257;
Kantorowicz, H., Über die Entstehung der Digestenvulgata, ZRG RA 30 (1909),
183ff., 31 (1910), 14ff.; Schulz, F., Einführung in das Studium der Digesten,
1916; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K.,
Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970;
Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung,
SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, übersetzt v. Behrends, O. u.
a., 1995, 11-20 1999, 21-27 2005, 28-34 2012; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Troje, H., Crisis digestorum. Studien zur historia
pandectarum, 2011; Reinoso-Barbero, F., Modus allegandi textus qui in pandectis
continentur, 2013; Martín Minguijón, A., Digesto, 2013
Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss
gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis
38 der Vulgatafassung der →Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende
Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.
Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum
infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van
de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman,
J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269
Digestum (N.) novum
(lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der →Digesten.
Digestum (N.) vetus
(lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der →Digesten.
Dijon ist
als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter
den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält
1737 eine Universität.
Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961;
Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA 94
(1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981
Diktatur ist
im altrömischen Recht das Amt eines von einem →Konsul in einer Notlage
für eine streng befristete Zeit ernannten außerordentlichen Magistrats
(Diktators) (ohne kontrollierenden Kollegen, z. B. T. Larcius 501 v. Chr., von
Sulla und Caesar ohne zeitliche Beschränkung ausgeübt, 44 v. Chr. abgeschafft).
Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene Formen unbeschränkter
Herrschaft eines Einzelnen oder einer Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach
totalitäre Züge (z. B. unter Adolf →Hitler, Josef Stalin). Der Begriff D.
wird in der Renaissance wiederbelebt. Von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen
Union weisen 17 Erfahrungen mit Diktaturen auf.
Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Kautsky, Z., Die
Diktatur des Proletariats, 1918; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900;
Schmitt, C., Die Diktatur, 1928, 6. A. 1994; Arendt, H., Elemente und Ursprünge
totaler Herrschaft, 1957, 13. A. 2011; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 1973,
7. A. 1993; Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v.
Mazzacane, A. u. a., 2005; Diktaturüberwindung in Europa, hg. v. Hofmann, B. u.
a., 2010; Erinnerung und Gesellschaft, hg. v. Assmann, W. u. a., 2011;
Kellerhoff, S., Aus der Geschichte lernen, 2013
Dilatura (lat.
[F.], delatura, zu mlat. dilatura, F., Verzögerung, Aufschub) ist eine
besondere frühmittelalterliche Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der
dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43
Diligentia (lat.
[F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene
Sorgfalt, deren Einhaltung Schuld ausschließt, deren schuldhafte Verletzung aber
eine Nachlässigkeit bedeutet.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63;
Köbler, LAW
diligentia quam in suis (rebus) (lat.) (Beachtung der) Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten (schließt
Verschulden etwa bei unentgeltlicher Verwahrung, Gesellschaft oder Miteigentum
aus)
Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804
Sitz einer Universität.
Ding (älter
thing, zu idg. *tenkos, Zeit) ist im Mittelalter und vielleicht schon vorher
die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Versammlung (der erwachsenen
freien Männer ursprünglich eines Stammes, im fränkischen Reich wohl bald nur
noch kleinerer Gebiete), in der über verschiedene Angelegenheiten gesprochen
und verhandelt werden kann. Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung
für das Gericht. Unterschieden werden dabei (bei Franken und Sachsen) echtes (ungebotenes,
an festen Zeitpunkten in einer Grafschaft alle sechs Wochen und damit an jeder
der 3 oder vier Gerichtsstätten einer Grafschaft zweimal oder dreimal im Jahr
stattfindendes) D. und (je nach Bedarf besonders) gebotenes D. Das durch die
besondere Hegung eröffnete D. wird (unter freiem Himmel auf Hügeln oder
Malbergen oder auch bei großen Bäumen oder Steinen am Tag) vom König, Grafen
oder von sonstigen (zunächst Thunginen, seit karolingischer Zeit) Richtern
geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand
(Dinggenossenschaft) oder besonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen)
gefällt. Diese Aufgabenteilung wird auch von den kirchlichen Sendgerichten
übernommen. Dagegen erscheint seit dem 13. Jh. in der Kirche der berufsmäßige
Einzelrichter, der seit dem frühen 15. Jh. die Laienurteiler verdrängt. Im 16.
Jh. tritt dementsprechend die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück,
hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. In der
Umgangssprache bleibt D. in blasser, allgemeiner Bedeutung (Sache, Angelegenheit)
erhalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973;
Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907),
437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907),
444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30
(1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA
30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger
Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Stölzel, A., Geding und Appellation, 1911:;Weber,
M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1921; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing -
neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Landwehr, G.,
Urteilfragen und Urteilfinden, ZRG GA 96 (1979), 1; Weitzel, J., Über Oberhöfe,
1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Dingfriede ist
der im →Ding einzuhaltende →Friede.
dinglich (Wort um 1000), das Ding oder die Sache betreffend
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Dinglicher Vertrag
ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny entwickelte, 1872 im
preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte, sachenrechtliche Rechtsveränderungen
betreffende Vertrag (Einigung über den Rechtsübergang oder die Rechtsentstehung
an einem Gegenstand z. B. bei Übereignung oder Verpfändung) im Gegensatz zum
schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf, Schenkung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von
Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927
Dingliches Recht
ist (seit dem 16. Jh., 1548, bisheriger Erstbeleg kurmärkische Ständeakten
1551) das eine Sache (körperlichen Gegenstand) betreffende, gegen jedermann
wirkende Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit[, Reallast,
Bergwerkseigentum, Erbbaurecht, früher vielleicht auch Bodenleihe, Lehen, Untereigentum])
im Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen. nur
im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wirkenden Recht (z. B.
Kaufpreisforderung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der
dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 623; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Dingpflicht ist
die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen →Ding. In welchem Umfang
sie jeweils bestanden hat, lässt sich nicht sicher bestimmen. Jedenfalls
verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform
ihren Umfang auf jährlich drei Dinge und sind verfolgte Fälle ihrer Verletzung
nicht bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985
Dinus de Rossonis Mugellanus ist ein bei Florenz um
1250 geborener Jurist in Bologna (commentaria, additiones, glossae contrariae,
tractatus z. B. de successionibus ab intestato, de modis arguendi, ordo
iudiciorum, erste erhaltene umfangreiche – 53 – Sammlung von consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 445
Dionysius Exiguus
(Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem
21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem lateinischen Westen
vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der griechischen
Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der Konzilsakten (lat.
[N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und Liber decretorum).
Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche Handschriften
überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die sog.
Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des
Osterdatums führt D. E. (nach Eusebius von Caesarea) die Jahreszählung von
Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung
des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung
des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchenrecht
und Reform, 1975
Diözese (F.) Amtsgebiet eines Bischofs (der katholischen Kirche)
Diplom (lat.
[N.] diploma, Verdoppeltes) ist im römischen Altertum zunächst die durch Falten
doppelt gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom
Kaiser ausgestellte Urkunde. Das Mittelalter nennt Urkunden (lat.) charta,
instrumentum, litterae, pagina, testamentum u. s. w. Seit dem 17. Jh. (Jean Mabillon
1632-1707) ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem Ausstellerwillen dauernde
Rechtskraft haben soll. In der Gegenwart ist D. der Abschluss einer höheren
Ausbildung und die darüber erteilte Urkunde.
Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W.,
Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f.
1998f.
Diplomat ist der (durch Diplom ausgewiesene,
geschickt handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.
Lit.: Le diplomate au travail, hg.
v. Babel, R., 2005; Wohlan, M., Das
diplomatische Protokoll im Wandel, 2013
Diplomatik ([im
17. Jh. entwickelte] Urkundenlehre [zwecks Unterscheidung echter und
gefälschter Urkunden an Hand äußerer und innerer Merkmale]) →Diplom,
Urkunde
Lit.:
Mabillon, J., De re diplomatica, 1681; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, 1889, 2. A. 1912ff.; Rosenmund, R., Die Fortschritte der
Diplomatik seit Mabillon, 1897; Diplomatik im 21. Jahrhundert, A. f. Diplomatik
52 (2006), 233; Digitale Diplomatik, hg. v. Vogeler, G., 2009
Diplomjurist ist in
der Gegenwart der seine wissenschaftliche Berufsvorbildung mit einem Diplom
abschließende Jurist (z. B. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik,
an Fachhochschulen oder seit 2001 auch an einigen juristischen Fakultäten der
Bundesrepublik Deutschland).
Lit.:
Kutschke, T., Diplom-Jurist für jedermann, JuS 2003, 205
Diplovatacio,
Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro 29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in
Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511
einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum
(Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er die bedeutendsten
Rechtskundigen des Altertums und Juristen des Mittelalters beschreibt (De
claris iuris consultis).
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 172
Directorium (N.) in publicis et cameralibus ist die nach Vorstufen (seit 1744 Repräsentationen und Kammern, 1748 dem
Herrscher unmittelbar unterstellt) 1749 unter Maria Theresia für Österreich
geschaffenene Behörde, in der unter Ausschluss der Stände die innere Verwaltung
und die Finanzverwaltung für alle Erbländer vereinigt werden. Zugleich werden
die Hofkanzleien aufgelöst und ihre verbliebenen Zuständigkeiten der obersten
Justizstelle übertragen. 1761 wird das D. zerschlagen (z. B.
Verwaltungsrechtspflege an oberste Justizstelle, Anderes an
Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei), von 1792 bis 1797 unter anderem Namen
nochmals kurzfristig hergestellt.
Lit.:
Walter, F., Die österreichische Zentralverwltung, 1938
direkt, Adj., unmittelbar (z. B. direkte, ohne abgeordnete, repräsentierende
Organe bestehende Demokratie)
Dispens (M. bzw. auch F., zu lat. [F.] dispensatio,
Abwiegen, Zuteilen) ist die Befreiung,
insbesondere im katholischen Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität
auf Grund Billigkeit erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im
begründeten Sonderfall.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et
dispensationibus, 1939; Bindschedler, U., Die Dispensation, 1958; Mussgnug,
R., Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, 1964; Erler, A., Kirchenrecht,
5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May, G., Die
Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl
um die Dispensbefugnis im 18. Jahrhundert, 2007
Dispensehe ist
die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von einem kirchenrechtlichen
Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense
einzelner sozialistischer Länderregierungen österreichischer Bundesländer
[z. B. Niederösterreich] vom Ehehindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe,
woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Dispositio (lat.
[F.]) Anordnung, Verfügung
Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist die Verfügung bzw. das
Hausgesetz (str.) des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486)
vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende Linien (Brandenburg,
Franken, Obergebirg um Kulmbach) zulässt und 1791 zum Rückfall der Fürstentümer
Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883; Caemmerer, H. v., Die Testamente der
Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von
Zollern, 1969
Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im
Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirchlichen Prozessrecht, aus dem sie in
den Prozess vor dem Reichskammergericht übergeht.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Disputation (F.)
Erörterung
Lit.: Horn, E., Disputationen und Promotionen an den
deutschen Universitäten, 1893; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen
Disputationen 1558-1818, hg. v. Kundert, W., 1978; Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, Programme und Reden, hg. v. Kundert, W., 1984; Die
Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und
Kolleg, 1998; Leinsle, U., Dilinganae Disputationes, 2006
disseisin (mengl.)
Besitzentzug →novel disseisin
Dissens ist
die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss.
Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht
zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig
ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum
und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.
Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Dissertation ist
die wissenschaftliche Erörterung einer Frage, die seit dem Mittelalter
Prüfungsverfahren wissenschaftlicher Befähigung wird. Die Zahl juristischer
Dissertationen in Deutschland hzw. im Heiligen römischen Reich steigt dabei im
17./18. Jh. auf durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600
und 1800 nachweisbar, abzüglich Doubletten u. s. w. möglicherweise 40000, davon rund 40 %
Zivilrecht, 20 % Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht, 15 % Verfahrensrecht,
5 % Strafrecht, 5 % Lehnrecht, 3% Kirchenrecht, 12 % Gemischtes,
Grundherrschaft, Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsquellen). Später
nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur Zahl der
Studierenden ab. Vermutlich wirkt sich auch die Entstehung juristischer Fachzeitschriften
nachteilig aus, weil die Professoren damit neue Veröffentlichungsmöglichkeiten
erlangen. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt sie wegen der schwierigen
Arbeitsmarktlage für Juristen wieder an Bedeutung (fast 2000 pro Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Horn, E., Die
Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893, Neudruck
1968; Bibliographisches Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken,
hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Schubart-Fikentscher, G., Untersuchungen
zur Autorschaft von Dissertationen im Zeitalter der Aufklärung, 1970;
Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken, hg. v. Jung, R. u. a., 1979;
Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18. Jahrhundert,
zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer Dissertationen,
hg. v. Tsuno, R., 1988; Härter, K., Ius publicum und Reichsrecht in den
juristischen Dissertationen mitteleuropäischer Universitäten der frühen
Neuzeit (in) Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008, 485
Distinktion (F.)
(Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der
Antike bekannte, als Ergebnis eines Aneignungsvorgangs antiker Bildung in
Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der
Wissenschaften, insbesondere der Kanonistik, werdende Untersuchungsweise.
Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktionstechnik in der Kanonistik
des 12. Jahrhunderts, 2000
Disziplinarverfahren ist das außerstrafrechtliche Verfahren bei fehlerhaftem
Verhalten eines Beamten(, Soldaten, Klerikers, Studenten, Schülers oder
Vereinsmitglieds). Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen 1841).
1850 sieht die Verfassung Preußens bei D. in der Justiz eine gerichtliche
Entscheidung vor, seit 1873 können auch D. gegen andere Beamte des deutschen Reiches
disziplinargerichtlich überprüft werden. Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom
Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen
Anforderungen genügen und darf nicht von Rechtsbrechern zur Unterdrückung der
Aufdeckung ihrer Missstände missbraucht werden. Das 1967 errichtete
Bundesdisziplinargericht Deutschlands in Frankfurt am Main ist unter
Übertragung seiner Aufgaben auf die Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12.
2003 wieder aufgelöst.
Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978
Dithmarschen ist die zwischen Nordsee, Elbemündung
und Eidermündung gelegene Landschaft, deren Recht erstmals 1447 nach einer
Landesversammlung aus dem Gewohnheitsrecht (mit Wergeldern, ohne Strafen für
Tötungen) aufgezeichnet, 1483 gedruckt und 1539 revidiert sowie 1567
wissenschaftlich gefasst wird (Dithmarscher Landrecht).
Lit.: Sammlung altdithmarscher
Rechtsquellen, hg. v. Michelsen, A., 1842, Neudruck 1969; Hoppe, J., Das
Strafensystem des Dithmarscher Rechts im Mittelalter, 1933; Boie, K., Die
mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937; Carstens, C., Bündnispolitik
und Verfassungsentwicklung in Dithmarschen, Zeitschrift der Gesellschaft für
schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1; Carstens, W., Geschlecht und
Beweisrecht in den Dithmarscher Landrechten, Zs. d. Gesellschaft f.
schleswig-holsteinische Geschichte 60 (1941), 1; Stoob, H., Die dithmarsischen
Geschlechterverbände, 1951; Das Dithmarscher Landrecht, hg. v. Eckhardt, K.,
1960; Eickmeyer, G., Das Strafverfahren in Dithmarschen von 1447 bis 1559,
1963; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen, 1975;
Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten von
1447 und 1539, 1978; Eggers, P., Das Prozessrecht nach dem Dithmarscher
Landrecht von 1567, 1986
Divisio regnorum (lat. [F.] Teilung der Reiche) ist
die in Diedenhofen am 6. 2. 806 auf einem Reichstag festgelegte, in vier
Handschriften und einem Erstdruck überlieferte Nachfolgeordnung Karls des
Großen für seine drei ehelichen Söhne, die infolge des Todes Pippins (810) und
des ältesten Sohns Karl (811) keine unmittelbare Wirkung entfaltet.
Lit.: Capitularia, hg. v.
Boretius, A. u. a., Bd. 1 1883, 126; Schieffer, R., Die Karolinger, 1992
Divortium (lat.
[N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht rechtlich geregelte Scheidung
der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden)
und ein dies begründender Anlass (z. B. Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit)
bestehen muss. →Ehescheidung
Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22
Doctor (lat.
[M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.]) magister oder professor
bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der
Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist
doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechtes) oder doctor decretalium (Lehrer
des kirchlichen Rechtes). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und
Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des →ius
civile und des →ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und
wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich
zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche
Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall. Seit dem 18./19.
Jh. wird deswegen die Habilitation als Voraussetzung der Lehrbefugnis
entwickelt, deren regelmäßige Notwendigkeit am Beginn des 21. Jh. gesetzlich
beseitigt wird. Zwischen 1933 und 1945 wird im Deutschen Reich in rund 2000
Fällen der Doktorgrad aberkannt (davon etwa 70 Prozent jüdische oder jüdisch
versippte Emigranten, häufig aber auch wegen Straftaten, in München nur wenige
Juristen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der
Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser
Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, (in) Das
Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen
Grades unwürdig, 2002; Harrecker, S., Degradierte Doktoren, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
doctor (M.) iuris
(lat.) →Rechtsgelehrter
doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte
doctor (M.) legum
(lat.) Doktor des weltlichen Rechtes
Dogma (N.)
Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz
Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari,
V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981;
Dogmatisierungsprozesse in Recht und Religion, hg. v. Essen, G. u. a., 2011
Doktor →doctor
Doktorgrad →doctor
Doktrin (F.)
Lehre, Festlegung
Dolmen (zu bret. tol, Tisch, men, Stein) ist die Bezeichnung
für das in Europa zwischen 4000 v. Chr. und dem Frühmittelalter nachweisbare,
bis zu 168 Meter lange, mittels Steinen gebildete Grab.
Lit.: Körn, W., Megalithkulturen,
2005
Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet eundem (lat.). Arglistig
handelt, wer fordert, was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst
zurückerstatten muss.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)
Dolus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht die Arglist, nach Anerkennung einer Haftung für
fahrlässiges Verhalten der →Vorsatz, dolus malus. Das durch Arglist
herbeigeführte oder beeinflusste Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf
Anregung des Rechtskundigen Gaius Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v.
Chr. aber dem, der durch Arglist beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere
Klage gegeben ist, einen Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den
einfachen Schadensbetrag. Gegenüber einer möglichen Verpflichtung (stricti
iuris) kann der Verpflichtete eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).
Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15; Köbler,
DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW
Dom (zu lat. [F.] domus, Haus) ist meist die
Hauptkirche des Bistums.
Lit.: Schieffer, R., Die
Entstehung von Domkapiteln, 1976
Domäne (im 16./17. Jh. aus dem Französischen
aufgenommen) ist in der Spätantike das
kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den
jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom
(lat. M.] comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des
weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der
Franken an den König (→Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen
gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In
Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. In
Hessen -Kassel bzw. Kurhessen versorgen die etwa 300 zwischen 1600 und 1866
nachweisbaren Domänen den Hof mit Lebensmitteln, sichern die Mitglieder des
Fürstenhauses wirtschaftlich ab und dienen der fürstlichen Agrarpolitik ebenso
wie der Finanzierung lokaler und
zentraler Behörden. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen
Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in
geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen
der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die
Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die
deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit, die staatliches Domäneneigentum
kennen. In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum haben die Stände
das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein
Ausgabenbewilligungsrecht hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben
im Gegensatz zu den Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der
Monarchie (Deutschland 1918) fließen die Einkünfte aus den Domänen dem Staat
zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz
aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland (vor allem in Niedersachsen)
umfassen sie nur noch weniger als 0,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wendt, E., Die staatliche
Selbstbewirtschaftung von Domänen, 1925; Corsten, S., Das Domanialgut im Amt
Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1962;
Hoffmann, R., Die Domänenfrage in Thüringen, 2006; Klein, W., Die Domänenfrage
im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts, 2007; Ebert, J.,
Domänengüte4r im Fürstenstaat, 2013
Domat, Jean
(Clermont-Ferrand 30. 11. 1625-Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter.
Sein 1689 veröffentlichtes, →Grotius verpflichtetes Hauptwerk ([franz.]
Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen Gesetze in ihrer
natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses ergänzende
französische Recht in der Art eines Lehrbuchs des Naturrechts nach den
grundlegenden Sätzen D. verselbständigt das Erbrecht innerhalb des Sachenrechts
und verwendet erstmals den Ausdruck ésprit des lois.
Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936; Baudelot,
B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938
Domesdaybook ist
eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31
Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der
Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage
seiner Herrschaft. Von 596 im D. genannten Familien sind im Jahre 1166 noch
437 in den Cartae baronum erwähnt.
Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907;
Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday England,
1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3.
A. 1990, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u. a., 1997;
Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday People,
1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday Descendants, 2002;
Roffe, D., Decoding Domesday, 2007
Dominat ist
(nach Mommsen) die vom Kaiser als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus
et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian
(284-313/316).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG
55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978
Dominikalland (N.) Herrenland, vom Grundherrn selbst bewirtschaftetes Land
Lit.:
Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964, 2. A. 1998
Dominikaner ist
(seit dem 15. Jh.) der Angehörige des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach
1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán) in Toulouse 1215 begründeten,
am 22. 12. 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten (Bettel-)Ordens (lat.
[M.] ordo praedicatorum, in Frankreich Jakobinerorden) der Prediger, dem von
Papst Gregor IX. 1232 die Inquisition übertragen wird und dem 1990 677 Klöster
mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklöster mit 4225 Schwestern
(2004 626 Klöster, 6262 Mitglieder, 227 Frauenköster, 3488 Mitglieder)
angehören.
Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Walz, A.,
Wahrheitskünder, 1960; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order, 1966ff.;
Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Vicaire, M., Histoire de Saint
Dominique, 1982; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und
Anpassung, 1999; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003, 156
Dominium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das Eigentum, wobei das (lat.) d.
ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur
an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken möglich ist (d. dormiens,
ruhendes Eigentum z. B. an einem fremden Balken während des Bestands des ihn
aufnehmenden Gebäudes). Nach Ernst Levy verfällt dieses klassische d. in der
Spätantike, doch ist diese Ansicht inzwischen wieder streitig geworden. Im
Mittelalter bezeichnet d. (ahd. giwaltida, herskaf, hertuom) die Herrschaft
(oder Gewalt über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen
andererseits). Zugleich wird von Italien ausgehend ein (lat.) d. directum
(Obereigentum z. B. des Lehnsherrn) von einem d. utile (Untereigentum z. B. des
Lehnsmanns) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes dringen
römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbesondere gewisse ältere
Bindungen des Eigentums (z. B. gegenüber Erben oder Nachbarn) aufgegeben und
D., beschränkte dingliche Rechte sowie Besitz von einander klar geschieden,
wird freilich im 20. Jh. das Eigentum auch wieder einer sozialen Bindung
unterworfen.
Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt,
C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht,
Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss.
jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit,
D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Mayer-Maly, T., Das Eigentumsverständnis der
Gegenwart, FS H. Hübner, 1984, 145; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in
den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Diestelkamp, B., Frühe
urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13.
Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts = FS P. Landau, 2000, 391ff.;
Vandendriessche, S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen
Recht, 2006
dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum →dominium, Eigentum
dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum →Miteigentum
dominium (N.) utile
(lat.) (vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus am Ende des 12. Jh.s belegt,
1204 Bischof Huguccio von Ferrara) Nutzungseigentum →dominium, Eigentum
dominus (lat. [M.]) Herr (über jemanden oder
etwas), Eigentümer
dominus (M.) terrae (lat.) →Landesherr
Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Eyben
1660)
Domkapitel (Wort neuzeitlich) ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem verpflichtend
werdenden gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer
Domkirche erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom
werdende Gremium von Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem
Tod das Bistum vorübergehend verwaltet und den neuen Bischöf wählt (lat. [N.]
capitulum [10. Jh.] in domo episcopi). Es erlangt seit dem 9. Jh. Güter (z. B.
Bamberg 1007) und wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe
von Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung
des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in
das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D.
vielfach die Stellung von Landständen. Die Säkularisation von 1802/1803
bewirkt einen deutlichen Einschnitt. Danach wird das D. zu einem kirchlichen,
vom Staat dotierten Gremium mit geringeren Rechten und Aufgaben, wobei das
Erfordernis des Adels abgeschafft wird. Nach dem geltenden Kirchenrecht haben
die D. der Diözesen Deutschlands, Salzburgs, Churs, Sankt Gallens und Basels
gegenüber dem Bischofsernennungsrecht des Papstes ein Beteiligungsrecht.
Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands
als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen
Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter
Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Trippen, N., Das Domkapitel
und die Erzbischofswahlen in Köln, 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von
Domkapiteln in Deutschland, 1976; Hersche, P., Die deutschen Domkapitel im 17.
und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984; Maier, K., Das Domkapitel von Konstanz,
1990; Haas, R., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in Münster 1813-1846,
1991; Jüsten, E., Das Domkapitel nach dem Codex Iuris Canonici von 1983, 1993;
Miele, M., Sui capitoli cattedrali in Italia, 1999; Burkhard, D., Staatskirche,
Papstkirche, Bischofskirche, 2000
Domscholaster (M.) Leiter der Domschule (seit 816,
seit der Neuzeit allmählich, z. B. Österrreich 1787, aufgegeben)
Donatio (lat.
[F.] →Schenkung) ist im römischen Recht die unentgeltliche Zuwendung
oder Gabe. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang
rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin (337-361) wird die d. zu einem
eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes
wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe,
Widerlage) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines
Nutzungsrechts).
Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon,
C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von Dietrich von
Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G.,
Donationes inter virum et uxorem, 2001
Donau ist der auf fast 3000 Kilometern vom Schwarzwald
zum Schwarzen Meer fließende Fluss, der für die Römer einen Teil ihrer
Nordgrenze bildet und seit dem 19. Jh. zunehmend europäischen Rechtsregeln
(Pariser Friede 1856, internationale Donaukommission 1922, NAIDES-Aktionsprogramm
der Europäischen Kommission) unterworfen ist.
Lit.: Wegener, W., Die
internationale Donau, 1951; Neweklowsky, E., Die Schifffahrt und Flößerei im
Raume der oberen Donau, 1952ff.; Weithmann, M., Die Donau, 2000
Donaumonarchie (F.) die dem Einzugsbereich der Donau weitgehend entsprechende Monarchie
Österreich-Ungarn
Doneau (Donellus),
Hugo (Chalons-sur-Saône 23. 12. 1527-Altdorf 4. 5. 1591), aus patrizischer
Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort
Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach
Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat.
[M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen Recht, 1589ff.)
ordnet er das überlieferte römische Recht losgelöst von der Reihenfolge der
Digesten nach einem aus ihm selbst gewonnenen System, um durch die innere
Ordnung die verstreuten Einzelsätze besser zu verstehen, wobei er als einer der
ersten das Recht der Obligationen im Allgemeinen zu erfassen sucht und
vielleicht das Erfordernis der Kausalität von Verpflichtungen begründet. Dabei
gelingen über die Darstellung hinaus weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdehnung
des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio, zu Unmöglichem besteht
keine Pflicht, Beiträge zur Entwicklung des subjektiven Rechtes, des
Besitzrechts, des Vertragsrechts und des Persönlichkeitsrechts).
Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny
und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique
dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, (in) Jacques Godefroy, 1991,
217; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums, 2000, 102f.; Heise,
V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004
Donellus →Doneau
Doping (N.) Rauschmittelgebrauch zwecks Leistungssteigerung vor
allem im Sport
Lit.: Engel, R., Doping in der DDR, 2010
Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander
liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D.
setzt die Sesshaftwerdung voraus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus
bzw. kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich
findet sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, ausgenommen den
Nordwesten, den Schwarzwald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das
Haufendorf, doch prägen auch Marschhufendorf und Waldhufendorf kleinere Räume.
Das D. kann vor allem Nutzungsverband oder auch Gerichtsverband (mit Richter
und Schöffen) sein, wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber
vollbäuerlicher Hofstellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben
ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die
juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19.
Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als →Gemeinde im Sinne
eines staatlichen Verwaltungsbezirks (1935 Deutsche Gemeindeordnung)
angesehen, zu dem allerdings örtliche Selbstverwaltungszüge hinzutreten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K.,
Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375;
Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich),
1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H.,
Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn
Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganahl, K., Langen-Erchingen
(Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der
oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1
(1937), 265; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947;
Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer
Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und
Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung
im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken,
H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W.,
Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R.,
Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und
Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung,
1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H.,
1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980;
Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Schildt, B., Bauer,
Gemeinde, Nachbarschaft, 1996; Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes,
2006
Dorfgericht ist
das in einem →Dorf und häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes
meist unter der Linde (Gerichtslinde, Dorflinde) tätige Gericht. Es ist in
vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grundsätzlich nur Niedergericht.
Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts
oder Bezirksgerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu
Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der
Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K.,
Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938;
Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, (in) Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K.,
Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1
Dorfordnung ist die das Dorf betreffende Ordnung,
wie sie als Rechtsquelle seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit
erscheint. S.
Dorfrecht, Weistum
Lit.: Stöhr, K., Erläuterungen und Anlagen zur
Altenburger Dorfordnung vom 13. Juni 1876, 1885; Robert, H., Als sich die
Eberstädter eine Dorfordnung gaben, 1982; Kunz, R., Die Dorfordnung von
Schwanheim, 1985; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig,
1999
Dorfrecht ist
das besondere Recht eines →Dorfes bzw. subjektiv die besondere
Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den →Sachsenspiegel
(Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit,
teils durch Anordnung oder Satzung mit der Territorialisierung bzw.
Lokalisierung des Rechtes im Hochmittelalter und verschwindet mit der
staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach
erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein
1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im →Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer
Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917;
Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die
holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die
Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999
Dorpat (estnisch 1919 Tartu) wird 1030 erstmals
erwähnt, 1224 als (lat. [N.] castrum tarbatum) durch den Deutschen Orden
erobert, gelangt 1558 an Russland, 1582 an Polen, 1625 bzw. 1629 an Schweden,
erhält neben einem Obergericht 1632 durch König Gustav Adolf von Schweden eine
Universität (Akademie mit deutsch-lateinischer Unterrichtssprache und schwedisch-finnischen
Lehrern) (1656 geschlossen, 1690-1710 als deutschbaltische Anstalt in Pernau),
die 1802 (nach der Angliederung Livlands an Russland im Jahre 1721) als einzige
deutschsprachige Universität Russlands von Deutschbalten neu gegründet, ab
1867 allmählich und 1893 entschieden russifiziert (Jurév) und unter Besatzungsregime
des Deutschen Reiches erfolglos regermanisiert wird (Rechtslehrer Johann Ludwig
von Müthel, Karl Friedrich Meyer, Christian Daniel Rosenmüller, Friedrich
Kasimir Kleinenberg, Johann Georg Neumann, Karl Schröter, Walter Friedrich
Clossius, Friedrich von Bunge, Gustav Bröcker, Otto Karl von Madai, Karl Eduard
von Otto, Eduard Osenbrüggen, Alexander von Reutz, Ewald Tobien, Johannes
Engelmann, Karl von Rummel, Viktor Ziegler, August von Bulmerincq, Karl
Bergbohm, Ottomar Meykov, Karl Erdmann, Woldemar von Rohland, Alexander [Axel]
Baron von Freytagh-Loringhoven, Vladimir Grabar, Michail Djakonov, Aleksej
Guljaev, Evgenij Passek, Peter Pustoroslev, Ivan Ditjatin, Alexander Filippov,
Lev Schalland, Alexander Nevzorov) und erhält 1919 in Estland den Namen Tartu.
Lit.: Gernet, A. v.,
Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat, 1896; Lemm, R., Dorpater Ratslinie,
1960; Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000), 607;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Donnert, E., Die Universität Dorpat-Jurév 1802-1918, 2007
Dorstadt (Augustinerchorfrauenstift)
Lit.:
Urkundenbuch des Augustinerchorfrauenstifts Dorstadt, hg. v. Ohainski, U., 2011
(1143-1660)
Dortmund wird 880-884 (Throtmanni, Siedlung am
gurgelnden Wasser?, nach Udolph 2009/2010 zu mons, lat.,
M., Berg?, „Berg mit einem Einschnitt?“)
erstmals erwähnt, erhält im 10. Jh. eine königliche Pfalz, wird Reichsstadt
(Privilegien Konrads III., Friedrichs I., Friedrichs II. [1236 bzw. 1220]) und
Mitglied der Hanse und kommt mit etwa 4000 Einwohnern 1802 an die Fürsten von
Oranien-Nassau und 1815 an Preußen, in dem es zur industriell geprägten
Großstadt heranwächst.
Lit.: Rübel, K., Dortmunder
Urkundenbuch, Bd.1ff. 1881ff.; Frensdorff, F., Dortmunder Statuten und
Urtheile, 1882; Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905;
Meininghaus, A., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur
Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund,
1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund,
Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in
Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft
Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850, 1927;
Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 1934;
Luntowski, G. u. a., Geschichte der Stadt Dortmund, 1994; Ferne Welten, freie
Stadt. Dortmund im Mittelalter, hg. v. Ohm, M. u. a., 2006; Dortmund und die
Hanse, hg. v. Schilp, T. u. a., 2012
Dos (lat.
[F.], zu lat. dare, geben) ist bereits im altrömischen Recht die vom Hausvater
der Frau bei der Verehelichung dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der
Unterhaltssicherung dienende →Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer
auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den
ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex
(F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über Grundstücksmitgift) die Veräußerung
eines Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die
Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der
d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit (nur) teilweise aufgenommen
(Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pommern, Teile Mecklenburgs, Dotalsystem).
Nach dem germanischen Recht gibt dagegen der Mann (bzw. seine Familie) der
Frau (bzw. ihrer Familie) eine Gabe (vielleicht als Gegenleistung für die
Personalgewalt des Mannes über die Frau).
Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des
ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner,
H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545;
Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Lorenz, E., Das
Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts,
1965; Stagl, J., Favor dotis, 2009
Dotalitium (lat.
[N.]) ist meist die →Leibzucht oder das →Wittum.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885, 370;
Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961
Dotalsystem (19. Jh.) ist das auf der römischrechtlichen →dos aufbauende
Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe
das Vermögen des Ehemanns treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum
des Ehemanns übergehenden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption
ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufgenommen wird. Mit den Kodifikationen
geht das im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Bürgerlichen
Gesetzbuch Sachsens (1863) bereits nicht mehr erwähnte D. unter (BGB 1900, ZGB
der Schweiz 1907).
Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694
Dotation (F.)
Ausstattung, Zuwendung, Aussteuer
Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975; Dröge, M.,
Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften, 2004
Dou de Bassols,
Ramón Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara
(1760-1764) und einer anwaltlichen Tätigkeit als Professor in Cervara die erste
systematische Darstellung des spanischen öffentlichen Rechtes (Instituciones
del derecho público general en España, 1800ff.), die sich in die drei Bücher
Person, Sache, Gericht und jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil
gliedert.
Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd. 1
1889, 532
Do ut des
(lat.). Ich gebe, damit du gibst.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)
Douai
Lit.: Espinas, G., La vie urbaine
de Douai, Bd. 1ff. 1913
Drakon ist
der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das
geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge
Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung
von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, R., Drakon´s Law
on Homicide, 1968; Gagarin, M., Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981;
Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische
Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco, 1998
Draufgabe (lat.
[F.] →arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines Vertrags, die als
Zeichen des Abschlusses des Vertrags gilt und im Zweifel auf die geschuldete
Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im
gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer Bedeutung.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die
Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932
Drei ist
eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller guten Dinge [Gerichte] sind
drei).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922;
Meyer, H./Suntrup, R., Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987,
Neudruck 1999; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Dreibund (N.) den 1879 zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn
geschlossenen Bund 1882 um Italien erweiternder Bund (1883 Beitritt Rumäniens,
im ersten Weltkrieg Kündigung durch Italien, das 1915 den Alliierten beitritt, Rumänien
1916)
Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der
Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlands mit Winterfrucht
oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird. Bei der
Dreizelgenwirtschaft ist dabei die gesamte Flur eines Dorfes in drei etwa
gleich große im Wechsel bewirtschaftete Teile aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W.,
Bauern im Mittelalter, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform, 1991; Rösener, W.,
Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992
Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht
(kopfzahlbezogenes D. erstmals im Gemeindegesetz Badens vom 23. 8. 1821). Es
widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es bei dem
steueranteilbezogenen D. z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr
politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in
Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein
Drittel der Abgeordneten). 1918 wird es spätetens aufgegeben (Preußen,
Braunschweig, Lippe, Sachsen-Altenburg, Waldeck). In Österreich besteht von
1849 bis 1918 ein D. für das Gemeindewahlrecht, bei dem ein Zensus den Kreis
der Wahlberechtigten einengt und die Wahlkörper eine unterschiedliche Zahl von Gemeinderäten
wählen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Gerlach, D., Die
Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Boberach, H., Wahlrechtsfragen im
Vormärz, 1959 ;Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J.,
Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999
Dreiliniensytem ist eine Erbfolgeordnung in den drei Linien Abkömmlinge, Aszendenten,
Seitenverwandte.
Dreißigjähriger Krieg
ist der von 1618 (Prager Fenstersturz, 8. 11. 1620 Schlacht am Weißen Berg mit
Niederlage der aufständischen prostestantischen Landstände Böhmens, 10. 5.
1627 Verneuerte Landesordnung für Böhmen) bis 1648 (Friede von Münster und
Osnabrück, →Westfälischer Friede) unter protestantenfreundlicher Beteiligung
europäischer Mächte (Dänemark 1625, Schweden 1630, Frankreich 1635) währende
Religionskrieg im Heiligen römischen Reich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige
Krieg und das deutsche Volk, 1940, 3. A. 1961, 4. A. 1979; Schormann, G., Der
Dreißigjährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991;
Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der
30jährige Krieg, 1978, 8. A. 1995, 9. A. 1996; Oschmann, A., Der Nürnberger
Exekutionstag 1649-1650, 1991; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1995, 4.
A. 1999, 8. A. 2010; Englund, P., Die Verwüstung Deutschlands, 1998; Findeisen,
J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v.
Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F., Der Dreißigjährige Krieg, 2006;
Kampmann, C., Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, 2007; Sack, H.,
Der Krieg in den Köpfen, 2008; Fuchs, R., Ein Medium zum Frieden, 2008;
Brockmann, T., Dynastie, Kaiseramt und Konfession, 2009; Arndt, J., Der
Dreißigjährige Krieg, 2009; Krüssmann, W., Ernst von Mansfeld (1580-1626), 2010;
Crowne, W., Blutiger Sommer (1636), hg. v. Ritter, A. u. a., 2011; Neuburger,
A., Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im Schwäbischen Reichskreis, 2011
Dreißigster (1221-1224 Sachsenspiegel) ist
der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis
daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung der →Erben, bestimmten
Familienangehörigen des →Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem
selten genau vorherbestimmten Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung
der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißigtägige
Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint
der D. beispielsweise im →Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des
Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch
zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum
Dreißigsten ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.)
iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969
BGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das
Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Dresden an
der Elbe (sorb., Sumpfgebiet, steinzeitliche Besiedlungsspuren, Ersterwähnung
1206, 1201?) erhält vielleicht um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen
von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Stadtbücher
sind seit 1404 erhalten. Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der
Herzöge von Sachsen. 1828 wird eine Technische Universität eingerichtet. 1945
wird D. weitgehend zerstört (25000 Todesopfer). An der Technischen Universität
wird 1991eine juristische Fakultät eingerichtet, deren Auflösung 2004
beschlossen wird.
Lit.: Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
der Stadt Dresden, Bd. 1ff. 1885ff.; Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967;
Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden
1828-2003, bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU
Dresden 1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt
Dresden, hg. v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2005f.; Meinhardt, M., Dresden im
Wandel, 2008; Die Stadtbücher Dresdens, hg. v. Kübler, T. u. a., Bd. 1ff.
2007ff.; Meinhardt, M., Dresden im Wandel, 2009; Die Zerstörung Dresdens, hg. v.
Müller, R. u. a., 2010
Dresdener Entwurf
ist der - der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung von 1847/1848 und dem
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 folgende - in →Dresden
in Sachsen auf Grund der nach dreijährigen Beratungen 1862 beschlossenen
Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (→Allgemeines
Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des →Deutschen
Bundes in einer Kommission beratene, 1866 noch der Bundesversammlung zugeleitete,
dort aber nicht mehr behandelte, Entwurf, der infolge der Auflösung des
Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird,
sich aber auf das Obligationenrecht der Schweiz (1881) und den Allgemeinen Teil
und das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896/1900) auswirkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DRE1866-EntwurfeinesallgemeinendeutschenGesetzesueberSchuldverhaeltnisse.pdf;
Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines
allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v.
Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen
deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener
Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, (in)
Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, 1982, 57
Drews, Bill (Drews, Wilhelm Arnold, Berlin 11. 02.
1870-Berlin 17. 02. 1938) wird 1917 Minister des Innern in Preußen, 1919
Staatskommissar für die Vorbereitung einer Verwaltungsreform Preußens und 1921
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Preußens (bis 1937). 1927 legt er ein
Preußisches Polizeirecht vor. Er nimmt maßgeblichen Einfluss auf das
Polizeiverwaltungsgesetz Preußens von 1931.
Lit.: Naas, S., Die Entstehung des
preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003
Dritter ist die an einem Verhältnis zweier Personen mittelbar beteiligte weitere
Person.
Lit.:
Barnert, E., Der eingebildete Dritte, 2008
Drittes Reich
ist die (problematische) Bezeichnung des →Deutschen Reiches in der vom →Nationalsozialismus
Adolf →Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5.
1945. Sie geht in möglichen Anfängen auf Joachim von Fiore (Celico um
1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes
unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den Bruck (1876-1925) auf ein
dem Heiligen römischen Reich und dem
Reich Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit
zu einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instrument
der Durchsetzung des Nationalsozialismus wird. In ihm wird in einer Presseanweisung
vom 10. 7. 1939 der Ausdruck D. R. verboten, weil die darin zwecks Sinnstiftung
für das Ungewisse verwendete Tradition inzwischen als entbehrlich angesehen
wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
234, 242; Wust, N., Das Dritte Reich, 1905; Mutius, G. v., Die drei Reiche,
1916; Neurohr, J., Der Mythos vom Dritten Reich, (1933, veröff. 1957); Hertel,
H., Das Dritte Reich in der Geistesgeschichte, 1934; Rühle, G., Das Dritte
Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Kobé, E., Die Idee eines Dritten Reiches im deutschen
Idealismus, Diss. phil. Wien 1939; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn,
H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten
Reich, 1960, 2. A. 1971; Mähl, H., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des
Novalis, 1965; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W.,
Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten
Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd.
1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Hildebrand, K.,
Das Dritte Reich, 1979, 6. A. 2003, 7. A. 2009; Schönbaum, D., Die braune
Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat,
M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten
Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J.,
1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und
Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des
Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich,
hg. v. Lundgren, P., 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im
Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v.
Böckenförde, E., 1985; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Justizalltag im
Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Gruchmann, L., Justiz im
Dritten Reich 1933-1940, 1988, 2. A. 1990, 3. A. 2001; Kropat, W.,
Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des
Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., .. aber im Zivilrecht sind die Richter
standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 1988, 2. A. 1994;
Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und
Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz -
Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989;
Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989; Schmoeckel,
M., Die Großraumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich,
1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a.,
1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996; Nunweiler, A.,
Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit und seiner Aktualisierung im Dritten
Reich, 1996; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997;
Die deutsche Herrschaft in den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997;
Bedürftig, F., Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und
politisches Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht
Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die
Juden, 1998; Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger, H. Berichte aus der Justiz des Dritten
Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Geschichte 1933-1945, 1998; Die juristische
Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998;
Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des
Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v.,
Helmuth James Graf von Moltke, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches,
2000; Ellmann, M., Hans Lukaschek im Kreisauer Kreis, 2000; Die tödliche
Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001; Klee, E., Deutsche Medizin im
Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich, hg. v. Szöllösi-Janze, M.,
2001; Schott, A., Adam Trott zu Solz, 2001; Studt, C., Das Dritte Reich in
Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002;
Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54; Beevor, A., Berlin 1945,
2002; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, 2003; James, H., Die
Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A.
2003; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003; Unschuld,
P., Chronik des Rotary Clubs München, 2003; Klee, E., Das Personenlexikon zum
Dritten Reich, 2003; Tofahrn, K., Chronologie des Dritten Reiches, 2003; Pohl,
D., Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945, 2003, 3. A. 2011;
Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Angrick, A., Besatzungspolitik und
Massenmord, 2003; Ciernoch-Kujas, C., Ministerialrat Franz Massfeller
(1902-1966), 2003; Regimekritik, Widerstand und Verfolgung in Deutschland und
den besetzten Gebieten, hg. v. Boberach. H. - Erschließungsband zur
Mikroficheedition 2003; Heinemann, I., Rasse, Siedlung, deutsches Blut, 2003; Stufen
zum Galgen, hg. v. Pätzold, K. u. a., 2004; Kater, M., Hitler-Jugend, 2004;
Evans, R., Das Dritte Reich, Bd. 1 2004; Mühlberger, D., Hitler’s Voice, 2004;
Bartels, U., Die Wochenschau im Dritten Reich, 2004; Hayes, P., Die Degussa im
Dritten Reich, 2004; Ley, A., Zwangssterilisation und Ärzteschaft, 2004; Gall,
L., Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft, HZ 279 (2004) 659;
Huppuch, W., Eugen-Rosenstock-Huessy (1888-1973), 2004; Frei, N., 1945 und wir,
2005; Das Europa des Dritten Reichs, hg. v. Bähr, J./Banken, R., 2005; Finger,
T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hamburg im Dritten Reich, hg.
v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst,
2005; Bastian, T., High Tech unterm Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R.,
Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005; Werner, C., Kriegswirtschaft und
Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr. Otto Thierack (1889-1946), 2005;
Confront! Resistance in Nazi Germany, hg. v. Michalczyk, J., 2. A. 2005;
Köhler, I., Die Arisierung der Privatbanken, 2005; Kißener, M., Das Dritte
Reich, 2005; Olick, J., In the House of the Hangman, 2005; Gesche, K., Kultur
als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten, 2006; Voß, R., Johannes
Popitz, 2006; Einhaus, C., Zwangssterilisation in Bonn (1934-1945), 2006;
Winstel, T., Verhandelte Gerechtigkeit, Rückerstattung und Entschädigung für
jüdische NS-Opfer, 2006; Schenk, D., Hans Frank, 2006; Schäfer, K., Werner von
Blomberg, 2006; Zwicker, S., Nationale Märtyrer - Albert Leo Schlageter und
Julius Fučik, 2006; Tent, J., Im Schatten des Holocaust. Schicksale
deutsch-jüdischer „Mischlinge“, 2007; Die NS-Gaue -regionale Mittelinstanzen,
hg. v. John, J., 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im Dritten Reich und in der
SBZ/DDR, 2007; Hürter, J., Hitlers Heerführer, 2006, 2. A. 2007; Lübbe, H., Vom
Parteigenossen zum Bundesbürger, 2007; Schmerbach, F., Das Gemeinschaftslager
Hanns Kerrl für Referendare in Jüterbog 1933-1939, 2008 (rund 20000
Referendare, systemstabilisierende Wirkung); Bähr, J. u. a., Der Flick-Konzern
im Dritten Reich, 2008; Stirken, H., Der Kölner Justizalltag im zweiten
Weltkrieg, 2008; Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933, hg. v. Schoeps,
J. u. a., 2008 (ab März 1933 94 Bücherverbrennungen in 62 Städten); Ribbentrop,
R. v., Mein Vater Joachim von Ribbentrop, 2008; Universitäten und Studenten im
Dritten Reich, hg. v. Scholtyseck, J. u. a., 2008; Kontinuitäten und Zäsuren.
Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit, hg.
v. Schumann, E., 2008; Harris, W., Tyrannen vor Gericht, 2008; Longerich, P.,
Heinrich Himmler, 2008; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat, 2008; Das Dritte Reich, hg. v. Süß, D. u. a., 2008; Die
Charité im Dritten Reich, hg. v. Schleiermacher, S. u. a., 2008; Drecoll, A., Der
Fiskus als Verfolger, 2009; Tofahrn, K., Das dritte Reich und der Holocaust,
2008; Koop, V., Himmlers letztes Aufgebot, 2008; Schleusener, J., Eigentumspolitik
im NS-Staat, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Gathmann, P. u.
a., Narziss Goebbels, 2009; Ladwig-Winters, S., Ernst Fraenkel, 2009; Lüdicke,
L., Griff nach der Weltherrschaft, 2009; Die Katholiken und das Dritte Reich,
hg. v. Hummel, K./Kißener, M., 2009, 2. A. 2010; Nie mehr zurück in dieses
Land, hg. v. Gerhardt, U. u. a., 2009; Zelle, K., Hitlers zweifelnde Elite,
2010; Verfemt und verboten, hg. v. Schoeps, J. u. a., 2010; Kasseckert, C.,
Straftheorie im Dritten Reich, 2010; Conze, E. u. a., Das Amt und die
Vergangenheit, 2010; Koop, V., In Hitlers Hand, 2010; Iselt, K., Sonderbeauftragter
des Führers, 2010; Longerich, P., Joseph Goebbels, 2010; Selbstmobilisierung im
Dritten Reich, hg. v. Dinckal, N. u. a., 2010; Rüstung, Kriegswirtschaft und
Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, hg. v. Heusler, A. u. a., 2010; Allert, T.,
Der deutsche Gruß, 2010; Buddecke, J., Endstation Anatomie, 2010; Hausmann, M.,
Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011; Reichskommissariat Ostland,
hg. v. Lehmann, S., 2011; Blatman, D., Die Todesmärsche 1944/45, 2011 (mit etwa
250000 Toten); Kramer, N., Volksgenossinnen an der Heimatfront, 2011; Jasch,
C., Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik, 2011; Brinkhus, J.,
Luftschutz und Versorgungspolitik, 2011; Lustiger, A., Rettungswiderstand,
2011 (200 Retter aus insgesamt 100000 Rettern verfolgter Juden in 30 Ländern); In
Nürnberg machten sie ein Gesetz, hg. v.
Beutin, L. u. a., 2011; Steiner, Z., The Triumph of the Dark, 2011; Fremde
Blicke auf das Dritte Reich, hg. v. Bajohr, F. u. a., 2011; Hachtmann, R., Das
Wirtschaftsimperium der Deutschen Arbeitsfront 1933-1945, 2012; Herzer, M.,
Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich, 2012; Eichmann
in Jerusalem, hg. v. Ambos, K. u. a., 2012; Interessen um Eichmann, hg. v.
Renz, W., 2012; Koop, V., Martin Bormann Hitlers Vollstrecker, 2012; Galler,
C., Die Spinnhütte Celle im Nationalsozialismus, 2012; Pahl, M., Fremde Heere
Ost, 2012; Broichmann, C., Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich,
2013 (21 Fälle von Verfahren vor dem besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, 92
Fälle vor dem besonderen Senat des Volksgerichtshofs, jeweils hohe Zahl von
Todesurteilen); Grenzen des katholischen Milieus, hg. v. Kuropka, J., 2013;
Schlosser, H., Sprache unterm Hakenkreuz, 2013; Kuwalek, R., Das
Vernichtungslager Belzec, 2013 (rund 450000 Vernichtungen); Scheil, S.,
Ribbentrop, 2013; Sassin, H., Carl Goerdeler, 2013; Gross, R., November 1938,
2013; Vollmer, A. u. a., Stauffenbergs Gefährten, 2013; Bahro, B., Der
SS-Sport, 2013; Ortner, H., Der Hinrichter, 2. A. 2013 (Roland Freisler); Nonn,
C., Theodor Schieder, 2013; Becker, M., Mitstreiter im Volkstumskampf, 2014;
Lüdicke, L., Constantin von Neurath, 2014; Roos, D., Julius Streicher und „Der
Stürmer“ 1923-1945, 2014
Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens
durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und
dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte
Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer
dogmatischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich
anerkannt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I.,
Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992;
Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten,
1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193
Drittschutz ist der Schutz eines Dritten durch ein
Verhältnis zwischen zwei anderen.
Lit.: Hofer, S., Drittschutz und
Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377
Drittwiderspruchsklage ist die als Interventionsklage entwickelte Klage des
angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechtes
an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den
betreffenden Gegenstand.
Lit.: Picker, E., Die
Drittwiderspruchsklage, 1981
Drittwirkung ist
die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem
Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger und Schuldner (relativ) aus, so dass
im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und Schuldübernahme
Schwierigkeiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte gegenüber jedermann
(absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
erörtert (z. B. Nipperdey), aber überwiegend verneint.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Fabisch, D., Die unmittelbare
Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht, 2010
Drohung (775) ist das Inaussichtstellen eines Übels.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht
Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la
coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en
France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412
Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in →coutumiers aufgezeichnete
Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs).
droit (M.) écrit
(franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden Frankreichs)
droit (M.) intermédiaire (franz.) das zwischen französischer Revolution von 1789 und den Kodifikationen
Napoleons (1804ff.) durch Einzelgesetze geschafffene französische Recht
Drost (M.) aus mnd. drossete (Truchsess) gebildete
Bezeichnung eines örtlichen Verwaltungsamtsträgers in Norddeutschland und
Westdeutschland vom 13. bis zum 19. bzw. 20. Jh.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte des
preußischen Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Drecktrah, V., Die
Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002; Blazek, M., Von
der Landdrostey zur Bezirksregierung, 2004
Druck ist das Einwirken auf einen Gegenstand mit
Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1440 (1454?) werden Texte durch farbigen Abdruck
einer Vorlage auf Papierblätter (Buchdruck mit berweglichen Lettern seitens
Johannes Gutenbergs) vervielfältigt (z. B. Bibel in 42 Zeilen je Seite).
Einblattdrucke (z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475
häufig.
Lit.: Eisermann, F., Verzeichnis
der typographischen Einblattdrucke im Heiligen römischen Reich deutscher
Nation, Bd. 1ff. 2004; Westphal, J., Die Darstellung von Unrecht in
Flugblättern der frühen Neuzeit, 2008
Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdrucks (1440-1454) auf Grund des vom
Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche, meist
zeitlich begrenzte, mit Strafgeldern und Vermögenseinziehung bewehrte
Privileg, zum Schutz vor allem der Drucker und auch Verleger sowie mittelbar
letztlich auch der Urheber ein bestimmtes Buch ausschließlich zu drucken und
dementsprechend Nachdrucke Nichtprivilegierter zu bekämpfen (Venedig 1469 auf
fünf Jahre befristetes, ausschließliches Privileg Bücher zu drucken für Johan
von Speyer [† 1470]], Herzog von Mailand 1481 Nachdrucksverbotsprivileg, im
Heiligen römischen Reich 1501 Nachdruckprivileg für Conrad Celtis, Frankreich
1507, England 1518). Das vielfach erteilte und meist im jeweiligen Werk auch
abgedruckte D. wird auf Drängen der Buchhändler und Verleger seit dem 19. Jh.
durch das sie und die Urheber vollkommener schützende →Urheberrecht
(Preußen 11. 6. 1837 Gesetz zum Schutze des Eigentums an Werken der
Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck) abgelöst.
Lit.: Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774; Bluntschli,
J., Deutsches Privatrecht Bd. 1, 1853; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht
über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Gieseke, L., Vom Privileg zum
Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, 1996; Gergen, T., Die
Nachdruckprivilegienpraxis Württtembergs im 19. Jahrhundert, 2007
Dualismus ist
grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander unabhängigen meist
gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh.
ein (durch gegenseitige vertragliche Treuebindung befriedeter) ständisch-monarchischer
D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und Landständen, der im
Absolutismus zu Lasten der Landstände (vor allem in Österreich und Preußen)
weitgehend verschwindet. In Österreich sind nach 1867 dualistische Angelegenheiten
die in übereinstimmenden Beschlüssen des österreichischen Reichsrats und des
ungarischen Reichstags geregelten Angelegenheiten (Münzwesen, Zollgesetzgebung,
Eisenbahnlinien, Wehrsystem), deren Verwaltung in Österreich und Unganr
jeweils eigenständig erfolgt.
Lit.: Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd.
1 1868, Neudruck 1954; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965;
Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973; Rosenau, K., Hegemonie und
Dualismus, 1986; Vormünder des Volkes?, 1999; Olechowski-Hrdlicka, K., Die
gemeinsamen Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, 2001
Duaren,
François (Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris
und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift
(lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren
und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. →mos [M.]
Gallicus) mit Einführungslehrveranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und
neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommentar über Verträge
beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung
der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene
Bereicherung).
Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus,
1971
Dublin in
Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw.
1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.
Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959
Duderstadt
Lit.:
Bilgenroth-Barke, H., Kriminalität und Zahlungsmoral im 16. Jahrhundert, 2010
Duell ist
der geordnete Waffenkampf zweier Streitender (zur Sühnung einer Ehrverletzung).
Wurzeln des Duells reichen vielleicht in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter
durchaus allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf
zu Ross mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Im engeren Sinn entwickelt
sich das D. erst in der Neuzeit. Vom 17. Jh. an wird es unter strenger
Strafandrohung ohne besonderen Erfolg verboten. Erst nach Ende der
adelsgeprägten Gesellschaft (1918) verschwindet das ernsthafte D. gänzlich.
Seit 1969 gelten die allgemeinen Strafrechtsnormen, wovon freilich
rechtstatsächlich die studentische Mensur noch nicht erfasst wird.
Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr,
H., Der Zweikampf, 1908; Prokowsky, D., Die Geschichte der Duellbekämpfung,
Diss. jur. Bonn 1965; Slawig, J., Der Kampf gegen das Duellwesen, Diss. jur.
Münster 1986; Kiernan, V., The Duel in European history, 1988; Dieners, P., Das
Duell, 1992; MacAleer, K., Dueling, 1994; Bringmann, T., Reichstag und
Zweikampf, 1997; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das
Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002;
Baumgarten, R., Zweikampf, 2002; Das Duell, hg. v. Ludwig, U. u. a., 2011;
Geifes, S., Das Duell in Frankreich 1789-1830, 2013
Duguit,
Léon (Libourne/Frankreich 1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches
Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch
als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten
und kontrollierten Menschen an.
Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929;
Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973
Duisburg an der Mündung der Ruhr in den Rhein ist (883/884)
Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?) Stadt (regia villa) und
kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614 an Brandenburg. Von 1655
bis 1818 (dann Bonn) ist es Sitz einer von Preußen gegründeten Universität,
seit 1972 Sitz einer Gesamthochschule (1980 Universität).
Lit.: Geschichte der Universität Duisburg, hg. v. Ering, W., 1920; Ahrens, T.,
Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten Duisburger Juristenfakultät, 1962;
Roden, P. v./Jedin, H., Die Universität Duisburg, 1968; Roden, P.. v.,
Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.; Komorowski, M., Bibliographie der Duisburger
Universitätsschriften (1652-1817), 1984; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität
Duisburg, 1992; Die Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v.
Mihm, M., 1994; Zur Geschichte der Universität, hg. v. Hantsche, I., 1997;
Jägers, R., Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001; Zur Geschichte der Universität
Duisburg 1655-1818, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2007; Mihm, M. u. a.,
Mittelalterliche Stadtrechungen im historischen Prozess, Bd. 1f. 2007f.
Du Moulin (Molinaeus,
Dumoulin), Charles (1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem
Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522
Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit
zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach
Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris von 1510, 1567 zahlreiche
französische Gewohnheitsrechte (Le grand coutumier).
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980
Dundee wird
1200 erwähnt. 1883/1967 erlangt es eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.
Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891
Duoviri (lat.
[M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein Organ des Strafverfahrens,
im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.
Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55
duplum (lat.
[N.]) Doppeltes
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65
Durantis (Duranti), Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson/Languedoc
(1230?) 1237-Rom 1. 11. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon? und Bologna
(1255, doctor decretorum) Rechtslehrer in Modena und vielfältiger päpstlicher
Amtsträger (1271 Richter, 1279 Dekan in Chartres, 1286 Bischof von
Mende/Südfrankreich). Sein vierbändiges, in mindestens 130 Handschriften
überliefertes Hauptwerk (lat. →Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, 1271-vor
1276, 2. A. 1289-1291, Druck Straßburg 1473, Neudruck 1975) behandelt, dem
Ablauf eines Prozesses folgend, in vier Teilen (Personen, Zivilsachen,
Kriminalsachen, einzelne Klagen) in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der
prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter
Berücksichtigung vieler Formulare.
Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des römischen
Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg. v. Gy, P.,
1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 478
Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechtes,
das unmittelbar nach Eingang in das Vermögen des Durchgangserwerbers aus diesem
wieder ausscheidet.
Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb,
1989
Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit
kund.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)
Durlach
Lit.:
Mührenberg, A., Kleine Geschichte Durlachs, 2009
dux (lat.
[M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im westfränkischen Reich dux Britonum
860, dux Aquitanorum 909, dux Burgundiae 918, dux Francorum 937, dux
Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux
und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der
Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie
der Amtsträger, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I duchi
longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Geist, S., Der
gescheiterte Feldherr, 2009
Dynastie (Herrschergeschlecht)
→Merowinger, →Karolinger, →Ottonen (bzw. Sachsen), →Salier,
→Staufer, →Welfen, →Babenberger, →Wittelsbacher,
Luxemburger, →Wettiner, →Hohenzollern, →Habsburger,
Kapetinger, Bourbonen, Stuart u. a.
Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und
Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln
europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien
des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer
Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und
die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer
Dynastien, 2000
E
Ebel, Wilhelm (Garsuche/Schlesien 7. 6.
1908-Göttingen 22. 6. 1980) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft,
Geschichte und Sprachen in Königsberg, Heidelberg und Bonn 1933 bei Adolf Zycha
in Bonn promoviert, 1936 habilitiert und 1938 nach Rostock berufen. 1939
wechselt er als Nachfolger Herbert Meyers nach Göttingen (bis 1945, ab 1954),
wo er 1965 vorzeitig emeritiert wird. Besonders verdient macht er sich durch
Arbeiten zum lübischen Recht und durch Quelleneditionen.
Lit.: Landwehr, G., Wilhelm Ebel,
ZRG GA 98 (1981), 467; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v.
Rückert, J. u. a., 1995
Ebenburt →Ebenbürtigkeit
Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des (Geburts-)Standes abhängige
rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das →conubium. Wann
im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig
feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der
Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich
Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des
kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels
verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeutung der E.
weitgehend.
Lit.: Köbler, DRG 120; Pütter, J., Über Missheiraten
teutscher Fürsten und Grafen, 1796; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der
Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der
Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die
Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993; Willoweit, D., Standesungleiche Ehen des regierenden
hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsgeschichte, 2004
Ebenteuer (N.) Sicherstellung (z. B. des Erwerbers eines
ohne Erbenlaub veräußerten Gutes unmündiger Kinder) durch gleichen Wert (z. B.
Pfand)
Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer,
ZRG GA 72 (1955), 216
Ebstorf
Lit.: Urkundenbuch des Klosters
Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985; Die Ebstorfer Weltkarte, hg. v. Kugler, H.,
2007
ecclesia (lat. [F.]) Kirche
Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine
mittelalterliche Rechtsregel unbekannter Herkunft, die begründet, weshalb
Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer →Todesstrafe
oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar
(Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche
in ihren weltlichen Herrschaftsgebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss,
die für sie das Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre
Selbstbeschränkung hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen.
Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.
Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili,
Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine
beispielsweise in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria (61) des 7. Jh.s bezeugte
mittelalterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche
Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung
für ihre Angehörigen einfordert. Stellenweise grenzt sich die Kirche aber auch
bewusst vom römischen Recht ab.
Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.;
Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechtes in der Kirche, ZRG KA 73 (1956),
1; Fürst, C., Ecclesia vivit lege Romana?, ZRG KA 92(1975), 17; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Lex Ribvaria 763/4)
Echte Not ist
die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer
Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei
echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter, Krieg, Kreuzzug] entschuldigt),
deren Wirkung in dem Satz Echte Not kennt kein Gebot zum Ausdruck kommt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt,
A., Echte Not, 1888; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in
kaorlingischen Kapitularien, 1993, 151
Echtes Ding ist
das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt
stattfindende →Ding.
Eckhardt, Karl August (Witzenhausen 5. 3.
1901-Witzenhausen 29. 1. 1979); Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft in Marburg 1922 vier Wochen nach der ersten juristischen
Staatsprüfung bei Walther Merk mit einer Dissertation über die Witzenhäuser
Schwabenspiegelhandschrift promoviert und 1924 mit 23 Jahren in Göttingen bei
Herbert Meyer mit einer Schrift über den Deutschenspiegel für deutsches Recht
habilitiert. 1928 wird er ordentlicher Professor in Kiel, 1932 (mit bereits
mehr als 70 Veröffentlichungen) an der Handelshochschule Berlin, dann in Bonn,
1933 in Kiel, 1934 für Geschichte in Berlin und Hauptreferent für Recht, Staat,
Politik, Wirtschaft und Geschichte der Hochschulabteilung des Reichs- und
preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
(Eckhardtsche juristische Studienreform). 1936 wechselt er an die juristische
Fakultät, 1937 nach Bonn, zeitweise ist er in Paris. 1945 wird er als
entschiedener Anhänger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(Oktober 1933 Mitglied der SS, 1935 zum persönlichen Stab des Reichsführers SS
abkommandiert) (mit 44 Jahren) seines Amtes enthoben, 1948 in den vorzeitigen
Ruhestand versetzt, eine Emeritierung wird von seiner Fakultät verhindert. Als
Privatgelehrter führt er seine Editionstätigkeit mittelalterlicher Rechtsquellen
mit starkem persönlichem Einsatz fort.
Lit.: Festschrift zum 60.
Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v. Perst, O., 1961; Werksverzeichnis
Karl August Eckhardt, zusammengestellt v. Eckhardt, A., 1979; Krause, H., Karl
August Eckhardt, DA 35 (1979), 1; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten
Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004, 160
Edda (an. Urgroßmutter?) ist der Name für eine in
einer um 1270 (anonym) verfassten isländischen Handschrift (lat. [M.) Codex
regius) überlieferten altnordischen Liedersammlung (Götterlieder und
Heldenlieder) in Stabreimen (Liederedda, mit der noch weitere Texte anderer
Handschriften als [lat. N. Pl.] Eddica minora verbunden werden,) und vor allem
für ein überwiegend in Prosa gehaltenes, um 1225 entstandenes altnordisches
Werk des Isländers Snorri Sturluson (1179-1241) über altnordische Dichtung und
Mythologie (Snorra Edda), von denen die möglicherweise erheblich ältere
Geschehnisse verarbeitende Liederedda auch als rechtsgeschichtlich ertragreich
angesehen wird.
Lit.: Snorra Edda, hg. v. Jónsson,
F., 1900; Eddica minora, hg. v. Heusler, A. u. a., 1903, Neudruck 1974); Edda -
Die Lieder des Codex regius nebst verwandten Denkmälern, hg. v. Neckel, G., 5.
A. 1936; Kommentar zu den Liedern der Edda. hg. v. See, K. v. u. a., Bd. 2ff.
1997ff.; Fidjestøl, B., The Dating of Eddic Poetry, 1999; Krause, A., Die
Götter- und Heldenlieder der älteren Edda, 2004; Gudmundsson, Ó., Snorri
Sturluson, 2011
Eddach (mnd.)
Eidtag
Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H.
Niedermeyer, 1953, 53
edictum (lat. [N.]) Ausgesagtes, Ankündigung, Festlegung, Edikt (z. B. e. des
römischen Prätors, in dem er angibt,
nach welchen Grundsätzen er in seinem Amt Recht sprechen wird, oder der kurulischen Ädilen über die Folgen eines Mangels bestimmter
Sachen wie Sklaven, Zugtieren und Lasttieren)
Edictum Chilperici ist das von dem merowingischen
König Chilperich I. (561-584, Reichsteil um Soissons) verfasste, in einer
karolingischen Handschrift überlieferte Edikt bzw. Kapitular.
Lit.: Beyerle, F., Das legislative
Werk Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Pactus legis Salicae, hg. v.
Eckhardt, K., 1962, Tit. 106-116
Edictum Theoderici
ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (Pierre Pithous [1579] aus zwei
seitdem verschollenen Handschriften) überlieferte Rechtstext der ausgehenden
Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 154 bzw. 155 kurzen, zeitlich geordneten
Kapiteln unter Verwendung des (vulgar umgeformten römischen) Codex Theodosianus,
des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der sog. Paulussentenzen
und der Responsen des Paulus verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in
26 Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig →Theoderich
dem Großen (493-526) und der Zeit um 500 zugeschrieben werden kann (oder älter
ist).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Bluhme, F.,
MGH LL (in folio) 5, 1, 145-168, 176-179; Gaudenzi, A., Die Entstehungszeit
ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G., Edictum
Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α, dazu Nehlsen, H., ZRG
GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982; Liebs, D., Die
Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen
zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Lafferty, S., Law and Society
in the Age of Theoderic the Great, 2013
Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte →Edikt des römischen
Prätors. Um 130 n. Chr. beauftragt Kaiser Hadrian den Rechtskundigen Julian mit
der Festlegung des bis dahin jährlich neu angenommenen Edikts in einem
(lat.) edictum (N.) perpetuum (dauernden, unveränderlichen Edikt mit rund 500
Sachpunkten in fünf Teilen). Nach diesem Zeitpunkt übernehmen die kaiserlichen
Konstitutionen die bis dahin von den Prätoren wahrgenommene Aufgabe der
Rechtsfortbildung.
Lit.: Köbler, DRG 30; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EdictumPerpetuumPraetorisUrbani_Lenel.htm
Edictus Rothari
ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch
aufgezeichnete Recht der Langobarden (→Volksrecht). Es berücksichtigt
neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide) römisches Recht,
biblische Gedanken und vielleicht westgotisches, bayerisches, alemannisches
und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen an (→Leges
Langobardorum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque
Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff
im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari, 1955; Cavanna,
A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et documenta 34 (1968), 269;
Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Vismara, G., Il diritto in
Italia nell’ alto medioevo, 1981
Edikt („Ausspruch“ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlass. In der römischen
Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung
vor allem der Grundsätze, die der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer
seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte
Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung).
Kaiser Hadrian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.]
urbanus und praetor peregrinus) und der kurulischen Ädilen durch den
Rechtskundigen Salvius →Iulianus in eine endgültige, nur mehr durch den
Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung bringen.
Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22;
Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum
perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M.
Kaser, 1986, 259
Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung
eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B.
durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude wie einem Rathaus oder einer
Kirche). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im
deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274) und wird danach im
Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie ist in der öffentlichen
Zustellung der Gegenwart erhalten (§§ 186 II 1, 187 ZPO, § 40 I StPO). Von der
E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht
erschienen ist.
Lit.: Haase, C., Über Edictalladungen und Edictalprozeß,
1817; Meyer, H., Das Strafverfahren gegen Abwesende, 1869; Bethmann Hollweg, M.
v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339;
Opet, O., Geschichte der Prozesseinleitungsformen, 1891; Sellert, W., Die
Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84(1967), 202; Reinschmidt,
T., Die Einleitung des Rechtsganges und des Versäumnisverfahrens im
salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968; Kaser, M./Hackl, K.,
Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996, § 71
Edikt von Nantes
ist das am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt,
welches das katholische Bekenntnis als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten
(französische Protestanten) Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte
gewährt.
Edinburgh ist die am Firth of Forth sich
unterhalb einer seit dem 6. Jh. nachgewiesenen Burg entwickelnde Siedlung, in
der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707
Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.
Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779
Edition (F.) Ausgabe, Herausgabe, Bekanntgabe von
Klagemitteilung und Beweisurkunde im römischen und frühneuzeitlichen
Zivilprozess
Lit.: Bresslau, H., Geschichte der
Monumenta Germaniae Historica, 1921; Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher
Quellen, hg. v. Heinemeyer, W., 2. A. 2000; Vom Nutzen des Edierens, hg. v.
Merta, B. u. a., 2005; Editiones principes delle opere dei padri greci e
latini, hg. v. Cortesi, M., 2006; Editionen - Wandel und Wirkung, hg. v. Sell,
A., 2007; Erlanger Editionen, hg. v. Neuhaus, H., 2009
Eferding
Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt
Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954
Eger
Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927;
Sturm, H., Eger, (1951); Šimek, E., Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer
Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972; Sturm, H., Districtus Egranus, 1981
Ehaft (zu dem Adj. ehaft, echt, rechtmäßig) ist vor allem in Bayern die örtlich verbreitete Bezeichnung
für →Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters
Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168; Eisenbrand, T., Ehehaftsordnungen im
Hochstift Eichstätt, 1938; Trauchburg, G. v., Ehehaften und Dorfordnungen, 1995
Ehalt ist
die örtlich verbreitete Bezeichnung für →Gesinde.
Ehe (mit anderer Bedeutng
schon für das Indogermanische zu erschließen) ist die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte
Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich
der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den
Eltern der Frau in keine (verwandtschaftliche) Beziehung tritt. Im altrömischen
Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis (gewollte
tatsächliche Lebensgemeinschaft mit Rechtsfolgen) ist, verspricht der
Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam
seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch Geldversprechen
gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die Eheschließung selbst
erfordert den übereinstimmenden Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27
v. Chr.-14 n. Chr.) stellt Eheverbote und Ehegebote auf (lex Iulia de
maritandis ordinibus 18 v. Chr. Eheverbote, Lex Iulia de adulteriis 18 v. Chr.
Ehebruchsstrafen, lex Papia Poppaea 9 n. Chr. Ehegebote). Vielleicht schon im
klassischen römischen Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter
vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis,
wobei die Kirche ihrerseits die Gegensätze zwischen alttestamentarischem
Eheverständnis (Mehrehe, Ehescheidung) und neutestamentarischen Eheverständnis
(Einehe auf Lebenszeit) ausgleichen muss. Für den Eheschluss der mündigen
Brautleute genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der aber in der
Regel nur durch Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im
Frühmittelalter setzen sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen
Gestaltungen (Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben
vielleicht Entführungsehe und angeblich Raubehe und Kebsehe], Möglichkeit der
Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der bereits den Kirchenvätern des
Altertums bekannte Satz, dass allein die Vereinbarung die E. begründet ([lat.]
solus consensus facit nuptias). Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der
Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes
durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer
ursprünglich weiteren Bedeutung (ahd. ewa, Recht) ihren Namen E. erhält und die
vor kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird
christliches Sakrament. Die durch Martin Luthers Reformation von 1517
begründete protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag.
In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung überhaupt gegen das kirchliche
Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle
zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf
wird im deutschen Reich die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger
Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875
Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der
(zusätzlichen, nachträglichen) kirchenrechtlichen E. fort. Das Bürgerliche
Gesetzbuch von 1900 geht von der auf Lebenszeit von den Eheleuten vor dem
Standesbeamten geschlossenen E. aus, sieht aber die Möglichkeit der
Ehescheidung durch gerichtliches Urteil bei Vorliegen bestimmter Gründe vor.
Am Ende des 20. Jh.s wird die Ehe rechtstatsächlich durch viele nichteheliche
Lebensgemeinschaften und gesetzlich durch die Zulässigkeit der eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft ergänzt bzw. ersetzt. Dementsprechend
wird auch auf die Priorität der staatlichen Eheschließung vor der
kirchenrechtlichen Eheschließung verzichtet.
Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner
624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161,
209, 238, 267; Baltl/Kocher; Schulte, J. v., Handbuch des katholischen
Eherechts nach dem gemeinen katholischen Kirchenrecht, 1855; Friedberg, E., Das
Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck
1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Kawerau, W., Die Reformation
und die Ehe, 1892; Köstler,
R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der
Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts,
1926; Preisker, H., Christentum und Ehe in den ersten drei Jahrhunderten, 1926,
Neudruck 1979; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934; Plöchl, W., Das Eherecht
des Magisters Gratian, 1935; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher,
G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im
deutschen Mittelalter, 1936; Köhler, W., Die Anfänge des protestantischen
Eherechts, ZRG KA 61 (1941), 271; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei
den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen
Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Erle, M.,
Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der
Poenitentialsummen, 1956; Lettmann, R., Die Diskussion über die klandestinen
Ehen, 1966; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung
in der Neuzeit, 1967; Tietz, G., Verlobung, Trauung und Hochzeit in den
evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 1969; Schulze-Beckhausen,
O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht
in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans
l’Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und
Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im
römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe – rechte Ehe, 1978; Die
nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Fricke, F., Das
Eherecht des Sachsenspiegels, 1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum
deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich, 1980; Hauser, H., Die geistigen Grundlagen des Eherechts an der Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert, 1980; Buchholz,
S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W.,
1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung
von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L.,
1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H.,
Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Fuhrmann, I.,
Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und
Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf?
Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie,
hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung
der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die
römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614),
hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S.
u. a., 2001; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001;
Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Saar,
S., Ehe – Scheidung - Wiederverheiratung, 2002; Mammeri-Latzel, M.,
Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die römische
Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe, 2003;
Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C.,
Entzweiungen, 2004; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und
Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Jacobi, K.,
Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von Bologna, 2004; Karl, A., Castitas
temporum meorum, 2004;
McCarthy, C., Marriage in Medieval England, 2004; Lang, M., Das Eheverbot wegen
Glaubensverschiedenheit, 2004; D’Avray, D., Medieval Marriage, 2005; Eisfeld,
J., Die Scheinehe, 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der
Reformationszeit, 2005; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Lumpp, S., Die
Scheinehenproblematik, 2007; Kaiser, D., Die elterliche Eheeinwilligung, 2007;
Westphal, S., Ehen vor Gericht, 2008; Weber, I., Ein Gesetz für Männer und
Frauen, 2009; Ehe - Haus - Familie, hg. v. Schmidt-Voges, I., 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Walther, S., Die (Un-)Ordnung der Ehe, 2010; Rabaa, A., Die Ehe als
Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810, 2011; Venus und Vulcanus, hg.
v. Westphal, S. u. a., 2011; Szymanski, H., Theorie und Lebenswirklichkeit,
2013; Freist, D., Glaube - Liebe - Zwietracht - Konfessionell gemischte Ehen in
Deutschland in der frühen Neuzeit, 2013
Ehebruch (Wort 1338) ist der zumindest
bedingt vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten
Person anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau),
dem nach der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus
(63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt
und geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben
oder überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos
getötet werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße. Die
christliche Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau (unter
Ausschluss der Wiederheirat), setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den
Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zum Sachsenspiegel (1221-1224) und zur
Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina
(1532), äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine
Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf
Antrag des beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je
nach dem Religionsbekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund.
1969 wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Österreich 1996, aber
schwere Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip (1976) ist E.
als solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung (in Österreich seit 1999 kein
absoluter Ehescheidungsgrund mehr).
Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35,
119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401;
Bennecke, H., Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das Strafrecht
Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bruns, B., Ehescheidung und
Wiederheirat im Fall von Ehebruch, 1976; Bullough, V./Brundage, J., Sexual
Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen
Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG
RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet,
S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als
Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004;
Kümper, H., Ein spätmittelalterlicher Kurztraktatüber die Tötung der
Ehebrecherin, ZRG GA 126 (2009), 223; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehefrau (Wort 1287) →Frau
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehegatte (1409, Eheleute 1264)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen
Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe
schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erbfolge
zwischen Ehegatten. Justinian spricht der bedürftigen undotierten Witwe neben
Kindern ein Viertel des Erbes ihres Mannes zu (Novellen 53). Im deutschen Reich
fehlt anfangs ebenfalls ein E., doch erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter
als Folge der Gütergemeinschaft allmählich ein E. an. In der Neuzeit wird
vielerorts unabhängig vom Güterstand ein bestimmter Anteil am Nachlass des
erstversterbenden Ehegatten gewährt. Teilweise wird das justinianische Recht
aufgenommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte
mindestens ein Viertel des Nachlasses (Österreich 1914). Dieser Erbteil erhöht
sich im Falle der Zugewinngemeinschaft (1957) um ein Viertel. Seit 2004 erbt
der hinterbliebene Ehegatte in Österreich bereits neben Neffen oder Nichten den
gesamten Nachlass
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 123, 210, 269; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich seit
der Rezeption, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Fröschle, T., Die Entwicklung der gesetzlichen Rechte des überlebenden
Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994
Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von
Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem
Einfluss der Stoa entwickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.)
verboten.
Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke
bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, (in)
Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998;
Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001
Ehegesetz ist
ein die →Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf
Grund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich erlassene, zum 1. 8.
1938 in Kraft gesetzte Gesetz (zur Vereinheitlichung des Rechtes der
Eheschließung und Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen
Reichsgebiet), welches das Recht der Eheschließung und Ehescheidung aus dem
Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands und dem Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Österreichs (unter Beendigung des konfessionell gegliederten
Eherechts Österreichs, des Konkordatsrechts von 1933 und des Sonderrechts des
Burgenlands) herausführt und u. a. die Ehescheidung erleichtert. 1946 wird das
E. durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats von nationalsozialistischem
Gedankengut gereinigt (ähnlich in Österreich), 1976 das Ehescheidungsrecht
und (nach Wiedererlangung der vollständigen Souveränität im Jahre 1990) bis 1.
7. 1998 in Deutschland das gesamte Eherecht wieder in das Bürgerliche
Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239,
254; Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Ehegesetz1938.pdf;
Grachl, P., Die
geschichtliche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die
Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11
(1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in
Österreich 1918-1938, 1999
Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im altrömischen Recht
gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine →dos, die nach
ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt.
Bei den später immer häufiger werdenden gewaltfreien Ehen bleibt das Vermögen
der Ehegatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich weiter (wohl unter unter
der Verwaltung des Ehemanns) gemeinsam genützt. Die Schenkung unter Ehegatten
(bei gewaltfreier Ehe) ist verboten. Bei den Germanen wird wohl ein
eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser
grundsätzlichen →Gütertrennung mit Verwaltungseinheit bei Franken und
Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (→Errungenschaftsgemeinschaft).
Im Hochmittelalter dringt im weltlich bleibenden E. die →Gütergemeinschaft
in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Gütergemeinschaft,
Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und
vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das
römische →Dotalsystem abgewandelt in einzelnen Gebieten aufgenommen
(Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifikationen sehen nur
gewisse Regelgüterstände vor (ALR grundsätzliche Verwaltung und Nutzung des
gesamten Vermögens der Frau durch den Mann, § 1237 ABGB Gütertrennung mit
Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
enthaltenen, erstmals reichseinheitlichen Güterstände (Regelgüterstand Verwaltungsgemeinschaft)
werden später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957) als gesetzlicher
Güterstand, Gütertrennung und Gütergemeinschaft als durch Ehevertrag
vereinbare Wahlgüterstände verringert. Gesetzlicher Güterstand des Zivilgesetzbuchs
der Schweiz (1907/1911) ist die Güterverbindung.
Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler,
DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts
in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches
Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das
eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre,
E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das
eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur
Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P.,
Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach
bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche
Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in
der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische
Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das
eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die
Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder,
W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für
deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familienrechtsausschuss,
Unterausschuss für eheliches Güterrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid,
K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002;
Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Lehmann, J., Die
Ehefrau und ihr Vermögen, 2006; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht
der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009; Stierstorfer, S., Das erste einheitliche
eheliche Güterrecht, 2010; KItsakis, S., Breaqdwinners und Housekeepers, 2012
Ehehindernis (1669) ist der einer Eheschließung
entgegenstehende Umstand. Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im
gleichen Haus lebenden) Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die
Ehe ausgeschlossen unter Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem
Verheirateten sowie beim Fehlen des →conubium. Witwen sollen zur
Vermeidung von Unklarheiten über die Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem
Tod des Mannes nicht heiraten. Im spätantiken römischen Recht sind christliche
Ehehindernisse zu beachten. Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das
fränkische Recht aus, das ursprünglich wohl nur wenige tatsächliche
Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der Ehehindernisse
durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet ansatzweise im Verlauf
der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich 1783, Frankreich 1804)
und wird danach allgemein aufgegriffen. Verboten ist die Ehe nach § 4 Ehegesetz
von 1938 auch zwischen Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten
Blutes mit Personen artfremden Blutes (1945 aufgehoben).
Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
58, 88, 122, 161, 209, 239; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Fischer, A., Die verhinderte Ehe, 2013;
Ganster, S., Religionsverschiedenheit als Ehehindernis, 2013
ehelich (790) Ehe betreffend (Ehelichkeit um 1210, Ehelichkeitserklärung 1875)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehemakler ist
der gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige Vermittler von Ehen.
Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991
Ehemann (1200-1254)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehemündigkeit (1809) ist das für den Eheschluss frühest mögliche Alter.
L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehepakt (1704) Ehevertrag
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ehepatent ist
die am 16. 1. 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte Regelung,
welche die Ehe als bürgerlichrechtlichen Vertrag (vor dem Geistlichen [als
Staatsbeamten]) ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten
die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.
Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967;
Mühlsteiger, J., Der Geist des josephinischen Eherechts, 1967
Eherecht ist
das Recht der →Ehe. Es betrifft vor allem die Eheschließung, die
Ehehindernisse, die Ehewirkungen, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Nach
M. Schmoeckel entsteht das kirchliche Eherecht im 9. Jh. gelegentlich des
Ehestreits Lothars II.
Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke,
F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Emge, C., Das Eherecht Immanuel
Kants, Kant-Studien 29 (1924), 243ff.; Schönsteiner, F., Grundriss des
kirchlichen Eherechts, 1925, 2. A. 1937;Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters
Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschichtlichen
Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner
Schöffenbuch, 1935; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen
Königsgesetzen, 1941 (SB Leipzig); Dieterich, H., Das protestantische
Eherecht, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders,
1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen,
D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S.,
Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der
Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und
Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v.
Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W.
Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994;
Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158;
Schwab, D., 20 Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U.,
Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999;
Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005;
Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005;
Aspecten van het Middeleeuwse Romeinse Recht, hg. v. Waelkens, L., 2008,
109ff.; Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im
Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht, hg. v. Schmoeckel, M., 2008; Eherecht
1811-2011, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012
Ehering ist
der als Zeichen eines Eheschließungswillens gegebene Fingerring. Er geht wohl
auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring) der Römer zurück, den das
Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im
Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss
entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams an die Braut bei der
Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum
gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer
dünnen Oberschicht tatsächlich üblich.
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1;
Mühl, M., Anulus pronubus, 1961; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981;
Schott, C., Trauung und Jawort, 1992
Ehescheidung (1489, Ehescheidungsgrund 1824, Ehescheidungsklage 1701, Ehescheidungsstrafe
1794) ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung
eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] →divortium) einseitig
wie einvernehmlich zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie
in der Rechtswirklichkeit allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike
führen die christlichen Vorstellungen zur allmählichen Einschränkung der
freien E. Im Frühmittelalter wird die E. von der Kirche auf Grund von 1.
Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh., verstärkt seit 829, bekämpft und bald
gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber lässt die protestantische Religion, in
der die Ehe kein Sakrament mehr ist, (seit 1517)allmählich die E. aus
bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), die
Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren
überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749,
Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten). Im Allgemeinen Landrecht
Preußens (1794) und im Code civil Frankreichs (1804) ist die E. auf Grund
Vereinbarung möglich. In England wird 1857 erstmals die E. mit gerichtlicher
Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personenstandsgesetz vom 6. 2.
1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu, doch wird
zur Verhinderung von Ehescheidungen ein Verschulden als Ehescheidungsgrund
gefordert. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche Verschulden durch die
Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der
Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte
Ehe geschieden. In Österreich lassen das josephinische Ehepatent (1783) und das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) nur die E. von Protestanten und Juden
zu. Im Gegensatz hierzu dispensiert Albert Sever (1867-1942) als
Landeshauptmann Niederösterreichs von dem Ehehindernis des bestehenden Ehebands,
um Ehescheidungen von Katholiken tatsächlich zu ermöglichen (Sever-Ehen). 1938
gestattet das nach dem Anschluss im gesamten Deutschen Reich eingeführte
Ehegesetz die E. und wird 1978 die einvernehmliche E. vor dem Außerstreitgericht
eingeführt (§ 55a EheG).
Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8,
12, 23; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267;
Baltl/Kocher; Richter, Ä., Beiträge zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in
der evangelischen Kirche, 1858; Hubrich, E., Das Recht der Ehescheidung in
Deutschland, 1891; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian,
1894; Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die
Ehescheidung zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die
Einführung der Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und
Scheidungsrecht, 1959; Hesse, H., Evangelisches Ehescheidungsrecht in
Deutschland, 1960; Escher, K., Die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in
Kleve und Mark 1532-1874, 1967; Hecker, A., Die historische Entwicklung des Ehescheidungsprozessrechts,
1967; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in
der Neuzeit, 1967; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Mikat,
P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die Entwicklung des
deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta
mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans
von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984;
Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D.,
Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip,
FamRZ 1988, 1271ff.; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland im 19. und 20.
Jahrhundert, 1992; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H.
Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht,
1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997;
Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger
Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts
zu dem Scheidungsgrund, 1999; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um
das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung,
2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im
Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280; Duncker, A., Gleichheit und
Ungleichheit in der Ehe, 2004; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über
das Ehescheidungsrecht, 2006; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Köhler, A.,
Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung seit 1945, 2006, Försch, H., Die
Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die Reform des Ehescheidungsrechts
von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007; Mund, W., Das preußische Ehescheidungsrecht,
2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Eheschließung (1680) ist die Eingehung der →Ehe.
Sie erfordert geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in
verschiedenen Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht ([lat.]
consensus facit nuptias, die Willensübereinstimmung der Eheleute bewirkt die
Ehe, seit 1563 Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen nötig) bestimmt, in
der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert (Kulturkampf) das weltliche
bzw. staatliche Recht wieder durch.
Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung
in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865; Sohm, R., Das Recht der
Eheschließung, 1875; Scheurl, C., Die Entwicklung des kirchlichen
Eheschließungsrechts, 1877; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in
mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im
Nibelungenlied, 1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der
Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters,
Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb
und das Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen
Formen der Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Weltliche und
kirchliche Eheschließung, hg. v. Dombois, H. u. a., 1952; Ritzer, K., Formen,
Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1962, 2. A. 1981; Landau,
P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511;
Schröter, M., Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die
Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M.,
Das Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998);
Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches
Eherecht von 1756 bis 1875, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehevertrag (1784/1794, Ehepakt 1704, Eheversprechen 1717) ist der zur
besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsverhältnisse
geschlossene, vielfach formbedürftige Vertrag zwischen den Eheleuten. Er
betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hochmittelalterlichen
Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen beschränkt.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche
Eheverträge, 1996; Aushandeln von Ehe, hg. v. Laanzinger, M. u. a., 2010
Ehre ist
der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann
schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria
[F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt weitgehend der
Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen
Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Im
Mittelalter ist die E. durch den Stand bestimmt. In der Neuzeit dient der Verteidigung
verletzter Ehre besonders das Duell. Nach Art. 1 GG ist die Würde des Menschen
unantastbar.
Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Marezoll, T.,
Bürgerliche Ehre, 1824; Osenbrüggen, E., Ehre im Spiegel der Zeit, 1872;
Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Kisch, G.,
Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Brauer, G., Die
ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre,
1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz
im nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung,
Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106
(1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u.
a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v.
Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Hagemann, M., Iniuria
bis zur justinianischen Kodifikation, 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1999;
Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des
Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Waldow, J., Der
strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000; Görich, K., Die Ehre
Friedrich Barbarossas, 2001; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M.,
Konflikt, Ehre, Ordnung – Untersuchungen zu den Schmähbriefen und
Schandbildern, 2004; Burkhart, D., Geschichte der Ehre, 2001; Burkhart, D.,
Eine Geschichte der Ehre, 2006; Brüggenbrock, C., Die Ehre in den Zeiten der
Demokratie, 2006; Goldberg, A., Honor, Politics and the Law in Imperial Germany
1871-1914, 2010; Speitkamp, W., Ohrfeige, Duell und Ehrenmord, 2010
Ehrengericht ist das Gericht zur Entscheidung von
Fragen der Ehre. In Preußen wird nach längeren Erörterungen 1808 ein E. zur Überwachung
des Verhaltens der Offiziere eingerichtet, in Bayern und Österreich wenig
später, doch erklärt die Reichsverfassung des deutschen Reiches von 1919 die
Ehrengerichte für aufgehoben. E. ist auch das seit dem Mittelalter geführte
Standesgericht der Zünfte, das im 19. Jh. geschaffene E. studentischer
Verbindungen (Burschenschaften) und das E. sonstiger Verbände oder
Personengruppen.
Lit.: Dietz, H., Die
Ehrengerichtsverordnungen, 3. A. 1912; Holly, G., Geschichte der
Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte, 1989; Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte
der militärischen Ehrenstrafen und der Offizierehrengerichtsbarkeit im
preußischen und deutschen Heer von 1806 bis 1918, 2004
Ehrenstrafe ist
die die →Ehre betreffende Strafe. Bereits das römische Recht lässt die
Aberkennung bürgerlicher Vorrechte vor allem als Nebenfolge einer Verurteilung
auf Grund bestimmter Straftaten zu. Im Mittelalter sind als Ehrenstrafen
beispielsweise anzusehen das Ausstellen am →Pranger, das Scheren der
Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die
E. gesetzlich festzulegen. Im 19. Jh. werden ältere Formen der E. wie Zurschaustellung
am Pranger in Sachsen 1838 und in Preußen 1851 beseitigt, doch wird in Anlehnung
an das römische Recht nach dem Vorbild des Code pénal (Strafgesetzbuchs)
Frankreichs von 1810 die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als zeitlich
begrenzte Nebenstrafe aufgenommen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s (deutsches
StGB 1969) wird ihre Bedeutung gering, doch dürfen Amtsfähigkeit, Wählbarkeit
und Stimmrecht auf bis zu fünf Jahre aberkannt werden (§ 45 StGB).
Lit.: Marcuse, O., Die Ehrenstrafe, 1899; Quanter, R., Die
Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970;
Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Kühne, E., Die
Ehrenstrafe, 1931; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des
deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen, 1938;
Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004;
Lidman, S., Zum Spektakel und Abscheu, 2008
Ehrenwort ist das die Ehre als Sicherungsmittel
der Wahrheit oder der Verwirklichung einer Erklärung einsetzende Wort (18. Jh.
aus franz. parole d’honneur). Seine rechtliche Bedeutung ist gering.
Ehrlich,
Eugen (Czernowitz/Bukowina 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advokaten,
wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor für römisches
Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet
sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit des staatlichen
Rechtes. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft (1903)
folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich
sei, die sich auf überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen und im Zweifel auf
soziologische Überlegungen stützen müsse. 1909 richtet E. ein Seminar für
lebendes Recht ein und 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der
Soziologie des Rechtes eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der
Rechtssoziologie. Eigentlicher Sitz der Rechtsentwicklung ist ihm die
Gesellschaft, während Juristenrecht und staatliches Recht nur zu dieser
Grundlage hinzukommen.
Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung
der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 1967, 2. A. 1986; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale
Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft,
2003; Ehrlich, E., Politische Schriften, hg. v. Rehbinder, M., 2007
Ehrlichkeit →unehrlich
Ehrlosigkeit ist der ohne Ehre bestehende Zustand
eines Menschen. Die im Mittelalter bestehende E. ist wohl auch auf die von der
Kirche vermittelte römischrechtliche Figur der (lat. [F.) infamia
zurückzuführen. E. besteht z. B. für Diebe, Räuber, Henker, mancherorts für
Müller, Spielleute u. a. Seit der Neuzeit wird die E. zurückgedrängt und
allmählich rechtlich beseitigt.
Lit.: Dülmen, R. v., Der ehrlose
Mensch, 1999
Eichhorn,
Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781-Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach
dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo, Pütter, 1801 Promotion, 1803
Habilitation) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin,
1817-1829 in Göttingen sowie nach krankheitsbedingter Unterbrechung seit
1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben
die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats-
und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht,
die das geltende deutsche Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als
innere Rechtsgeschichte) aussondert. Die Einheit des deutschen Rechtes wird
dabei auf die Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Landrechte, sein System
auf die ihnen angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet.
1831-1835 folgen noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.
Lit.: Köbler, DRG 188; Eichhorn, F., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 1823, 2. A. 1825, 3. A. 1829, 947, 5. A: 1845; Frensdorff,
F., Karl Friedrich Eichhorn, 1881; Kerler, H.?, Zur Lebensgeschichte Karl
Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Schulte, J. v., Karl Friedrich
Eichhorn, 1884; Jelusic, K., Die historische Methode Karl Friedrich Eichhorns,
1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach Eichhorns Vorlesung
„Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66 (1948), 537; Conradi, R.,
Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Rechtswissenschaft in
Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 166ff.; Dopke, F., Eichhorn als
Rechtsgutachter, Diss. jur. Kiel 1992
Eichmann,
Eduard (Hagenbach/Pfalz 14. 2. 1870-München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium
der Theologie (1888) und der Rechtswissenschaft (1898) in Würzburg, Straßburg
und München (1904 Promotion Dr. iur., Freiburg 1909 Promotion theol.) 1905
Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien (1913) und München (1918-1936, 1946
Vertretung) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts
seiner Zeit (13. A. 1991).
Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a.,
1940; Hofmann, K., Eduard Eichmann, ZRG KA 65 (1947), VII
Eichstätt ist der Ort an der mittleren Altmühl, in dem Bonifatius um die Mitte des
8. Jh.s ein BistumBistum gründet.
Lit.: Das
Bistum Eichstätt - Die Bischofsreihe bis 1535, hg. v. Wendehorst, A., 2006; Zürcher,
P., Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt von 1636 bis 1790, 2008; ; Lullies, E.,
Die ältesten Lehnbücher des Hochstiffts Eichstätt, 2012
Eichwesen ist
die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen (z. B. Längenmaßen,
Hohlmaßen, Gewichten). Ansätze des Eichwesens finden sich bereits in der hochmittelalterlichen
Stadt (z. B. Stadtelle). Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung auf der
Grundlage technisch-wissenschaftlich definierter Maße seit dem 19. Jh. vorgeschrieben
(1869 Normal-Eichungskommission, 1875 Pariser Meterkonvention, 1887 Physikalisch-Technische
Reichsanstalt).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt,
5. A. 1980; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006
Eid ist die Anrufung einer (übermenschlichen) Macht (z. B.
Gott, Feuer?) als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die Gültigkeit
eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet, aber z. B. in Matthäus 5,33ff.
verboten. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben, Berühren
der Bibel, eines Kreuzes, einer Waffe u.
s. w.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B. Reinigungseid des
Beschuldigten [vielfach nicht als Eineid möglich, sondern Eidhelfer nötig],
Zeugeneid). Strafbar ist der →Meineid. Eine umfassende Untersuchung des
Eides fehlt bislang.
Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der
Gerichtseid, 1855ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879;
Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H.,
Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331;
Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den
Semiten, 1914; Hartung, H., Der richterliche Eid, 1916, Neudruck 2013; Hirzel,
T., Der Eid, 1922; Friesenhahn, E., Die politischen Eide, 1928; Gottlob, T.,
Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment du sacre,
1951; Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters, 1953;
Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen
Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der
bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide,
Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974;
Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueidleistung im
merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und
Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997);
Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I.,
Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen
Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u.
a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange,
S., Der Fahneneid, 2001; Twellmann, M., Über die Eide, 2010; Oaths and Swearing
in Ancient Greece, hg. v. Sommerstein, A. u. a., 2012; Harke, J., Der Eid im
klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht, 2013
Eidgenossenschaft (14. Jh., Eidgenosse 13. Jh.) ist allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche
Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die →Schweiz. Hier schließen die
Länder →Uri und →Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund,
dem 1291 und 1315 sowie 1351ff. (Zürich, Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern,
Glarus, Zug) weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten. Von
einer Schweizerischen E. wird dabei aber erst seit dem späten 18. Jh.
gesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse
bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische
Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit
im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur Entstehung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd. 1ff.
1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG GA
60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der
Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung
des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte
Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der
Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997; Zürich
650 Jahre eidgenössisch, 2001; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und
das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008
Eidhelfer (Wissenschaftsbegriff), Eideshelfer, ist im (früh)mittelalterlichen deutschen
Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und
nicht mein (falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12
(oder auch 72) Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der
E. ist vom Zeugen grundsätzlich zu trennen, doch ist die Buße für einen Meineid
eines E. mit der für den Meineid eines Zeugen gleich. Im Heiligen römischen
Reich schwindet der E. im Spätmittelalter. In England wird der Eidhelfereid
erst 1833 aufgegeben.
Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885;
Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg);
Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973; Loschiavo, L., Figure di
testimoni, 2004
Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebiets um Eid
(Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem kirchenrechtlichen
Teil (Christenrecht) in vier Handschriften des frühen 14. Jh.s überliefert
ist (Eidsivathingsbok).
Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des
Borgarthings und des Eidsivathings, 1942
Eigen ist
im deutschen Mittelalter das einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es
bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland (→Allmende) und zum →Lehen
als einem geliehenen Gut. Häufig wird neben E. auch das →Erbe besonders
genannt. In den schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die
Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch
beeinflusste →Eigentum (lat. [F.] proprietas) abgelöst.
Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124;
Puntschart, P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des
Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA
59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Eigener Herd ist Goldes wert.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)
Eigenhändiges Testament
ist das mit der eigenen Hand geschriebene und unterschriebene →Testament.
Eigenkirche (lat.
ecclesia [F.] propria) ist (nach Ulrich Stutz) die einem Einzelnen (auch
hinsichtlich der vollen geistlichen Leitungsgewalt) gehörende Kirche. Sie hat
ihren Ursprung darin, dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig
in einem privaten Haus abgehalten wird (Unterscheidung zwischen [lat.]
ecclesia [F.] publica und ecclesia privata, öffentlicher Kirche und privater
Kirche, im Osten 388, im 5. Jh. im weströmischen Reich, 441 in Orléans, 546 in
Lérida/Spanien), und darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten
in der Lage ist, ein Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der
Gebäudeeigner vielfach den dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe
an den Einkünften und kann die Kirche übertragen, während der Bischof auf die
bloße Weihe beschränkt wird. Im →Investiturstreit wird die E. als Form
der Simonie bekämpft und danach seit dem 12. Jh. durch Patronat und
Inkorporation ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die Eigenkirche,
1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der Geschichte der
Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Petke, W.,
Von der klösterlichen Eigenkirche zur Inkorporation, RHE 87 (1993), 34ff.,
375ff.; Oberholzer, P., Vom Eigenkirchenwesen zum Patronatsrecht, 2002
Eigenleute (lat.
homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die einem anderen gehörenden und
damit eigenen Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche Gruppe (z. B.
Sachsenspiegel Landrecht III 44,3 Laten, Südwesten des Heiligen römischen
Reichs 15. Jh., Westfalen bis in das 18. Jh.). Teils schulden sie Abgaben,
teils Dienste. Im Gegensatz zu den →Sklaven haltenden Gesellschaften
lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. →Hörige
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute
und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen
Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg. Landeskunde
73 (1933),109, 74 (1934),1; Demade, J./Morsel, J., Les eigenleute aux XIIIe-XVe
siècles, (in) Forms of servitude in Northern and Central Europe, hg. v.
Freedman, P. u. a., 2005, 75ff.
Eigentum (Wort Köln 1170, § 903 BGB) ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren
und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer
Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der
Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne
scharfe Grenze gegenüber dem →Besitz. Im klassischen römischen Recht
entwickelt sich das E. als (lat.) →dominium (N.) ex iure Quiritium an
beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach
prätorischem Recht (lat. →in bonis esse) steht. Einschränkungen bestehen
auch hier (z. B. Baurecht, Nachbarrecht). Erworben werden kann E. ursprünglich
(Aneignung, Fruchterwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung, Verarbeitung und
Ersitzung oder abgeleitet von einem Berechtigten durch Rechtsgeschäft). Gleichbedeutend
mit dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) →proprietas. Im
nachklassischen römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und
Besitz bzw. beschränkten dinglichen Rechten vielleicht weniger streng
gehandhabt, doch verwendet Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für
jedermann an allen Sachen die begriffliche Schärfe des klassischen römischen
Rechtes. Im germanischen Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben)
den Ausgangspunkt des Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die
Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache, wobei die Herrschaft durch Zeichen
(Eigentumsmarke, Hausmarke, Hofmarke, Ohrenmarke) dargestellt sein kann. Diesem
Eigen stehen vor allem →Allmende und →Lehen gegenüber, während die →Gewere
die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres
gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch
des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. (?) egendom (Köln
1170, Köln 1230 hegindum) wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das
E. hat aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich
beschränkt sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa
des Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano,
Pilius [† 1213], Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) in Anknüpfung
an eine dem einstigen bonitarischen Berechtigten des römischen Rechtes gewährte
(lat.) rei vindicatio (F.) utilis ein Untereigentum (lat. dominium [N.]
utile) (etwa des Ersitzungsbesitzers, Erbpächters, Erbbauberechtigten oder
des Lehnsmanns) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende
Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand (lat. ius de re
corporali perfecte disponendi n. 4 ad D. 41. 2. 17) erfasst, kann E. (dominium)
im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen
mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des gelehrten
Rechtes fortgeführt, wobei das Untereigentum zur Aufzehrung des Obereigentums
neigt. Danach betrachtet das aufstrebende Bürgertum unter dem Einfluss des
Protestantismus Eigentum als vorgesellschaftliches und damit unantastbares
Recht und wirkt sich wohl auch der von Hugo Grotius gutachtlich begründete koloniale
Zugriff europäischer Staaten auf den Rest der Welt auf die Eigentumsvorstellung
aus. Unter dem Einfluss der Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über
Kant bzw. Fichte und Hegel) zu einem völlig freien, von Einschränkungen
gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache (Thibaut, A., Über dominium
directum und utile, 1801 [Aufsatz]). Am entschiedensten zeigt sich dies (nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB (trotz Otto von
Gierkes vergeblichen Versuchs der Entwicklung eines besonderen deutschrechtlichen
Eigentumsbegriffs). Die fragwürdigen Folgen schrankenloser Freiheit haben im
20. Jh. zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat
sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der
Verfassung garantierten E. jede schützenswerte Vermögensposition versteht. Das
sozialistische E. der Deutschen Demokatischen Republik (1949ff.) ist mit deren
Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland (1990) wieder aufgegeben.
Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174,
211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold,
W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L.,
Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die
Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte
in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über
die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R.
v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker,
F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Kaser, M., Eigentum und Besitz
im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Wagner, H., Das geteilte
Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen
Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70
(1953), 348; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R.,
Les origines du dominium utile, (in) Flores legum, 1971, 49; Eigentum und
Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von
Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H.,
Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und
Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom
germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la propriété,
1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P.,
Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus
pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn,
J., 1987; Kroeschell, K., Die nationalsozialistische Eigentumslehre, (in)
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Hecker, D.,
Eigentum als Sachherrschaft, 1990; Property and Power in the Early Middle Ages,
hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997; Eigentum
im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999;
Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000;
Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Diestelkamp, B., Frühe
urkundliche Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13.
Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts, 2000, 391ff.; Michaels, R., Sachzuordnung
durch Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003;
Hoppe, K, Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum,
Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004;
Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005; Garnsey, P.,
Thinking about Property, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Müller, D., Adliges Eigentumsrecht
und Landesverfassung, 2011; The Future of European Property Law, hg. v. Van
Erp, S. u. a. 2012
Eigenümer (1478) ist der an einer Sache voll Berechtigte. →Eigentum
Lit. Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Eigentumserwerb ist der Erwerb des →Eigentums. Er erfolgt anfangs
originär (ursprünglich) durch Aneignung. Nach weitgehender Erschöpfung der dafür
in der Umwelt vorhandenen Güter verdrängt der (abgeleitete) E. durch
Rechtsgeschäft (→Übergabe auf Grund eines Titels, →Einigung und
Übergabe) den ursprünglichen E., der im Übrigen auch durch Fruchterwerb,
Verbindung, Vermischung, Vermengung und Verarbeitung möglich ist. Daneben steht
der E. durch Hoheitsakt. Gegründet auf Grotius’ Verständnis von Institutionen
2. 1. 40 lässt der Code civil (1804) Frankreichs bei dem abgeleiteten Erwerb das
Eigentum (bereits) mit dem (schuldrechtlichen) Vertragsabschluss (z. B.
Kaufvertrag) übergehen (Konsensprinzip). Umgekehrt verlangt Savigny
zusätzlich zum schuldrechtlichen Grundgeschäft einen davon unabhänigen sachenrechtlichen
Vertrag (Einigung).
Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H.,
Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G.,
Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201;
Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F.,
Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004; Damler,
D., Wildes Recht. Zur Pathogenese des Effektivitätsprinzips in der
neuzeitlichen Eigentumslehre, 2008
Eigentumsübertragung ist die Übertragung des →Eigentums von einem
bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht
die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechtes eines bisherigen
Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues Recht bei einem neuen
Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den
Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) →mancipatio,
die (lat.) →in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe (lat. [F.] →traditio)
bei Vorliegen eines Rechtsgrunds. Für die Germanen ist ein einfaches
Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe
(ahd. →sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd.
giwerida, lat. →investitura) in nicht völlig klarer Weise nebeneinander.
Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei
Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von Schriftakten ( →Schreinskarten).
Mit der Aufnahme des römischen Rechtes setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten
(lat.) titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi
weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen,
neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrags
(abstrakte →Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder
Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und →Eintragung
in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die E. ein kausales
Geschäft.
Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht,
9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909;
Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in
der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; 1984; Transfer of Title Concerning
Movables, Teil 1ff., hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006 ff.
Eigentumsvorbehalt (1809) ist der Vorbehalt des
Verbleibens des Eigentums bei einem bisherigen Eigentümer trotz einer
Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der
bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im
mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4, 54, 3 übernommene, in
Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang des 17. Jh.s zunächst in
Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von Grundstücken ausdrücklich erwähnte
und verbreitete E. gewinnt mit dem Vordringen des Abzahlungskaufs im
ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine Anwartschaft,
die mit fortschreitender Bezahlung des Kaufpreises schließlich zum Vollrecht erstarken
soll.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger, W.,
Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und
Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht,
FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Eike von Repgow
(um 1180?-nach 1233?) ist der wahrscheinlich aus einer ostfälisch-sächsischen,
im 12. Jh. in das sorbische Gebiet Serimunt eingewanderten Familie stammende
Verfasser des (zunächst lateinisch verfassten und dann durch Übersetzung in die
Muttersprache) mittelniederdeutschen Rechtsbuchs →Sachsenspiegel. Er
benennt sich selbst (in den Versen 261-266 der Reimvorrede) nach dem Dorf
Repchowe (Reppichau westlich Dessaus im Anhaltinischen). Er tritt in sechs
Urkunden 1209 (Mettine), 1215 (Lippehna), 1218 (Grimma), 1219, 1224 (Delitzsch)
und 1233 (Salbke) an unterschiedlichen Orten in der Nähe bedeutender Fürsten
als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von
Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den
Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt, gehört er zur
dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Sonstige
Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest. Nach Peter Landau könnte Abt Matthäus
von Altzelle ein Lehrer Eike von Repgows sein.
Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes
von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der
sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit,
1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und
der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes,
1984; Johannek, P., Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung
des Sachsenspiegels, (in) Civitatum communitas 2, 1984, 716ff.; Kroeschell, K.,
Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen
Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776; Landau, P.,
Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73ff.; Lück, H.,
Magdeburg, Eike von Repgow und der Sachsenspiegel, (in) Magdeburg, hg. v.
Puhle, M. u. a., 2005, 155ff.; Eike von Repgow 800. Reppichau 850, hg. v. Lück,
H. u. a., 2009; Das Eike-vonRepgow-Dorf Reppichau zwischen 1159 und 2009, hg. v.
Lück, H. u. a., 2009
Einantwortung ist die Übertragung einer Gesamtheit
von Rechten an einen Erwerber z. B. eines Landes (1317) oder eines Nachlasses
(in den Besitz des Erben durch Gerichtsbeschluss, § 797 ABGBG 1811) oder
früher auch eines Mündels im Verhältnis zum Vormund.
Lit.: Wesener, G., Einantwortung,
FS Kocher, G., 2006, 485
Einbenennung ist
die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres Ehemanns oder die Erteilung
des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.
Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen
Kindes, FamRZ 1971, 76
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)
Einforstung ist die Beanspruchung eines Waldes als
andere Menschen ausschließenden Forstes seit dem 7. Jh. bis in die Neuzeit.
Lit.: Hasel, K., Forstgeschichte,
1985, 2. A. 2002; Günther, R., Der Arnsberger Wald im Mittelalter, 1994; Kieß,
R., Forst-Namen und kleine Forsten, Forstliche Forschungsberichte München 161
(1997), 66ff.; Dasler, C., Forst- und Wildbann im frühen deutschen Reich, 2001
Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen →Verwaltung, der in die
Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift.
Er ist der von Anfang an bestehende Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem
19. Jh. die →Leistungsverwaltung gegenübertritt.
Einheitliche Europäische Akte ist die am 17. 2. 1986 von den Mitgliedstaaten der europäischen
Gemeinschaften beschlossene, am 1. 7. 1987 in Kraft getretene Abänderung der
römischen Gemeinschaftsverträge von 1957. Sie legt die schrittweise Vollendung
des Binnenmarkts bis 1992 und eine Wirtschafts- und Währungsunion fest, stellt
die Europäische Politische Zusammenarbeit auf eine vertragliche Grundlage und
richtet den Europäischen Rat ein.
Einigung (1322) ist allgemein die Übereinkunft
mehrerer Beteiligter. Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher
Vertrag) über den Eigentumsübergang von →Savigny entwickelt. Unterstützt
von seit der Mitte des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die umständlichen
Formen des älteren Rechtes (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu
vereinfachen, wird diese Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich
1897/1900 gesetzlich anerkannt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl
von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik →Deutschland
und der →Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene Vertrag über
die – wegen der eigenstaatlichen Interessen von Margaret Thatcher
(Großbritannien) eisern und François Mitterand (Frankreich) wortlos (Deutschland
zu mächtig, um nicht dominant zu werden)bekämpfte - Herstellung der Einheit
Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche Demokratische
Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.
Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die
Einheit, 2004; La diplomatie française face ‚l’unification, hg. v. Vaïsse, M.
u. A., 2011
Einkammersystem ist das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan (→Parlament)
bzw. die Volksvertretung nur aus einer Kammer besteht (z. B. Sachsen-Weimar
1816, Schwarzburg-Rudolstadt 1816, Sachsen-Hildburghausen 1818, Sachsen-Meiningen
1824, Sachsen-Altenburg 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832, Bayern bis
2000). Es bildet den Gegensatz zum Zweikammersystem.
Lit.:
Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 2 1979, 451ff.
Einkindschaft (Ingelheim 1419) ist die vertraglich vereinbarte erbrechtliche
Gleichstellung von Kindern aus zwei Ehen eines Elters (lat. unio [F.] prolium).
Sie findet sich in einer österreichischen Urkunde von 1275, in einem Stadtbucheintrag
in Wismar von 1324, in Ingelheim 1378, Frankfurt am Main 1399, Wetzlar 1475,
Worms 1498, Freiburg im Breisgau 1520 und Solms 1571. Dabei vereinbaren die Ehegatten
der zweiten Ehe zwecks Abdingung des im Hochmittelalter entstehenden
Ehegüterrechts (Verfangenschaftsrechts, Teilungsrechts, Teilrechts) meist bei
oder kurz nach der Eingehung einer neuen Ehe vor Zeugen oder vor Gericht mit
den Kindern einer vorangehenden Ehe, dass diese Kinder (Vorkinder) unter
Verzicht auf ihr Erbrecht (Verfangenschaftsrecht, Teilungsrecht, Teilrecht)
am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten zugunsten der oder des neuen
Ehegatten (wie die Kinder der neuen Ehe, Nachkinder) ein Erbrecht gegen diesen
bzw. diese erhalten. Sie beerben also ihren erstverstorbenen Elter nicht, erhalten
aber ein Erbrecht in Bezug auf den letztversterbenden Ehegatten der zweiten
Ehe. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794, II 2 §§
717-752) enthalten, verschwindet danach jedoch.
Lit.: Hübner 509f.; Hertel, C., Über die Einkindschaft,
1818; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, 2, 1,
1868, Neudruck 1967; Mittelstein, M., Die Einkindschaft nach hamburgischem
Recht, 1886; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau 1900; Meyer, H.,
ZRG GA 34 (1913), 610ff. (Besprechung); Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15.
Jahrhundert, 1968; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und
des Neustädter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977, 203ff.; Schartl,
R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16 (1989), 264
Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt
zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax zur Finanzierung des
Krieges gegen Napoleon) 1799, in Ostpreußen 1808 und nach dem
Klassensteuergesetz von 1820 in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt sie in
Sachsen bis 5%. 1891 wird unter Finanzminister Miquel in Preußen ein als fortschrittlich
geltendes Einkommensteuergesetz erlassen, in dem die von dem Finanzbeamten
Bernhard Fuisting vorgeschlagene Einkommensteuererklärung von besonderer
Bedeutung ist (1893 Ergänzung um Vermögensteuer, Kommunalabgabengesetz). Im
20. Jh. wird die E. (unter Verselbständigung der Körperschaftsteuer für
juristische Personen 1920) zu einer der wichtigsten staatlichen
Einnahmequellen.
Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die
Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen
Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und
Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in
Deutschland, (in) Steuer und Wirtschaft, 1995, 352; Mathiak, W., Das preußische
Einkommensteuergesetz von 1891, 2011;
Osmialowski, C., Bernhard Fuisting (1841-1908) und die Begründung der
Steuererklärungspflicht, Diss. jur. Bonn 2011; Harris, P., Income Tax in Common
Law Jurisdictions, Bd. 1 2012
Einlager ist
die seit dem 12. Jh. (mangels besserer Erfüllungsverwirklichungsmöglichkeiten)
entstehende bzw. bekannte Form der Schuldsicherung, bei der sich der →Bürge
oder →Schuldner (z. B. Adliger, Stadt vielfach gegenüber Juden)
verpflichtet, bei Fälligkeit der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein
Gasthaus) aufzusuchen und ohne Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu
verlassen, was als Folge der entstehenden Kosten den Schuldner oder Bürgen zur
baldigen Leistung bewegen sollte. Die Kosten der Unterbringung fallen je nach
Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1572 verbietet
Sachsen (Kursachsen), 1577 eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es
zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es
durch die →Schuldhaft abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E.,
Das Einlager, 1868; Lechner, A., Das Obstagium, 1906; Rintelen, M., Schuldhaft
und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Kisch, G., Das Einlager, 1912;
Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965),
140; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004; Lentz, M., Konflikt,
Ehre, Ordnung, 2004
Einlassung ist
die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten
zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil des römischen
Formularprozesses (förmliche Verneinung des Begehrens des Klägers, nicht
Anerkenntnis oder Untätigkeit des Beklagten), wobei ein Zwang zur E. bei einer
(lat.) actio in personam besteht, während bei einer (lat.) actio in rem der
Gerichtsmagistrat erst Rechtsschutz (lat.) in personam gewähren muss. Im
Heiligen römischen Reich wird die E. mit der Aufnahme des gelehrten Prozesses
ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio [F.]). Eine klare
Bestimmung der E. im gemeinrechtlichen Verfahren des Reichskammergerichts ist
nicht möglich, weil sowohl die Litiskontestationsbegründung wie auch die
Einrede oder Antwort des Beklagten als E. bezeichnet werden., obwohl die
Reichskammergerichtsordnung von 1500 beides trennt. Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555 sieht in jeder Klageerwiderung eine Litiskontestation. Der jüngste
Reichsabschied von 1654 übernimmt aus dem sächsischen Verfahren die besondere
Litiskontestation und lässt die E. als zusammenhängende Klageerwiderung in
einem einfachen Klaglibell erfolgen. In der Gegenwart ist im Zivilprozess das
Verhandeln zur Hauptsache eine Zuständigkeitsvereinbarung (§§ 39, 504 ZPO).
Im Strafprozess ist E. jede Äußerung des Beschuldigten zur Sache.
Lit.: Kaser § 82; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878, § 14; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 2. A. 1996; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus
curiae am Reichshofrat, 1973; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974;
Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Einmal ist keinmal.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)
Ein Mann, ein Wort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)
Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei
einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter
bestehende Gesellschaft.
Einmauern ist im Altertum eine Todesstrafe und seit
dem Mittelalter eine Art Freiheitsstrafe, die mit der Aufklärung aufgegeben
wird.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, 1920
Einrede (1188) ist das nicht im bloßen
Leugnen bestehende, gegen den Klaganspruch gerichtete Vorbringen des
Beklagten. Die E. ist schon dem römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio
(F.) bekannt. Dementsprechend erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten
Prozessrechts in Deutschland. Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche
romanistische Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.
Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155;
Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963;
Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die
Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Einspruch
Lit.: Broichmann, C.,
Der außerordentliche Einspruch im Dritten Reich, 2013 (21 Fälle von Verfahren
vor dem besonderen Strafsenat des Reichsgerichts, 92 Fälle vor dem besonderen
Senat des Volksgerichtshofs, jeweils hohe Zahl von Todesurteilen, in zwei
Fällen persönliche Einflussnahme Adolf Hitlers)
Einstweilige Anordnung
ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet
sich sachlich notwendigerweise seit dem Beginn von Verfahren. Sie wird aber
erst spät grundsätzlich geregelt.
Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der
einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967
einstweilige Verfügung
→Mandatsprozess
Eintragung (1440) ist die Aufnahme in ein
Register. Sie ist an unterschiedlichen Stellen Voraussetzung für eine
Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird in Deutschland die E. in das Grundbuch grundsätzlich
Voraussetzung für das Entstehen eines dinglichen Rechtes oder die E. einer
Gesellschaft in das Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung
(Eintragungsgrundsatz, Intabulationsprinzip). In Österreich ist E. (lat.)
modus des Rechtsübergangs für unbewegliche Sachen (auf Grund Eintragungsbewilligung
bzw. Aufsandungserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und
Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle,
N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Eintritt ist das Hineintreten in eine Lage oder
einen Raum (z. B. auch in ein Haus oder in eine Gesellschaft).
Eintrittsrecht (Wort 1608) ist das Recht zum Eintritt in einen Raum oder in eine
Rechtslage. Im Erbrecht ist insbesondere das E. (Repräsentationsrecht) von
Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam. Es findet sich im römischen
Recht (Gaius, Institutionen 3,7, 3,8, I. 3. 1. 6, Nov. 118, 1). Dort kenn
Justinian (527-565) nur das E. der Geschwisterkinder. Das E. wird bereits
spätestens 596 vom fränkischen König in der (lat.) Decretio (F.) Childeberti
bestimmt und vielleicht am 17. Mai 938 auf einem Hoftag in Steele bei (bzw.
heute in) Essen auf Grund eines Zweikampfs für Sachsen zugunsten von
Sohnessöhnen bejaht (eingeschränkt nach Söhnen im Sachsenspiegel 1221-1224,
abgelehnt in Augsburg 1276/1420). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes findet
es allgemeine Anerkennung im Heiligen römischen Reich (Reichsabschied 1500,
1521, Jülich-Berg 1555/1564, Solms 1571, Kurköln 1663, Kurtrier 1668/1713, ALR
1794, Code civil 1804, ABGB 1811, ABGB Aargau 1856, BGB Sachsen 1863, PRG
Schaffhausen 1864). In Österreich folgt der Entwurf Neue Satz- und Ordnung
(1720) weitgehend, der Codex Theresianus (1766) Justinian.
Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1;
Wesener, G., Zum Weiterleben römischen
Rechtes im Frühmittelalter, ,(in) Cinquante anni della Corte
costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Kroeschell, K., König Otto I. und das Eintrittsrecht der Enkel (in) Römische
Jurisprudenz, 2011, 361
Einung ist
die Vereinbarung unter mehreren Menschen und auch deren dsdurch geschaffener
Zusammenschluss (z. B. Innung). Die E. kann bindende Wirkung für eine
Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche
Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet.
Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O.,
Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung,
Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen
mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A.,
Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P.,
Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993;
Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, (in) Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und
Städteeinung, 2001
Einwerfung oder
Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines einem von mehreren Erben zu
Lebzeiten des Erblassers von diesem zugeflossenen Vermögenswerts bei der Auseinandersetzung
des Nachlasses (Teil der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbauseinandersetzung).
Sie ist dem römischen Recht als (lat.) →collatio (F.) bonorum bekannt.
Sie findet sich im langobardischen Volksrecht (Edictus Rothari [643] 199) und im
westgotischen Volksrecht (L. Vis. [7. Jh.] IV, 5, 3) sowie im →Sachsenspiegel
([1221-1224] Landrecht I 10, 13) und im →Schwabenspiegel ([um 1275]
148a). Ausführlich ist die E. oder Ausgleichung in den neuzeitlichen
Gesetzbüchern behandelt (ALR [1794] II 2 §§ 303ff., Code civil [1804] Art.
843ff., ABGB [1811] §§ 788, 790ff., BGB Sachsen [1863] §§ 2354ff., BGB [1900]
§§ 2050ff., ZGB [1907/1911] Art. 626ff.).
Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.; Reinhardt, K., Die
Lehre von der Einwerfung, 1818; Rummel, C. v., Zur Lehre von der Einwerfung,
1843; Staudinger, J./Kipp, T./Coing, H., Erbrecht, 12. A. 1965, § 120;
Eberl-Borges, C., Die Erbauseinandersetzung, 2000; Werbik, K., Lebzeitige
Zuwendungen des Erblassers, 2004
Einwilligung (1478) ist die vorherige
Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft oder sonstigen Verhalten.
Lit.: Kaiser, D., Die elterliche
Einwilligung, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Einziehung
Lit..
Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB),
2013
Eisenach am
nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher
Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen überliefertes Rechtsbuch der
Stadt E. Das bruchstückweise in einer einzigen in Kassel befindlichen
Handschrift des ersten Viertels des 15. Jh.s überliefert erhaltene ältere
Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes →Rothe (Creuzburg
1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet Teile des Meißener Rechtsbuchs,
des glossierten Sachsenspiegels, des Schwabenspiegels und des Decretum
Gratiani, der Digesten, der Dekretalen, des Liber Sextus und anderer gelehrter
Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher
Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s (Buch 1 Erbrecht, Buch 2 Heergewäte,
Leibgeding, Morgengabe [, Vormundschaft], Buch 3 Häuser, Äcker, Vieh). Quelle
ist das an 20 Stellen in Bezug genommene Eisenacher Kettenbuch, das
landgräfliche Privilegien und städtische Willküren verarbeitet. Von Rothe
stammt ein weiteres, zehn Bücher umfassendes Rechtsbuch, das 1503/1504 der
Stadtschreiber Johann →Purgold unter Einbeziehung der Institutionen und
des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuchs
überarbeitet.
Lit.: Das Rechtsbuch nach Distinktionen.
Ein Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Ortloff, F., 1836, 625-756; Die Stadtrechte
von Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909;
Helmoldt, H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher
Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 57
Eisenbahn - nach einer berühmten
Begriffsbestimmung des Reichsgerichts (RGZ 1, 247, 252) ein Unternehmen,
gerichtet auf wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht
ganz unbedeutende Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre
Konsistenz, Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen bzw. die
Erzielung einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung
zu ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den
außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf, Electrizität,
thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter Ebene der Bahn
auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren Ladung, u. s. w.)
bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine verhältnismäßig gewaltige
(je nach den Umständen nur in bezweckter Weise nützliche, oder auch
Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit verletzende) Wirkung
zu erzeugen fähig ist - ist das im 19. Jh. auf der
Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen
oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste öffentliche
Eisenbahn wird (21 Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Dampflokomotive)
1825 als Stockton and Sarlington Railway in England 1825 verwirklicht. Die
erste Eisenbahnstrecke wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste
deutsche Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits am
3. 11. 1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsratsmitglieds
(1817-1848) Friedrich Carl von Savigny im Gesetz über Eisenbahnunternehmungen
(§ 25) für die E. eine (abdingbare) →Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten
der E. werden vielfach Grundstückseigentümer enteignet. Häufig erweisen sich
übergeordnete Einheiten und Verinbarungen als sinnvoll (Verein deutscher
Eisenbahnverwaltungen 1847, Reichseisenbahnamt 1873, internationale
Vereinbarung über die technische Einheit im Eisenbahnwesen 1887, Union für den
Eisenbahnfrachtverkehr 1890, Staatsvertrag zur Gründung der deutschen
Reichsbahngesellschaft 1920, Übereinkommen über den internationalen
Eisenbahnverkehr 1980). Die aus militärischen Gründen (ab 1879 auch in Preußen)
überwiegend verstaatlichten Eisenbahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung
des nicht an Schienen gebundenen, örtlich wie zeitlich flexibleren Automobils
(Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20.
Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforderlich sind. Wegen der für den
Staatshaushalt infolge hoher Ausgaben und geringer Einnahmen zunehmend
untragbaren Verluste ist die auf Kernstrecken beschränkte Bundesbahn
Deutschlands seit 1994 privatisiert (Deutsche Bahn AG, daneben viele wenig
übersichtliche Einzelgesellschaften). Vor allem aus Umweltüberlegungen
erwachsende Bestimmungen zur zwangsweisen Verlagerung von Verkehr von der
Straße auf ide Schiene sind nur bedingt erfolgreich.
Lit.: Köbler, DRG 176; Camphausen, L., Versuch eines
Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung, 1838; Endemann, W., Das Recht der
Eisenbahnen, 1886; Anderegg, F., Schweizerische und bernische
Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung,
1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Ziegler, D.,
Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V., Eisenbahnen
und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in
Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Schubert, W.,
Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152; Die Eisenbahn
in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Thomas, W., Lawyering for the
railroads, 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahnunfälle, 2000;
Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des
europäischen Eisenbahnrechts, (in) Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5
(2000), 215; Ely (jr.) jr., J., Railroads and American law, 2001; Prêtre, A.,
Eisenbahnverkehr als Ordnungs- und Gestaltungsaufgabe des jungen Bundesstaats,
2002; Usselman, S., Regulating railroad innovation, 2002; Raster, J.,
Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Bremm, K., Von der Chaussee zur Schiene,
2005; Auf eisernen Scheinen, hg. v. Hedwig, A., 2008; Across the Borders, hg.
v. Roth, R. u. a., 2008
Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem öffentlichen
oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden Rechtssätze.
Rechtlich wirkt sich die (Herrschaft über Raum und Zeit erleichternde) →Eisenbahn
vor allem auf die Bildung von Aktiengesellschaften, die Enteignung von
Grundstücken und die Entwicklung der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus.
1920 übernimmt in Deutschland das Reich (bis 1924 und von 1937 an) die
Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die verlustreiche Deutsche Bahn teilweise
privatisiert.
Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit
1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung,
1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978;
Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung
des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs
durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische
Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der
Eisenbahn, 2005; Sonderzüge in den Tod, hg. v. Kill, S. u. a., 2009
Ekenberger, Blasius
Lit.: Elucubratio Blasii
Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning Waldemari Lohbuch anno 1595, hg.
v. Haff, K., 1932
Ekloge ([F.]
Auswahl) ist das vor allem das römische Strafrecht abändernde byzantinische
Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf
Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde Körperstrafen an und
weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit aus.
Lit.: Sinogowitz, B., Studien zum
Strafrecht der Ekloge, 1956
Elbe (F.) ist der vom Riesengebirge in Böhmen auf 1100
Kilometern bei Hamburg in die Nordsee fließende Strom, der im frühen
Mittelalter teilweise fränkisch-deutsches Reich und Slawen voneinander
abgrenzt. 1821 wird von den Anrainerstaaten eine Elbschifffahrtsakte
unterzeichnet (1844 Additionalakte). Von 1945 bis 1990 bildet die E. eine
innerdeutsche Grenze.
Lit.: Schröder, D., Die
Elb-Grenze, 1986, Jüngel, K., Die Elbe, 1993; Johne, K., Die Römer an der Elbe,
2006
Elbing ist die 1237 im Land des Deutschen Ordens
gegründete, 1466 an Polen, 1772 an Preußen (1905 94065 Einwohner deutschsprachig,
280 polnischsprachig), 1945/1990 wieder an Polen gefallene Stadt. Das Elbinger
Rechtsbuch ist ein in einer 1825 in E. aufgetauchten, derzeit verschollenen
Handschrift des frühen 15. Jh.s überliefert. Es enthält in
mittelmitteldeutscher Sprache von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnetes
polnisches Recht von wahrscheinlich zwischen 1270 und 1320 in 27 Artikeln.
Quellen sind der Schwabenspiegel, das Meißener Rechtsbuch, ein Magdeburger
Schöffenbrief an Kulm und Magdeburger Recht. Mit der vom lübischen Recht
geprägten Rechtsentwicklung Elbings besteht kein Zusammenhang.
Lit.: Steffenhagen, E., Deutsche
Rechtsquellen in Preußen vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, 1875, 118ff.;
Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36 (1915),
24; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in
Osteuropa, 1942; Grekow, B., Polskaja prawda, 1957; Najstarszy zwód prawa
polskiego, hg. v. Matuszewski, J., 1959; Tischer, K., Das älteste polnische
Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Maisel, W., Die
Rätsel des Elbinger Rechtsbuchs, (in) Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel
und Aufklärung 1991, 47ff.; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Thieme,
H./Matuszewski, J., 1995
Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) →mos (M.)
Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissenschaft des 17./18. Jh.s.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den
Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001
Elektriziät ist
das zuerst an der Reibung von Bernstein erkannte Spannungsverhältnis zwischen
einem geladenen Teilchen und seiner Umgebung. Seit dem 19. Jh. wird die E. mit
größtem Erfolg (z. B. Licht, Elektromotor, Digitalisierung) wirtschaftlich
nutzbar gemacht. Seitdem wird sie auch rechtlich erfasst.
Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg,
J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997
Elisabeth von Thüringen (Ungarn 1207-Marburg
16./17. 11. 1231) Hospitalheilige
Lit.: Sankt Elisabeth, hg. v. d.
Philipps-Universität Marburg, 1981; Elisabeth, hg. v. Blume, D. u. a., 2007
Elsass ist
die aus geographisch unterschiedlichen Teilen zusammengesetzte Landschaft
zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Germanen besetzt wird.
Im 7. Jh. entsteht unter der Familie der Etichonen ein Herzogtum, das in der
Mitte des 8. Jh.s unter Teilung in die Grafschaften Nordgau und Sundgau
beseitigt wird. Das 768 Alemannien zugeordnete E. kommt 870 zum ostfränkischen
Reich. Im Hochmittelalter erringen neben den Staufern die Grafen von →Habsburg
wichtige Rechte (z. B. Landgrafen im Sundgau), verpfänden ihre Güter 1469 aber
an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790
zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen
Reichslands Elsass-Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche
Zivilverwaltung errichtet. Davon abgesehen wird das E. im 20. Jh. von
Frankreich weitgehend französisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Stouff, L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en
1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im
Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905;
Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de
Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938),
654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H.,
Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v.
Himly, F., 1970; Histoire de l’Alsace, hg. v. Dollinger, P., 1970, 4. A. 1984,
neue A. 2001; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Nouveau dictionnaire de
biographie alsacienne, 1982ff.; Das Elsass, hg. v. Erbe, M., 2002; Hummer, H.,
Politics and Power in Early Medieval Europe, 2005; Igersheim, F., L’Alsace et ses historiens
1680-1914, 2006; Sütterle, H., Die Salier und das Elsass, 2009; Fischer, C.,
Alsace to the Alsatians?, 2010; Weber, K., Die Formierung des Elsass im Regnum
Francorum, 2011; Vogler, B., Geschichte des Elsass, 2012
Elsass-Lothringen →Elsass, →Lothringen
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jacob, K., Das
Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die
staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes
Elsass-Lothringen, 1901; Preibusch, S., Verfassungsentwicklungen im Reichsland
Elsass-Lothringen 1871-1918, 2006
Elter (Wort 765 belegt)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
elterliche Gewalt →Eltern,
→Kind
elterliche Sorge →Eltern,
→Kind
Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985;
Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen
Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der
ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die
Sorgerechtsregelungen bei Ehescheidung seit 1945, 2006
Eltern sind
Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater
(lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche
Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur
allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind
der Personalgewalt (germ. *mundiz) des Familienvaters. Bereits im späteren 19.
Jh. werden in Deutschland und Frankreich die elterlichen Rechte durch den Staat
gesetzlich eingeschränkt. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die
ehelichen Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster
Linie dem Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Österreich führt ab 1970
die elterliche Obsorge statt der elterlichen Gewalt ein. Am 18. 7. 1979 wird
die elterliche Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei
der Kinder in gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen beteiligt und die
Eltern stärker auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.
Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen
Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H.,
Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Engel, T.,
Elterliche Gewalt unter staatlicher Aufsicht, 2011; Gemeinsames Sorgerecht
nicht miteinander verheirateter Eltern, hg. v. Jurczyk, K. u. a., 2012
Emancipatio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskinds
aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel
einmal, vom Hausvater an einen Vertrauensmann übertragen. Von diesem werden
sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an den Hausvater zurückfallen.
Nach der letzten, für die Beendigung der väterlichen Gewalt erforderlichen
Übertragung wird das Hauskind vom Vertrauensmann an den leiblichen Vater
zurückübertragen, damit es von diesem endgültig freigelassen wird, ohne durch
die Freilassung in die Patronatsgewalt des Vertrauensmanns zu fallen.
Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21
Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im Heiligen römischen Reich geübte Lösung des Haussohns aus der
väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (→Abschichtung).
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160
Emanzipation (1599, emancipiren 1536) ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder
Abhängigkeit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen →emancipatio.
Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau
von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die
Emanzipation der mehrjährigen (!) Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die
Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg.
v. Rennhak, K. u. a., 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Engel, T., Elterliche Gewalt unter
staatlicher Aufsicht in Frankreich und Deutschland (1870-1924), 2011
Emden
Lit.: Fritzschen, G., Die
Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur. Göttingen 1958
Emendatio (lat.
[F.] Besserung) ist die lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche →Buße.
Lit.: Köbler, DRG 91
Emigration (F.) Auswanderung
Lit.:
Breunung, L. u. a., Biographisches Handbuch der Emigration deutschsprachiger
Rechtswissenschaftler ab 1933. Bd. 1 2012 (Ball, Balogh, Baumgarten, Cohn,
Darmstaedter, David, [Giles,] James Goldschmidt, Werner Goldschmidt, Grünhut,
Hirsch, Kantorowicz, Leibholz, Lewald, Mannheim, Mendelssohn Bartholdy,
Nawiasky, Prausnitz, Pringsheim, Schulz, Schwarz, Sinzheimer, Strupp, Wolff, kürzer
erwähnt Ehrhardt, Haymann, Isay, Erich Kaufmann, Mann, Schöndorf, Schücking,
Schwarzenberger, Wassermann, Wegner)
Emilia Romagna
ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern
besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.)
benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter der Herrschaft der
Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich danach
entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza kommen
1860 zu →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma); Storia
della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976
Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich
Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des Verfahrensrechts. Zwei Verordnungen
vom 4. 1. 1924 (Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege,
RGBl. I, 15, gesetzliche Grundlage Ermächtigungsgesetz vom 8. 12. 1923) und
13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das Zivilverfahren
zugunsten der Leitungsbefugnis des Richters ein und wandeln das im 19. Jh.
errichtete →Schwurgericht (mit 12 Geschworenen) unter Beibehaltung des
Namens in ein großes →Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene
[Laien]) um.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger
vom 4. Januar 1924, 1988; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
Abteilung I Weimarer Republik, hg. v. Schubert, W., Bd. 4 1999; Zivilprozessreform
in der Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2005; Koch, A., Das bayerische
Schwurgericht der Nachkriegszeit, ZRG GA 122 (2005), 242
Emphytheusis (lat.
[F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechtes, die auch im Wege der
Rezeption Auswirkungen hat.
Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il
contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003
Empirismus ist
die von Francis →Bacon (1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen
Nominalismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche
Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite
Erkenntnismethode (Begriff von Kant [1724-1804] eingeführt), die von der
vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand
von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen
soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).
Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and
Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus
Rationalismus, 1996
Emptio venditio
(lat. [F.]) ist im römischen Recht der →Kauf (Verkauf). Er ist ursprünglich
wohl ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des Austauschs einer
Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig
davon, ob eine (lat. [F.]) →mancipatio erforderlich ist oder ein
formfreies Geschäft (über eine [lat.] res nec mancipi oder mit einem
Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahlverdacht ausgeführt wird.
Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung (Konsensualkontrakt)
und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise
später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums verpflichtet. In
nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss vielfach beurkundet und geht
das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des Kaufpreises über. Justinian
trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die Schriftform als
Wirksamkeitsvoraussetzung zu. Möglich ist der Kauf einer Hoffnung (Chance) und
einer erhofften Sache.
Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 45
Emser Punktation
ist die in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene
Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel,
eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Emunitas (lat.
[F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der
Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). →Immunität
Lit.: Köbler, DRG 30
Endlicher Rechtstag
(Art. 91, 123 CCB, 78 [, 82] CCC ist vor allem im von der Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) und der →Constitutio Criminalis Carolina
(1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen
→Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts
des durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch
förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem
14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh. (e. R. noch in
Dresden am 12. 7. 1821). An manchen Orten ist der endliche Rechtstag auf die
Verkündung und Vollstreckung des Urteils beschränkt (Norditalien, Freiburg im
Breisgau 1361, Worms 1498, Tirol 1499, Radolfzell 1506).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Müller, K.,
Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben, 1910; Ruoff, W., Der
endliche Rechtstag in Zürich vor 1400, (in) Festschrift G. F. Pfenninger, 1956,
115ff.; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher
Frage im frühen 17. Jahrhundert, 1971; Leiser, W., Strafgerichtsbarkeit in
Süddeutschland, 1971; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974;
Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974;
Plöger, R., Die Mitwirkungspflichten des Beschuldigten, 1982; Schild, W., Der
entliche Rechtstag, (in) Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau,
P. u. a., 1984; Kocher, G., Der endliche Rechtstag der steirischen
Landgerichtsordnung 1574, (in) Recht und Geschichte, 1988, 361ff.; Ignor, A.,
Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002
Endlösung ist
die vom Nationalsozialismus u. a. mittels der nur zweistündigen Wannseekonferenz
am 20. 1. 1942 unter der Leitung Reinhard Heydrichs angestrebte und teilweise
verwirklichte Vernichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen
Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).
Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel,
E. u. a., 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002
Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die seit dem 19. Jh. immer
bedeutendere Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts,
1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen Gemeinschaften, 2003
Engadin ist
die Tallandschaft des oberen Inn in →Graubünden, die seit dem 10. Jh. an
den Bischof von Chur gelangt.
Lit.:
Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14.
Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus
Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53
(1924); Valèr, P., Die Entwicklung der hohen Gerichtsbarkeit, Diss. jur. Zürich
1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol,
ZRG GA 49 (1929), 439; Schwarzenbach, A., Beiträge zur Geschichte des
Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931
Engelbert (Poetsch bzw. Pötsch) von Admont (Steiermark um 1250-Admont 16.? 5. 1331) wird nach dem
1267 erfolgten Eintritt in das Benediktinerstift Admont in der Steiermark und
dem Studium in Prag (1271-1274) und Padua (1278?-1287 u. a. Recht) 1297 Abt in
Admont (bis 1327) und verfasst, beeinflusst von Aristoteles, Cicero, Seneca und
Augustinus, (mindestens 39) verschiedene staatspolitische Schriften
(Tugendspiegel, [lat.] De regimine principum [um 1300], [lat.] Speculum
virtutum [um 1310], Über Fürstenherrschaft, [lat.] De ortu et fine Romani
imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reiches).
Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal
Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil.
Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert
von Admont, 2000; Engelbert von Admont, hg. v. Ubl, K., 2004
Engels,
Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikantensohn,
wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen
Mitbegründer des →Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).
Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W.,
Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels
Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984
England ist
die vereinfachende Bezeichnung für die zunächst (3. Jh. v. Chr.) von Kelten
(Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von
Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln,
Sachsen und Jüten (→Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen
Inseln. 1066 geraten die erst am Ende des 9. Jh.s unter Wessex geeinten
Angelsachsen unter die Herrschaft der →Normannen, woraus eine ziemlich
unterschiedliche anglonormannische Oberschicht entsteht. Überschaubares Gebiet
und Streulage adliger Güter begünstigen anscheinend die Durchsetzung
königlicher Gewalt, der gegenüber der Adel zwar nicht Landesherrschaft
errichten, aber die königliche Macht in der (lat.) Magna charta libertatum
(1215) eingrenzen kann. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern →Plantagenet
(1154-1399, Verlust der meisten Güter in Frankreich in der Schlacht von
Bouvines 1214 und im hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453), Lancaster
(1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), →Stuart (1603-1649,
1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und Windsor (seit
1910), wobei 1536 Wales stärker mit E. verbunden wird und sich König Heinrich
VIII. auch zum König Irlands erklärt. Bereits 1614 gelingt es dem seit dem 13.
Jh. sichtbaren →Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass
es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle
Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird
König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abgeschafft und E. zum Commonwealth
erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch
gelingt 1689 in der →Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner
Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlaments →Schottlands mit
dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts
bestehenden Personalunion die Realunion →Großbritannien (1801 United
Kingdom of Great Britain and Ireland, 1921 The United Kingdom of Great Britain
and Northern Ireland). Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil
indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht.
In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begünstigte sog.
industrielle Revolution. 1801 wird der Titel eines Königs von Frankreich
aufgegeben. Das Unterhaus (→House of Commons) (Wahlrechtsänderungen
1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (→House
of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen äußerlichen
Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als Weltmacht, doch
erhält der Staat noch ein Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Die Kolonien (z. B. Indien) erlangen ganz überwiegend Selbständigkeit. 1973
tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993 Europäischen Union)
bei.
Lit.: Köbler, DRG 175; Maitland, F., Roman Canon Law in the
Church of England, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,62,1047, 3,2,2217,3650,3927; A Bibliography of English History, hg. v.
Graves, E., 1975; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894;
Vinogradoff, P., Villainage in England, 1892; Vinogradoff, P., English society
in the eleventh century, 1908; Hatschek, J., Englische Verfassungsgeschichte,
1913; Cam, H., Studies in the Hundred Rolls, 1921; Jacob, E., Studies in the
period of baronial reform and rebellion, 1258-1267, 1925; Stephenson, C.,
Borough and Town, 1933; Lenz, G., Demokratie und Diktatur in der englischen
Revolution 1640-1660, 1933; Tait, J., The medieval English borough, 1936;
Weinbaum, M., The incorporation of boroughs, 1937; Goebel, J., Felony and
misdemeanor, 1937; Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937;
Trautz, F., Literaturbericht über die Geschichte Englands im Mittelalter, HZ
Sonderheft 2 (1965), 108; Hill, C., Intellectual origins of the English
revolution, 1965; Kluxen, K., Geschichte Englands, 1968, 5. A. 1998; Gerlach,
H., Der englische Bauernaufstand von 1381, 1969; Ziegenbein, U., Die Unterscheidung
von Real und Personal Actions im Common Law, 1971; Vollrath-Reichelt, H.,
Königsgedanke und Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Crime in England
1550-1800, hg. v. Cockburn, J., 1977; Wellenreuther, H., Repräsentation und
Grundbesitz in England, 1979; Hyams, P., Kings, Lords and Peasants in Medieval
England, 1980; Hahn, H./Krieger, K./Niedhart, G., Einführung in die englische
Geschichte, 1982; Wende, P., Geschichte Englands, 1985, 2. A. 1995; Tuck, A.,
Crown and Nobility, 1986, 2. A. 1999; Kluxen, K., Englische
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Jahrhundert, 1987, 2. A. 1996, 3. A. 2004; Kleinhenz, R., Englische
Institutionengeschichte – Perspektiven der Kabinettsentwicklung zwischen dem
ausgehenden 17. Jahrhundert und dem Jahre 1783, ZRG GA 105 (1988), 145;
Kaeuper, R., War, Justice and Public Order, 1988; Wirsching, A., Parlament und
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I. Löwenherz 1157-1199, 2006; Curia Regis Rolls of the Reign of Henry III hg.
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(1135-1154) hg. v. Dalton, P. u. a., 2008; Howe, N., Writing the Map of
Anglo-Saxon England, 2008; Thirteenth century England, hg. v. Burton, J., 2009;
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Anglo-Norman Language and its Context, hg. v. Ingham, R., 2010; Egan, G., The
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Library, Rawlinson MS B 520); Thornton, T., The Channel Islands 1370-1640; Rudolph,
J., Common Law and Enlightenment in England, 1689-1750, 2013; Berg, D.,
Heinrich VIII von England, 2013; Jansing, J., Verwaltungsrechtsschutz durch
tribunals in England, 2013; Rowley, C. u. a., Britannia’s Tortuous Road to
Freedom 1066-1884, 2014
Englisch
Lit.: Wells, J., A Manual of the
Writings in Middle English 1050-1400, Bd. 1ff. 1926ff.; The Dictionary of Old English Web Corpus 2007 http://www.doe.utoronto.ca/pages/pub/web-corpus.html;
The Dictionary of Old English, hg. v. Paolo Healey, A. di u. a., 2008 CD-ROM
(A-G)
Englisches Recht
ist das in →England (seit 1330 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres
auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die
frühmittelalterlichen →Volksrechte (Gesetze) der →Angelsachsen.
Mit dem Sieg der →Normannen unter Wilhelm dem Eroberer über die
Angelsachsen (1066) wird das →angelsächsische Recht auf die örtlichen
Gerichte beschränkt, während am Königsgericht (lat. curia [F.] regis,
Königsrat, →Court of King‚s Bench [E. 13. Jh.] für Delikte, Strafen,
Appellationen, →Court of Common Pleas für alle gewöhnlichen Klagen
[1178], →Court of Exchequer für Abgabenstreitigkeiten [E. 13. Jh.]) und
bei den dieses bzw. diese unterstützenden Reiserichtern eine übergeordnete,
französisch (Law French) gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.],
gemeines Recht) Anwendung findet (→common law). Besondere Bedeutung
erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch
abgefasste →writ (verfahrensrechtliche Weisung) an den Sheriff, von dem
es bereits am Ende des 12. Jh.s etwa 75 bzw. 1227 56 verschiedene Arten gibt,
die Ranulf de Glanvill († 1190) in dem (lat.) Tractatus (M.) de legibus et
consuetudinibus regni Angliae (Traktat über die Gesetze und Gewohnheiten des
Königreichs England) und Henricus de Bracton († 1268) in seinem Werk (lat.) De legibus et
consuetudinisbus Angliae (Über die Gesetze und Gewohnheiten Englands) ordnen
und darstellen. Wegen des Gewichts des
Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ
eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte, ab 1200 namentlich
bekannt werdende, bis etwa 1300 professionalisierte Richter im Mittelalter in
den Mittelpunkt des Rechtes. Dieses wird (neben allgemeinen Bestimmungen wie
der Magna Charta von 1215 oder den Provisions of Westminster von 1259 vor
allem) durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem
Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records,
nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis
1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem
Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (→Court of Chancery) hinzu, das
nach Billigkeit (→equity) urteilt (z. B. Anspruch auf vorbeugende
Unterlassung, Anspruch auf Vertragserfüllung). In den Auseinandersetzungen
zwischen König und Parlament im 17. Jh. stellen sich die praktisch in den inns
of court ausgebildeten englischen Rechtes kundigen (z. B. Edward Coke
[1552-1643], der in seinen Institutes of the Laws of England eine erste
umfassende Darstellung des common law bietet) auf die Seite des Parlaments und
festigen dadurch ihre Stellung. Im 18. Jh. entwickelt William Blackstone
(1723-1380) in seinen Commentaries on the laws of England erstmals eine nach
materiellen Rechtssätzen geordnete Darstellung des englischen Rechtes, das im
Übrigen durch die Gewinnung von Kolonien auf viele Teile der gesamten Welt
verbreitet wird (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Australien,
Neuseeland, Afrika, Asien). Seit dem 19. Jh. gewinnt gegenüber den richterlichen
Fallentscheidungen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss Jeremy Benthams
(1748-1832) das Gesetz (z. B. Judicature Act 1873/1875, Verbindung von courts
of law und court of chancery zu einem supreme court of judicature mit high
court of justice und court of appeal, Zusammenfassung der writs in einem
einleitenden writ of summons) ein gewisses, mit dem Beitritt zu den
Europäischen Gemeinschaften (1973) bzw. Europäischen Union (1993) steigendes
Gewicht.
Lit.: Placita Anglo-Normannica, hg. v.
Bigelow, M., 1879; Bigelow, M., History of procedure in England, 1880; Gneist,
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Enkel (bzw. Enkelin) ist das Kind eines Kindes. Der E. ist grundsätzlich von der
Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater oder seine Mutter
ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh (z. B. 596 n. Chr.) ein →Eintrittsrecht
zugesprochen.
Lit.: Hübner
Enklave (Einschlussgebiet) ist das vom Gebiet eines anderen Staates oder mehrerer
anderer Staaten (aus deren Sicht) eingeschlossene Teilgebiet eines anderen
Staats (aus der Sicht dieses Staates Exklave bzw. Ausschlussgebiet) (z. B.
Büsingen innerhalb der Schweiz, Campione am Luganer See innerhalb der Schweiz,
bis 1797 päpstliches Avignon in Frankreich, nicht Vatikan, San Marino, Monaco,
Liechtenstein, Andorra, Ceuta, Königsberg/Kaliningrad, kleines Walsertal). Für
die zahlreichen Enklaven der Länder des Heiligen römischen Reiches ist ein allgemeines Durchzugsrecht anerkannt.
Der Durchzug bewaffneter Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen
Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland noch mehr als 200 Enklaven.
Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen
Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie
Reichsländer, 1927; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007
Enneccerus,
Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn,
wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Göttingen und Promotion
(1868) und Habilitation (1870) 1872 außerordentlicher Professor für römisches
Recht in Göttingen und 1873 ordentlicher Professor in Marburg, der von Bernhard
Windscheid und Rudolf von Ihering beeinflusst ist (1921 emeritiert). Er
verfasst 1898 ein während der ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch
des bürgerlichen Rechtes (Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928,
Schuldrecht, 28.-30. A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in
Deutschland. Von 1882 bis 1889 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens,
von 1887 bis 1890 und 1893 bis 1898 als Vertreter der nationalliberalen Partei
Mitglied des Reichstags.
Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus
1843-1928, 1999
Enteignung ist
die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur
Befriedigung öffentlicher Belange (z. B. zum Wohl der Allgemeinheit, zum
allgemeinen Besten). Die E. wird bereits in der römischen Spätantike bezüglich
Grundstücke oder Lebensmittel geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann
in der hochmittelalterlichen Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254,
Schaffhausen 1380) eine bauliche Beschränkung festgelegt oder sogar das →Eigen
gänzlich entzogen werden. Das Naturrecht anerkennt wegen der Entstehung des
Eigentums des Einzelnen aus dem Recht der Allgemeinheit grundsätzlich die E.
gegen Entschädigung (→Grotius, Christian Wolff, Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis 1756, §§ 74, 75 Einleitung zum ALR 1794, § 365 ABGB 1811, Zwangskauf).
Seit der französischen Revolution (1789 [Art. 17
Menschenrechtserklärung]/1807/1810 Expropriationsgesetze) werden als grundlegende
Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation) ein öffentliches Bedürfnis,
ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende Entschädigung angesehen
(Bayern 1818, Deutsches Reich 1848/1849, Preußen 1850). Die E. wird als öffentlichrechtlicher
Eingriff in ein privates Recht verstanden. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die
Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das
Eigentum.
Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163,
212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann,
J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225;
Giese, F., Enteignung und Entschädigung, 1950; Mann, F., Zur Geschichte des
Enteignungsrechts, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Rittstieg, H., Eigentum als
Verfassungsproblem, 1975; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121;
Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des
Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung,
Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath,
C., Macht und Eigentum, 2004; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR
bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Eigentumsrecht und
Enteignungsunrecht, hg. v. Gornig, G. u. a., 2008; Reynolds, S., Before Eminent Domaine, Toward a History of
Expropriation of Land for the Common Good, 2010
Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als
entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen
Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte
Rechtsposition.
Lit.: Köbler, DRG 259
Enterbung (1431) ist die bereits dem klassischen
römischen Recht (lat. [F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht
eines (gesetzlich) Erbberechtigten durch →letztwillige Verfügung. Sie
erscheint überall, wo letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.
Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel,
H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen
Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Entführung ist
die rechtswidrige Fortführung eines Menschen, insbesondere einer (einwilligenden)
Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Im römischen Recht ist für Vergewaltigung,
Frauenraub und E. Enthauptung angedroht (C. 9, 13, 1). Im Frühmittelalter
begründet die E. eine →Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne
Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der
Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche
Freiheitsstrafe. Im 19. Jh. geht die E. in der allgemeineren Freiheitsberaubung
auf.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967, 145; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden
Mittelalter, 1931
Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche
Gesetz über die Fortzahlung des Entgelts des Arbeitnehmers bei Krankheit.
Lit.: Köbler, DRG 273
Enthauptung ist
die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels Schwert oder (ab 1792) mittels
Guillotine (Fallbeil) vollzogene Tötung bzw. →Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967
Entmannung (Kastration)
ist die Entfernung der Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter
als Körperverletzung zu einer Buße (Wergeld). Sie kann im hohen Mittelalter
auch als Strafe (bei Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im
Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur
Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisiert.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein
ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Justiz und Erbgesundheit, hg. v.
Justizministerium des Landes Neordrhein-Westfalen, 2009
Entmündigung (1809, entmündigen 1809) ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten
dem Alter nach an sich zustehenden →Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach
dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio
(Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und
Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Verschwenders
eine →Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird
die Familie tätig, welche die bei körperlichen und geistigen Gebrechen mögliche
E. vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Im 16. Jh.
kann der Verschwender für unmündig erklärt werden. Seit dem 18. Jh. ist die E.
ein besonderer Rechtsakt auf Grund eines eigenen gerichtlichen Verfahrens (1775
preuß. AGO I, 38, 1794 ALR I, 2 §§ 27ff., 1804 Code civil Art. 490ff., Code de
procédure civile Art. 890ff., 1877 ZPO §§ 593ff.) Der Entmündigte erhält einen
Vormund. Zur Erhebung einer Entmündigungsklage sind Ehegatte und Verwandte
berechtigt, später auch der Staatsanwalt und gegebenenfalls die Gemeinde.
Trunksucht und Rauschgiftsucht werden Grund für die E., während körperliche
Gebrechen die E. nicht mehr begründen können. 1971 stützt eine Resolution der
Vereinten Nationen (2856/XXVI die Rechte geistig behinderter Menschen. Österreich
hebt die Entmündigungsordnung vom 28. 6. 1916 durch das Sachwaltergesetz vom
2. 2. 1983 auf. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch
die →Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Rive, F., Geschichte
der deutschen Vormundschaft, Bd. 1f. 1862ff.; Schwarz, A., Die Entmündigung des
Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Ent, H., Das Sachwalterrecht für
Behinderte, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996; Schmidt, T.,
Die Entmündigung, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Bulling, S., Die zivilrechtliche Erwachsenenfürsorge
des 19. Jahrhunderts, 2013
Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut
und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des →Nationalsozialismus
aus ihren beruflichen Stellungen (auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom
20. 12. 1945 und z. B. des Gesetzes zur Befreiung unseres Volkes vom
Nationalsozialismus vom 5. 3. 1946). Sie erfasst im Gebiet der alten
Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland mit Unterschiden in den einzelnen Besatzungszonen in drei
zeitlichen Stufen 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486 Menschen
hingerichtet, 1667 (oder 1654) als
Hauptschuldige, 23060 (oder 22122) als Belastete, 150425 als Minderbelastete,
1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft. Von den
Professoren der Zeit zwischen 1933 und 1945 behalten oder erlangen ihr Amt etwa
90 Prozent wieder. Dabei entsteht bald eine überparteiliche Übereinstimmung dahin,
Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzugliedern. 1948 werden
die Entnazifizierungsmaßnahmen der Alliierten eingestellt. In Westberlin
werden aber zwischen 1955 und 1979 mehr als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafen
von insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau, J.,
Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972;
Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Henke, K.,
Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981; Niethammer, L.,
Entnazifizierung in Bayern?, 1982; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA
106 (1989), 239; Entnazifizierung, hg. v. Vollnhals, C., 1991; Frei, N.,
Vergangenheitspolitik, 1996, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in
der SBZ, 1997; Schuster, A., Die Entnazifizierung in Hessen, 1999; Borgstedt,
A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im
regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die
entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts,
2004; Entnazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Hesse, H., Konstruktionen der
Unschuld, 2005; Botor, S., Das Berliner Sühneverfahren, 2006; Löhnig, M., Die
Justiz als Gesetzgeber, 2010; Bullinger, R., Belastet oder entlastet?, 2012
Entscheidung ist die bewusste Schaffung eines zumindest vorläufig
abschließenden Ergebnisses in einem Meinungsbildungsvorgang (z. B. Beschluss,
Urteil, Verwaltungsakt).
Lit.: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v.
Stollberg-Rilinger u. a., 2010.
Entsippung ist
das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder
unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband (→Sippe).
Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, 129
Entwerung ist
der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der →Gewere an einer Sache.
Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen Recht erst dann (wegen
Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von
einem Dritten abgestritten (bzw. „entwert“) worden ist.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902
Enzyklopädie (F.,
eigentlich gewöhnliche Lehre) ist seit dem 18. Jh. die Sammlung des Wissens in
einem Druckwerk zwecks Belehrung. Die Enzyklopädie aller Enzyklopädien Diderots
und d’Alemberts enthält in 33 Bänden 71818 Artikel und Artikelfragmente mit
2885 Kupferstichen. →Rechtsenzyklopädie
Lit.: Enzyklopädie der
Rechtswissenschaft, hg. v. Holtzendorff, F. v., Teil 1ff. 1870ff., 2. A. 1873,
6. A. 1904, Neudruck 2013; Vulgariser la science - les encyclopédies
médiévales, hg. v. Ribémont, B., 1999; Die Enzyklopädie im Wandel vom
Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das
Alphabet des Rechts, 2004; Blom, P., Das vernünftige Ungeheuer, 2005;
Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2005ff.; Seine Welt
wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, U., 2006;
Prodöhl, I., Die Politik des Wissens, 2010
Episcopalis audientia
(lat. [F.] „bischöfliches Gehör“) ist die in der römischen Spätantike
einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des →Bischofs.
Lit.: Köbler, DRG 56
Episkopalismus ist die im Gefolge des Konzils von
Trient die Stellung der Bischöfe gegenüber dem Papst betonende Strömung in
Deutschland im 16. und 17. Jh. (Nikolaus von Hontheim 1763, Emser Punktation
1786).
Lit.: Raab, H., Die Concordata
nationis Germanicae, 1956
Epitome (gr.
[F.]) Auszug (aus einem umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus
[Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Landau, P., Der Traktat Lex est commune preceptum (in) Römische Jurisprudenz,
2011, 379
Epitome Iuliani ist eine Einführungsvorlesung in lateinischer Sprache zu einer Sammlung
von 124 Novellen Kaiser Justinians, die im Westen im Frühmittelalter die
Kenntnis der justinianischen Novellen vermittelt und von François Pithou in
Basel 1576 ediert wird.
Lit.:
Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v. Avenarius, M., 2008,
300
eques (lat.
[M.]) →Ritter
Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997
Equity (engl.)
ist allgemein die →Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der
anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des Kanzlers (→Court of
Chancery) des →englischen Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des
Einzelfalls, aber ohne unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. →aequitas
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of
contract in early English Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Macnair, M., The Law
of Proof in Early Modern Equity, 1999
Erasmus von Rotterdam (Rotterdam 28. 10. 1466?
[uneheliches Kind eines Geistlichen]-Basel 12. 7. 1536), Humanist
Lit.: Kisch, G., Erasmus und die
Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Ribhegge, W., Erasmus von Rotterdam, 2009
Erbabfindung ist
der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer Erbaussicht. →Abschichtung,
→Aussteuer
Erbach ist Hauptort einer Grafschaft im Odenwald,
die um 1165 erstmals genannte ursprünglich ministerialische Herren von E. im
allmählichen Aufstieg in die Reichsstandschaft (1422) gewinnen. Sie gelangt
1806 hauptsächlich an Hessen-Darmstadt und damit ihr Gebiet 1945 an Hessen.
Lit.: Killinger, G., Die ländliche
Verfassung der Grafschaft Erbach, 1912; Steiger, U., Die Schenken und Herren
von Erbach, 2007
Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben
(M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] →coheres)
die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] →consortium)
jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat. →actio [F.] familiae
erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon
während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den
einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem
kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch
bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als
Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne Beteiligte über seinen
Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im
Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v.
Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu
einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen und der Jüngere (bei
ungleichen Teilen den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (→maior
dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über
den gesamten Erbteil zulässt.
Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell,
DRG 2
Erbbaurecht (1629, Erbbau 1434) ist das
veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein
Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern
vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf
städtischem Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein
Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen
Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat.
[F.] →superficies) zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich,
vererblich und belastbar gestaltete Recht teils als Recht eigener Art, teils
als Servitut und teils als Emphyteuse. Im Mittelalter entsteht unabhängig
hiervon die →Erbleihe städtischer Grundstücke, die dem Beliehenen gegen
jährlichen Zins ein vererbliches, unveräußerliches Recht an einem Grundstück
gewährt, das jedoch allmählich zum →Eigentum erstarkt. Danach wird das
römische Recht der superficies aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) und ausführlicher die insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das
E. (15. 1. 1919) schaffen ein besonderes veräußerliches und vererbliches,
grundsätzlich grundstücksgleich bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung,
Besitz und Benutzung eines Bauwerks am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht
unbedingt erforderlich ist. Der Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer
des einen wesentlichen Bestandteil des Erbbaurechts bildenden Gebäudes (auf dem
ihm nicht gehörenden Grundstück). Das E. darf sich nicht auf einen Gebäudeteil
beschränken. Die tatsächliche Bedeutung des Erbbaurechts ist gering. Österreich
folgt der Regelung Deutschlands durch das Baurechtsgesetz von 1912, die Schweiz
im Zivilgesetzbuch von 1907/1911. Die Deutsche Demokratische Republik kennt ein
vergleichbares Recht im 1975 erlassenen und 1990 aufgehobenen Zivilgesetzbuch.
Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240;
Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbbaurechtsverordnung →Erbbaurecht
Erbe (M.,
Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen) ist der Vermögensnachfolger
des Erblassers. Erben sind in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers,
die das eigentümerlos gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im
ältesten römischen Recht treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder
und seine gewaltunterworfene Ehefrau, die mit dem Tod des Familienvaters
gewaltfrei werden, als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] →consortium) der (lat.)
→sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut
an die Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des
Erblassers u. s. w.) oder hilfsweise
auch an die Gentilen als sog. Außenerben ([lat.] extranei heredes). Möglich
sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] →heres)
ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.]
civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser
geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen,
sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen
wie den eines Erben schützen (bonitarisches Erbrecht). Justinian beseitigt die
Unterscheidung zwischen zivilem Erbrecht und bonitarischem Erbrecht, stellt
Männer und Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und
schließt die Agnaten 543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier
neue Erbklassen (Abkömmlinge [wobei die Kinder nach Stämmen teilen], dann
Eltern [Trennung in väterlichen Stamm und mütterlichen Stamm], Vorfahren und
vollbürtige Geschwister, dann halbbürtige Geschwister und Kinder, und
schließlich übrige Seitenverwandte), von denen jede frühere jede spätere
verdrängt. Die christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen
und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen heraus allmählich einen
Anteil an jedem Erbe (→Freiteil). Bei den Germanen geht das einem
Hausvater (während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den
Verwandtschaftsverband) besonders zustehende Gut mit seinem Tod auf seine
Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es
bis zu einer Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da
der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst
Onkel u. s. w. Stirbt die Frau, so fällt
das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann
zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich)
Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter haben
Möglichkeiten zur Veränderung dieser Regeln noch keine wirkliche Bedeutung.
Erst im Hochmittelalter wird das →Testament aus dem römischen Recht aufgenommen.
Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben (Verwandten) die gewillkürten
Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An
vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh.
wird hieraus das →Parentelensystem entwickelt (Joachim Georg Darjes
1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche
Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in
Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erbersatzanspruch, 1998
wird es gleichgestellt. Auch in Österreich werden die Unterschiede zwischen
ehelichen und unehelichen Kindern beseitigt.
Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA 84
(1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und
familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters,
2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbe (N.,
Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen) (lat. [F.] hereditas)
ist der Nachlass eines verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte
(Vermögen), später auch Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise
einer →Sondererbfolge unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof,
Gesellschaftsanteil).
Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbebuch, Erbbuch ist eine Art des Amtsbuchs seit
dem 16. Jh. bzw. eine Art des Stadtbuchs seit dem 13. Jh.
Lit.: Homeyer, G., Die Stadtbücher
des Mittelalters, 1860; Die Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579, bearb. v.
Napiersky, J., 1888; Thieme, A., Die kursächsischen Amtsbücher, Familie und
Geschichte 6/16 (2007), 1ff.
Erbeinsetzung (1538) ist die besondere Bestimmung
zum Erben. Vielleicht schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis
institutio [F.]) das Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E.
enthalten, die (bis zu Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat.
z. B. Titius heres esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen
einzigen Erben oder lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im
mittelalterlichen Recht gibt es eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an
der Bahre eines vorverstorbenen Kindes, die ein fehlendes →Eintrittsrecht
ersetzt. In der Neuzeit übernehmen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis
(1756), Allgemeines Landrecht Preußens (1794) und Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch Österreichs (1811) die Notwendigkeit der E. im Testament, während
Code civil Frankreichs (1804), Bürgerliches Gesetzbuch Sachsens (1863),
Bürgerliches Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) und Zivilgesetzbuch
der Schweiz (1907/1911) hierauf verzichten.
Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G.,
Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbengemeinschaft (1900, erbgemeinschaft 1396) ist
die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstehende Gemeinschaft (lat. [N.] →consortium
[ercto non cito]). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich
aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, bei der Forderungen und
Verbindlichkeiten anteilmäßig geteilt sind (z. B. § 555 ABGB Österreichs 1811),
sonst meist Gesamthandsgemeinschaft (BGB des deutschen Reiches 1896/1900 §§
2032ff., ZGB Schweiz 1907/1911, ähnlich ALR Preußens 1794). Sie endet durch →Erbauseinandersetzung.
Vorempfänge sind meist rechnerisch auszugleichen.
Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts,
1962, 5. A. 2001; Jäkel, H., Die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft und ihre
Beteiligungsfähigkeit an Personengesellschaften, 2007; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Greil-Lidl,
S., Die Verfügungsverwaltung in der Erbengemeinschaft, 2014
Erbenhaftung (1898) ist die Haftung des Erben
für Schulden des Erblassers (und der Erbschaft). Wohl schon das römische →Zwölftafelgesetz
(451/450 v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den
übergehen, der die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen
mit der Erbfolge von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selbständige
Schulden. Der Erbe haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem
Erbfall bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann
sich aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft
ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die
ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicherheitsleistung
oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.]
bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des →Inventars
(lat. →beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die Errichtung eines
Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für Schulden des
Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann (Haftung cum
viribus hereditatis, Haftung nur mit den Mitteln der Erbschaft). Im deutschen
Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im →Sachsenspiegel nur die
Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel)
überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen
Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die justinianische Rechtswohltat des
Inventars übernommen. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) geht von der
beschränkten Haftung des Erben aus, verwandelt diese aber in eine unbeschränkte
Haftung, wenn der Erbe nicht fristgerecht ein Inventar errichtet. Das
Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) sieht beschränkte Haftung vor. Nach dem
Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) ist die Haftung des
Erben unbeschränkt, aber auf den Wert des Nachlasses beschränkbar (Haftung pro
viribus hereditatis, Haftung mit dem Wert der Mittel der Erbschaft, Nachlassverwaltung,
Nachlasskonkurs, Inventarerrichtung).
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die
Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung
der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92;
Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28
(1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss,
1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur.
Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbenlaub ist
im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. →Sachsenspiegel) die (aus der
Gebundenheit des Familienguts erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung
(Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung
des (künftigen) Erblassers über ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht
auf Erbgut (im Gegensatz zu Kaufgut) auf. Fehlt das E., ist das Geschäft
zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es
angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen
Erstattung des Kaufpreises (→Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe
hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit.
Zuerst in den Städten, dann auch allgemeiner schwindet das E., wird aber
teilweise als Vorkaufsrecht fortgeführt.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54;
Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser
Recht, 1955
Erbenlosung ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine
Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsgeschäft über ein Grundstück des
Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu
machen.
Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853
Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben
(z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art
Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der
Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im →Erbenlaub
und der →Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revokationsrecht)
aus. In der frühen Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit
verdrängt.
Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur
Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das
Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H.,
Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217
Erbfähigkeit (1783, erbfähig 1555) ist die Fähigkeit Erbe zu sein.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbfall (1350) ist der für die Zuordnung von vermögenswerten Rechten und
Pflichten zu Rechtsträgern bedeutsame Tod eines Menschen.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbfolge (1655, Erbfolgeordnung 1729) ist
der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln
sich bereits früh vor allem in der Hinsicht Regeln, wer der →Erbe (oder
die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des
Erblassers ist (oder sind). Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst
zwischen von selbst erbenden Hauserben (lat. →sui heredes [M.Pl.) und nach
Annahme erbenden Außenerben (lat. heredes extranei) und legt danach eine
genauere Reihenfolge fest, die in der justinianischen Novelle 118 zu den vier
einander sukzessive ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und
sonstigen Vorfahren sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen
Geschwister und ihrer Kinder (3) und aller übrigen Seitenverwandten (4) führt.
Das germanische Recht trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in
Familienschaften gegliederten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel
(Landrecht I 3 § 3 [1221-1224]) verwendet hierfür das Bild des menschlichen
Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und
Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern, Elterngeschwister und Geschwisterkinder
durch die Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Großelterngeschwister,
Elterngeschwisterkinder und Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die
Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwisterkinder,
Elterngeschwisterenkel und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk u. s. w. versinnbildlicht werden und
ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu
gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen
landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein →Eintrittsrecht
der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau verringert. In
der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes in das deutsche
Recht ein. Joachim Georg Darjes entwickelt (1740) das gemetrisierende System von
Parentelen (Familienschaften). Das Erbfolgepatent Kaiser Josphs II. vom 11. 5.
1786 legt eine einheitliche Intestaterbfolge für die österreichischen Erbländer
nach dem Parentelsystem fest, wobei bei Fehlen eines Verwandten der (6)
Parentelen der Ehegatte erbt. Das Allgemeine Landrecht Preußens (17949
verbindet die Erbfolge nach Stämmen mit dem Eintrittsrecht der Abkömmlinge (II
2 §§ 348ff.). Der Code civil (1804) unterscheidet Deszendenten, Aszendenten und
Seitenverwandte (Art. 731ff.), so dass den Deszendenten die Eltern und
Geschwister mit sämtlichen Abkömmlingen folgen. Das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs (1811) wendet das Parentelensystem durchgehend an (§§
730ff., Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge,
Urgroßeltern) und knüpft den Erbgang an die gerichtliche Einantwortung in den
Nachlass an. Im Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900) geht
die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem
Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben nach einem →Parentelensystem
unterschieden (Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und
deren Abkömmlinge u. s. w.). Fehlen
Verwandte und Ehegatte, so erbt der →Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche
Besonderheiten gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.
Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Danz, W., Versuch einer
Entwicklung der gemeinrechtlichen Erbfolgeart in Lehen, 1793; Siegel, H., Das
deutsche Erbrecht, 1853; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Successionsordnung
nach deutschem und insbesondere sächsischem Rechte, 1860; Stobbe, O., Die
Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Brunner, H., das
anglonormannische Erbfolgesystem, 1869, 2. A. 2013; Wasserschleben, H., Das
Prinzip der Erbenfolge, 1870; Schanz, F., Das Erbfolgprinzip des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 1883; Gál, A., Der Ausschluss der
Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A.
Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des
ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908;
Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts,
ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die
Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft
des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149ff.; Diestelkamp, B., Das
Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme
1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v.
Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen,
D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der
vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streites um die →Erbfolge in einem
Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schlesischer E., spanischer
E.). Er endet vielfach mit einer (einvernehmlichen) Güteraufteilung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Erbfolgepatent ist das die Erbfolge ordnende Patent wie z. B. das Patent Josephs II. vom
11. 5. 1786, mit dem eine einheitliche gesetzliche Erbfolge für die
österreichischen Erbländer festgesetzt wird (6 Parentelen, subsidiäres Erbrecht
des Ehegatten, der bis zur Wiederverheiratung außerdem ein Fruchtgenussrecht
an einem Viertel des Nachlasses erhält).
Erbgut ist
im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum
durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s
verschiedentlich besondere Regeln (z. B. →Erbenwartrecht).
Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.
Erbhof ist
allgemein der durch lange →Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende
bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer des vom →Reichserbhofgesetz
(vom 29. 9. 1933, aufgehoben durch Art. I 1 Kontrollratsgesetz Nr. 45 zum 23.
4. 1947) erfassten Erbhofs (35 % der Höfe) (sog. Bauer im Gegensatz zu den
sonstigen Landwirten) die →Testierfreiheit eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 239; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus
konkretem Ordnungsdenken, ZNR 1992, 55ff.; Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht,
2004; Czeguhn, I., Das Reichserbhofgesetz (ungedruckt)
Erbhuldigung ist
(vor allem in den österreichischen Erbländern) der besondere Akt der →Huldigung
(der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr
1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die
Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in
Kärnten, 1899; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Brademann,
J., Autonomie und Herrschaft, 2006
Erblande sind
grundsätzlich die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu
den nach anderen älteren Zusammenfassung von 1336 oder 1364 seit dem 15. Jh.
so bezeichneten, sich im Lauf der Zeit wandelnden österreichischen Erblanden
oder Erbländern zählen zunächst die Stammlande Habsburgs in der Schweiz und in
Schwaben (1380 obere lande, 1480 vordere Lande, 16. Jh. Vorderösterreich), das
Herzogtum Österreich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens (1335,
mit Krain) und Tirols (1363) sowie der Markgrafschaft Istrien und der
windischen Mark (1374), Triests (1382) der Grafschaft Görz und der Herrschaft
Gradiska (1500). Später kommen Burgund (selten) sowie Böhmen (und Ungarn
selten) hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E. alle
österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und den
italienischen Ländern geschieden. Um 1800 erstrecken sich die deutschen E. der
Habsburger auch auf Galizien, Bukowina, Dalmatien und Lombardo-Venetien. Der
eher privatrechtlichen Vorstellung der E. entspricht dann (1848) der
öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren zwischen österreichischen
(mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. In der zweiten Hälfte des 19.
Jh.s werden österreichische E. und Länder der ungarischen Krone
gegenübergestellt, allerdings stark abnehmend, da die österreichischen E.
bald inoffiziell und ab 1915 auch offiziell als Österreich bezeichnet werden.
Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275; Zöllner, E., der
Österreichbegriff, 1988; Brauneder, W., Die Habsburgermonarchie als
zusammengesetzter Staat, (in) Zusammengesetzte Staatlichkeit, hg. v. Becker,
H., 2006, 197ff.
Erblasser (1420) ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe (hinter)lässt.
Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung
des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbleihe ist
im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, vielfach
veräußerbare, meist entgeltliche →Leihe von Grundstücken. Sie entspricht
in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe
(Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in
der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins
allmählich eine privatrechtliche →Reallast an Eigentum. Auf dem Land
treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente
der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier
mit der Beseitigung der →Grundherrschaft in der Mitte des 19. Jh.s,
weshalb sie im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nicht mehr enthalten
ist.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers,
J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130;
Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck
1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181;
Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe
Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in
Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt
Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den
westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der
Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939
Erbmonarchie ist
die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft
gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige römische Reich schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der
Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert.
Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast
durchweg aus der Familie der Habsburger bzw. dem Hause →Habsburg. In den
Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der Erblichkeit der Herrschaft
durch, bis es 1918 beseitigt wird.
Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan
Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan,
2004
Erbpacht (1299, z. B. § 1122 ABGB, vgl. § 1123 ABGB Erbzinsrecht, ab 1848
leerlaufend) →emphyteusis
Lit.:
Brunner, H., Die Erbpacht der Formelsammlungen, ZRG GA 5 (1884), 69; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbrecht (1062) ist objektiv die
Gesamtheit der Rechtssätze, die das →Erbe betreffen, subjektiv die im
Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass. Es ist von den
erkennbaren Anfängen des Rechtes an ein wichtiger Bestandteil (des Privatrechts,
lat. ius [N.] hereditarium). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene
(gesetzliche) →Erbfolge (der Verwandten nach verwandtschaftlicher Nähe
zum Erblasser unter teilweiser Bevorzugung von Männern), die schon im altrömischen
Recht und danach erneut spätestens im hochmittelalterlichen Recht um die
Möglichkeit ergänzt wird, die gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern
(gewillkürte Erbfolge, →Erbvertrag, →Testament). Seit dem Ende des
19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die →Erbschaftsteuer (Deutsches
Reich 1906/1911) beeinflusst.
Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12,
18; Hübner 734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210;
Baltl/Kocher; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal,
K., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892, Neudruck 1955,
133; Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107;
Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts,
ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht, 1899; Escher,
A., Der Einfluss des Geschlechtsunterschiedes, 1899; Schultze, A., Der
Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35
(1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel, A. v.,
Erbrecht und Heimfall auf den Grundherrschaften Böhmens und Mährens, Archiv
für österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und der
Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“,
ZRG GA 50 (1930), 354; Plucknett, T., A Concise History of the
Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Hegglin, G., Das gesetzliche
Erbrecht der Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Bruck, E.,
Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des
Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der
Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959;
Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval
England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und
Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Bart,
J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966; Ebel, W., Über die Formel
„für mich und meine Erben“ in mittelalterlichen Schuldurkunden, ZRG GA 84
(1967), 236ff.; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht
von 1555, 1968; Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im
Gerichtsbezirk Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e
successioni nella storia del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska
familjerättens historia, 1970; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des
Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977;
Schröder, R., Abschaffung oder Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K.,
Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und
Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87;
Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Udina Abelló, A., La
successió testado, 1984; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission
zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert,
W., Erbrecht, 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur
Geschichte des Familien- und Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T.,
Erbrecht und Familie, 1988; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9.
Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Baker, H., An Introduction to English
Legal History, 4. A. 2002; Das Familien- und Erbrecht unter dem
Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993; Andres, I., Der
Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G., Der
Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die
Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der Schweiz,
ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001; Heusen,
F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Beckert, J., Unverdientes
Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen
Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Wesener, G., Ephemere
Besonderheiten des spätrömischen Erbrechts, FS Rolf Knütel, 2009, 1401; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Der Einfluss religiöser Vorstellungen auf die Entwicklung des Erbrechts, hg. v.
Zimmermann, R., 2012
Erbschaft (1205, Erbschaftsbesitz 1863, Erbschaftsbesitzer 1794, Erbschaftsgegenstand
1863, Erbschaftsklage 1687) ist das aus
Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tod
als Ganzes auf eine(n) oder mehrere Menschen bzw. Personen übergeht. Lateinisch
heißt die E. →hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der Grundstücke, Rechte
und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich anscheinend erst allmählich.
Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der
Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers
(Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge). Er erfolgt z.
B. bei den mit dem Tod des Hausvaters gewaltfrei werdenden römischen Hauserben
(lat. sui heredes als necessarii heredes) grundsätzlich mit dem Tod des
Erblassers, wobei eine Enthaltungsmöglichkeit ([lat.] beneficium abstinendi)
besteht. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben (Agnaten, Gentilen)
einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt, lat. [F.] aditio hereditatis)
vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem Erbschaftsantritt
eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen
der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten (für alle Erben)
übernommen. Daneben ist verschiedentlich eine Einweisung in die Erbschaft
durch das zuständige Gericht erforderlich (§ 797 ABGB Österreichs [1811],
vorher Erbantrittserklärung). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1896/1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch (1907/1911) wird (unter der
Möglichkeit der Ausschlagung) die Erbschaft unmittelbar erworben.
Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber,
E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H.,
Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des
Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb
im Spätmittelalter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschaftsanspruch (1862) ist bereits im klassischen römischen Recht der eine (lat.
actio in rem bildende) Klaganspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den,
der einen Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat.
hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem →Senatusconsultum
Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der
Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.]) kann die Herausgabe
auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in
der frühen Neuzeit weitgehend übernommen (Erbschaftsklage).
Lit.: Köbler, DRG 37; Müller-Ehlen, M., Hereditatis
petitio, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbschaftskauf (1784) ist der Kauf einer Erbschaft.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang
herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von
Justinian gewährten Rechtswohltat des →Inventars. Im Hochmittelalter
haftet noch im Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte
Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind.
Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird
die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. →Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG
59, 123
Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch →Erbfolge
erfassende →Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben
etwa an den Grundherrn (→Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich
wird (am 3. 6.) 1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und
führt bei sehr großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden auf der
unentwegten Suche nach Einkünften (des Staates) zu Lasten anderer im Laufe der
Zeit (z. B. 1997 bis 30%, 2008) noch erhöht.
Lit.: Köbler, DRG 210; Hübner, H., Erbschaftsteuerreform
2009, 2009; Handbuch Erbschaftsteuer und Bewertung, 2010
Erbschein (Preußen 1869) ist das amtliche,
vom Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über sein
Erbrecht und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils.
Ein entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es
allerdings auf den Fall der gesetzlichen →Erbfolge beschränken. Aus den
Erbbescheinigungen in Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze
Preußen entwickelt sich der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum
Erbschein des BGB, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschulze ist
der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde (und Beauftragte der
Herrschaft) der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19.
Jh. Der E. hat meist einen besonderen Erbschulzenhof und oft auch weitere
Vorrechte.
Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834;
Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, (in)
Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115
Erbteilung ist die Aufteilung des Erbes unter Erben. Für sie kennt im Streitfall
bereits das römische Recht Klagansprüche ([lat.] actio familiae erciscundae).
Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere
teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36 (1915), 478
Erbtochter ist
die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes
einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z.
B. Margarethe Maultasch 1363 in Tirol, Maria Theresia 1740 in Österreich).
Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A.,
Prinzipien der Thronfolge in Europa, (in) Vorträge und Forschungen, 1986
Erbunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Erbe zu werden (z. B. im römischen Recht Personenverbände,
später Ordensangehörige mit Armutsgelübde).
Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in
Abschwächung der Leibeigenschaft entstehende grundherrschaftliche Abhängigkeit
(Unfreiheit).
Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Erbunwürdigkeit (Österreich 1786) ist die im
spätrömischen Recht aus Einzelfällen (z. T. Tötung des Erblassers, Verhinderung,
Unterdrückung oder Fälschung des Testaments) entwickelte Unwürdigkeit, Erbe
zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium,
später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen.
Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur.
Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Nehmer, M., Erbunwürdigkeit und Elternunterhalt im internationalen Privatrecht,
2013
Erbverbrüderung →Erbvertrag
Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867
Erbvertrag (1535) ist der Vertrag zwischen
mindestens zwei Menschen, in dem mindestens einer der Vertragsschließenden
(Erblasser) vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen (z. B. Erbeinsetzung,
Vermächtnis, Auflage) trifft. Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig)
unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen geläufig und
deswegen in der oströmischen Rechtswirklichkeit im Gegensatz zum gesetzlichen
Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen →Affatomie
und dem langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlass einem nicht
verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas später
gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für
die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die
seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks
Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457 Braunschweig,
Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg, 1537 Liegnitz). In der frühen
Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom →usus modernus pandectarum
bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage
bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt im Naturrechtszeitalter bei Leyser
(1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius (1681-1741). Die Gesetzbücher
seit dem 18. Jh. lassen den E. zu (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756
III, 11, § 1, ALR Preußens 1794 I 12 §§ 617ff.), wobei ihn das österreichische
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) auf Ehegatten und drei Viertel
des Nachlasses beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des
Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.
Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, J., Ueber Erbvertrag, Rhein. Museum für
Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd.
1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R.,
Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, G., Gemeinrechtliche Begründung des
partikulären Erbvertrags, 1875; Vismara, G., Storia dei patti successori, Bd.
1f. 1941; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, (in)
Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Battes, R., Gemeinschaftliches
Testament und Ehegattenerbrecht, 1974; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Jaeckel,
G., Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537, 1988; Kuttig, W., Der
brandenburgisch-schlesische Erbverbrüderungsvertrag, 1988; Weimar, P.,
Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T.,
Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts,
2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Müller, M., Besiegelte
Freundschaft - Die brandenburgischen Erbeinungen, 2010
Erbverzicht (1602) ist der Verzicht auf das Erbe. Er ist im römischen Recht
ausgeschlossen. Später wird er zugelassen.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbzins (M.) erbliche Zinsverpflichtung, vielfach
aus Erbleihe, vom Mittelalter bis ins 19. Jh.
Lit.: Winiarz, A., Erbleihe und
Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Dannhorn, W., Römische
Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003
Ercto non cito
(lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).
Lit.: Kaser §§ 66 I 2
Erfindung (1282) ist
die erstmalige Herstellung eines neuen Werkes. In Altertum und Mittelalter
erfährt die E. keinen rechtlichen Schutz. Erst mit der E. des Buchdrucks mit
beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg (Mainz um 1450) entwickelt sich
allgemeiner der Schutz der E. (z. B. durch Privilegien gegen den unerlaubten
Nachdruck von Büchern). Hieraus entstehen im 19. Jh. Urheberrecht, Patentrecht
und weitere Erfinderrechte.
Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen
Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und vergleichsweisen
Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62 (1942), 294; Kurz,
P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F., Urheber- und
Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004; Schmidt, A., Erfinderprinzip und
Erfinderpersönlichkeitsrecht im deutschen Patentrecht, 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Flechsig, A., Frühneuzeitlicher Erfindungsschutz, 2013
Erfolgshaftung ist die beim bloßen Verursachen eines Erfolgs ohne
Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie
in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort →„Die Tat tötet den Mann“
zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die
Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolgs verstanden. E. in diesem
Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahrscheinlich, weil (wie bei der
Rache) ein Anknüpfen am verursachten sichtbaren Erfolg geringere
Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren
Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere
Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen entsprechen. Abweichend
hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (→Zwölftafelgesetz
[451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht gewolltem Erfolg.
Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung auf die Haftung für
ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das
Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten
eines Gewaltunterworfenen (→Noxalhaftung) anerkannt. Dieser Entwicklung
entspricht es, dass das germanische Recht wohl zwar am äußeren Erfolg anknüpft,
darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das
frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwischen vorsätzlicher Tat und sog.
Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des
öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit
peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht
erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter
dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (→Ihering) durch. Gleichzeitig
gewinnt aber gerade in und seit dieser Zeit die (vom Verschulden gelöste) →Gefährdungshaftung
(Eisenbahn u. s. w.) an Bedeutung.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H.,
Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487;
Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und
Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R.,
Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Bader, K., Zum
Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995) 1ff.;
Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380ff; Stübinger, S.,
Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im
Frühmittelalter, Habilitationsschrift 2003; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische
Strafe, 2006; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld, 2005; Der Strafgedanke,
2007
Erfüllung (1190, Erfüllungsinteresse 1879, Erfüllungsort 1828) ist das (Einhalten einer Verpflichtung bzw.) Bewirken der
geschuldeten Leistung durch den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als
(lat. [F.]) →solutio bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner
Verpflichtung frei.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden
beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M.,
Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht
gehörigen Erfüllung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Platschek, J., Das Edikt de pecunia
constituta. Die römische Erfüllungszusage, 2013
Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners
tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher
besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB
haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen
Vertreter ohne eigenes Verschulden.
Lit.: Köbler, DRG 214
Erfurt an
der Gera (742 Erphesfurt), das im 8. Jh. durch Bonifatius kurzzeitig
Bischofssitz ist und zu unbekannter Zeit (E. 10. Jh.) vom König an den
Erzbischof von Mainz gelangt, ist von (1378/1389/)1392 bis 1816 Sitz einer
Universität. 1802/1814 fällt es an Preußen. 1850 berät in E. ein Deutsches
Parlament erfolglos über einen Bundesstaat „Deutsches Reich“. Eine von Preußen
mit Sachsen und Hannover gegen Österreich gerichtetete Erfurter Union
scheitert am Widerstand Österreichs und einiger Mittelstaaten (Olmützer Punktation).
1991 wird E. Hauptstadt Thüringens. 1994 wird die Universität wiederbegründet. →Johannes
von E.
Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur.
Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union
bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984),
169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Erfurt 742-1992, hg. v.
Weiß, U., 1992; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P.,
Die ältere Universität Erfurt, (in) Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850,
hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter
Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter
Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Gramsch, R., Erfurter Juristen im
Spätmittelalter, 2003; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 169
Ergänzung (1530) ist das Hinzufügen in Richtung auf eine Ganzheit oder Vollständigkeit.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erholung ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme einer von einem →Fürsprecher
durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (→Sachsenspiegel
Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht vor 1200 gegen die Formenstrenge des
Verfahrensrechts und zur inhaltlichen Verbesserung nachteiliger Äußerungen
entwickelt und verschwindet im Spätmittelalter.
Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863;
Oestmann, P., Erholung am Ingelheimer Oberhof, (in) Symbolische Kommunikation
vor Gericht, 2006, 29ff.
Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit
endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein
Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des
Verfahrensrechts dessen Kern.
Lit.: Köbler, DRG 19, 202
Erlangen (1002 ersterwähnt, 1398 Stadtrecht) an der Regnitz wird am 4. 11. 1743 (in der Markgrafschaft
Bayreuth) Sitz einer der Aufklärung verpflichteten Universität (1792 Preußen,
1810 Bayern, zwischen 1743 und 1885 332 juristische Promotionseinträge), die
1961 mit einer Wirtschaftshochschule in Nürnberg (1919) verschmolzen wird.
Lit.: Kolde, T., Die Universität Erlangen, 1910;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer, A., Die
Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A.,
Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Wittern, R., Die
Professoren und Dozenten, Bd. 1f. 1993ff.; Willett, O., Sozialgeschichte
Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002; Wachter,
C./Hoffmann-Randall, C., Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
2004; Verzeichnis der Erlanger Promotionen 1743-1885, unter der Leitung v. Pohl,
R., 2009
Erlass ist
im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine Anweisung und im
Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der
privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. →solutio
[F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio, ähnlich pactum de non petendo).
Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht
Eingang.
Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erlaubnis ist
im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes
Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der
Entwicklung obrigkeitlicher Verbote.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche
Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970
Erler, Adalbert (Kiel 1. 1. 1904-Frankfurt am Main
19. 4. 1992), Admiralssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in
Heidelberg und Berlin (Hans Fehr, Ulrich Stutz, Promotion Greifswald 1929)
während einer Tätigkeit als Finanzbeamter in Frankfurt am Main (Rudolf Ruth)
1939 habilitiert. Über Straßburg (1941) und Mainz (1946) wird er 1950 nach
Frankfurt am Main berufen. Dort ediert er die Urteile des Ingelheimer Oberhofes
und begründet auf Anregung Wolfgang Stammlers das Handwörterbuch zur deutschen
Rechtsgeschichte.
Lit.: Rechtsgeschichte als
Kulturgeschichte, hg. v. Becker, H. u. a., 1976, Recht, Gericht, Genossenschaft
und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Dilcher, G., Nachruf, ZRG GA 110
(1993), 680ff.; In memoriam Adalbert Erler, hg. v. Hennle, K. u. a, 1994
Ermächtigung (1752) ist die Erteilung einer Macht zu einem Verhalten (für einen anderen).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang
nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispielsweise erlaubt es das deutsche
E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen
zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der schwierigen politischen
und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze (1919-1921 viermal
Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung übertragen) verabschiedet. Zwischen
1923 und 1932 wird stattdessen das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten
verwendet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das (mit notwendiger Zweidrittelmehrheit
vom Reichstag beschlossene) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich
erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf
die Reichsregierung überträgt und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt.
1937, 1939 und 1943 (durch Erlass des Führers) wird die Geltungsdauer
verlängert. Die auf seiner Grundlage erlassenen Gesetze sind wirksam. Durch das
Kontrollratsgesetz Nr. 1 wird dieses E. aufgehoben. In Österreich erlässt der
Kaiser 1914 gemäß § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung eine
Notverordnung, die zu notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiet und
zur Versorgung der Bevölkerung ermächtigt und 1917 durch Beschluss der
Reichsregierung zum kriegswirtschftlichen Emächtigungsgesetz wird. Nach
Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs durch Regierungsverordnung vom 23.
Mai 1933 wird am 30. 4. 1934 das bis 1938 geltende Bundesverfassungsgesetz
über außerordentliche Maßnahmen im Bereich der Verfassung die Bundesregierung
zur Gesetzgebung und zur Wiederverlautbarung der Maiverfassung 1934
beschlossen, das Nationalrat und Bundesrat auflöst und das Erfordernis einer
Volksabstimmung bei einer Gesamtänderung des Bundesverfassungsgesetzes aufhebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933;
Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 1955, 2. A. 1961,
Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R.,
1968; Huemer, P., Sektionschef Robert Hecht, 1975; Frehse, M.,
Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich, 1985; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985, 2. A. 1988; Eilers, S., Ermächtigungsgesetz und
militärischer Ausnahmezustand, Diss. jur. Köln 1988; Morsey, R., Das
Ermächtigungsgesetz, 1992; Schnur, R., Die Ermächtigungsgesetze von Berlin 1933
und Vichy 1940, 1993; Mommsen, H., Entstehung und Bedeutung des
Ermächtigungsgesetzes, 2003; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A.,
2003; Bickenbach, C., Vor 75 Jahren - Die Entmächtigung, JuS 2008, 199; Das Ermächtigungsgesetz
vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 2010; Rieker, S., Das Ermächtigungsgesetz
vom 24. 03. 1933 und die Konsequenzen des Grundgesetzes, 2013
Ermessen ist
der an der Vernünftigkeit des Ergebnisses ausgerichtete Maßstab für ein
Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe
des (19. und) 20. Jh.s zunehmend verrechtlicht.
Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K.
u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996
Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer
Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es
verrechtlicht.
Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen
Großstädten 1850-1914, 1996; Weinke, A., Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich
selbst, 2. A. 2009; Samel, E., Historische Entwicklung des
Ermittlungsverfahrens als Vorverfahren innerhalb des Strafprozesses, 2012
Ermland
Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des
Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen
Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumsunde Ermlands 33 (1969), 53
Ernestiner →Wettiner
Erpressung ist
die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch Nötigung dieser oder einer
anderen Person in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dem
entspricht im klassischen römischen Recht die (lat. [F.]) →concussio. In
der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Error (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird zunächst bei den
Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er einen Konsens
verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis,
den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.]
substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.] nomen).
Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis.
Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998
Errungenschaft (1582) ist der durch Tätigwerden erlangte Wert.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während
der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes
Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen
Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um
1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim Tod eines
Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des
Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die
Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden
Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird.
Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957
beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.
Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R.,
Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil,
P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459
Ersatz (1491, Ersatzanspruch
1854) ist das an die Stelle etwas anderen Tretende.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ersatzerbe ist
der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt
des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.]
substitutio) im Testament ist bereits im klassischen römischen Recht möglich
und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechtes übernommen.
Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.
Ersitzung (1520) ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im
altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung
auf Gebrauchnahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen
Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein
Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen
jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von
Unmündigen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare
Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz, der ein fremdes Besitzrecht
ausschließen will, einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der
Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung gutgläubig sein (vgl. D. 41, 3,
1). Mit Ablauf der Ersitzungsfrist erwirbt der Ersitzungsbesitzer ziviles
Eigentum. Im deutschen Recht hat die →Verschweigung (in einer Frist von
Jahr und Tag) eine vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes
wird die E. in der Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch
Verbindung von (lat. [F.]) usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.)
gefunden hat. Danach muss eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre (usucapio),
ein ersitzbares Grundstück bei Anwesenheit in der gleichen Provinz 10 bzw. bei
Abwesenheit 20 Jahre (longi temporis praescriptio) gutgläubig auf Grund eines
rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens 30 Jahre (longissimi temporis
praescriptio) gutgläubig besessen worden sein. Nach kanonischem Recht muss seit
Papst Innozenz III. (X 2, 26, 20) guter Glaube noch am Ende der Ersitzungsfrist
vorliegen. Vielfach wird dabei die E. mit der Verjährung in der (lat. [F.])
praescriptio zusammengefasst. Savigny trennt beides wieder. Die E. verliert
wegen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs und wegen der Einrichtung des
Grundbuchs an tatsächlicher Bedeutung. Nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen
Eigenbesitz (§ 937 BGB, Österreich 1452 ABGB, 3 bzw. 30 Jahre), bei Grundstücken
30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch (§ 900 BGB Tabularersitzung). Eine
E. gegen das Grundbuch (Kontratabularersitzung) ist ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die
Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erskine of Carnock,
John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am
Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches Recht in Edinburgh,
veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.) Principles of the Law of
Scotland (Grundsätze des Rechtes Schottlands) das bis in das 20. Jh. führende
Lehrbuch des schottischen Rechtes.
Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969,
171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202
Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem
Investiturstreit entstandene, 1191 erstmals belegte, seit 1437 allmählich an
die Zustimmung des Papstes gebundene Recht des deutschen Königs (und dann auch
der Landesherren) auf einen verbindlichen Besetzungsvorschlag für die erste
nach seiner Krönung bzw. ihrem Herrschaftsantritt freigewordene Pfründe jedes
Stiftes oder Klosters. Das E. ist zum Panisbrief zu trennen.
Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, 1919; Feine,
H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51 (1931), 1;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 387
Erstgeburt →Primogenitur
Ertränken ist
die im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum Eintritt des Todes
bestehende, vom Altertum bis in das 18. Jh. bekannte Form der Todesstrafe
(ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die Täter von
Diebstahl, Unterschlagung, Notzucht, Doppelehe, Gotteslästerung u. s. w.). Abgelehnt wird das E. von der
Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1768).
Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922
Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit dem 4./8.
2. 1508 (dem Scheitern der angestrebten Krönung Maximilians I. folgend) der die
Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des →Kaisers
des Heiligen römischen Reiches .
Lit.: Rabe, H., Reich und Glaubensspaltung, 1989;
Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1
Erwerb (1378, Erwerbsgeschäft
1795) ist das durch Verhalten Erlangen und das durch Verhalten Erlangte.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erzamt (14. Jh., lat. [N.] archiofficium) ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der
Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356
den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch
erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien
[Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann
Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk
[Böhmen]).
Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911;
Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970;
Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000;
Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Ertl, T., Alte
Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30
(2003), 619ff.
Erzberger,
Matthias (Buttenhausen/Württemberg 20. 9. 1875-bei Bad Griesbach/Schwarzwald
26. 8. 1921) wird 1903 für die (katholische) Zentrumspartei als jüngster
Abgeordneter in den Reichstag gewählt und unterzeichnet als Staatssekretär der
Regierung Prinz Max von Baden am 11. 11. 1918 den Waffenstillstand zur
Beendigung des ersten Weltkriegs für das deutsche Reich. Als
Reichsfinanzminister (20. 6. 1919) setzt er eine umfassende Reichsfinanzreform
durch, muss aber wegen nur teilweise entkräfteter Bereicherungsvorwürfe am 12.
3. 1920 zurücktreten. Bei einem Spaziergang wird er von Nationalisten
erschossen.
Lit.: Epstein,
K., Matthias Erzberger, 1962; Möller, A., Reichsfinanzminister Matthias
Erzberger, 1971; Huber-Stentrup, E., Der Mord an Matthias Erzberger, JuS 1981,
246ff.; Haehling von Lanzenauer, R., Der Mord an Matthias Erzberger, 2008
Erzbischof (lat.
[M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie
in der anglikanischen, schwedischen und finnischen) Kirche der Titel des
Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Erzherzog ist
die durch das gefälschte lat. →privilegium (N.) maius (um 1358) entwickelte,
1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten gebilligte
Titulatur des Herzogs von →Österreich (1804 Kaiser).
Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957
Erziehung
Lit.: Schwanke, B., Die verfassungsrechtliche Entwicklung
der staatlichen Erziehungsrechte und der allgemeinen Schulpflicht, 2010;
Schreiber, H., Im Namen der Ordnung - Heimerziehung in Tirol, 2010
Erzkanzler ist
der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen
römischen Reich . Dies ist seit dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof
von Mainz (, für Italien seit 1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw.
lat. [F.] Gallia seit 1308 der Erzbischof von Trier).
Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889;
Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997
Eschwege
Lit.: Eckhardt, A., Eschweger
Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964;
Heinemeyer, K., Der Königshof Eschwege in der Germar-Mark, 1970
Eselreiten ist
die aus Ostrom über Italien in das Heilige römische Reich kommende, für die
Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für
Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte →Ehrenstrafe.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, 1920; Künßberg, R., Rechtliche Volkskunde, 1936; Lentz,
M., Konflikt, Ehre und Ordnung, 2004
Esmein,
Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in
Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890 Professor für
Rechtsgeschichte Frankreichs (1892 Cours élémentaire d’histoire du droit
français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).
Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de
Adhémar Esmein, (in) Séances et travaux de l’Académie des sciences morales 87,
1917, 437
Essen
Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der
Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift
Essen, die große Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg-Altena um 1220,
hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M. Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der
ehemaligen Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur
Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971); Gründerjahre, hg. v. Borsdorf,
U. u. a., 2005
Esslingen
Lit.: Maier, K., Das Strafrecht
der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur. Tübingen 1960; Kirchgässner, B.,
Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Esslingen im Spätmittelalter, 1964;
Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der
Adelberger Freihof in Esslingen, 1970; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr
Prozess, 1992
Estland ist
der am Ostrand der mittleren Ostsee südlich Finnlands gelegene
nordosteuropäische Staat mit der Hauptstadt Reval bzw. Talinn. E. geht auf ein
von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am Finnischen und Rigaischen
Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüderorden und Dänemark erobert
wird und bis 1346 an den →Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter
dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das
älteste livländische Ritterrecht. Das Recht der deutschen Herrschaftsschicht
folgt dem Recht des Heiligen römischen Reiches, während die abhängigen Bauern
nach ungeschriebenem Gewohnheitsrecht leben. 1561 (Norden)/1580 fällt das
Gebiet an Schweden, das die Reformation einführt und in Dorpat eine Universität
gründet. 1710/1721 kommt das Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er
landtagsfähiger Familien) an →Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt
russifiziert. 1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem
von Friedrich Georg von →Bunge erarbeiteten, zu mehr als der Hälfte
römischrechtlich geprägten Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements
Russlands, rund 4600 Bestimmungen) niedergelegt, das dem Bürgerlichen
Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Das Gerichtswesen
wird 1889 modernisiert. Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E.
(Strafgesetzbuch 1929/1935, Entwurf eines Zivilgesetzbuchs 1936), in der 1939
die Deutschbalten ausgesiedelt werden, wird am 6. 8. 1940 der das sowjetische
Recht in Kraft setzenden Sowjetunion eingegliedert (1941-1944 vom deutschen
Reich besetzt), am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig
anerkannt. Das sowjetische Recht wird danach unter Verwendung deutscher
Vorbilder vor allem im Privatrecht und Strafrecht durch eigenes Recht ersetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung
in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H.,
Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die
estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076;
Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der
Mächte, Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999;
Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003; Küpper, H.,
Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Modernisierung durch
Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg.v. Giaro, T., 2006;
Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007;
Luts-Sootak, M., Der Fall Estland, ZRG GA 125 (2008), 276; Donnert, E.,
Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008
Estoppel (Verschweigung)
ist im englischen Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus
einem übergeordneten Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer
(vertuschen, niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges
des englischen Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von
Eintragungen in die Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht
bestritten werden kann. Um die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass
Urteile zuständiger Gerichte in ihren rechtserheblichen Feststellungen von den
Parteien und ihren Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by
record). Daneben erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine
Erklärung, die in einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten
ist, von dem nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die
Urkunde trägt, sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem
15. Jh. ist die vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei,
die eine im Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung
vorgenommen hat, eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B.
Mietvertrag für Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus
entwickelt e. by conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip
des e. erheblich verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird
nicht vom Richter von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der
Partei.
Lit.: Riezler, E., Venire contra factum
proprium, 1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E.,
Die materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1,
875,
Estor,
Johann Georg (Schweinsberg/Hessen 8. 6. 1699-Marburg 25. 10. 1773) wird nach
dem Studium des Rechtes und der alten Sprachen in Gießen, Jena (1719) und Halle
(Johann Peter von Ludewig, Nikolaus Hieronymus Gundling) in Gießen 1726 außerordentlicher
und 1728 ordentlicher Professor und promoviert. 1734 wechselt er nach Jena,
1742 nach Marburg. Seine dreibändige bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen
(1757) enthält erstmals eine systematische Zusammenstellung des gesamten
geltenden einheimischen deutschen Rechtes und beeinflusst wie auch das übrige
Werk Estors Schüler Johann Stephan Pütter.
Lit.: Sippel, C., J. G. Estor,
1874; 650 Jahre Stadt Schweinsberg, 1982; Buschmann, A., J. G. Estors System
der bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen, (in) Wirkungen europäischer
Rechtskultur, 1997, 77ff.; Buschmann, A., Estor, Pütter, Hugo, (in) Festgabe
Elmar Wadle, 2004, 75ff.
états généraux
(franz.) Generalstände (1468)
Ethik (F.)
Sittenlehre
Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997;
Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999
Ethnologie (F.)
Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet
500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh. mit Suche evolutionärer
Gesetzmäßigkeiten, Feldforschung einfacher Stammesgesellschaften,
Ethnographie traditioneller Streitschlichtungsverfahren, Rechtspluralismus)
Lit.: Post, A., Bausteine für eine allgemeine
Rechtswissenschaft auf vergleichender ethnologischer Basis, Bd. 1f. 1880f.,
Neudruck 1995; Thurnwald, R., Werden, Wandel und Gestaltung des Rechts, 1934;
Pospisil, L., Anthropology of Law, 1971; Moore, S., Law as process, 1978;
Newman, K., Law and economic organization, 1983; Kohl, K., Ethnologie, 1993;
Rouland, N., Legal anthropology, 1994; Fikentscher, W., Modes of thought, 1995,
2. A. 2004; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M.,
Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v.
Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie,
2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen
Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004
Etrusker ist der Angehörige eines vielleich
vor den Römern und neben den Römern in Mittelitalien (Toskana) ansässigen,
hochstehenden, im 8. Jh. v. Chr. sichtbaren, aber nicht näher bekannten, mit
seinen letzten Stadtstaaten 89 v. Chr. in das römische Bürgerrecht
aufgenommenen Volkes.
Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A.
1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993;
Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der
Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u.
a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom,
2003, 2. A. 2009; Entstehung von Staat und Stadt bei den Etruskern, hg. v.
Aigner-Foresti, L u. a., 2006; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker, 2010; Kulte -
Riten - religiöse Vorstellungen bei den Etruskern und ihre Auswirkungen auf
Politik und Gesellschaft, 2012
Etter ist
der (aus lebenden Gewächsen geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche
Wohnsiedlung oder die einzelne Hofstatt (tatsächlich bzw. rechtlich) vom Umland
trennt.
Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74; Lieberich, H., Etterrecht und
Ettergerichtsbarkeit in Bayern, Z. f. bay. LG. 21 (1958), 472ff.
Etymologie ([F.]
Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare
Lehre vom Ursprung (gr. etymon, Stammwort) eines Wortes, die bei der Aufklärung
der Entwicklungsgeschichte der sprachlichen Einheiten hilfreich ist.
Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des
Mittelalters, 1970; Seebold, E., Etymologie, 1981; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995
Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre
Lit.: Roth,
A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, (in) Themen juristischer Zeitgeschichte
(1) Schwerpunktthema - Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a.,
1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000; Merkel, C.,
„Tod den Idioten“, 2006; Wie nationalsozialistisch ist die Eugenik? hg. v.
Wecker, R. u. a., 2008; Westermann, S., Verschwiegenes Leid, 2010 (mehr als
300000 Zwangssterilisationen im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945); The
Oxford Handbook of the History of Eugenics, hg. v. Bashford, A. u. a., 2010
Euratom (F.) Europäische Atomgemeinschaft
Eurich (um
440?-484) ist der westgotische König (466) mit königlichem Vater (Theoderich
I.), der große Gebiete erobert und dem der →Codex Euricianus (um 475)
zugeschrieben wird. →Gote
Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El
Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen
Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungseinheit.
Lit.:
Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003; Schön, G., Euro Mümzkatalog, 13. A. 2014; Die
Euro-Münzen, bearb. v. Sonntag, K., 11. A. 2012, 13. A. 2013
Europa ist
(die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte Frau der griechischen
Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens
zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm). In vielen Beziehungen
entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig übereinstimmend.
Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische
Recht des Altertums wieder aufgegriffen (→Rezeption). Auch Kirchenrecht,
Aufklärung und Vernunftrecht wirken vereinheitlichend. Im 19. Jh. wird E. zu
einem überlegenen Raum des Fortschritts, aus dem die im Nationalstaat
eingebundene Gesellschaft zum Zugriff auf die übrige Welt ausreichende Mittel
zur Verfügung stellt und zur kriegerischen Auseinandersetzung bereit ist. 1923
begründet der Schriftsteller Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi (Tokio
17. 11. 1894-Schruns 25. 7. 1972) eine Paneuropa-Bewegung (1947 Europäische
Parlamentarier Union, später Reorganisation der Paneuropa-Bewegung). Zu einer
festeren Ausbildung einheitlichen Rechtes kommt es jedoch erst seit den zur Vermeidung
weiterer Kriege (vor allem zwischen Frankreich und Deutschland geschaffenen)
Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952/1957,
Europäische Union 1993, „Verfassung“ 2003/2004/2007/2008/2009).
Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa
1923, 4. A. 1926; Dawson, C., The Making of Europe, 1932; Reynold, G. de,
L’Europe tragique, 1934; Reynold, G. de, La formation de l’Europe, 1942ff.;
Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1947, 5. A.
1965; Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die
Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Chabod, F., Storia dell’idea di
Europa, 1961; Foerster, R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P.,
Europa und das römische Recht, 1947, 4. unv. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der
Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de
code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und
18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter,
1970; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig,
K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La
formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G.,
Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der
gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell’Europa,
1980; Gerhard, D., Old Europe, 1981; Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997;
Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E.,
1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W.,
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R.,
Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Bd. 1
Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der
frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen
der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben
und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards
the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die
europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte
Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992,
2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994;
Europaideen im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v.
Reinalter, H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der
Historiker, hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995;
Europa im Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die
Entstehung des christlichen Europa, 1996; Brandstetter, G., Chronologisches
Lexikon der europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas,
1996; Davies, N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches
Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg.
v. Delouche, F., 1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck,
I., Europäische Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa
zwischen den Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen
Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit, 1999; Die Entstehung des
modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung
und das Problem Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000;
Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des
18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000;
Schmale, W., Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000;
Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten und Imperien seit dem Altertum,
2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Segl, P.,
Byzanz. Das andere Europa, 2001; Zimmermann, R., Roman Law, Contemporary Law,
European Law, 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte, M.,
Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und
Gleichheit 1850-1914, 2002; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen
1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem, R. van,
European law, 2002; Brunn, G., Die europäische Einigung, 2002; Mitterauer, M.,
Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650,
2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard,
W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die Geburt Europas im Mittelalter,
2004; James, H., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u.
a., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, 2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v.
Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500,
2004; Europa und seine Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg.
v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel,
V., Die Ursprünge Europas, 2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln
Europas, 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische
Kulturgeschichte, 2004; Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung,
hg. v. Hummer, W., 2004; Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine
europäische Verfassung, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für
Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Der Konvent zur Zukunft der
Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004; Ehlers, J., Das westliche
Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa, 2004; Schuller, W., Das erste
Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen Restauration und Revolution
1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T., Das alte Europa 1660-1789, 2005; Nolte,
H., Weltgeschichte, 2005; Conze, V., Das Europa der Deutschen, 2005; Petersen,
T., Europa – Eine Kulturgeschichte, 2006; Elvert, J., Die europäische
Integration, 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Wyrwa, U.,
Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283 (2006), 102; Krüger, P., Das
unberechenbare Europa, 2006; Europa im späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R.
u. a., 2006; Gasteyger, C., Europa zwischen Spaltung und Einigung, 2006; Judt,
T., Geschichte Europas, 2006; Boshof, E., Europa im 12. Jahrhundert, 2007;
Chabert, G., L’idée européenne, 2007; Blickle, P., Das alte Europa, 2008;
Europa im Weltbild des Mittelalters. Kartographische Konzepte, hg. v.
Baumgärtner, I. u. a., 2008; Kohler, A., Expansion und Hegemonie, 2008; Darwin,
J., After Tamerlane, 2008; Gall, L., Europa auf dem Weg in die Moderne, 5. A.
2009; Liedtke, R., Geschichte Europas von 1800 bis zur Gegenwart, 2009;
Schorn-Schütte, L., Studienhandbuch frühe Neuzeit Europäische Geschichte
1500-1789, 2009; Schorn-Schütte, L., Konfessionskriege und europäische
Expansion, 2010; Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2. A.
2009; Schulz, M., Normen und Praxis, 2009; Winkler, H., Geschichte des Westens,
2009; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009; Doering-Manteuffel,
A., Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871, 3. A. 2010;
Wesel, U., Geschichte des Rechts in Europa, 2010; How to (Re)Write European
History, hg. v. Rathkolb, O., 2010; Schorn-Schütte, L., Konfessionskriege und
europäische Expansion, 2010; Gehler, M., Europa, 2010; Schneidmüller, Bernd,
Grenzerfahrung und monarchische Ordnung - Europa 1200-1500, 2011; Wirsching,
A., Der Preis der Freiheit, 2012; Prettenthaler-Ziegerhofer, A., Europäische
Integrationsrechtsgeschichte, 3. A. 2012; Neue Wege in ein neues Europa, hg. v.
Koopmann, M. u. a., 2012; Fuhrer, A. u. a., Eine Freundschaft für Europa, 2013;
Fenske, H., Der Anfang vom Ende des alten Europa, 2013; Europäische Einigung im
19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Lappenküper, U. u. a., 2013;
Prettenthaler-Ziegerhofer, A., Verfassungsgeschichte Europas, 2013;
Langewieschew, D., Das Jahrhundert Europas, HZ 296 (2013), 29
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist die (nach Scheitern einer europäischen
politischen Gemeinschaft und einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft an
der Ablehnung durch die Nationalversammlung Frankreichs 1954) am 25. 3. 1957
zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene Gemeinschaft europäischer Staaten
(zunächst Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg) in
Angelegenheiten der Kernspaltung. →Europäische Gemeinschaft
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996;
Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998
Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4.
1. 1960 in Stockholm gegründete Zusammenschluss siebener europäischer Staaten
(Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985],
Finnland [1961/1986], Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island
(1970), Norwegen, Liechtenstein [1991]). Die Bedeutung der Europäischen
Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts der wichtigsten Mitglieder in
die →Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw. Europäische Union und der
Gründung eines europäischen Wirtschaftsraums (1994, Liechtenstein 1. 5. 1995) gering.
Europäische Gemeinschaft ist die 1993 (Vertrag von Maastricht 7. 2. 1992) durch
Umbenennung aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft entstehende europäische
Gemeinschaft.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A.
1995
Europäische Gemeinschaft(en) sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951-2002) und die
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957) mit jeweils eigener
Rechtspersönlichkeit. Sie haben seit dem Abkommen über gemeinsame Organe der
Europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957 ein gemeinsames Parlament und einen
gemeinsamen Gerichtshof, und seit dem sie zu den Europäischen Gemeinschaften
zusammenschließenden Fusionsvertrag (8. 4. 1965 unterzeichnet, 1. 1.1967 in
Kraft getreten) eine gemeinsame Kommission, einen gemeinsamen Rat und einen
gemeinsamen Rechnungshof. 1973 werden die europäischen Gemeinschaften um
Dänemark, Großbritannien und Irland erweitert (Norderweiterung), 1981 um Griechenland,
1986 um Portugal und Spanien (Süderweiterung). Zum 7. 2. 1992 (Vertrag von
Maastricht/Niederlande) werden sie zur →Europäischen Gemeinschaft
zusammengeschlossen, die 1993 in Europäische Union umbenannt wird (am 1. 11.
1993 in Kraft getretener Vertrag [von Maastricht] über die europäische Union). Mit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische
Union Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996;
Rothacher, A., Diue Kommissare, 2012
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die auf der Grundlage eines Plans Robert Schumans als
Außenminister Frankreichs vom 9. 5. 1950 am 18. 4. 1951 zwecks Kontrolle der
deutschen Rüstungsindustrie zwischen der Bundesrepublik Deutschland,
Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg unter Übertragung
einzelstaatlicher Hoheitsrechte für die Montanindustrie (Kohle, Eisenerz)
vereinbarte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte internationale
Gemeinschaft (Montanunion mit hoher Behörde, Rat, Versammlung und
Gerichtshof). In ihrem Rahmen wird auf der Konferenz von Messina am 1./2. 6.
1955 die Einsetzung von Arbeitsgruppen zur Bildung weiterer europäischer
Gemeinschaften beschlossen, deren Tätigkeit die Grundlage für die römischen
Verträge vom 25. 3. 1957 über die europäische Atomgemeinschaft und die europäische
Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Der am 23. Juli 2002 ausgelaufene Vertrag über
die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist nicht erneuert und der
Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der Europäischen
Gemeinschaft unterstellt.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäische Konvention
zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der auf der Grundlage der
Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 vom →Europarat
1950 ausgearbeitete, in Rom am 4. 11. 1950 von 13 Staaten (Belgien, Dänemark,
Deutschland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Türkei und Großbritannien) unterzeichnete, 1952 von der Bundesrepublik
Deutschland als Gesetz angenommene, am 3. 9. 1953 allgemein in Kraft getretene,
1957 von Österreich mit Verfassungsrang und inzwischen von allen Staaten
Europas anerkannte völkerrechtliche, um (14) Zusatzprotokolle ergänzte Vertrag,
der in allen der Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern
die grundlegenden menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind (bis 1998) eine
Europäische Kommission für Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte mit Sitz in Straßburg gebildet.
Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention
in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997; Grabenwarter, C., Europäische
Menschrechtskonvention, 3. A. 2008
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften bzw. →Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung,
Auslegung und Fortbildung des Europäischen Unionsrechts sichern soll.
Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes
vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000; Davies, B., Resisting
the European Court of Justice, 2012
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der →Europäischen Konvention zum
Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete Gericht, das über die
Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten Menschenrechte wacht und von
den Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission für Menschenrechte (, an
die sich Bürger wenden müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu
geordnet.
Lit.: Polakiewicz, J., Die Verpflichtungen der Staaten aus
den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß, S.,
Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006
Europäischer Rat ist
das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der →Europäischen
Union gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende
Organ.
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der →Europäischen
Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone vereinbarte,
1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994), Norwegen und Island
in Kraft getretene einheitliche europäische Wirtschaftsraum, dem die Staaten
der Europäischen Union und Island, Norwegen und Liechtenstein angehören.
Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555
Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen Völkerrecht und staatlichem
Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der
Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der Europäischen
Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem von den
Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E. G.).
Das Europäische Gemeinschaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den einzelnen
Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen Staates. Nicht
E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten
geschaffene Recht.
Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht,
1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäisches Parlament
(Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame parlamentarische Hauptorgan der →Europäischen
Gemeinschaften bzw. Europäischen Union.
Lit.: Thöne-Wille, E., Die Parlamente der EG, 1984
Europäisches Recht
ist das in →Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa einheitlich
geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im Altertum
selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreichs. Im
Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter
und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte nebeneinander.
Mit der Aufnahme des römischen Rechtes in andere Rechte kommt es zwar ebenso zu
einer gewissen Europäisierung wie mit der Anwendung des einheitlichen
kirchlichen Rechtes im christianisierten Europa, doch gelten beide gelehrten
Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren Geltungsgebiet
erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten. In sie finden
zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R. erst im Rahmen
der →Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union in größerem
Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen. →Europarecht,
Europäisches Gemeinschaftsrecht
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002, 8. A. 2005;
Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé
commun? – Skizzen zum gemeineuropäischen Privatrecht, 1994; Europas universale
rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v.
Köbler, G. u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische
Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v. Smits, J., 2005;
Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König, B. u. a., 2007;
Metzger, A., Extra legem - intra ius, 2009
Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der →Europäischen
Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem seinerzeitigen Ziel, bis zum
Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen
(Währungseinheit Euro).
Lit.: Scharrer, H./Wessels, W., Das Europäische
Währungssystem, 1983
Europäische Union
ist die durch den Vertrag von Maastricht/Niederlande am 7. 2. 1992 gegründete,
zum 1. 11. 1993 unter Ergänzung um die Politikbereiche gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik und Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres aus der
Europäischen Gemeinschaft bzw. den Europäischen Gemeinschaften entwickelte Verbindung
(Staatenverbund) der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien,
Niederlande, Belgien, Luxemburg (1951), Großbritannien (1973), Irland,
Dänemark, Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995
Österreich, Schweden und Finnland stoßen. Ihre (in der Form der Organleihe
wirkenden [str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer
Gerichtshof. Zum 1. 5. 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen,
Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern
(Südzypern), zum 1. 1. 2007 um Rumänien und Bulgarien erweitert. Außerdem
äußern die Türkei, Kroatien, Serbien, Albanien, Russland und andere Staaten
einen Wunsch nach Mitgliedschaft. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der
europäischen Union (Unionsbürger 1993) dürfen sich der Freiheiten der
Europäischen Union bedienen und sind im Wohnsitzstaat kommunalwahlberechtigt.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische
Union Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft.
Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar,
J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2.
A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen
Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W., Historische
Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998;
Die Europäische Union als Prozess, hg. v. Hrbek, R. u. a., 1998; Die
Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K. u. a., 2000;
Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a., 2004; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU,
2004; Dinan, D., Europe Recast, 2004; Schönberger, C., Unionsbürger,
2006; Thurner, P., Die graduelle Konstitutionalisierung der Europäischen Union,
2006; Kristoferitsch, H., Vom Staatenbund zum Bundesstaat?, 2007; Vom
gemeinsamen Markt zur Europäischen Unionsbildung, hg. v. Gehler, M., 2007;
Fünfzig Jahre römische Verträge, hg. v. Schulze, R. u. a., 2008; Thiemeyer, G.,
Europäische Integration, 2009; Weidenfeld, W., Die Europäische Union, 2010;
Callies, C., Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010;
Mangold, A., Gemeinschaftsrecht und deutsches Recht, 2011; Marschner, S., Die
Geschichte und Entwicklung der Europäischen Union, 2011; Grüner, C., Quantität
und Qualität der europäischen Rechtsetzung, 2011
Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist die durch Gründungsvertrag am 27. 5. 1952 beschlossene, auch die
Schaffung einer europäischen politischen Gemeinschaft vorsehende, am 30. 8.
1954 an der Ablehnung durch die Nationalversammlung Frankreichs gescheiterte Verteidigungsgemeinschaft
Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs
mit europäischer Gemeinschaftsarmee), deren Zielsetzung am 23. 10. 1954 in der
Westeuropäischen Union fortgeführt wird.
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung ist die durch Verordnung des Rates der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung gestellte Unternehmensform.
Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform
geschaffenen Groupement d’Intérêt Economique.
Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérêt
Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung, 1990
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich,
Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere
Mitglieder ausgedehnte, eine allgemeine wirtschaftliche Untegration durch
Herstellung eines gemeinsamen Marktes anstrebende europäische Gemeinschaft in
Wirtschaftsangelegenheiten. Sie ist eine der →Europäischen
Gemeinschaften. Nach Erweiterung ihrer Politiken (Aufgaben) durch die
einheitliche Europäische Akte (1986) und den Vertrag von Maastricht (1992) wird
sie in Europäische Gemeinschaft umbenannt.
Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989;
Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999; Pitzer,
F., Interessen im Wettbewerb, 2009; Patel, K., Europäisierung wider Willen,
2009; Ebert, V. u. a., Europa ohne Fahrplan?, 2010
Europarat (Sitz in Straßburg) ist der am 5. 5. 1949 in London von 10
Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg,
Niederlande, Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich von Großbritannien)
errichtete völkerrechtliche Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit
1990 zunehmend auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste
Kaukasusrepublik wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates,
2007 47 Mitglieder) mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche
Verbindung der Mitgliedstaaten herzustellen. Die Organe sind das
Ministerkomitee (der Außenminister), die beratende Versammlung (von Vertretern
der Parlamente der Mitgliedstaaten) und das Ständige Sekretariat. Sie wirken
hauptsächlich durch Empfehlungen und Konventionen. Auf den E. gehen die →Europäische
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der →Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte zurück.
Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956;
Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of
Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die
Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008
Europarecht ist
das gesamte, eine europäische Organisation betreffende Recht. Dementsprechend
wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des Nordatlantikpakts
(NATO), der Westeuropäischen Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des →Europarats, der Europäischen
Freihandelsassoziation (EFTA) und das →europäische Gemeinschaftsrecht
gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht
(Unionsrecht).
Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R.,
Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996; Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht
und nationalem Recht der Mitgliedstaaten, hg. v. Hummer, W., 2010; Schwarze,
J., Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Bd.
1f. 2012f.
Euthanasie ist
die bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch
Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich planmäßig für
gesellschaftspolitische Ziele verwendet (Euthanasiebefehl Adolf Hitlers von
Ende Oktober 1939 mit [bis 24. 8. 1941] rund 100000 vergasten oder verhungerten
Menschen „lebensunwerten Lebens“).
Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten
Reich, 2. A. 1980; Klee, E., „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur
Euthanasie, (in) Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v.
Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass,
C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004; Die
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, hg. v. Riha, O., 2005; Die
nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion „T4“, hg. v. Rotzoll, M. u. a., 2010;
Hammon, K., Karl Binding, Alfred E. Hoche, 2011
evangelisch (Adj.) die Evangelien betreffend, protestantisch, lutherisch
Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen evangelischen
bzw. protestantischen Kirchen. Es baut auf dem →kanonischen Recht auf. Es
unterscheidet sich aber von diesem durch zahlreiche eigenständige
Entwicklungen.
Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und
Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Eventualmaxime ist der Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines
Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrags diesen
einschließlich aller (denkbaren) Möglichkeiten bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des
gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetatsachen soll das Verfahren
beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess
an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der
Eventualmaxime, 1980
Evers,
Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt
unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht der Russen“ die
Entwicklung des Rechtes in Russland vom patriarchalischen Zustand der
bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
Eviktion (→Entwerung)
ist die Wiedererlangung des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten
bzw. der Entzug des Besitzes auf Seiten eines Käufers. Im klassischen römischen
Recht kann der Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache
gegen den Verkäufer grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangen
kann (lat. [F.] actio auctoritatis), wenn die Sache dem Käufer auf Grund eines
dinglichen Rechtes im Rechtsstreit entzogen wird. Diese Gestaltung ist in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452
Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung)
ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des
Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu
ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium
(N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der
Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des
Königs beseitigt.
Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die
Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et
appellando, ZRG GA 86 (1969), 97
Ewa (F.)
ist die althochdeutsche Bezeichnung (8. Jh.) für das (objektive) Recht (lat.
[F.] lex). Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as., afries.,
ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang, Gewohnheit, zu
lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?). Der Bezug zum
religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden sein
(altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung auf
(rechtmäßige) →Ehe ein.
Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J.,
Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, (in) Stand und Aufgaben der
Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa,
(in) Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937
Ewa Chamavorum
ist das Volksrecht (lat. [F.] lex) des fränkischen Teilstamms der an der
Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei
Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird
es 802/803 in Aachen durch einen Königsboten erfragt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953
Ewiger Landfriede
ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit Rat der Reichstände auf
der Grundlage von Landfrieden von 1486, 1474, 1471 und 1442 (sowie [1356 und]
1235) erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und deswegen zwar nicht im
Text, aber doch von den Zeitgenossen als ewig bezeichnete und tatsächlich bis
1806 geltende →Landfriede des Heiligen römischen Reiches. Er hebt das
Fehderecht zugunsten der gerichtlichen Entscheidung jedes Rechtsstreits auf
(Fehdeverbot unter Androhung der Reichsacht). Zugleich drängen damit die Stände
den König in der Friedenswahrung zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und
Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4; 1495, 1995, 71ff.; Landfriede,
hg. v. Buschmann, A. u. a., 2002; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EwigerLandfriede1495.htm
Ewigrente ist
im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte →Rente.
Lit.: Hübner
Ewigsatzung ist
im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer gedachte →Satzung
eines →Pfandes.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981
exactio (lat.
[F.]) Eintreiben (von Forderungen)
Exceptio (lat.
[F.] Ausnahme) ist die Einrede (als Verteidigung eines Beklagten gegen einen
Klaganspruch [stricti iuris, strengen Rechtes]). Sie ist im römischen Recht
ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter
denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] →actio) zufolge zu verurteilen wäre.
Aus dieser verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf Antrag des
Beklagten in die Klagformel eingefügt wird (z. B. lat. exceptio doli, exceptio
pacti), entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das
Begehren des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im
Heiligen römischen Reich im Spätmittelalter wird die e. aufgenommen (z. B. 1721
mehr als 150 exceptiones unterschieden). Im Laufe des 19. Jh.s wird die e.
durch Einrede und Einwendung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.;
Köbler, LAW; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 18761, 3. A.
1878; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess, 1999
Exceptio (F.) doli
(lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen Recht (bei den [lat.,
N.Pl.] iudicia stricti iuris) grundsätzlich nur bei besonderer Aufnahme in die
Klagformel des Prätors auf Verlangen des Beklagten, bei den sog. →bonae-fidei-iudicia
aber auch ohne diese. Sie kann auf die Vergangenheit oder die Gegenwart bezogen
sein.
Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62,
65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli
generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1
Exceptio (F.) iusti dominii (lat.) ist im römischen
Recht die Einrede des quiritischen
Eigentümers gegenüber der (lat.) actio (F.) Publiciana des Ersitzungsbesitzers.
Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei Kauf, Miete und
Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.
Lit.: Kaser § 38
Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des nichtgezahlten
Entgelts.
Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata pecunia,
SDHI 60 (1994)
Exceptio (F.) rei sibi (ante bzw. quoque) pigneratae
(lat.) ist im römischen Recht bei einer
Mehrfachverpfändung die Einrede eines vorrangigen oder besitzenden Pfandgläubigers
gegen eine (lat.) actio (F.) Serviana eines nachrangigen oder anderen
Pfandgläubigers.
Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die dem Käufer (einer nicht
durch [lat.] mancipatio, sondern nur durch [lat.] traditio übertragenenen res
mancipi als bloßem bonitarischem Eigentümer) seit Einführung des
Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden Verkäufer und
quiritischen Eigentümer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen
Kaufsache.
Lit.: Kaser §§ 22, 27
Exegese (F.)
ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegelexegese,
Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristischen
Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh.
zurück.
Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale,
1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese,
2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer,
M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999
exegetisch (auslegend) z. B. exegetische, eng an das Gesetz gebundene und dessen Fortbildung
grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassende Schule zur Anwendung des
Privatrechts nach gesetzlich [§§ 6, 7 ABGB] festgelegten Regeln in Österreich
ab 1812 (tatsächlich Rechtsfortbildung z. B. durch verschämte
Verwaltungsgemeinschaft und Gütergemeinschaft auf den Todesfall)
Exekutor, M., Vollstrecker
Lit.:
Hitzbleck, K., Exekutoren, 2010
Exemption (F.) Herausnahme, Ausnahme (z. B. aus der
Herrschaft eines kirchlichen Oberen, aus einer Gerichtszuständigkeit oder aus
der Geltung des Rechtes eines Staates zu Gunsten von Geschäftsträgern eines
anderen Staates)
Exercitalis (lat. [M.]) Heermann, Arimanne
Lit.: Jarnut, J.,
Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88
(1971), 1
exercitor (lat. [M.]) Reeder
Exekution (F.)
→Vollstreckung, →Zwangsvollstreckung
Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der
Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967
Exekutive ist
die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den Vertretern der Lehre von
der →Gewaltentrennung (→Locke 1680, →Montesquieu 1748) von
der Legislative (und der Judikative) getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 190, 191
Exil ist seit dem Altertum das (freiwillige oder
zwangsweise) Ausscheiden eines oder mehrerer Menschen aus einem Staat. Seit dem
19. Jh. können im E. auch Regierungen beibehalten oder geschaffen werden.
Lit.: Die 48er, hg. v. Freitag,
S., 1998; Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jh., hg. v.
Haus der Geschichte Baden-Württemberg, 2003; Exile in the Middle Ages, hg. v.
Napran, L. u. a., 2007; Stini, F., Plenum exiliis mare, 2011; Exilerfahrung und Konstruktionen von Identität 1933 bis
1945, hg. v. Mittelmann, H. u. a., 2013
Exklave ist das Teilgebiet eines Staates (aus
dessen Sicht), das von seinem übrigen Gebiet getrennt und vollständig vom
Staatsgebiet anderer Staaten eingeschlossen ist (z. B. deutsche Exklave
Büsingen in der Schweiz, Russlands Gebiet um Königsberg). S. Enklave.
Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der
strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit
der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft
verbundenen Rechte (ohne Entbindung von den Pflichten) eingeschränkt. Die
Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die
E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen
Bereich, später ihre Bedeutung. In der Gegenwart kann die Mitgliedschaft in der
katholischen Kirche nicht mehr verloren werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M.,
L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales
Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Logan, F., Excommunication, 1968;
Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396;
Vodola, E., Excommunication, 1986; Murray, A., Excommunication, 1991; Pauler,
R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen
exkommunizierter und abgesetzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344; Helmholtz,
R., The Spirit of the Classical Canon Law, 1996; Magnúsardottir, L.,
Bannfoering og Kirkjuvald, 2007
Exlibris (lat. ex libris, aus den Büchern)
ist das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur
Bezeichnung des Eigentümers des einzelnen Buches auf die Innenseite des
vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.
Lit.:
Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003
Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)
Extrajudizialappellation ist die bereits dem
römischen Recht bekannte Appellation außerhalb gerichtlicher Endurteile. Sie
ist in Lübeck 1296 bezeugt. Sie wird durch den Reichsabschied von 1594 für den
Prozess des Reichskammergerichts in engen Grenzen eröffnet. Seit dem Ende des
18. Jh.s wird sie eingeengt und durch die Reichsjustizgesetze des deutschen
Reiches von 1877/1879 beseitigt.
Lit.: Wetzell, G., System des
ordentlichen Zivilprozeses, 1861, 3. A. 1878, 768ff.; Budischin, H., Der
gelehrte Zivilprozess, 1974; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans
Reichskammergericht, 1976; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1992;
Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997
Extranei heredes
(lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu
den (lat. [M.Pl.]) →sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben
(Agnaten, Gentilen).
Lit.: Kaser §§ 66, 71
Extraordinaria cognitio
(lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.)
das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und ehrenamtlichem Richter
ablösende einheitliche →Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen
Amtsträgers.
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14,
15, 16, 18
Extravagantes (lat. [M. Pl.] Herumschweifende)
ist die Bezeichnung für die 20 (bereits
1325 in einer privaten Sammlung zusammengestellten) Dekretalen Papst
Johannes’ XXII. (1314ff., Extravagantes Johannis XXII.) und die 70 eher
zufällig ausgewählten Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis
Sixtus’ IV. (1471-1484) (Extravagantes communes, allgemeine Extravaganten), die
der Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe des →corpus
iuris canonici (1499ff., Korpus des kanonischen Rechtes) ohne amtlichen Auftrag
aufnimmt. Zitiert werden sie z. B. als Extr. Joann. XXII. 4. 2 bzw. Extrav.
com. 1. 7. 1.
Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung
und den heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 276; Tarrant, J., Extravagantes
Iohannis XXII, 1983 Extremismus ist die inhaltlich am Rand stehende politische
Strömung.
Lit.: Backes, U., Politische
Extreme, 2006; Bergsdorf, H. u. a., Linksextrem, 2011; Bötticher, A. u. a., Extremismus, 2012
Eyre (engl.
[N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg) abgeleitete Bezeichnung für die
Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen Reiserichter zwischen 1086 bzw.
1166 und 1294.
Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256,
1981
F
Faber →Favre
Faber, Johannes ist der um 1270 geborene, in
Montpellier und vielleicht Bologna ausgebildete, um 1340 verstorbene, praktisch
tätige französische Jurist, der breviarium Codicis und Commentarius in
institutiones verfasst.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 581
Fabrik ist
das Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt
werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem.
Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses.
Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken
Deutschlands, Teil 1f. 1781; Neumann, F., Zur Reform deutscher
Fabrikgesetzgebung, 1873, Neudruck 2013; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der
österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und
Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter
im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische Eisenwerk
Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und Fabrikgesetzgebung,
Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, 1983;
Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G.,
1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz,
ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993
Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus
der Polizeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene
besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen
Unternehmern und Arbeitnehmern.
Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen
Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen
Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen
Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160
facere (lat.)
handeln, tun, machen
facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungsbefugnis
Fahndung ist die Verfolgung möglicher Straftäter durch die
Allgemeinheit, die seit der frühen Neuzeit und besonders seit dem 19. Jh.
ausgebaut und zur Staatsaufgabe erhoben wird.
Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner-
und Diebslisten, 2001; Benad, R., Geschichte der Fahndung, 2006
Faden ist das dünne, längliche, meist durch Drehen
entstehende, meist dem Verbinden von Geweben oder Lederstücken dienende
menschliche Erzeugnis (Gespinst). Der F. kann als Längenmaß verwendet werden
(z. B. etwa 185 cm). Er ist auch Gegenstand der rechtlichen Volkskunde.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1994
Fähigkeit (1512, fähig 1481) ist die Eigenschaft des Erlangenkönnens bzw. Handelnkönnens.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fahne ist
das als Symbol verwendete, meist rechteckige Tuch. →Fahnenflucht, →Fahnenlehen,
→Reichsfahne
Lit.:
Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und
Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA
53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940)
Fahnenflucht ist
das eigenmächtige auf Dauer angelegte Verlassen des Heeres, das schon im
Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht
die Tötung, das alemannische Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch
später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während
einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Seit der
zweiten Hälfte des 17. Jh.s dringt die Bezeichnung Desertion ein. Im zweiten
Weltkrieg werden etwa zwei Drittel der als fahnenflüchtig bezeichneten
deutschen Soldaten zum Tode verurteilt. Die F. in der Unrechtsherrschaft
(berechtigte Fahnenflucht in verbrecherischen Regimen) kann gerechtfertigter
Widerstand sein. Am 17. 5. 2002 beschließt der Bundestag Deutschlands die
Aufhebung aller Urteile wegen F. (Desertion) im zweiten Weltkrieg.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen
1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff.,
Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939;
Haase, N., Gefahr für die Manneszucht, 1996; Armeen und ihre Deserteure, hg. v.
Bröckling, U. u. a., 1998; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtsjustiz 1933-1945,
2005; Brümmer-Pauly, K., Desertion im Recht des Nationalsozialismus, 2006
Fahnenlehen,
Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer besonderen
Herrschaftsgewalt?) verliehene →Lehen. Nach verbreiteter
hochmittelalterlicher Ansicht ist die königliche Belehnung mit einem F.
Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt
noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906;
Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36
Fähre ist
das dem planmäßigen Übersetzen über einen Strom oder See meist an fester Stelle
dienende Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F.
auf öffentlichem Gewässer als →Regal verstanden. Von ihm leitet sich das
einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten (über Art. 73 EGBGB) die
früheren landesrechtlichen Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen
keine andere Regelung enthalten ist.
Lit.: Nordegg zu Rabenau, L. v., Das Recht der Fähren mit
besonderer Berücksichtigung des Regierungsbezirks Danzig, Diss. jur. Leipzig
1910; Sandkaulen, J., Fährgerechtsame, Diss. jur. Köln 1925; Künßberg, E. v.,
Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten,
Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner Rheinfähre als Kurkölner
Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrhein, 1949
Fahrende Habe →Fahrnis
Fahrende Leute sind die in Ausnützung ursprünglich
allgemein verwendeter Freiheit der Ortsveränderung ohne festen Wohnsitz
umherziehenden Menschen (im Mittelalter schätzungsweise 5-10 Prozent der Bevölkerung).
Seit dem Spätmittelalter werden sie als Störung der Ordnung angesehen. Seit dem
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Umherziehen teilweise strafbar, wobei
Rechtssätze und angedrohte Strafen nicht stets umgesetzt werden. Gegen f. L.
werden Pass und Meldepflicht eingesetzt, ohne dass ein vollständiger Erfolg
erreicht wird.
Lit.: Mylius, A./Barthel, D., Iura
vagabundorum, 1679; Enklaar, D., Varende Luyden, 1957; Schubert, E., Arme
Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, 1983, 2. A. 1990;
Jütte, R., Poverty and Deviance, 1994; Schubert, E., Fahrendes Volk im
Mittelalter, 1995; Rheinheimer, M., Arme, Bettler und Vaganten, 2000; Härter,
K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005
Fahrhabe →Fahrnis
Fahrlässigkeit (1480, fahrlässig 15. Jh.) ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen auch fahrlässig
begehbaren Straftaten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive
Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung
nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem
Maß seines individuellen Könnens imstande gewesen wäre. Im römischen Recht wird
erst zu Beginn der klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat.
[F.] →culpa) die zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft.
Dies gilt allmählich auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine
allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.] →diligentia), mit deren
schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit (lat. [F.] →neglegentia)
begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz
gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine Reihe von
Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird
(Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am
Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht
gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio
Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und
zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19.
Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885;
Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Hippel. R. v., Die Grenze
von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit,
1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90,
Neudruck 1964; Wiegand, H., Rechtspolitische Untersuchungen über die Stufen der
Fahrlässigkeit, 1925; Engisch, K., Untersuchungen über Vorsatz und
Fahrlässigkeit, 1930, Neudruck 1964; Tobler, R., Fahrlässigkeit im Zivil- und
Strafrecht, 1931; Plass, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur qualifizierten
Fahrlässigkeit, 1932; Ziegler, W., Fahrlässigkeit und Gefährdung, 1935;
Brehmer, I., Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1935; Nörr, D., Die
Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Deutsch, E.,
Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Jescheck, H., Aufbau und
Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965; Hoffmann, H., Die
Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G.,
Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP
1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht
von Feuerbach bis Welzel, 1992; König, V., Die grobe Fahrlässigkeit, 1998;
Rösler, H., Haftungsgründe und -grenzen für fahrlässiges Verhalten, 1999;
Schrage, E., Negligence, 2001; Mikus, R., Die Verhaltensnorm des fahrlässigen
Erfolgsdelikts, 2002; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004;
Bohrer, M., Der morsche Baum, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fahrnis (Fahrhabe) ist die bewegliche (mobile) Sache, die ohne Verletzung von
einem Ort zu einem anderen Ort gefahren bzw. bewegt werden kann (z. B. Kleid,
Tier, Marktbude). Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht
nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere
Form des Kaufes unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht
kann über F. schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach
anderen Regeln hinsichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es
an F. keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind aber Entliegenschaftung
und Verliegenschaftung einer Sache. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede
unter dem Einfluss des römischen Rechtes, doch regelt beispielsweise noch das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweglichen
Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) einleuchtenderweise anders als den Erwerb
von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).
Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2;
Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation,
ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im
Mobiliarsachenrecht, 1955
Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die →Errungenschaftsgemeinschaft
(betreffend Fahrnis und Liegenschaften), in der auch die voreheliche →Fahrnis
den Eheleuten gemeinschaftlich zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht
mehr vereinbart werden.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A.
1981, Kap. 18
faida →Fehde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schumann, E., Unrechtsausgleich
im Frümittelalter, Habilitationsschrift Leipzig 2003
Faktorei ist seit dem Spätmittelalter die
kaufmännische Niederlassung außerhalb des Hauptsitzes des Unternehmens (z. B.
Kontore der Hanse im Nordseeraum und Ostseeraum, Fondaco dei Tedeschi in
Venedig, Zweigniederlassung), vor allem im Kolonialhandel.
Lit.: Bürger, R., Die Organisation
der Fuggerschen Faktoreien, 1955; Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, hg.
v. Schmitt, E., Bd. 4 1988
Fakultät ist
die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in
die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert.
Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der
Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen
Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise weiter in kleinere Einheiten aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v.,
Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum
27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der
Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät
der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät
1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu
Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der
juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen –
Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R.,
1999; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu
Jena, Diss. jur. Jena 2007
fakultativ (Adj.) möglich, nicht zwingend (z. B. Zivilehe)
Falkenstein
Lit.: Codex Falkensteinensis,
bearb. v. Noichl, E., 1978
Fall (lat. [M.] casus) ist die durch die
Anziehungskraft der Erde bewirkte senkrechte ungewollte Ortsveränderung. Wegen
der damit vielfach verbundenen nachteiligen Folgen wird als F. auch das
einzelne rechtlich bedeutsame Geschehen bezeichnet. Einzelne Rechtsordnungen
werden durch die gerichtlichen Entscheidungen der Fälle geprägt (z. B. Rom,
angloamerikanisches Recht). Als berühmte einzelne Fälle gelten etwa das
Strafverfahren gegen Sokrates, die (lat. [F.]) causa Curiana (1. Jh. v. Chr.),
der Prozess Jesu, der Prozess der Iusta, der Ehestreit Lothars II. (ab 859),
der Prozess gegen Heinrich den Löwen (1180), der Prozess gegen Galileo Galilei
(1633), die Prozesse des Müllers Arnold (um 1779), das Strafverfahren gegen
Alfred Dreyfus (1894), das Strafverfahren wegen Entziehung elektrischen Stromes
(1896) u. a.
Lit.: Mit den Augen der
Rechtsgeschichte - Rechtsfälle selbstkritisch kommentiert, hg. v. Luminati, M.
u. a., 2008; Fälle aus der Rechtsgeschichte, hg. v. Falk, U. u. a., 2008
Fälligkeit (1518, fällig um 900) ist der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger vom Schuldner
Leistung verlangen kann.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fallrecht ist
die auf richterlichen Entscheidungen beruhende Rechtsordnung. F. sind das
klassische →römische Recht und das →englische Recht (case-law)
sowie die päpstliche Rechtsprechung seit dem 12. Jh. Ansätze zu einem F. finden
sich auch in Deutschland (mittelalterliche Schöffensprüche, Entscheidungen
des Reichskammergerichts), können sich jedoch wegen der Aufnahme des
römisch-justinianischen Gesetzesrechts, des Gesetzgebungsanspruchs der
Landesherren und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit
nicht ausreichend entwickeln und behaupten. Dennoch besteht F. auch nach Erlass
der Vernunftrechtsgesetzbücher in der Praxis in den Fallsammlungen der
Höchstgerichte (z. B. Reichsgericht, Bundesverfassungsgericht,
Bundesgerichtshof, Europäischer Gerichtshof). Allerdings ist das F. auf dem
europäischen Kontinent dem vor allem seit dem 18. Jh. kodifikativ ausgebauten
Gesetzesrecht grundsätzlich untergeordnet, während in England das Parlament
kein Rechtsetzungsmonopol beansprucht und sich die stare-decisis-Vorstellung
1898 zum (1966 aufgehobenen) Prinzip verfestigt. Daneben ist F. auch das
Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der
sie gekommen sind.
Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss
der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Döhring, E., Geschichte
der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Esser, J., Grundsatz und
Norm, 1956; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und
Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Gehrke, H., Die
privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974; Weller, H., Die
Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen Rechtswissenschaft,
1979; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat, 1986; Case-Law in the
Making, hg. v. Wijffels, A., 1997; Müßig, U., Geschichte des Richterrechts und
der Präjudizienbildung auf dem europäischen Kontinent, ZNR 28 (2006), 79ff.;
Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28 (2006), 209ff.;
Vogenauer, S., Zur Geschichte des Präjudizienrechts in England, ZNR 28 (2006),
48ff.; Case Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., Bd. 1f. 2013 e-book
Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)
Falschaussage →Meineid
Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990
Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands
eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung eines anderen betreffende Tatbestand
des § 164 StGB.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165
StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Falschmünzer ist der Münzen fälschende Täter.
Lit.: Walz, K., Fälscher &
Falschgeld, 2012
Fälschung ist
die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstands
(z. B. Münze, Bild). Einzelne Fälschungshandlungen erwähnt bereits das
altrömische Zwölftafelgesetz (Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit
dem 1. Jh. v. Chr. bilden sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi)
als besondere Gruppe (falsum) aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß,
Gewicht u. s. w.), neben die um 200 n.
Chr. der „Betrug“ (lat. [M.] stellionatus, D. 47, 20, 3, 1) tritt. Im Frühmittelalter
verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechtes zu Deliktsfiguren, die nur
noch wenige Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Im Hochmittelalter werden
etwa falsche Maße und Gewichte oder der Verkauf verfälschter Waren wie
Diebstahl behandelt. Dagegen fasst das spätmittelalterliche gelehrte Recht (z.
B. Klagspiegel 1436/1442) die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat.
[N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) →stellionatus ein
qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden im Code pénal Frankreichs
(1810) →Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Dem folgen die
deutschen Strafgesetzbücher (Bayern 1813, Baden 1845, Preußen 1851, Reich 1871)
im Wesentlichen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901;
Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III., 1913;
Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L.,
Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane
argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die
Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Kocher, E., Überlieferung und
ursprünglicher Anwendungsbereich der Lex Cornelia de falsis, 1965; Hupe, E.,
Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Kausch, W., Die
Entwicklung des Falsum von der Carolina zur Aufklärung, 1971; Lorenz, W., Die
Falschbeurkundung, 1976; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd.
1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U.,
Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v.
Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblici nella
Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006; Pokorny,
R., Augiensia, 2010; Faußner, H., Wibald von Stablo auf der Spur, 2010
(Aufsatzsammlung)
Falsum (lat.
[N.]) ist die im klassischen römischen Recht als Straftat erfasste →Fälschung,
für die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde
einrichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen
Kriminalverfahrens, 1962
Familia (lat.
[F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer
Grundherrschaft gehörige Personenverband.
Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in
Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951),
1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner,
K., Ut propriam familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og
Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993
familiae emptor
(lat. [M.]) Erbschaftskäufer
Familie (1409) ist der Kreis der durch
Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die
Ehegatten und ihre Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des
Menschen gegeben eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der
F. bewusst. Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem
Einzelhof lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde)
bestehende F. Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Sie ist
Wirtschaftsgemeinschaft. Die durchschnittliche Zahl der Geburten einer Frau
dürfte wegen der hohen Sterblichkeit und der längeren Stillzeiten fünf nicht
überschritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt (munt) des
Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der
Christianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Seit der
Neuzeit entdeckt der Staat sein Interesse an der Kindererziehung. Mit der
Industrialisierung wird die F. zur bloßen Verbrauchsgemeinschaft. Mit dem 19.
Jh. lockern sich auch die familienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher
Einzelbeziehungen versteht. Im 20. Jh. ändert sich vielleicht als Folge des
allmählichen Zurücktretens der körperlichen Arbeit die F. grundlegend.
Dementsprechend stellt Art. 199 I der Weimarer Reichsverfassung fest, dass
Grundlage der F. die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruhende Ehe
ist. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hebt alle den
Gleichberechtigungsgrundsatz verletzenden Bestimmungen auf. In der
Bundesrepublik entsteht infolge Nichterfüllung eines Auftrags des Grundgesetzes
zum 1. 4. 1953 ein gesetzloser Zustand, den das Bundesverfassungsgericht am
18. 12. 1953 durch Anerkennung der Gleichberechtigung hilfsweise schließt. Am
18. 6. 1957 verabschiedet der Bundestag ein am 1. 7. 1958 in Kraft tretendes
Gleichberechtigungsgesetz, das durch das Bundesverfassungsgericht am 29. 7.
1959 teilweise aufgehoben wird. Danach tritt in an die Stelle der väterlichen
Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die
gemeinsame →elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt.
Tatsächlich treten neben die durch die Ehe gekennzeichnete F. nichteheliche
Lebensgemeinschaft und gleichgeschlechtliche Partnerschaft.
Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615;
Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975,
253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und
Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der
Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77
(1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969;
Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler,
E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der
Rechtsordnung seit 1918, 1970; Weber-Kellermann, I., Die deutsche Familie,
1974; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Maschke,
E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, 1980; Familie
zwischen Tradition und Moderne, hg. v. Bulst, N., 1981; Gaunt, D., Familjelivi
i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984),
117; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Burguière, A. u.
a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988;
Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H.,
Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991;
Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um den
französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte
der Familie, hg. v. Burguière, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische
Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische
Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u.
a., 1997; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A.,
Geschichte der Familie, 1999, 2. A. 2010, 3. A: 2013; Ehe und Familie, hg. v.
Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters,
U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Gestrich, A. u. a.,
Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und
Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat,
2004; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Le
médiéviste et la monographie familiale, hg. v. Aurell, M., 2004; Klippel, D.,
Familienpolizei, FS Dieter Schwab, 2005; Köbler, G., Familienrecht im
geschichtlichen Wandel (in) Recht als Erbe und Aufgabe, 2005, 355ff; Bauszus,
S., Der Topos von der Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg.
v. Gebhardt, M. u. a., 2007; Gendering the Fertility Decline in the Western
World, hg. v. Janssens, A., 2007; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B.,
2007; Meller, H. u. a., Tatort Eulau, 2010 (älteste je nachgewiesene Kernfamilie);
Generationen, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2010; Gestrich, A., Geschichte der
Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 2. A. 2010; Koschorke, A./Ghanbari, N. u.
a., Vor der Familie, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Die Familie in der Gesellschaft des
Mittelalters, hg. v. Spieß, K., 2009
Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung
des Vermögens (z. B. auch Grundstück, Haus, Bibliothek) einer Familie im
Mannesstamm ohne Bildung einer eigenen Rechtspersönlichkeit. Solche Stiftungen
des niederen Adels, die dieselben Wirkungen wie die auf Rechtsetzungsgewalt
beruhenden Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben, sind in England
seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der
Neuzeit seit dem dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zu. Philipp Knipschild
formuliert 1654 (De fideicommissis familiarum nobilium, Über die Fideikommisse
der adligen Familien) die dafür aus dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum
der justinianischen Novelle 159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.)
successio (F.) ex pacto et providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und
Voraussicht der Vorfahren) entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist
Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung errichteten
Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung notwendig)
der jeweilige Inhaber oder gesamthänderisch die Gesamtheit der jeweiligen
Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste
Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund.
1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechtes aufgehoben. Dem passt sich
die (gescheiterte) deutsche Reichsverfassung von 1848/1849 an. In Preußen wird
die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer
Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938
beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12.
1950/3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt.
Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG
123, 162, 210, 231; Lewis, W., Das Recht der Familienfideikommisse, 1868,
Neudruck 1969; Bruckner, F., Zur Geschichte des Fideicommisses, 1893; Hager, P.,
Familienfideikommiss, 1897; Kunsemüller,
E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die
Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die
Anfänge des Familienfideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225;
Seelmann, W. u. a., Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Horsten, F., Die
Familien-Fideikommiss-Politik in Preußen, 1924; Hausgeschichte und
Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann,
J., 2, 2, 1925; Klässel, O./Köhler, K., Die Zwangsauflösung der
Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Koehler, K./Heinemann, E., Das Erlöschen der
Familienfideikommisse, 1940; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des
Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die
Auflösung der Familienfideikommisse, ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf
um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und
Freiheit, 1999; Trott zu Solz, T. v., Erbrechtslose Sondervermögen, 1999;
Brandner, B., Die Auflösung der Familienfideikommisse in Thüringen, 2000
Familiengericht ist die in Deutschland am 1. 7. 1977 geschaffene
Gerichtsbarkeit in Familiensachen am →Amtsgericht. Das F. entwickelt sich
am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach
1920 wird es in Japan aufgenommen.
Lit.: Röhl, Das Familiengericht in
Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066;
Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737
Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts
in der →Deutschen Demokratischen Republik geschaffene, 1990 endende
Gesetzbuch (Egalisierung im Namensrecht, erleichterte Scheidung ohne
Unterhaltsansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft, Erziehung der Kinder zu
Erbauern des Sozialismus).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des
Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Schneiders, U.,
Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Fischer-Langosch, P., Die
Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2006
Familienname (1748) ist der gemeinschaftliche Name der Angehörigen einer Familie.
Herkömmlich wird er durch den Namen des Mannes bestimmt. Mit der Gleichberechtigung
der Geschlechter im ausgehenden 20. Jh. löst sich der einheiltiche F. mehr und
mehr auf.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Familiennamen Österreichs (FAMOS) Online (Projekt);
www.genealogienetz.de/vereine/VFWKWB
Familienrecht (1775) ist die Gesamtheit der die
→Familie betreffenden Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster
Linie das Verhältnis von Mann und →Frau in der Ehe, die Beziehungen
zwischen Eltern und Kindern sowie die →Vormundschaft, →Pflegschaft
und →Betreuung. Die Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch
das Recht ist erst allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die
christliche Kirche mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes
Rechtsgebiet erscheint das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend
geprägt von der Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa
1970 die medizinische Entdeckung der medikamentösen Empfängnisverhütung. Seit
1. 1. 2008 ist das F. in Deutschland nochmals erheblich verändert, das
Familienverfahrensrecht seit 1. 9. 2009 (Abschaffung des Vormundschaftsgerichts,
Erweiterung der Zuständigkeit des Familiengerichts).
Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht
der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum
ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts,
1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts,
1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel,
1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller,
C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H.,
Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys
Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die
Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs
eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile,
1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in)
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A.,
1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur
Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W., 1993;
Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel, H., Die
Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht zwischen
Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius, C.,
Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Wellenhofer, M., Das neue
Familienrecht, JuS 2009, 673; Gierke, O., Deutsches Privatrecht Bd. 4
Familienrecht, hg. v. Kroeschell, K./Nehlsen-von Stryk, K., 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Family
Law in Early Women’s Rights Debates, hg. v. Meder, S. u. a., 2013; Reformforderungen
zum Familienrecht international, hg. v. Meder, S. u. a., Bd. 1f. 2013ff.,
Meder, S., Familienrecht, 2013
Familienstammgut ist das seit dem 13. Jh. kraft
Hausgesetzes des Hochadels (meist mit Zustimmung des Kaisers des Heiligen
römischen Reiches) einer besonderen Erbfolge (ungeteilte Ältestenerbfolge)
unterworfene Gut. Ziel ist die Wahrung der Herrschaftsstellung. Wem dabei das
Eigentum zusteht, ist noch im 19. Jh. streitig. Nach einem Gesetz des deutschen
Reiches vom 6. 7. 1938 erlöschen alle bestehenden, nicht in Stiftungen
umgewandelten Familienstammgüter mit dem 1. 1. 1939.
Lit.: Zimmerle, L, Das deutsche
Stammgutsystem, 1857; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der deutschen
Dynastien des Mittelalters, 1871; Nöthiger, R., Familienfideikommisse,
Stammgüter und standesherrliche Hausgüter, 1932; Eckert, J., Der Kampf um die
Familienfideikommisse in Deutschland, 1992
Fara ist
das langobardisch(-burgundisch)e Wort des 6./7. Jh.s für die Fahrtgenossenschaft
der Völkerwanderungszeit bzw. die Familie oder das Geschlecht.
Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia,
1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982,
47; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und Gruppen
in den Leges Barbarorum, 1991
Farbe ist der Eindruck, den der Mensch mit einem
unbewegten Auge von einem im Licht befindlichen Gegenstand wahrnimmt. Mit dem
Eindruck kann der Mensch Vorstellungen verbinden (z. B. Nationalfarben, Rubrum
des Urteilskopfs, rote Robe). Mit ihnen befasst sich vor allem die rechtliche
Volkskunde.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899; Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930),
310ff.; Haupt, G., Die Farbe in der sakralen Kunst des abendländischen
Mittelalters, 1941; Lauffer, O., Farbe im deutschen Volksbrauch, 1948; Gage,
J., Kulturgeschichte der Farbe, 1994; Schwartzkopff, A., Die Schutzfähigkeit
von Farben als Marken, 2002; Münch, I. v., Farben und Recht, 2006; Thurn, H.,
Farbwirkungen, 2007; Meier, C. u. a., Handbuch der Farbenbedeutungen im
Mittelalter, 2012
Faschismus ist
die politische Bewegung mit nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die
ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di
combattimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlen sich rasch Adolf →Hitler
im Deutschen Reich, Francisco Franco in Spanien und andere. Nach dem zweiten
Weltkrieg (1939-1945) wird der F. weltweit geächtet.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und
Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A.
1995; Payne, S., The History of Fascism, 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in
Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung
der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A.
2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S.,
Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002;
Nietzsche, Godfather of Fascism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C.,
Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus,
2005; Bauerkämper, A., Der Faschismus in Europa 1918-1945, 2006; Knox, M., To
the Threshold of Power 1922/33, 2007; Somma, S., Nicht einen Nagel habt ihr
entfernt, ZRG 125 (2008), 314; Dormagen, J., Logiques du Fascisme, 2008; Schieder,
W., Faschistische Diktaturen, 2008 (Sammelband); Wippermann, W., Faschismus,
2009; The Oxford Handbook of Fascism, hg. v. Bosworth, R., 2009; Schieder, W.,
Der italienische Faschismus 1919-1945, 2010; Stepanek, F., Ich bekämpfte jeden
Faschismus, 2010; Damm, M., Die Rezeption des italienischen Faschismus in der
Weimarer Republik, 2013; Wenke, N., Führer und Duce, 2013
Faustpfand ist
das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz übergebene →Pfand, dessen
Name sich von der unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit
(lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils
Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand
zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den
Schuldner schwer entbehrlichen Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere
Satzung an Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechtes bleibt das
(dadurch zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und
Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die deutsche Rechtswirklichkeit des
20. Jh.s zieht die →Sicherungsübereignung vor.
Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka,
W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39
Faustrecht (1467) ist die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen
Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu
erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des
Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne, zunehmend besser bewertete
Rechtsstaat gegenübersteht, in dem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind
und grundsätzlich alle einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch
den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.
Lit.: Wendt, O., Das Faustrecht, 1883; Fischer, M.,
Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007
favor (lat. [M.]) Gunst,
Begünstigung (z. B. im Zweifel für Gültigkeit oder für Freiheit)
favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat
Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im Rechtsstreit
um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit.
Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57
Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren
Auslegungsmöglichkeiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur unentgeltliche
Verfügungen enthaltenden Testaments gegenüber Geschäften unter Lebenden.
Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60
Favre (Faber),
Antoine (1557-1624) aus Savoyen wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin
1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofs von Savoyen, dessen Entscheidungen
er in dem nach dem justinianischen Codex systematisierten Codex Fabrianus
definitionum forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609
veröffentlicht (Begründer der Interpolationenforschung).
Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20 (1952),
263, 456
FDGB (Freier
Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen Demokratischen Republik])
Febronius, Justinus ist das Pseudonym Johann
Nikolaus von Hontheims (Trier 27. 1. 1701-Montquintin/Luxemburg 2. 9. 1790,
Weihbischof von Trier), unter dem 1763 (lat.) De statu ecclesiae (Vom Zustand
der Kirche) erscheint, in dem der Gedanke der den Papst beschränkenden Nationalkirchen
unterstützt wird (Febronianismus).
Lit.: Mejer, O., Febronius, 2. A.
1885; Pitzer, V., Justinus Febronius, 1976
Februarpatent ist in →Österreich das dem →Oktoberdiplom folgende Patent
vom 26. 2. 1861, das als Verfassung (Februarverfassung) des österreichischen
Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion,
Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz
über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen
Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus,
Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den Landtagen zu
entsenden sind, 1873 Direktwahl) und damit den →Neoabsolutismus formal
beendet. Das F. schafft ein zentrales System und bildet die erste Grundlage für
den mit der →Dezemberverfassung 1867 begründeten Konstitutionalismus. In
Ungarn wird das Grundgesetz über die Reichsvertretung von liberalen Kräften
abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher;
Rottenbacher, B., Das Februarpatent in der Praxis, 2001; Das Februarpatent
1861, hg. v. Bussjäger, P. u. a., 2011
Fehde ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der
rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft
zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und
seiner Verwandtschaft) zwecks Durchsetzung eines bestehenden oder behaupteten
Rechtes. Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der
Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des
Erfolgsausgleichs durch Verhandlung bzw. Meinungsbildung oder Entscheidung
Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer
unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen.
Deswegen enthalten die Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (→Kompositionensystem).
Im Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der
peinlichen →Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel
beschränkt. Dem römischen Recht und dem kanonischen Recht ist die F. unbekannt,
so dass die Rezeption eher zur Ablehnung der F. führt. Landfrieden von 1467,
1486 und schließlich der ewige Landfriede von 1495 verbieten die F. umfassend.
Gleichzeitig wird das Reichskammergericht als Streitentscheidungsorgan
verfügbar. Danach geht die wohl noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder
zumindest gewohnheitsmäßig geübte F., wie sie beispielsweise auch der Berliner
Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis 1538/1540 führt, tatsächlich allmählich
zurück. →Duell und →Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der
Neuzeit.
Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und
Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck
1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl.
commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 2. A. 1942, 3. A. 1943, 4. A. 1959, 5.
A. 1965; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme
des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Kaufmann, E., Die Fehde des Sichar, JuS
1 (1961), 85; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Obenaus, H., Recht und
Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Orth, E., Die Fehden
der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler, H., Über
Michael Kohlhaas, 1985; Kaufmann, M., Fehde und Rechtshilfe, 1993; Terharn, C.,
Die Herforder Fehden, 1994; Ritzmann, P., Plackerey in deutschen Landen, 1995;
Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Zmora, H., State and
Nobility in Early Modern Germany, 1996; Althoff, G. Spielregeln der Politik im
Mittelalter, 1997; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis im Spätmittelalter,
1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999; Graf, K., Gewalt und
Adel in Südwestdeutschland, 2000; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im
frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Reinle, C., Bauernfehden, 2003;
Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England, 2003; Bechstein, E.,
Die Tierberger Fehde, 2004; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpass? Carl
Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 561ff.;
Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. v. Netterström, J. u. a., 2007;
Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007; Bernoth, C., Die Fehde
des Sichar, 2008; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011
Fehler (1470) ist im Kaufrecht
die Abweichung von einer vereinbarten oder vorausgesetzten Beschaffenheit.
Nach rezipiertem römischem Recht begründet der F. einen Anspruch auf Wandelung
oder Minderung.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Fehmarn
Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur
Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn, Zs. der Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117; Kramer, K., Fehmarner
Volksleben, 1982,
Fehr, Hans
(Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri bei Bern 21. 11. 1961) wird nach dem
Rechtsstudium in Würzburg, Berlin (Heinrich Brunner, Otto von Gierke, Josef
Kohler), Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm, Gerhard Seeliger)
Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912),
Heidelberg (1917, Nachfolge Richard Schröders) und Bern (1924-1944). Seine
Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung
(1933) und die Dichtung im Recht (1937).
Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948;
Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV; Jelowik, L., Tradition und
Fortschritt, 1998, 125f.
Feiertag ist
der kraft Rechtes arbeitsfreie Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten
Wochentags und der Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die
jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu
groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem
19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend, auf die auch die an
bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerkschaften (Tag der Arbeit) und
die ihr ablehnend gegenüberstehenden Arbeitgeber Einfluss nehmen. Im
ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen (z. B.
Maschinenauslastung, Konsumsteigerung, Freizeitmerkantilisierung) die
Bedeutung des Feiertags.
Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff.
1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der
Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in
Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003
Feigheit ist die Neigung des Menschen, sein Handeln
von Furcht vor Gefahren bestimmen zu lassen. Im Militärstrafgesetzbuch Preußens
von 1845 wird F. Straftatbestand. Auch nach § 6 Wehrstrafgesetz von 1957
entschuldigt Furcht vor persönlicher Gefahr nicht.
Lit.: Brinkkötter, H., Feigheit,
Diss, jur. Marburg 1983
Feine, Hans Erich (Göttingen 21. 3. 1890, Tübingen
6. 3. 1965), Theologensohn, wird 1913 in Halle bei Paul Rehme promoviert und
nach Kriegsteilnahme und Assistentenzeit bei seinem Schwiegervater Ulrich Stutz
1920 bei Paul Rehme in Breslau habilitiert. 1922 wird er Professor in Rostock,
1931 in Tübingen, wo er wegen seiner Verbundenheit mit dem Gedankengut des
Nationalsozialismus 1946 amtsenthoben und 1952 emeritiert wird, 1955 aber
seinen früheren Lehrstuhl wieder erhält. Seine Verfassungsgeschichte der
Neuzeit ist im Nationalsozialismus erfolgreich, seine kirchliche
Rechtsgeschichte unvollendet.
Lit.: Tausend Jahre deutsche Reichssehnsucht
und Reichswirklichkeit, 1935; Bader, K., Hans Erich Feine, ZRG KA 51 (1965),
XIff.,;Münchener rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v.
Nehlsen, H., 1996
Feld ist das dem Ackerbau unterworfene Grundstück
(im Gegensatz zu Wiese und Wald).
Feldfrevel ist die ältere Sammelbezeichnung für die
Beschädigung eines fremden Feldes (z. B. Reiten über fremdes Feld, Überpflügen,
Übermähen). Der F. ist vor allem in Weistümern und Polizeiordnungen behandelt
(vgl. auch Art. 167f. CCC). Rechtsfolgen sind vielfach Bußen und Schadenseratz.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 224ff.
Feldservitut (F.) s. Servitut, Dienstbarkeit
Felonie (11. Jh.) ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen) durch
Nichterfüllung der Lehnspflichten (z. B. heimlicher Verkauf des Lehens, Verweigerung
der Einlassung in einen Lehnsprozess, Tötung des Lehnsherrn). Die F. des Lehnsmanns
berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch wird diese Folge in
der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der Lehnsmann eine →Fehde
beginnen oder eine Klage erheben.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Theuerkauf,
G., Land und Lehnswesen, 1961; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist
das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400
Feme (Bund?,
Strafe?), mhd. veme, ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die
Verbesserung der Rechtspflege durch Femegerichte abzielende Bewegung innerhalb
der Gerichtsbarkeit (vemenoten 1227, 1306, 1311 belegt). Zu diesem Zweck
entstehen seit dem (13. oder) 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten
besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt
sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die
Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet,
todeswürdiges Unrecht zu rügen (Diebstahl, Raub, Gewalt gegen Kirchen, Mord,
Meineid). Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen
und nach Überführung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein
Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen
durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der
Vollstreckung rechnen, wenngleich anscheinend nur eine ziemlich geringe Zahl
von Todesurteilen tatsächlich vollstreckt wird. Die allmählich mit teilweiser
königlicher Unterstützung über das Reich (rund 15000-30000 Freischöffen)
verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s
zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wigand, P., Das Femgericht
Westfalens, 1825, 2. A. 1893, Neudruck 1968; Tross, L., Sammlung merkwürdiger
Urkunden für die Geschichte der Femgerichte, 1826; Usener, P., Die Frei- und
heimlichen Gerichte Westphalens, 18323; Duncker, H., Kritische Besprechung der
wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 1888, 2. A.
1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 1921, 2. A. 1933; Siedler, A.,
Geschichte des Niedergangs der westfälischen Femegerichte, 1935; Scherer, C.,
Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L.,
Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten
über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am
Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002; Schwob, U., Spuren der
Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, 2009; Fricke, E., Die
westfälische Veme Supplementband, 2011
Femegericht →Feme
Fememord (politischer Mord im 20. Jh.) z. B. an
Matthias Erzberger (1921) oder Walter Rathenau (1923)
Feminismus (M.) Geistesströmung des ausgehenden 20.
Jh.s zu Gunsten des Femininen oder Weiblichen
Lit.: Feministische
Rechtswissenschaft, hg. v. Foljanty, L. u. a., 2006, 2. A. 2012
Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem
griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche →Darlehen
im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter, so wird der
Darlehensnehmer frei.
Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus
nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Ferdinand I. (Alcalá de
Henares 10. 3. 1503-Wien 25. 7. 1564) ist der zweite Sohn Philipps von Burgund
und Johannas von Kastilien. Er vertritt seit 1521 seinen älteren Bruder Kaiser
Karl V. im Reich, erhält 1521/1522 die österreichischen Herzogtümer, wird über
(Heirat mit) Anna Jagiello von Ungarn am 23. 10. 1526/17. 12. 1526 zum König
von Böhmen bzw. Ungarn gewählt, wird am 5. 1. 1531 römischer König und am 14.
3. 1558 Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Er begründet die österreichische
Linie der Habsburger. Bei seinem Tod werden die österreichischen Länder in eine
österreichische Linie, steirische Linie und Tiroler Linie geteilt.
Lit.:
Buchholtz, F., Geschichte der Regierung Ferdinand des Ersten, Bd. 1ff. 1831ff.;
Ferdinand I., hg. v. Fuchs, M. 2002; González Navarro, R., Fernando I., 2003;
Kaiser Ferdinand I. 1503-1564, 2003
Ferdinand III.
Lit.: Hengerer,
M., Kaiser Ferdinand III. (1608-1657, 2012
Fernhandel ist der
weiträumige Handel in Altertum und Mittelalter. Im Frühmittelalter wird der F.
vor allem von syrischen und jüdischen sowie auch friesischen, angelsächsischen
und normannischen Händlern betrieben. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft
dehnt sich der auch technisch verbesserte F. über weite Teile Europas aus und
geht in der Neuzeit in einen erdumspannenden F., Außenhandel oder Welthandel
über.
Lit.:
Warnke, C., Die Anfänge des Fernhandels in Polen, 1964; Untersuchungen zu
Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und
Nordeuropa, Teil 1ff. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher
Rechtsquellen, 1995; Fernhandel und Geldwirtschaft, hg. v. Kluge, B., 1993;
Mercati e Mercanti nell’alto medioevo, 1993; Stoob, H., Die Hanse 1995; Nagel,
J., Abenteuer Fernhandel, 2007
Ferrara
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007
Fertigung
Lit.: Müller, W., Fertigung und
Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976
Fertigungsrecht
Lit.: Escher, A., Zur Geschichte
des zürcherischen Fertigungsrechtes, Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89
Fest ist
die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses. Verschiedentlich werden auch
rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F. hervorgehoben (z. B.
Friedensschluss, Heirat).
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v.
Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und
Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004; Festrituale in der römischen
Kaiserzeit, hg. v. Rüpke, J., 2008; Feiern und Erinnern, hg. v. Beck, H. u. a.,
2009
Festkrönung ist im
Mittelalter die (Wiederholung einer) Krönung an einem Fest.
Lit.:
Klewitz, H., Die Festkrönung der deutschen Könige, ZRG KA 28 (1939), 48ff.;
Brühl, C., Fränkischer Krönungsbrauch und das Problem der Festkrönung, HZ 194
(1962), 265ff.; Jäschke, K., Frühmittelalterliche Festkrönungen?, HZ 211
(1970), 556ff.
Festschrift
Lit.:
Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff.
(1945-1961ff.), 1962ff.
Feststellungsklage ist
die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.
Lit.: Weismann, J., Die
Feststellungsklage, 1879
Festuca ist
der seit dem Frühmittelalter (→Lex Salica, →Lex Ribvaria) als
Rechtssymbol verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn
jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f. wird überreicht,
wenn ein Recht einverständlich übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit
verschwindet die f.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW;
Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca,
Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio,
ZRG GA 83 (1966), 1
Festung ist
der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders (fest) gesicherte Ort
in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die
schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und Stadt entwerten.
Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban 1633-1707). 1820 gibt es
in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung der Luftwaffe lässt die
nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.
Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes,
1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979; Neumann, H., Festungsbaukunst und
Festungsbautechnik, 1988; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser
und Festungen, 2004
Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer →Festung
bestehende Strafe der frühen Neuzeit (z. T. bis 1867).
Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen
Arbeiten, 1789; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999; Ivanovic, I.,
Zwangsarbeit als Strafe, 2002
Festungshaft ist
die in einer →Festung vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit.
Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich. 1954 wird sie von den Alliierten
verboten, nach Wiederbelebung als Einschließung 1969 mit Einführung der
Einheitsfreiheitsstrafe aufgegeben.
Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen
Strafrechts, Bd. 1 1825; Sonntag, K., Die Festungshaft 1872; Otto, W., Die
Festungshaft, Diss. jur. Jena 1939; Uhl, K., Grundlagen der Festungshaft, Diss.
jur. Tübingen 1940 (masch. schr.); Giesing, G., Entbehrlichkeit der
Festungshaft?, Diss. jur. Tübingen 1948 (masch. schr.); Jennings, G., Die
custodia honesta, Diss. jur. Köln 1965 (masch. schr.); Krause, T., Geschichte
des Strafvollzugs, 1999
Feudalismus (frz. feodalité 1722/1727) ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffs die
soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine
(adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich
für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird, im engeren Sinn das
Lehnswesen. In Europa entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt
bis in das 19. Jh. (1848) bestimmend, wenn er auch seit dem ausgehenden 18. Jh.
bekämpft wird. →Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les
origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.;
Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F.,
Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsgeschichte 1
(1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Feudalismus, hg. v.
Kuchenbuch, L. u. a., 1977; Guerreau, A., Le féodalisme, 1980; Duby, H., Die
drei Ordnungen, 1981; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H.,
Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985; Feudalismus, hg. v.
Müller-Mertens, E., 1985; Strukturen der Grundherrschaft im frühen
Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und
Verfassung, 1997; Borgolte, M., Feudalismus, ZHF 25 (1998), 245ff.; Bloch, M.,
Die Feudalgesellschaft, 1999; Blickle, P., Kommunalismus, 2000; Die Gegenwart
des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v.
Bonnassie, P., 2002
Feudistik (F.) Wissenschaft vom (mlat.) feudum (N.) bzw. vom Lehnswesen bzw. vom
Lehnsrecht
feudum (mlat.
[N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh, Erstbeleg Sankt Gallen 786,
im 13. Jh. häufiger als (lat.) beneficium (N.), f. extra curtem (sachlich seit
dem hohen Mittelalter, Wort 18. Jh.) Lehen außerhalb der eigenen
Landesherrschaft
Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929;
Krawinkel, H., Feudum, 1938; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger
Herkunft, 1973, 100ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2002, 2. A.
1009
Feuerbach,
Paul Johann Anselm von (Hainichen bei Jena 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29.
5. 1833), unehelich geborenes Kind eines späteren Anwalts, wird nach dem
Studium von Philosophie und Recht in Jena (1795 Dr. phil., 1799 Dr. iur.) außerordentlicher
Professor in Jena, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in
Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in
München, 1814 Appellationsvizegerichtspräsident in Bamberg und 1817 Appellationsgerichtspräsident
in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in
Deutschland gültigen peinlichen Rechtes (Jede Zufügung einer Strafe setzt ein
Strafgesetz voraus - die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der
bedrohten Handlung - die gesetzlich bedrohte Tat bedingt die gesetzliche
Strafe) wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen →Strafgesetzbuchs
(1813) in →Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten
Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] →nullum
crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (→Generalprävention
durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige Freiheit des Bürgers
schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein.
Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische Vorstellungen.
Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Feuerbach, L., Anselm Ritter
von Feuerbachs Leben, 1852; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck
1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 2. A. 1957, 3. A. 1969,
4. A. 1998 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach,
1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und
die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A.
Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E.,
Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich Carl
von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die
posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am
Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993; Die
Bedeutung P. J. A. Feuerbachs, hg. v. Haney, G., 2003; Feuerbachs Bayerisches
Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2014
Feuerschau ist
die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch in den Dörfern
entwickelte regelmäßige amtliche Überprüfung aller Gebäude auf ihre Feuersicherheit,
bei der auch Geldstrafe oder Gefängnis verhängt werden kann.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.
Feuerstrafe ist
das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im
Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird sie für
Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich (Sachsenspiegel Landrecht
[1221-1224] II 13 § 7, CCC [1532] Art. 109, 111, 116, 125, 172). Bald werden
insbesondere Hexen verbrannt. Als Folge der Aufklärung wird die F. seit dem 18.
Jh. aufgegeben.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502,
Neudruck 1964; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod, 1988
Feuerversicherung ist
die Versicherung gegen Schäden an Sachen durch Feuer. Erste Ansätze finden sich
bereits im Mittelalter. In der Neuzeit wird die F. Zwangsversicherung.
Lit.: ;
Kühn, R., Das Brandversicherungswesen im Königreich Sachsen 1913, Neudruck
2013; Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den
Herzogtümern Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger
Feuerkontrakte und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936;
Zwiewrlein, C., Der gezähmte Prometheus - Feuer und Sicherheit, 2011
Feuerwehr ist die
Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung mehrerer
Menschen. Sie beginnt als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von
Wächtern ([lat.] vigiles [M.Pl.] Wächter) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v.
Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden
und berufsmäßige Feuerwehr in Großstädten einander gegenüber.
Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im antiken
Rom, 2004
Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut
zu Fall kommen (bzw. es muss Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt
darüber zugrunde gehen sollte).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Anfang 16. Jh.)
Fichard,
Johann (Frankfurt am Main 23. 6. 1512-Frankfurt am Main 7. 6. 1580) wird nach
dem Rechtsstudium in Heidelberg (1528), Freiburg im Breisgau (Ulrich Zasius)
und Basel (1530) sowie der Promotion in Freiburg im Breisgau am 28. 11. 1531
Advokat in Frankfurt am Main, 1532/1533 am Reichkammergericht in Speyer und
dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium in Padua 1536/1537
Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten Leistungen sind
neben den 1539 in Fortführung eines Werkes des Bernhard Rutilius
veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iurisconsultorum recentiorum
(Lebensbeschreibungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert) die
Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften →Solms (1571) und die
revidierte Reformation der Stadt →Frankfurt am Main (1578).
Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fichard, 1889;
Rivier, A., Über die ars notariatus von Johann Fichard (1539), ZRG RA 13
(1892), 356
Fichte, Johann Gottlieb (Rammenau bei Bischofswerda
19. 5. 1762-Berlin 29. 1. 1814), Philosoph des deutschen Idealismus (Jena
1794-1799, Erlangen 1805-1806, Königsberg 1806-1807, Berlin 1810) bestimmt das
Recht im Sinne eines Verhältnisses der wechselseitigen Freiheitsbeschränkungen,
genannt Rechtsverhältnis, wobei schon im Naturzustand das Rechtsgesetz den
Einzelnen verpflichtet und ein Urrecht auf Freiheit, Unantastbarkeit des
Körpers und Eigentum verleiht.
Lit.: Verweyen, H., Recht und
Sittlichkeit in Johann Gottlieb Fichtes Gesellschaftslehre, 1875; Fichte, J.
G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1962ff. (42 Bände)Fichtes Lehre vom
Rechtsverhältnis, hg. v. Kahlo, M., 1992; Pauly, W., Freiheit und Zwang in
Fichtes Staatsphilosophie (in) Recht, Idee, Geschichte, 2000, 591ff.
Ficker,
Julius (Paderborn 30. 4. 1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von
Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für
Geschichte und zeitweise (1863) Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche
unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch
vergleichender Zielsetzungen untersucht.
Lit.:
Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV; Jung, J., Julius Ficker,
1907; Brechenmacher, T., Julius Ficker, Geschichte und Region 5 (1996), 53ff.
fictus (lat. [Adj.]) erdacht, fingiert z. B. (lat.) fictus possessor, gingierter
Besitzer
Fideicommissum (lat. [N.] der Treue Anvertrautes) ist im römischen Recht
zunächst die formlose, nur sittlich verpflichtende Anordnung (Bitte), die der
Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben erteilt bzw. mitteilt. Seit
Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus solchen Briefen entstehende
Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu einer obligatorisch wirkenden
Rechtseinrichtung, die der Bedachte vor dem Konsul, später vor einem besonderen
(lat.) praetor (M.) fideicommissarius (Fideikommissprätor) geltend machen
kann. Justinian (527-565) stellt f. und (lat. [N.]) legatum, Vermächtnis
gleich. Beschwert werden kann der Erbe, der Vermächnisnehmer, ein anderer
Fideikommissar oder der erbende Fiskus, betroffen sein kann ein einzelner
Gegenstand oder die ganze Erbschaft.
Lit.: Kaser § 68 V
Fideikommiss (1543) →fideicommissum, Familienfideikommiss
Lit.:
Kunsemüller, E., Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K.,
Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fischer,
H., Die Auflösung der Fideikommisse, 2ß13
fideikommissarisch (Adj.) ein Fideikommiss betreffend
Fideiussio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht eine in der späten Republik für jede Schuld
zulässige Form der →Bürgschaft.
Lit.: Kaser § 57 II 2
Fidelis (lat. [M.])
Getreuer, Gläubiger
Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis, ZRG GA 57 (1937), 442;
Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351
Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur unter
römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.]) sponsio (→Bürgschaft)
für Nichtbürger.
Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44,
63
Fides (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche
Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue,
mala f. die schlechte Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer
und unredlicher Besitzer voneinander unterscheiden. Auf die f. stützt das
römische Recht vor allem die Fälle des →bonae-fidei-iudicium (Klage aus
den wichtigsten formfrei begründeten Schuldverhältnissen).
Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides
alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83
(1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D.,
Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004
Fiducia (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der dem
Gläubiger (Fiduziar) als Sicherungsnehmer vom Schuldner (Fiduziant) als
Sicherungsgeber das Eigentum an einer Sache unter der Treuabrede (f.)
verschafft wird, dass die Sache nach Erreichung des Sicherungszwecks (z. B. Tilgung
der gesicherten Schuld) zurückzuübereignen sei. Im spätantiken römischen Recht
stirbt die F. ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9;
Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft,
Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R.
u. a., 1998; Noordraven, B., Die Fiduzia im römischen Recht, 1999
Fiktion ist
der Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend
behandelt (z. B. gilt lange Zeit das uneheliche Kind nicht als mit seinem Vater
verwandt, obwohl es tatsächlich mit ihm verwandt ist). Die F. ist bereits dem
römischen Recht an einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).
Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9
Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die
→juristische Person nur eine →Fiktion sei.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
filia (lat. [F.]) Tochter
filius (lat. [M.]) Sohn
Film
Lit.:
Ackermann, A., Film und Fimrecht, 2013
final zweckgerichtet
Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s
entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher
der →Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestands zu verstehen ist.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Finanz ist die vom mlat. Verb finare, festgesetzte
Abgabe bezahlen abgeleitete Vermögenslage einschließlich des dafür notwendigen
Rechnungswesens. Der Ausdruck Finanz(en) wird im 16. Jh. gebräuchlich, nachdem
die Verfügbarkeit über Geldmittel als Grundlage von Herrschaftsverwirklichung
erkannt wird. Im 16. und 17. Jh. bestehen landesherrliche und landständische
Finanzverwaltung nebeneinander, doch bricht die landständische Finanzverwaltung
im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) vielerorts zusammen. Danach dienen alle
öffentlichen Einnahmen der Befriedigung aller öffentlichen Ausgaben. Im 19. Jh.
setzt sich die Steuer als Einnahmequelle gegenüber den Einnahmen aus Domänen
und Regalien durch. Nach dem ersten Weltkrieg wird unter dem
Reichsfinanzminister Matthias Erzberger die progressive Einkommensteuer mit
Lohnsteuerabzug bei dem Arbeitgeber eingeführt. Das ausgehende 20. Jh. ist von
der zunehmenden Bedeutung der weniger deutlich erkennbaren indirekten Steuer
(Mehrwertsteuer), das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments, die
öffentliche Haushaltsordnung, durch Kassenordnungen, Rechnungslegungsordungen
und Prüfungsbehörden gekennzeichnet.
Lit.: Brunner, O., Die Finanzen
der Stadt Wien, 1929; Schnee, H., Die Hoffinanz und der moderne Staat, Bd. 1ff.
1963ff.; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden
Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben,
A. v., Staatsfinanznot und sozialer Wandel, 1985; Ullmann, H., Staatsschulden
und Reformpolitik, 1986; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und
Finnazverwaltung, 1992; Schremmer, E., Über gerechte Steuern, 1994; Economic
Systems and State Finance, hg. v. Bonney, R., 1995; Alpers, M., Das nachrepublikanische
Finanzsystem, 1995; Buchholz, W., Geschichte der öffentlichen Finanzen in
Europa, 1996; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; The Rise of the
Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney, R., 1999; Staatsfinanzen -
Statsverschuldung - Staatsbankrotte in der europäischen Staaten- und
Rechtsgeschichte, hg. v. Lingelbach, G., 2000; Mersiowsky, M., Die Anfänge
territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Finanzen und
Herrschaft, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2003; Ullmann, H., Der deutsche
Steuerstaat - Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Isenmann, M.,
Die Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld, 2005; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Handbuch der europäischen
Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., Bd. 1 2006; Städtische
Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, hg. v.
Seggern, H. v., 2007; Ullmann, H., Staat und Schulden, 2009; Lehmann, M.,
Finanzinstrumente, 2010
Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich
zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern (z. B.
Ländern, Gemeinden, Krankenkassen).
Lit.: Hidien, J.,
Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998
Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der
Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12.
1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt), vor allem in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten
eingerichtete Zweig der →Gerichtsbarkeit.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, (in) Justizalltag im Dritten Reich,
1988, 81
Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer
öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F.
erfolgt in Rom durch Verpachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private
Unternehmer (Steuerpächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen
Hofamtes des →Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer
geordneten F. (z. B. 1491 Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495
Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten
Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit
1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufgestellt und 1714
zur Prüfung eine Oberrechnungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das
Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In Deutschland ist die F. in der Gegenwart
in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzamt gegliedert.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A.
1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und
Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923),
168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A.
1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964;
Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16.
Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972;
Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der
Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G.,
1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A.
de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M.,
Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern
und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v.
Bonney, R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006;
Kempny, S., Die Staatsfinanzierung nach dere Paulskirchenverfassung, 2011
Finch, Heneage
(1611-1682) wird nach dem Studium am Christ Church College 1638 Mitglied der
Inn of Court Inner Temple in London und 1673 als Lord Chancellor Vorsitzender
des →Court of Chancery, wo er eine zusammenfassende Gestaltung der →equity
(des englischen Rechtes) bewirkt.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff.,
6, 539
Findebuch,
Findbuch, ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden von Daten bzw.
Überlieferungsträgern(z. B. Akten) vor allem in Archiven.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den
Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987
Findelkind ist das ohne sicheren Hinweis auf seine
Eltern gefundene Kind. Vielleicht anfangs rechtmäßig, wird die Aussetzung eines
Kindes in Rom 374 n. Chr. mit Strafe bedroht. Ausgehend von Italien (Mailand
787, Siena 832) entstehen Findelhäuser. Um 1800 wird die Zahl der Findelkinder
auf rund 100000 jährlich geschätzt.
Lit.: Hügel, F., Die Findelhäuser
und das Findelwesen, 1863; Hunecke, V., Die Findelkinder von Mailand, 1987;
Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Gestrich, A. u. a.,
Geschichte der Familie, hg. v. 2003
Finnland ist
der zwischen Schweden, Russland und Estland gelegene nordosteuropäische,
hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen
besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus
christianisierte Gebiet zu einem Teil →Schwedens erklärt. Im frühen 16.
Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten →Russlands
auf F. (autonomes Großfürstentum) verzichten, doch bleibt das von Schweden
geprägte Recht bestehen. Helsinki wird 1812 statt des westlicheren Turku Hauptstadt
und erhält 1827 auch die 1640 in Turku gegründete Universität. 1863 wird
Finnisch neben Schwedisch zweite Amtssprache. Seit 1872 arbeiten die nordischen
Länder im Recht verstärkt zusammen. Unter dem Einfluss der deutschen Rechtswissenschaft
entsteht eine finnische Rechtswissenschaft. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch
geschaffen. 1906 wird im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts das
Frauenwahlrecht eingeführt. Nach der Oktoberrevolution vom (25. 10./)7. 11.
1917 in Russland ruft F. am 15. 11. 1917 die Selbständigkeit aus. 1920 erkennt
Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F.
an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches
kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem
Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. 1975
findet in Helsinki eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
statt. 1991 ratifiziert F. die Europäische Menschenrechtskonvention. Zum 1. 1.
1995 tritt es aus der Europäischen Freihandelszone der →Europäischen
Union bei. 2000 wird ein Grundgesetz angeommen.
Lit.: Getz, B., Das staatsrechtliche Verhältnis zwischen
Finnland und Russland, 1900, Neudruck 2013; Der Stolypinsche Gesetzentwurf, hg.
v. Habermann, W., 1911, Neudruck 2013; Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte
Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027,
3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen
historia pikkujättiläinen, 1987; Jodhatus Suomen oikeushistoriaan, hg. v.
Letto-Vanamo. P., 1990; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands
Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v.
Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A.
u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungssystem Finnlands, 1999; Ettmayer, W.,
Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M.,
Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Björne, L., Den
Nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 3 1871-1910, 2002; Nesemann, F., Ein Staat,
kein Gouvernement, 2003; Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the Cold
War, 2006; Meinander, H., Finlands historia, 2006; Silvennoinen, O., Geheime
Waffenbrüderschaft, 2010; Land unter dem Nordlicht, hg. v. Halmesvirta, A.,
2013
Firma (1705) ist der →Name
des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt, im weiteren
Sinn auch das →Unternehmen. Die F. entsteht aus dem mittelalterlichen
Handel (Italien 12. Jh., in den deutschen Sprachraum am Anfang des 18. Jh.s
entlehnt, ALR [1794] II, 8, 617). Sie kann mit dem Unternehmen übertragen
werden.
Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma,
Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 1974, 5. A.
2000; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Krause, O, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Fischbeck (Stift)
Lit.:
Oldermann, R., Stift Fischbeck, 2010
Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und
andere nutzbare Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen
und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im
Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an
größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal
seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf
den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des
Fischereirechts kann das Fischereiausübungsrecht verpachten.
Lit.:
Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des
Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und
Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., Die Fischereirechte des
Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht
im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des
Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E., Das Recht der
Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im
Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen,
A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des
Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D.,
Die Schätze Neptuns, 2002
Fiscus (lat.
[M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des
Kaisers), in welche die Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen,
Gebühren und Domänen fließen. Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die
verschiedenen fisci zu einem einzigen f. zusammen. Zumindest später herrscht
die Vorstellung, dass der f. gleichsam Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des
4. Jh.s geht die (vom Senat verwaltete) Staatskasse (lat. aerarium [N.]) im f.
auf., während das Privatvermögen des Kaisers (lat. [N.] patrimonium) getrennt
bleibt. Der f. wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im
Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach privilegierter →juristischer
Person.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische
Finanzsystem, 1995
Fiskal ist
im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Verwaltungsrecht der
Interessenvertreter des (lat. fiscus [M.] bzw.) Staates. Er findet sich um 1225
in Sizilien unter Kaiser Friedrich II., von wo aus er nach Frankreich und
Spanien ausstrahlt. 1421 ist Dr. Bartholus aus Pisa urkundlich als erster F.
des Heiligen römischen Reiches nachweisbar. Aufgaben des Fiskals sind der
Schutz der Kronrechte und die Vertretung des Königs bzw. Kaisers bei der
gerichtlichen Verfolgung der Übertretungen der reichsrechtlichen Rechtssätze
(z. B. Durchsetzung der Ansprüche gegenüber Reichsständen). Neben dem F. am
königlichen Kammergericht des 15. Jh.s und am Reichskammergericht und
Reichshofrat entsteht auch in Österreich, Bayern, Sachsen und Preußen ein F.
(Landesfiskal). Am Reichskammergericht wird der F. im 16. Jh. von einem
Vertreter der Interessen des Kaisers zu einem in gewisser Hinsicht
privilegierten, in den Gerichtsbetrieb eingegliederten Angehörigen des
Gerichts. →Fiskalat
Lit.:
Demel, H., Geschichte des Fiskalamtes in den böhmischen Ländern, 1909;
Rautenberg, B., Der Fiskal am Reichskammergericht, 2008
Fiskalat ist
die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.)
advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des
Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II.
in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère
public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige römische Reich (1421
Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die
Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernommen.
Lit.: Ortloff, H., Die öffentliche Anklage in Deutschland,
16 (1865), 254ff.; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle, U.,
Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964
Fiskus (1497) ist der Träger
öffentlicher Verwaltung, soweit er in privatrechtlichen Formen tätig wird. Der
F. geht auf den römischen →fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus
(M.) bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das
königliche Vermögen (u. a. das einzelne Landgut). Bis zum 13. Jh. werden
Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den
Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die
landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des
Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen
19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes
„Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt.
Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird
der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes
verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher
Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.
Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962;
Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich,
Diss. jur. Hamburg 1965; Lechner, W., Das deutsche Verwaltungsrecht in den
Kategorien von Res publica, Civitas und Fiscus, Diss. jur. Würzburg 1969;
Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, K., Der
Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln,
Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes,
1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994; Maletzky,
M., Das Erbrecht des Fiskus, 2001
Flächenstaat ist
der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem
Personenverbandsstaat zu unterscheidende, seit dem Mittelalter entstehende →Staat.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
111
Flame ist der fränkisch (bzw. altniederfränlisch
bzw. mittelniederfränkisch) sprechende Bewohner der nordwestlichsten Gebiete
(Flandern) des Heiligen römischen Reichs bzw. der Bürger Belgiens. Flämisches
Recht ist das in Flandern ausgebidete Recht. Seit dem Hochmittelalter wird modernes
flämisches (niederländisches) Recht im Zuge der Ostsiedlung verbreitet.
Lit.: Goerlitz, T.,
Das flämische und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen
das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Van
Winter, J., Vlaams en Hollands recht bij de kolonisatie von Duitsland in de 12e
en 13e eeuw, TRG 21 (1953), 205ff.; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung im
MIttelalter, 1990; Lück, H., Flämische Siedlungen und flämisches Recht in
Mitteldeutschland, (in) Sprachkontakte, hg. v. Stellmacher, D., 2004, 73ff.
Flandern ist
das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen bezeugte Flachland an der
Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das
Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie
Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 qieder an →Österreich, 1794 an
Frankreich, 1814 an die →Niederlande und 1830 überwiegend an →Belgien.
Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später französisch
geprägt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis
comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de
châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft
Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen
Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938),
163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954,
Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956;
Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A.,
Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van,
Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in
Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas
méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Van Peteghem, P., De raad van
Vlaanderen, 1990; Jacob, R., Les époux, le seigneur et la cité, 1990; Nicolas,
D., Medieval Flanders, 1992; Opsommer, R., Omme dat leengoed es thoochste dinc
van der weerelt het leenrecht in Vlanderen in de 14de en 15de eeuw, 1995;
Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft
Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000;
Le parlement de Flandre à travers ses archives, Revue du Nord Nr. 382; Hortal
Muñoz, J., Los asuntos de Flandes, 2011
Flavius,
Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304
v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten
Prozessformeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum,
flavisches römisches Recht der Bürger).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die
literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch
Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2
Flensburg ist
die schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr →Grundbuch nach dem
Realfoliensystem gestaltet.
Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen
Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49
Fleta ist
das in lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer
mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische Rechtsbuch eines
unbekannten Verfassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung
von Gesetzen) →Bractons kommentierend fortführt.
Lit.: Plucknett,
T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; 265
Florentina (Codex
Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen
7. Jh. vermutlich in Konstantinopel/Byzanz zweispaltig geschriebene,
spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in Süditalien im späteren
11. Jh. wiederentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa (littera
Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553 erstmals gedruckte
Handschrift der →Digesten Justinians mit insgesamt 907 Blättern.
Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Florenz am
Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen
als Florentina neu gegründet. 962 ist es Teil Reichsitaliens. 1138 weist F.
eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im
13. und 14. Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw.
Gulden). 1348 erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1354 erkennt es
die Reichshoheit an. Seit dem 15. Jh. erringt die Familie Medici die Macht.
1531 wird F. Herzogtum. 1718 wird bei dem Aussterben der Medici der spanische
Infant Karl als Erbe eingesetzt, zugleich aber die gesamte Toskana zum
Reichslehen erklärt. 1737 fällt F. an Österreich. Im Frieden von Campo Formio
(1797) verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reichs auf alle
Reichsrechte in Italien und damit auch auf F. 1859 gelangt F. an Italien
(1865-1871 Hauptstadt).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Davidsohn, R.,
Geschichte von Florenz, Bd. 1ff. 1896ff.; Doren, A., Studien aus der
Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968;
Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Firenze e la Toscana dei Medici
nell’Europa, hg. v. Garfagnini, G., 1983; Panella, A., Storia di Firenze, 1984;
Luzzati, M., Firenze e la Toscana nel Medioevo, 1986; Zorzi, A.,
L’amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988;
Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in
Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd.
1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001;
Dameron, G., Florence and Its Church, 2005; Najemy, J., A History of Florence
1200-1575, 2006; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34; Ciapelli,
G., Fisco e società a Firenze nel Rinascimento, 2009
Floß ist das aus mehreren verbundenen Baumstämmen
gebildete Wasserfahrzeug, das vor allem dem Transport von Holz dient. Seit dem
13. Jh. erscheint das F. häufiger in Quellen. Die Flößerei ist Regal. 1895
regelt ein Reichsgesetz des Deutschen Reiches die Flößerei (vgl. auch Art. 65
EGBGB), die mit der Verbreitung der Eisenbahn und der Lastkraftwagen aber ihre
wirtschaftliche Bedeutung verliert.
Lit.: Sponeck, C. Graf v.,
Handbuch des Floßwesens, 1825; Jägerschmid, K., Handbuch für Holztransport und
Floßwesen, 1827f.; Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982; Hasel,
K./Schwartz, E., Forstgeschichte, 1985, 2.A. 2002
Flucht ist das Ausweichen vor einer Gefahr durch
Ortsveränderung. Die F. ist ein Grundverhaltensmuster von Lebewesen. Die F.
eines Menschen kann je nach den Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. →Flüchtling
Lit.: Flucht, Vertreibung, Integration, red. v. Rösgen, P., 2. A.
2006
Flüchtling ist
der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich
Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich
allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer größer werdenden
Zahl von Flüchtlingen.
Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v.
Bundesministerium für Vertriebene u. s.
w., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights of Refugees, 2005
Flumet
Lit.: Diestelkamp, B., Die
Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228), ZRG GA 94 (1977), 204
Flur ist der vom Wald getrennte einzelne Teil des
bäuerlichen Wirtschaftslands (Wiese, Feld).
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und
Flurformen germanischer Länder, 1952; Westfälischer Flurnamenatlas, bearb. v.
Müller, G.. 2000ff.
Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich
genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zum Zweck
ertragreicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in
Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) mit der
Bauernbefreiung als Folge der Auflösung des Gemeinlands (→Allmende). Am
16. 6. 1937 wird sie im Deutschen Reich durch eine Reichsumlegungsordnung und
am 14. 7. 1953 in der Bundesrepublik Deutschland durch ein
Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende
des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von
bescheidener Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Bornhak, C., Grundriss des
deutschen Landwirtschaftsrechts, 1921; Abel, W., Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1962, 3. A. 1978; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der
Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die
Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die
japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998;
Quellen zur Entstehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000
Flurname
ist der besondere Name einer Flur oder eines Geländeteils (Berg, Tal, Wasser,
Wald, Feld). Der F. ist Ortsname im weiteren Sinn (z. B. Judenbühel, Lehfeld,
Langgreid, Hungerwiese, Himmelreich, Paint, Kach, Hut, Füchsle, Holzacker). Er
kann Rechtsvorstellungen enthalten.
Lit.: Künßberg,
E. Frhr. v., Flurnamen und Rechtsgeschichte, ZRG GA 51 (1931), 93ff.; Hänse,
G., Die Flurnamen des Stadt- und Landkreises Weimar, 1970; Piirainen, E.,
Flurnamen in Vreden, 1984; Hessischer Flurnamenatlas, hg. v. Ramge, H. u. a.,
1987; Westfälischer Flurnamenatlas, hg. v. Müller, G., Lief. 1ff. 2000ff.; Mikrotyponyme,
hg. v. Meineke, E. u. a., 2011
Flurschütz (Flurer, Flurknecht, Heye u. a.) ist der
die Aufsicht über die Fluren führende niedere dörfliche Amtsträger.
Lit.: Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd.
1ff. 1957ff.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996
Flurzwang ist
die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. könnte
mit der mittelalterlichen →Dreifelderwirtschaft entstanden sein. Er
verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
96; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1
1957, 42.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996
Föderalismus ist
die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund) beruhende
gesellschaftliche Vorstellung, die sich besonders in der machtmäßigenden,
mehrstufigen, relative Eigenständigkeit Beteiligter wahrenden Gestaltung eines
Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste
geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme
Israels), als Geburtsstunde des politischen Organisationsprinzips F. die
Entstehung der Vereinigten Staaten von Amerika 1787, deren Vorbild die Schweiz
(1848), Kanada, Australien und in veränderter Form Österreich (1861) und der
Nordeutsche Bund (1867) folgten.. Eine völkerrechtliche Form des F. ist der
Staatenbund, der verschiedentlich einem Bundesstaat vorausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und
Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische
Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im
Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G.,
Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus
in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und
Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Laufer, H./Münch, U., Das föderative
System der Bundesrepublik Deutschland, 1998; Föderative Nation, hg. v.
Langewiesche, G. u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002;
Föderalismus in der griechischen und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u.
a., 2005; Kaiser, A., Föderalismus, 2007; Funk, A., Föderalismus in
Deutschland, 2008; Funk, A., Kleine Geschichte des Föderalismus, 2010; Franke,
C., Wandlungen föderalen Regierens im Deutschen Kaiserreich, HZ 293 (2011), 374;
Das Februarpatent 1861, hg. v. Kriechbauemer, R. u. a., 2011
Fodrum (lat.
[N.]) ist die frühmittelalterliche Abgabe (Aquileja 792) (für Futter) an den
Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12.
und 13. Jh. zum Namen der direkten →Steuer.
Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil.
Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl,
C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Grüninger, S., Grundherrschaft im
frühmittelalterlichen Churrätien, 2006
Foederati (lat.
[M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten
(z. B. Goten 382 n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H.,
Foederati, 1930
foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen →fenus (N.) nauticum
folkland (ae.
[858]) Allod?, verliehenes Königsland?
Folter ist
die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen
oder Leiden, die von einem Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst
bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten
oder einen Dritten zu einer Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird
bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um
ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht wird sie im Frühmittelalter gegenüber
Unfreien gebraucht. Im Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt
[1221/1230 str.], kirchliche Inquisition 1215/1231/1252 [Bulle Ad exstirpanda],
Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.]
poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge,
Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str.
ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe
angewandt. Dagegen setzt die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) das
Vorliegen besonderer Indizien vor Anwendung der F. voraus. In Hexenprozssen fragen
örtliche Gerichte bei Fakultäten häufig nach der Anwendbarkeit der Folter,
wogegen die Fakultäten anscheiend einen mäßigenden Einfluss ausüben. Die
Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel
de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich [Beschränkung
auf mit der Todesstrafe bedrohte Tatbestände 1768] 1776, Polen, Litauen 1776,
Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen die
nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Art. 3 der europäischen
Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 stuft die F. als Verletzung der
Menschenrechte ein. Mit der am 10. 12. 1984 beschlossenen, am 31. 12. 1990 in
Kraft getretenen Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist die F.
weltweit geächtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter
in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De pijnbank
in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R. Stammler,
1926; Helbin-Bauer, F., Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die
Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom
Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Vogt, A., Die Anfänge des
Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schünke, W.,
Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P.,
La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius, C., Über
die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the
Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und
Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000; Kramer,
S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die Folter, 2004; Hermann,
H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der Folter im Jahre 1776 in
Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der Wahrheit, 2006; Gegen Folter
und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Möhlenbeck, M., Das absolute
Folterverbot, 2008; Sauter, M., Hexenprozess und Folter, 2010; Kimmelmann, A.,
Die Folter im Beweisverfahren der Leges Visigothorum, 2010; Quellen zur
Aufhebung der Folter, hg. v. Zopfs, J., 2010; Schild, W., Folter, Pranger,
Scheiterhaufen, 2010; Die Geschichte der Folter seit ihrer Abschaffung, hg. v.
Altenhain, K. u. a., 2011; Die Wiederkehr der Folter?, hg. v. Altenhain, K. u.
a., 2012; Folter vor Gericht, hg. v. Altenhain, K. u. a., 2012
Fondaco ist die auswärtige Kaufmannsniederlassung
im Mittelalter (gr. pandocheton, Herberge, arab. funduq, Unterkunft). In
Italien begegnet der F. 1085 in Amalfi, 1191 in Genua, im 13. Jh. in Pisa und
Venedig (F. dei Tedeschi, 1505 abgebrannt, bis 180 Handelshaus deutscher
Kaufleute).
Lit.: Simonsfeld, H., Der Fondaco
dei Tedeschi, Bd. 1f. 1887, Neudruck 1968; Concina, E., Fondaci, 1997;
Constable, O., Housing the Stranger in the Mediterranean World, 2003
Forderung (812, Forderungsrecht 1766) ist
das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten
Forderungen entstehen vermutlich bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die
rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an
durch ein Einstehenmüssen (→Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F.
erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.
Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von
Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E.,
Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im
römischen Recht, 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der gerichtlichen Einrichtungen) ist
das von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasste höfische Werk über den →Fuero
viejo de Castilla.
Form (1190) ist die
sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstands oder einer Vorstellung. Nach
einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich, ob
strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung (z. B.
Frühmittelalter) oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe
gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im
Vordringen.
Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Siegel,
H., Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfahren, 1863; Siegel, H., Die
Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Brunner, H., Wort und Form im
altfranzösischen Prozess (1868) (in) Brunner, H., Forschungen zur Geschichte
des deutschen und französischen Rechts, 1894, 260; Stutz, U., Das Stadtrecht
gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O.,
Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum
der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Gmür, R.,
Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Eckhardt, U.,
Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Symbolische
Kommunikation vor Gericht in der frühen Neuzeit, hg. v. Schulze, R., 2006;
Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009; Schwenk, A.,
Die Formbestimmung des § 313 BGB a. F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Formalismus ist
das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht wirklich belegter
Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio
[F.] im römischen Recht) und setzt sich die →Formfreiheit erst allmählich
durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der Gegenwart in vielen
Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen des modernen
Totalitarismus ist es, unerwünschte Form als bloßen F. abzustufen.
Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell,
DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann,
E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit
statt Formalismus, 1986
Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer vorgesehenen →Form
abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher Lehre ist im germanistischen Bereich der
älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid, Wortformel und Gebärde die
Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen vereinfacht haben.
Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung durchgedrungen sein.
Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides
facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875
Formel ist
die förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht
beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in
einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen
Verfahrensform (lat. [F.] →legisactio), zu der genau vorgeschriebene
Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt
statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis
bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechtes
erfordern für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem
entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen u. s. w. häufig gewisse Formeln.
Umfangreichere Formeln (lat. [F.] →formulae) werden in →Formelsammlungen
gesammelt.
Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln
in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit
unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der
Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126
formell, Adj., die Form betreffend (im Gegensatz zum Inhalt bzw. der Materie)
Formelles Recht
ist das das Verfahren betreffende Recht (Verfahrensrecht, Prozessrecht) im
Gegensatz zum materiellen Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht).
Lit.: Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte, 1996
Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das
quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für
Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die
bekanntesten frühmittelalterlichen Formelsammlungen (31 Handschriften) sind
die westgotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-620), die formulae
Andecavenses (Angers um 600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-735?), die
formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832),
wobei das Fehlen von Formelsammlungen aus Italien bemerkenswert ist. Danach
finden sich vielleicht unter dem Einfluss italienischer Notarskunst seit dem
11. Jh. Formelsammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B.
Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino, um 1080) oder der (lat.)
ars (F.) notariae (Rainerius Perusinus [1185-1245] vor 1234, Rolandinus Passageri
Summa artis notariae, 1255/1256, insgesamt schätzungsweise 3000 Handschriften
und Frühdrucke). Für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Heilige römische
Reich haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi
(Baumgartenberg bei Linz A. 14. Jh., 240 Stücke, Formularbuch) und Perneder,
Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).
Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Rockinger,
L., Briefsteller und Formelbücher des 11. bis 14. Jahrhuderts, 1863f.;
Schröder, R., Über die fränkischen Formelsammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75;
Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H.,
1900; Liber Diurnus, hg. v. Foerster, H., 1958; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri
duo, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964; Worstbrock,
F./Klaes, M./Lütten, J., Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters, Bd. 1
Von den Anfängen bis um 1200, 1992
Formfreiheit ist
die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von einer besonderen →Form.
Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht.
Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z.
B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F.
der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F.
Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine
Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditverträge, Arbeitsverträge).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher
formulae (lat. [F. Pl.]) →Formelsammlung
Formular ist das die allgemeinen Angaben eines Typs von Urkunden zwecks leichter indiviueller
Ergänzung enthaltende Schriftstück.
Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren
Legisaktionenverfahren (→legisactio) im klassischen römischen Recht
nachfolgende, dem späteren →Kognitionsverfahren vorausgehende Verfahren.
Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt statt weniger
Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln
(Formulare). Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor
hin meist schriftlich in einer (lat. [F.]) formula (Schriftformel) niedergelegt,
woraufhin der (lat. [M.]) iudex (Richter) gemäß der Formel Beweis erhebt und
sein Urteil spricht. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe
Reste abgeschafft.
Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere
praescriptis verbis, 2002
Foro ist
die portugiesische Bezeichnung für →Fuero. 1111 wird ein F. an Coimbra
verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an Lissabon (F. von
Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten gewährt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666
Forsman,
Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem
Studium von Philosophie und Recht in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und
Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung
(Suomen laindsäädännön historia).
Forst (Etymologie unklar) ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen
(lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch →Bann abgesonderte
herrschaftliche Wald (meist des Königs, Austrasien 648, Neustrien 657/661). Im
Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich
unterschiedlich greift der absolutistische Fürst entschiedener auf die damit
verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen
Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Im
20. Jh. lebt trotz einer Rahmengesetzgebung durch das Gesetz zur Erhaltung des
Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) in Deutschland
der hergebrachte Föderalismus im Forstrecht fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS;
Roth, K., Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker,
A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren
Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum,
1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen
Frankreichs, 1965; Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965;
Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967;
Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel,
K., Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Rubner, H., Deutsche
Forstgeschichte 1933-1945, 1985, 2. A. 1997; Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1986, 2. A. 2006; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur.
Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001; Marquardt, B., Umwelt und
Recht in Mitteleuropa, 2003
Forsthoff,
Ernst (Laar bei Duisburg 13. 9. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der
Promotion bei Carl →Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in
Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und
Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der
allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen
könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit, der
umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend
gegenüber. Trotz seines konservativen Verfassungsverständnisses ist sein
Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950,
10. A. 1973) ist längere Zeit in Deutschland führend.
Lit.: Storost, U., Staat und Verfassung bei Ernst
Forsthoff, 1978; Doehring, K., Ernst Forsthoff, (in) Juristen im Portrait,
1988, 341; Ernst Forsthoff Kolloquium, hg. v. Blümel, W., 2003; Schütte, C.,
Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006;
Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926-1974), hg. v. Mußgnug, D. u.
a., 2007
Fortescue,
Sir John (um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster
Richter am königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in
Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines Lehrgespräches an Prinz
Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae,
1470, Über die Vorzüge des englischen Rechtes) das englische Recht mit dem
festländischen (französischen) Recht in einer für Laien verständlichen Weise.
In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England (Über die Beherrschung
des Königreichs England) (1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand
seines Landes dar.
Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T.,
1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615;
Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Forum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene
Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung
eines (lat.) f. externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den
Markt.
Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W.,
Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters,
Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im
Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A.
1980
Forum (N.) externum (lat.) oder (lat.) forum (N.) iudiciale ist seit dem Ende
des 12. Jh.s (Glossenapparat [lat.] Animal est substantia [vor 1210], Wilhelm
von Auvergne um 1225) bzw. seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum exterius)
im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen Bußwesens und
Gerichtswesens (kirchliche Gerichtshöfe) im Gegensatz zum nur Gott einsehbaren
inneren Gericht des Gewissens ([lat.] forum [N.] paenitentiale im Beichtstuhl),
das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.) internum bezeichnet
wird. Das Verfahren vor dem f. e. verläuft grundsätzlich streitig. Der
Angeklagte muss erscheinen und die Wahrheit wird in einem von einem Richter
(Archidiakon) geleiteten Ablauf erforscht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen,
W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA 76
(1990), 254ff.
Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) der neuere
Name für das zunächst als (lat.) forum (N.) paenitentiale bezeichnete, im
Beichtstuhl erforschte Gewissen im Gegensatz zum (lat.) →forum (N.)
externum. Im f. i. zu erscheinen, steht in der (freiwilligen) Entscheidung des
Betroffenen. Allein auf seinem Bekenntnis beruht das „Urteil“ des
Beichtpriesters (Penitentiars).
Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen,
W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971),
83; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG
KA 76 (1990), 254ff.; Goering, J., The Internal Forum and the Literature of
Penance and Confession, Traditio 59 (2004), 175ff.
Fracht ist
der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der
die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der
Frachtführer ist Kaufmann. Seefrachtrecht wird vor allem im Libre del Consolat
de Mar, in den Rôles d’Oléron, im Blackbook of the Admiralty oder im
Schiffsrecht von Hamburg aufgezeichnet. Wichtige gesetzliche Regelungen finden
sich im dänischen Seegesetz (1561), in Ordonnanzen Kaiser Karls V. und Philipps
II. für die Niederlande von 1551 und 1563, in der Ordonnance de la Marine
Frankreichs (1681), im Seerecht Preußens (1727), in den Ordonanzas von Bilbao,
im Codice per la Veneta Mercantile di Marina Venedigs (1786) oder im Code de
commerce Frankreichs (1807) und den ihm folgenden Handelsgesetzbüchern.
Ausführlich erörtert C. E. Münster 1798 das Frachtfahrer-Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts,
1913; Pappenheim, M., Zur Entwicklung des Seefrachtvertrags, ZRG GA 51 (1931),
175ff.; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Basedow, J., Der Transportvertrag,
1987; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996;
Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in)
Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595; Lopez, R./Raymond, I., Medieval
Trade in the Mediterranean World, 2001
Fragment (N.) Bruchstück (z. B. in den Digesten, dort weitere Unterteilung in
[principium und] Paragraphen)
Lit.:
Fragmente, hg. v. Gastgeber, C. u. a., 2010
Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser
Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen)
Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210,
London, British Museum Add. Mss. 46676) entdeckten, bis dahin unbekannten, als
(lat.) ordo mellifluus in expositione legum Romanarum betitelten 14 Kapitel
(Privatrecht, Prozessrecht) des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?,
Provence?).
Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto
romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G.,
Fragmenta Gaudenziana, (in) Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Liebs, D.,
Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004
Fragmenta (N. Pl.) Vaticana (vatikanische Fragmente) sind die auf einem Palimpsest in der vatikanischen
Bibliothek in Rom 1821 von Angelo Mai entdeckten Bruchstücke einer
Rechtssammlung wohl des 4. Jh.s mit Auszügen aus den Werken des Paulus, Papinians
und Ulpians sowie der kaiserlichen Konstitutionen des (lat.) Codex (M.)
Gregorianus und des Codex Hermogenianus.
Fraktion ist das Bruchstück oder (seit 1848) die
Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. In den Verfassungen
erscheint die politische F. im Gegensatz zur Partei meist nicht, doch sind sie
betreffende Grundsätze in Geschäftsordnungen geregelt. In Einparteiensystemen
gibt es die F. rechtlich oder rechtstatsächlich nicht.
Lit.:
Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen
Volksvertretungen 1819-1849, 1968; Die Fraktion als Machtfaktor, hg.
v. Schwarz, H., 2009
Franciscus de Accoltis ist der in Arezzo spätestens
1418 geborene, vielleicht in Bologna ausgebildete und dort sowie in Ferrara,
Siena, Ferrara, Mailand, Siena und Pisa lehrende, 1485, 1486 oder 1488 verstorbene
Jurist, der commentaria zu den Digesten, commentaria zu einzelnen Titeln,
commentaria zum Codex, casus, repetitiones und consilia verfasst.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 854
Franche-Comté
(Freigrafschaft) →Burgund
Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79
(1962), 106
Francia (lat.
[F.]) fränkisches Gebiet, →Franken
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960
Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen
Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 in zulässiger
Verfassungsdurchbrechung verabschiedete, nach dem Abgeordneten der
Zentrumspartei im Reichstag des Deutschen Reiches Georg Arbogast Freiherr von
und zu Franckenstein (2. 7. 1825-22. 1. 1890) als ihrem Urheber bezeichnete
Klausel (§ 8 I 1 des Gesetzes betreffend den Zolltarif des deutschen Zollgebiets
und den Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer), dass der Ertrag der Zölle und
der Tabaksteuer (des Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem
Jahr übersteigt, den Bundesstaaten entsprechend ihren Bevölkerungszahlen zu
überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben und der Ertrag aus
Zöllen und Tabaksteuer ganz dem Reich zugeschlagen.
Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die
deutsche Finanzreform, 1894; Thier, A., Steuergesetzgebung, 1999; Ullmann, H.,
Der deutsche Steuerstaat, 2005
Franeker in
den Niederlanden (Friesland) ist von 1585 bis 1811 Sitz einer juristischen
Fakultät (Ulrich Huber, Johann Gottlieb Heineccius).
Lit.: Universiteit te Franeker 1585-1811, hg. v. Jensma, G.
u. a., 1985; Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG 54 (1986),
39; Feenstra, R., Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 74 (2004), 297ff.;
Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren in de rechten aan de Franeker
Universiteit tot 1811, 2003
Frank und frei ist die in der frankophonen Schweiz
1461 (franc et libre de toutes taillés) erstmals nachweisbare Wendung (Paarformel).
Franke („Kühner“)
ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren
germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. allmählich in das südlich gelegene,
römische Gallien zwischen Rhein und Somme eindringt (vom 4. bis zum 8. Jh. rund
36000 Personennamen bezeugt). Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam
einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481/482-511) aus dem Hause der →Merowinger
den römischen Statthalter in Nordgallien (Soissons) (486), die am oberen Rhein
und an der oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien
siedelnden Westgoten (Vouillé 507). Danach bringen ihre merowingischen Könige
von dem Kernraum zwischen Rhein und Loire aus die Thüringer (531/534),
Burgunder (532/534), die Provence (536) und Bayern (bis 545) in eine gewisse
Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) →Pactus (M.) legis
Salicae (507/11?) und in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria sowie der →Ewa
Chamavorum aufgezeichnet. Vielfach wird das Reich geteilt, kommt aber z. B.
zwischen 558 und 561 unter Chlothar I. oder auch danach unter Chlothar II.
wieder in eine Hand. Vielleicht erst in den dabei ausgelösten Wirren verfallen
die römerzeitlichen Einrichtungen Galliens weitgehend. Seit dem späteren 7.
Jh. gewinnen die Hausmeier als der Familie der (Arnulfinger oder) Pippiniden (oder
später Karolinger) an Bedeutung (Pippin der Mittlere 687-714, Karl Martell
714-741, Pippin der Jüngere 741-768). 751 löst die Familie der Karolinger die
Merowinger mit Unterstützung Papsts Zacharias durch Akklamation seitens der
Großen im Königtum ab ([lat.] consecratio [F.] durch die Bischöfe, 754 Salbung
durch Papst Stephan II.). Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst
zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine
größte Ausdehnung (Sachsen, Italien 774). 843 wird es in Westreich,
Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus sich unter einstweiligem
Ausscheiden Italiens und Burgunds 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im
deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich
gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im
deutschen Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919 auf die Herzöge von
Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken
[1168]) verschwindet infolge seiner späteren Königsnähe bald in vollständiger
Zersplitterung und hinterlässt nur in den 1838 gebildeten bayerischen Regierungsbezirken
Mittelfranken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg)
eine blasse Erinnerung. Auch das fränkische Recht ist nur im Frühmittelalter
deutlich erkennbar (s. Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3;
Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien
und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im
Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische
Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte
der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800,
2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v.
Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich
der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs,
1987; James, E., The Francs, 1988; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994;
Wood, I., The Merovingian Kingdoms, 1994; Franken, Reallexikon der germanischen
Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996;
Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Kasten, B., Königssöhne und Königsherrschaft, 1997;
Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Die Franken und die Alemannen, hg.
v. Geuenich, D., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H.,
1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Semmler, J., Der
Dynastiewechsel, 2003; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs,
2005; Collins, R., Die Fredegar-Chroniken, 2007; Uffelmann, U., Das frühe
Frankenreich 482-687, 2008; Nonn, U., Die Franken, 2010
Franken ist das von dem 531/vor 720 von den
Thüringern an die Franken gefallenen Gebiet um Würzburg (Herzogtum der Hedene,
10. Jh. orientalis Francia) ausgehende Gebiet zwischen Rhön und Donau, das im
Mittelalter in zahlreiche kleine Herrschaften zerfällt (Ansbach, Bayreuth,
Hohenlohe, Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Deutscher Orden, Reichsstädte,
Reichsritter, insgesamt 43 Landesherren im fränkischen Reichskreis), am Beginn
des 19. Jh.s insgesamt aber an Bayern gelangt, das die drei Regierungsbezirke
Unterfranken (Würzburg), Mittelfranken (Ansbach mit Nürnberg) und Oberfranken
(Bayreuth) bildet. →Franke
Lit.: Stein, F.,
Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.; Hartung, F., Geschichte des fränkischen
Kreises I, 1910, Neudruck 1973; Schmidt, G., Das Herzogtum Franken, 1913;
Schaumberg, O. Frhr. v. u. a., Regesten des fränkischen Geschlechts von
Schaumberg, 1930ff.; Franken, hg. v. Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Historischer Atlas von Bayern, Teil
Franken; Bog, I., Dorfgemeinde, Freiheit und Unfreiheit in Franken, 1956;
Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae. Das kaiserliche
Landgericht des Herzogtums Franken im Spätmittelalter, 1956; Bosl, K., Franken
um 800, 1959; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962;
Schrader, E., Vom Werden und Wesen des würzburgischen Herzogtums Franken, ZRG
GA 80 (1963), 27; Zimmermann, G., Vergebliche Ansätze zu Stammes- und
Territorialherzogtümern in Franken, Jb. f. fränkische Landesforschung 23
(1963), 379ff.; Wöppel, G., Prichsenstadt, 1968; Handbuch der bayerischen
Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Handbuch der bayerischen
Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v. Spindler, M. u. a., 3. A. 1997; Der
deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert Bd. 2, hg. v. Patze, H., 1971,
255ff.; Moraw, P., Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter,
Bll. f. dt. Landesgeschichte 112 (1976), 123ff.; Andraschke, J., Arianische und
fränkische Missionierung im Regnitz- und Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr.,
Bericht des hist. Vereins Bamberg 135 (1999), 89; Franken von der
Völkerwanderungszeit bis 1268, bearb. v. Störmer, W., 1999; Merz, J., Fürst und
Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470-1519, 2000;
Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte, hg. v. Wendehorst, A., 2001;
Franken in Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. v. Blessing, W.
u. a., 2003; Franken im Mittelalter, hg. v. Merz, J. u. a., 2004; Edel und
Frei, hg. v. Jahn, W. u. a., 2004; Petersohn, J., Franken im Mittelalter, 2008;
Blessing, W., Kleine Geschichte Frankens, 2008; Wieser, E., Geschichte des
Frankenreichs, 2013
Franken (M.) Geldeinheit der Schweiz 1881
Lit.: Baltensperger, E., Der Schweizer Franken, 2012
Frankenberg ist
die 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder, für die 1493 der in Erfurt
(1454) und Leipzig (1457-1459) immatrikulierte, bakkalaurierte Bürgermeisterssohn
und Schöffe Johannes Emmerich († 15. 11. 1494) ein Stadtrechtsbuch vollendet,
das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht
und (1476 verbrannten) Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht)
vor allem auf dem (in etwa 190 Artikel geteilten) Schwabenspiegel und dem
Kleinen Kaiserrecht (Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch
die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird
1556 abgeändert nach Alsfeld übernommen.
Lit.: Diemar, H., Die Chroniken des Wigand Gerstenberg von
Frankenberg, 1909; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg,
Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Gerhardt, H., Das Alsfelder
Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82; Eckhardt, W., Das Stadtgericht
als Oberhof, Zs. f. hess. Gesch. 110 (2005), 21ff.
Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und
Schwabenspiegel ausgerichtete Bezeichnung (Richard Schroeders) des zwischen
1344 und 1350 bei Frankfurt am Main verfassten, eng an den sog.
Schwabenspiegel angelehnten →Kleinen Kaiserrechts.
Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K.,
Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44
(1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15;
Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspiegelhandschrift,
ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003
Frankfurt am Main ist
die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152
ist F. Ort der Königswahl (bis 1752 36 Könige in F. gewählt), wie dies die
Goldene Bulle (1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung.
Um 1150 wird erstmals die Messe in F. erwähnt (seit Ende des 15. Jh.s auch für
Bücher, Buchmesse). Bis 1372 (Erwerb des Pfandrechts am Schultheißenamt) wird
F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297)
aufgezeichnet (und auch an Friedberg, Gelnhausen, Steinheim am Main, Hanau,
Limburg und Wetzlar vermittelt) wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509
reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch
Johann →Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in
Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurchschnittlich groß. Nach dem
Ende des Heiligen römischen Reiches 1806 wird F. Hauptstadt des Rheinbunds mit
Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg im Palais Thurn und Taxis
(1810 Großherzog von F., 1811 Einführung des Code Napléon). Nach dem Sturz
Napoleons wahrt Karl Freiherr vom Stein die auf dem Wiener Kongress 1815
gesicherte Selbständigkeit der (freien) Stadt. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz
der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und vom 31. 3.-3. 4. 1848 des die
Wahl einer Nationlversammlung vorbereitenden Frankfurter Vorparlaments,
dessen Beschlüsse vom Deutschen Bund anerkannt werden, sowie ab 18. 5. 1848
bis 1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491
Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es
von Preußen annektiert. Wirtschaftlich entwickelt es sich zur Großstadt. 1914
wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften
Sitz einer Stiftungsuniversität (1932 Johann Wolfgang Goethe-Universität), in
der 1964 das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Helmut
Coing) gegründet wird. 1945 gelangt es zu Hessen.
Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon;
Böhmer, J., Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus - Urkundenbuch der
Reichsstadt Frankfurt am Main (794-1400), 1836; Thomas, J., Der Oberhof zu
Frankfurt a. M., 1841; Hohenemser, P., Der Frankfurter Verfassungsstreit 1705
bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935;
Cellarius, H., Die Reichsstadt Frankfurt und die Gravamina der deutschen
Nation, 1938; Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am
Main, 1939; Ziehen, E., Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke 1486-1504,
1940; Lenhardt, H., Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks, 1950; Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400, hg. v. Andernacht, D., 1955;
Habich, W., Das Weinungsgeld der Reichsstadt Frankfurt am Main, 1967; Wolf, A.,
Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am
Main, hg. v. Wolf, A., 1969; Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt,
1969; Jahns, S., Frankfurt, Reformation und schmalkaldischer Bund, 1976; Orth,
E., Frankfurt, (in) Die deutschen Königspfalzen Bd. 1 Hessen, 1985, 131ff.;
Reformacion der Stat Franckenfort am Meine, hg. v. Köbler, G., 1984;
Hammerstein, N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd.
1 1985; Zande, J. van der, Bürger und Beamter Johann Georg Schlosser 1739-1799,
1986; Bund, K., 1436-1986. 500 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main, 1986; Die
Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Die Frankfurter
Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Juristen an der Universität
Frankfurt am Main, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1989; Ein Jahrhundert
Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a., 1989; Hammerstein,
N., Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. 1 1989, Bd. 2
2012; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluss der
westfälischen Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Fischer, R., Frankfurts Beitrag für
das heutige Hessen, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter
historischen Kommission, 1991; Maly, K., Die Macht der Honoratioren, 1992; ; Dölemeyer,
B., Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen);
Frankfurter Biographie, hg. v. Klötzer, W., 1994; Frankfurt, hg. v. d.
Frankfurter historischen Kommission, 1994; Frankfurt am Main 1200, hg. v. Gall,
L., 1994; Regierungsakten des Primatialstaates und des Großherzogtums Frankfurt
1806-1813, bearb. v. Rob, K., 1995; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt
am Main, 1996; Best, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der
Frankfurter Nationalversammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in
Frankfurt/Main, 1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und
Revolutionszeit, Diss. jur. Frankfurt am Main 1996; Ribhegge, W., Das Parlament
als Nation, 1998; Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998,
385; Rothemann, M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und
Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998; Johann,
A., Kontrolle mit Konsens, 2001; Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Körner,
H., Frankfurter Patrizier, 2003; Repertorium der Policeyordnungen der frühen
Neuzeit – Frankfurt am Main, hg. v. Halbleib, H. u. a., 2004; Ihrer Bürger
Freiheit - Frankfurt im Mittelalter, hg. v. Müller, H., 2004; Schartl, R.,
Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im Spätmittelalter,
ZRG GA 123 (2006), 136; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H.
u. a., 2007; Wintergerst, M., Franoconofurt, 2007; Die Reichsstadt Frankfurt am
Main als Rechts- und Gerichtslandschaft, hg. v. Amend, A., 2008; Frankfurt im
Schnittpunkt der Diskurse, hg. v. Seidel, R. u. a., 2010; Riemer, R., Frankfurt
und Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011
Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und erhält 1253
das Stadtrecht von Berlin (der Magdeburger Stadtrechtsfamilie). Ab 1506 ist es
Sitz der ersten brandenburgischen, 1811 nach Breslau verlegten, 1991 erneuerten
Universität (Samuel Stryk, Johann Samuel Friedrich Böhmer, Johann Gottlieb
Heineccius, Johann Brunnemann, Karl Friedrich Eichhorn).
Lit.: Haalck, J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät
Frankfurt, (in) Heimatkunde und Landesgeschichte, 1958, 151ff.; Kliesch, G., Der
Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte,
1961; Bardong, O., Die Breslauer an der Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth,
E., Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast,
D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an Oder und Neiße, 2000; Höhle, M.,
Universität und Reformation, 2002; Frankfurt an der Oder 1253-2003, hg. v.
Knefelkamp, U. u. a., 2003; Kilian-Buchmann, M., Frankfurt im Mittelalter, 2005
Frankfurter Nationalversammlung →Frankfurt am Main
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen
Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992
Fränkisches Recht
ist das für →Franken geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der
deutsche König, der auf fränkischem Boden gewählt und gekrönt wird (Frankfurt
am Main, Aachen). Als besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittelalterlicher
Bezugnahmen kaum fassbar (vielleicht Königsgericht, Königsbann, Königspfalz,
Graf, Lehen, Kesselfang). →Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa
Chamavorum, Decretio Childeberti, Pactus pro tenore pacis, Praeceptio
Chlotharii, Kapitular
Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG
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Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Buchner, R., Die
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Herrschergesetzgebung, 2000
Frankreich ist
der aus dem westlichen Teil des Reiches der →Franken seit 843 allmählich
entstandene westeuropäische Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen
Franken in der romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich
unter den Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften
(Aquitanien, Normandie, Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit
888 ist das Königtum zwischen Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach
dem Aussterben der westfränkischen →Karolinger 987 der Robertiner Hugo
Capet, Graf von Paris, zum König ([lat.] rex [M.] Francorum, König der Franken)
gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Danach tritt an die
Stelle des westfränkischen Reiches F. (mit den Grenzflüssen Schelde, Maas,
Saône, Rhône), das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die
um 1180 nur ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondomäne beschränkt und
beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die
großen Lehnsträger (rund ein Dutzend Prinzipate) zurück (1328 zwei Drittel
Frankreichs Krondomäne). Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende
König von England muss bis 1214 (Schlacht von Bouvines) große Teile Frankreichs
an den französischen König überlassen. Dazu kommen kleinere Erweiterungen
(Toulouse nach 1213, Lyon 1312, Dauphiné 1349, Grafschaft Provence 1482). Zwar
herrscht der König noch im Umherziehen durch sein Reich, doch bleiben ab der
Herrschaft Philipps II. (1180-1233) Parlament und Kanzlei zunehmend in Paris.
König Ludwig IX. (1226-1270, rex Franciae) gelingt die Schaffung wichtiger
Verwaltungseinrichtungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). Auch die
Gesetzgebung wird früh als Herrschaftsmittel erkannt. 1303 kann der König von
F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben
der →Kapetinger (1328) kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit
England (Plantagenet), während dessen Dauer sich (nach anfänglichen großen
Erfolgen Englands) unter dem Haus Valois (1328-1589) die Erbmonarchie festigt.
Durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der nationale Sieg
über das sein kontinentales Gut verlierende England, so dass F. 1453 trotz
großer Verwüstungen gestärkt aus dem Krieg hervorgeht. Gegen 1440 wird das
Steuerwesen zu einer festen Einrichtung, das Heer stehend. 1477 fallen die
Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481 umfasst die Krondomäne des Königs
(mit Nevers, Picardie, Anjou, Maine und Provence) drei Viertel Frankreichs
(1491 Bretagne). 1492 wird nach Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse
Bewegung des Calvinismus wird durch die Hugenottenkriege bis 1598
zurückgedrängt (Nacht zum 24. 8. 1572 Bartholomäusnacht mit rund 12000 Toten
in Paris und 20000 Toten in Frankreich). Unter dem zum Katholizismus
zurückgekehrten König Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon (1589-1792) (13. 4. 1598
Edikt von Nantes [an der Loire nahe dem Atlantik] zur Tolerierung der
Hugenotten, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, politische Gleichberechtigung,
1685 aufgehoben) beginnt der Aufbau einer absolutistischen Herrschaft, in der
die Generalstände (états généraux) seit 1614 nicht mehr einberufen werden,
aber doch die Gesetzgebung des Königs nicht wirklich schrankenlos wird. Unter
Kardinal Richelieu als erstem Minister Ludwigs XIII. wird F. führende Macht
Europas. Am Ende des dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) erlangt F. von Habsburg
Gebiete im →Elsass, 1659 Roussillon und Artois. Der mit vier Jahren auf
den Thron gelangte König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig (mit
Schloss Versailles) merkantilistisch tätiges, Ordonnanzen erlassendes
absolutistisches Vorbild in Europa, muss aber am Ende des spanischen
Erbfolgekriegs (1714) trotz sehr hoher Staatsverschuldung ein Gleichgewicht der
Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die bürgerliche Aufklärung
gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach außenpolitischen Misserfolgen im
siebenjährigen Krieg und im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und
innenpolitischen Wirtschaftskrisen trotz Einberufung der Generalstände (1788,
1789) als auf Betreiben des Abgeordneten Emmanuel Sieyès am 17. 6. 1789 zur
Nationalversammlung erklärter (nichtadliger und nichtgeistlicher) dritter
Stand (tiers, état, rund 98 Prozent der Bevölkerung, davon 16 Prozent Bürger,
82 Prozent Bauern) am 14. 7. 1789 den König unter den Schlagworten Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit (27. 8. 1789 Erklärung der Menschenrechte, 3. 9.
1791 Verfassung, konstitutinonelle Monarchie, 1792 erste Republik, Februar
1793 Gironde-Verfassungsentwurf., 1793 Jakobinerverfassung). Nach
langjährigen revolutionären Wirren (Schreckensherrschaft unter Marat und Robespierre)
erreicht am 9. 11. 1799 Napoleon Bonaparte (als einer von drei Konsuln) die
Macht und bringt als selbstgekrönter Kaiser (2. 12. 1804) in kurzer Zeit große
Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach militärischen Niederlagen
(Leipzig 16.-19. 10. 1813, Waterloo 18. 6. 1815) Napoleons wird F.
konstitutionelle Monarchie (Bourbon, 1814-1830 Restauration, Juli 1830 Revolution,
1830-1848 Juli-Monarchie, Bürgerkönig Louis Philippe, Zensuswahlrecht), 1848
(bis 1851) zweite Republik), 1853 (zweites) Kaiserreich), 1871 (dritte)
Republik). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien gegen Preußen
und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. 1894 wird F. durch die Affäre
Dreyfus (Offizier Alfred Dreyfus [1859-1535] aus anitsemitischen Gründen mit
Hilfe gefälschter Beweise wegen Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt, 1906
rehabilitiert) erschüttert, wodurch die Trennung von Staat und Kirche
beschleunigt wird. Das 1871 verlorene Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des
ersten Weltkriegs (1918) zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen
allmählich die in der Neuzeit eroberten Kolonien. Trotz vorläufiger
Kapitulation gegenüber dem deutschen Reich (1940) und Errichtung eines
autoritären Regimes im nichtbesetzten Teil (État Français, Vichyregime) wird
es 1945 gleichberechtigte Besatzungsmacht Deutschlands und erhält einen
ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit Vetorecht. Rasch
verliert es in Freiheitskämpfen die meisten seiner Kolonien (z. B. Indochina,
Algerien). In der vierten Republik (1947-1958) schließt es sich seit 1952 mit
Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger
Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemeinschaften (Staatenverbünden)
der Montanindustrie (Montanunion), der Atom-wirtschaft (Euratom) und der
Wirtschaft (EWG) (1957) zusammen (1958 fünfte Republik unter Charles de
Gaulle), aus denen nach Zusammenfügung zu einer Europäischen Gemeinschaft 1993
insgesamt die →Europäische Union erwächst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76,
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P., Der Schatten des Volkes, 2011; Schröer, C., Republik im Experiment, 2011;
Gironde-Verfassungsentwurf (1793), hg. v. Kley, A., 2011; Boyron, S., The Constitution of France (von 1958),
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Carolingian Royal Diplomas - The West Frankisch Kingdom, 2012; Koller, C., Die
Fremdenlegion, 2013; Braun, G., Maximilien de Robespierre, 2013; Loth, W.,
Charles de Gaulle, 2013
Franz I. (Franz Stephan, Nancy 8. 12.
1708-Innsbruck 18. 8. 1765), 1723 in Wien erzogen, 1729 Herzog von Lothringen,
1732 Statthalter Ungarns, 12. 2. 1736 Heirat mit Maria Theresia, nach
Ländertausch 1737 Großherzog von Toskana, 1745 Kaiser des Heiligen römischen
Reiches
Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg.
v. Schindling, A. u. a., 1990, 232ff.
Franz II. (Florenz 12. 2. 1768-Wien 2. 3. 1835),
Sohn Kaiser Leopolds II., in Toskana aufgewachsen, 1784 Wien, 1792 Kaiser des
Heiligen römischen Reiches, 1797 Westgalizisches Gesetzbuch, 1803 Strafgesetz,
1804 auch selbst verfassungswidrig ernannter (erblicher) Kaiser Österreichs,
6. 8. 1806 Niederlegung der Krone des Heiligen römischen Reiches, 1811/1812
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg.
v. Schindling, A. u. a., 1990, 286ff.; Hattenhauer, C., Wahl und Krönung Franz
II., 1995
Franz Joseph I. (Schönbrunn 18. 8. 1830-Schönbrunn 21. 11. 1916) folgt am 2. 12. 1848
seinem Onkel Ferdinand I. als Kaiser Österreichs,.
Lit.:
Conte Corti, E., Der alte Kaiser, 3. A. 1956; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009
Franziskaner ist der Angehörige des von Franz von
Assisi (1181/1182-1226) begründeten Ordens der Minoriten (Minderbrüder,
einschließlich der Kapuziner). Bekannt sind Heinrich von Merseburg (um 1242
[lat.] Summa super V libros decretalium), Balduin von Brandenburg (um 1270
[lat.] Summa titulorum), Johannes von Erfurt (Ende 13. Jh. [lat.] Tabula iuris
utriusque, Summa confessorum), Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham,
Anaklet Reiffenstuel (1700ff. [lat.] Ius caonicum universum) und Lucius
Ferraris (1746ff. Prompta bibliotheca canonica). Vermutlich sind
Deutschenspiegel und Schwabenspiegel von Franziskanern beeinflusst.
Lit.: Ertl, T., Religion und
Disziplin, 2006; Feld, H., Die Franziskaner, 2008; Grieb, C., DIe Selbst- und Fremdwahrnehmung der
Franziskaner, 2010; Franciscan Organisation, hg. v. Robson, M. u. a., 2010
Französisch
Lit.: Tobler, A./Lommatzsch, E.,
Altfranzösisches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1954ff. (11.-14. Jh.)
Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des politischen Systems (ancien
régime) in →Frankreich 1789/1799. Sie erwächst aus der zunehmenden
Spannung zwischen dem durch Krieg und Hofhaltung die Staatsverschuldung mehrenden
König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der wirtschaftlichen
Lage und wohl auch der mangels eines Steuerkatasters willkürlichen
Steuererhebung unzufriedenen dritten Stand (der →Bürger [16 Prozent,
Bauern 82 Prozent]). Als nach sehr strengen Wintern (1787, 1788) die zum 1. 5.
1789 nach fast 175 Jahren vom König erstmals wieder zusammengerufenen Generalstände
(états généraux, 300, 300 und 600 Mitglieder der drei Stände) nach
ergebnislosen Beratungen über ein Stimmrecht nach Köpfen sich am 17. 6. 1789
zur Nationalversammlung (des dritten, hauptsächlich aus Verwaltungsbeamten,
Juristen und Kaufleuten zusammengesetzten Standes) erklären, versucht der
König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses
(Bastille, Stadttorburg im Osten von Paris) am 14. 7. 1789 muss er sie als
verfassunggebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien
régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden von der Nationalversammlung
Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche
enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste →Verfassung geschaffen
(konstitutionelle Monarchie mit Zensuswahlrecht, König als Spitze der
ausführenden Gewalt). Die Schulen werden verstaatlicht. Die zivile Eheschließung
wird eingeführt. Der Staat wird in 83 Departements eingeteilt. 1792 wird eine neue
Nationalversammlung gewählt (radikale Jakobiner, gemäßigte Girondisten).
Gegenüber Österreich und Preußen wird der Krieg erklärt. Am 21. 9. 1792 wird
die Republik ausgerufen. Der König wird wegen Verschwörung gegen die
öffentliche Freiheit und die allgemeine Sicherheit des Staates zum Tode
verurteilt und am 21. 1. 1793 hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal.
Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses
(Robespierre, Marat, Danton) wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794
beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11.
1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende fünfköpfige
Direktorium.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche
Ideen der französischen Revolution, FS Otto Mayer, 1916, 773; Stern, A., Der
Einfluss der französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, 1928;
Göhring, M., Geschichte der großen Revolution, Bd. 1f. 1950f.; Garaud, M., La
révolution et la propriété fonciere, 1959; Schmitt., E., Einführung in die
Geschichte der französischen Revolution, 1976; Vovelle, M., Die französische
Revolution, 1982; Die französische Revolution, hg. v. Günther, H., 1985; Vom
alten Reich zu neuer Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet,
D., Die französische Revolution, 1987; Schulin, E., Die französische
Revolution, 4. A. 2004; Die französische Revolution als Bruch des
gesellschaftlichen Bewusstseins, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1988; Soboll, A.,
Die große französische Revolution, 1988; Berteau, J., Alltagsleben während der
französischen Revolution, 1989; Die französische Revolution, hg. v. Reinalter,
H., 1991; Botsch, E., Eigentum in der französischen Revolution, 1992; Meinzer,
M., Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Schmidt, U.,
Südwestdeutschland im Zeichen der französischen Revolution, 1993; Stone, B.,
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Kuhn, A./Schweigard, J., Freiheit oder Tod!, 2005; Schultz, U., Der König und
sein Richter, 2012
Französisches Recht
ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht.
Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs (Gascogne,
Roussillon, Navarra, Béarn, Guyenne, Saintogne, Limousin, Lyon, Languedoc,
Provence, [überwiegend] Burgund [sowie Savoyen]) gilt seit dem Untergang des
weströmischen Reiches (476) das in vereinfachter Form (→Breviarium Alaricianum)
fortgeführte römische Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit) und
wird an den im Hochmittelalter entstehenden Universitäten (Montpellier,
Toulouse und Orléans) gelehrt. Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage
der fränkischen Volksrechte (→Pactus legis Salicae) schätzungsweise 360
örtliche oder gebietliche Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] →Coutumes, pays de
droit coutumier). Sie werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am
bekanntesten sind die →coutumes de Beauvaisis des Philippe de →Beaumanoir
(1283). 1454 wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh.
entsteht eine glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. →mos [M.]
Gallicus) mit dem Mittelpunkt in Bourges (Budé, Duarenus, Cujas/Cuiacius,
Doneau/Donellus, Favre, Gothofredus, Du Moulin, Domat, Charondas, Bourjon,
Pothier). Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances (1510, 1539, 1566,
1579, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745, 1747). Mit dem Edikt von Saint-Germain
(1679) erhält jede juristische Fakultät eine Professor für französisches
Zivilrecht. Die Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln.
Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch
(frz. Code [M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht
verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit
[M.] intermédiaire). Nach der Machtergreifung Napoléons entstehen binnen
weniger Jahre ein →Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch
1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das europäische
Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender →Code de procédure
civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein Code de
commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle (Strafverfahrensgesetzbuch
1808) und ein →Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beeinflussen das
Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten trotz
erheblicher Abänderungen (z. B. Loi Naquet 1884, Reformen von 1975 und 2004 im
Ehescheidungsrecht, 1999 Gesetz über den Pacte civil de solidarité,
Relativierung des Eigentums, Höchstpreise, Verbraucherschutz,
Gefährdungshaftung) teilweise noch in der Gegenwart. Allerdings ist der Versuch
Napoleons, das partikulare Recht der europäischen Länder durch einheitliche
französische Gesetzbücher zu ersetzen, nicht wirklich erfolgreich. 1958 wird
ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975
bzw.) 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetzbuch),
seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit
1867 erhebliche Veränderungen.
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Französische Zone ist
die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete Besatzungszone Frankreichs
(Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern, Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949
der Bizone angeschlossen wird und danach in der →Bundesrepublik
Deutschland aufgeht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Frau ist
der erwachsene weibliche Mensch. In einer patriarchalischen Gesellschaft ist
die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder Beziehung gleichgestellt. Im
altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in der Hausgewalt (lat. [F.]
manus, Hand) des Ehemanns (, die mündige Frau sui iuris unter Geschlechtsvormundschaft,
lat. tutela [F.] iuris), im Frühmittelalter in der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemanns
oder der Vormundschaft des nächsten mündigen männlichen Verwandten. Ihre
durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 21 Jahre. Auch das Christentum
unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des Frühmittelalters können Töchter
Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht gesellschaftlich weniger fest
verankert zu sein, und können verheiratete Frauen teils mit und teils ohne
Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der F. bessert sich mit ihrem
Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch
ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung über die Gleichrangigkeit der
Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die Angleichung
bzw. die grundsätzliche Gleichstellung (Dorothea Erxleben, Mary Wollstonecraft).
Dies verstärkt sich mit der französischen Revolution von 1789 (Olympe de Gouges
1791 Erklärung der Frauen- und Bürgerinnenrechte). Vereinzelt treten in
Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848
hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet. Danach
werden 1869 in Preußen die Schranken der Handlungsfähigkeit aufgehoben und
wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. 1892 lehnt die
medizinische Fakultät der Universität Berlin die Zulassung von Frauen wegen des
in der Natur der Dinge begründeten Unterschieds in den geistigen Gewohnheiten
und der Lebensauffassung ab. 1894 erwächst aus unterschiedlichen Flügeln der
Frauenbewegung (Helene Lange, Gertrud Bäumer, Minna Cauer, Anita Augspurg
1857-1943) der Bund deutscher Frauenvereine. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (1900
Baden, 1903 Bayern, 1904 Württemberg, 1906 Sachsen, Preußen 1908, Mecklenburg
1909, Österreich 1919 in Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, 1920/1921
2,58 Prozent der juristischen Studierenden, 1932/1933 6 Prozent, Anita Augspurg
erste juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche Juristin
Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleichberechtigte
Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, erste planmäßige Richterin Maria
Hagemayer Juni 1928 Landgericht Bonn, erste Habilitation einer Juristin 1932
bei Albrecht Mendelssohn-Bartholdy in Hamburg, 1948 erste ordentliche
Professorin der Rechtswissenschaft im deutschen Sprachraum Gertrud Schubart-Fikentscher
in Halle), 1919 zu Wahlen (New Jersey 1776-1807, Pitcairn 1838, Wyoming 1869,
Pariser Kommune 1871-1871, Neuseeland 1893/1919, Südaustralien 1894,
Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915,
Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika
1920, Großbritannien 1928, Türkei 1930/1934, Spanien 1931, Frankreich 1944,
Italien 1945/1946, Ungarn 1945, Japan 1945, Belgien 1946, China 1949, Indien
1950, Schweiz 1971, Liechtenstein 1984, Südafrika 1994, Afghanistan 2003,
Kuweit 2005) und (1. 7.) 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste
Gerichtsassessorin) zugelassen. Die Verfassung des Deutschen Reiches (1919) und
das Bundesverfassungsgesetz Österreichs (1920) erkennen die Gleichberechtigung
der Geschlechter grundsätzlich an. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesverfassungsgericht
alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende
Recht als außer Kraft. Weitere wichtige rechtliche Veränderungen schließen sich
an (1973 Strafrecht, 1976 Familienrecht, 1980 Arbeitsrecht, 1983, 1987, 1992
Rentenrecht). 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen
der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische
Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für
rechtswidrig. Auf die Länge scheint das veränderte Weltbild der F. das durch
den medizinischen Fortschritt ermöglichte Wachstum der Bevölkerung
auszugleichen.
Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS;
Weinhold, K., Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die
Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der
Rechtsentwicklung, 1907; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
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Mittelalter, 1954; Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Pauli, L., Infirmitas
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(Die Darstellung der Weiblichkeit im mittelalterlichen germanischen Epos), 2007; Beattie, C.,
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2010; Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof, hg. v. Kolb, A.,
2010; Der Weg an die Universität, hg. v. Maurer, T., 2010; Breith, A.,
Textaneigung - Das Frauenlegendar der Lichtenthaler Schreibmiesterin Schwester
Regula, 2010; Storgröße „F“ - Frauenstudium, hg. v. Zentrum für
transdisziplinäre Geschlechterstudien, 2010; Zellmer, E., Töchter der Revolte?,
2011; Koloch, S., Frauen im Kulturprozess der frühen Neuzeut, 2011; Röwekamp,
M., Die ersten deutschen Juristinnen, 2011; Karl, M., DIe Geschichte der
Frauenbewegung, 2011; Cordes, O., Frauen als Wegbereiter des Rechts, 2012; The
Struggle for Female Suffrage in Europe, hg. v. Rodrigues Ruiz, B. u. a., 2012;
Carius, H., Recht durch Eigentum - Frauen vor dem Jenaer Hofgericht, 2012;
Cordes, O., Frauen als Wegbereiter des Rechts, 2012; The Struggle for Female
Suffrage in Europe, hg. v. Rodríguez-Ruiz, B. u. a., 2012, Reuthner, R.,
Platons Schwestern, 2013; Gerhard, U., Die Frau als Rechtsperson, ZRG GA 130
(2013), 281; Augsburg, A., Rechtspolitische Schriften, hg. v. Henke, C., 2013;
Meiners, A., Die Stunde der Frauen, 2013
Fraubrunnen (1246-1528)
Lit.: Leuzinger,
J., Das Zisterzienserinnenkloster Fraubrunnen, 2008+
Frauenarbeit ist
die →Arbeit der →Frau außerhalb des Haushalts und der Familie. Sie
gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem
die Gleichheit der Arbeit von Frau und Mann.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J., Strukturwandel
der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im Augsburger
Zunfthandwerk, 2001
Frauenhaus ist
das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als stadteigene Einrichtung
erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter
Frauen.
Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992
Frauenraub ist
die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in
der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist
Buße zu leisten. Die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt
die Todesstrafe des römischen Rechtes (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F.
als Freiheitsdelikt an.
Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler,
Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und
Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und
Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn
1956
Frauenstimmrecht→Frau, Wahlrecht
fraus (lat.
[F.]) Tücke (actio de dolo, exceptio doli möglich)
Lit.: Behrends, O., Die fraus legis,
1982
Fredus (lat.
[M.]) ist das im →Kompositionensystem des Frühmittelalters (Franken,
Alemannen, Bayern, Thüringer, Friesen) bei einem Unrechtserfolg in
verschiedenen Fällen (nicht an den Verletzten, sondern) an den König, Grafen,
Fiskus oder die Kirche in unterschiedlicher Höhe zu entrichtende Friedensgeld
(z. B. 1/3 der Buße).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW;
Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, Habilitationsschrift
Leipzig 2003 (ungedruckt)
Freher,
Marquard (Augsburg 26. 7. 1565-Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der
Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der
Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg, danach
Hofgerichtsvizepräsident. Er veröffentlicht eine Reihe deutscher Geschichtsquellen
und verfasst daneben eigene Abhandlungen.
Lit.: Freher, M., Germanicarum rerum scriptores, 1600ff.;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt.
1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680; Schwan, B., Das juristische Schaffen Marquard
Frehers, 1984
Freibauer →Freier, Bauer
Freiberg ist
die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren
zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer
1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert
ist. Im Stadtrecht finden sich erste zusammenhängende Regelungen des erstmals
in der Kulmer Handfeste (1233) erwähnten Freiberger Bergrechts ([lat.] ius [N.]
Frybergense mit freiem Schürfrecht), die in Bergrechten von 1307-1328 bzw.
1346-1375 vertieft werden. 1572 wird das Stadtrecht von den kursächsischen
Konstitutionen verdrängt.
Lit.: Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des
Mittelalters, 1887; Ermisch, H., Das Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H.,
Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929;
Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957;
Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Löscher, H., Zur
Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343ff.; Unger, M.,
Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der
Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81; Stadt Freiberg, hg. v. Hoffmann,
Y. u. a., 2003
Freibrief ist die eine Freiheit enthaltende Urkunde
(Brief).
Lit.: Lerchenfeld, G. v., Die
altbayerischen landständischen Freiheitsbriefe, 1853; Nebinger, G., Geburts-
und Freibriefe 1543-1700 der Reichsstadt Kempten, Blätter des bay.
Landesvereins für Familienkunde 51 (1988), 60ff.
Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von Zähringen
neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schlossberg) gegründete,
vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen Markt
(lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte,
(Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der
Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei
Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.)
mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str., Diessenhofen
1178, Freiburg im Üchtland um 1175, Flumet 1228, Kenzingen 1249). 1368
unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner)
Habsburg (1415-1457 Reichsstadt). 1457 wird eine Universität eingerichtet.
1520 tritt ein von Ulricus Zasius (Ulrich Zäsy) verfasstes, fünfteilig in
Prozess, Schulden und Sachen, Familien und Erbe, Baurecht und Strafrecht
gegliedertes, reformiertes Stadtrecht in Kraft, das bis 1781 (Allgemeine
Gerichtsordnung)/1787 (Josephinisches Gesetzbuch)/1810 (Badisches Landrecht)
gilt und auf Tirol (1526), Rheinfelden (1530), Württemberg (1555), Solms 1571,
Frankfurt am Main (1578), Pfalz (1582), Katzenelnbogen (1591), Solothurn 1604,
Baden (1654) Basel (1719) und Mainz (1755) ausstrahlt. 1805/1806 fällt F. von
Habsburg bzw. Vorderösterreich an Baden und damit 1951/1952 an
Baden-Württemberg.
Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im
Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg
im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche
Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H.,
Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25;
Rietschel, S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im
Breisgau, 1907; Beyerle, F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren
Stadtrechtes von Freiburg i. Br. und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S.,
Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre
Freiburg im Breisgau, 1920; Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below,
G. v., Zur Deutung des ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der
Gesellschaft für Geschichte zu Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der
Getreidehandelspolitik, 1926; Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934;
Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele, F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G.,
Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Gerber, H., Der
Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im
Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und staatswissenschaftlichen
Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H., 1957; Knoche, H.,
Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957; Freiburg im
Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 1965; Schott, C.,
Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Schlesinger,
W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63; Heinemeyer, W.,
Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H., Die Freiburger
Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen Privatrecht
der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Diestelkamp,
B., Gibt es eine Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120?, 1973; Nüwe
Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986,
2. A. 2008 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Fontes/NueweStattrechtenundStatutenFreiburgimBreisgau1520.pdf);
Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das
Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit
des Nationalsozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die
Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Speck, D., Die
vorderösterreichischen Landstände, Bd. 1f. 1994; Freiburg 1091-1120. Neue
Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995;
Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996, 2. A.
2001; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach,
B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005; Speck, D., Eine Universität für
Freiburg, 2006; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007; Hundertfünzig
Jahre Amtsgericht Freiburg, hg. v. Kummle, T., 2007
Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet. Am 28. 6.
1249 erhält es von den Grafen von Kyburg (1218) eine (erneuerte)
Stadtrechtsurkunde. 1277 wird es von Habsburg gekauft. 1452 fällt es an
Savoyen. 1478 wird es freie Reichsstadt. 1481/1502 tritt es der
Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1763 wird eine Rechtsschule geschaffen, die
1763 in einer neuen Universität aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur
Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland, 1908; Vevey, B.
de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B. de, Le droit de
Bulle, 1935; Das Notariatsformularbuch des Ulrich Manot, hg. v. Bruckner, A.,
1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898;
Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a., Hundert Jahre Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Histoire de l’université de Fribourg/Suisse,
hg. v. Ruffieux, R., Bd. 1ff. 1991; Pahud de Mortanges, R./Siffert, R., Das
Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für
Rechtsprechung 3 (1998), 247ff.; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v.
Foerster, H. u. a., 2003; Utz Tremp, K., Fiat littera ad dictamen sapientum,
2012
Freier ist
der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht
ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die
Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien
bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in
den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der
Freien in der zunehmend von der →Grundherrschaft gekennzeichneten Gesellschaft
ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in den Freien geradezu Abhängige des
Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch
den Rodungssiedler eine neue Freiheit (→Stadtluft macht frei). Im frühen
19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die
persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit.
Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Die Gemeinfreien der
karolingischen Volksrechte, 1900; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände
der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel,
1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des Berner
Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl, A., Die
Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f. württembergische
Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im
mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im
klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in
fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und
franko-lateinische Bezeichnungen für soziale Schichten, 1972; Müller, W., Freie
Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975), 89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen
Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Die abendländische
Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991
Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die von wenigen unterschiedlichen
Forschern bzw. Gruppen vor allem zwischen 1903 und 1914 geprägte Richtung
(Schule) der Rechtswissenschaft (Ernst Stampe [1856-1942], Unsere Rechts- und
Begriffsbildung, 1907, Freirechtsbewegung, 1911, Ernst Fuchs [1859-1929], Die
Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907, Eugen →Ehrlich
[1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903, H. U. Kantorowicz
[1877-1940]), die davon ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des
Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger Unterordnung (Subsumtion) des
Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm, sondern in Wahrheit auf dem
Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der Richter vom Gesetz abweichen,
sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten Ergebnissen führen würde,
und das lebende Recht nach Maßgabe des Sozialverhaltens in der Gesellschaft
feststellen. Seine Aufgabe bestehe mehr in der am allgemeinen Wohl ausgerichteten
Gesellschaftsgestaltung (Rechtsschöpfung) als in der strengen Normanwendung.
Diese Ansichten setzen sich vor allem wegen der durch die Gewaltenteilung und
damit die Verfassung vorgegebenen eingeschränkten Aufgabe und Zuständigkeit des
Richters nicht durch.
Lit.: Kanigs, H., 25 Jahre Freirechtsbewegung, 1932; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Riebschläger, K., Die
Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodologischen Bestrebungen der
Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E., Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.;
Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Rückert, J., Autonomie des
Rechts in historischer Perspektive, 1988; Schlosser, H., Grundzüge der neueren
Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Klemmer, M., Gesetzesbindung
und Richterfreiheit, 1996; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998; Depping,
A., Das BGB als Durchgangspunkt, 2002; Vogl. S., Soziale Gesetzgebungspolitik,
2003; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA
125 (2008), 199
Freie Stadt ist
die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des Bischofs frei (und damit
reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg 1255-1800, Straßburg 1263-1681,
Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz 1244/1331-1462, Köln
1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768, Bescançon 1290/1364-1648,
Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun 1156-1552, Cambrai 12.
Jh.-1552) des Heiligen römischen Reiches . Die Benennung als f. S. wird seit
der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des
Mittelalters üblich.
Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen
Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte,
1967; Möncke, G., Bischofsstadt und Reichsstadt, 1971; Heinig, P.,
Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389-1450, 1983
Freigelassener (lat. [M.] libertus) ist der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der
Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig,
verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat mit gewisser Abhängigkeit)
des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene
dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14;
Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der
altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen
für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges barbarorum, 1991;
Mihailescu-Birliba, L., Les affranchis dans les provinces romaines d’illyricum,
2006
Freigericht ist
die Bezeichnung für ein im Heiligen römischen Reich vom Reich abgeleitetes
Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des
freien Gerichts Kaichen, 1858; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in
Westfalen, 1909; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge
zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs, F., Das
königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa einem Dutzend Dörfern, 1293
erstmals erwähnt)
Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen römischen
Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft
ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In
Westfalen entsteht aus der F. die →Feme.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brode, R., Freigrafschaft und
Vehme, 1886; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas,
A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38
(1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949;
Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167;
Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953
Freigut ist das in unterschiedlicher Weise freie
Gut.
Lit.: Wilde, M., Die Ritter- und
Freigüter in Nordsachsen, 1997
Freiheit ist
die Möglichkeit der uneingeschränkten Entfaltung. Für viele Menschen besteht
bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand der →Freien (oder
des Adels) angehören, was von grundsätzlich sehr großer Bedeutung ist. Andere
erlangen durch Privileg einzelne besondere Freiheiten. In England ist bereits
1215 in der (lat.) Magna Charta (F.) F. vor allem der Schutz (zunächst vor
allem der Barone) vor rechtswidriger Verhaftung. (ähnlich Habeas-Corpus-Akte
von 1679). Von hier aus fordert John Locke (1632-1704) Leben, Freiheit und
Eigentum als unveräußerliche Rechte ein. Erst in der französischen Revolution
des Jahres 1789 aber setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der
politische Gedanke einer allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (,
die vermutlich in einem vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand).
Umstritten ist die Erklärung der F. als eines Zustands des von einem Herrn
Geschütztseins. Die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in
Grenzen aus.
Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer
altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v.,
Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach,
G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der
allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182;
Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939;
Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948),
66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und
Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der
deutschen und schweizerischen Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A.
1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972;
Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechtes- und
Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La
liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte
im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Grund- und Freiheitsrechte
im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Pleister,
W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Chaimowicz, T.,
Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Schott, C.,
Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S., Freiheit und
Bindung, 1987; Grund- und Freiheitsrechte, hg. v. Birtsch, G., 1987; Lübtow, U.
v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991;
Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und Eingriffe in die
persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das Freiheitsproblem
in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850,
Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski, M., Studia
nad kszałtowaniem się gwarancji ochrony wolności osobistej w
państwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der
Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert),
1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A.
1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J.
u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche
Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S.,
Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis –
Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der
Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Altes Reich und Neues Recht, hg.
v. Schmidt-von Rhein, G., 2006; Rückert, J., Frei und sozial als Rechtsprinzp,
2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen Freiheit, 2007; Wirsching, A.,
Der Preis der Freiheit, 2012
Freiheit der Meere ist die Freiheit der Nutzung der
Meere. Sie wird am Beginn der Neuzeit zur Rechtsfrage zwischen den europäischen
Großmächten. Dabei nimmt die rechtswissenschaftliche Literatur teils für
Holland (Hugo Grotius 1609), teils für Portugal oder für England Partei. Seit
dem frühen 18. Jh. entstehen Grundsätze über die Rechte der Uferstaaten,
während in der Gegenwart das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom
10. 12. 1982 (1994 in Kraft) entscheidend ist.
Lit.: Davenport, G., European
Treaties, 1917; García Arias, L., De la libertad de los mares, 1946; Fahl, G.,
Der Grundsatz der Freiheit der Meere, 1969; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in
der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf
Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte
des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt anerkannt.
Seit etwa 1780 werden Freiheitskataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise
die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in
Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im
deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im
Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J.,
Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, (in) Die
politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die
Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995
Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch
Zuweisung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im
römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam (D. 48. 19.
8. 9) und begegnet auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie (wohl
nicht zuletzt auf Grund des Zuwachses wirtschaftlicher Mittel für öffentliche
Bauwerke) in den Städten (Brünn bereits 1243) vielleicht in Anlehnung an
Kloster und Spital an Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532)
wird sie ersatzweise bei kleinem Diebstahl angedroht (Art. 101) und als
sichernde Maßnahme vorgesehen (Art. 176, 195). Seit dem 16. Jh. werden in England
(Schloss Bridewell bei London 1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam
1595) aus religiöser Fürsorge Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und
Arbeitsflüchtlinge und später auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit
angehalten werden können (Bremen 1609, Lübeck 1613, Hamburg 1622, Danzig 1629).
Im ausgehenden 17. Jh. wird die das Zuchthaus allgemein als sinnvoll anerkannt.
Im 18. Jh. (1721) werden in Preußen dort auch Straftäter untergebracht. 1776
wird in Philadelphia die nächtliche Trennung der Gefangenen angestrebt. 1777
veröffentlicht John Howard eine Aufsehen erregende Studie über den (sehr
schlechten) Zustand der Gefängnisse in Europa. Am Ende des 18. Jh.s werden
Arbeitshaus (für Bettler und Müßiggänger) und Zuchthaus (für Verurteilte)
getrennt. Vielleicht erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheitsentziehung
voll als eigenständige Strafengruppe dem Strafensystem eingeordnet. In
England wird 1842 das erste Zellengefängnis errichtet. Danach wird die F.
(unter Zurücktreten der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur
vorherrschenden Strafe.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236,
265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E.,
Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck
1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs,
A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe
und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990),
102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000;
Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008
Freiherr (1359 Ulmisches UB.) ist der
unter dem Grafen stehende niedere Adelige (z. B. Reichsritter), dem seit dem späten
17. Jh. Baron entspricht.
Lit.:
Roth von Schreckenstein, K. Frhr. v., Der Freiherrenttitel, 1888; Hechberger,
W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005
Freijahr z. B. von Abgaben freies Jahr (seit dem 12. Jh., antike Vorbilder im
alten Testament der Bibel)
Freilassung (lat. [F.] manumissio) ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft,
durch das der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die
Beendigung eines Freiheitsentzugs. Das römische wie das mittelalterliche Recht
kennen verschiedene Formen der F. (→mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge,
Freilassungsbrief). Der Freigelassene steht dem Freigeborenen nicht in jeder
Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21,
57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de
l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der
germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La
manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982),
220; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen
Welt, 2009
Freimarkt, freier Markt
Lit.: Lautenschläger,
K., Der Freimarkt, Diss. jur. Frankfurt am Main 1958
Freimaurer
Lit.: Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Dosch, R., Deutsches
Freimaurerlexikon, 1999, 2. A. 2011; Schuster, J., Freimaurer und Justiz in
Norddeutschland unter dem Nationalsozialismus, 2007 Freirechtsbewegung →freie Rechtsschule
Freischöffe ist
der Schöffe am Freigericht. →Feme
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Freising ist
der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als
Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen
Gebrauch des in einer Münchener Urkunde vom 14. 8. 1319 erwähnten Fürsprech Rupprecht
(von Freising) 1328 geschaffene, in 13 (bzw. noch 10) Handschriften
überlieferte, (zu etwa einem Drittel) auf Schwabenspiegel (um 1275), daneben
auf Augsburger Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende
(Freisinger) →Rechtsbuch, das in 278 Artikeln vorwiegend Strafrecht und
Pflichten des Fürsprechers behandelt. Es wird bald (vor 1359) vom
oberbayerischen Landrecht (1335/1346) verdrängt.
Lit.: Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising,
1916; Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder, H.,
Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Festschrift aus
Anlass der Einweihung des Ämtergebäudes für das Amtsgericht und das
Vermessungsamt am Domberg in Freising am 21. 7. 1989, zusammengestellt v.
Gössl, H., 1989; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 58; http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/hsta-freisingertraditionen/
Freistaat ist
eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica (engl. 1646 free state). 1731
bezeichnet J. Moser die Schweiz als F.Als F. in Deutschland benennen sich (1848
Lübeck und seit 1918 u. a.) Bayern und Sachsen sowie Thüringen.
Lit.:
Dornheim, A., Entwicklung und Bedeutung des Begriffes Freistaat, 2001
Freistatt (F.) freie Stätte z. B. von Strafverfolgung freier Asylort
Freistuhl (1279) →Freigericht
Lit.: Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002
Freiteil (Seelteil)
ist der seit dem Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus 354-430)
vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen
allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (z. B. 1/5, 1/3) geforderte
Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern)
übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet
unter allmählicher Erweiterung auf sonstige Begünstigte und Entfall mancher
Einschränkungen einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des
Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters
besteht allgemeine und grundsätzliche, vielfach aber nicht verwendete
Testierfreiheit.
Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach
süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der
Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75;
Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50
(1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956
Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der →Gerichtsbarkeit) eine staatliche
Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in
privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat.
iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2 principium)
an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit dem Hochmittelalter
vor allem in Nachlasssachen, Vormundschaftssachen, Beurkundungssachen,
Liegenschaftsrechtsübertragungen und Aufgeboten. Zuständig werden in
Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene
Verwaltungsbehörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen nach
Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 die Hypothekenordnung Preußens von
1783, die preußische Allgemeine Gerichtsordnung (1793), das österreichische
Gesetz über das Verfahren in Außerstreitsachen von 1854 (geändert 2003/2005)
und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(17. 5. 1898).
Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae
jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete
der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des
gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A.
1831f.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879; Ott,
E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens,
1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im
kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 173; Jansen, P., Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
1964; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren,
1996; Außerstreitverfahren zwischen 1854 und 2005, hg. v. Rechberger, W., 2006;
Wanke, H., Zwischen geistlichem Gericht und Stadtrat, 2007
Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung (Abzugsfreiheit, Zuzugsfreiheit,
Aufenthaltsfreiheit). F. besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht.
Der →Augsburger Religionsfriede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für
Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allgemeine
Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte
(1815) F. innerhalb des Bundesgebiets, die Verfassung von 1849 (Art. 133)
Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebiets und Auswanderungsfreiheit
(1867 Gesetz über die Freizügigkeit). In den Europäischen Gemeinschaften bzw.
in der Europäischen Union gilt die vom Europäischen Gerichtshof bejahte und im
Vertrag von Maastricht vom 7. 2. 1992 politisch geregelte F. der Arbeitnehmer
bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Möhlenbruch, R., Freier Zug,
1977; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199; Freedom
of movement in the middle ages, hg. v. Horden, P., 2007; Stewen, S., Die
Entwicklung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger, 2011
Fremdbesitz ist der das Eigentum eines anderen an einer Sache anerkennende Besitz
(z. B. des Mieters, nicht des Diebes). Fremdbesitzer ist, wer eine Sache als
nicht ihm gehörig besitzt. Gegensatz des Fremdbesitzes ist der Eigenbesitz (z.
B. des Eigentümers oder des Diebes). Im römischen Recht ist an F. keine
Rechtserwerbswirkung und kein Besitzschutz des Prätors geknüpft (z. B. für
Mieter, Entleiher, Verwahrer, Ausnahmen Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger,
Sequester).
Fremder im
Verhältnis zu einer Gemeinschaft von Menschen ist der Mensch, der nicht der Gemeinschaft
angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen
werden. In Rom entwickelt sich für die freien Nichtbürger (lat. [M.]
peregrinus) das besondere (lat.) →ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im
Frühmittelalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht
vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters
ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneuzeitliche
Naturrecht die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen und
erfasst den Fremden grundsätzlich (Brunnemann, J./Movius, F., De iure
peregrinorum [Über das Recht der Fremden], Frankfurt an der Oder 1662,
Dissertation). Es entsteht das Meldewesen. Der Nationalstaat des 19. Jh.s lehnt
Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen Reich zu
Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge ökonomisch
motivierter internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
werden detaillierte Ausländergesetze nötig.
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83,
460; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das
Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Frisch, H. v., Das
Fremdenrecht, 1910; Isay, E., Das deutsche Fremdenrecht, 1923; Weizsäcker, W.,
Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958;
Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des
19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem
Fremden, hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt
(1300-1800), 1999; Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Fahrmeir, A.,
Citizens and Aliens, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001;
Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Gosewinkel, D., Einbürgern und
Ausschließen, 2003; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004; Rici, C., Orbis
in urbe, 2005; Schwanke, I., Fremde in Offenburg, 2005; Strangers and Poor
People, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2009; Gammerl, B., Untertanen, Staatsbürger
und andere, 2010; Fremde in der Stadt, hg. v. Bell, P. u. a., 2010; Raphael,
L., Zwischen Duldung, Einbürgerung und Privileg, ZRG GA 129 (2012), 183; The
Foreigner and the Law, hg. v. Achenbach, R. u. a., 2012
Freund ist der nahestehende
Mensch, vielfach auch der Verwandte (Blutsfreund). Er ist gesellschaftlich von
größerer Bedeutung als rechtlich.
Lit.:
Reinhard, W., Freunde und Kreaturen, 1979; McGuire, B., Friendship and
Community, 1988; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue, 1990;
Nötzold-Linden, U., Freundschaft, 1994; Garnier, C., Amicus amicis, inimicus
inimicis, 2000; Seidel, K., Freunde und Verwandte, 2009
Frevel ist
im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und
die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff,
W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941; Kretschmer, B.,
Der Grab- und Leichenfrevel, 2000
Friedberg in Hessen wird nach keltischer, römischer und germanischer Besiedelung
1216 als Burg (staufische Reichsburg) und 1218 oder 1219 als Stadt (1257 als Reichsstadt
bestätigt) genannt. Das Recht der Stadt stimmt mit dem Recht Frankfurts am Main
weitgehend überein. 1802 fällt die Stadt, 1806 die Burg an Hessen. Seit 1834
bilden Stadt und Burg eine Gemeinde.
Lit.: Fertsch,
W., Der Rat der Reichsstadet Friedberg, 1913, Schartl, R., Das Privatrecht der
Reichsstadt Friedberg im Mittelalter, Diss. jur. Gießen 1987, Friedberg in
Hessen, hg. v. Keller, M. 1997ff.; Hoos, H., Kehillah Kedoschah - Spurensuche,
2. A. 2009
Friedberg,
Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen
Kirche übergetretenen Richters, wirkt nach Promotion (1861 Emil Ludwig Richter)
und Habilitation (1862) als außerordentlicher Professor für Kirchenrecht,
Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und als
ordentlicher Professor in Leipzig (1869). Politisch tritt er für die Trennung
von Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein (Die
Grenzen zwischen Staat und Kirche 1872). Bedeutsam sind seine kirchenrechtsgeschichtlichen
Editionen (→Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque
compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian
und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958) und sein Lehrbuch des katholischen
und evangelischen Kirchenrechts (6. A. 1909). Er ist Anhänger der historischen
Rechtsschule.
Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 283
Friedberg-Scheer →Thurn
und Taxis
Friede ist
der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um
seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Ob er unter Menschen außer als
Ziel auch als Wirklichkeit jemals herrscht, ist fraglich. Der F. innerhalb des
Volkes lässt sich zunächst als Aufgabe aller Einzelnen vorstellen. Erst im
Laufe des Mittelalters drängt der Staat mit Unterstützung der Kirche (→Gottesfriede)
die →Fehde durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (→Strafrecht,
→Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der →Krieg
zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des
Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Friedensvertrags (z.
B. Friede von Münster und Osnabrück 1648, mehr als 2000 Friedensverträge in Europa
zwischen 1450 und 1789). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist der
Angriffskrieg zu Gunsten des Weltfriedens völkerrechtlich verboten, doch ist
das Verbot gegenüber dem Mächtigen bisher nicht wirklich durchsetzbar.
Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968;
Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das
Friedegebot, 1911; His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen
Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und
Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d.
Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938;
Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Raumer,
K., Ewiger Friede, 1953; Achter, V., Über den Ursprung des Gottesfriedens,
1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden für die
Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La Paix, 1961 (Recueils
de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der Westfälische Frieden und die
Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im Altenglischen, 1966; Åqvist,
G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die frühe Entwicklung des
säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede
1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977;
Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der frühen Neuzeit, 1979;
Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Renna, T., The Idea of
Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Hattenhauer, H., Pax et
iustitia, 1983; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede. St. Germain und die
Folgen, 1989; Schildt, B., Der Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht –
Das Beispiel Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188; Hartmann, W., Der Friede im
früheren Mittelalter, 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und
Instrumentarien des Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of
war and peace, 1999; Suche nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff.
2000ff.; Howard, M., Die Erfindung des Friedens, 2001; Kamp, H., Friedensstifter
und Vermittler im Mittelalter, 2001; Koppe, K., Der vergessene Friede, 2001; Schmidt,
K., Friede durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in
deutschen Städten vor 1300, 2003; Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und
18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H., 2003; Frieden stiften, hg. v. Althoff,
G., 2010; Raaflaub, K., Friedenskonzepte, HZ 290 (2010), 593; Pax perpetua, hg.
v. Schmidt-Voges, I. u. a., 2010; http://www.friedensvertraege.de; Duchhardt, H., Frieden im Europa
der Vormoderne, 2011; Frieden schaffen und sich verteidigen im Spätmittelalter,
hg. v. Naegle, G., 2012
Friedebann ist der besonders auf den Frieden abstellende Königsbann.
Friedelehe ist
(nach umstrittener Ansicht Herbert Meyers) die durch bloße Vereinbarung der
Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft)
geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechtes), bei welcher der Mann im
Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine
Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche
Bedeutung ist ganz unsicher. Von der Kirche wird sie abgelehnt. Möglicherweise
geht die morganatische Ehe des Adels auf eine ähnliche Vorstellung zurück.
Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht,
ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des Friedelkindes,
ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den
Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA
47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993;
Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002
Friedensgeld →fredus
Friedensgericht
Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit
1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements,
1994
Friedensgesetzgebung →Landfriede
Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter
Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten
beendende, vor allem seit Beginn der Neuzeit formalisierte völkerrechtliche
Vertrag am Ausgang eines Krieges (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern 1270
v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F. von
Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697, F.
von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).
Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag,
1979; Zwischenstaatliche Freidenswahrung, hg. v. Duchhardt, H., 1991; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Peace treaties and
international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004
Friedhof ist
der Ort, an dem die Toten bestattet werden. Die Totenbestattung geschieht
anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügelgräber, Reihengräberfelder).
Mit der Christianisierung entwickelt sich in Erwartung von Auferstehung der F.
um die Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die
Bestattung verweigert wird. Mit der neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird
der (mehr und mehr gemeindlich verwaltete) F. an den jeweiligen Ortsrand
verlegt. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) ist eine Beerdigung nur
auf dem öffentlichen F. zulässig. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen
zur rechtlichen Regelung des Friedhofswesens geschaffen.
Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H.,
Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Gaedke, J., Handbuch des
Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1954, 6. A. 1992, 10. A. 2010; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Fischer,
N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996
Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des
Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos
getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt, so
dass die F. als Einrichtung zweifelhaft ist. →Acht, →Gottesfriede, →Landfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das
Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit,
ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906ff.;
Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62 (1942), 375;
Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen Recht,
Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32
Friedrich I. →Friedrich
I. Barbarossa
Friedrich II. (Iesi
bei Ancona 26. 12. 1194-Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des
Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel →Friedrich
Barbarossas, wird 1198 König von Sizilien und (1196/)1211/1212 deutscher König
(am 27. 7. 1214 Sieg über den Welfen Otto IV. in der Schlacht von Bouvines, 22.
11. 1220 Kaiserkrönung). Er errichtet in Sizilien mit Hilfe rechtlicher
Regelungen ([20] Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi September? 1231)
eine fortschrittliche Verwaltung. Im eher vernachlässigten Reich verbrieft er vielleicht
mit ähnlicher Zielsetzung die von den Fürsten errungenen Rechte (→Confoederatio
cum principibus ecclesiasticis, 1220, →Statutum in favorem principum,
1231) und erreicht 1235 einen Landfrieden (Mainzer Reichslandfriede). Seine
Mitwelt versetzt er als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in
Erstaunen. Bald nach seinem Tode enden die Staufer und beginnt das Interregnum.
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Historia diplomatica
Friderici secundi, hg. v. Huillard-Bréholles, J., 1852ff.; Blondel, G., Étude
sur la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser
Friedrich II. 1927 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A.
1980); Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II.
von 1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur
Diplomatik der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG
GA 80 (1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser
Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968,
6. A. 1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein
Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II.,
hg. v. Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977;
Federico II, 1980; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102
(1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs
II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und
der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze);
Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), (in)
Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner,
W., Friedrich II., 1992, 2. A. 2003, 3. A. 2010; Federico II., hg. v. Toubert,
P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg.
v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich
Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999;
Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich
II. von Hohenstaufen, 2000; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v.
Koch, W., Teil 1 2002, Teil 2 2007; Fumagalli, M., Federico II., 2004; Thomsen,
M., Ein feuriger Herr des Anfangs, 2005; Federico II., hg. v. Zecchino, O. u.
a., 2005; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006; Houben, H.,
Kaiser Friedrich II., 2008; Kaiser Friedrich II. (1198-1250), 2008; Federico II
nel Regno di Sicilia, hg. v. Houben, H. u. a., 2008; Kaiser Friedrichs Welt,
hg. v. Fansa, M. u. a., 2008; Von der Kunst mit Vögeln zu jagen, hg. v. Fansa,
M., 2008; Rader, O., Friedrich II., 2010; Stürner, W., Staufisches Mittelalter,
2012
Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Fluss Saleph/Kleinasien 10. 6. 1190)
aus der Familie der →Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen
Reich herrschende König (1155 Kaiser). Er führt 1156 im sog. (lat.) →privilegium
minus einen Ausgleich zwischen Staufern und →Welfen herbei, indem er den
Welfen das 1138 vom König entzogene Herzogtum →Bayern, vermindert um das
verselbständigte Herzogtum →Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf
dem Reichstag von Roncaglia die →Regalien durch Juristen feststellen.
Durch Landfriedensgesetze geht er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante
römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechtspraxis prägende Komponente lassen
seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem
König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayern, 1180 Sachsen, vgl. auch 1168
Herzogtum Würzburg, 1184 Markgrafschaft Hennegau) in die das Reich letztlich
auflösenden →Länder. (Mit seiner ersten Frau – Adela von Vohburg -
scheint er im siebten Grad verwandt gewesen zu sein, so dass die Ehe aufgelöst
werden musste.)
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow,
P., Honor imperii, 1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942;
Hess-Gotthold, J., Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des
heutigen Pfälzer Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H.,
Bd. 1ff 1975ff.; Friedrich Barbarossa, hg. v. Wolf, G., 1975; Opll, F., Das
Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich Barbarossa
und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A.,
1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Petrus de
Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A.
1998, 4. A. 2010; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K.,
Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich
Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA
121 (2004), 200; Laudage, J., Friedrich Barbarossa, hg. v. Hageneier, L. u. a.,
2009; Friedrich Barbarossa und sein Hof, red. v. Ruess, K., 2009; Görich, K.,
Friedrich Barbarossa, 2011 (unversöhnlich, rangbewusst, dünkelhaft); Pohl, M.,
Rationales Handeln im Zeitalter Friedrich Barbarossas, 2013
Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8. 1786) ist der
bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen Erfolge
(Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht
in Europa. Der Samuel von Cocceji übertragene Plan eines deutschen allgemeinen,
sich nur auf die Vernunft und die Landesverfassung gründenden Landrechts ([Prozessordnung]
Codex Fridericianus Marchicus 1747 verwirklicht, Projekt des Corporis juris
Fridericiani 1749-1754, gescheitert) und die nach dem Müller-Arnold-Prozess
(1779) gelungene Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) gehen
maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der
Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauernschutz, Toleranz) verpflichteten
Monarchen zurück.
Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung
der Philosophie Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB
Berlin); Ritter, G., Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große
und die Idee der Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und
Maria Theresia, 1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W.,
Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T.,
Friedrich der Große, 1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und
das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der
Große, 1985; Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985;
Ausstellung des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg.
v. Kunisch, J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O.,
1987; Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J., 1991; Kunisch, J.,
Friedrich der Große und die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Duffy, C.,
Friedrich der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des
Großen Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004,
5. A. 2005; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004; Hahn, P., Friedrich
der Große und die deutsche Nation, 2007; Heinrich, G., Friedrich II. von
Preußen, 2009; Friedrich der Große als Leser, hg. v. Lottes, G. u. a., 2010; Burgdorf, W., Friedrich der Große, 2011;
Friedrich der Große in Europa,
hg. v. Sösemann, B. u. a., 2012, 2. unv. A. 2013; Hahn, P., Friedrich der
Große, 2012; Deutsches Historisches Museum, Friedrich der Große, 2012; Macke,
P., Suum cuique - Jedem das Seine, 2012; Friedrich der Große in Europa -
gefeiert und umstritten, hg. v. Sösemann, B., 2012; Friedrich der Große in
Europa, hg. v. Sösemann, B. u. a., 2012, 2. A. 2013
Friedrich III. (Innsbruck 21. 9. 1415-Linz 19. 8. 1495), Habsburger, (1424 bzw.) 1435
Erzherzog von Steyr, Kärnten und Krain, 2. 2. 1440 (nach seinem Vetter Albrecht
II.) König des Heiligen römischen Reiches, 19. 3. 1452 Kaiser, anerkennt 1453
das gefälschte privilegium maius
Lit.:
Heinig, P., Kaiser Friedrichs III. Hof, 1997; Koller, H., Kaiser Friedrich III.
2005
Friedrich III., der Weise (Torgau 17. 1. 1463-Lochau [Annaburg] 5. 5. 1525), 1486
Kurfürst von Sachsen (Ernestiner), Beschützer Martin Luthers, unverheiratet
Lit.:
Ludolphy, I., Friedrich der Weise, 1984, Neudruck 2006
Friedrich August I. (Dresden 12. 5. 1670-Warschau 1. 2. 1733, August der Starke), 1694
Kurfürst von Sachsen, 1697 mit Hilfe von Bestechungsgeldern (unter Übertritt
zum Katholizismus) König von Polen, 1724 Codex Augusteus (hg. v. Lünig, J.),
Förderer der Porzellanherstellung in Meißen
Lit.:
Czok, K., August der Starke und Kursachsen, 1987; Czok, K., August der Starke
und seine Zeit, 4. A. 2004; Groß, W., Die Wettiner, 2007
Friedrich Wilhelm (Cölln an der Spree 16. 02. 1620-Potsdam 09. 05. 1688) stärkt als Kurfürst
von Brandenburg (der große Kurfürst) und Herzog in Preußen in Kriegen die
monarchische Gewalt (geheimer Rat 4. 12. 1651 neu geordnet, Übergang zu
Realunion, stehendes Heer) unter Schwächung der Stände und privilegiert im
Edikt von Potsdam (29. 10. 1685) die aus Frankreich vertriebenen Hugenotten in
Preußen.
Lit.:
Opgenorth, E., Friedrich Wilhelm, 1971ff.; Oestreich, G., Friedrich Wilhelm,
1971; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, 1996
Friese ist
der Angehörige des an der (südlichen) Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr.
durch Plinius erwähnten, friesisch sprechenden germanischen Volkes. 734/785
werden die Friesen von den →Franken unterworfen. Um 802 wird in der →Lex
Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche
weitere Quellen des →friesischen Rechtes. 1464 wird Ostfriesland zu
einer Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund
300000 Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler,
Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894;
Jaekel, H., Abba, Âsega und Redjêva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H.,
Êtheling, Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R.,
Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen
Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30
(1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E.,
Friesische Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v.
Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen
Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het
friese dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975;
Handbuch des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des
Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij
heen met het Fries?, 2004; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html;
Bremmer, R./Vries, O./Laker, S., Advances in Old Frisian Philology, 2007; Hofmann,
D. u. a., Altfriesisches Handwörterbuch, 2008.
Friesisches Recht
ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der →Lex Frisionum (um
802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24
Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden
Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in
meist friesischer Sprache für das gemeinfriesische Gebiet aufgezeichnet
werden. Daneben stehen für einzelne Landschaften etwa die Westerlauwerschen
Schulzenrechte (Westfriesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich
von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der
Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um Aurich
1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene Beliebungen (→Siebenhardenbeliebung
1426) (altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der
ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben
bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss
der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta
Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der
Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht
allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland
beseitigt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische
Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht,
1882; De friesche Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung
der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das
Strafrecht der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon,
Ked, Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged,
Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen
Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das
altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R., Untersuchungen zu den
älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Tägert, H.,
Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar
oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west Frisian skeltana riucht,
1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff.
1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann,
W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958),
352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v.
Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland,
1961; Das Rüstringer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht,
hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm
1964; Krogmann, W., Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe,
ZRG GA 82 (1965), 298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des
Rechts, ZRG GA 84 (1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus
Ius Frisicum“ (17 Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972),
33, 90 (1973) 31; Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323),
1974; Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u.
a., 1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer
Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981;
Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches
Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993;
Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Algra, N., Oudfries recht
800-1256, 2000; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th
Century, 2003; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html; Hempenius-van
Dijk, B., Hof van Friesland, 2004; Nijdam, H., Lichaam, eer en recht in
middeleeuws Friesland, 2008; Vries, O., Asega, is hetgingzijd?, 2010
Friesland ist das (kontinentale) Siedlungsgebiet
der Friesen an der südlichen Nordsee.
Lit.: Iterson, W. van,
Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72;
Agena, G., Eine Studie über die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen
Verhältnisse des Norderlandes, 1962; Le Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland
en West-Friesland, 2008
Frist (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist der
bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft, in
der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in diesem
Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den Zeitpunkt
der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der Verrechtlichung
aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung von Fristen (z. B. für
Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung u. s. w.) auf römischrechtlicher Grundlage in
der Pandektistik des 19. Jh.s ein immer größeres Gewicht (gesetzliche,
richterliche oder gewillkürte F.).
Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Grotefend,
H., Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit,
13. A. 1991; Landes, D., Revolution in Time, 1983; Ziegeltrum, A., Grundfälle
zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des
positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewusstseins, 1998; Schmitz,
M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fristenlösung →Abtreibung
Fritzlar
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte
der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt, K., 1939; Fritzlar im Mittelalter, 1974
Frölich, Karl (Oker/Harz 14. 4. 1877-Gießen 29. 4. 1953), 1924-1945 Rechtshistoriker in
Gießen, Rechtsarchäologe
Lit.:
Köbler, G., Gießener Gelehrte, 1982, 242
Fron ist
(als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im mittelalterlichen deutschen Recht der
(Dienst in) Bezug auf einen Herren. →Fronbote, Frondienst, Fronhof
Fronbote ist
im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines Richters für tatsächliche
Aufgaben (Botendienste, Ladungen, Wachdienste, Vollstreckungen). Nach dem
Sachsenspiegel (1221-1224) steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit
im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen
andernorts Büttel, Scherge oder Weibel.
Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897;
Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991
Frondienst ist
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn
zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen,
Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen u. s. w.). Der sog. gemessene F. umfasst
selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter
geht der tatsächlich geleistete F. auch wegen des Aufkommens der Geldwirtschaft
zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s durch die Bauernbefreiung beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als
Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen
Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft,
1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und
Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987,
25ff.
Fronhof ist
der Haupthof (Salhof) des Grundherrn in der mittelalterlichen →Grundherrschaft.
Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm
gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert
der F. mit dem Übergang zur →Rentengrundherrschaft einerseits und zur →Gutsherrschaft
andererseits seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der
Grundherrschaft im 19. Jh. gänzlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G.
v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R.,
Salhof und Siedelhof, 1953
Fronung ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche →Beschlagnahme von
Gegenständen (Grundstücken) im Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten des
Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/785) wird die
F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines
Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der
Beklagte auf viermalige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter
ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Sie
soll den Schuldner zur Leistung veranlassen. Im 16. Jh. ist sie allgemein
geschwunden.
Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.;
Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Frostathingslög ist das in 16 Teile gegliederte Rechtsbuch des um den
Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch
eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift
überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die →Gragas voraus.
Ihrerseits ist sie Vorbild für →Jarnsida und für das Reichsrecht König
Magnus Hakonarsons (1274).
Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas Andersen,
P., Samlingen av Norge, 1977
Frucht (Wort
830, lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb, Apfel) einer Sache (z.
B. Kuh, Baum) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene
Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht
gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F.,
zu der nicht das folglich dem Eigentümer der Mutter gehörende Kind der Sklavin
und auch nicht der Zins für ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der
Muttersache rechtlich selbständig. Sie wird Eigentum des Eigentümers der
Muttersache (Substantialprinzip), sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter
(z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die
natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Gewinnung erforderlichen
Aufwendungen erbracht hat (Wer sät, der mäht, Produktionsprinzip). Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringen die
romanistischen Regeln ein. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) gibt dem
Fruchtziehungsberechtigten Eigentum bereits an der hervortretenden F. Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und Bürgerliches Gesetzbuch
(1896/1900) folgen dem römisch-gemeinen Recht.
Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fernandes Fortunato,
S., Früchte und Nutzungen, 2012
fructus (lat.
[M.]) →Frucht
Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des →Kapitalismus am Beginn der
frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109,
145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W.,
Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende bzw.
modernisierend-kontrolliert gewährende (oktroyierende) politische Bewegung
des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild der Charte
Constitutionelle vom 4. 6. 1814 Nassau 1./2. 9. 1814, 1816 Schwarzburg-Rudolstadt,
Schaumburg-Lippe, Waldeck, Sachsen-Weimar, 1818/1819 Sachsen-Hildburghausen,
Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819,
Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Coburg 1821, Sachsen-Meiningen
1824). Der F. hält an der Vorherrschaft des Monarchen fest, gewährt aber den
Ständen begrenzte Mitwirkungsrechte unter Einführung des Repäsentationsprinzips
im Landtag (konstitutionelle Monarchie). Im Gegensatz zur vorangehenden
landständischen Verfassung ist der Repräsentant nicht an die Anweisung oder
Interessen seines Standes gebunden, sondern soll seine Entscheidung unter
Berücksichtigungdges Wohles des gesamten Landes treffen. (Praktisch wenig
bedeutsame) Staatsbürgerrechte zur Sicherung einer dem unmittelbaren staatlichen
Einfluss entzogenen gesellschaftlichen Sphäre sind anerkannt, obwohl der
Vorrang der Verfassung noch fehlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche
Frühkonstitutionalismus, (in) Hessen, 1997, 39; Schulze, C.,
Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hilker, J., Grundrechte im
deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005
Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen
Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911]
bzw. dem) →Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.
Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im
deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl
und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und
Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl
dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages,
hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters,
2003; Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003; Wickham, C., Framing the
Early Middle Ages, 2005; Von der Spätantike zum frühen Mittelalter, hg. v.
Kölzer, T. u. a., 2009
Frühneuhochdeutsch ist die (von Germanisten des 20. Jh.s ausgesonderte,) zwischen
1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhochdeutsch) gesprochene, frühe Stufe
der neuhochdeutschen Sprache (zeitliche Abgrenzung zum Mittelhochdeutschen
streitig).
Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967;
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff. 1986ff.;
Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996
Frührezeption (des römischen Rechtes) ist der erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (→Rezeption)
des römischen Rechtes in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der
Übernahme römischrechtlicher Vorstellungen bereits in frühmittelalterliche
Volksrechte lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem
engeren Sinn schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit
dem justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur
Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns,
FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb.
89 (1969), 337
Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt
sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine
Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.
Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968;
Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995
Fuchs, Ernst (Weingarten 15. 10. 1859-Karlsruhe 10. 4. 1929), Rechtsanwalt, entschiedener
Vertreter der freien Rechtsschule
Lit.:
Fuchs, E., Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1909
Fuero (zu
lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder (katalanisch) fur ist in →Spanien
(bzw. Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht
des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht oder Gebietsrecht).
Vor allem in Aragón und Valencia steht der besondere F. im Gegensatz zum
allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die ersten
überlieferten Fueros sind nicht umfangreich (Vorläufer cartas de población wie
z. B. für Valpuesta 804, dann F. von Castrojeriz 974, Sepúlveda 1076, bekannt
F. juzgo 13. Jh., F. de Aragón 1247, Llibre de les Costumes de Tortosa, Ende
13. Jh.). Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem westgotischen
Volksrecht (→Lex Visigothorum) rührendem germanistischem Rechtsgut.
Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über Abgaben und
Stadtrechte.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre
Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der
sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681;
Barrero García, A./Alonso Martín, M., Textos de derecho local español en la
Edad Media, 1989; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana,
2000
Fuero de Aragón
ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders Aragón
betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von Huesca
und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei
Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger
romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene
(span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen
15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige
erweitert.
Lit.: Tilander, G., Los fueros de Aragón, 1937;
Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108;
Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942), 89, 63
(1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976, 4.
A. 1985
Fuero de Burgos
ist ein die Hauptstadt der Grafschaft →Kastilien betreffender Text des
spanischen Rechtes.
Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la
provincia de Burgos, 1982
Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch
Kastiliens, in dem durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach
1248 das kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird.
Lit.: Libro de los Fueros de
Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924
Fuero de Cuenca
ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechtes
im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen
November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177
zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.
Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000
Fuero de Francos
ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf Logroño bei der
Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechtes, der später auch
anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).
Fuero de Jaca
ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu
einer Stadt verliehene Recht von →Jaca.
Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero de Jaca, 1927; Molho,
M., El Fuero de Jaca, 1964
Fuero de la Novenera ist die Sammlung des aragonesisch-navarrischen Gewohnheitsrechts,
in die auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet.
Fuero de León
ist ein von 1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat. [N.]) Decretum
bezeichnender Text des spanischen Rechtes aus dem Königreich →Leon. Er
geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das ganze Land,
die übrigen 28 nur einzelne Orte.
Lit.: García-Gallo, A., El fuero de Léon, AHDE 39 (1969), 5
Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch →Spaniens.
Fuero de Madrid
ist das Recht von →Madrid.
Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, (in) El Fuero de Madrid,
2. A. 1963
Fuero de Sepulveda ist der in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien
(1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechtes der südlichen Grenzgebiete
des Königreichs Kastilien (1076), den die Könige Alfons I. und Alfons II. von
Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen.
Fuero de Soria ist
das Recht von Soria in Kastilien.
Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, (in) Fueros
castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227
Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des
spanischen Rechtes der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt
Teruel.
Fuero de Toledo
ist der die städtischen Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des
spanischen Rechtes, die allen Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der
Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw.
Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.
Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45
(1975), 341
Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen Rechtes, der die Interessen der sog.
Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der Bürger.
fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichtsbarkeit in Spanien
Fuero general
ist die umfassende private Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels
und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13. Jh.
Fuero Juzgo
ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische übertragene (lat.) →Lex
(F.) Visigothorum, die auch nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien
durch die Araber für die unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J.
ist auch das von der königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches
von Leon und Navarra in Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach
1240 verleiht König Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte
in Andalusien und Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez).
1263 wird der F. J. von König Alfons X. in den →Fuero real (bzw. den
Libro de las Leyes) modernisiert.
fuero militar
(span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien
fuero municipal
(span.) Stadtrecht in Spanien
Fuero real
(bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen
von Leon und Navarra aus dem →Fuero Juzgo modernisierte →Fuero des
spanischen Rechtes. Er passt den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.)
Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an
und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er
ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und
Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien
(Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der
König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen
werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet.
Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real,
1988
Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private Zusammenstellung des
kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist
unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in
fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro
de los Fueros.
Lit.: García González, F., El fuero viejo assistemático,
AHDE 41 (1971), 767
Fugger ist
der Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber genannten Familie, die in der
Linie von der Lilie durch die Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol
und den Ablasshandel Weltgeltung erreicht. Als Bankiers der Päpste und der
Habsburger erlangen sie 1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren
die Wahl Karls V. zum Kaiser des Heiligen römischen Reiches . Sie bilden ein
anschauliches Beispiel des →Frühkapitalismus.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v.,
Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953;
Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6.
A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978;
Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997;
Häberlein, M., Die Fugger, 2006; Die Welt des Hans Fugger, hg. v. Burkhardt, J.
u. a., 2007; Dauser, R., Informationskultur und Beziehungswissen, 2008; Die
Fugger im Bild, hg. v. Bayerische Staatsbibliothek, 2010; Düvel, T., Die
Gütererwerbungen Jacob Fuggers des Reichen (1494-1525), 2013
Führer ist (der
von Adolf →Hitler im Nationalsozialismus beanspruchte) anführende Rang
innerhalb einer Gemeinschaft. Der F. (Adolf Hitler) steht außerhalb der
Verfassung. Er vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen in
sich (Reichskanzler, Reichspräsident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen.
Nach dem Prinzip des Führers wird das →„Dritte Reich“ organisiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das
deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f.
öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen
Rechtssystems, 1987; „Führer—Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997;
Radtke, H.. u. a., Straffreiheit durch Führerbefehl?. ZRG GA 129 (2012), 214
Führerschein ist
die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine
werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer
Viertaktverbrennungsmotor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahrzeug,
1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschiedlichen
Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077
Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 rund 1081000, 1991 2122706).
Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht.
Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von
Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F.
In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine
Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung, Radio, Fernsehen und
Internet bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten.
Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in
Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der
Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht
in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989
Führungszeugnis
Lit.:
Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944
Fulgosius, Raphael ist der in Piacenza 1367
geborene, in Bologna und Pavia ausgebildete, ab 1388 in Pavia, Siena und Padua
lehrende, am 12. 9. 1427 verstorbene Jurist (commentarium in Digestum vetus,
commentarium zum Codex, Gutachten).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 802
Fulda ist
die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete,
765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer
Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur (aber im zweiten Drittel des 12. Jh.s
auch Fälschungen durch den Mönch Eberhard). Die dort 1723/1734 gegründete
Universität wird nach der Säkularisation (1802, Fürst von Oranien-Nassau, dann
Königreich Westphalen, danach Hessen) aufgehoben.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roller, O., Eberhard
von Fulda, Diss. phil. Marburg 1901; Urkundenbuch des Klosters Fulda, Bd. 1
1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren Güterverzeichnisse der Reichsabtei
Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter,
ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer Bürgeraufstände, ZRG GA 68
(1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas, 1969;
Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986; Rathsack,
M., Die Fuldaer Fälschungen, 1989; Heinemeyer, W. u. a./Fulda in seiner
Geschichte, 1995; Meyer zu Ermgassen, H., Der Codex Eberhardi des Klosters
Fulda, 1995f., (1995, 1996, Index 2007, Bd. 4 Der Buchschmuck, 2009); Theisen,
F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Codex Diplomaticus Fuldensis,
Index and Introduction, hg. v. Hofmann, J., 2010
Fund (9. Jh.) ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen
(besitzlosen, aber nicht eigentümerlosen) beweglichen Sache eines anderen. Der
Finder muss den F. kundtun. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen
mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer
innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den
Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit
an den Finder. Erst das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und das
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900) schaffen einheitliche
Regeln für ihr Geltungsgebiet.
Lit.: Hübner 457; Delbrück, B., Vom
Finden verlorener Sachen, Jh. Jb. 3 (1859), 1ff.; Hopmann, G., Der
Eigentumserwerb an der gefundenen Sache nach deutschen Rechtsquellen, 1905;
Vobach, G., Die Lehre vom Funde, 1910; Hübner, J., Der Fund, 1914; Lins, S.,
Das Fundrecht des BGB, 1994; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Fünfkirchen (Pécs) ist bereits in römischer Zeit ein wichtiger Ort (Sopianae, später
Quinque ecclesiae) und seit 1367 Sitz einer Universität, von 1833 bis 1923 Sitz
eines Rechtsgymnasiums.
Lit.:
Roth, H. u. a., Fünfkirchen, 2010; Pécsi
jogászprofesszorok emlékezete (1923-2008). Antológia [Das Gedächtnis der
Juraprofessoren zu Fünfkirchen. Eine Anthologie], hg. v. Kajtár, I. 2008;
A Pécsi Püspöki Joglyceum emlékezete
1833-1923, hg. v. Kajtár, I. u. 1.-, 2009; Roth, H., Geschichte einer
europäischen Kulturhauptstadt, 2010
Fur (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der →Dieb. Der auf frischer Tat ertappte
(und damit handhafte) freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen
Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f.
manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das
Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I
Furiosus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der →Geisteskranke, der ohne weiteres
geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger)
hat.
Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui venit contra iura. Il
furiosus, 1983
Fürkauf ist
im 13. bis 16. bzw. 19. Jh. der Vorkauf (unter Umgehung des Marktes und in
großen Mengen zwecks künstlicher Verknappung und Verteuerung). Er wird
zeitweise verboten. Der Liberalismus beseitigt die der Bekämpfung des Wuchers
dienenden Einschränkungen grundsätzlich.
Lit.: Crebert, H., Künstliche Preissteigerung,
1916; Blaich, F., Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V., 1967; Hof,
H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983
Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten →Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen)
des Königreichs von Valencia des spanischen Rechtes, die in einer 1330
entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482 wird
eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech unter
dem Titel Furs e ordinacions de València veröffentlicht, 1707 wird der F. d.
V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in
Valencia für weitergeltend erklärt.
Lit.: Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de
Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639
fur (M.) manifestus (lat.) →handhafter →Dieb, →Diebstahl
Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in Verzug (und muss deshalb bei
Untergang der entwendeten Sache durch Zufall ohne Verschulden Schadensersatz
leisten).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Tryphonius
um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)
Fürsorge ist
zunächst allgemein die Sorge für das Wohl eines Lebewesens, danach insbesondere
die Unterstützung Einzelner aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt
anfangs die Familie, dann die Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen
Neuzeit auch der Wohlfahrtsstaat (Armenpflege für Waisen, Bettler, Witwen,
Alte, Kranke, Straftäter, Verwahrloste, Wohlfahrtspolitik, Sozialpolitik). In
Preußen (ALR II, 19 § 1) wird hierfür das Gesetz über die Verpflichtung zur
Armenpflege vom 31. 12. 1842 (Unterstützungswohnsitz) erlassen, im Deutschen
Reich das Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. 6. 1870
(preußisches Ausführungsgesetz vom 8. 3. 1871)(, die
Sozialversicherungsgesetzgebung) und die Verordnung über die Fürsorgepflicht
vom 13. 2. 1924, ergänzt durch die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und
Maß der öffentlichen Fürsorge vom 4. 12. 1924 (kein Rechtsanspruch, Träger
Ortsarmenverbände bzw. Gemeinden, in Städten 5,6-8 % Unterstützungsempfänger,
auf dem Land 0,5-0,8 %) (gehobene F.) (1. 4. 1924 Reichsjugendwohlfahrtsgesetz
mit wegen der Inflation verringertem Leistungsumfang). In Deutschland, in
dessen östlichem Teil 1956 die überkommene F. in der Verordnung über die
allgemeines Sozialfürsorge des Jahres 1956 zusammengefasst und als Übergangserscheinung
auf dem Weg zum Sozialismus angesehen wird, wird in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s aus der F. die seit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
vom 24. 6. 1954 Ansprüche anerkennende →Sozialhilfe (Hilfe, Förderung,
Bundessozialhilfegesetz zum 1. 6. 1962, zum 1. 1. 2005 Sozialgesetzbuch XII,
für Jugendliche Jugendschutzgesetz vom 4. 12. 1951, Jugendwohfahrtsgesetz vom
11. 8. 1961, Kinder- und Jugendhilfesgesetz zum 1. 1. 1991).
Lit.: Moeller, E. v., Die
Elendenbrüderschaften, 1906; Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts,
Diss. jur. Tübingen 1945 masch.schr.; Scherpner, H., Geschichte der
Jugendfürsorge, 2. A. 1979; Sachße, C./Tennstedt, F., Geschichte der
Armenfürsorge, Bd. 1ff. 1980ff.; Jutte, R., Obrigkeitliche Armenfürsorge,
1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung in Bayern, Diss. jur.
München 1986; Peukert, D., Grenzen der Sozialdisziplinierung, 1986; Breitenhorn,
A., Randgruppen im ALR, 1994; Boldorf, M., Sozialfürsorge in der SBT/DDR
1945-1953, 1998; Armengesetzgebung und Freizügigkeit (1867-1881), hg. v.
Sachße, C. u. a., 2000; Stolleis, M., Geschichte des Sozialrechts in Deutschland,
2003; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz (1918-1967), 2003; Föcking, F.,
Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007; Medizin und Sozialwesen in Mitteldeutschland
zur Reformationszeit, hg. v. Oehmig, S., 2007; Marx-Jaskulski, K., Armut und
Fürsorge auf dem Land, 2008; Bulling, S., Die zivilrechtliche Erwachsenenfürsorge
des 19. Jahrhunderts, 2013; Foege, L., Wessenbergs Herzenskind, 2014
Fürsprech,
Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und spätmittelalterlichen deutschen
Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor Gericht (ahd. [einmal] furisprehho
um 790 für lat. orator, M., Redner). Er wird vielleicht entwickelt, um die möglicherweise
allmählich in bestimmten Verfahrenslagen entstehende Gefahr zu vermeiden, durch
einen bloßen Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen
Rechtsstreit zu verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei
billigen oder verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12.
Jh. in deutschen, französischen und englischen Quellen belegt und könnte eine
Antwort auf das Eindringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein
Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen kann die Partei
einen F. wählen oder nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) den Richter um einen
F. bitten. Wirkung hat der Vortrag des Fürsprech(er)s nur nach Billigung durch
die Partei. 1255 gibt es in Lübeck bereits 5 berufsmäßige Fürspreche®
(Vorspraken). Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit
dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der
Schweiz ist der Fürsprecher in manchen Kantonen der Rechtsanwalt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
116; Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42
1853; Laß, L., Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien,
1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im Kanton
Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher und Anwalt in den
fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte
im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit
der Advokatur, 1972; Failenschmid, H., Anwalt und Fürsprech nach
altwürttembergischen und benachbarten Rechtsquellen, 1981; Meyer, T., Gefahr
vor Gericht, 2009
Fürsprecher →Fürsprech
Fürst ist
im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der Adlige, dessen
Stellung (die des Königs oder) ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung
durch den König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten
einer von diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des
Königs (Herzöge, Grafen, Pfalzgrafen, Markgrafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte,
Äbtissinnen). Kennzeichen sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen
Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die Abgrenzung nach unten nicht
eindeutig (im 13. Jh. etwa 110-120 Reichsfürsten, davon etwa 90 geistlich,
davon etwa 45 Äbte und Äbtissinnen). Der F. kann unter besonderen Umständen
abgesetzt werden (zwischen 768 und 1056 in 177 Fällen erfolgreich, immerhin
durchschnittlich alle zwei Jahre einmal). Das wichtigste Recht der Fürsten ist
die Wahl des Königs, die sich aber im 13. Jh. auf die →Kurfürsten
beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer
festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und
Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche Landesherrschaft und
reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erzbischöfe,
viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/1188 wird
der Graf von Hennegau bzw. Namur als erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben
(Braunschweig-Lüneburg 1235). Demgegenüber wird in Frankreich die Zahl der
Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales beschränkt. Als
Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen Interessengegensatz zum
König. Im Reichstag des Heiligen römischen Reiches gibt es 1582 53 Virilstimmen
weltlicher und 46 Virilstimmen geistlicher Fürsten, 1792 64 Virilstimmen weltlicher
Fürsten und 38 geistlicher Fürsten. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in
Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als
Teil des Namens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149,
154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen
Fürstenhäusern, 1851; Boerger, R., DIe Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten,
1901; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges. d. Wiss.
58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen
Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kraemer,
H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs
Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44
(1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte, Bd.
1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht
und Ständetum in Preußen, 1963; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Lanzinner, M.,
Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch,
J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56,
1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll.
f. dt. LG. 122 (1986), 137; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von
Königsmacht, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg.
v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J.,
König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Principes, hg. v. Nolte, C., 2002;
Fürstin und Fürst, hg. v. Rogge, J., 2004; Gottwald, D., Fürstenrecht und
Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Hammes, B., Ritterlicher Fürst und
Ritterschaft, 2010
Fürstenberg
Lit.: Barth, F., Die
Verwaltungsorganisation der gräflich fürstenbergischen Territorien, Schriften
des Vereins für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link,
R., Verwaltung und Rechtspflege im Fürstentum Fürstenberg, 1944;
Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das Prozessrecht der Gerichts- und
Landesordnungen der fürstenbergischen Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A.
v., Das große Palatinat des Hauses Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die
Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986
Fürstenberg
Fürstenbergische Geschichte, Bd.
1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg.
v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987
Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines
Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons
(430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kyros, die aus Plutarch
(46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc
Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat
(413-426). Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F.
vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Jonas von Orléans,
Sedulius Scotus, Hinkmar von Reims, Gottfried und Johannes von Viterbo, Johann
von Salisbury, Polycratius, 1159, Gilbert von Tournais, Vincenz von Beauvais, Thomas
von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum
Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de
Télémaque, 1699), wobei seit der frühen Neuzeit der Landesherr an die Stelle
des Königs tritt. Zu Beginn des 19. Jh.s werden die konservativen
Regierungshandbücher entbehrlich.
Lit.: Kleineke, W., Englische
Fürstenspiegel, 1937; Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten
Mittelalters, 1938; Anton, H., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der
Karolingerzeit, 1968; Singer, B., Die Fürstenspiegel, 1981; Politische
Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1990;
Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen, H. u. a., 1996; Graßnick,
U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische Politik zwischen
Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des frühen und hohen
Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006; Historische Exempla in Fürswtenspiegeln
und Fürstenlehren, hg. v. Reinle, C. u. a., 2011
Fürstentum ist
das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines →Fürsten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände
in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968;
Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen
regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst,
W., 2002
Fürstprimas ist
der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl
Theodor von Dalberg (1744-1817) vergebene geistlich-weltliche Titel. Das Fürstentum
des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808)
in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.
Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen
Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985
Fürth
Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche
Entwicklung der Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H.,
Wirtschaft und Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B., Geschichte der Stadt
Fürth, 2007
Furtum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw. der Diebstahl ([lat.]
contrectatio rei fraudulosa lucri faciendi gratia, tückische Ergreifung einer Sache
zwecks Gewinnerzielung). →fur
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48;
Köbler, LAW
Fusion (F.), Gießung, Verbindung
Fusionsvertrag ist der eine Fusion anstrebende oder bewirkende Vertrag (z. B. 8. 4. 1965 Vertrag zur Einsetzung eines
gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften
mit Wirkung vom 1. 7. 1967).
Fuß als der
unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers wird bis in die Gegenwart als
Maßeinheit (zwischen 250 und 429 mm) verwendet (z. B. engl. foot 304,8 mm).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213
Füssen
Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg.
v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v.
Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen, 1977
Futhark ist
die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k u. s. w.) entsprechende Benennung der
germanischen Runenschrift.
Lit.: Krause,
W., Die Runeninschriften im älteren Futhark, 1966
G
Gabe ist
der Vorgang und der Gegenstand der gewollten Übergabe einer Sache oder eines
Menschen von einem Menschen oder einer Person an einen anderen Menschen oder an
eine andere Person. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort soll in der älteren
Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber kennt das römische
Recht die unentgeltliche G. (→Schenkung). Sie wird allgemein anerkannt,
ohne dass sie größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt.
Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A.,
Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Mauss, M., Essai sur le don, 1923 (= Die
Gabe, 1968); Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen
Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Hyland, R., Gifts, 2009
gabella (mlat. [F.]) Abgabe, Steuer (F.)
Gabella (F.) emigrationis (mlat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in
der frühen Neuzeit verbreitete Auswanderungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II
17 §§ 141ff.) in Höhe von meist rund 10% des inländischen Vermögens.
Gabella (F.) hereditaria (mlat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim
Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs
II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.
Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922), 119
gafol (ae.)
Abgabe, Zins
Gage (F.) Entlohnung (1. H.
17. Jh.s aus dem Französischen) zunächst in Heer und Marine, danach am Theater
Gagern,
Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5.
1888) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena (Burschenschaft) 1821 Regierungsrat
in Hessen, am 5. 3. 1848 Leiter des Staatsministeriums Hessen-Darmstadts, und am
19. 5. 1848 Präsident der deutschen Nationalversammlung.
Lit.: Buchner, K., Heinrich von Gagern, 1848; Schücking,
L., Heinrich von Gagern, 1849; Wentzcke, P., Heinrich von Gagerns, 1957;
Möller, H., Heinrich von Gagern, 2004
Gagnér, Sten (Uppsala 3. 3. 1921-München 24. 5. 1900) wird nach dem Studium von Recht,
Philosophie, Geschichte und Philologie in Uppsala und praktischer Tätigkeit
bei Polizei und Justiz 1964 Professor für Rechtsgeschichte in München.
Lit.:
Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Rückert, J.,
Sten Gagnér zum Gedächtnis, ZRG GA 119 (2000), 1094ff.
Gaill,
Andreas (Köln 12. 11. 1526-Köln 11. 12. 1587), Patrizierssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (Promotion 1555) Anwalt in
Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in
Wien (1573 von Gaill) und 1584 Kanzler im Erzstift Köln. In seinen (lat.)
Practicarum observationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beobachtungen)
(1578) bemüht er sich wie schon zuvor →Mynsinger (Singularium observationum
…) um eine systematische Darstellung der Entscheidungen des →Reichskammergerichts
und gewährt dabei auch einheimischen Statuten und Gewohnheitsrechtssätzen
Raum.
Lit.: Köbler, DRG 143; Burckhard, H., Andreas Gaill, 1887; Kempis,
K. v., Andreas Gaill, 1988
Gairethinx (N.)
Speergedinge →Launegild
Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53
Gaius ist
der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz
tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht) begabte
Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister
des Privatrechts und) des in vier Bücher (lat. [M. Pl.] commentarii) über
personae (Personen), res (Sachen, 2 Bücher, Sachenrecht, Erbrecht, Schuldrecht)
und actiones (Klagansprüche, Zivilprozess) gegliederten Lehrbuchs →Institutionen
(159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (→Julian) an.
Sein auf (lat.) →ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) →ius
(N.) gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes, in einer späteren
Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona von
Barthold Georg Niebuhr aufgefundene Palimpsesthandschrift und zwei in Ägypten entdeckte
Handschriftenbruchstücke unmittelbar überliefertes System der Einrichtungen
des Rechtes (lat. institutiones) wird im Kern von dem oströmischen Kaiser
Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. In den Digesten sind 542
Fragmente aus Werken des Gaius verwertet.
Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner
§§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962;
Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones,
1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson,
H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico
Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U.,
2004, 2. unv. A. 2010; Vano, C. Der Gaius der historischen Rechtsschule, 2008
Gaius von Autun
(lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist der in größeren Fragmenten einer
Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene klassizistisch-spätnachklassische
Kommentar wohl des 5. Jh.s zu →Gaius.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52
Galater →Kelte
Galeere (F.) mit Rammsporn, Rudern und Segeln ausgestattetes Kriegsschiff
Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471,
Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, Frankreich 1516) verhängte Strafe, auf einer
Galeere angekettet zu rudern. In den österreichischen Erblanden und Böhmen wird
die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie sachlich mit der
Aufgabe der Galeeren (1749), wird aber rechtlich erst am 27. 3. 1852
abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht.
Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in
Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557;
Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19; Tournier, G., Les
galères de France, 2005
Galgen ist
die meist aus zwei Pfosten (oder Astgabeln) und einem Querholz bestehende
künstliche Vorrichtung (lat. patibulum, bargus, furca) zur Tötung von Menschen
durch Aufhängen an einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter.
Seit wann dazu der G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter. in dem
der Sachsenspiegel Diebstahl mit Hängen bedroht, ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde
Strafe. Seit 1871 ist die →Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten
zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen
Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen (ähnlich im Irak 2006). Überreste
ehemaliger G. sind in Beerfelden, Hopfmannsfeld, Kleinschierstedt, Münzenberg,
Pfungstadt, Rixfeld, Seeburg und Wörth am Main vorhanden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege, 1940; Wohlhaupter, E., Haargalgen,
Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953;
Martschukat. J., Inszeniertes Töten, 2000; Over galg en rad, hg. v. Luning, H.
u. a., 2010
Galicien ist
die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst
von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5.
und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung
von den Arabern fällt G. meist an →Leon und mit diesem an →Kastilien.
1979 erhält G. in Spanien Autonomie.
Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J.,
Galicia, 1987; Galicia, hg. v. Hann, C. u. a., 2005
Galizien (Halic-Volhynien,
→Wolhynien) ist die nördlich der Karpaten gelegene Hügellandschaft, die
nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im
Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch).
G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an →Polen. 1772 wird das
östliche G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795
kommen weitere Gebiete hinzu (→Westgalizien, für das 1797 ein Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch erlassen wird). Hauptstadt von Galizien-Lodomerien ist
Lemberg. 1846 wird das seit 1815 selbständige Krakau annektiert und mit
Galizien-Lodomerien vereinigt, welches das größte Kronland Zisleithaniens ist. 1918
annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der
Sowjetunion in Besitz genommen.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853;
Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996;
Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der
Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen
Verwaltungswesen, 2004; Struve, K., Bauern und Nation in Galizien, 2005; Maner,
H., Galizien, 2007; ; Wolff, L., The Idea of Galicia, 2010; Kuzmany, B., Brody,
2011
Gallicus →mos
Gallicus
Gallien (lat.
[F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und
seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen,
Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens
durch die Römer (225-51 v. Chr.) wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast
vollständig im Besitz der rasch romanisierten →Franken. →Frankreich
Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken
Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia
und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der
Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E.,
Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im
frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G.,
Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L.,
Fremde in Gallien, 2001; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005;
Mériaux, C., Gallia irradiata, 2006; Reddé, M., L’architecture de la Gaule
romaine, 2006
Galway an
einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt.
1845 erlangt es eine Universität.
Gandinus (de
Gandino), Albertus (Crema/Lombardei um 1245-nach [?] 1311) wird nach dem
Rechtsstudium in Padua (1265-1275, Schüler Guido da Suzzaras) Richter in Lucca
(1281), Bologna (1284), Perugia (1286/1287), Florenz (1288), Bologna (1289,
1294/1295), Siena (1299) und Perugia (1300), 1305 Herr (Podestà) in Fermo und
1310 Höchstrichter in Florenz. Eine universitäre Tätigkeit übt er nicht aus. 1286/1287
veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung
berühmter Rechtsfragen (lat. libellus de maleficiis, vor allem des Odofredus
und des Guido da Suzzara), die erweitert und erstmals systematisiert (5
Verfahrensarten [lat. accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium],
gemeinsame Fragen dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung, Bann u. s. w.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300
in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von
Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (→Klagspiegel, →Constitutio
Criminalis Bambergensis 1507) aufgenommen wird. Daneben stellt er (lat.)
Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).
Lit.: Albertus Gandinus, Quaestiones, hg. v. Solmi, A, (in)
Bibliotheca Iuridica medii aevi 3, 1901, 155ff.; Kantorowicz, H., Albertus
Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, 1907ff. (in Bd. 2 Ausgabe des Tractatus);
Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921), 1, 43
(1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Schriften des Albertus Gandinus, ZRG RA
44 (1924), 224; Vallerani, M., La giustizia pubblica medievale, 2005; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 468
Ganerbe ist
der Angehörige einer rechtlich ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in
der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden.
Ziel ist dabei die Erhaltung des Familienguts, weswegen eine Teilung oft nur
hinsichtlich der Nutzung erfolgt. Der Erhaltung dient auch die Begründung eines
→Familienfideikommisses. Trotz dessen Vordringens bestehen
ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.
Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E.,
Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in
Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur
Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980
Gans,
Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus alter norddeutscher jüdischer Hoffaktorenfamilie,
wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in
Berlin, Göttingen und Heidelberg (Promotion), Ablehnung der Zulassung zu
Lehrtätigkeit in Berlin (1822, Savigny) und nach der Taufe (1825) 1826 in
Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher Professor für römisches und
bürgerliches Recht in Berlin (mit großem Zulauf). Im Streit mit →Savigny (u.
a. über Besitz) tritt er gegen die Erforschung geschichtlicher Einzelheiten und
für der Aufklärung verpflichtete philosophisch-universalgeschichtliche Studien
(Scholien zum Gajus 1819, Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung,
Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963) ein. Er betreibt Rechtsvergleichung und
vertritt Georg Willhelm Friedrich Hegels Philosophie. Einer seiner Schüler ist
Karl Marx.
Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die „Lex
Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA
102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum,
1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E.,
Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005; Nielsen, E.,
Ehe, väterliche Gewalt und Testierfreiheit in „weltgeschichtlicher Betrachtung“,
2006; Gans, E., Briefe und Dokumente, hg. v. Brun, J., 2011
Ganshof, François-Louis (Brügge 14. 3. 1895-Brüssel 26. 6. 1980), Schüler Henri Pirennes,
Professor für mittelalterliche Geschichte in Gent (Was waren die
Kapitularien?, Was ist das Lehnswesen? 1961, 6. A. 1983)
Gant (F., zu lat. [in]
quantum, [zu] wieviel) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung eines
(verpfändeten) Gegenstands im Wege der Zwangsvollstreckung. Sie entsteht in
der (oberdeutschen) Stadt (Zürich 1372, Leutkirch 1382, Bremgarten 1417,
Augsburg 1447, Nürnberg 1479, Freiburg im Breisgau 1520, Württemberg 1555,
Bayern 1611). Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor
übermäßigem Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gantordnungen
(z. B. Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten
verwahrte (bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den
Meistbietenden gegen Barzahlung ausgehändigt werden. Im 19. Jh. unterliegt
die G. dem Konkurs.
Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
Bd. 1 1912, 680; Leisner, L., Das bayerische Gantrecht, 1971; Bornhorst, R.,
Das bayerische Insolvenzrecht im 19. Jahrhundert, 2002; Spann, M., Der
Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Garantie ist
die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer
Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.])
custodia des römischen Rechtes aus. Als eigener Vertrag erscheint der
Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungsgarantien,
2003
Garantismus ist eine Form des Wohlfahrtsstaats,
bei der ein Grundeinkommen garantiert wird.
Lit.: Opielka, M., Sozialpolitik,
2004
García Goyena,
Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca
Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847). 1851 legt er einen an
Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das partikulare Recht Spaniens
missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuchs) vor. Erst
1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,1,497
Gareis,
Karl (Bamberg 24. 4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium
Professor in Bern, Gießen, Königsberg und München (Das deutsche Handelsrecht,
9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).
Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten,
FS H. Hübner, 1984, 215; Rehbinder, M., Karl Gareis und Felix Dahn zur Theorie
des Urheberrechts (in) Gedächtnissschrift Herbert Hofmeister, 1996, 621
Garsten ist die im Siedlungsgebiet der Bayern 985
urkundlich erwähnte spätere Marktgemeinde Oberösterreichs, in der 1107 ein 1787
aufgelöstes Benediktinerkloster errichtet wird, aus dem zwei Traditionsbücher
des späteren 12. Jh.s bekannt sind.
Lit.: Haider, S., Studien zu den
Traditionsbüchern des Klosters Garsten, 2008
Garten ist
das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau
bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der Mitbenutzung
ausschließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung der
Grundherrschaft oder Gemeinde.
Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252;
Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutungen der extramuralen Rechtsbereiche
nordostschweizerischer Städte, Diss. jur. Zürich 1967
Gas ist der Zustand eines Körpers und der Körper,
in dem sich alle Moleküle vollkommen frei bewegen und der Körper jeden
verfügbaren Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt.
Lit.: L’industrie du gaz en
Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005; Auf der Suche nach Eden, hg. v.
Stolberg, E., 2008
Gascogne im
Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen
benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.
Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978
Gasparri,
Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom
Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880 Professor für
kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf seine
Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst Pius
X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten Kardinalskommission.
1917 wird der von ihr erarbeitete →Codex iuris canonici veröffentlicht.
Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1
1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur
Kirchenordnung?, 1968, 29
Gast ist der
in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch, insbesondere der Fremde.
Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere Rechtssätze.
Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur
Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907;
Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth,
L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Peyer, H., Von der
Gastfreundschaft zum Gasthaus, 1987; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 1988, 4.
A. 2007; Berger, J., Die Geschichte der Gastfreundschaft im
hochmittelalterlichem Mönchtum 1999; Stein-Hölkeskamp, E., Das römische
Gastmahl, 2005
Gastalde (zu lang. *gastald Erwerb, Gewinn?) ist im
frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 (584?) geschaffene
langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in
Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das
Hochmittelalter bedeutsam.
Lit.: Schneider, F., Die Reichsverwaltung der Toscana,
1914; Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd.
1, 271; Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Priester, K., Geschichte der
Langobarden, 2004
Gaster
Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte
der Landschaft Gaster, 1905
Gastung ist
die einem →Gast meist auf Grund einer Verpflichtung zu erbringende
Leistung.
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f.
1968
Gastwirt ist der geschäftsmäßig andere Menschen
beherbergende und mit Speisen und Getränken bedienende Unternehmer. Für ihn
gilt bereits im römischen Recht das wohl aus Vertragsgewohnheit entstandene besondere
(lat. [N.]) receptum nautarum cauponum et stabulariorum, das der Gefährdung
der vielfach fremden Gäste durch den bodenständigen G. Rechnung trägt. Der geschädigte
Gast hat die (lat.) actio de recepto. Den nach Aufnahme des römischen Rechtes
entwickelten gemeinrechtlichen Lehren folgend wird am Ende des 19. Jh.s noch
eine vertragliche Haftung angenommen, später die Haftung als gesetzlich
angesehen.
Lit.: Immenhauser, M., Das Dogma
von Vertrag und Delikt, 2006; Zimmermann, R., Geschichte der Gastwirtshaftung
in Deutschland, (in) Usus modernus pandectarum, 2007, 271ff.; Hellwege, P., Der
formularmäßige Ausschluss der Haftung der Gastwirte, ZNR 2007, 240ff.; Girtler,
R., Herrschaften wünschen zahlen, 2008
Gatterzins ist in Mittelalter und früher Neuzeit der vom Zinsberechtigten am Zaun
(Gatter) des Zinspflichtigen (Freien) abzuholende Zins.
Gattungskauf ist
der →Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem
römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen
Sache bekannt.
Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und
Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272; Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des
Gattungskaufs, ZEuP 1999
Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die
Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstands
gerichtete →Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs
der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist ([lat.]
genus non perit bzw. →genus perire non censetur, Gattung geht nicht
unter).
Lit.: Kaser § 34 III 2
Gau ist die
als besondere Einheit angesehene kleinere (, wasserreiche, siedlungsgünstige)
Landschaft (lat. [M.] pagus, z. B. Aargau, Breisgau, Pongau, Rheingau, Thurgau,
in den Quellen bis zum 12. Jh. etwa 150 von insgesamt 500 Landschaftsnamen).
Sie hat insbesondere im Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach
umstrittener Ansicht den örtlichen Tätigkeitsbereich eines →Grafen (lat.
comes, →comitatus) bezeichnet, ohne dass auch in nur einem einzigen Fall
die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen und der jeweils gegebenen
Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem lückenlosen unveränderlichen
Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Es lassen sich mehrere Grafschaften
innerhalb eines pagus und verschiedene pagi innerhalb einer Grafschaft
nachweisen. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s
- vor allem ab 1928 der G. unter einem Gauleiter künstlich wiederbelebt (Baden,
bayerische Ostmark, Berlin, Düsseldorf, Essen, Franken, Halle-Merseburg,
Hamburg, Hessen-Nassau, Koblenz-Trier/Moselland, Köln-Aachen, Kurhessen,
Kurmark, Magdeburg-Anhalt, Mainfranken, Mecklenburg, München-Oberbayern,
Ost-Hannover, Ostpreußen, Pommern, Saarpfalz/Westmark, Sachsen, Schlesien,
Schleswig-Holstein, Schwaben, Süd-Hannover-Braunschweig, Thüringen, Weser-Ems,
Westfalen-Nord, Westfalen-Süd, Württemberg-Hohenzollern, (1939) Kärnten, Niederdonau,
Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol-Vorarlberg, Wien, Sudetenland,
Danzig-Westpreußen, Wartheland).
Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im
Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10.
Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und
Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927;
Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941),
329; Bohnenberger, K., Frühalemannische Landstrichsnamen, Z. f. württ.
Landesgesch. 7 (1943), 99; Bohnenberger, K., Landstrichs- und Gebietsbezeichnungen
in den südwestdeutschen Urkunden des 8.-10. Jahrhunderts, ZGO N. F. 56 (1943),
1; Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im
frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Krüger,
S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz,
W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Diepolder, G., Die
Orts- und in-pago-Nennungen im bayrischen Stammesherzogtum, Z. f. bay. LG. 20
(1957), 364; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v.,
Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961;
Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Niemeyer,
W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die
Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983;
Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue
und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999; Bauer, T.,
DIe mittelalterlichen Gaue, 2000; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue
in der NS-Zeit in Bayern, 2003; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die NS-Gaue,
hg. v. John, J. u. a., 2007
Gaudenzi →Fragmenta
Gaudenziana
Gauner ist
die vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen
kommende Bezeichnung (16. Jh., lat. Liber vagatorum 1510) für Spieler oder Straftäter,
die zeitweise eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von
nichtsesshaften Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse
Dichte erreicht.
Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff.
1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d.
ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919;
Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Küther, C.,
Räuber und Gauner in Deutschland, 1976; Schubert, E., Arme Leute, Bettler und
Gauner, 1983; Jütte, R., Abbild und soziale Wirklichkeit, 1988; Blauert,
A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der
Räuber und Gauner, 2001; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005
Gebärde ist
die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche Haltung eines Menschen,
insbesondere des Gesichts und der Hände. Bestimmte Gebärden können in
bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwurhand
bei einem Eid). Der schwierigen Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden
widmet sich die Rechtsarchäologie.
Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v.,
Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer,
M., Tanz und Recht, 1938; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und
Schwurfingerdeutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die
Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Schmidt-Wiegand,
R., Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht, Frühmittelalterl. Studien 16
(1982), 363; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Schmidt,
J., Die Logik der Gesten, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts,
1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999
Gebäude ist
das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis
und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es
errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen, auch besondere Gebäudeservituten
kennenden Rechtes seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als
wesentlicher Bestandteil des Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich
das →Baurecht immer stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.
Lit.: Hübner 188f.
Gebietsgemeinde ist die auf ein (größeres) Gebiet bezogene Gemeinde (z. B. österreichisches
provisorisches Gemeindegesetz vom 17. 3. 1849, später wieder aufgegeben).
Geblütsrecht ist
das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder Anrecht auf einen
Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein G. gegenüber dem
Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert sich in den
Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A.
1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d.
Akad. d. Wiss. Berlin, 1948
Gebot ist
die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens (, im Zivilverfahrensrecht
im Rahmen der Zwangsvollstreckung das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen
Vertrag). Das G. findet sich, wo immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere
Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung des →Staates.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Simon, T., Grundherrschaft und
Vogtei, 1995; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996
Gebotenes Ding ist
das durch einzelnes →Gebot besonders festgesetzte →Ding.
Gebotsgewalt ist die Gewalt zum Erlass von Geboten.
Gebrauch (lat.) usus (M.)
Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines
Gebrauchsgegenstands oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder Gebrauchszweck
durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen soll. In
Deutschland wird 1876 bzw. 1891 das erste Gebrauchsmustergesetz erlassen.
Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes,
1898
Gebühr ist
die Geldleistung, die als Gegenleistung für eine besondere, vom Einzelnen
veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt wird (Otto Mayer 1895). Eine
solche Gegenleistung ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht
bekannt. Im Mittelalter entwickeln die Landesherren, auf welche die Regalien
übergehen, und die Grundherren vielfältige Einnahmequellen. Auch die Kirche
verlangt für bestimmte Handlungen Gegenleistungen, selbst für den besonderen
Sündenerlass. Eine eindeutige Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst
das späte 19. Jh. (Preußen Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891,
Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893). In gewisser Weise spiegelt die G. die
Geschichte des Staates, seiner Finanzierung und Verrechtlichung wider.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über
Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939;
Hansmeyer, K./Fürst, D., Die Gebühr, 1968; Sackofsky, U., Umweltschutz durch
nichtsteuerliche Abgaben, 2000; Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, hg. v.
Sackofsky, U. u. 1., 2000
Gebundener Tag ist (im Mittelalter) ein bestimmte rechtlich bedeutsame Handlungen
ausschließender Tag (z. B. Sonntag), vgl. Sachsenspiegel Landrecht II 66,2).
Geburt (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen
(oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt
gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. →nasciturus)
für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt
im Übrigen erst mit der G. die →Rechtsfähigkeit. Nach (germanischem? und)
mittelalterlichem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie
besonders aufgenommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse
Lebenskraft als Voraussetzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die
christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person. Seit etwa
1800 wird die G. (auf bestimmtem Gebiet oder von bestimmten Eltern) für den
Erwerb der Staatsangehörigkeit wichtig. In Deutschland führt das Reichspersonenstandsgesetz
vom 6. Februar 1875 die öffentliche Beurkundung jeder G. durch den
Standesbeamten ein. Nach § 1 BGB (1896/1900) beginnt mit Vollendung der Geburt
die Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129;
Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht,
ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248,
253; Peters, R., Der Schutz des neugeborenen, insbeondere des missgebildeten
Kindes, 1988; Labouvie, E., Andere Umstände, 1998, 2. A. 2000; Uebe, A., Die
rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich
im Frühmittelalter, ungedr. Habilitationsschrift Leipzig 2003; Drescher, T.,
Beginn des Menschseins, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schlumbohm, J., Lebendige Phantome
- Ein Entbindungshospital, 2012 (Göttingen 1751)
Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche
vorgesehene, die →Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des
19. Jh.s auf den Staat über (→Personenstandsgesetz).
Geburtsstand ist
im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die →Geburt erworbene
Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).
Gedächtniszeuge ist der bewusst beigezogene Zeuge im Gegensatz zum zufälligen Zeugen.
Gedanken sind frei.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)
Gedinge ist
im mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In
Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem
allgemeinen Recht gewährt (G. bricht Landrecht), in Deutschland anscheinend im
14. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding,
Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H.,
Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114
Gefahr (Wort um 1275 im Schwabenspiegel) ist
die Wahrscheinlich→keit des Eintritts eines Schadens. Grundsätzlich muss
jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der
Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der
G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen
Recht der →Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G.
(lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der Kaufsache zwischen
Kaufvertragsabschluss und Vertragserfüllung grundsätzlich dem Käufer zu, der
den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er wegen Freiwerdens des Schuldners von der
Leistungspflicht die Kaufsache nicht erhält (periculum est emptoris,
Preisgefahr).
Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor
Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Ernst, W., Das
klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M.,
Periculum emptoris, 1998; Pennitz, M., Das periculum rei venditae, 2000; Müller,
C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefährdung (1794) ist die Schaffung der Möglichkeit eines Schadenseintritts.
Lit. Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefährdungshaftung (Rümelin 1896) ist das einseitig verpflichtende gesetzliche
Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine
erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine
Art der Erfolgshaftung. Einzelne Fälle von E. kennt bereits das ältere Recht.
Die Erfolgshaftung entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf der Grundlage
des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts
durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl
von Savigny mittels eines schriftlichen Votums fördernd beeinflussten § 25 des
preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. 11. 1838. Mit der
sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch
pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach
einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871
Reichshaftpflichtgesetz, 1900 Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908
gemildert], 1909 Automobilgesetz/Kraftverkehrsgesetz, 1. 8. 1922 Luftfahrzeuge,
29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943
Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959 Atomgesetz, 1961 Arzneimittelgesetz
1961, 1980 Bundesberggesetz, 1989/1990 Produkthaftungsgesetz, 1990 Bundesdatenschutzgesetz,
1990 Gentechnikgesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz, 2007 Umweltschadensgesetz).
In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt. Ausgeschlossen
ist die G. meist bei höherer Gewalt oder Verschulden des Geschädigten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek,
R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die
Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987),
277; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 524ff.; Gadow, O. v., Die
Zähmung des Automobils, 2002; Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts,
2003; Bürge, A., Die Entstehung und Begründung der Gefährdungshaftung im 19.
Jahrhundert, FS Canaris 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefahrenabwehr →Gefahr, →Polizei
Gefahrgeneigte Tätigkeit
ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines Arbeitnehmers, die mit einer
gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitgebers
oder eines Dritten führt, für die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht
nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen einstehen soll, so dass der
Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das
Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeitsverhältnisse aus,
so dass die g. T. als solche überflüssig wird.
Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische
Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die
rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998
Gefahrtragung (Tragung der Leistungsgefahr bzw. Preisgefahr) →Gefahr
Lit.: Heuer, P., Der Annahmeverzug, 1911; Thielmann, G., Traditio
und Gefahrübergang, ZRG RA 106 (1989), 292; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998
Gefahrübergang ist der Übergang der Gefahr der Tragung eines Verlusts von
einer Person auf eine andere Person (z. B. bei einem Kauf).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gefälle sind
im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben auf der Seite des Leistenden und
Einkünfte auf der Seite des Empfängers.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gefangenenbefreiung
Lit.:
Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903
Gefangener ist der gegen seinen Willen von anderen von der Bewegungsfreiheit ausgeschlossene
Mensch (z. B. Kriegsgefangener, Strafgefangener).
Gefängnis (13. Jh. „Gefangennahme, Gefangenschaft“) ist das für einen
meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude
und der für den Betroffenen dort entstehende Zustand. Im Gegensatz zu dem
deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur
Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe (in
vergitterten Gebäuden) erst zwischen 1250 und dem 15. Jh. bedeutsamer (z. B.
Venedig, Florenz, Bologna, Siena). Das seit etwa 1400 verbreitete G. dieser
Zeit ist einfach und zumindest teilweise unmenschlich, wogegen sich erstmals
John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der Zustand
der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen Landrecht
Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6. 1923
vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug von
Freiheitsstrafen. Einzelne Ansätze zu einer beschränkten Gefangenenmitverantwortung
verdichten sich nur allmählich. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus-
und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd.
1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G.,
Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere
deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und
Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängniswesen
zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the
Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg,
(in) Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J.,
Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Krause, T., Geschichte des deutschen Strafvollzugs,
1999; Sidorowitz, M., H. B. Wagenitz und die Reform des Vollzuges der
Freiheitsstrafe an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, 2000; Nutz, T.,
Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001; Dunbabin, J., Captivity and
Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002; Gefängnis und Gesellschaft,
hg. v. Ammerer, G., 2003; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm,
2004; Schäfer, J., Nicht-monetäre Entlohnung von Gefangenenarbeit, 2006;
Ohlemann, K., Historische Entwicklung der Gefangenenmitverantwortung in den
deutschen Gefängnissen, 2007; Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008; Rosenblum,
W., Beyond the Prison Gates, 2008; Geltner, G., The Medieval Prison, 2008;
Maes, E., Van gevangenisstraf naar vrijheidsstraf, 2009
Geffcken, Heinrich Otto Wilhelm (Berlin 27. 6. 1865-Köln 5. 2. 1916) wird nach
dem Studium von Geschichte und Rechtswissenschaft in Freiburg im Breisgau,
Leipzig (Friedberg, Sohm) und Berlin, der Promotion (1890, 1892) und der
Habilitation (1894) 1898 Professor in Rostock, 1903 der Handelshochschule
Köln.
Gefolgschaft (19. Jh.) ist im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat.
[M.] comitatus, Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger
(Tacitus, Germania c. 13, 14). Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B.
Vasallität) ist ungesichert. Weiterreichende Vorstellungen (Georg Waitz 1844,
Otto von Gierke 1868, Heinrich Brunner 1906, Richard Schröder 1932) sind fragwürdig.
Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen
Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf
römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Kienle, R. v., Germanische
Gemeinschaftsformen, 1939; Naumann, H., Germanisches Gefolgschaftswesen, 1939;
Rehfeldt, B., König, Gefolgschaft und Volk im germanischen Altertum, 1942; Bretschneider,
G., Die altnordische Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W.,
Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176
(1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77
(1960), 1; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’
germanische Gefolgschaft, 1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und
mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 183
Gegen den Lügner gibt es keine Redlichkeit. →Lüge
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)
Gegenkönig ist der nach Abschwächung des frühmittelalterlichen Geblütsrechts und
vor Verfestigung des spätmittelalterlichen Wahlrechts gegenüber einem
gewählten König gewählte zweite König des 11. bis 14. Jh.s (Rudolf von Rheinfelden
1077, Hermann von Salm 1081, Konrad von Franken 1127, Friedrich II. 1212,
Heinrich Raspe 1246, Wilhelm von Holland 1248, Alfons von Kastilien 1257, Karl
IV. 1346, Günther von Schwarzburg 1349).
Lit.:
Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944; Muylkens, M., Reges geminati -
Die Gegenkönige in der Zeit Heinrichs IV., 2012
Gegenpapst ist der gegenüber einem gewählten Papst gewählte zweite Papst (lat. antipapa
1127, etwa 25-40).
Lit.:
Anastasio, L., Istoria degli Antipapi, 1754
Gegenreformation (Johann Stephan Pütter, Leopold von Ranke) ist die mit Hilfe
staatlicher Gewalt (Religionsbann, lat. ius reformandi) ausgeführte Gegenbewegung
der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin →Luthers
(1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame Rekatholisierung protestantisch
gewordener Gebiete hauptsächlich durch Jesuiten (im sog. Zeitalter der Konfessionalisierung).
Sie beruht gedanklich auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz
(lat.) →cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern,
Fulda, Würzburg, Österreich (Böhmen, Oberösterreich, Niederösterreich),
Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den
Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien
und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die dem Absolutismus
verbundene G. ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und
Skandinavien scheitert sie. Die von der Kirche in der G. in Anspruch genommene
Hilfe des Staates bewirkt das Staatskirchentum des Absolutismus.
Lit.: Köbler, DRG 130; Elkan, A., Entstehung und
Entwicklung des Begriffs Gegenreformation, HZ 112 (1914), 473; Brandi, K.,
Gegenreformation und Religionskriege, 1930, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das
Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Die Territorien des Reiches im Zeitalter
der Reformation und Konfessionalisierung 1500-1650, hg. v. Schindling, A. u.
a., 1989ff.; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 1991, 4. A. 1997, 5.
A. 2002; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The
Counter-Reformation in Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als
Kampf um die Landesherrschaft, 2003; Deventer, J., Gegenreformation in
Schlesien, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005;
Staatsmacht und Seelenheil, hg. v. Leeb, R. u. a., 2007
Gegenstand (1579) ist die vom Menschen behandelte Gegebenheit. Der G.
kann körperlich oder unjörperlich sein.
Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der
Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie
wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung
der Rechte des Monarchen verwendet.
Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung,
1978; Weber, C., Das Gegenzeichnungsrecht, 1997
Gehalt ist
die alimentierende Vergütung des →Beamten und Angestellten (Westfalen
1571, Zuordnung zu Tätigkeitsgruppen seit 19. Jh.), die seit der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s verstärkt in das allgemeine Entgelt eingeordnet wird.
Lit.:
Schulz, G., Die Angestellten seit dem 19. Jahrhundert, 2000
geheim, Adj., nicht öffentlich
Lit.: Deutsche Geheimgesellschaften, hg. v. Hermand, J. u. a., 2013
gehegtes Ding →Hegung,
Ding
Geheimdienst ist die staatliche Einrichtung zur geheimen Ermittlung gegen dem Staat
drohende Gefahren.
Lit.:
Krieger, W., Geschichte der Geheimdienste - von den Pharaonen bis zur CIA, 2009
Geheimer Rat ist
die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime
Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit aus dem Hofrat in Österreich (1527),
Bayern (vor 1550, 1579), Kursachsen (1547/1574), Brandenburg (1604), Württemberg
(1629), Baden (1655), Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet
in den wichtigsten Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird seit dem
späten 17. Jh. durch das Kabinett (Konferenz, Staatsrat) und im 19. Jh. durch
das Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und
Geheimräten, 1970; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen
Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen
Reich, hg. v. Paravicini, W. u. a., 2005
geheimer Vorbehalt
→Mentalreservation
geheime Staatspolizei →Gestapo
Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei,
1995
Geheimschrift ist die bereits früh entwickelte, der Abwehr der Kenntnis unbefugter
Dritter von einem Inhalt einer verkörperten Erklärung dienende Schrift.
Lit.:
Meister, A., die Anfänge der modernen diplomatischen Geheimschrift, 1902;
Dröscher, E., Die Methoden der Geheimschrift, 1921; Beutelspacher, A.,
Kryptologie, 1987, 7. A. 2005; Singh, S., Geheime Botschaften, 2002
Gehilfe (um 1000) ist der einem anderen Menschen helfende, eher nachgeordnete
Mensch.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet
sich schon im römischen Recht ([lat.] →noxae datio [F.]). Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen →Erfüllungsgehilfen des
rechtsgeschäftlichen Bereiches und →Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäftlichen
Bereiches unterschieden.
Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische
Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des
Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000
Geisel ist
der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die
Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines sonstigen Zieles)
haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen einer G. sind sehr
alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw.
die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im
Privatrecht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder
Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungsmittel
ersetzt. Im Völkerrecht schließt das Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer
von 1949 die Geiselnahme aus. Das gewaltsame Nehmen einer Geisel durch
Straftäter findet sich bis zur Gegenwart.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner,
A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906;
Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127;
Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen
Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Allen, J., Hostages and
Hostage-Taking in the Roman Empire, 2006
Geisteskranker (geisteskrank 1807, Geisteskrankheit 1846) ist der an einer
erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist als (lat.
[M.]) →furiosus im römischen Recht ohne weiteres geschäftsunfähig und
deliktsunfähig und erhält einen (lat.) curator (M., Pfleger). Auch das
mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im
Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht
aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch →Entmündigung unter
Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die
Entmündigung durch die →Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S.,
Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des
Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unterbringung,
1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998;
Dettling, A., Von Irren und Blödsinnigen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Griebl, L., Die
Behandlung von Verschwendern und Geisteskranken, 2010; Madness in Medieval
Lawand Custom, hg. v. Turner, W., 2010
Geisteswissenschaft ist die auf den Geist des Menschen im Gegensatz zur Natur
(Naturwissenschaft) bezogene Wissenschaft (z. B. Sprachwissenschaft, Religionswissenschaft,
Sozialwissenschaft).
Lit.: Eckel, J., Geist der Zeit, 2008
geistiges Eigentum
(seit Ende des 18. Jh.s in Naturrecht und Rechtsphilosophie vertretene
Auffassung des eigentumsgleichen Erfinderrechts, intellectual property, Johann
Gottlob Fichte 1793) →Urheberrecht
Lit.: Lamprecht, G., Versuch eines vollständigen Systems
der Staatslehre, 1784; Fichte, J., Sämtliche Werke, Bd. 8 19846, 223;
Klostermann, R., Das geistige Eigentum an Schriften, Kunstwerken und
Erfindungen, 1867ff.; Kohler, J., Das Autorrecht, 1880; Wadle, E., Das geistige
Eigentum in der Reichsverfassung, (in) Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989,
929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Löhnig, M., Der Schutz des
geistigen Eigentums von Autoren im preußischen Landrecht von 1794, ZNR 2007,
197ff.; Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L.
u. a., 2008; Ahrens, H. u. a., Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2011; Von
Goethe zu Google, hg. v. Götz von Olenhusen, I. u. a., 2011; Richardson,
M./Thomas, J., Fashioning Intellectual Property, 2012; Ahrens, H. u. a.,
Modellgesetz für geistiges Eigentum. Normtext und Begründung. 2012
geistlich (Adj.) den Geist betreffend, kirchlich
Geistliche Bank ist
die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines Verfassungsgremiums
(insbesondere des Reichstags des Heiligen römischen Reiches [deutscher
Nation]). 1521 enthält die Reichsmatrikel 50 geistliche Fürsten und 83
Reichsprälaten. 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2 Kuriatstimmen
der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen zuletzt etwa 40
Mitgliedern und Vorsitz Österreichs bzw. Salzburgs.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von
1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97
Geistliche Gerichtsbarkeit ist vor allem die Gerichtsbarkeit der christlichen Kirche. Sie geht auf
den Apostel Paulus (1. Kor. 5, 12-13, 6, 1-8, 2. Kor. 13, 10) und Kirchenväter
(z. B. Tertullian, Cyprian) zurück. In den ersten drei Jahrhunderten n. Chr.
entsteht die (lat. [F.]) episcopalis audientia (bischöfliche Anhörung). 318
verleiht Kaiser Konstantin den Bischöfen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Sachen
(auch über Nichtchristen) (CT 1, 27, 1). 323 stellt Kaiser Konstantin in einem
Reskript (Const. Sirmond. 1) das Urteil des Bischofs dem Urteil des Präfekten
gleich und sieht Vollstreckung durch weltliche Amtsträger vor. Gegen die
Entscheidung des Bischofs ist Berufung an die Provinzialsynode möglich. Vielleicht
seit dem 4./5. Jh. übernimmt der Bischof außer dem Schutz der Geistlichen auch
den Schutz der Armen, Witwen, Waisen und Fremden. Diese römischrechtlich
geprägte g. G. dauert unter Aufnahme einheimischer Gegebenheiten (z. B.
Reinigungseid, Gottesurteil) im Mittelalter fort. Hinzukommen grundherrliche
Gerichtsbarkeit und aus dem bischöflichen Visitationsrecht hervorgehende
Sendgerichtsbarkeit (Sendhandbuch Abt Reginos von Prüm um 906). Seit Papst
Innozenz II. (1130-1143) ist die Berufung an den Papst möglich, der unabhängig
von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe, die ihrerseits einen Teil ihrer Gerichtsbarkeit
an Archidiakone abgeben, wegen der Vielzahl der Fälle delegierte Richter (in
der Nähe der Parteien) einsetzt. In Frankreich im ausgehenden 12. Jh., im
Heiligen römischen Reich seit dem 13. Jh. wird der Offizial als Einzelrichter Stellvertreter
des Bischofs in der Gerichtsbarkeit. Die geistlichen Gerichte wenden das im
12. Jh. ausgebildete römisch-kanonische Verfahren (mit Schriftlichkeit) an,
beachten die Verhandlungsmaxime und sichern die Vollstreckbarkeit. Sie
entwickeln ein von Papst Clemens (1305-1314) festgeschriebenens, summarisches
und deswegen schnelleres Verfahren (Clem. 2. 1. 2), ein besonderes Verfahren in
Ehesachen und ein Schiedsgerichtsverfahren. Seit Papst Innozenz III.
(1198-1216) entwickelt sich ein Offizialmaxime und Instruktionsmaxime verbindendes
Inquisitionsverfahren, das seit dem 15. Jh. das Akkusationsverfahren
verdrängt. Papst Gregor IX. ordnet 1231 die Ketzerverfolgung durch Inquisitoren
(Dominikaner, Franziskaner) an, Papst Innozenz IV. lässt 1252 unter Berufung
auf die Rechtssetzung Kaiser Friedrichs II. die Folter durch weltliche
Amtsträger zu.
Lit.:
Jacobi, E., Der Prozess im Decretum Gratiani, ZRG KA 3 (1913), 223ff.; Trusen,
W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Hageneder, O., Die
geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Schwab, C., Das
Augsburger Offizialatsregister (1348-1352), 2001; Kéry, L., Gottesfurcht und
irdische Strafe, 2006; Nörr, K., Über die mittelalterliche Rota Romana, ZRG KA
93 (2007), 220ff.
Geistlicher (Kleriker) ist der Inhaber eines
höheren kirchlichen Amtes der anerkannten öffentlichrechtlichen
Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien
durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er
seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften
gewähren ihm besonderen Schutz.
Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und
die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geistlicher Fürst
ist der Landesherr (→Fürst) des Heiligen römischen Reiches , dem seine
Landesherrschaft auf Grund seines geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof
von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete
der (66) geistlichen Fürsten des Heiligen römischen Reichs rund 95000
Quadratkilometer mit mehr als drei Millionen Einwohnern.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in
Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003
Geistlicher Vorbehalt
(lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall eines Übertritts
eines Inhabers eines geistlichen Amtes (z. B. Fürstbischofs, Fürstabts) vom
katholischen Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger
Religionsfrieden (1555, § 18) durch einseitige, von den protestantischen
Reichsständen nur geduldete Anordnung des Kaisers festgelegte Vorbehalt
gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio (ius reformandi), dass
der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung behält,
aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen (weltlichen Herrschafts-)Rechte
aufgeben muss und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen
katholischen Nachfolger wählen kann. Damit werden auch die
Mehrheitsverhältnisse im Fürstenrat und im Kurfürstenrat des Reichstags zu
Gunsten der katholischen Mehrheit gefestigt und wird die Wahl eines
protestantischen Königs bzw. Kaisers eigentlich ausgeschlossen. 1648 wird eine
Garantie des Besitzstands vom 1. 1. 1624 vereinbart.
Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927;
Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfriede, 2004; Als Frieden möglich war,
hg. v. Hoffmann, C. u. a., 2005
Geistliches Recht
(lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im
Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile) stehende Recht. →Kirchenrecht
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geld (Wort in einfacherem Sinn
bereits germanisch belegt, Geldrente 1507) ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten
Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel.
Seine Zwecke (Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Recheneinheit), Stoffe
(Nichtmetall, Metall, Papier, elektrischer Strom) und seine Übertragungsformen
(Übereignung, Abtretung) ändern sich im Laufe der Geschichte. Die Geschichte der
Metallmünzen beginnt wohl bei den Lydern um 700 v. Chr. Im altrömischen Recht
ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus →lat. pecunia [F.]
G.). Dann wird Rohkupfer zuerst gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr.
nach kleinasiatischem Vorbild (7. Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste
Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen
von 330 g (lat. libra [F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen (187 v.
Chr. Silberdenar mit 10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar († 44 v. Chr.)
Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische
Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig,
Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in
karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben
aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des
Metalls noch entscheidend ist. Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes
Tauschmittel anerkannte und damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G.
die Umwandlung der Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Etwa seit dem 12.
Jh. reichen dabei die gewonnenen Edelmetallbestände (z. B. Silber in Freiberg,
Friesach, Iglau oder Kuttenberg) für den Geldverkehr breiterer Bevölkerungsschichten
aus (Venedig 1194 grosso mit 2,19 Gramm, Frankreich 1266 gros turnois, um 1300
Prager Groschen, 1242 Goldprägung in Genua und Florenz [fiorino, Gulden, seit
etwa 1340 auch im Rheinland], Venedig 1284 Dukaten bzw. Zechinen). Seit der
frühen Neuzeit, in der im 16. Jh. in Mitteleuropa der Silberbergbau
wiederbelebt wird (Schwaz, Schneeberg, Annaberg, Buchholz, Joachimstal, große
Silbermünze Taler) und große Silbermengen zwischen 1550 und 1650 aus Amerika
eingeführt werden, tritt nach vielen Münzkrisen vor allem als Folge zahlreicher
Kriege im 18. Jh. zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu (Österreich,
Frankreich, Preußen, England, gesetzliches Zahlungsmittel England 1833,
Frankreich 1870), seit der Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld (im Deutschen Bund
im Norden Taler, im Süden Gulden, im Deutschen Reich 1873 Goldwährung mit Mark)
und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete
unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch
gespeicherte Guthaben (Plastikgeld, Netzgeld). Im Juli 1944 einigen sich die
Vertreter von 44 Staaten in Bretton Woods auf eine neue Weltwährungsordnung
fester Wechselkurse, die bis 1959 im Wesentlichen umgesetzt wird, aber 1971
zusammenbricht. Im März 1979 verabschieden acht Staaten der europäischen
Gemeinschaften ein europäischen Waährungssystem, aus dem zum 1. 1. 1999 eine
europäische Währungsunion hervorgeht (Belgien, Deutschland, Finnland,
Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal,
Spanien, 2001 Griechenland, 2004 Slowenien), die zum 1. 1. 2002 Euro und Cent
in Münzen und Banknoten einführt. Für Münzen und Geldscheine gilt im
Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der
Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und
Gütermenge erwächst bzw. von daran Interessierten angestrebt wird.
Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97,
119; Köbler, WAS; Taeuber, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz,
G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus,
1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das
Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des
schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen
der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914,
1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19.
Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5
1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; La repubblica
internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a.,
1986; Spufford, P., Money, 1988, 2. A. 1989, 3. unv. A. 1993; North, M., Das
Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in
der antiken Welt, 2000, 2. A. 2009; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A.
2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze
Geschichte des Geldes, 1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H.
u. a., 2004; Geld im Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005; Steinbach,
S., Das Geld der Nonnen und Mönche, 2007; Gray, R., Money Matters, 2008; The
Monetary Systems of the Greeks and the Romans, hg. v. Harris, W., 2008; Brodbeck,
K., Die Herrschaft des Geldes, 2009, 2. A. 2011; Giesecke & Devrient -
Banknotendruck 1854-1943, 2009; Grabowski, H., Kleiner deutscher
Papiergeldkatalog von 1871 bis heute, 2010; Schnaas, D., Kleine
Kulturgeschichte des Geldes, 2010, 2. A. 2012; Gerber, J. u. a.,
Gedenkbanknoten der Welt 2011; Le Goff, J., Le Moyen Age et l’argent, 2010 bzw.
Geld im MIttelalter, 2011; Devrient, L. u. a. Giesecke & Devrient -
Banknotendruck 1955-2002, 2014
Geldbuße ist im 20. Jh. die für eine Ordnungswidrigkeit (§ 1 Ordnungswidrigkeitengesetz
von 1952) an den Staat zu entrichtende Geldleistung (Verwaltungssanktion für
rechtswidrige Handlungen mit geringerem Unrechtsgehalt ohne sozialethisches Unwerturteil
über die Tat und die Person des Täters). Die inhaltliche Abgrenzung zur
Geldstrafe ist schwierig.
Lit.:
Goldschmidt, J., Das Verwaltungsstrafrecht, 1902, Schmidt, E., Das neue
westdeutsche Wirtschaftsstrafrecht, 1950; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Geldern
Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten
van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche Wyssenissen van het Hoofdgerecht te
Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1953; Reichsarchiv der Provinz
Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B., 1957; Nikolay, W., Die Ausbildung
der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts,
1985; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008; ; Berkvens, A.,
Plakkaten, Ordonnanties en Circulaires voor Pruisisch Gelre 1713-1798, 2012
Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen
römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert
(lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten
Sache im →Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten,
den Beklagten auszulösen. Sie tritt im →Kognitionsverfahren zurück.
Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42
Geldschuld ist
die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als
Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer
häufiger.
Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der
Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner,
1994
Geldstrafe ist
die auf Geldleistung an den Staat lautende →Strafe, wird teilweise aber
auch als jede als Sanktion für ein Unrecht vom Täter an die öffentliche Gewalt
oder das Opfer (Privatstrafe) zu zahlende, nicht nur Schaden ausgleichende
Geldsumme verstanden. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist
sie bereits dem späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter
herrscht die davon zu unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des →Kompositionensystems
vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]→fredus) an die Allgemeinheit fällt,
doch wird z. B. in einem Neungeld, Achtgeld oder Gewette auch eine besondere
Einwirkung auf den Täter gesehen. Die hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen
peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt
zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die
Reichspolizeiordnung von 1530, Landesordnungen und Stadtrechte in vielen
Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei
Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische
Strafgesetzbuch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus,
sind aber noch durch die Freiheitsstrafe gekennzeichnet. Die Strafrechtsreformen
(21. 12. 1921/1. 1. 1922, 9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken vor
allem auch wegen der ungünstigen Auswirkungen kurzer Freiheitsstrafen (43
Prozent aller Verurteilungen) auf die Täter diese Entwicklung (um 1980 mehr als
80 Prozent aller Strafurteile). Dabei wird aus relativen Gleichheitsvorstellungen
nach skandinavischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen
(Einkünften) des Täters abhängig (sog. Tagessätze, 1975). Eine besondere Art
der G. ist die Vermögensstrafe (anteiliger oder vollständiger Einzug des
Vermögens des Täters, z. B. § 43a StGB zwischen 1992 und 2002).
Lit.: Köbler,
DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Neumaier, R., Die geschichtliche Entwicklung der Geldstrafe, Diss. jur.
Tübingen 1947; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten
Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Die Geldstrafe im deutschen und
ausländischen Recht, hg. v. Jescheck, H. u. a., 1978; Rüping, H./Jerouschek,
G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Stapenhorst, H., Die
Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu Freiheitsstrafe seit 1882, 1993;
Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Malolepszy, M.,
Geldstrafe und bedingte Freiheitsstrafe nach deutschem und polnischem Recht,
2007
Geldwäsche ist
der Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht
erkennbar rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar).
Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur
Geldwäsche, 1998
Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von →Geld als Zahlungsmittel
aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die
Naturalwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft
und Geldwirtschaft, 1930
Gelegenheit macht Diebe.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)
Gelehrter Richter
ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte
Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als →Offizial). Im
königlichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem
Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer
gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass (auch) der Richter als der
Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte (Urteiler,
Schöffen) bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die
Assessorstellen der Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften
Juristen besetzt.
Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten
Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Gelehrte
im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de savoir, 1997
Gelehrtes Recht
ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das
römische (weltliche) Recht und das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten
Recht steht das einheimische Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In
den Rechtsquellen der Neuzeit werden g. R. und einheimisches Recht in
vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft (→Reformation, →Kodifikation).
Lit.: Coing, H., Römisches Recht in
Deutschland, 1962; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland,
1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte,
1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974;
Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert,
FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts,
FS H. Thieme 1986, 43; Trusen, W., Gelehrtes Recht, 1997 Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines
Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt, lat. [M.] conductus).
Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein bedeutsames, Einkünfte und Gewalt
vermittelndes Recht, das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal,
Westfalen 1180). Im Einzelnen werden viele Arten von G. unterschieden. Im 19.
Jh. schwindet das G. (Reichsdeputationshauptschluss für Frankfurt, Deutscher
Zollverein 1833/1834, Schweiz 1848). Freies G. ist das Recht auf ungehinderte
Hinreise und Rückreise (z. B. im Rahmen eines Prozesses).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Kalisch, H.,
Über das Verhältnis des Geleitsregals zum Zollregal, Diss. jur. Berlin 1901; Fiesel,
L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1;
Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg,
Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1977; Müller, U.,
Das Geleit, 1991
Gelnhausen ist
der 1133 erstmals bezeugte Ort (der Reginbodonen, 1158 Erzbischof von Mainz,
1160 Kaiser Friedrich Barbarossa, 1170 Stadtrecht) im unteren Kinzigtal, in
dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog →Heinrich den Löwen
stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner
Herzogtümer →Sachsen und →Bayern verlustig erklärt wird, so dass
die Herzogtümer in →Länder aufgeteilt werden können. Die Reichsstadt G.
wird mehrfach verpfändet und verliert 1803 die Reichsunmittelbarkeit. →Konrad
von G.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Junghans, F., Versuch
einer Geschichte der freien Reichsstadt Gelnhausen, 1886; Güterbock, F., Die
Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Schmerbach, K.,
Der Oberhof Gelnhausen, Geschichtsbll. f. Gelnhausen 1966, 13ff.; Der
Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden
der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996; Zieg, M., Gelnhäuser
Regesten, 2008
Gelöbnis ist
die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. →Erbenlaub) oder verspricht.
Das G., dem im römischen Bereich die (lat.) sponsio (F.) entspricht, erscheint
bereits im Frühmittelalter (z. B. Urteilserfüllungsgelöbnis) und kann von
Gebärden begleitet sein. Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von
verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungsklage über die
Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur →Strafe an Leib
und Leben. In der Neuzeit wird das. G. durch die Bezeichnung Versprechen zurückgedrängt,
doch werden noch immer (feierliche) Gelöbnisse abgegeben.
Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910;
Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R.,
Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H.,
Treu und Glauben, 1974; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen
Vertragsbegriffs im 16. und 18. Jh., 1985
Geltung ist
die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch,
wenn eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er gilt rechtssoziologisch,
wenn er tatsächlich angewendet wird.
Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente
im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des
römischen Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819;
Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen
Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W.,
Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune
14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts
in den altösterreichischen Ländern, 1989
Gemara (F.)
→Mischna
Gemeinde ist
die einfache unmittelbare kommunale(, dem Staat eingegliederte) Gebietskörperschaft
mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal
überlassener örtlicher (eigener) Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener (staatlicher)
Aufgaben. Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen
Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser
Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im Mittelalter
findet sich die G. wohl zuerst in Italien (Mailand 11. Jh.). Im Heiligen
römischen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter
(12./13. Jh.). Sie hat eigene Organe. Befugnisse und Mittel (z. B. Allmende). In
der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende)
Maßnahmen des absoluten Staates (und der Grundherrschaft). Insbesondere unter
Napoleon werden in den von ihm beherrschten Gebieten (1797-1813) die Gemeinden
zu untersten Behörden des Staates. Im 19. Jh. erhält die G. (wieder) →Selbstverwaltung
(Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839,
Württemberg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834,
Braunschweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rheinprovinz
1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869
Gemeindeordnung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7.
1891 Landgemeindeordnung [, Österreich 4. 3. 1849 provisorisches
Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsgemeindegesetz], Neuregelung Art. 115-120
B-VG 12. 7. 1962). Vorübergehend beseitigen das Dritte Reich, in dem sich
anscheinend die Gemeinden den Zielen des Nationalsozialismus zumindest
teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art. 127, 17
II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt
bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Gierke, O., Das
deutsche Genossenschaftsrecht, 1868ff.; Bilinski, L. v., Die
Gemeindebesteuerung und deren Reform, 1878, Neudruck 2013; Ryffel, H., Die
schweizerischen Landsgemeinden, 1904; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der
sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J.,
Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9
(1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der
Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Heffter, H., Die
deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1969; Handbuch der bayerischen
Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Ogris, W.,
Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in)
Die Städte Mitteleuropas, hg. v. Rausch, W., 1983, 83; Blickle, P.,
Gemeindereformation, 1985; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im
Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die
Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H.,
Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt
des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG
GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991; Nolte,
P., Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850, 1994; Schachner-Blazizek,
A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde und Staat im alten
Europa, hg. v. Blickle, P., 1998; Information, Kommunikation und
Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A., 1998;
Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B., Nationalsozialistische
Kommunalpolitik, 2006; Die Gemeinde - FS Heiko Faber, hg. v. Frank, F. u. a.,
2007; Land, Dorf und Kirche - Gemeindebildung vom Mittelalter bis zur Neuzeit
in Nordwestdeutschland, hg. v. Vogtherr, T. u. a., 2009; Lutterbeck, K.,
Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer Praxis, 2011
Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die →Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im
römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine
ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder
municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis vermutlich
unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat)
und Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet
wird ([lat.] lex [F.] Iulia municipalis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen
Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst
im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung
erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu
Land unterscheidet.
Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die
oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1;
Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus,
W., Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.;
Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen,
hg. v. Knemeyer, F., 1994
Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft
der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des
deutschen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtes (z. B. Ganerbschaft).
Sie wird später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch
das Anerbenrecht andererseits verdrängt. Gemeinderschaftliche Vorstellungen
leben in der offenen Handelsgesellschaft und in der Kommanditgesellschaft bzw.
der Gesamthand fort.
Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der
Schweiz, 1897
Gemeindeverfassung ist die Verfassung der →Gemeinde.
Gemeindezeuge ist der als Nachbar oder Genosse über ihm bekannte
Verhältnisse in der Gemeinde aussagende Zeuge (Heinrich Brunner), dessen
Bedeutung seit dem Spätmittelalter schwindet.
Lit.:
Ruth, H. Zeugen und Eideshelfer, 1922; Kornblum. U., Das Beweisrecht des
Ingelheimer Oberhois. Diss. jur. Frankfurt 1960
Gemeiner Pfennig
ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen römischen Reich (im Rückstand gegenüber der weiter fortgeschrittenen
Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders Frankreichs) für vier Jahre
eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der
gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden
festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur teilweise an die
sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert (43254 Gulden statt 2
Millionen erwarteter Gulden). Ähnliche Versuche der Jahre 1512, 1542 (700000
Gulden) und 1544 400000 Gulden) scheitern gleichfalls weitgehend.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig
auf dem Reichstage von Worms, 1877; Lanzinner, M., Friedenssicherung, 1993; Schmidt,
P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989; Rauscher, P., Zwischen Ständen und
Gläubigern, 2004; Das Steuerregister des gemeinen Pfennigs für das Bistum
Worms, hg. v. Lohmann, E., 2005
Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen Privat-)Recht seit dem 17.
Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenübergestellte Privatrecht deutschrechtlicher
Herkunft (→deutsches Privatrecht). Mit der Schaffung des deutschen
Bürgerlichen Gesetbuchs (1896/1900) verliert es seine unmittelbare Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines
deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009
Gemeines Recht
ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon (in der
Philosophie des Aristoteles, 384-322 v. Chr. und) im römischen Recht (z. B.
Institutionen des Gaius [um 160 n. Chr.] 1, 1, Institutionen Justinians [534 n.
Chr.] 1, 2, 1) ist eine derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.)
commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines
räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt, wobei
meist dem besonderen Recht der Vorrang eingeräumt wird. Sie findet sich
vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als
g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und (mit
abnehmendem Gewicht das) kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines
Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privilegs)
bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen
Städte im Hochmittelalter den grundsätzlichen Vorrang des eigenen besonderen
Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht (römisch-kanonischem Recht). Dem
folgt § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen
ehrbaren und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer,
Herrschaften und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen
sie redlich, ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen
werden. Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat
im 17. Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechtes die Vermutung
der Anwendbarkeit für sich. Zusätzlich wird vor allem für bestimmte Sachgebiete
ein gemeines deutsches Privatrecht erarbeitet (z. B. Johann Stephan Pütter
1725-1809, Justus Friedrich Runde 1741-1807), dessen Anwendbarkeit im
Verhältnis zum gemeinen Recht im Einzelfall geklärt wird. Im 18. Jh. werden das
gemeine Recht und das gemeine deutsche Privatrecht durch die inhaltlich von ihnen
mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten
des →deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) endet für 16,5
Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg,
Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein u. s. w. (insgesamt in 93 verschiedenen
Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechtes in Deutschland. →Allgemeines
deutsches Recht, →common law
Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184;
Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Zur
Herkunft und Ausbreitung der Formel habere fundatam intentionem, FS Hermann
Krause 1975, 126ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Wesener,
G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den
altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der
Europäischen Gemeinschaft, hg. v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge
der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Nève, P.,
(Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
1997ff.; Watson, A., Legal history and a common law for Europe, 2001; Schröder,
J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor
Gericht, 2002; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003; Bellomo, M., Europäische
Rechtseinheit, 2005
Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des →Sachsenspiegels
(1221-1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des
sächsischen Weichbildrechts Magdeburgs [str.]) entwickelte, in Sachsen mehr
oder weniger allgemein anerkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die
Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig, Dohna, Halle und (1529) Wittenberg, die
juristischen Fakultäten in Leipzig, (1502) Wittenberg und Jena sowie die
verschiedenen Hofgerichte (Leipzig, Wittenberg, Jena) fördern. Die Gesetze
einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein,
entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort (z. B. Kursächsische
Konstitutionen). Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts betrifft das
Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die
sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach,
Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis
1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg,
Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder. Gegen
1700 wird das gemeine Sachsenrecht auch bescheidener Lehrgegenstand an den
Universitäten Sachsens. Die Rechtsakte Kursachsens werden 1724 von Johann
Christian Lünig in einer amtlichen Sammlung (Codex Augusteus, Teil 1)
veröffentlicht. Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/1865) und
dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des
gemeinen Sachsenrechts (zuerst in Sachsen und dann auch in Thüringen und Anhalt)
beendet.
Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen
Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3.
A. 1847; Heimbach, C., Lehrbuch des partikulären Privatrechts, 1848; Emminghaus,
G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von Lasaulx, H.,
Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51; Günther, G.,
Römisches Recht in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (Druck 2008).; Sachsen im
Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a., 2001; Kroeschell, K., recht
und unrecht der sassen, 2005; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H.
u. a. 2009
Gemeines Strafrecht
ist das auf der Grundlage der →Constitutio Criminalis Carolina (1532),
die den örtlichen Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will, gebildete
deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gemeinfreier ist
(seit dem späten 18. Jh.) der allgemeine →Freie der germanischen Zeit und
des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte
ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine
breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach
ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im
Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der →Grundherrschaft ab.
Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie,
ZRG GA 19 (1898), 76; Heck, P., Die Gemeinfeien der karolingischen Volksrechte,
1900; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6
(1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4. unv. A. 1981
Gemeingebrauch (um 1830) ist der aus mehreren Wurzeln (z. B. Allmende, römisches
Recht) erwachsene, grundsätzlich jedermann gebührenfrei offen stehende bestimmungsgemäße
Gebrauch einer der Allgemeinheit gehörenden oder gewidmeten Sache (z. B.
Fluss, Straße, Wald?). Gegensatz hierzu ist die gebührenpflichtige
Sondernutzung öffentlicher Sachen.
Lit.:
Ubbelohde, A., Die Interdikte zum Schutz des Gemeingebrauchs, 1893; Lewy, R.,
Zur Geschichte und heutigen Berechtiguing des Begriffs öffentliche Sachen im
Gemeingebrauch, Diss. jur. Greifswald 1910; Knapp, M., Gemeingebrauch und
Staatseigentum, 2003
Gemeinschaft (Wort 765, gemeinschaftlich 1691, gemeinschaftliches Testament 1766) ist die
durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im
Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch
mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) →communio
(F.) pro indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen
verfügen können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen
(rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit
möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit
dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz
widersprechende G. in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur
Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264;
Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und
beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gemeinschaftsrecht →Europäische Gemeinschaft
Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale
Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979
Gemeinwerk ist
die vielleicht aus der mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht
der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung
persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft und das daraus entstehende
Werk (z. B. Mauer, Deich, Straße, Brücke). Das G. ist vor allem im
mittelalterlichen Dorf bedeutsam. Seit dem 18. Jh. wird als Ergebnis der
Geldwirtschaft das G. weitgehend durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt.
Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im
preußischen Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk,
Diss. jur. Bern 1943; Bader,
K., Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, 1962.
Gemeinwohl (lat.
salus [F.] publica, bonum (N.) commune) ist das allgemeine Wohl einer
Gesellschaft. Das G. ist vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es
kann dabei zur Unterdrückung missbraucht werden. Im Liberalismus soll es sich
durch eigennütziges Handeln aller von selbst einstellen.
Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred
Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95
(1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft,
Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische
Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001; Gemeinsinn
und Gemeinwohl in der römischen Antike, hg. v. Jehne, M. u. a., 2013
Gemischtes Bezirksamt ist in Österreich von 1852 bis 1868 die staatliche, durch Zusammenlegung
von Bezirkshauptmannschaft und Bezirksgericht entstehende Verwaltungs- und
Gerichtsbehörde erster Instanz.
Genannter
Lit.: Schall, K., Die Genannten in
Nürnberg, 1971
Genealogie (F.)
Familienkunde
Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O.,
Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger,
(in) Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische
Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005, N. F. Bd. 26 2008;
Hlawitschka, E., Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser
und ihrer Gemahlinnen 1 (911-1137), 2007
Genehmigung (1747) ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten
eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich
im Verwaltungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung,
im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Generalauditeur ist im 17. Jh. nach spanisch-niederländischem (1587) und schwedischem
(1621) Vorbild im Heiligen römischen Reich der Leiter der Rechtspflege des Heeres
(1638/1651 Brandenburg, vor 1649 Reich). 1898 wird der G. durch die
Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.
Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen
Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349; Hülle, W., Das
Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeit der
schwedischen Krone, 1975
Generaldirektorium (Generaloberfinanzkriegs- und -domänendirektorium) ist die
aus einer zentralen Fachbehörde der Domänenverwaltung und aus dem
Generalkriegskommissariat erwachsene oberste Behörde in →Preußen im 18.
Jh. (1722/1723-1806/1807), die 1749 Österreich als Vorbild dient.
Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums
in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110; Neugebauer, W., Residenz, Verwaltung,
Repräsentation, 1999
Generalgouvernement ist die im frühen 19. Jh. und von 1939 bis 1945
verwendete Bezeichung für eine umfassende Verwaltungseinrichtung.
Lit.:
Napoleon, hg. v. Veltzke, V., 2007
Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche →Hypothek am
ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in
Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkundigkeit das
Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.
Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H.,
Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Generalklausel (1896?) ist der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die
konkrete Bestimmung im Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz (z.
B. §§ 138, 157, 242, 826 BGB, lat. generalis clausula, D. 4. 6. 26. 1 und 4. 6.
33 pr.). Die G. hat (wie Billigkeit oder Naturrecht) den Vorzug der Offenheit
für nichtvorhersehbare Umstände zu Gunsten inhaltlicher Gerechtigkeit für sich
und den Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem
Gesetzgeber die Flucht in die Generalklauseln vorgehalten.
Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die
Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989;
Nowak, C., Die praktische Bedeutung der Generalklauseln und unbestimmten
Rechtsbegriffe in den großen Kodifikationen der DDR, Diss. jur. Köln 1993; Die
Generalkluasel im europäischen Privatrecht, hg. v. Baldus, C. u. a., 2006
Generalkriegskommissar (z. B. Brandenburg-Preußen 1609-1722)
Generalpfand ist das im römischen Recht mögliche Pfand am gesamten gegenwärtigen
Vermögen eines Pfandschuldners. →Generalhypothek
Generalprävention ist der →Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung
gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbekannter Dritter gerichtet ist
(Feuerbach 1813).
Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft
(z. B. DDR).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Generalstände (M.Pl.) allgemeine →Stände, états généraux
Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302-1798),
1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992
Genf am
Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird unter den 121 v. Chr. den Kelten
folgenden Römern um 400 Sitz eines Bischofs und gelangt 1033 mit Burgund an das
deutsche Reich. Seit 1536 wirkt in G. Calvin reformatorisch. 1559 erhält es
eine Akademie für Theologie und humanistische Fächer. 1815 wird G. Mitglied der
Eidgenossenschaft der →Schweiz. Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und
Prozessrecht (1819) gesetzlich geregelt (→Bellot). 1873 erlangt G. durch
Aufnahme der Medizin eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Cramer, J., Précis de
l’histoire du droit genevois, 1761; Borgeaud, C. u. a., Histoire de l’Université,
Bd. 1ff. 1900ff.; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du canton du Genève,
Bd. 1f. 1927ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,450, 3,2,1866;
Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 1974, 3. A. 1986
Genfer Konvention
ist die (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche
Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Genosse →Genossenschaft
Genossenschaft ist die Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren
Mitgliedern (Genossen, Mitnutzern) angestrebten Zwecke, insbesondere der
Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs.
Sie ist im Gegensatz zur Herrschaft durch Gleichheit gekennzeichnet. Ihre
ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausgehende gemeinsame
Nutzung von Land. Bedeutsam ist die möglicherweise noch ins Frühmittelalter zurückreichende
→Markgenossenschaft. Besondere Erwähnung verdient auch die durch
eidlich bestärkte Vereinbarung entstehende →Eidgenossenschaft. Eine
stärkere Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare)
Stadtgemeinde. Genossenschaftlich organisiert sind im Hochmittelalter
auch →Gemeinderschaft, →Zunft, Bruderschaft, →Universität,
bergrechtliche →Gewerkschaft, Waldgenossenschaft und Deichgenossenschaft.
In der frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten Rechte die G.
zugunsten der römischrechtlichen (lat. [F.]) →societas bzw. (lat. [F.]) →universitas
zurück. Die G. neigt zur Verselbständigung und zur Ersetzung der Einstimmigkeit
durch die Mehrheit. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die →juristische
Person eine Fiktion sei, wird von Georg von →Beseler (1809-1888, 1843) und
Otto von →Gierke (1841-1821) (Theorie der realen Verbandspersönlichkeit
1868ff.) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird 1867/1868, in
Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G. (Gesellschaft mit offener
Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschaftsregister juristische
Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffeisengenossenschaft,
Wohnungsbaugenossenschaft).
Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207,
218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff.
1868ff.; Gierke, O. v. Die Genossenschaftstheorie, 1887; Solmi, A., Le
associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der mittelalterlichen
Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann, K., Die Mark- und
Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K., Das
mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genossenschaften in
der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der
Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften,
1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetzgebung vor
100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur
Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie,
Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und
Recht, 1985; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
1986; Schubert, W., Zur Entstehung der Genossenschaftsgesetze Preußens und des
Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre
Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für Genossenschaftswesen u. a., 1989;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss
für Genossenschaftsrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P.,
Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein,
1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der
landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999;
Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die
Reformbestrebungen zum Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes,
2002; Schneider, R., Altrechtliche Personenzusammenschlüsse, 2003; Janssen,
A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA
122 (2005), 352; Schlütz, F., Ländlicher Kredit, 2013
Genossenschaftsgesetz →Genossenschaft
Genozid (N.,
M.,) →Völkermord
Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der
Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004;
Barth, B., Genozid, 2006; Kallis, A., Genocide and Fascism, 2009; The Genocide
Convention, hg. v. Wilt, H. van der u. a., 2012
gens (lat. {[F.])
Sippenverband, Volk
Gent an der
Leie (kelt. ganda Zusammenfluss, 7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint
im 10. Jh. als Handelsort. Nach Paris ist es zweitgrößte Stadt nördlich der
Alpen. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige Rechte. Über Flandern, Burgund
(1384) gelangt G. an Habsburg (1477)/Spanien (M. 16. Jh.s) (1568
Freiheitskampf der Niederlande). Von den Niederlanden löst sich 1830 Belgien
(mit G.). 1879 wird G. Sitz einer Universität.
Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters
Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische
studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H.
van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te
Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960;
Verhulst, A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108;
Gent, red. Decavele, J., 1989
Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen
bezogene, in Deutschland seit 20. 6.
1990 gesetzlich geregelte Technologie.
Lit.: Salem, S., Die öffentliche Wahrnehmung der Gentechnik in der
Bundesrepublik Deutschland seit den 60er Jahren, 2013
Gentile ist
der Angehörige eines Sippenverbands (lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er
ist nachrangig Erbe.
Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21
Gentili,
Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli.
Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford
(1587 Professor für civil law) und veröffentlicht vor allem bedeutende
völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli commentationes [F.Pl.]
tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt
tätig.
Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v.
Bull, H. u. a., 1990, 133
gentry (engl.)
Landadel (seit 15. bzw. 16. Jh.)
Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986
Genua am
südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten,
Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine
eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem
Königreich Sardinien-Piemont (1861 Italien) vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M., Contratti
commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik der
Erinnerung, 2003
genus (lat. [N.]) Geschlecht,
Gattung
Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird nicht angenommen, dass sie
untergeht. →Gattungsschuld
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Genuss
Lit.: Menninger, A., Genuss im
kulturellen Wandel, 2. A. 2008
Gény,
François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon (1892) nach Nancy
(1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht) und verfasst
bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts (Méthode
d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique
en droit privé positif, 1913ff.).
Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François
Geny, 1963
geometricus →mos
geometricus
Georgenberger Handfeste
ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf
dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich)
abgeschlossenen Erbvertrag zwischen dem kinderlosen, kranken Herzog Otakar IV.
von →Steiermark und Herzog Leopold V. von →Österreich, auf Grund
dessen mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.
Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die
Georgenberger Handfeste, 1986
Gerade ist
vielleicht schon im germanischen Recht die Ausstattung der Braut für die
Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802, 35] und
mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500, 86]). Im
Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungsgebiet des Sachsenspiegels (Ssp
LdR I 5, 24, 27, 28, III 38) Schmuck, Kleider, Gefäße und Hausrat (Bett,
Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod des Hausvaters
fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau, beim Tod der Frau
(vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete weibliche (nächste)
Verwandte (oder einen Geistlichen). Seit dem Spätmittelalter (Lübeck 1275)
tritt die G. zurück (Beaunschweig-Lüneburg 1618, Sachsen 1814). Letzte Spuren
finden sich noch im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863/1865) und des
Deutschen Reiches (1896/1900, Hausrat).
Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil,
P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Heukamp, B., Die Gerade,
1912; Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Frommhold, E., Das Recht der
Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss.
jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, (in) Aus dem
Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114
(1997), 182; Gottschalk, K., Eigentum, 2003
Gerber,
Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891),
Gymnasialdirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Mittermaier,
Vangerov, Puchta, Hänel, Albrecht), der Promtion in Heidelberg (2. 2. 1843),
einer praktischen Tätigkeit in Sondershausen und der Habilitation in Jena
(1844) 1846 außerordentlicher Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor
in Erlangen, 1851 Tübingen, 1862 Jena und 1863 Leipzig. 1871 wird er
Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine von Puchta beeinflusste Untersuchung
über das wissenschaftliche Prinzip des →gemeinen deutschen Privatrechts
vor, in der er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von
Rechtsgedanken (Geist des deutschen Rechtes) auf der Grundlage des freien
Willens versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches romanistisch
beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9, 17. A. 1898),
in dem er den Geist des deutschen Rechtes in konkrete juristische Sätze fasst.
1852 lässt er die auf den Willensäußerungen der Einzelnen als Glieder der
Volksverbindung beruhende Untersuchung über öffentliche Rechte folgen, die
1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier
Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates,
[Formen der] Willensäußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den →Staat
als →juristische Person verstehen und in Ersetzung der
staatswissenschaftlichen Betrachtung durch konsequent juristisches Denken die
moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen (3. A. 1880).
Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im
deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Pöggeler, W., Einleitung zu Gerber,
C., Das wissenschaftliche Pinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, Neudruck
1998; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert,
2001; Briefe deutscher und Schweizer Germanisten an Karl Josef Anton
Mittermaier, hg. v. Jeowik, L., 2001; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich von
Gerber (1823-1891), 2003; Bürger, J., Carl Friedrich Wilhelm von Gerber als
sächsischer Kultusminister, 2007; Kremer, C., Die Willensmacht des Staates -
Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl Friedrich von Gerber, 2008
Gerechter Krieg
(lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen
Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr., De re
publica 3, 23) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den gerechten
Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus 354-430)
Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch die
rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um
1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund und
die rechte Einstellung (Summa Theologiae 2, 2, q. 40 a. 1). Fehde und Krieg
lassen sich allerdings kaum trennen. Bei Bartolus (Tractatus represaliarum,
1354) steht das Recht der Kriegführung auch selbständigen Fürsten und
Stadtstaaten zu. Francisco de Vitoria († 1546) begründet mit Hinweis auf den in
einem unüberwindlichen Irrtum Befangenen die Lehre vom beiderseits gerechten
Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber
dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide
aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung
von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht
die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt
nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten
Krieg (Satzung des Völkerbunds, Briand-Kellogg-Pakt 1928, Satzung der Vereinten
Nationen), so dass der Angriffskrieg verboten wird.
Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15;
Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War,
1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Stumpf, C., Vom
heiligen Krieg zum gerechten Krieg, ZRG KA 118 (2001), 1; Loreto, L., Il bellum
iustum e i suoi eqivoci, 2001; Guerra giusta?, hg. v. Calore, A., 2003; From
Just War to Modern Peace Ethics, hg. v. Justenhoven, H. u. a., 2012
gerechter Preis →Preis,
(lat.) iustum pretium (N.)
Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles
(384-322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia [F.]
commutativa) zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia [F.]
distributiva) zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt
die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch
zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem das
Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich
zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit
Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G.
vollkommen zu verwirklichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal
angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird. Wie vieles
andere Unsichtbare versucht der Mensch auch, die G. in Bildern
(Gerechtigkeitsbildern) hilfsweise sichtbar zu machen.
Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der
Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische
Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231;
Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel,
O., Die Justitia, 1984, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit,
1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und
Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a.,
1988; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Schild, W.,
Bilder von Recht und Gerechtigkeit, 1995; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung
des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg.
v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A.,
2002; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht,
Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung,
2003; Duvanel, L., La justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet
unser Rechtssystem auf Gerechtigkeit?, 2005; Petersen, J., Nietzsches
Genialität der Gerechtigkeit, 2008; Schlotmann, K., Recht und Gerechtigkeit im
Werk Heinrich Bölls, 2008; Rüthers, B., Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3.
A. 2009; Sutter, C., Flämische Gerechtigkeitsbilder, 2009; Sen, A., Die Idee
der Gerechtigkeit, 2010; Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des
späteren Mittelalters, hg. v. Schulte, P. u. a., 2012; Justice in Warteime and
Revolutions. Europe 1795-1950, hg. v. De Koster, M. u. a., 2012
Gerhabe ist
an manchen Orten eine mittelalterliche Bezeichnung für den →Vormund.
Lit.:
Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlichten Urkunden des Allgäus, ZRG GA
51 (1931), 512
Gericht ist
die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch
Rechtsanwendung auf die Wirklichkeit ausüben soll. Das altrömische Recht
unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem
Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor
dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber
entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz
(lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder Auslosung
seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche
öffentliche Amtsträger des →Kognitionsverfahrens, der untersucht und
entscheidet. Bei den Germanen finden demgegenüber die Entscheidungen in
Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen
geleiteten →Volksversammlung unter freiem Himmel statt, wobei ein
Entscheidungsvorschlag aus dem →Umstand vorgebracht wird. Im
Frühmittelalter leitet zunächst der König oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.])
→thunginus (Dingmann) die Versammlung auf dem →Malberg, und →Rachinburgen
schlagen ein Urteil vor. Später verdrängt der →Graf den thunginus.
Zwischen 770 und 780 ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch →Schöffen
als Urteiler. Im geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des
fränkischen Reiches entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw.
Archidiakon bzw. Archipresbyter und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12.
Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte →Offizial des
Bischofs als ständiger, ordentlicher (berufsmäßiger) Einzelrichter, der
selbst entscheidet, erscheint. Noch im Reichskammergericht (1495) ist der
Richter grundsätzlich nur Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer
(Assessoren) nur adlig und (zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen
Neuzeit wird das mehr und mehr in festen Gebäuden tagende, bei anderen
Einrichtungen (z. B. rechtswissenschaftlichen Fakultäten) unter Aktenversendung
Rat erbitten könnende G. aber zu Lasten der Laien zunehmend mit rechtsgelehrten
Berufsjuristen besetzt und entscheidet (auch) der Richter (zumindest mit). Demgegenüber
belebt der Liberalismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder (→Schwurgericht).
Zugleich ordnet er die Gerichte durch Gesetz (Gerichtsverfassungsgesetz,
Gerichtsorganisationsgesetz) und verdrängt die nichtstaatliche Streitentscheidung.
In der Gegenwart ist in Deutschland die →Gerichtsbarkeit in
unterschiedliche Zweige von Gerichten (ordentliches Gericht, Arbeitsgericht,
Finanzgericht, Sozialgericht, Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht)
gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht,
Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004],
Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vielen Rechtsstreitigkeiten
werden durch Berufsrichter entschieden. Neben der Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten übernimmt das G. bereits im Mittelalter auch Verwaltungsaufgaben
(Registergericht, freiwillige Gerichtsbarkeit).
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler,
WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in
Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste
Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die
lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter
und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313;
Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C.,
Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck deutscher
Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher
Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W., Land- und
Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für Walter
Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und
Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und
Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der
Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G.,
Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München);
Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G.
Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung
1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation
des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen
Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U.,
Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English
Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R.
van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab,
M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20.
Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R.,
Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M.,
Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994;
Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993;
Justizgebäude in Sachsen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung, 1997; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und
Gericht, 2001; Lenzing, A., Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland,
2005; Höchstgerichte in Europa, hg. v. Auer, L. u. a., 2007; Gerichtskultur im
Ostseeraum, hg. v. Knothe, H. u. a., 2007; Deutsche Justizinstitutionen in
Geschichtswerken und Festschriften, hg. v. Vormbaum, T., 2007 (Bibliographie);
Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Loroch, S.,
Zeitungsrubrik Gerichtssaal, 2009; Waldstätten, A., Staatliche Gerichte in
Wien seit Maria Theresia, 2012; Oestmann, P., Geistliche und weltliche Gerichte
im Alten Reich, 2012; Gerichtsstätten in Hessen, bearb. v. Eckhardt, W., 2012 http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/gsr;
European Supreme Courts, hg. v. Van Rhee, R., 2013; Diestelkamp, B., Vom
einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013
Gerichtliche Medizin (oder
Gerichtsmedizin) ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin.
Im Mittelalter werden allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor
Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in
Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die
Bedeutung verständiger Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren
allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung
an den Universitäten. Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804,
Prag 1807), ein eigenes Fach 1835. 1901 wird im Deutschen Reich g. M. für
einige Zeit Pflichtfach des Studiums.
Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer,
1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976
Gerichtsakte ist
die (unter Einschränkung der Mündlichkeit) seit dem 14. Jh. einsetzende) →Akte
eines Gerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung
gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). →Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über
Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O.,
Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909;
Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die
hohe Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der
Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965;
Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich,
1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in
Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und
Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K.,
Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1
1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund
1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G.,
Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen
Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der
Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa
der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H.,
Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en
France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998;
Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002;
Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der
Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v.
Arlinghaus, F., 2006; Murauer, R., Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger
Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert, 2009; Die Höchstgerichtsbarkeit im
Zeitalter Karls V., hg. v. Czeguhn, I. u. a., 2011
Gerichtsbote ist in Mittelalter und Frühneuzeit der Entscheidungen (z. B. Ladungen) des
Gerichts übermittelnde Gerichtsbedienstete (z. B. Fronbote, Büttel, Waibel).
Lit.:
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953
Gerichtsbuch ist
das bei einem →Gericht (vielleicht seit dem 13. Jh.) geführte Buch über
gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B.
Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte).
Gerichtsbücher sind (mit unterschiedlichen Bezeichnungen) beispielsweise
überliefert aus den Städten Worms, Bamberg, Bingen, Stralsund, Luckau und aus
vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim, Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor
allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und Brandenburg).
Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle,
1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664;
Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und
Franken, FS H. Liermann, 1964, 264; Das Kulmer Gerichtsbuch (1330-1430), hg. v.
Lückerath, C. u. a., 1999
Gerichtsgebäude ist das (seit etwa 1730 [Kammergericht] bzw. 1830 [Köln vor 1834]) der
räumlichen Unterbringung (nur) des Gerichts dienende Gebäude.
Lit.:
Klemmer, K., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in Sachsen, hg. v.
sächs. Staatsministeium der Justiz, 1995; Kähne, V., Stätten der Justiz in
Berlin, 2007; Der Wiener Justizpalast, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 2007;
Müller, S., Das Reichsgericht in Leipzig, 2008
Gerichtsgebrauch ist (seit dem 16./17. Jh.) die an einem oder mehreren
Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische
Recht, 1970; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichshofrat, 1973; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie und Lehre der praktischen Jurisprudenz, 1979
Gerichtsgefälle sind die an ein →Gericht zu erbringenden vermögenswerten
Leistungen (Gefälle, Wort vereinzelt seit 13. Jh.). Sie dienen der
Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten Menschen. Zu ihnen gehört z.
B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen Geldleistungen für einzelne
Gerichtshandlungen, wie beispielsweise auch für die Tätigkeit des →Gerichtsschreibers.
Hieraus entwickeln sich bis zum Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere
Ordnungen für im voraus zu erhebende →Gebühren (Kosten), die der im
Verfahren Unterliegende zu erstatten hat. Später finden die G. über den
allgemeinen Staatshaushalt Verwendung zur Besoldung des Gerichtspersonals mit
festen Gehältern.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 75ff.; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968
Gerichtsherr ist der Herr des Gerichts, der Herrschaft über das Gericht hat (z. B.
König, Landesherr, Stadt, Grundherr).
Gerichtshof ist
das mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht
gehalten wird. Seit 2009 bezeichnet sich der 1951 geschaffene Europäische
Gerichtshof als G., während das Gesamtsystem der Gerichtsbarkeit der
Europäischen Union G. der Europäischen Union genannt wird.
Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die
britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158; Constitutionalising the EU
Judicial System, hg. v. Cardonnel, P. u. a., 2012
Gerichtslaube ist der als Laube gestaltete Ort der Abhaltung eines Gerichts. Bereits
809 sieht ein Kapitular Kaiser Karls des Großen Dächer für
Gerichtsversammlungen als Schutz gegen schlechtes Wetter vor. Seit dem 13. Jh.
tagt in Städten das Gericht (auch) in nach drei Seiten offenen steineren Lauben
an Rathäusern (z. B. Freiburg im Breisgau 1280).
Lit.:
Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Klemmer, K. u. a., Deutsche
Gerichtsgebäude, 1993
Gerichtsmagistrat ist in Rom der für die Gerichtsbarkeit und damit für die Einsetzung von
entscheidenden Gerichten zuständige Magistrat (Prätor, kurulischer Ädil,
Statthalter u. a.).
Gerichtsmedizin (oder gerichtliche Medizin)ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische
Betrachtung (z. B. Leichenschau, Lehrstuhl Heidelberg 1766, seit 1835 als Fach
eingerichtet, Institut Berlin 1887, 1968 Rechtsmedizin).
Lit.: Handbuch der gerichtlichen Medizin, hg. v. Maschka,
J., 1881; Geschichte der gerichtlichen Medizin, hg. v. Mallach, H., 1996; Lorenz,
M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F., Gerichtsmedizin
unterm Hakenkreuz, 2002; 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für gerichtliche
Medizin, hg. v. Madea, B., 2004
Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein →Gericht unmittelbar
geltenden Rechtssätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten
Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll
(lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die →Prozessordnung.
Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903;
Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im
Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und
Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen
1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause
1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen
Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine
Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im
Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9
Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen →Gerichten
zur Aufzeichnung von Rechtshandlungen bestellte besondere →Schreiber.
Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der
ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die
Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt
und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom
Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993
Gerichtsstab →Richterstab
Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den
österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971
Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit eines Gerichts.
Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene Klage zulässig
ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die
Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die
historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Quick, E., Forum contractus. Eine
Untersuchung zur Gerichtsstandslehre im usus modernus, 2011
Gerichtsstätte ist die Stätte, an der Gericht stattfindet. Sie befindet
sich anfangs unter freiem Himmel (bei den Franken auf dem Malberg, [lat.]
mallobergus). 809 empfiehlt Karl der Große Lauben. Seit dem 13. Jh. erscheinen in
den Städten steinerene Gerichtslauben und danach Gerichtshäuser (z. B. Justizpaläste
im 19. Jh.).
Lit.: Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege, 1938; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940;
Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss. jur.
Erlangen 1944; Klemmer, K. u. a., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Dolch, M.,
Öffentliche Gerichtsstätten in mittelrheinischern Urkunden des Hoch- und
Spätmittelalters (in) Archiv für hess. Gesch. N. F. 68 (2010), 1 (360 Angaben)
Gerichtsverfahren ist das vor und von →Gerichten durchgeführte
Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und
Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren
unterschieden. Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der →Selbsthilfe
des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die
gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den
germanischen Anfängen das G. gegenüber der →Selbsthilfe (→Fehde)
selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage
des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der
Leitung des →Richters versammelten →Schöffen den Streit durch ein
meist zweizüngiges →Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch
Eid), so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch.
Eine Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im
Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im
Strafverfahren gewinnt die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren
wandelt sich unter oberitalienisch-kanonistischem Einfluss (Schriftlichkeit).
Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert
sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine
Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen Rechtes. Im 19. Jh. beeinflusst
das freiere Verfahren der französischen Gesetze Zivilprozess und Strafprozess
in den deutschen Staaten.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 1861,
3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd.
1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der
Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen
Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das
landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert,
ZRG GA 83 (1966), 145; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit,
1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser
Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Caenegem, R. van, History
of European Civil Procedure, 1973; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im
gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel
ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985
Gerichtsverfassung ist die grundsätzliche organisatorische Gestaltung der
Rechtspflege im Sinne einer allgemeinen Verfasstheit. Sie ist anfangs ziemlich
einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter mit dem Übergang
wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die Landesherren zu großer
Vielfalt. 1877/1879 wird im Deutschen Reich die partikuläre G. durch das
Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht (im Bereich der ordentlichen
Gerichtsbarkeit Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht,
in Österreich Jurisdiktionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten
(bzw. Kreisgerichten), Oberlandesgerichten und Oberstem Gerichtshof [in
Wien]). Veränderungen seit 1933 werden 1945 wieder beseitigt (Gesetz Nr. 4 des
Alliierten Kontrollrats vom 30. 10. 1945). 1950 folgt dem untergegangenen Reichsgericht
der Bundesgerichtshof. Neben den ordentlichen Gerichten stehen
Verfassungsgerichte, Verwaltungsgerichte, Arbeitsgerichte, Sozialgerichte und
Finanzgerichte. Die Sonderentwicklungen in der sowjetischen Besatzungszone
bzw. der Deutschen Demokratischen Republik (1949, Gesetz über die gesellschaftlichen
Gerichte vom 11. 6. 1968, Gesetz vom 27. 9. 1974) werden 1990 rückgängig
gemacht. Beeinflusst wird die nationale G. seit 1951/1952 auch zunehmend durch
europäische Gerichte. →Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183,
200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark
Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E.,
Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung
von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs
Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung
Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur.
Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, Archiv
f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des
Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands
2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig,
1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A.,
Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts
im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in
Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877),
1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher
Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997;
Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998;
Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing,
Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in
Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
Gerichtsverfassungsgesetz →Gerichtsverfassung
Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und
Vollstreckungen zu betrauende Beamte (schon 1793/195 AGO Preußens Exekutoren).
Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel, Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen.
Vorbild des Gerichtsvollziehers ist der huissier des Code de procédure civile
Frankreichs von 1806 (in Kraft 1807), der in Berg 1813 und in den
Generalgouvernements Mittelrhein und Niederrhein 1814 in G. umbenannt wird (Baden
1851). 1877/1879 werden die territorial unterschiedlichen Gestaltungen grundsätzlich,
1964 entsprechend der früheren preußischen Regelung stärker vereinheitlicht.
Lit.: Köbler, DRG 202; Schneider, E., Die rechtliche
Stellung des Gerichtsvollziehers 1910; Schneider, J., Das
Gerichtsvollzieherwesen in den deutschen Ländern, 1934; Ziegler, H., Die
Stellung des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach dem Entwurf
einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Deutsch, A., 200 Jahre modernes
Gerichtsvollzieherwesen, DGVZ 2007, 1
Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des →Gerichts (Richter und
Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im
Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und
kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer
Gerichtsurkunde enthalten sein. Mit zunehmender Verschriftlichung des menschlichen
Lebens einschließlich des Rechtes verliert das G. an Bedeutung. Nach § 291 ZPO
bedürfen gerichtsbekannte Tatsachen keines Beweises.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat,
1973; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986
Germane ist
der Angehörige der Völker, die sich von den Indogermanen abgespaltet haben und
die besondere gemeinsame Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden
vielleicht (in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. oder) in der Mitte des 1. Jt.s
v. Chr. in Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in
mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im
Einzelnen str.) und viele (bei Ptolemäus 68) kleinere, seit 325 v. Chr. im
griechisch-römischen Schrifttum genannte Völker gliedern(, für die sich 54
Fälle von Bündnissen oder Feindschaften ermitteln lassen). Sie siedeln meist in
Dörfern mit bis zu 20 Höfen mit bis zu 30 Metern langen Wohnstallhäusern. Ihr
nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller
Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen einzelne Gruppen nach
Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den
Römern geschlagen). Auf etwa 235 n. Chr. ist ein 2008 entdeckter
römisch-germanischer Kampfplatz bei Northeim am Westrand des Harzes zu
datieren. Im 4. Jh. überwinden sdie Germanen den ab 84 n. Chr. von den Römern
gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] →limes) und brechen unter dem
Druck der Hunnen ab 375 in der →Völkerwanderung in das weströmische
Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer →Odowakar den weströmischen Kaiser
Romulus Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt
verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stämme (Franken,
Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen
über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar,
Tacitus) und archäologischen Funden.
Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die
Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of
landholding among the Germans, 1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen,
1905; Grönbech, W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1909ff. 1937ff.,
13. A. 2002; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v.
Hoops, J., 1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 22358 Seiten, 5124 Artikel,
3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche
Ergänzungsbände); Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915;
Mayer, E., Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der
Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als
Quellen für die altgermanische Verfassung, Historische Vierteljahrsschrift 24
(1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der
germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA
51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der
deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A. 1934; Höfler, O., Kultische
Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P., Retsbrudet, 1934; Wührer, K.,
Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, 1935; Eckhardt,
K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A.
1937; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H., 1938; Schulz, W.,
Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen des Führertums in
der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L., Geschichte der
deutschen Stämme. Die Westgermanen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi und die
Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der Geermanen in die
Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939;
Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die
Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2.
A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940;
Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71
(1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg.
v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der
Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Steuer, H.,
Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in Mitteleuropa, 1982; Germanenprobleme
aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und
Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches
Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996;
Wolfram, H., Die Germanen, 1995, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild
der Germanen und Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die
Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause,
A., Die Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio
germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002;
Bemmann, K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der
Germanen, 2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius
und die Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter
und Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania
Gothica, 2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle); Busch,
J., Das Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Fruscione, D., Zur
Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1; Rothenhöfer,
P., Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I.,
Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H.
u. a., 2006; Timpe, D., Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik
und frühen Kaiserzeit, 2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006;
Ausbüttel, F., Germanische Herrscher, 2007; Wells, P., Die Germanen sprechen
2007; Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann, B., Die
Germanen, 2009; Tausend, K., Im Inneren Germaniens, 2009; Mohr, A., Eheleute,
Männerbünde, Kulttransvestiten, 2009; Ausbüttel, F., Die Germanen, 2009; Euler,
W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen, 2009; Kleineberg, A.,
Germania und die Insel Thule, 4. A. 2010, 2. unv. A. 2011 (!); Timpe, D., Die
Varusschlacht HZ 294 (2012). 593
Germania (bzw.
De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des
römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul)
über die Germanen und das von ihnen bewohnte Gebiet (lat.) G. (zwischen Rhein,
Donau, Weichsel und Ostsee), wobei die Römer zwischen ihren Provinzen (lat.) Germania
superior und Germania inferior bzw. Germania I und Germania II sowie der
nichtrömischen Germania im Nordosten trennen und der Name G. bezeugt ist bei
Caesar, Cicero, Velleius Paterculus, Plinius maior, Pomponius Mela, Frontin,
Tacitus, Plinius minor, Sueton, Ptolemaeus, Junianus Justinus, Ammianus
Marcellinus, Historia Augusta u. s. w. sowie in den Digesten. Die G. schildert
das Naturvolk der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom
nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die
germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung.
Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien
gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift
des 9. oder 10. Jh.s.
Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer
Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania,
1920, 6. A.. 1974; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in der
Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Die Germania des Tacitus, hg. v.
Much, R. u. a., 1937, 3. A. 1967; Melander, K., Tacitus Germania als Quelle der
deutschen Frühgeschichte, 1940; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie,
1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v.
Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Gall, L., Die Germania als Symbol nationaler
Identität, 1993; Altes Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995; Germania, hg.
v. Fuhrmann, M., 2000; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Däumer,
J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Krebs, C., Negotiatio Germaniae,
2005; Riemer, U., Die römische Germanienpolitik, 2006; Römische Präsenz und
Herrschaft in Germanien, hg. v. Lehmann, G u. a., 2007; Schulz, M., Caesar zu
Pferde, 2008; Roms vergessener Feldzug, hg. v. Pöppelmann, H. u. a., 2013
Germanische Sprache ist die aus späterer Überlieferung germanischer bzw. germanistischer
Sprachen (Gotisch, Burgundisch, Wandalisch, Altnordisch, Altenglisch, Altfriesisch,
Altniederfränkisch, Altsächsisch, Althochdeutsch, Langobardisch bzw. Mittelenglisch,
Mittelniederdeutsch, Mittelmitteldeutsch, Mittelhochdeutsch bzw. Schwedisch,
Dänisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch, Englisch, Deutsch, Niederländisch,
Friesisch, Afrikaans, Jiddisch und Amerikanisch) rückerschlossene gemeinsame
Sprache der germanischen Völker (oder Germanen). Sie ist wie Altindisch,
Altiranisch, Griechisch, Lateinisch, Keltisch oder Slawisch eine aus dem
Indogermanischen entstandene Sprache. Besondere Kennzeichen sind Festlegung
des ursprünglich freien Akzents auf die Stammsilbe und dadurch bedingte
Kürzung der Endsilben, erste (germanische) Lautverschiebung, grammatischer
Wechsel, Beschränkung auf die Zeiten Gegenwart und Vergangenheit, Bildung
schwacher Verb(form)en mittels eines Dentalsuffixes (ed) und schwache Formen
bei Adjektiven nach dem Muster der Substantive. Der Vorgang des sprachlichen
Umbaus vom Indogermanischen zum (Ur-)Germanischen wird auf Mitteleuropa bezogen
(z. B. Aller, Elz, Ohm) und mit der Sesshaftwerdung (und der Schnurbandkeramik)
verbunden. Das Germanische ist von anderen Sprachen beeinflusst (z. B. Latein,
Keltisch, Baltisch, Griechisch) und hat andere Sprachen beeinflusst (z. B.
Finnisch). Gegliedert wird es beispielsweise in Nordgermanisch, Westgermanisch,
Südgermanisch und Ostgermanisch.i
Lit.: Krahe,
H., Sprache und Vorzeit, 1954; Sonderegger, S., Grundzüge deutscher Sprachgeschichte,
1979; Köbler, G., Germanisches Wörterbuch, 2. A. 1982; Germanische Rest- und
Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1986; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und
Volkssprache, 1991; Scardigli, P., Der Weg der deutschen Sprache, 1994; Pohl,
W., Die Germanen, 2000; Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen. Abriss des
Protogermanischen vor der ersten Lautverschiebung, 2009; Euler, W., Das
Westgermanische, 2014
Germanisches Recht
ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der →Germanen
geltenden Rechtssätze, deren Bestand aus unterschiedlichen Überlegungen
verschiedentlich angezweifelt wird. Das germanische Recht ist infolge der
bescheidenen Überlieferung nur teilweise (z. B. durch Caesar und Tacitus)
bekannt oder (aus jüngeren Texten mit erheblicher Ungewissheit) erschließbar.
Es ist vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch
einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber
ist ebensowenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in
Raum und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen
Angelegenheiten in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten →Volksversammlung.
Dort entstehen auch (Meinungen, Entscheidungen oder) Urteile in
Streitigkeiten. Eine allgemeine Verfolgung findet nur bei wenigen
Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Hausvater
an der Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber
(Vater, Vormund) über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch
Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden.
Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament
gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln
zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen
Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechtserfolge
ziehen die →Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die
teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich.
Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der
Germanen, 1842, Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v.
Paul, H., 1890 (Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG
GA 34 (1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang,
1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Sonderegger, S., Die
ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. S: Bader 1965, 419; Wiebrock,
I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship
Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984;
Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986;
Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und
völkischer Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik der
Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999; Fruscione, D., Zur
Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1
Germanist ist
der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende Rechtswissenschaftler
oder Sprachwissenschaftler (oder auch Historiker). Er steht in Gegensatz zum
Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.],
De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh.
(Eichhorn, Grimm, Brunner). 1846 in Frankfurt am Main und 1847 in Lübeck
treffen sich Germanisten der Staaten des Deutschen Bundes zu (auch politisch
geprägten) Tagungen. Die für Nürnberg und das Jahr 1848 geplante Fortsetzung
entfällt wegen der revolutionären Unruhen. Danach verliert die
Gegenüberstellung von juristischen Germanisten und juristischen Romanisten
allmählich mit der Positivierung, Kodifizierung und auch Internationalisierung
des Rechtes an Bedeutung. Ab 1860 wird ein deutscher Juristentag veranstaltet,
ab 1927 ein deutscher Rechtshistorikertag.
Lit.: Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und die
Germanisten, 1903; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der
Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Röthewr, K., Die Germanistenverbände,
1980; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts,
ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in
Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999; Internationales Germanistenlexikon 1800
bis 1950, hg. v. König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler
Sehnsucht – Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006; Schäfer, F.,
Juristische Germanistik, 2008
Germanistik ist die (Germanen und) Deutsche betreffende
Wissenschaft in Recht, (Sprache und Geschichte) in Gegensatz etwa zu Recht
fremder Herkunft oder zu fremden Sprachen. Als Wissenschaft des einheimischen
deutschen Rechtes wird sie 1699 von Christian Thomasius in seinem Summarischen
Entwurf derer Grundlehren gefasst. Dem folgen bis etwa 1750 die
protestantischen Universitäten (z. B. Halle, Göttingen, Erlangen), danach auch
die katholischen. 1741 wird anscheinend erstmals von G. geschrieben. Wichtigste
Inhalte sind deutsches Privatrecht (bis etwa 1970), partikulares einheimisches
Recht (bis etwa 1918) und Handelsrecht und Wechselrecht (1847 bzw. 1861 durch
gesetzliche Regelungen verselbständigt). Germanistische Juristen sind (nach Conring
und Thomasius) etwa Beyer, Kestner, Senckenberg, Heineccius, Pütter, Selchow, Grimm,
Eichhorn. Heise, Reyscher, Beseler, Mittermaier, Schmidt, Sohm, Gerber, Eugen Huber
oder Gierke. Seit etwa 1900 betrifft G. hauptsächlich die Sprachwissenschaft
Lit.: Gierke, O., Die historische Rechtsschule, 1903;
Germanistik und deutsche Nation, hg. v. Müller, J., 1974, Neudruck 2000;
Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA
100 (1984), 1; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008; Schäfer, F.,
Zwischen BGB und Schützengräben, ZNR 2009, 52; Schäfer, F., Aufbruch in die
Moderne, ZRG GA 129 (2011), 212
Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Rufen
bzw. Geschrei erfolgende Verlautbarung eines (rechtswidrigen) Geschehens (z.
B. einer Vergewaltigung) oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks
Hilfestellung von vielen Folge zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem
Verdacht der Verheimlichung einer Tat (z. B. Vorwurf des Mordes bei Tötung [in
Notwehr]).
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190,
517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck
1964
Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die
gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten
verpflichtet ist.
Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Gesamthand (1864, gesamte Hand um 1275 Deutschenspiegel) ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in
besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in
einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein
in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil (am
Nachlass und einzelnen Nachlassgegenständen) nicht (allein) verfügen kann.
Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige
Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (→Ganerbschaft, →Gemeinderschaft,
→Handelsgesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt die
Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) →societas
oder →communio. Daneben entwickelte sich seit dem Ende des 17. Jh.s für
eheliche Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Ganerbschaft und
Markgenossenschaft auch eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium in
solidum (Eigentum mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg →Beseler
(1809-1888, Lehre von den Erbverträgen 1835, [lat.] dominium plurium in solidum,
Juristenrecht und Volksrecht 1843, System des gemeinen deutschen Privatrechts,
1847) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen
der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den
Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein
neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. In der
Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das Privatgesetzbuch Zürichs
(1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum (vgl. Art. 652ff. ZGB
1907/1911). Nach dem Protest Otto von →Gierkes (1888/1889), dass ein
Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken
nicht aus dem Recht weisen dürfe, wird auf Grund von Vorschlägen des Stettiner
Rechtsanwalts Emil von Boyens die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die gemeinsame
Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die Anwachsung der
Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der
Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft
gesetzte Fassung des deutschen →Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900)
aufgenommen (Gesellschaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft).
Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist lange streitig.
2001 spricht der Bundesgerichtshof Deutschlands der nach außen im
Rechtsverkehr auftretenden Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes als Gesamthand
Rechtsfähigkeit zu, womit die G. von ihren geschichtlichen Wurzeln gelöst wird.
Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2
1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916),
504; Breitbach, H., Gesamthand und Unternehmen, Diss. jur. 1929; Steinbach, R.,
Die deutschen Rechtsgemeinschaften zur gesamten Hand, Diss. jur. 1936; Buchda,
G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Schulze-Osterloh,
J., Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972; Seif, U., Die Gesamthand
als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter, T., Die
Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch, 2002;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff
oder eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte.
Sie ist schon dem römischen Recht bei der →Erbfolge bekannt. An
tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im Übrigen vorgesehenen
Einzelrechtsnachfolge (z. B. durch Übereignung) übertroffen.
Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gesamtschuld (Gesamtschuldner 1807) ist die
Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu
bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu
fordern berechtigt ist. Sie ist bereits im klassischen römischen Recht (lat.
[N.] [debitum] in solidum) zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16
frühes 2. Jh., Papinian E. 2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534)
von der Stipulation aus verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den
Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.
Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die
Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte
Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei.
Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007; Meier, S., Gesamtschulden, 2010;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gesandter ist
der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem anderen Staat oder einer
internationalen Organisation. Bereits im römischen Recht ist der fremde
Gesandte wegen der Wichtigkeit auswärtiger Beziehungen unverletzlich. Im 15.
Jh. wird in Italien der ständige Gesandte geschaffen. Seit dem 19. Jh. wird
das Völkerrecht bezüglich des Gesandten bzw. der Gesandtschaft (z. B.
Unbetretbarkeit des Gebäudes) genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3.
1815, Aachener Protokoll vom 21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18.
4. 1961).
Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen
Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter,
1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden,
1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im
spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der
Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008
Geschäft (um 765 belegt)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Geschäftsfähigkeit (1779, geschäftsfähig 1573) ist
die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte
vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans)
(unter 7) (und dem Geisteskranken sowie dem Verschwender) abgesprochen. Der
etwas ältere Unmündige (lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich
unvorteilhafte Geschäfte nur mit Einverständnis des Vormunds vornehmen. Um 200
v. Chr. sieht eine (lat.) lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen
(lat. minores) geschützt werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch
Wiederherstellung des früheren Zustands (lat. in integrum restitutio [F.]) die
Leistungen und sonstigen benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu
machen. Im germanischen Recht steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung
unter der Hausgewalt des Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw.
Geschlechtsreife unter der Hausgewalt des Vormunds. Zwar sind die Geschäfte von
Unmündigen wohl an sich wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder
vom Inhaber der Personalgewalt getätigten Geschäfte nach Erreichen der
Mündigkeit widerrufen und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet
werden, nicht erfüllen, solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet
wird. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden
dessen Regeln (abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäftsunfähigen sind
nichtig (Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt
Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit
sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7.
1875 in Preußen verwendet. Die unbeschränkte G. tritt nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1. 1. 1900) mit 21 Jahren ein, in der Deutschen Demokratischen
Republik (1950) mit 18 Jahren und in der Bundesrepublik Deutschland 1975 auch
mit 18 Jahren(, vgl. auch § 105a BGB von 2002).
Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207;
Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U.,
Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters
Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413;
Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht
des 17. Jahrhunderts, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsführung 1691, Geschäftsführung ohne Auftrag
1811, Geschäftsführer 1807, Geschäftsherr 1351) ist das gesetzliche,
unvollkommen zweiseitige Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein
Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft
besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht.
Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen
Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der
Vertretung (eines abwesenden Freundes) im Rechtsstreit ausgegangen. Die
Verpflichtungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom Geschäftsführer Erlangten,
Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die
Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als
Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als
gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne
Auftrag, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Geschäftsgrundlage ist die Gesamtheit der wesentlichen, nicht (besonders vereinbarten) Vertragsbestandteil
gewordenen Voraussetzungen eines Vertragsschlusses. Oertmann gibt der Lehre
vom Wegfall der G. eine sich im 20. Jh. durchsetzende Gestalt. 2002 erfolgt
eine allgemeine Aufnahme in das Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands. →clausula rebus sic stantibus
Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996;
Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen
Recht, 2002; Huang, Z., Zur Lehre von der Geschäftsgrundlage nach altem und
neuem Recht, 2009
Geschäftsordnung ist die einer Geschäftsführung einer Gruppe von Menschen
zugrundegelegte Ordnung. Sie entsteht anfangs nur inhaltlich, wird aber im
politischen Bereich in England seit dem 16. Jh. in Fallsammlungen abgebildet. In
Frankreich gibt sich 1814 die Abgeordnetenkammer eine formelle G. die zum
Vorbild für viele weitere Geschäftsordnungen wird.
Lit.: Hatsell, J., Precedents of proceedings in the House
of Commons, 1781; Die Geschäftsordnungen deutscher Parlamente seit 1848, hg. v.
Deutschen Bundestag, 1986; Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannoverschen
Landtages, 1999; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der
Kodifikationen, 2004
Geschäftsunfähigkeit →Geschäftsfähigkeit
Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als →Zeuge zugezogene
Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und wohl auch im
germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er gegenüber
der dauerhafteren Urkunde seit dem Hochmittelalter grundsätzlich an Bedeutung.
Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922; Lepsius, S.,
Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003
Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die (im
Rahemen der Rhetorik) damit befasste Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios,
]Herodot und Thukydides in der griechischen Antike). Besondere Gebiete der G.
sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode
der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter.
Grundfiguren der Geschichtsschreibung sind nach Alexander Demandt Dekadenzgedanke,
Fortschrittsbewusstsein samt Fortschrittskritik, Kreislauftheorien, Epochenbewusstsein,
Aufklärung, historischer Idealismus, universaler Individualismus,
Historismus, historischer Materialismus, paradigmatisches Geschichtskonzept,
Morphologie der Weltgeschichte, Geschichtsbiologismus und posthistorische
Apokalyptik. Im 19. Jh. wird die G. zu einer eigenständigen Wissenschaft
(Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen)
Lit.:
Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 1858; Below, G.
v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher, K., Über das Wesen
des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen, Bd.
1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig);
Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der französischen
Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10.
A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998;
Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003, 17. A.
2010; Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 1958, 17. A. 2007; Postel, R.,
Johann Martin Lappenberg, 1972;Henze, D., Enzyklopädie der Entdecker und
Erforscher der Erde, Bd. 1ff. 1978ff. (Sonderausgabe 2011); Meister, K., Die
griechische Geschichtsschreibung, 1990; Simon, C., Historiographie, 1996;
Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen
Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche
Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtschreibung, hg. v.
Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Das
europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven
Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999;
Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J.,
Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Mütter,
B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung, 2001; Kompass der
Geschichtswissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch
Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe,
2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichtswissenschaft
um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v.
Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der Wirklichkeit, hg. v. Landwehr, A., 2002;
Kompass der Geschichtswissenschaft, hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F.,
Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung
von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W.,
Werkstatt des Historikers, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte,
2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004;
Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v.
Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst,
L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der
Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004; Henning, E.,
Auxilia historica, 2. A. 2004; Clemens, G., Sanctus amor patriae, 2004;
Zwenger, T., Einführung in die Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das
Unsichtbare begreifen, HZ 280 (2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Borsò,
V. u. a., 2005; Baberowski, J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte, H.,
Weltgeschichte, 2005; Geschichte für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 2005;
Völkel, M., Geschichtsschreibung, 2005; Historische Hilfswissenschaften, hg.
v. Diederich, T. u. a., 2005; Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs, 2005
(Mayer, Aubin, Baethgen, Heimpel, Grundmann, Tellenbach, Schlesinger, Bosl,
Beumann); Fellner, F. u. a., Österreichische Geschichtswissenschaft im 20.
Jahrhundert, 2006; Christ, K., Klios Wandlungen. Die deutsche Althistorie,
2006; Hasberg, W., Didaktik der Geschichte, 2006; Pape, J., Der Spiegel der
Vergangenheit, 2006; Völkel, M., Geschichtsschreibung, 2006; Große, J., Kritik
der Geschichte, 2006; Timpe, D., Antike Geschichtsschreibung, 2007; Langewiesche,
D., Zeitwende. Geschichtsdenken heute, hg. v. Plaert, U. u. a., 2008; Österreichische
Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., Bd. 1f. 2008ff.; Geschichte, hg. v.
Budde, G. u. a., 2008; Die Rückkehr der deutschen Gesxhichtswissenschaft, hg.
v. Pfeil, U., 2008; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein
im hohen Mittelalter, 2. A. 2009; Henning, E., 175 Fragen & Antworten rund
um die historischen Hilfswissenschaften, 2009; WBG Weltgeschichte, hg. v.
Demel, W. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Nolte, H., Weltgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2009; Daniels, M., Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009;
Geschichte schreiben, hg. v. Rau, S. u. a., 2009; 150 Jahre Geschichtsforschung,
2009; Historiographie an europäischen Höfen, hg. v. Völkerl, M. u. a., 2009;
Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhundewrts, 2009; Näf, B., Antike
Geschichtsschreibung, 2010; Fritz, H. u. a., Fachwissenschaft Geschichte, 2010;
Mégier, E., Christliche Weltgeschichte im 12. Jahrhundert, 2010; Paravicini,
W., Die Wahrheit der Historiker, 2010; Geschichtswissenschaft in der
Demokratie, hg. v. Cornelißen, C., 2010; Vademekum der Geschichtswissenschaften,
9. A. 2010, 10. A. 2012; Dunkhase, J., Werner Conze, 2010; Kamp, A., Vom
Palöolithikum zur Postmoderne - Die Genese unseres Epochen-Systems, Bd. 1 2010;
Greiert, A., Viele sind berufen, aber wenige auserwählt, HZ 292 (2011), 398;
Demandt, A., Philosophie der Geschichte, 2011; Haber, P., Digital Past, 2011; The
Oxford History of Historical Writing, hg. v. Woolf, D., Bd. 1ff. 2011ff.; Geschichtsvorstellungen,
hg. v. Patzold, S. u. a., 2012; Gierl, M., Geschichte als präzisierte Wissenschaft
- Johann Christoph Gatterer, 2012; Geschichtsschreibung als
herrschaftskritische Aufgabe, hg. v.
Kuretsidis-Haider, C. u. a., 2013; Iggers, G. u. a., Geschichtskulturen,
2014; Rösener, W., Das Max-Planck-Institut für Geschichte (1956-2006) - Fünfzig
Jahre Geschichtsforschung, 2014
Geschlecht ist der (agnatische) Familienverband und die natürliche Verschiedenheit von Lebewesen
hinsichtlich der Fortpflanzungsfunktion (Geschlechterforschung).
Lit.: Stoob, H., Die
dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Frauen in
der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Duncker, A., Gleichheit
und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Gottschalk, K., Eigentum, Geschlecht,
Gerechtigkeit, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1;
Geschlechterbeziehungen in Ostmitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg, hg. v.
Kraft, C., 2008; Gender Difference in European Legal Cultures, hg. v.
Gottschalk, K., 2013
Geschlechtsvormundschaft →Vormundschaft,
Frau
Lit.:
Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG GA 116 (1999), 119
Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell,
das durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge
gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund
zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und
England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet
Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz
geschaffen.
Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacksmusterschutzes,
1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss.
jur. Erlangen 1954
Geschworener (lat.
[M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (→Eid) abgelegt hat (,
eine Handlung rechtmäßig auszuführen). Geschworene treten im römischen Recht
und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf. Insbesondere Inhaber eines
Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter,
Schöffe, Bürgermeister, Ratmann). Im 19. Jh. wird das →Schwurgericht mit
besonderen Geschworenen besetzt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F.,
Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte,
1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in
Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung, 1970; Kleinz, A.,
Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001
Geschworenengericht ist in Österreich bis 1993 das Gericht, in dem seit 18. 5. 1848 Laien (Geschworene,
zunächst nur in Pressedelikten, in sonstigen Delikten 17. 1. 1850, 1852
abgeschafft, wiedereingeführt für Pressedelikte mit Gesetz vom 9. 3. 1869, allgemein
ab 23. 5. 1873) allein über die Schuldfrage zu entscheiden haben (aufgehoben
vom 19. 6. 1934-22. 11. 1950).
Lit.:
Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004
Geselle ist
ursprünglich der Mensch, der (mit einem anderen Menschen) im selben Raum lebt.
Im 18. Jh. wird G. (in Ablösung von Knecht) zur Bezeichnung des Handwerkers,
der nach einer Lehrzeit eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.
Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen
Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der
Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische
Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u.
a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K.,
Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985; Reith, R., Arbeits- und
Lebensweise im städtischen Handwerk, 1988; Bräuer, H., Gesellen im sächsischen
Zunfthandwerk 1989; Wadauer, S., Die Tour der Gesellen, 2005
Gesellschaft (Wort 830 Tatian, Gesellschaftsvermögen 1742) ist die Gesamtheit von Menschen, insbesondere im
Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (ausnahmsweise nach neuerer
Entwicklung auch die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft
zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich
die G. an die Hauserbengemeinschaft (lat. [N.] →consortium, ohne
persönliche Haftung der Gesellschafter) an. Daneben entwickelt sich in den
letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen
Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.] →societas).
Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich im Hochmittelalter
vertragliche Zusammenschlüsse zu Handelszwecken unterschiedlicher Ausgestaltung
(stille G., offene G., beschränkte Haftung, unbeschränkte Haftung, Mitarbeit,
Kapitaleinsatz, wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters,
erstmals jedenfalls angeordnet in Stadtrechtsreformationen). Hieraus werden
allmählich die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die
stille G. Nach Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und
großes Risiko (der Seefahrt) die Ausbildung der →Aktiengesellschaft (Anfang
17. Jh.). In den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesellschaftsvermögen
zum eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt
(Code de commerce, ADHGB 1861). 1892 wird im Deutswchen Reich durch Gesetz eine
besondere →G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der
nichtrechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als →Gesamthand
ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit
beschränkter Haftung die →Einmanngesellschaft zugelassen und 2001 die
Teilrechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit einer
bürgerlichrechtlichen Außengesellschaft anerkannt.
Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45,
46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung
des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt, W., Beteiligung und
Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de
Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und
die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M.,
Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Blickle, P., Unruhen in der
ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A: 2010, 3. A: 2012; Misera, K., Klagen
manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft
Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993;
Gall, L., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993, 2. A. 2012;
Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A.,
Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W.,
Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000;
Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F.,
Die persönliche Haftung von Personengesellschaftern, 2003; Meissel, F., Societas,
2004; Weiss, M., Rechtsfähigkeit, Parteifähigkeit und Haftungsordnung der
BGB-Gesellschaft, 2005; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in
Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005; Jahntz, K.,
Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006; Hasselmann,
N., Die Lehre Ulmers zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2007; Oechsler, J.,
Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, NJW 2008, 2471;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Stamm, V., Soziale Zwischengruppen in der mittelalterlichen
Agrargesellschaft, HZ 291 (2010), 1; Riedel, M., Bürgerliche Gesellschaft, 2011;
Cassels, N., Social Legislation of the East India Company, 2013
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die im Vergleich zur älteren Aktiengesellschaft einfacher
gestaltete, rechtsfähige Kapitalgesellschaft, die unter Aufnahme einzelner
Züge der englischen limited company (act von 1882) (am 20. 4.) 1892 im Deutschen
Reich (Österreich 6. 3. 1906, Schweiz 1937) durch besonderes Gesetz geschaffen
wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt. Zulässig wird die
Einpersonengesellschaft. Im Wettbewerb mit der Limited des englischen Rechtes
werden am Beginn des 21. Jh.s die formalen Voraussetzungen herabgesetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert,
W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12
(1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über
Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth,
R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung
der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im
Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des
GmbH-Rechts, 2005; Rechtstransfer in der Geschichte, hg. v. Duss, V. u. a.,
2006, 446ff.; Bezler, E., Die Bedeutung des Stammkapitals für die GmbH, 2009;
Spiegel, S., Einführung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2009;
Kautzsch, M., Die GmbH, 2010; Georg, D., Gesellschafterdarlehen in der
Insolvenz, 2011; Quellen zur GmbH-Reform von 1958 bis zum GmbH-Änderungsgesetz
von 1980, hg. v. Schubert, W., 2011; Geißler, M., Geschichte und juristische
Gegenwart gesellschaftsinterner Nutzungsüberlassung, 2010; Communicating
Sustainability, hg. v. Mantl, J. u. a., 2012
Gesellschafter (Wort Nürnberg 1484) ist das
Mitglied einer (wirtschaftlichen) →Gesellschaft.
Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gesellschaftsrecht (1615) ist die Gesamtheit der
(handelsrechtliche) →Gesellschaften betreffenden Rechtssätze. Das G.
verselbständigt sich als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.
Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des
Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16.
Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v. Crone,
H. v. d., 2003; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E.
u. a., 2005; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als Richter am
Reichsgericht, 2007; Hein, J. v., Die Rezeption US-amerikanischen Gesellschaftsrechts
in Deutschland, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Meincke, J., Das Gesellschaftsrecht in den Institutionen Iustinians FS
Georg Maier-Reimer, 2010, 443
Gesellschaftsvertrag (1793 Fichte) ist nach älteren
Vorläufern (u. a. Plato, Cicero, Althusius, Hobbes] politisch der von den
Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller
gegen alle (idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques →Rousseau
[1712-1778], [frz.] contrat [M.] social 1762), durch den sich jeder Einzelne
verpflichtet, sich dem allgemeinen, auf das allgemeine Wohl ausgerichteten
Willen zu unterwerfen (kritisch dazu Kant, Hegel, Bentham, Marx und Engels),
privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer (Handel treibenden) →Gesellschaft
abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neuzeitliche
Gesellschaftsverträge, 1987; The Social Contract from Hobbes to Rawls, hg. v.
Boucher, D. u. a., 1994; The Social Contract Theorists, hg. v. Morris, C.,
1999; Pezzillo, L., Rousseau et le Contrat social, 2000; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gesetz ist
die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten Verfahren durch Festsetzung
geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines
Inhalts durch besondere Handlung der dazu Berechtigten oder sich dazu
berechtigt Fühlenden. Als G. erscheint - (nach dem Codex Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 v.
Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs →Hammurapi [1728-1686 v.
Chr. ],) nach den Festsetzungen →Lykurgs, →Solons und →Drakons
in griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königsgesetzen -
in Rom 451/450 v. Chr. in das →Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim
tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem
Urheber benannte Einzelgesetze (→lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat.
[F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des
Altertums umfassende, älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat.
[M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (→Codex Theodosianus, →Codex).
Demgegenüber ist bei den Germanen wegen ihrer einfachen gesellschaftlichen
Verhältnisse die Setzung von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher
schließen deshalb in einzelnen Konstitutionen und zusammenfassenden Kapitularien
eher an römische Vorbilder an. Im 11. und 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke
wieder hervor (→Landfriede, str., a. M. Thomas Simon im Anschluss an
Fritz Kern). Er bleibt im Heiligen römischen Reich aber wegen der Schwäche des
Königs bzw. Kaisers und der damit verbundenen Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens
eher Ausnahme. Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach
gesetzgeberisch tätig. Die gewichtigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die →Polizeiordnungen,
→Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (→Kodifikationen)
der Wende vom 18. zum 19. Jh. ([Bayern 1751-1756], preußisches Allgemeines
Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812), doch ist bis dahin eine durchgehende
Trennung von Gesetz und untergesetzlicher Normsetzung unbekannt, zumal
Gesetzgebung und Gesetzesausführung noch nicht getrennt sind. Mit dem 19. Jh.
beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken und der
beachtlichen Vergütung der gesetzgeberischen Tätigkeit der Abgeordneten und
ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut. Paul Laband trennt
das formelle G. vom materiellen Gesetz (Rechtsverordnung).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50,
52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre,
1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und
Form der Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der
Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im
frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Genicot, L., La Loi,
1977; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung,
(in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution,
1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im
neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104; Zum römischen und
neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U.,
Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnisschrift W. Martens,
1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das
Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1992; Flach, D.,
Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und Gesetz, hg. v.
Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit,
1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24
(1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v.
Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und
Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im
deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen
Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003;
Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes,
2004, 3. A: 2014; Schröder, J., Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit,
2004; Gesetz und Vertrag, hg. v. Behrends, O. u. a., 2004ff.; Schilling, L.,
Normsetzung in der Krise, 2005; Alexandrino Fernandes, J., Die Theorie der
Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M., Die Methode der preußischen
Richter, 2005; Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution,
2006; Der biblische Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O., 2006; Schennach, M.,
Zuschreiben von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133; Transformation des
Gesetzesbegriffs im Übergang zur Moderne? hg. v. Walther, M. u. a., 2008; Kullmann,
W., Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, 2010; Landau, P., Kritische
Anmerkungen zu Thomas Simons Bestreitung der gesetzespositivistischen Umwälzung
des hohen Mittelalters (in FS Jan Schröder, 2013, 81; Schmidt-Gabain, F., Die
Seelen der Gesetze, 2014
Gesetzblatt ist
das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu
veröffentlichen sind (nach älteren lokalen vermischten und oft nur teilweise
abdruckenden Intelligenzblättern z. B. Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois
de la république, 1795 bzw. 1803 feste Zeitpunkte für das Inkrafttreten, Bayern
1799 bzw. 1800/1802 Kurbayrisches Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803
Kurfürstliches Regierungsblatt, Württemberg 1807 Königlich württembergisches
Staats- und Regierungsblatt, Westphalen 1807, Großherzogtum Hessen 1808
Großherzoglich Hessische Zeitung, Preußen 1810 Gesetzessammlung,
Mecklenburg-Schwerin 1812, Oldenburg 1814, Hannover 1818, Sachsen 1818,
Österreich 1. 10. 1849 Allgemeines Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das
Kaisertum Ö., Schleswig-Holstein 1849, Verfassung des Deutschen Reiches von
1871, Frist von 14 Tagen). Um etwa 1860 ist die formelle Gesetzespublikation
durchgesetzt, die inhaltliche Kenntnisnahme der Öffentlichkeit zweitrangig.
Lit.: Lukas, J., Über die Gesetzespublikation in Österreich
und dem Deutschen Reiche, 1903; Silvestri, G., Die deutschsprachigen
Gesetzblätter Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und
verwaltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift
H. Conrad 1979, 601; Ruppert, S., Die Entstehung der Gesetzblätter (in) Juristische
Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999, 67ff.; Holzborn, T., Die Geschichte
der Gesetzespublikation, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst, 2004
Gesetzbuch (1410?) ist das umfassende
Gesetz. Es findet sich (als Kompilation) bereits im Altertum (Codex
Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es (als Kodifikation) wieder
in der frühen Neuzeit (z. B. ALR, Code civil, ABGB u. s. w.).
Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch,
2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; ; Strauch, D., Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130
(2013), 37
Gesetzesauslegung →Auslegung, →Interpretation, →Gesetz
Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und
Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation,
Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen
Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987
Gesetzesinitiative ist die Initiative zur Schaffung eines Gesetzes. Sie steht zunächst dem
Monarchen zu (Baden 1818, Bayern 1818, Sachsen 1831), wird aber bald auch den
Volksvertretungen zugesprochen (Kurhessen 1831, Preußen 1850). Im Deutschen Reich von 1871 hat
sie der Bundesrat und der Reichstag sowie nach streitiger Ansicht der Kaiser, 1919
die Reichsregierung und die Mitglieder des Reichstags (daneben Volksentscheid),
in der Bundesrepublik Deutschland (1949) die Bundesregierung, der Bundestag
und der Bundesrat, in Österreich (1920 die Mitglieder des Nationalrats, der
Bundesrat bzw. ein Drittel seiner Mitglieder und die Bundesregierung (seit 1991
auch Volksbegehren), in der Schweiz (1919) jedes Mitglied der Bundesversammlung,
jede politische Kommission, jeder Kanton und der Bundesrat (Regierung, daneben
u. U. das Staatsvolk).
Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im Recht, die im letzten
Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde →Gesetz
gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungsmäßige Zustandekommen des
Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er
den Richter fest an das Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler,
DRG 189
Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen
Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum
zunächst privat (→Codex Gregorianus 294, →Codex Hermogenianus) und
danach im besonderen Gesetzbuch (→Codex Theodosianus, →Codex). Auch
in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzessammlungen
als notwendig oder sinnvoll.
Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752,
1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung
(Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931
Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/1271) gesicherte bzw.
abgeändert auch vielleicht für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche,
auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (→Ding)
das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist unbekannt.
In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder (1263 Anschluss an Norwegen).
Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des
Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R.,
Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215;
Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6
(1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität,
ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34;
See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195
Gesetzesumgehung →Umgehungsgeschäft
Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung,
1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004
Gesetzesvorbehalt ist die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für Eingriffe (der
Verwaltung) in Rechte der Bürger. Nach älteren Ansätzen der Polizeirechtswissenschaft
des 18. Jh.s wird der G. 1878 von Paul Laband gefordert. Das Wort wird 1895 von
Otto Mayer geprägt.
Lit.:
Jesch, D., Gesetz und Verwaltung, 2. A. 1968; Engert, M., Die historische
Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002
Gesetzgeber ist
der Urheber eines →Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der
→Monarch (z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch
strukturierten Gesellschaften das →Parlament als die Vertretung des
Volkes.
Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen Gesetzgebung
in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München 1958;
Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173;
Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und
Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm
Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den
lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter,
Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der
sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber,
Gesetz und Richteramt, 2000
Gesetzgebung ist
die Schaffung eines (formellen) →Gesetzes. Sie ist im Altertum in
erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich, aber wohl
selten. Im Hochmittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen. Dabei entsteht im
Umkreis der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik
aufgenommenen Politik des Aristoteles die erste Gesetzgebungslehre, welche
die Gesetzgebung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt,
aber nördlich der Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird. Die
größte Bedeutung erlangt die G. seit dem Absolutismus (Kodifikationen) und der
Aufteilung der Gewalten sowie der Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888
entwickelt sich in Deutschland eine eigenständige Methodenbewegung legislative
Rechtswissenschaft (Rudolf Stammler), seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre.
Angesichts der Professionalisierung der Gesetzgebung nimmt die Zahl der
Gesetzgebungsakte auf vordem unbekannte Größe zu (Gesetzgebungsflut des
seine Daseinsberechtigung nachweisen wollenden Parlaments).
Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der
normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung
des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss.
phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland,
1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und
Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der
Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und
althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im
Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en
Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im
späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetzgebung, (in) Bulletin
der Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum
und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung,
ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung im 18.
Jahrhundert, (in) Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H.,
Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M.,
Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der
Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage
der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir
législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und
Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa
1100-1500, 2. A. 1996; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag,
1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B.
u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995;
Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in
Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003;
Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B.,
Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schöler, C., Die
deutsche Rechtseinheit, 2004; Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland,
2005; Emmenegger, S., Gesetzgebungskunst, 2006; Mohnhaupt, H., Grundlinien in
der Geschichte der Gesetzgebung auf dem europäischen Kontinent vom 16. bis 18.
Jahrhundert, ZNR 28 (2006), 124ff.; Gesetzgebung in antiken Gesellschaften -
Israel, Griechenland, Rom, hg. v. Burckhardt, L. u. a., 2007; Meyer, A.,
Dominus noster vult - Anmerkungen zur päpstlichen Gesetzgebung im
Spätmittelalter, HZ 289 (2009), 607; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft, 2010
gesetzlich (Adj.) auf Gesetz beruhend, Gesetz betreffend
Gesetzlicher Richter
ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln für den einzelnen Fall vorweg festgelegte
zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer
persönlicher Einflussnahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins
Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen (z. B.
auch Petition of right 1628, Bill of rights 1701, Act of settlement 1701, Art.
171 der Verfassung Frankreichs von 1791) wird sie (unabhängig vom modernen
Rechtsstaatsbegriff) im Deutschen Bund in den Verfassungen des 19. Jh.s
verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R., Verfassung
des Deutschen Reiches 1848, Gerichtsverfassungsgesetz von 1877/1879, Einschränkungen
im Nationalsozialismus und in der Deutschen Demokratischen Republik, Sicherung
in Art. 6 I EMRK).
Lit.: Köbler, DRG 200; Pfeiffer, W., Die Selbständigkeit und
Unabhängigkeit des Richteramtes, 1851; Menzel, W., Ausnahmegericht und
gesetzlicher Richter, Diss. jur. 1925; Kern, E., Der gesetzliche Richter, 1927;
Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen
1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Müßig, U., Der gesetzliche
Richter ohne Rechtsstaat?, 2007
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen
Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird erstmals
1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der
menschlichen Handlungsfreiheit eingefordert (System der allgemeinen
angewandten Staatslehre).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199
Gesinde (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und
der Personalgewalt des Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der
Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für
das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der →Grundherrschaft.
Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere
Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden im Heiligen
römischen Reich zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden (nach einem Landrechtsentwuf
Friedrich Esaias Philipp von Pufendorfs in den Jahren 1770-1772) dann auch in
Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Dorn, J., Versuch einer
ausführlichen Abhandlung des Gesinderechts, 1794; Hertz, G., Die
Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Wuttke, R.,
Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen, 1893; Kähler, W.,
Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Fuld, L., Das bürgerliche
Recht und das Gesinderecht, 1899; Lennhoff, E., Das ländliche Gesindewesen in
der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in
West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S., Beiträge zum
Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum, T.,
Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Zur
Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Schröder, R., Das Gesinde war
immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995;
Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995; Arbeiten im Mittelalter, hg. v. Postel, V.,
2006; Dienstbotinnen, hg. v. Barth-Scalmani, G. u. a., 2007; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Sagemann, M., Krankenfürsorge für das Gesinde, 2012
Gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden Altertum gemeindliche
Verzeichnisse oder öffentliche Akten.
Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg
1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977
Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw.
Änderung einer Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung
(z. B. einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny
(anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück.
Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903).
Lit.: Steiner, R., Das
Gestaltungsrecht, 1984; Hattenhauer, C., Einseitige private Rechtsgestaltung,
2011
Geständnis (lat.
[F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen
behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es
weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts.
Dort wird es später als Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung
dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die →Folter. In der Gegenwart
dienen fast drei Viertel der strafverfahrsnrechtlichen Ermittlung der Erlangung
eines Geständnisses und beruht rund die Hälfte der Verurteilungen auf einem G.,
wobei über das G. eine Absprache möglich ist.
Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, 1879; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses
im Strafverfahren, (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.; Hauser, J.,
Geständnis und Absprache, 2007
Gestapo (geheime
Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung
dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Polizisten
zusammengesetzte politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen
Reich). Etwa einem Drittel der Gestapochefs des Jahres 1938 gelingt die
Erreichung einer ihrer Ausbildung entsprechenden beruflichen Stellung in der
Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute,
1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994;
Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a.,
1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in
Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in
Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller,
2004; Dams, C. u. a., Die Gestapo, 2008; Die Gestapo nach 1945, hg. v.
Mallmann, K. u. a., 2009; Wallbaum, K., Der Überläufer - Rudolf Diels
(1900-1957, 2010; Thalhofer, E., Entgrenzung der Gewalt, 2010
gestio (lat.
[F.]) Betragen, Führung
Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie
entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch
gefundenen, dem →Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden
richterlichen Ergebnisses verwendet wird.
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine
Erbschaft Savignys, ZRG GA 103 (1986), 199
Gesundheit ist der Zustand vollkommenen
Wohlbefindes eines Lebewesens. 1876 wird im Deutschen Reich als oberste
Reichsbehörde für das Medizinalwesen ein Kaiserliches Gesundheitsamt
gegründet (1918 Reichsgesundheitsamt, 1952 Bundesgesundheitsamt, 1994
aufgelöst zu Gunsten des Bundesinstituts für Infektionskrankheiten, des
Bundesinstituts für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin und des
Bundesinstituts für Arzneimittel und medizinische Produkte).
Lit.: Möller, C.,
Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer Medicinalpolicey, 2006 (von
1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“); Hüntelmann, A., Hygiene im
Namen des Staates, 2008; Briesen, D., Das gesunde Leben, 2010; Hierholzer, V.,
Nahrung nach Norm, 2010; Schlich, T.,
The Origins of Organ Transplantation Surgery and Laboratory Sciende, 1880-1930,
2010; Kerscher, W., Der preußische Weg zum Impfzwang, 2011; Oliver, L., The
Body Legal in Barbaqrian Law, 2011 Die Behandlung der Sozial- und
Gesundheitspolitik in den thüringischen Landtagen, hg. v. Thüringer Landtag,
2012;
Geteiltes Eigentum
ist das (seit dem Hochmittelalter in Anlehnung an die im römischen Recht dem
Erbpächter eröffnete [lat.] rei vindicatio [F.] utilis anerkannte,) an
mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Beteiligte aufgeteilte
„Eigentum“ (z. B. Obereigentum mit Anrecht auf Substanz, Untereigentum [neben
Recht auf die Substanz vor allem Nutzung]). Es wird von Naturrecht,
Liberalismus, Kant und vor allem von →Thibaut (1801) abgelehnt und zwar
noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen
Gesetzbuch Österreichs (1811/1812, § 357 ABGB, veraltet spätestens mit der
Grundentlastung 1848), aber doch bereits vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens
(1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ausgeschlossen. Es
soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im Sicherungseigentum oder in
der Wohnraummiete fortleben (str.).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pichler, J., Das geteilte Eigentum
im ABGB, ZNR 1986, 23; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und 20.
Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004
Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung
Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen
Bedeutung der Formel „ane geverde“ im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333
Gewähr (Sachsen 1390)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gewährleistung (Hannover 1706) ist das Einstehen
für die Mangelfreiheit (Freiheit von Sachmangel und Rechtsmangel) einer Sache
oder eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (→Wandelung,
→Minderung, Entwerung). Entsprechend muss auch der Vermieter einstehen. Mit
der Aufnahme des römischen Rechtes wird sie (den einheimischen Grundsatz „Augen
auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend) übernommen.
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J.,
Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Jakab, E:, Praedicere und cavere
beim Marktkauf, 1997; Ernst, W., Neues zur Sachmängelgewährleistung, ZRG GA 116
(1999), 208; Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der Spruchpraxis des
preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Wiegard, G., Vom tempus
utile zum bref délai, 2014
Gewährschaft ist
das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall, dass ein Dritter von
dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht erhält der Erwerber
aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer
als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um
die Sache gegen den (angreifenden) Dritten zu verteidigen. Verweigert der
Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte
die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten
Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine
vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im
deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittelalter (str.) eine
Gewährschaftsbürgschaft und daraus eine allgemeine G.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung
des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und
laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Gewährschaft nach
fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und
Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G.,
Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87
Gewalt (Wort 790 belegt) ist der Einsatz
von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne
Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des Einzelnen
möglichst auszuschließen. →väterliche Gewalt
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende
Gewalt, 2. A. 1981; Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger,
L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H.,
Schule der Gewalt, 1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen
Gewaltmonopols, (in) Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986,
313; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte,
hg. v. Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000;
Violence in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in
early modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und
Gewalt, 2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und
Leben, 2004; Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion
of Blood?, hg. v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v.
Braun, M. u. a., 2005; Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a.,
2005; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Boari, M., La coercizione
privata nella Magna Glossa, 2007; Extreme Formen von Gewalt in Bild und Text
des Altertums, hg. v. Zimmermann, M., 2009; Metz, K., Geschichte der Gewalt,
2010¸ Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; North,
D. u. a., Gewalt und Gesellschaftsordnungen, 2011; Schimrosczyk, C.,
Zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten gegen Gewalt in der Ehe, 2012; Kollektive Gewalt
in der Stadt - Europa 1890-1939, hg. v. Lenger, F., 2013
Gewaltenteilung (Gewaltentrennung) ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere
grundsätzlich autonome und als gleichwertig geltende, sich gegenseitig
kontrollierende und beschränkende, von unterschiedlichen Menschen innegehabte
Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendigkeit der G. entsteht unabhängig von
älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato [427-347 v. Chr.], Aristoteles [384-322
v. Chr., dreigliederige Funktionszuschreibung von gesetzgebender, ausführender
und richterlicher Staatskompetenz], Polybios [2. Jh. v. Chr.], Cicero [106-43
v. Chr.]) und Wirklichkeitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit
(Florenz 16. Jh., Henning Arnisaeus, Johannes Limnaeus) als Folge der gegen den
→Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon (vor)
1690 entwickelt John →Locke (1632-1704) in England zur Sicherung der
Freiheit des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive power)
und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of
Government, Zwei Abhandlungen über die Regierung). 1730/1731 greift dort Henry
St. John Viscount Bolingbroke (1678-1751) in seinen Remarks on the History of
England die dreigliederige G. des Aristoteles theoretisch wieder auf. 1748 setzt
sich in Frankreich Charles de Secondat Baron de la Brède et de →Montesquieu
(1689-1755) unter Ausschluss rechtsfreier Handlungsspielräume etwa des Königs sehr
wirkungsvoll für die Dreiteilung Exekutive, Legislative und Judikative ein (De
l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). Als staatlicher Grundsatz werden
diese Gedanken erstmals 1776 in Nordamerika in den Bill of Rights von 1776 und
1780 und in der Philadelphia Convention umgesetzt. In Frankreich greifen dies
1789 die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Erklärung der
Menschenrechte und Bürgerrechte, Art. 16), am 16. 8. 1790 ein besonderes Gesetz
und 1791 (III, Art. 3-5), 1795 und 1848 die Verfassungen auf. Im deutschen
Bereich behält die Vorstellung von der Einheit des Staates und der Macht der
Fürsten Gewicht, steht die Staatswissenschaft der Gewaltenteilungslehre
mehrheitlich kritisch gegenüber und übernehmen die meisten, entweder dem
Vorbild Frankreichs von 1814 oder dem Vorbild Belgiens von 1831 folgenden Verfassungen
der deutschen Einzelstaaten in ihren Text (nur) die Bestimmung, dass alle
Gesetze der Zustimmung des Landtags bedürftig seien, welche die Freiheit oder
das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das
Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungsprinzip. In der Verfassung des
Deutschen Reiches von 1871 ist die G. zwischen Exekutive und Legislativew im Nebeneinander
von Reichstag und Reichsrat einerseits und monarchischem Präsidium andererseits
erkennbar. Durch die Verfassung von Weinmar (1919) wird das dreigliederige
Gewaltenteilungsprinzip im Deutschen Reich eingeführt. In der Demokratie, in
der alle Gewalt vom Volk ausgeht, wird die G. verschiedentlich in Frage
gestellt (z. B. Volksdemokratie), hat aber auch hier als Schutz vor Missbrauch
tatsächliche Vorzüge. Vom 24. 3. 1933/30. 1. 1934 bis 1945 wird die Gewaltenteilung
im Deutschen Reich zumindest tatsächlich aufgehoben. Art. 20 II GG kehrt zur G.
zurück. In England werden die Gewalten 2003 entflochten.
Lit.:
Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923;
Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927;
Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des
Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der
Gewaltentrennung, 1959; Korioth, S., Monarchisches Prinzip und Gewaltenteilung
unvereinbar? (in) Der Staat 37(1998), 27ff.; Gewaltentrennung im Rechtsstaat,
hg. v. Merten, D., 1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions
of 1848-1849, hg. v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000;
Pahlow, L., Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. Jahrhundert (in) Aufklärung
15 (2003), 275; Máthé, G., Die Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky,
M., Die Diskussion über Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005; Höchli,
D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Maier, C., Gewaltenteilung bei
Aristoteles, 2006; Riklin, A., Machtteilung, 2006
Gewaltverhältnis ist das von Gewalt bestimmte Verhältnis (z. B. zwischen
Allgemeinheit und Einzelnem).
Lit.:
Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982
Gewann ist
die vielleicht in der Grundherrschaft im Hochmittelalter und im
Spätmittelalter ausgebildete Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen
Dorfes in Gruppen gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen,
wobei jeder Hofstätte eines Dorfes in jedem Gewann ein Flurstück zugeteilt wird.
Die Gewanne werden wegen ihrer verhältnismäßigen Unwirtschaftlichkeit in der
maschinenbestimmten Landwirtschaftdurch die Flurbereinigung beseitigt.
Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42;
Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992
Gewedde s. Gewette
Lit.: Ebel, F., Der Traktat „Von
gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276
Gewerbe ist
die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige
Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plantagenwirtschaft von
Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manufakturen für
Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In
den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die gewerbliche Produktion. Sie
beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer,
Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen Stadt zu größerer
Bedeutung. Dort wird das G. in der →Zunft organisiert und reglementiert.
Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf, nimmt den Zünften den
Zunftzwang und schafft die →Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche
Gewerbeaufsicht.
Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250;
Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Schulte, E., Das
Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht
Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen
Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C.,
Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das
Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der
gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im
Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger,
E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v.
Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen,
1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J.,
Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in
Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, (in) Arbeit und Recht, 1995,
313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und
Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000; Vorindustrielles
Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am
Gewerbebetrieb, 2007
Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich
1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich
1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die →Gewerbeordnung
(ursprünglich des Norddeutschen Bundes) von 1869 näher ausgestaltet. Innerhalb
der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union sind alle nicht aus zwingenden
Gründen des Allgemeininiteresses notwendigen Beschränkungen grenzüberschreitender
gewerblicher Betätigung rechtswidrig bzw. verboten.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Rohrscheidt, K. v., Vom
Zunftzwange zur Gewerbefreiheit, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Baryli, A.,
Konzessionssystem contra Gewerbefreiheit, 1984; Quante, C., Die geistesgeschichtlichen
Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland, 1984; Schnattinger,
A., Die Rückwirkung des Europarechts auf das deutsche Gewerberecht, 2005
Gewerbegericht ist das für Gewerberechtsstreitigkeiten
(Arbeitsrechtsstreitigkeiten) zuständige Gericht. Nach mittelalterlichen
Vorläufern innerhalb der Zünfte entstehen zu Beginn des 19. Jh.s auf deutschem
Boden besondere gewerbliche Fachgerichte, die aber von geringer Bedeutung
bleiben. In Frankreich gründet Napoleon für Lyon am 18. 3. 1806 einen Conseil
de Prud’hommes als Ausnahme von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, was von 1809
an verallgemeinert wird und über das Rheinland und Elsass-Lothringen auch
Eingang im deutschsprachigen Raum findet. Die Gewerbeordnung Preußens von
1845 sieht für Streitigkeiten die Anrufung des Gemeindevorstehers vor, was die
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1869 übernimmt. Am 29. 7. 1890 wird
ein Reichsgesetz betreffend Gewerbegerichte geschaffen. Die danach
eingerichteten Gewerbegerichte (Bayern etwa 80) erweisen sich nur als bedingt
erfolgreich und werden 1927 durch die Arbeitsgerichte (23. 12. 1926/1. 7. 1927)
abgelöst.
Lit.: Zimmermann, U., Die
Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005
Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechtes der →Gewerbe
(z. B. Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse der Gewerbe, 1811 [Preußen], Braunschweig
1821, Bayern 1825, 1868, Württemberg 1828, Hohenzollern-Hechingen 1842, Allgemeine
preußische Gewerbeordnung vom 17. 1. 1845, Hannover 1847, Entwürfe im Deutschen
Bund 1848, 1849, Österreich 1859, Nassau 1860, Sachsen 1861, Oldenburg 1861,
Baden 1862, Sachsen-Meiningen 1862, Waldeck 1862, Gotha 1863, Reuß jüngere
Linie 1863, Coburg 1863, Hamburg 1864, Schwarzburg-Rudolstadt 1864,
Schwarzburg-Sondershausen 1865, Lübeck 1866, Reuß ältere Linie 1868),
insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene, später etwa
durch die Handwerksordnung oder das Gaststättengesetz sachlich eingeschränkte Gesetz.
Lit.: Miritz,
T., Geschichte des Gewerberechts von 1869 bis zur Gegenwart, 1983; Ziekow, J., Freiheit
und Bindung des Gewerbes, 1992; Rohde, J., Das
Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht
von 1810 bis in die Gegenwart, 2000
Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.
Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und
Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des
Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993
Gewerblicher Rechtsschutz (um 1900) ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die
Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/1624,
Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster
(Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zeichen (Deutschland 30. 11. 1874,
12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5.
1894, 7. 6. 1909).
Lit.: Tolksdorf, B., Der gewerbliche Rechtsschutz in
Deutschland, 1908; Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der
gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine
gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1f. 1991; Wadle, E., Geistiges Eigentum,
Bd. 1f. 1996f.; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz, hg. v. Schubert,
W., 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Gewere ist
im mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Einkleidung
eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus
diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder
einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den
Gegenstand (defensiv) abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme (offensiv) herausverlangen
sowie außerdem (translativ) übertragen darf. Die G. gilt der herrschenden
Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich
wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich
wandelnden Sachenrechtsverhältnissen entwickelt. Sie wird formelhaft als
Kleid (d. h. äußere Erscheinungsform) des (als rein gedanklichen Gebildes
unsichtbaren) Sachenrechts (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben.
Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im Innehaben und Benutzen des Gegenstands.
Der Aufteilung des Sachenrechts auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer,
Untereigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und
eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensivfunktion, eine
Defensivfunktion und eine Translativfunktion zugeschrieben. Durch Ausübung
einer ursprünglich fehlerhaft begründeten, auf Schein beruhenden G. während
einer bestimmten Zeit ohne gerichtliche Inanspruchnahme seitens des
Berechtigten kann rechte G. entstehen. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes
seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu (lat. [F.]) possessio
gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen mittelbarem und
unmittelbarem Besitz unterschieden wird.
Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162;
Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872;
Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902; Kiesel, K., Die
Bedeutung der Gewere des Mannes am Frauengute für das Ehegüterrecht des
Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und
fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters,
1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein
Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of
Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske,
W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus
incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im
Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59
Gewerkschaft ist
der Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im
Arbeitsbereich der freiwillige Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Sicherung
und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht
ist die G. eine wohl im 13. Jh. (Iglau 1249) aus älteren Arbeitsgenossenschaften
gebildete Gesellschaftsform ohne festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen
Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere
bergrechtliche G. ist →Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen
[Kuxen] am Gesellschaftsvermögen), die G. neueren Rechtes (Preußen 1865) ist
juristische Person mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Beide werden in
Deutschland im Gefolge des Bundesberggesetzes vom 13. 8. 1980 aufgehoben und in
andere Gesellschaftsformen umgewandelt. Im Arbeitsrecht bildet sich aus
älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie
durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In Deutschland
entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s
als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Vereinigungsverbote
(Sachsen 1861, Preußen [Verbot 1845] 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§
152 I Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nichtrechtsfähiger →Verein.
1868 entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog.
freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890
gründen die freien Gewerkschaften die Generalkommission der Gewerkschaften
Deutschlands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). 1894 entwickeln
sich christliche Gewerkschaften. Am 23. 12. 1918 wird vom Rat der
Volksbeauftragten eine Tarifvertragsordnung erlassen, welche die Betätigungsfreiheit
der Gewerkschaften sichert. 1919 gewährt Art. 159 WRV die Vereinigungsfreiheit
zur Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Am 30. 10. 1923
wird eine Schlichtungsordnung erlassen. Nach Auflösung der freien
Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche
Arbeitsfront von 1933 bis 1945 wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche
Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerkschaften gegründet, dem die Deutsche
Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit
dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten
steigernden und damit Arbeitslosigkeit verursachenden) Gewerkschaften Mitglieder
und Einfluss.
Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O.
v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch,
J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.;
Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe,
R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland,
2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte
Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine
Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan
und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005;
Hildebrandt, J., Gewerkschaften im geteilten Deutschland, 2010; Der Freie
Deutsche Gewerkschaftsbund, hg. v. Mielke, S. u. a., 2011
Gewette (Gewedde) ist (bei ungeklärter Herkunft) in Ostfalen (Sachsenspiegel)
im Hochmittelalter die vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung
(Strafgeld für schuldhafte Handlungen gegen Recht und Gericht?), die neben der
Leistung an den verletzten Kläger steht. →fredus, Bann
Lit.: Sperling, H., Zur Geschichte von Buße und Gewette im
Mittelalter, Diss. jur. Straßburg 1874; Friese, V., Das Strafrecht des
Sachsenspiegels, 1898, 196; Ebel, F., Der Traktat „Von Gewette“, ZRG GA 99
(1982), 276
Gewicht →Maß
Lit.: Mulsow, H., Maß
und Gewicht der Stadt Basel, 1910
Gewissen ist der das Handeln des Menschen an Hand sittlicher Gründe leitende Teil
des Bewusstseins. Wer seinem G. folgt, hat ein gutes oder reines Gewissen, wer
ihm zuwiderhandelt ein schlechtes Gewissen. Gepägt ist das G. von allgemeinen
Einstellungen der umgebenden Gesellschaft und von eigenen Erfahrungen.
Gewissensfreiheit ist die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbetätigung.
Sie wird nach Anfängen im Altertum als Teil der Glaubensfreiheit (in Frankreich)
um 1600 erkannt. Sie wird über die Virginia Bill of Rights (1776) und das
Allgemeine Landrecht Preußens (II 11 § 2) fester Bestandteil der →Grundrechte
(§ 144 S. 1 Verfassung des Deutschen Reiches von 1848, Art. 135 Verfassung von
1919, Art. 4 I GG).
Lit.: Borowski, M., Die Glaubens- und Gewissensfreiheit
des Grundgesetzes, 2006; Kaupisch, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit,
2008
Gewohnheit
Lit.: Buchda, G., „Gewohnheiten“
in der Pößnecker Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64; Gewohnheit,
Gebot, Gesetz, hg. v. Jansen, N., 2011
Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit
recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen
die ersten Rechtssätze auf Grund der einfachen gesellschaftlichen Verhältnisse allgemein
aus Gewohnheiten und entsteht erst zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von
Recht durch →Gesetz. In Rom wird in der Spätantike neben der kaiserlichen
Konstitution auch die von Kaiser Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit
(lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im
Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit einzelnen Gesetzen
(Konstitutionen) in →den den Volksrechten und Rechtsbüchern (→Landrechten)
aufgezeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des
Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem
Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete)
Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den
Entstehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem
man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des
Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner
Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB).
Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden
Einschätzung durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) →historische
Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart
gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung (z. B. auch Völkergewohnheitsrecht).
Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta,
G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom
Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA
59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechtsgewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo
im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur
Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst,
C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis
vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1;
Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999;
Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechtlichen
Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005; Maisel,
S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006; Meder. S., Ius non scriptum, 2008,
2. A. 2009
Gewohnheitsverbrechergesetz
Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz,
1997
Gibraltar ist die an der Südspitze
Spaniens gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100
Einwohner). G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier
eine Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von
Spanien zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein
Recht nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.
Gierke,
Otto von (Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von
Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Berlin und nach der
Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor
in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen,
unvollendeten Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff.
1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien
der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem unvollständigen deutschen
Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der
deutschen Privatrechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht.
Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf
eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1888/1889 (Neudruck
2013), →Gesamthand, Kauf bricht nicht Miete). 1911 wird er geadelt.
Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911;
Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit
Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne
Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes
Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H., Sozialpolitische
Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen Schriften, 1976;
Otto Gierke, Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von
der Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales
Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997;
Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Repgen, T., Die soziale Aufgabe
des Privatrechts, 2001; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von
Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts
Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353
Gießen an
der Lahn, 1197 als Wasserburg der Grafen von Gleiberg erstmals genannt, gelangt
1265 an Hessen und ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) Universität mit
einer juristischen Fakultät (1945-1965 geschlossen).
Lit.: Hall, A., Die juristische Fakultät der Universität
Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G.,
Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982, 2. A. 2007 im Internet; Köbler,
G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W.
Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988;
Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994; 800 Jahre Gießener
Geschichte, hg. v. Brake, L., 1997; Panorama 400 Jahre Universität Gießen, hg.
v. Carl, H. u. a., 2007; Rechtswissenschaft im Wandel, hg. v. Gropp, W., 2007;
Kirschbaum, J., Die Etablierung der historischen Rechtsschule an der
Ludoviciana (1814-1824), 2011
Gilde ist
die Vereinigung mehrerer Menschen zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Zwecken im mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726
in England als Empfänger von →Wergeld erwähnt. 779 begegnet eine G. im
Kapitular von Herstal. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im
Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. In der Neuzeit verliert
die G. an Bedeutung und beschränkt sich seit der Gewerbefreiheit des 19. Jh.s
auf die Brauchtumspflege (z. B. Schützengilde). →Zunft
Lit.: Köbler, DRG
121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck
1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die
niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die
niederdeutschen Verkehrseinrichtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15
(1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG
Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51
(1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt
Goslar, 1957; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittelalter,
1981; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v. Friedland, K.,
1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C., Gilden im
mittelalterlichen Skandinavien, 1998; Cordes, A., Stuben und
Stubengesellschaften, 1993; Maniatis, G., The Guild System in Byzantium and
Medieval Western Europe, Byzantion 76 (2006), 463
Giphanius (van
Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,)
Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils umstrittener
Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingolstadt (1590) und 1599
Reichshofrat.
Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät, 1973, 134
Gladbach
Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft
und Stadtrechte in Gladbach bis 1609, Diss. jur. Bonn 1959
Gladiator (M.) Berufskämpfer in Rom
Lit.:
Meijer, F., Gladiatoren, 2004
Glanvill,
Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus normannischer (?), begüterter
Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff
von Lancashire genannt und 1180 zum ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis
iustitiarius) König Heinrichs II. von England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird
ihm der durch mehr als 30 Handschriften überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de
legibus et consuetudinibus regni Angliae (Treatise on the Laws and Customs of
England, Abhandlung von den Gesetzen und Gewohnheiten Englands) zugeschrieben,
eine kurze, klare, in einfachem Latein vielleicht zwischen 1187 und 1189
verfasste Darstellung des englischen, von den Gerichten geformten Rechtes (Buch
1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines königlichen writ [Buch 7 Erbrecht],
Buch 14 Strafklagen), in dem die römischrechtlichen und kirchenrechtlichen
Einflüsse den Kern des einheimischen
Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority des →common law. Es wird von Henry
de →Bracton benutzt.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A.
1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws,
hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973,
2. A. 1988
Glarus ist
das seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton
anerkannte Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge
zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im
Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische
bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki,
F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des
Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)
Glaser,
Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn,
wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet als liberaler
Justizminister (1871-1879) die österreichische Strafprozessordnung des Jahres
1873.
Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H.,
Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184
Glasgow in
Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs.
Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796
entstehen zwei Universitäten.
Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977
Glatz
Lit.: Schubert, F., Das älteste
Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250
Glaube ist die menschliche Grundhaltung des (nicht sicher wissenden) Vertrauens
(z. B. an einen Gott).
Lit.:
Glaubensflüchtlinge, hg. v. Bahlcke, J., 2008
Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu
bilden und dafür zu werben. Dabei treten mit der Reformation des Jahres 1517
mehrere Arten von Glauben nebeneinander. 1848 will die Verfassung des Deutschen
Reiches Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kultusfreiheit und religiöse
Vereinigungsfreiheit sichern. Die G. ist weiter z. B. durch Art. 14 I des
Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867 in
Österreich, Art. 63 II Friedensvertrag von Saint Germain öffentliche Religionsausübung,
1949 Europäische Menschenrechtskonvention Schutz für nichtreligiöse
Weltanschauungen) und Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung geschützt. →Religionsfreiheit
Lit.: Borowski,
M., Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006
Gläubiger (1350,
lat. [M.] →creditor, Gläubigerverzug 1895) ist der aus einem
Schuldverhältnis zu einer Leistung Berechtigte. Er ist bereits dem römischen
Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während
des Vollstreckungsverfahrens die Wiederherstellung des vorherigen Zustands
(lat. →in integrum restitutio [F.]) und nach dem Vollstreckungsverfahren
ein wiederherstellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) →actio
(F.) Pauliana (Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, die in Deutschland seit
dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des
mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.
Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und
Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren
deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen
des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gläubigeranfechtung s. Gläubiger, Anfechtung, Gläubigerbenachteiligung
Lit.: Schultze, A.,
Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach
deutschem Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch
Verschiebung von Vermögensteilen des von Zwangsvollstreckung und Konkurs
bedrohten Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern ([lat.]
alienatio [F.] in fraudem creditorum) Der römische Prätor schützt den Gläubiger
durch die (lat.) restitutio (F.) in integrum, das (lat.) interdictum (N.)
fraudatorium und die (lat.) denegatio (F.) actionis. Justinian fasst alles zur
(lat.) actio (F.) Pauliana (paulianischer Klaganspruch) zusammen. In der
Neuzeit sollen der G. besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz)
entgegenwirken.
Lit.: Kaser § 9 III
Gläubigerverzug (lat. mora creditoris) ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung
der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen
Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers. Durch G. wird der Schuldner nicht
von der Leistungspflicht befreit, doch muss er für den Untergang des Leistungsgegenstands
nur noch für Vorsatz (lat. dolus) einstehen.
Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der
Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im
klassischen römischen Recht, 2005
glebae adscriptus
(lat. [M.]) Schollengebundener (Kolone bzw. Bauer)
Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und
Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen
Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848)
verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der
Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Erkenntnis
notwendige Schutzmaßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen
wichtige Einschränkungen der Handlungsfähigkeit der Frau aufgehoben und wird
1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum
Universitätsstudium zugelassen, 1908 wird ihr ein politisches Wirken eröffnet,
1919 erhält sie durch die Verfassung das aktive und passive Wahlrecht, seit
1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Durch Art. 3 II GG wird
die G. von Männern und Frauen unmittelbar geltendes Bundesrecht. Nach einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands tritt zum 31. 3. 1953
alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende
Recht außer Kraft. Das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt eine
Neuregelung. Am 29. 7. 1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht
gegen den Vorrang des Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder
(Gleichberechtigungsgesetz). Mit Gesetz vom 14. 6. 1976 wird die G. im
Eherecht verwirklicht. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. 12. 1997
ermöglicht die gemeinsame elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter
Eltern durch beiderseitige Erklärung.
Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238;
Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, 1792, Neudruck
1981; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer,
G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz,
1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90;
Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Müller-List, G.,
Gleichberechtigung als Verfassungsauftrag, 1996; Leicht-Scholten, C., Die
Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der
familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C.,
Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann
und Frau, 2008; Der Kampf ums gleiche Recht, hg. v. schweizerischen Verband für
Frauenrechte, 2009Gleichheit ist die Übereinstimmung bezüglich eines
Umstandes. Sie entwickelt sich seit der Aufklärung (nach 1770) zu einem
Grundrecht, das sich die Revolution in Frankreich von 1789 zum Ziel setzt. Es
wird 1919 in Art. 109 der Verfassung aufgenommen.→Gleichberechtigung, →Gleichheitsgrundsatz
Lit.:
Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Frenz, B., Gleichheitsdenken
in deutschen Städten des 12. bis 15. Jahrhunderts, 2000; Damm, S., Menschenwürde, Freiheit, komplexe Gleichheit, 2005
Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich
sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch schon die antiken
Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und
mittelalterliche Gesellschaft durch die Ungleichheit oder die nur
stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s
wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung (→Montesquieu,
→Voltaire, →Rousseau). Seit 1776 nehmen die Verfassungen den G. auf
(Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Österreich 1848, Preußen 1850,
Weimarer Reichsverfassung 1919). Eine Unterscheidung zwischen Staatsbürgern
bzw. Unionsbürgern und Ausländern ist bei den Bürgerrechten möglich. Unterscheidungen
sind nur bei objektiven Gesichtspunkten rechtmäßig.
Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen Revolution,
HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, 1967;
Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der ständischen
Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G., Aspekte der
Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit und
Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht auf
Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des
Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten,
2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Rabe, C.,
Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006
Gleve (F.) Einheit im Ritterheer
Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940
Globig, Hans Ernst von
(Grauwinkel bei Wittenberg 2. 11. 1755-Dresden 21. 11. 1826, Sekretär des
Kurfürsten von Sachsen, Assessor am Appellationsgericht in Dresden (1779-1789),
Assessor am Reichskammergericht (1789-1799), Reichstagsgesandter in
Regensburg, 1806 Geheimrat, tritt 1777 gegen Folter und Todesstrafe ein
Lit.: Abhandlung
von der Criminal-Gesetzgebung, 1785; Schmidt, S., Die Abhandlung von der Criminalgesetzgebung,
1990; Röthlin, N., Die Verbesserung des Strafrechts, ZRG GA 121 (2004), 238
Glocke ist das aus einem
metallenen Hohlkörper und einer metallenen Stange (Klöppel) bestehende, wohl im
8. Jh. von Irland auf das europäische Festland gelangte Gerät zur Erzeugung von
Tönen, die auch Rechtshandlungen anzeigen oder Rechtswirkungen auslösen
können.
Lit.: Lippert, E., Glockenläuten
als Rechtsbrauch, 1939; Carlen, L., Orte, Gegenstände und Symbole kirchlichen Rechtslebens,
1999; Beyer, F., Geheiligte Räume, 2008
Glogau
Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener
Handschrift des Glogauer Rechtsbuchs, ZRG GA 64 (1944), 319
Glorious Revolution
ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des Parlaments unblutigen
Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu
Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien.
Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische
Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der →Bill of Rights
(1689) errungene Sicherung der Rechte des →Parlaments die Grundlage für
die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
glossa →Glosse
Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller
einzelnen →Glossen zum römischen Recht bzw. zum kirchlichen Recht zu
einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius
(1182/1185-1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum
Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu
den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt
5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus
(1216). Die bereits 1258 in Florenz, wenig später in Frankreich (Toulouse
1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland
(Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält
u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590,
Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen. Im Heiligen römischen Reich
wird im 14. Jh. der Sachsenspiegel glossiert (Johann von Buch vielleicht
bereits vor 1325 nach dem Vorbild des Accursius, zwei Rezensionen, weiter
Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede Lüneburg 1442, Dietrich von Bocksdorff, Petrus
de Posena, Stendaler Glosse, insgesamt 204 Handschriften und Fragmente, 82 noch
vollständig vorhandene Handschriften)
Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Die althochdeutsche und altsächsische
Glossographie, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2009 (1878 S.)
Glossator ist der Verfasser einer oder mehrerer Glossen. zum gelehrten Recht in
Oberitalien im Hochmittelalter (z. B. Pepo, Irnerius, Bulgarus, Martinuis,
Jacobus, Hugo, Bassianus, Azo, Accursius ) →Glosse
Lit.: Kantorowicz, H., Studies in the Glossators of the Roman Law,
1938, Neudruck 1969; Schrage, E., Utrumque ius, 1992, e-book 2013; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter Band 1 Die Glossatoren, 1997
Glosse (griech. Zunge, Sprache, Wort, Erklärung, zu idg. *glægh‑,
*glýgh‑, Sb., Stachel, Spitze) ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige
Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen erklärungsbedürftiger
Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Die manchmal in Rechtstexten nur in der
Nennung verwandter Stellen (Allegationen) bestehende Erklärung wird meist an
den Rand (Marginalglosse) oder zwischen die Zeilen (Interlinearglosse) des zu
erklärenden Textes gesetzt (z. B. zwischen dem 8. und 15. Jh. in mehr als 1250
Handschriften rund 250000 Einzelglossenbelege zu rund 27000 altdeutschen
Ansätzen). Im Recht beginnt die Glossierung mit dem Ziel der analysierenden
Aufschließung des Textes, dann der Erleichterung des Verständnisses und
schließlich der synthetizierenden Entwicklung einer widerspruchsfreien
Einheit der justinianischen Texte wohl mit (Pepo von Bologna,) Irnerius
(1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren Bulgarus,
Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch Namenssiglen
gekennzeichnet. Weitere bekannte Glossatoren sind Rogerius, Albericus,
Aldricus, Wilhelmus de Cabriano, Placentinus, Henricus de Baila, Johannes
Bassianus, Pillius, Cyprianus, Otto Paiensis, Lotharius, Burgundio von Pisa,
Vacarius, Azo, Hugolinus, Jacobus de Ardizone, Jacobus Columbi, Jacobus
Balduini, Tancredus, Bagarottus, Damasus, Bernardus Dorna, Pontius de Ilerda,
Karolus de Tocco, Symon Vicentius, Roffredus und Odofredus sowie Accursius. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch
Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung (Kommentare der
Kommentatoren) ersetzt. →Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW;
Savigny, C., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A.
1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W.,
Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e
la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960;
Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG
RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Fried, J., Die Entstehung
des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Villata di Renzo, G., La tutela,
1975; Glosse preaccursiane alle Istituzioni, hg. v. Caprioli, S. u. a., Bd. 1f.
1984ff.; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,
1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische
Einteilungstechniken bei den Glossatoren, (in) Dialektik und Rhetorik, hg. v.
Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann,
R. u. a., 2001; Glossen zum Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Kaufmann, F.,
2002; Maceratini, R., La glossa ordinaria al Decreto di Graziano e la Glossa di
Accursio al Codice di Giustiniano, 2003; Althochdeutscher und altsächsischer Glossenwortschatz,
hg. v. Schützeichel, R., Bd. 1ff. 2004; Glossen zum Sachsenspiegel Lehnrecht
Teil 1, hg. v. Kaufmann, F., 2006; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus
de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006; Die althochdeutsche und
altsächsische Glossographie, hg. v. Bergmann, R./Stricker, S., 2009; Glossen
zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die ältere Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2012
Glück ist der als (erhoffte) Erfüllung einer Vorstellung
durch eigenes Streben oder Zufall eintretende, als vorteilhaft empfundene menschliche
Zustand.
Glück, Christian Friedrich von; geb.
Halle 01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft
Universität Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle,
1784 Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 Nobilitierung,
ist der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten
in 34 Bänden (1790ff.).
Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg
1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus pandectarum, ZRG
RA 123 (2006), 330
Glücksspiel ist das im Ergebnis wesentlich vom Zufall abhängige Spiel um Vermögen.
Bereits das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubten, dem Gewinner eine
Klagemöglichkeit gewährenden Spielen und unerlaubten, dem Verlierer eine
Herausgabeklagemöglichkeit einräumenden Spielen. Nach dem Sachsenspiegel
(1221-1224) muss der Erbe Spielschulden des Erblassers aus Doppelspiel
(Würfelspiel) nicht bezahlen. In der Neuzeit werden im Heiligen römischen Reich
die römischen Bestimmungen aufgenommen. Das Allgemeine Landrecht Preußens
(1794) sieht Strafen für die Beteiligten vor (II 20 §§ 1298ff.), die über das
Strafgesetzbuch Preußens von 1851 in das Reichsstrafgesetzbuch (1871)
übergehen und am 23. 12. 1919 verschärft werden, doch bestehen zwecks
Erzielung staatlicher Einnahmen Ausnahmen für Spielbanken ([lat.] pecunia non
olet, Geld stinkt nicht).
Lit.: Seelig, E., Das
Glücksspielstrafrecht, 1923
GmbH →Gesellschaft
mit beschränkter Haftung
Gnade (Wohlwollen, Gunst) →Begnadigung
Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910;
Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche
Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95
(1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht
door gratie, 2004; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008
Gnadenjahr
Lit.:
Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27
(1906), 1
Gneist,
Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-Berlin 22. 7. 1895),
Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny), der
Promotion (1838) und der Habilitation (1839) 1845 (Abgeordneter der Berliner
Stadtverordnetenversammlung und) außerordentlicher Professor(, Richter am
Obertribunal Preußens bis 1850, drei Reisen nach England 1846, 1848, 1850) und
1858 ordentlicher Professor (1857/1860 Das heutige englische Verfassungs- und
Verwaltungsrecht). Er wirkt als Politiker (1859-1893 Mitglied des
Abgeordnetenhauses Preußens, 1867-1884 Mitglied des Reichstags) zunächst gegen
Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und
fördert maßgeblich das Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/1879) und
die Einführung des richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft
und der gerichtlichen Überprüfung der unteren Verwaltungstätigkeit. Zwischen
1868 und 1893 steht er 12 Juristentagen vor. 1888 wird er geadelt.
Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die
Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder
soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995;
Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2004
Go ist der
hochmittelalterliche Dorfschaftsverband (Landgemeinde) in Sachsen zwischen
Eider, Elbe, Rhein und Ems (mit vielleicht 20 bis 40 Dörfern). Meist zweimal
jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner statt (Goding). Das Alter des
G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der
Landesherr den G. zugunsten des Amtes.
Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der
Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische
Gogerichtsbarkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und
Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K, Neue Aspekte zur Entstehung der
sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht
in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die
Gogerichtsbarkeit, Diss. jur. Münster 1997; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung 1423-1550, 1997; Schubert, E., Geschichte Niedersachsens, 2,
1, 1997; Kroeschell, K., recht unde unrecht der sassen, 2005
Go (M.) Gau, Gebiet, Dorf
Gobler,
Justin (Sankt Goar [um] 1503-Frankfurt am Main 21. 4. 1567) wird nach dem
Rechtsstudium (u. a. Mainz, Erfurt, Bourges [Alciat], Orléans 1535 licentia in
legibus) und der Heirat (1527) der Witwe des Trierer Rates Ulrich Fabricius Schreiber
in Koblenz, Professor in Trier, um 1539 Rat in Hannoversch-Münden
(Braunschweig-Calenberg), 1544 nach Promotion Hofrichter in Hannoversch-Münden,
1546 Kanzler des Bischofs von Münster, 1549 Rat in Nassau-Dillenburg und (vor
allem verstärkt nach einem Unfall 1559 in Frankfurt am Main) Publizist. Er
übersetzt (und kommentiert) als erster (vor 1543) die →Constitutio
Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein umfangreiches,
vielfach angefeindetes Gesamtwerk (Gerichtlicher Process 1536, Rechten-Spiegel
1550, Statutenbuch 1553, Übersetzung der Institutionen Justinians 1551, der
Novellen 1564, des Hexabiblos 1564, Editionen, Gutachtensammlung 1565) fördert
er sowohl die Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die
Kenntnis deutschen Rechtes im europäischen Umfeld.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,
Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H., Goblers Karolinenkommentar,
1904; Deutsch, A., Der Klagspiegel und sein Autor, 2004
Goch
Lit.: Liesegang, E., Einige
Rechtsaufzeichnungen aus dem Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912),
224
Gode (M.)
altisländischer Priester(häuptling) unbekannter Herkunft (zwischen 930 und 1264,
jeweils 36-48 goda, mit Einführung der Járnsida 1271 beseitigt)
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107;
Karlsson, G., Godar og baendur, 1972; Sigurdsson, J., Chieftains and Power in
the Icelandic Commonwealth, 1999
Godefroy (Gothofredus),
Denis (Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger
Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen,
Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling
Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und
Heidelberg (1604-1621). Er veröffentlicht 1583 eine humanistisch gebesserte
kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] →corpus
iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143;
Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Godefroy (Gothofredus),
Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius
Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und
weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechtes in Genf, Ratsmitglied,
Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische
Ausgabe des →Codex Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart
nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr
erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.]
iuris, 1632).
Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u.
a., 1991
Goding →Gogericht
Lit.: Laur, W., Goding und
Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536
Goethe,
Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des promovierten
Juristen, kaiserlichen Rates und Privatmanns Johann Kaspar Goethe und einer
Stadtschultheißentochter, wird nach Privatunterricht und dem Rechtsstudium in
Leipzig (1765-1768, krankheitsbedingter Unterbrechung) und Straßburg (1770,
Lizentiat, wegen Ablehnung der verlorenen Dissertation De legationibus nicht
zum Doktor promoviert) am 3. 9. 1771 Advokat in Frankfurt am Main (28
Prozesse) und 1772 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar und (7. 11.) 1775
mit 26 Jahren Rat des (18jährigen) Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach (zwei
räumlich getrennte, 1900 Quadratkilometer und rund 100000 Einwohner umfassende
Fürstentümer), für den er vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als
20000 Verwaltungsangelegenheiten vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet
(1786-1788 Aufenthalt in Italien). In sein berühmtes dichterisches Werk (u. a.
Götz von Berlichingen, 1774 die Leiden des jungen Werther, Faust, Wilhelm
Meisters Wanderjahre, Weimarer Ausgabe mit 146 Bänden) fließen auch seine
rechtlichen Erfahrungen ein. Goethes Wortschatz umfasst etwa verschiedene 90000
Wörter.
Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Wieruszowski,
A., Goethe als Rechtsanwalt, 1909; Fuchs, J., Advokat Goethe, 1932; Fischler,
M., Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940);
Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949;
Goethes amtliche Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff.
1950ff.; Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Wörterbuch,
hg. v. Schadewaldt, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff., 2010 Bd. 5
inhaftieren-liedern); Goethe-Zitate für Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4.
A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G.,
hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M.,
Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche Schriften, Band 5
Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000;
Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes,
ZRG GA 122 (2005), 301; Müller, M., Goethes merkwürdige Wörter, 2010 (rund 1000
Wörter); Ogris, W., Dichterfürst und Fürstendiener, EXTRA Lexikon der Wiener
Zeitung vom 28./29. August 2010
Gogericht (Goding)
ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter.
Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle
niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der
Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.
Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte,
Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte,
FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit,
Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83
(1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein
und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte,
Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen
Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578,
2004
Gografschaft
Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949
Gold
Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928;
Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Häßler, H., Frühes Gold. Ur- und
Frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen, 2004; Gold & Silber, hg. v.
H. Gietl Verlag, 2012
Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Espen [in] Bischofszell/Thurgau 6. 1.
1578-Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Schulbesuch in Memmingen und dem Studium
der Philosophie und Rechtswissenschaft in Altdorf (Magister artium) sowie
einem nach eigenen Angaben 1604 von der Stadt Genf verliehenen, aber nicht
angenommenen Doktortitel Erzieher und (nicht unumstrittener) Herausgeber einheimischer
Quellen (z. B. Imperatorum ... statuta, 1607, als Voraussetzung für die
Entwicklung des Staatsrechts als eigenständigen Wissenschaftsfachs) und Rat
(Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627). Seine in der Gegenwart 4151 Bände
umfassende Büchersammlung wird 1647 vom Rat Bremens erworben.
Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930;
Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior
Goldast, 1975; Friedrich, F., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft,
1997; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006
Goldene Bulle (lat. bulla aurea) ist
das vor allem die Rechte der →Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem
seinen sieben erhaltenen, vielfache Wortlautvarianten zeigenden Ausfertigungen
(5 für Kurfürsten von Böhmen, Mainz, Trier, Köln und die Pfalz, nachträglich je
eine für Frankfurt am Main und Nürnberg, keine vollständige Ausfertigung für
Brandenburg und Sachsen) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild im 9. Jh. im
Westen eingeführten, von Karl IV. häufig verwendeten goldenen Siegel benannte,
lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt
formulierte Reichsgesetz (lateinisch lex, constitutio, edictum) Kaiser Karls
IV. (1346-1378) vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel
24-31, Name erstmals 1400 bezeugt, Erstdruck 1474). Obwohl die G. B. sich als
Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte
Sätze zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten
(Mehrheitsgrundsatz) für den (lat.) rex (M.) Romanorum in imperatorem
promovendus (den zum Kaiser zu erhebenden König der Römer), erkennt zu Lasten
des Reiches die unbeschränkte Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und
Zollregal, das Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und
regelt das kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im
unteilbaren Fürstentum). Andere goldene Bullen sind die G. B. von Rimini
Kaiser Friedrichs II. vom 26. 3. 1226 (überlieferte Fassung wohl um 1235
erneuert), mit der er dem Deutschen Orden die Herrschaft über das zu erobernde Kulmer
Land östlich der unteren Weichsel bestätigt, die bestätigende G. B. von Rieti
des Papstes Gregor IX. von 1234 mit gleichem Inhalt, Urkunden der Könige Andreas
II. (1224 für Siedler in Siebenbürgen) und Béla IV. von Ungarn oder die
Goldbulle von Eger vom 12. 7. 1213, in der König Friedrich II. den Bischöfen in
Deutschland die freie Bischofswahl zuerkennt und auf das Spolienrecht und das
Regalienrecht verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Neue Sammlung der
Reichsabschiede, 1747, 1, 45ff.; Ludewig, J. v., Vollständige Erläuterung der
Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H. 2005; Olenschlager,
J., Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kayser Carls IV., 1766, Neudruck hg. v.
Buschmann, A., 2008; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre
Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte Frankfurter
deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle
Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der
deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff,
A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275;
Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217;
Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Die
güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in
der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA
86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, hg. v. Wolf, A.,
1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile der Ausfertigung
für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte
zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember
1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene
Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002; Laufs, A., Das
Reichsgrundgesetz von 1356, NJW 2006, 3189; Die Kaisermacher. Frankfurt am Main
und die Goldene Bulle 1356-1806, hg. v. Brockhoff, E. u. a., 2006; Die Goldene
Bulle. Politik - Wahrnehmung - Rezeption, hg. v. Hohensee, U. u. a., 2008
Goldene Regel
ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten Testament bekannte,
lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und
deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu
lautende Erfahrungsregel oder Lebensweisheit.
Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A.
Söllner, 2000
Goldenes Vlies (Orden vom Goldenen Vlies) ist der (Name des) von Herzog
Philipp dem Guten von Burgund am 10. 1. 1430 gestiftete(n) Orden(s) mit 24 bzw.
30 Mitgliedern.
Lit.: Terlinden,
C. de, Der Orden vom Goldenen Vlies, 1970; Das Haus Österrreich und der Orden
vom Goldenen Vlies, hg. v. d. Ordenskanzlei, 2007
Goldmann, Emil (Karlsbad 3. 11. 1872-Cambridge 6. 5. 1942), österreichischer, 1938
nach England emigrierter Rechtshistoriker und Volkskundler (Nachruf ZRG GA 67
[1950], 532 Lentze, Hans)
Goldschmidt,
Levin (Danzig 30. 5. 1829-Bad Wilhelmshöhe (oder Berlin) 16. 7. 1897), Großkaufmannssohn,
wird nach dem Studium von Medizin (1847) bzw. Recht (1848) in Berlin, Bonn,
Heidelberg und Berlin (Dissertation De societate en commandite, Halle 1851)
1855 in Heidelberg habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor in
Heidelberg, 1866 ordentlicher Professor, 1869 Rat um Bundesoberhandelsgericht
in Leipzig sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen
Handelsrechtsprofessur. In seinen handelsrechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen
Arbeiten (1858 Gründung der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Handbuch
des Handelsrechts, 1864ff., Universalgeschichte des Handelsrechts, [Bd. 1 3.
A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen
und nichtrömischrechtlichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher
Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechtsanwendung mit dem
Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer
Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1892 erleidet er ein
Schlaganfall, nach dem er nicht mehr lehren kann. Er ist beeinflusst von Karl
Joseph Anton Mittermaier und beeinflusst seinerseits Max Pappenheim, Philipp
Heck, Max Weber, Paul Rehme und andere. Seine Privatbibliothek umfasst mehr als
6000 Bände.
Lit.: Goldschmidt, Levin. Ein Lebensbild in Briefen, 1898; Sinzheimer,
H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe,
L., Levin Goldschmidt, 1996
Göllnitz (Gelnica) ist ein 1264 von König Bela IV. mit Stadtrecht begabter Bergbauort in der
Unterzips, der um 1500 etwa 5000 Einwohner zählt und aus dem ein frühneuhochdeutsches
Stadtbuch überliefert ist.
Lit.:
Protze, H., Das älteste Stadtbuch der königlich freien Bergstadt
Göllnitz/Gelnica in der Unterzips und seine Sprache, 2002
Gönner,
Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst
in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und
wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns (1813 geadelt). Vom Reichsstaatsrecht
(Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der politischen
Entwicklung folgend der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu (Hypothekengesetz
1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche Erfassung der
Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808) und sein auf
die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen Prozesses
(Bd. 1ff. 1801ff.).
Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre,
1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.schr.);
Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, (in) Wissenschaft
und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976
Görlitz an
der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das
Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um
1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes, vermutlich in Görlitz
entstandenes Stadtrechtsbuch eines unbekannten Verfassers für G., das eine
wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.) →Auctor (M.) vetus de
beneficiis ins Mittel(mittel)deutsche (Artikel 1-30 von insgesamt 47
gezählten, bzw. 46 tatsächlichen Artikeln) mit Auszügen aus dem Landrecht des
Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, vermutlich auch dem sächsischen
Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung (1304) verbindet
und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen
Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.
Lit.: Köbler, DRG 103; Des Sachsenspiegels … Teil 2, 2, hg.
v. Homeyer, C., 1844; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1941
(verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E., Görlitz, 4. A.
1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30;
Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch, L., Städtische Obrigkeit und
soziale Kontrolle, 2005
Görres, Josef (1776-1848)
Lit.: Raab, H., Josef Görres,
1978; Görres, hg. v. Raab, H., 1985
Görz (Grafschaft nahe der
Adria), Güter zwischen 1335 und 1500 an Habsburg, 1754 gefürstete Grafschaft
Görz und Gradisca, 1816 Küstenland, 1919 Italien
Goslar am
Harz (urkundlich Siedlung erstmals 1005 erwähnt) ist Ort einer bedeutenden, an
die Stelle der älteren Pfalz Werla tretenden Königspfalz (mit einem 1050
geweihten, 1556 evangelischen Reichsstift), neben der eine Stadt (1131
lateinisch civitas) entsteht, welcher der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219
einen großen Freiheitsbrief gibt. Wirtschaftliche Bedeutung erlangt sie infolge
des seit dem späten 10. Jh. betriebenen Silberbergbaus im nahegelegenen Rammelsberg.
Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet
vermutlich um 1330 oder zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen
Statuten (860 bzw. 892 Artikel, 5 bzw. sieben Handschriften zweier Redaktionen)
auf (1271 Bergordnung Herzog Albrechts, Verlust bürgerlicher Berechtigungen an
den Landesherrn durch Riechenberger Vertrag vom 13. 6. 1552).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die
Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische
Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren
Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922;
Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das
Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die
Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier,
P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer
Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933;
Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die
Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im
Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar,
1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das
Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das
Stadtrecht von Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003;
Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003; Kroeschell, K., recht unde unrecht der
sassen, 2005; Der Goslarer Ratskodex - Das Stadtrecht um 1350 - Edition,
Übersetzung und begleitende Beiträge, hg. v. Lehmberg, M. 2013
Gote ist
der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von der Ostsee (Gotland) über
den Südosten (Krim) unter dem Druck der Hunnen 375 n. Chr. in das römische
Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich in →Ostgoten (Italien)
und →Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt und zwischen dem 6. und dem
12. Jahrhundert in Italienern und Spaniern aufgeht. Zwischen 25 und 50% der als
Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten
gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.
Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A
History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique,
1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A.
2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches
Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und
Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K.
Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitia
Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the
Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005;
Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo,
2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005; Wiemer,
H., Die Goten in Italien, HZ 296 (2013), 593
Göteborg am
Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine
Universität.
Gothofredus →Godefroy
Gotland →Gutalagh
Lit.: Kattinger, D., Die
gotländische Genossenschaft, 1999; Lerbom, J., Mellan två riken, 2003
Gott ist
nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er
ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und Verbot den Menschen gegeben
hat (→Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den Menschen zur
Rechenschaft und urteilt über dessen (irdisches) Leben.
Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang,
B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht,
2002; Leisner, W., Gott und Volk, 2008; Leuenberger, M., Gott in Bewegung, 2011;
Römische Götterbilder der mittleren und späten Kaiserzeit, hg. v. Buschung, D.
u. a., 2014
Gottesfriede (lat.
[F.] pax Dei) ist das in Südfrankreich im späten Frühmittelalter ([Le Puy in
der Auvergne um 975, placitum publicum,] Charroux 1. 6. 989, Narbonne um 990,
Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers 1000, Beauvais 1023, Ivois/Meuse 1023, Amiens
1033/1036) von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer
Kapitularien, Konzilienbeschlüsse (Orléans 511-548, Tours 567, Mâcon 585,
Paris 614, Quierzy 857, Ver-sur-Launette 884, Metz 893) und Bußbücher
ausgehende, Gewalt zurückdrängende Friedensgebot, dessen Verletzung kirchliche
Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus Katalonien,
Kastilien, Italien und gegen Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich
1082, Köln 1083, Bamberg 1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse
geistlicher und weltlicher Herren Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für
Mord, Diebstahl, Raub u. s. w. vor.
Besonders geschützt werden Mönche, Kaufleute, Bauern, Frauen, Kirchen oder
Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von
Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem →Landfrieden.
Die Verfolgung von Rechtsverletzungen wird nunmehr Aufgabe der (weltlichen) Allgemeinheit.
Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte
der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der
Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte
der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden
und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien
zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H.,
Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den
Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der
Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede
und Treuga Dei, 1964, Neudruck 1986; Körner, T., Iuramentum und frühe
Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105
(1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, (in) Funktion und Form, hg.
v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la paix de Dieu,
1999; Gergen, T., Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu, 2004; Goetz,
H., Gott und die Welt, 2011
Gottesgnadentum ist die Begründung weltlicher Herrschaft mit göttlicher Gnade. Nach
Vorbildern in der Herrschervergottung des Altertums wird das G. im
Frühmittelalter bei den Karolingern (751 n. Chr.) sichtbar. Im Investiturstreit
(1075-1122) wird diese Vorstellung zurückgedrängt. Das G. hält sich aber
letztlich bis zum Ende der Monarchie in der Neuzeit.
Lit.:
Legitimation des Herrschers, hg. v. Weber, H., 1992; Körntgen, L.,
Königsherrschaft und Gottes Gnade, 2001; Erkens, F., Herrschersakralität im
Mittelalter, 2006
Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht
(Todesstrafe in Novelle 77 Justinians) und seit dem Spätmittelalter (1495)
strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Missachtung des
christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis
1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird.
Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den Religionsvergehen,
1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und Aufklärung auf die
Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das Delikt der
Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der
Gotteslästerung, 1987
Gottespfennig ist seit der zweiten Hälfte des 13. Jh.s eine Bezeichnung für das Angeld
(arrha, Weinkauf, die seit der Neuzeit an Bedeutung verliert und in einem
Gutachten des Reichsfinanzhofs des Deutschen Reiches vom 11. 7. 1936 als nicht
mehr zeitgemäß eingestuft wird.
Lit.:
Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A Schultze, 1934, 251
Gottesstaat ist
die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie
wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De
civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat
Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.
Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965
Gottesurteil ist
das Urteil (eines?) Gottes in einer umstrittenen menschlichen Angelegenheit. Im
mittelalterlichen, wohl insofern von der christlichen Kirche beeinflussten
Recht ist das G. die bei Fehlen anderer Beweismittel mögliche Entscheidung über
die Schuld oder die Unschuld eines Beschuldigten durch ein nach allgemeiner
Wahrscheinlichkeit nicht zu erwartendes und deshalb auf (das Eingreifen des
christlichen) →Gott(es) zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B.
[folgenloses] Tragen eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über
glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser,
[folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines Toten u. s. w.). In den fränkischen Gerichtsurkunden
des Frühmittelalters findet es sich (nur) in 0,3 Prozent aller beurkundeten
Fälle, in späteren Zeiten eher noch seltener. Streitig ist, ob Zweikampf und
Los Gottesurteile sind. Die Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit
uneinheitlich. 1215/1219/1222 wendet sie sich deutlicher gegen das G., das
Kaiser Friedrich II. 1231 für Sizilien als vernunftwidrig verbietet. Dennoch
erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis es vielleicht durch die Verwendung
der Folter zur Erzielung eines Geständnisses, die Aufnahme des römischen Rechtes
oder die zunehmende Vernünftigkeit des Menschen verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi,
J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M.,
Über die Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136;
Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De
ordaliis, collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das
Gottesurteil des Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der
Gottesurteile, Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma,
H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H.,
Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975;
Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257;
Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil
ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N.,
1994, 89; Nehlsen-von Stryk, K., Reinigungseid und Geständniszwang (in)
Grundlagen des Rechts, hg. v. Helmholtz, R. u. a., 2000, 621; Kéry, L., Gottesfurcht
und irdische Strafe, 2006; Dinzelbacher, P., Das fremde Mittelalter, 2006;
Schmoeckel, M., Die Überzeugungskraft der Ordale in merowingischer Zeit (in)
Von den leges barbarorum, 2008, 198ff.
Gottfried von
Straßburg (um 1210) ist der Verfasser des
unvollendeten Versromans von Tristan und Isolde mit guten Kenntnisses des Rechtes
seiner Zeit.
Lit.: Huber,
C., Gottfrieds Tristan, 2. A. 2001; Wolg, J., Buch und Text, 2008
Göttingen an
der Leine (953 Gutingi nahe der Pfalz Grone) wird um 1200 Stadt und im
Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (1235) bzw. Hannover (1736/)1737 unter Kurfürst
Georg August (König Georg II. von England) Sitz einer nach dem Vorbild Halles aufgeklärten,
im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (1751 Societät der
Wissenschaften, Göttingische gelehrte Anzeigen, →Pütter, →Hugo),
von deren 172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft
studieren. Am 18. 11. 1837 protestieren (nach dem Ende der Personalunion
Hannovers mit Großbritannien) sieben (von insgesamt 32 bzw. 48) Göttinger
Professoren (Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg
Gottfried Gervinus, Wilhelm Eduard Albrecht [Jurist], Wilhelm Eduard Weber, Heinrich
Ewald) gegen die am 1. 1. 1837 erfolgte Aufhebung der am 26. 9. 1833 von König
Wilhelm IV. von England gewährten Verfassung seitens des Nachfolgers Ernst
August von Hannover, an die sich selbst weiter gebunden fühlen, und verlieren
in uneindeutiger Rechtslage ohne Anhörung dadurch am 14. 12. 1837 ihr Amt und
ihr Gehalt. Am 1. 9. 1945 eröffnet G. als erste deutsche Universität nach dem
zweiten Weltkrieg wieder den Lehrbetrieb (unter Entlassung Ebels, Erlers und
Siegerts). In die juristische Fakultät kommen nacheinander vor allem
Professoren aus Leipzig und Straßburg (z. B. Schaffstein, Huber, Michaelis,
Weber, Wieacker).
Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer
academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen,
Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Dahlmann, F., Gutachten, 1839; Grimm, J., Über
meine Entlassung, 1838, Neudruck 1985; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich
zum Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum
Gottingense 1737-1928, 1930; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1934, Neudruck
1987; Selle, G. v., Die Georg-August-Universität zu Göttingen, 1937; Smend, R.,
Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als
Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die Verfassung der Göttinger Universität,
1955; Ebel, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an
der Universität Göttingen, 1961; Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962,
hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und ältesten Statuten der
Georg-August-Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H.,
Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G.,
Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen, 1966; Tütken, H., Geschichte des
Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die Steuerverfassung
Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia Gottingensia,
1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A., Urfehde und
ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F.,
1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987ff.; Die Universität Göttingen unter
dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987, 2. A. 1998; Dilcher,
G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit
der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250
Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine
Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der
Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v.,
Die Göttinger Sieben, 1997, 3. A. 2000; Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske,
R., Bürgertum in der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung,
Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a.,
2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht,
2003; Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2004; Saage-Maaß, M., Die
Göttinger Sieben, 2007; Über die Pflicht zum Ungehorsam gegenüber dem Staat,
hg. v. Albach, H., 2007; Kontinuitäten und Zäsuren, hg. v. Schumann, E., 2008;
Butt, A., Die Stadt Göttingen und ihre Rechte im ländlichen Raum, 2012; Die
Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Bd. 1 hg. v. Starck,
C. u. a., 2013
Göttliches Recht ist das auf Gott als Schöpfer zurückgeführte Recht. G. R.
nehmen nach römischen und stoischen Vorläufern die lateinischen Kirchenväter
(z. B. Augustinus 354-430) an. Über Isidor von Sevilla findet die Vorstellung
Eingang in das Decretum Gratians (um 1140). Eine eindeutige und klare
Abgrenzung zum Naturrecht gelingt nicht.
Lit.:
Wolf, U., Ius divinum, 1970; Ratzinger, J./Maier, H., Demokratie in der Kirche,
2001
Goudelin →Gudelinus
Grab ist der Ort der Beerdigung eines toten
Menschen. Vermutlich wird der Tote anfangs nur von den Überlebenden zurückgelassen.
Danach entwickeln sich Sitten für den Umgang mit Toten (z. B. Hügelgrab, Brandgrab,
Körpergrab, Pyramide, Mausoleum, Katakombe u. s. w.). Im römischen Zwölftafelgesetz
(451/450 v. Chr. sind Beerdigungen und Verbrennungen in Rom verboten. Auf
dieser Grundlage entwickeln sich mit zunehmender Verdichtung immer mehr
Rechtssätze bezüglich des Grabes (u. a. Friedhofszwang mit Friedhofsordnung).
Lit.: Paret, O., Die
frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart, 1937Sterben und
Totenbestattung, hg. v. Cox, H. u. a., 2002; Schrumpf, S., Bestattung und
Bestattungswesen im römischen Reich, DIss. Bonn 2006
Grad (zu lat. [M.] gradus) ist allgemein der
Schritt oder die Stufe. Akademischer G. ist die wissenschaftliche
Qualifizierung auf Grund einer Prüfung. Der akademische G. geht auf
Bezeichnungen in der römischen Verwaltung zurück (z. B. lat. [M.) magister
equitum, Heermeister, doctor gladiatorum, Fechtlehrer, seit dem 3. Jh. n. Chr.
magister auch Ehrenbezeichnung für christliche Große). Missstände im
hochmittelalterlichen Lehrbetrieb des 13. Jh.s bewirken Regelungen (z. B. Paris
1215 Bedingungen für den [lat.] magister [M.) artium und magister theologiae,
1233 Lehrerlaubnis für jeden in Toulouse geprüften [lat.] magister). Als Grade
entwickeln sich (lat. [M.]) baccalaureus, magister und doctor, wobei im
Heiligen römischen Reich das Bakkalaureat seit dem 16. Jh. schwindet und mit
der Wandlung der artistischen Fakultät zur philosophischen Fakultät der (lat.
[M.]) magister artium zum doctor philosophiae wird. 1402 wird im Heiligen
römischen Reich erstmals für Juristen der Grad doctor iuris utriusque (Lehrer
beider Rechte, d. h. geistliches Recht, weltliches Recht) verliehen. Mit dem G.
werden sonstige Vorteile verbunden (teilweise Adelsgleichheit). Wegen der
Vielzahl der meist mit schriftlichen Arbeiten verbundenen Promotionen zum
Doktor wird seit dem 18. Jh. zunehmend die Lehrerlaubnis (lat. venia [F.]
legendi des Universitätslehrers) mit der Habilitation in einem Einzelfach
oder mehreren Einzelfächern verknüpft, zumal teilweise in Abwesenheit zum Doktor
promoviert (Jena 1841 Karl Marx, erst ab etwa 1882 allmählich abgeschafft) oder
der G. auch durch eine bloße mündliche Prüfung erworben werden kann (Heidelberg
bis 1908, Österreich drei Rigorosen bis um 1990). Seit etwa 1820 erscheint der
ehrenhalber erteilte G. (Dr. h. c.). 1899 erhalten im deutschen Reich auch die
neuen technischen Hochschulen das Recht zur Verleihung von Graden. Seit dem
Ende des 20. Jh.s werden in der Europäischen Union die akademischen Grade
zunehmend vereinheitlicht (Bologna-Modell mit dreijährigem Bachelor-Studium,
anschließendem Magisterstudium und anschließendem Doktoratsstudium), während
die Habilitation in Deutschland rechtlich als Voraussetzung der Professur
aufgegeben ist.
Lit.: Oberbreyer, M., Die Reform
der Doktorpromotion, 3. A. 1878; Wretschko, A. v., Die akademischen Grade,
1910; Roß, G., Das Aufkommen der juristischen Ehrenpromotion, Diss. jur.
Erlangen-Nürnberg 1967; Bleek, W., Von der Kameralausbildung zum
Juristenprivileg, 1972; Prahl, H., Gesellschaftliche Funktionen von
akademischen Abschlussprüfungen und Graden, 1974; Zimmerling, W., Akademische
Grade und Titel, 2. A. 1995; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und
Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2001; Wollgast, S., Zur Geschichte des Promotionswesens
in Deutschland, 2001
Graecus (lat. [M.]) Grieche z. B. Graeca non leguntur (Griechische Stücke etwa in
den Novellen Justinians werden im lateinischen Westen bis zum Humanismus des
16. Jh.s nicht gelesen, bzw. nicht beachtet).
Lit.:
Barta, H., Graeca non leguntur?, Bd. 1ff. 2011ff.
Graf (lat.
[M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der ursprünglich königliche
Amtsträger. Der Titel (lat. [M.]) comes (Gefährte, Begleiter) findet sich im
römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe Höflinge und
danach für örtliche Amtsträger (u. a. auch [lat.] comes civitatis z. B. in
Trier, Autun und Marseille zwischen 460 und 470). Fast die Hälfte der bekannten
(lat.) comites des 6. Jh.s trägt einen romanischen Namen. Der frühmittelalterliche
fränkische comes soll den Frieden wahren, Übeltäter verfolgen und
Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische (lat. [F.]) Lex Salica
einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden afrk. grafio, der auf
Verlangen eines Rechtsuchenden Sachen wegnehmen oder unerwünschte Siedler
vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher königlicher Befehlshaber
ist. Spätestens in der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser grafio anscheinend
mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in der Erhaltung des
Königsguts, der Aufbietung der Heerfolgepflichtigen, der Erhebung von Zöllen,
der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des Rechtsstreits um
Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. grundsätzlich absetzbar, doch wird
seine Stellung in vornehmen Familien bald tatsächlich erblich. Die
richterlichen Aufgaben treten in den Vordergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die
gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel
wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer landsässiger
Adel, die reichsständischen Grafen treten im Reichsfürstenrat zusammen (schwäbische,
wetterauische [1524], fränkische [1640] und westfälisch-niedersächsische [1653/1654]
Grafenkurie). Das Gericht des Grafen wird vielfach Landgericht. In der
Reichsmatrikel von 1521 finden sich 143 Grafen und Herren, von denen am Ende
des 18. Jh.s (infolge von Erhebungen in den Fürstenstand, Mittelbarmachungen
und Aussterbens) nur zwei Drittel noch verzeichnet sind. Mit dem Ende des
Heiligen römischen Reiches (deutscher Nation, 1806) verliert auch der reichsunmittelbare
G. seine selbständige Bedeutung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel.
Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom
Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im
Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien
und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die
Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Krüger, S., Studien zur
sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v.,
Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und
comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die
sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen
Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K.,
Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der
ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der
Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M.,
Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und
Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Reich, 2005; Grafen
und Herren in Südwestdeutschland, hg. v. Andermann, K. u. a., 2006; Deutinger,
R., Königsherrschaft im ostfränkischen Reich, 2006
Grafenbann ist
der vom König im Frühmittelalter dem →Grafen verliehene →Bann von
15 Schillingen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
grafio →Graf
Grafschaft ist
der Amtsbezirk des →Grafen (lat. comes, →lat. comitatus). Im
Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen
von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart
die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils
gegebenen Bezirken von Grafen und die Vorstellung eines lückenlosen Systems
von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf
verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren
Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der
Landesherrschaft zu kommen.
Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A.,
Grafschaft, 1949; Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im
9. Jahrhundert, 1950; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens,
ZRG GA 71 (1954), 167; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der
Karolingerzeit in den Gebieten östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M.,
Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der
Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H.,
Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die
Grafschaft der Andechser, 1994; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen
Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999
Gragas (Graugans)
ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche
Bezeichnung für das aus Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und
Formelsammlungen zusammengesetzte, nach älteren Aufzeichnungen (z. B. Christenrecht
zwischen 1122 und 1133) zwischen 1258 und 1271 aufgezeichnete und vor allem durch
das später in der königlichen Bibliothek in Kopenhagen verwahrte Königsbuch
(Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das im 16. Jh. auf einem Hof in
Westisland entdeckte Stadarholsbuch (Stadarholsbok, [lat.] Codex [M.] Arnamagnaeanus)
der zweiten Hälfte des 13. Jh.s (insgesamt durch 130 Handschriften, Fragmente
und Abschriften) überlieferte, altisländische Recht ([930 bzw. 1030-1264]
Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und
Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung →Islands
unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König Magnus Hakonarsons
(→Jarnsida, →Jonsbok) aufgehoben.
Lit.: Gragas Konungsbok, hg. v. Finsen, V., 1852, Neudruck
1974; Gragas Stadarholsbok, hg. v. Finsen, V., 1879, Neudruck 1974; Gragas Skalholsbok,
hg. v. Finsen, F, 1883, Neudruck 1974; Bechert, R., Eine dunkle Stelle der
Graugans, ZRG GA 48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v.
Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A.
1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P. Foote, 1984, 155; Byock,
Medieval Iceland Society, sagas and power, 1988; Beck, H., Wortschatz der
altisländischen Grágás, 1993 (Konungsbok)
Granada an
der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist
es Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531
erhält es eine Universität.
Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988
Grande ordonnance de réformation du royaume ist das französische Gesetz von 1302, durch das der König
den Schutz der Kirche auch in den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen,
Barone) übernimmt.
Grangie (12. Jh., Scheune) ist der hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof
vor allem der Zisterzienser (mit einer Größe bis zu 400 Hektar), deren Ideale
sich allerdings nicht dauerhaft durchhalten lassen.
Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer
Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa,
curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983; Lohrmann, D., Kirchengut im
nördlichen Frankreich, 1983; Schneider, R., Vom Klosterhaushalt zum Stadt- und
Staatshaushalt, 1994; Kuczera, A., Grangie und Grundherrschaft, 2003; Untermann,
M., Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in Klöstern, 2003
Grass, Nikolaus (Volderwald bei Ampass bei Innsbruck 28. 7. 1913-Innsbruck 5. 10. 1999)
ist der nach dem Studium in Innsbruck in Geschichte, Recht und Wirtschaft promovierte,
1946 für Geschichte habilitierte, 1948 in die rechtswissenschaftliche Fakultät
übergetretene, 1949 zum außerordentlichen und 1959 zum ordentlichen Professor ernannte,
1983 emeritierte Rechtshistoriker, der eine eigene Schule Tiroler Rechtsgeschichte
der Alpwirtschaft gründet.
Lit.: Carlen,
L., Nachruf ZRG GA 118 (2001), 896; Oberkofler, G., Einige
wissenschaftshistorische Miniaturen aus Briefen und seine Korrespondenz mit dem
Prager Juden Guido Kisch, 2008
Gratian (Carraria
um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1145 oder um 1150?]), (Mönch und) Magister der
Theologie in Bologna (sowie vielleicht später Bischof von Chiusi?), verfasst
zwischen 1125 und 1140 das Rechtsbuch →concordia discordantium canonum (→Decretum
Gratiani). Er begründet mit diesem in der endgültigen Fassung 3945 Kapitel ([lat.]
capitula) kirchenrechtlicher Quellen in einer schwer verständlichen Systematik
zusammenfassenden, die Widersprüche kommentierend auflösenden Werk die
kirchenrechtliche Wissenschaft. Als erster Teil des um 1500 nichtamtlich, 1582
amtlich so genannten Corpus iuris canonici bleibt es bis 1918 in Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W.,
Das Eherecht des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20;
Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132;
Kuttner, S., Research on Gratian, (in) Seventh International Congress of
medieval Canon Law, 1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret
Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A.,
The Making of Gratian’s Decretum, 2000
Graubünden ist
der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder
Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur →Eidgenossenschaft in
Beziehung tretende Kanton (1803/1815) der →Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Jecklin, F., Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde,
Teil 1f. 1907ff.; Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton
Graubünden, 1920; Pieth, F., Die Umbildung des Freistaates
der drei Bünde in den Kanton Graubünden, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57 (1928); Liver, P., Vom
Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der historisch-antiquarischen
Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos, K., Das gesetzliche
Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des Zehngerichtenbundes,
1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes, 1936; Müller, I., Die
Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz. Gesch. 21 (1941), 137;
Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen Statutarrechten, 1942;
Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.;
Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Staatsarchiv
Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960, hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C.,
Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni. P., Einflüsse des deutschen
Rechtes Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f. 1980f.;
Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens, 1982;
Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M., Entstehung und
Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb, C., Die
Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003; Der
Zehngerichtenbund, bearb. v. Meyer-Marthaler, E., 2008
gravamen (lat.
[N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)
Gravina,
Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel
(Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für
kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701 veröffentlichten (lat.)
Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des weltlichen Rechtes).
Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo
Gravina, 1962
Graz (zu
slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt neben einer Burg genannt
(Bestätigung der Freiheiten 27. 2. 1281 durch Rudolf von Habsburg). Seit 1379
ist es Residenz. (1584/)1586 erhält es zum Zweck der Gegenreformation eine (Jesuiten-)Universität,
neben der und an der auch juristischer Unterricht stattfindet. 1778 wird nach
Aufhebung des Jesuitenordens eine juristische Fakultät eingerichtet.
Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928;
Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Die Handschriften der
Universitätsbibliothek Graz, bearb. v. Kern, A., 1942; Ebert, K., Die Grazer Juristenfakultät
im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte an der Universität
Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978;
850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des Rechts. Festschrift
zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz,
hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992;
Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz, 2002; Geschichte
der Stadt Graz, hg. v. Brunner, W., 2003; Professoren erinnern sich, hg. v.
Wünsch, H., 2008; Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus Graz, hg.
v. Acham, K., 2010
Gregor VII. („Hildebrand“ Sovana/Toskana um 1020/1025-Salerno (Exil)
25. 5. 1085) wird um 1045 vielleicht (lat.) cappellanus Papst Gregors VII.,
nach Rückkehr aus einem Exil (in Köln) Kardinalsubdiakon, 1058/1059 Archidiakon
und am 22. 4. 1073 mit etwa 50 Jahren durch Akklamation Papst. Im Investiturstreit
bekämpft er den weltlichen Einfluss auf die Besetzung kirchlicher Ämter. Unter
ihm erhalten kirchliche Rechtstexte größere Bedeutung.
Lit.: Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Cowdrey, H., Pope Gregory VII., 1998;
Blumenthal, U., Gregor VII., 2001; Schieffer, R., Papst Gregor VII., 2010
Gregorius ist
der Verfasser des →Codex Gregorianus.
Gregor von Tours
(Clermont 30. 11. 538/539-Tours 17. 11. 594), aus gallorömischer adeliger
Bildungsschicht, seit 573 bzw. 576 Bischof von Tours, überliefert in seinen
zehn Büchern Geschichte (lat. Decem libri [M.Pl.] historiarum) glaubhaft. aber
auslegungsbedürftig wichtige Gegebenheiten der frühmerowingischen Frankenzeit.
Lit.: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri X, hg.
v. Krusch, B., 1884, 2. A. 1937ff.; Ringel, W., Das Strafrecht des Gregor von
Tours, Diss. jur. Leipzig 1912; Weidemann, M., Kulturgeschichte der
Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988;
Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; Scheibelreiter, G.,
Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit, 1999; The World of Gregory
of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002
Greife ist
der Angehörige eines vor 1124 christianisierten Herzogsgeschlechts der Pomoranen
(Pommern), das seit 1215 einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M.,
Genealogie des pommerschen Herzogshauses, 1937
Greifswald nahe
der Ostsee am Fluss Ryck (um 1241 Marktsiedlung des Klosters Eldena, 1248
oppidum Gripheswald) mit →lübischem Stadtrecht (1250) erhält 1456 eine
Universität (1456-1524 3317 Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von
Ernst Friedländer 1893f. veröffentlicht, Spruchfakultät 1561-1891, 1631-1815
unter der Herrschaft Schwedens, Professoren wirken auch am Konsistorium, am
Hofgericht und am Oberappellationsgericht), die 1945 von der Sowjetunion in
ihrer Besatzungszone geschlossen, 1991 aber im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern der Bundesrepublik Deutschland wieder eröffnet wird.
Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS
zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die
Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik
1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp,
K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch
(1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in
Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000;
Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der
Universität Greifswald, 2004; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v.
Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff.; Die Universität Greifswald und die
deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W.,
2004; Justitia in Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2004; Universität und
Gesellschaft, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2006; Die pommerschen Hofgerichte,
hg. v. Jörn, N., 2007; Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte, hg.
v. Alvermann, D. u. a., 2008; Das Dekanatsbuch der philosophischen Fakultät der
Universität Greifswald 1456-1662, übers. v. Thümmel, H., 2008; Greifswald -
Spiegel der deutscher Rechtswissenschaft 1815 bis 1945, hg. v. Lege, J., 2009; Ott,
S., Die Rechtsprechung des Greifwalder Oberappellationsgerichts in
Strafsachen (1815-1849), 2009; Thümmel, H., Greifswald, 2010; Igel, K.,
Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus, 2010; Quellen zur Verfassungsgeschichte der
Universität Greifswald, hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1f. 2011f.
Grenze (mhd. granizze 1262, aus slaw. hranice, lat. granica älter, aus slaw.
hranice, vorhergehende ahd. Bezeichnung marka) ist die Trennungslinie zwischen zwei Bereichen,
insbesondere zwei Staaten oder zwei Grundstücken. Ursprünglich nur wenig genau
bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und zunehmender
Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert (z. B.
Grenzsteine, 14. Jh. Schlagbäume). Für die Grenzfestlegung entwickeln sich
besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt wird.
Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit findet vielfach ein der
Herkunft nach unbekannter, der Vergewisserung dienender gemeinsamer jährlicher
Grenzumgang von Dorffluren und anderen Bereichen statt. Die Dialekte in
Grenzorten gleichen sich seit der Neuzeit infolge der Medien meist der
Standardsprache der übergeordneten politischen Einheit an.
Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828,
Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche
Grenzaltertümer aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwäbische
Untergang, 1933; Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp,
H., Grenzen in Ostmitteleuropa, 1972; Nicklis, H., Von der grenitze zur Grenze,
Bll. f. d. Landesg. 128 (1992), 1; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg.
v. Demandt, A., 3. A. 1993; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft,
1996; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Menschen und Grenzen in der frühen
Neuzeit, hg. v. Schmale, W. u. a., 1998; Grenze und Differenz im frühen
Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg,
H., 2000; Grenzen weltweit, hg. v. Becker, J. u. a., 2. A. 2006; Die Grenze als
Raum, hg. v. François, J. u. a., 2007; Grenzen in Europa, hg. v. Gehler, M. u.
a., 2009; Philippi, N., Grenzsteine in Deutschland, 2009; Grenzziehungen, hg.
v. Schwark, T. u. a., 2011; Grenzen im Raum - Grenzen in der Literatur, hg. v.
Geulen, E. u. a. 2011
Greyerz (Gruyères)
Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères, 1939,;Rennefahrt,
H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22
(1942), 321
Grieche ist
der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen
abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt.
Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen (Homers) von Ilias und Odysee sich
lichtenden Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte
des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (griech. [F.] polis) aus (Sparta, Athen und
viele andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander,
Anaximenes, Xenophanes, Heraklit, Demokrit, Pythagoras, Sokrates, Plato,
Aristoteles, Geschichtsschreiber Herodot, Thukydides, Polybios). Ihr Recht ist
durch schon im 8. oder 7. Jh. v. Chr. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon,
Drakon, weiter Zaleukos, Charondas, Philolaos, Pheidon) und die
rechtsphilosophische Unterscheidung von natürlichem Recht (→Naturrecht)
und von Menschen gesetztem Recht gekennzeichnet. Eine besondere Rechtswissenschaft
ist nicht näher bekannt. Aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. sind Gerichtsreden und
Inschriften (u. a. Recht von Gortyn auf Kreta um 450 v. Chr.) überliefert, seit
dem 3. Jh. v. Chr. Papyri (in Ägypten). Insgesamt ist die erhaltene griechische
Literatur der Antike (Homer, Hesiod, Herodot, Pindar. Thukydides, Spohokles,
Eurypides, Lysias, Aristophanes) sehr viel umfangreicher als die lateinische. Europa
verdankt den Griechen vor allem die Vorstellung politischer und persönlicher
Freiheit sowie Grundlagen von Literatur, Philosophie und Wissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 1877, 3. A. 1892, Neudruck 1955;
Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen
Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS
1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi,
A., Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der
Griechen, 1985; Lendle, O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung,
1992; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und
der Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004; Köbler,
G., Rechtsgriechisch, 2004, 2. A. 2011; Greek Colonization, hg. v.
Tsetskhladze, G., 2006ff.; Karvounis, C., Aussprache und Phonologie im
Altgriechischen, 2007, 2. A. 2009; Köbler, G., Altgriechisches Abkunfts- und
Wirkungswörterbuch, 2007 (im Internet); Szlezák, T., Was Europa den Griechen
verdankt, 2010; Handbuch der griechischen Literatur der Antike, hg. v.
Zimmermann, B., Bd. 1 2011; A new Working Bibliography of Ancient Greek Law,
hg. v. Sundahl, M. u. a., 2011; Robinson, E., Democracy beyond Athens, 2011
Griechenland ist
der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1.
1981 der →Europäischen Gemeinschaft (1993 →Europäischen Union)
angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten (z. B. →Athen)
gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt,
gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom
bzw. →Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem
4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach
Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 bzw. mit Gesetz vom 23. 2. 1835 der →Hexabiblos
(von 1345 n. Chr.) als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830
wird G. als unabhängige Erbmonarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der
bayerische Prinz Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Der Code de commerce
(Handelsgesetzbuch) Frankreichs wird übernommen. Das danach geschaffene Recht
ist vom deutschen Recht der Pandektistik geprägt (1832-1834 bzw. 1833-1835 Georg
Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts- und Notariatsordnung,
Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines Zivilgesetzbuchs, daneben Ionisches
Zivilgesetzbuch 1841, Zivilgesetzbuch von Samos 1899, Kretisches
Zivilgesetzbuch 1903). Das Verwaltungsrecht steht unter dem Einfluss
Frankreichs. 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, aber auch von
Frankreich und der Schweiz beeinflusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen
Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des gemeinen Rechtes (→Hexabiblos)
beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird
die Republik ausgerufen. 1981 tritt Griechenland den europäischen
Gemeinschaften bei, so dass das griechische Recht seitdem unter den Einfluss
des europäischen Rechtes der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der
Europäischen Union gerät. Um 2010 gerät G. wegen seines überhöhten Staatshaushaltdefizits
ain eine wirtschaftlich sehr schwierige Lage.
Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v.
Zachariae von Lingenthal, K., Bd. 1ff. 1856ff.; Lipsius, J., Das attische
Recht, Bd. 1ff. 1905ff., Neudruck 1984; Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zepoes, J.
u. a., 1931, Neudruck 1962; Jones, J., The Law and Legal Theory of the Greeks,
1956; Mantzoufas, G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das
griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Plagianokos, G., Die
Entstehung des griechischen Zivilgesetzbuchs, 1963; Woodhouse, C., The story of
modern Greece, 1968; Wolff, H., Zur griechischen Rechtsgeschichte, 1968; Larsen,
J., Greek Federal States, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,5,473; Lexikon des frühgriechischen Epos, hg. v. Thesaurus linguae Graecae,
begr. v. Snell, B., Bd. 1-5 1979 ff.; Gschnitzer, F., Griechische
Sozialgeschichte, 1981, 2. A. hg. v. Chaniotis, A. u. a. 2013; Triantafyllopoulos,
J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Bengtson, H., Griechische Geschichte,
8. A. 1994; Schuller, W., Griechische Geschichte, 4. A. 1995, 6. A. 2008; Bauman,
R., Political Trials in Ancient Greece, 1990, Neudruck 2013; Inschriftliche
Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993; Selb, W.,
Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der
griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof,
K., 1993; Troianos, S. u. a., Istoria dikaiou, 1993, 3. A. 2002; Argyriades,
C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C., Griechische Geschichte,
1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Osborne, R., Greece in the
Making (100-479 BC), 1996, 2. A. 2009; Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the
Greek States, 1997; Einleitung in die griechische Philologie, hg. v.
Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der griechischen Antike, hg. v.
Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the Ancient Greeks, 1999; Thomas,
C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999; Botsiou, K., Griechenlands Weg nach
Europa, 1999; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im
antiken Griechenland, 1999; Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000;
Riemer, P./Weißenberger, M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der
Gräzistik, 2000; Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre.
Griechisch-deutsche Wechselwirkungen, hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000;
Encyclopedia of Greece and the Hellenic Tradition, hg. v. Speake; G., 2000;
Welwei, K., Die griechische Frühzeit, 2002; Lotze, D., Griechische Geschichte,
5. A. 2003; Rose, H., Griechische Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean
Greece in the Fourth Century BC, 2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei
den Griechen, 2003; Barceló, P., Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler,
G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta, H., Zur juristischen Professionalisierung im
alten Griechenland, FS Rudolf Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History,
2004; Sünderhauf, E., Griechensehnsucht und Kulturkritik, 2004; Linke, B.,
Religion und Herrschaft im archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The
Cambridge Companion to Ancient Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005; A Companion
to the Classical Greek World, hg. v. Kinzl, K., 2006; Freitag, K., Ethnogenese,
Ethnizität und die Entwicklung der griechischen Staatenwelt in der Antike, HZ
285 (2007), 373; Low, P., Interstate Relations in Classical Greece, 2007; Schmitz,
W., Haus und Familie im antiken Griechenland, 2007; Prosopography and
Onomasticon of Aegean Thrace, hg. v. Parissaki, M., 2007; Gagarin. M., Writing
Greek Law, 2008; Introduction to Greek Law, hg. v. Kerameus-Kouyris, K., 3. A. 2008;
Das Bild Griechenlands im Spiegel der Völker, hg. v. Konstantinou, E., 2008; Schulz,
R., Kleine Geschichte des antiken Griechenland, 2008; Fischer, J., Griechische
Frühgeschichte bis 500 v. Chr., 2009; Zeitler, C., Zwischen Formalismus und
Freiheit, Diss. jur. Passau 2009 (Prozess gegen Sokrates); Cartledge, P.,
Ancient Greece, 2009; A Companion to Archaic Greece, hg. v. Raaflaub, K. u. a.,
2009; Bers, V., Genos dikanikon, 2009; Die griechische Welt, hg. v.
Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2010; Barta, H., Graeca non leguntur?, 2010ff.; Welwei,
K., Griechische Geschichte, 2011; Griechische Heiligtümer als Erinnerungsorte,
hg. v. Haaske, M. u. a., 2011; Dreyer, B., Polybios, 2011; Parashu, D., Die
Weimarer Reichsverfassung und die Verfassung der 2. hellenischen Republik von
1927, 2012; Farenga, V., Citizen and Self in Ancient Greece, 2012; Lambert, S.,
Inscribed Athenian Laws and Decrees 352/1-322/1 BC, 2012; Polybios und seine Historien, hg. v.
Grieb, V. u. a., 2013; Froehlich, S., Handlungsmotive bei Herodot, 2013
Grimm,
Jakob (Jacob Ludwig Carl) (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863), Amtmannssohn,
wird nach der Kindheit in Steinau, dem frühen Tod des Vaters und der Mutter und
dem Schulbesuch in Kassel (1798), dem Rechtsstudium in Marburg (1802) (Savigny)
und der Begleitung Savignys (Januar-September 1805) nach Paris 1806
Sekretäranwärter des Kriegskollegiums in Kassel und nach dem abschlusslosen Abbruch
des Rechtsstudiums (1807) 1808 Privatbibliothekar des Königs von Westphalen
in Kassel, 1816 nach dem Ende Westphalens kurfürstlicher zweiter Bibliothekar
in Kassel (1819 philologischer Ehrendoktor Marburgs, 1828 nach Erscheinen der deutschen
Rechtsaltertümer juristischer Ehrendoktor der Universitäten Berlin und Breslau
sowie später Prag) und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837
wird er als einer der Göttinger Sieben (→Göttingen) des Amtes enthoben, 1838/1840
mit festen Bezügen nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828
erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm
Grimm [Hanau 24. 2. 1786-Berlin 16. 12. 1859, 1803 Studium der
Rechtswissenschaft in Marburg, 1806 Abschluss, 1819 Ehrendoktor Marburg]), den
deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer,
über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen
Weistümer sowie 1854ff. sein seit 1836 oder 1837 vorbereitetes deutsches
Wörterbuch von Luther bis Goethe, durch die Jakob G. den germanistischen Teil
der historischen Rechtsschule nicht unmaßgeblich beeinflusst.
Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht,
Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches
Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Hübner, R., Jakob Grimm und das deutsche Recht,
1895; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A., 1923; Briefwechsel der
Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v. Leitzmann, A., 1927; Gerstner,
H., Brüder Grimm, 1952, 9. A. 1997; Briefe der Brüder Grimm an Savigny, hg. v.
Schoof, W., 1953; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W.,
Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm
und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v.
Ebel, W., 1967; Denecke, L., Jakob Grimm und sein Bruder Wilhelm, 1971; Jacob
Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974; Seitz, G., Die Brüder
Grimm, 1984; Wyss, U., Jakob Grimms Selbstbiographie, 1984; Dilcher, G., Jakob
Grimm als Jurist, JuS 1985, 931; Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v.
Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Kultur
und Politik, hg. v. Heidenreich, B. u. a. 2003; Briefwechsel der Brüder Jacob
und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in
Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a., 2004; Briefwechsel der Brüder Jacob und
Wilhelm Grimm mit den Verlegern des „Deutschen Wörterbuchs“, hg. v. Kirkness,
A., 2007; Martus, S., Die Brüder Grimm, 2009; Die Brüder Grimm in Marburg, hg.
v. Hedwig, A., 2013
Groenbech, Vilhelm Peter (Allinge/Bornholm 14. 6. 1873-Helsingoer/Nordseeland 21.
4. 1948), 1902 Dissertation zur Lautgeschichte des Türkischen dänischer
Religionshistoriker in Kopenhagen (1915-1943), der eine Gesamtschau der germanischen
Kultu versucht.
Lit.: Vor
folkeaet i oldtiden, 1909ff.; Nachruf ZRG GA 66 (1948), 597f. (Erler, Adalbert)
Groicki, Bartolomaeus (Rzesszów 1534?-Krakau 1605), 1559 Schreiber des Oberhofs
Krakaus, 1558 erstes juristisches Buch in polnischer Sprache, seine Werke
ersetzen in der Gerichtspraxis das fehlende Gesetzbuch des Stadtrechts
Lit.:
Kowalski, G., Bartlomiej Groicki, 2005
Grolman,
Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach
dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen und 1819
Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung ein, dass
es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter deren künftigen
Verbrechen vorzubeugen (→Spezialprävention).
Lit.: Esselborn, K., Grolman, (in) Hessische Biographien,
Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen
1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998
Groningen wird
im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es in den Niederlanden Sitz eines
Bischofs. 1614 erhält es eine Universität Jean Barbeyrac, Anton Matthäus).
Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die
Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99; Onderwijs
en onderzoek, hg. v. Huussen, A. jr., 2003
Grönland ist
die verwaltungsmäßig zu →Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G.
wird wohl schon 900 von →Wikingern entdeckt. Die ab 982 anschließende
Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter
Dänemark. Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstverwaltung.
Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i middelalderen,
1934; Dúason, J., Die koloniale Stellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History
of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525; Schmidt,
M., Grönland - Wo Nacht und Kälte wohnt, 2011
Großbritannien ist der nordwesteuropäische, zwischen Irland und
Frankreich gelegene, seit 1. 1. 1973 der →Europäischen Gemeinschaft bzw.
seit 1993 der →Europäischen Union angehörende Staat. Er entsteht 1707
durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und
Schottland in eine →Realunion (Vereinigung des englischen und schottischen
Parlaments). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and
Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben). Seit der Thronbesteigung
des Hannoveraners Georg I. (1714) wird es durch Handel und Industrie das reichste
Land der Welt (ein Viertel der Eroberfläche, ein Viertel der Weltbevölkerung,
aber Autonomie seit 1855 für Neufundland, 1867 Kanada, 1901 Australien, 1907
Neuseeland, 1920 Südafrika). Seit dem 20. Jh. geht seine Bedeutung weltweit
zurück. Durch das Westminsterstatut vom 11. 12. 1931 wird die Bezeichnung
Empire für das britische Weltreich durch die Bezeichnung Commonwealth ersetzt.
Die ungeschriebene Verfassung Großbritanniens nähert sich unter dem Einfluss
des Europarechts den kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights
Act zur Aufnahme der Europäischen Menschenrechtskonvention). →England, →Schottland,
→Irland
Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961;
Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter,
G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der
Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung
und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D.,
1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private
Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford
Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das
politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische
Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall,
P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen
Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A.
1999; Oxford History of the British Empire, Bd. 3 hg. v. Winks, R., 1999; A
Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R.,
revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C.,
Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000,
2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen
Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R.,
Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M.,
Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien
seit 1945, 2005; Asch, R., Jakob I. (1566-1625), 2005; Webster, A., The Debate
on the Rise of the British Empire, 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the
Protestant Interest 1688-1756, 2006; The Hanoverian Dimension in British
History 1714-1837, hg. v. Simms, B. u. a. 2007: Wende, P., Das britische
Empire, 2008; Games, A., The Web of Empire, 2008; The Seventeenth Century, hg.
v. Wormald, J., 2008; The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v.
Blom-Cooper, L., 2009; Brüggemeier, F., Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert,
2010; Wasson, E., A History of Modern Britain, 2010; Rose, A., Zwischen Empire
und Kontinent, 2011; Angster, J., Erdbeeren und Piraten - Die Royal Navy und
die Ordnung der Welt 1770 bis 1860. 2012, 2. A. 2012; Ibhawoh, B., Imperial
Justice. Africans in Empire’s Court, 2013
großdeutsch (Adj.) den deutschen Sprachraum einschließlich Österreichs umfassend
Großherzog ist
der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg,
Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).
Grotius (de
Groot), Hugo (Huig) (Delft 10. 4. 1583-(nach Schiffbruch bei) Rostock 28. 8.
1645), Patrizierssohn, wird nach dem 1594 begonnenen Studium (vor allem der
Philologie und Geschichte) in Leiden und der (wohl vor allem ehrenhalber
erfolgten) juristischen Promotion in Orléans (1598, 15jährig, 1598-1600 Traktat
de republica emendanda) 1599 mit 16 Jahren Anwalt in Den Haag, 1607
Oberstaatsanwalt bei dem Gerichtshof von Holland und 1613 Syndikus Rotterdams
1604/1605 oder 1606-1608 erarbeitet er in und nach Verteidigung von Ansprüchen
der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (VOC von 1602), deren Aktionär er war,
gegen auf Aneignung, Besitz, Papst und Gewohnheit gegründete Ansprüche
Portugals das auch auf römisches Recht und antike Ethik gestützte Werk (lat.)
De iure praedae commentarius (Vom Recht der Beute, verfasst 1604-1606, 12.
Kapitel veröffentlicht 1609 unter dem Titel Mare liberum, Freies Meer), in dem
er zu Gunsten der Handelsgesellschaft den Grundsatz der Freiheit der Meere
vertritt. 1619 wird er mit 36 Jahren als Remonstrant aus politischen Gründen zu
lebenslanger Haft verurteilt, aus der er 1621 in einer Bücherkiste nach
Frankreich flieht (1631 Holland, 1632 Hamburg, 1634 Botschafter Schwedens in
Frankreich, 1645 Rückreise nach Schweden). In der Gefangenschaft (1619-1621) verfasst
er die 1631 veröffentlichte niederländische, der Systematik der Institutionen
Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der
Verbannung (1621ff.) auf der Grundlage der spanischen Spätscholastik Vitoria,
Soto, Vasquez de Menchaca, Molina) sein das Recht der ganzen Menschheit
umfassendes Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625, Drei
Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum, Vertrag,
unerlaubter Handlung oder Strafe]). Damit begründet er über die aus der
Moraltheologie stammenden Naturrechtslehren das Naturrecht in der Rechtswissenschaft,
dessen Sätze unmittelbar aus der vernünftigen Natur des Menschen folgen und
auch gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe, und festigt das Völkerrecht.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of
Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae,
S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Ter
Meulen, J. u. a., Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius, 1950; Wellschmied,
K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de,
Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a.,
1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo
Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des
écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii Instutiones
juris Hollandici e Belgico in Latinam sermonem translatae, hg. v. Fischer, H.,
1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R.,
Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als
Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1984;
Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Das
römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Schnepf, R.,
Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der
Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v.
Konegen, N. u. a. 2005; Straumann, B., Hugo Grotius und die Antike, 2007;
Nellen, H., Grotius, 2007; Hugo, Grotius. Liberum mare (1609-2009), hg. v.
Feenstra, R.,, 2009
Grund (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Grundbuch (Wort in einem einfacheren Sinn Wien 1389 belegt, Grundbuchamt Preußen
1872, Grundbuchberichtigung 1872) ist
das vom Grundbuchamt geführte, alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken
betreffenden Beurkundungen aufnehmende öffentliche Register. Die ältesten
Belege des Wortes verstehen unter G. allerdings nur ein Verzeichnis der Grundstücke
und Einkünfte einer Grundherrschaft. Die Ursprünge des Grundbuchs liegen im
Mittelalter (→Köln um 1130 →Schreinskarten, Metz [1197], Andernach
[12. Jh.], Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung
erfolgt zunächst nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen
(Personalfoliensystem), in Anklam (1401) und Hannover (1428) bereits nach
einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient anfangs der
Gedächtnisstützung, gewinnt später aber selbständigen (konstitutiven)
Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechtes drängt das G. zurück. Zwecks
Verbesserung des Grundstücksverkehrs ordnet Preußen am 28. 9. 1693 für Berlin
ein Erb- und Lagerbuch mit der Folge mangelnder Geltung von Pfandrechten bei
Nichteintragung an, erlässt eine Hypothec- und Concursordnung vom 22. 2. 1722 und
eine allgemeine Hypothekenordnung vom 20. 12. 1783 (Realfolium). Zunächst nur
in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen Grundbuch- und Hypothekengesetz
vom 6. 11. 1843, Österreich [1794 böhmisches Landtafelpatent, 1812 Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch mit Eintragungsgrundsatz und Vertrauensgrundsatz,]
1871 Grundbuchsgesetz [in Tirol und Vorarlberg chronologisch geordnete
Verfachbücher bis 1897 bzw. 1900, 1951 Anlegung des Grundbuchs in Vorarlberg
vollendet, 1955 Neufassung Allgemeines Grundbuchsgesetz ohne grundlegende
Neuerungen], Preußen Gesetz über den Eigentumserwerb und die dingliche
Belastung der Grundstücke 5. 5. 1872, Deutsches Reich Grundbuchordnung 24. 3.
1897), setzt es sich aus Verkehrsbedürfnissen durch (Dreiteilung in a) Eigentümer
und Erwerbsgrund, b) Belastungen wie Reallasten, Dienstbarkeiten u. s. w., c) Grundpfandrechte wie Hypotheken u. s. w., 1935 Vereinheitlichung der in den
Ländern unterschiedlichen Ausführung). 1995 beschließt Griechenland als (bislang)
letzter Mitgliedstaat der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten.
Seit etwa 1980 wird das Grundbuch elektronisiert bzw. digitalisiert (vgl. § 126
I 1 GBO).
Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H.,
Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die
geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in
Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L.,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme,
P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Das zweite
stralsundische Stadtbuch (1310-1342), bearb. v. Ebeling, R., 1903; Rehme, P.,
Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39
(1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A.,
1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und Grundbucheintragung,
1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht, 1948; Abendroth, K., Die
Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher, Diss. jur. Hamburg 1950;
Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher zur Entwicklung des
Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958); Hammer, E., Die
Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das Haus- und
Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1;
Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus
incorporalibus“, ZRG GA 94 (1977), 218; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Niklaus, J., Die Geschichte des Grundbuchs im Kanton
Bern, 1999; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte
1997, 33; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Grunddienstbarkeit (1721) ist die →Dienstbarkeit
(lat. [F.] servitus), bei der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen
Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser
das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück
gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines
Rechtes ausgeschlossen ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit
der Zunahme der Siedlungsdichte entwickeln sich Nutzungsrechte an fremden
Grundstücken. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im ausgehenden
Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß bestimmten Personen zustehenden
(persönlichen) Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines
Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten) ein.
Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte
deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten
nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Grundeigentum ist das →Eigentum an einem →Grundstück. Im Mittelalter ist
das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich gebunden. Im
19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.
Lit.: Judeich, A., Die Grundentlastung in Deutschland,
1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und
Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern,
1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E.,
Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen
Eigentumsübertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst,
V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte
des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von
Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die
preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3;
Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999; Bertram, K.,
Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundbuchs in der ersten Phase der
freanzösischen Revolution, 2000
Grundentlastung ist die Aufhebung der Grundherrschaft (und Patrimonialgerichtsbarkeit)
(z. B. in Österreich durch Grundentlastungspatent vom 30. 8. 1848 Richstag/7.
9. 1848 Kaiser auf Antrag Hans Kudlichs vom 26. 7. 1848, geldliche Abwicklung
durch Entschädigungszahlung der Bauern innerhalb zehner Jahre weitgehend
gelungen). →Bauernbefreiung.
Gründerleihe ist die Bodenleihe an Siedlungsgründer (z. B. Gent 941,
Holländer an der Unterelbe 1106, Freiburg im Breisgau 1120?) als freie
Erbleihe.
Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums, 1861; Kroeschell,
K., Weichbild, 1960
Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland ist (im losen sprachlichen Anschluss an ältere [lat.]
leges fundamentales, grundlegende Gesetze) die Verfassung(surkunde) der
Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (am 8. 5. 1949 für eine
Übergangszeit beschlossen, mit 24. 5. 1949 in Kraft). Das G. entsteht auf
Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den
11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8.
1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts
aus. Dieser wird von einem →Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet,
von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen
von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er versteht die Bundesrepublik
Deutschland als Bundesstaat, Rechtsstaat, Sozialstaat, Republik und streitbare
Demokratie und gliedert sich in einen Grundrechtsteil (mit unmittelbarer
Geltung) und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat,
Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesverfassungsgericht und [5 weitere]
Bundesgerichte). Es ist inzwischen vielfach geändert, trägt aber noch den
ursprünglichen Namen, der informell auch mit Bonn in Beziehung gebracht werden
kann (Bonner Grundgesetz). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts haben
unmittelbare Geltung. Im Zuge von Europäisierung und Globalisierung sind
geschichtliche Einzelheiten vermutlich zu überdenken.
Lit.: Köbler, DRG 256; Maunz, T./Zippelius,
R./Würtenberger, T., Deutsches Staatsrecht, 32. A. 2008; Vorgeschichte der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den
Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland,
hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes,
NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v.
Schneider, H., Bd. 1ff. 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das
Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083;
Bauer, A./Jestedt, M., Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg
zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung
des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999;
Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des
Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v.
Brakelmann, G., 1999; Dokumente zur neuesten deutschen Verfassungsgeschichte,
hg. v. Wilms, H., 2001; Spevack, E., Allied Control and German Freedom, 2002;
Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes – Dokumente -,
hg. v. Wilms, H., 2003; Frankenberg, G., Grundgesetz, 2004; Das Grundgesetz
zwischen Stabilität und Veränderung, hg. v. Huber, P., 2007; Grundgesetz - Textausgabe
mit sämtlichen Änderungen, hg. v. Dreier, H. u. a., 2006, 2. A. 2007, 4. A.
2009, 5. A. 2010, 6. A. 2011, 7. A: 2012, 8. A. 2013;: 60 Jahre Grundgesetz,
hg. v. Stern, K., 2010; Bauer, J., Der Beitrag der FDP-Fraktion im
Parlamentarischen Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes, 2013
Grundgesetz über die Reichsvertetung →Februarverfassung (1861)
Grundherr →Grundherrschaft
Grundherrschaft (M. 19. Jh.s) ist die von einem
(weltlichen oder geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Herzog, Bischof, Abt)
beherrschte Gesamtheit von Gütern samt den darauf befindlichen Leuten, die dieser
von einem Haupthof (→Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern
(Grundholden, Hintersassen) bewirtschaftet (so genannte Villikationsverfassung).
Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von umfangreichem Eigentum an
Grundstücken und Herrschaftsrechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vorformen
der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist
bereits im Frühmittelalter die G. (als Herrschaft über Land und Leute mit bis
zu 5000 Höfen) im Reich der Franken weit verbreitet. In sie treten Bauern
häufig durch Vergebung ihres Hofes an einen Herren ein. Die meist unfreien
Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks →Abgaben
und →Dienste zu leisten. Der Grundherr gewährt (außer Landnutzung) Schutz
und Schirm. Die G. ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung von
Landesherrschaft. Der Grundherr erlangt danach vielfach Patrimonialgerichtsbarkeit
und Polizeigewalt. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter
wird die G. zur →Rentengrundherrschaft, in der Herrschaftsrechte
allmählich auf den Staat übergehen. Im Nordosten des Reiches entwickelt sich die
G. seit dem Spätmittelalter zur →Gutsherrschaft. Wo die Grundherren die
Eigenwirtschaft aufgeben und das betreffende Land an Bauern ausgeben,
entfällt die Verpflichtung zu Frondienst. Bereits im 15. Jh. können
unterschiedliche Arten von Herrschaft über Land aus der G. entwickelt sein. Seit
dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein
beseitigt (→Bauernbefreiung, Ablösungsgesetzgebung, Österreich Grundentlastungspatent
vom 30. 8. 1848 Reichstag/7. 9. 1848 Kaiser). Grundsätzlich ist die
(bäuerliche) G. vom (adligen) →Lehen streng zu trennen.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174;
Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Knapp, T., Die
Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke,
R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901;
Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H.,
Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G., Markgenossenschaft
und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die
Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927; Klein,
H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter,
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934);
Perrin, C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die
mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und
Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um
die Stadt Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Adel und
Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Kötzschke,
R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen Agrarwresen, 1953; Schreiber, A.,
Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen
Klostergrundherrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und
Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959;
Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchenbuch, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Henning,
F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland, Bd. 1f. 1978f.; Lindkvist,
T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v.
Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984;
Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft
und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W.,
Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Rösener,
W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992; Troßbach, W., Bauern 1648-1806, 1993; Scherner, K., Ut propriam familiam
nutriat - Zur Frage der sozialen Sicherung in der karolingischen
Grundherrschaft, ZRG GA 111 (1994), 330; Čechura, J., Die Struktur der
Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft
und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im
Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della
signoria rurale, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche –
Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp,
A. u. a., 1997; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen
Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L., Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG
GA 121 (2004), 1; Grüninger, S., Grundherrschaft im frühmittelalterlichen
Churrätien, 2006 Winkelbauer, T., Gundaker von Liechtenstein als Grundherr,
2008; Heuvel, G. van den, Adlige Herrschaft, bäuerlicher Widerstand und
territorialstaatliche Souveränität, 2011; Rösener, W., Die Grundherrschaft als
Forschungskonzept, ZRG GA 120 (2012), 41; Stamm, V., Grundbesitz in einer
spätmittelalterlichen Marktgemeinde, 2013 (Gries bei Bozen); Freudenberg, S.,
Trado atque dono, 2013; Kuchenbuch, L., Die Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn
im 14. Jahrhundert, 2013
Grundholde →Grundherrschaft
Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik
Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen
Grundlagenvertrag 1972, 1993
Grundpfandrecht ist (als abstrakte wissenschaftliche Gattungsbezeichnung) das
in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende beschränkte dingliche Recht (besitzloses
Pfandrecht des Grundpfandgläubigers an einem Grundstück). →Hypothek, →Grundschuld
Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v.,
Das deutsche Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in
Graubünden, 1909; Weyermann, M., Zur Geschichte des Immobiliarkreditwesens in
Preußen, 1910; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten,
ZRG GA 54 (1934), 1; Hedemann, H., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jh.,
II 2 1935, Neudruck 1968, 192; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936,
Neudruck 1983; Herold, P., Geschichte des Zürcher Grundpfandrechts, 1939; Natzel,
N., Die Entwicklung des vertraglichen Grundpfandrechts, Diss. jur. Bochum 1970;
Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, (in)
Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1976; Buchholz, S., Absstraktionsbegriff und Immobiliarrecht, 1978; Schapp,
J., Zum Wesen des Grundpfandrechts (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1990, 477
Grundrecht ist
das dem Einzelnen zustehende, verfassungsmäßig verbürgte elementare Recht
gegen den Staat als einheitlichen Herrschaftsträger (subjektives öffentliches
Recht). Eine lose Vorform des Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der
englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) →Magna
Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten) als Privileg verbriefen
muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne
naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und
Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen
an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den
Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und
Declaration of Rights (1689) in England besondere Rechte des Einzelnen. In den
Einzelstaaten Nordamerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskriegs gegen
England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights,
[franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen
(12. 6. 1776 Virginia Bill of Rights) Eingang (26. 8. 1789 Déclaration des
droits de l’homme et du citoyen 26. 8. 1789 Frankreich). Nach Emanuel Joseph Sieyès
(1748-1836, Januar 1789) ist man nicht durch Privilegien frei, sondern durch
Rechte, die - entsprechend der französischen Revolutionsforderung der
Gleichheit - allen gehören. 1791 wird die Verfayssung der Vereinigten Staaten
von Amerika mit den ersten zehn amendments um die (Federal) Bill of Rights
ergänzt. Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (schwach
ausgeprägt in Bayern und Baden 1818 und Württemberg 1819, Österreich 25. 4. 1848
nur Staatszielbestimmungen, Kremsierer Entwurf, 4. 3. 1849 Grundrechtspatent
für Cisleithanien, im Silvesterpatent 1851 aufgehoben, sehr modern „Grundrechte“
des geplanten aber gescheiterten Deutschen Reiches 27. 12. 1848 [17. 1. 1849 in
Kraft und zwar auch für Österreich, 23. 8. 1851 durch Beschluss des Deutschen
Bundes aufgehoben], eher rückständig Preußen 1850, nicht die Verfassung von
1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz zum
einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen
der →Freiheit und der →Gleichheit (→Gleichheitsgrundsatz)
den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte, die
darüber hinaus selbst Grundlage von Herrschaft und sozialer Sicherung sein
sollen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stärkt die Bedeutung der
politisch-liberalen Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte in vielfacher
Hinsicht, so dass sie nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die
Gesamtrechtsordnung gewinnen. →Menschenrecht, Charta der Grundrechte
der Europäischen Union vom 12. 12. 2007, seit 1. 12. 2009 den Gemeinschaftsverträgen
gleichgestellt
Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231,
232, 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die
Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das
Grundrecht der Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom
Wiener Kongress bis zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der
Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927 (e-book 2013); Grundrechte und Grundpflichten
der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Voigt, A.,
Geschichte der Grundrechte, 1948; Bohatec, J., England und die Geschichte der
Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger
Konstituamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Schnur, R., Zur Geschichte der Erklärung
der Menschenrechte, 1964; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und
Grundfreiheiten im Umriss, 1968, 2. A. 1978; Hartung, F., Die Entwicklung der
Menschen und Bürgerrechte, 4. A. 1972; Die Grundrechtsdiskussion in der
Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im
süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarkschen
Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grund-
und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch,
G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck,
C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der
Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982; Stern, K., Grundideen
europäisch-amerikanischer Verfassungsstaatlichkeit, 1984; Köck, H., Der Beitrag
der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987;
Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur
spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1987; Brauneder, W.,
Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H., Dimensionen der
Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen Grundrechte, 1993;
Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K.,
Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius
commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte,
NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J.,
Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses,
FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger,
K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen
Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v.
Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheitsrechte
in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte
in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F.,
Entstehungsgeschichte der Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der
Weimarer Reichsverfassung, 2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D.
u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für
Österreich?, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R.,
Die Grund- und Menschenrechte in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004;
Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im
deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005; Staatsrecht der Bundesrepublik
Deutschland, hg. v. Stern, K., Bd. 4 2006f.; Mahlmann, M., Elemente einer
ethischen Grundrechtstheorie, 2008; Pannenborg, E., Inhalt und Bedeutung der
Grundrechte der Paulskirchenverfassung von 1848/49, 2013
Grundrente ist
der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand
des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine vermögensrechtliche →Reallast
ohne persönliche oder dingliche Abhängigkeit. Sie hat sich vermutlich aus der →Erbleihe
entwickelt. Später wird die G. vor allem durch →Rentenkauf geschaffen.
Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der
Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch gesicherte →Darlehen
ersetzt. Mit der Beseitigung des kanonischen Zinsverbots wird sie entbehrlich
und in ihren Resten bei der Gundentlastung des 19. Jh.s aufgehoben. In einem
anderen Sinn ist Grundrente auch eine Mindestrente im Rahmen der Sozialabsicherung.
Lit.: Hübner 397; Delbanco, G.,
Entwicklungsgeschichte der Grundrentelehre, 1921; Patzig, R., Kritische
Dogmengeschichte der Grundrente, 1923 (masch. schr.); Winter, H., Der
Rentenkauf in der freien Reichsstadt Schweinfurt, 1970
Grundruhr ist
die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche
Folge der G. ist, dass das Gut (anfangs einschließlich der Besatzung) dem
zufällt, der es (auf seinem Grund und Boden) in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh.
wird dies von Kirche (1110, 1179) und Kaiser (1177) bekämpft und durch das
Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein
Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu.
Lit.: Kämpffer, J., Jus appulsus, Diss. jur. Jena 1680; Nittemaa,
V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955
Grundschuld (1807) ist eine Belastung eines
Grundstücks in der Weise, dass an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt,
eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg
ausgebildete G. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S.,
Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Grundsteuer ist
die von →Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten zu entrichtende →Steuer.
Sie wird bereits von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316) erhoben. Der
frühneuzeitliche Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen
Höhe ist künftig mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.
Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg.
v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992
Grundstück (1571, nach 1650?) ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im
Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts unter einer besonderen Nummer gebucht
ist). Im römischen Recht sind die italischen Grundstücke (lat.) →res
(F.Pl.) mancipi (handgreifbare Sachen), die durch (lat.) mancipatio) übertragen
werden. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die
bewegliche Sache. Dementsprechend wird nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) das Eigentum an beweglichen Sachen grundsätzlich durch Einigung und
Übergabe, das Eigentum an Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und
Eintragung in das Grundbuch übertragen. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirtschaftlich
genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung
eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 15. 3. 1918,
Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrsordnung
vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).
Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel,
F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann,
H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter,
G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die
Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56
(1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen,
1934; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln
während des Mittelalters, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der
Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die altdeutsche
Liegenschaftsübereignung, 1957; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des
Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Müller, W., Fertigung
und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister, H., Zur Entwicklung des
Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grundkredits in Österreich unter
besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen Gesetzgebung von
1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister, H., Die
Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen
Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984; Schwenk, A., Die Formbestimmung des § 313 BGB a.
F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene →Stadt
(z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Grundvertrag →Grundlagenvertrag
Grüne
Lit.:
Mende, S., „Nicht rechts, nicht links, sondern vorn“. Eine Geschichte der
Gründungsgrünen, 2011
Grupen, Christian Ulrich (1692-1767)
Lit.: Hoppenstedt, D., Christian
Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker, Hannoversche Geschichtsblätter,
neue Folge 25 (1971)
Gubernium ist die ab 1744 von Maria Theresia auf Betreiben Haugwitz‘ in den
einzelnen Ländern unter Ausschluss ständischer Mitwirkung eingerichtete absolutistische
Zentralstaatsbehörde für politische Verwaltung und Finanzverwaltung (Repräsentation
und Kammer), von der 1763 die Finanzverwaltung abgetrennt wird, zu der aber die
Justiz hinzukommt (in Österreich unter der Enns und in Schlesien Regierung). 1782
wird vom G. das Appellationsgericht verselbständigt. 1849 wird das G. durch die
Statthalterei ersetzt.
Lit.: Buchmann,
W., Hof - Regierung - Stadtverwaltung, 2002; Küpper, H., Einführung in die
Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Gudelinus (Goudelin),
Petrus (Ath 1550-Löwen 1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und
einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum
veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten
der Niederlande und Frankreichs.
Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit,
1976, 301
Guilelmus de Cuneo ist ein in Südfrankreich
vielleicht um 1270 geborener, promovierter, zeitweise in Toulouse lehrender
Jurist (lecturae, additiones ad glossam, Traktate).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 567
Gulathingsbok ist das in einer in Kopenhagen aufbewahrten Handschrift der Mitte des
13. Jh.s (Codex Rantzovianus um 1250) und in weiteren Fragmenten (um 1180?, um
1200) überlieferte, vielleicht in verschiedenen Redaktionen (Olavstext,
Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht des Things von Gula
(Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische Rechtsaufzeichnung
darstellt (daneben Frostathingsbok, Eidsivathingsbok, Borgarthingsbok). Es
behandelt in zehn Abschnitten etwa Kirche (Christenrecht), Familie, Erbe,
Strafe, Landleihe und Handel. 1267 setzt König →Magnus Hakonarson eine
neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft (bis 1274). Zahlreiche
Bestimmungen werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernommen.
Lit.: Maurer, K., DIe Entstehungszeit der älteren
Gulathingslög, 1872; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v.
Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A.
1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247
Gülte, Gült
(zum Zeitwort gelten), ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche →Grundrente.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das
Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer
Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358
Gundling,
Nicolaus Hieronymus (Kirchensittenbach 25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729),
Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und
Altdorf 1699 Hofmeister in Halle. Als Schüler Thomasius’ und wohl Stryks wird
er nach der Promotion (12. 7. 1703) 1705 Professor für Beredsamkeit und
Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten Reichshistorie, 1708). Er befasst
sich auch mit Fragen des Buchnachdrucks.
Lit.: Hempel, C., Nicolai Hieron. Gundlings umständliches
Leben und Schriften, 1736; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 302
Gürtel ist das zum Zusammenhalten oder Hochhalten der Bekleidung
in der Leibesmitte dienende Band. Der G. ist auch Gegenstand der
Rechtssymbolik.
Lit.: Schopphoff,
C. Der Gürtel, 2009
Gutachten ist
die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann. Bereits die klassische
römische Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v.
Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen (sog. Respondierjuristen) das Recht
verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhaupts (lat. [M.]
princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher
der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die
oberitalienischen Juristen (→Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als
Schüler des →Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der →Aktenversendung
beginnt seit dem 14. Jh.eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen
Fakultäten (bis 1877/1879) und entsteht ein Markt, auf dem
rechtswissenschaftliche Dienstleistungen in großer Zahl angeboten und
nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der aufgeworfenen Frage
des Bestellers aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.
Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107;
Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist,
E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen
1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der
Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung
der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott,
C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät
Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia.
Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H.,
Recht und Macht, 2010
Gutalagh ist
das vielleicht um 1220 auf Betreiben Erzbischof Andreas Sunesons oder nach 1285
(str.) in der Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei
Handschriften (um 1350, [1470 bzw.] 1587) überlieferte, bis 1595 gebrauchte,
ziemlich selbständige Recht (der Bauern) der Insel Gotland (Schwedens), das um
1400 in die deutsche Sprache und im 16. Jh. in die dänische Sprache übersetzt
wird.
Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E.,
Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976; Pernler. S., Gotlands
medeltida kyrkoliv, 1977
Gütergemeinschaft (Wort 1772) ist der
(vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der
Ehegatten, das sie bei Eingehung der →Ehe haben oder später erwerben,
kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich
bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen in der Form der →Errungenschaftsgemeinschaft.
Im Hochmittelalter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor,
wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) lässt die G. zu (vgl. § 1234
ABGB), erschwert sie aber (bevorzugte G. auf den Todesfall rechtstatsächlich bedeutungslos).
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen
Menschen bestehende allgemeine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich
festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der →Gesamthand
gilt.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267;
Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht
im 19. Jahrhundert, 1978; Schmüser, S., Die Anwendung der Vorschriften des
allgemeinen Landrechts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jelowik, L., Gütergemeinschaft als
Bürgschaftshindernis im Fuldaer Recht um 1890, ZRG GA 129 (20^12), 409
Guter Glaube (1429)
ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht ist
die (lat.) bona fides (gute Treue) Geltungsgrundlage und Beurteilungsmaßstab
formloser Konsensualverträge (Treu und Glauben) und gilt (nach D. 50, 17, 54)
der Grundsatz (lat.) →nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet
(niemand kann mehr Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre
Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand
gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer
Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf)
nach Ablauf der einjährigen Ersitzungsfrist den Erwerber vor dem Herausgabeanspruch
des Berechtigten. Demgegenüber sichern hochmittelalterliche deutsche Quellen
(z. B. Sachsenspiegel II, 60, 1) den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte
freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom
Dritten verlangt wird. Das lübische Recht führt 1586 im Interesse des
Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein.
Der Entwurf gebliebene (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, II, 8 § 4, vgl. §
367 ABGB von 1811) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber
in bestimmten Fällen zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung
g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant
entspricht der gutgläubige Erwerb distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB
(1861) teilt bei nicht gestohlenen oder verlorenen beweglichen Sachen dem
redlichen Erwerber in einem Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgen das
Bürgerliche Gesetzbuch 1900 und das Schweizer Recht (vgl. auch §§ 892f. BGB,
Art. 973f. ZGB für Grundtücksrechte, während das Zivilgesetzbuch der Deutschen
Demokratischen Republik (1975-1990) einen gutgläubigen Erwerb vom
Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält.
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212;
Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der
Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung
über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB),
Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici, 1965;
Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS H.
Coing, 1982, 389; Ogris, N., Guter Glaube an die Vertretungsmacht, 1987; Hinz,
W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Scavo Lombaro, L.,
La buona fede nel diritto canonico 1995; Imbusch, B., Der gutgläubige
rechtsgeschäftliche Erwerb gestohlener Sachen im deutschen Recht, 1999; Good
Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000; Engstfeld,
J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft
öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung, 2004;
Cardilli, R., Bona fides tra storia e sistema, 2004; Meyer, R., Bona fides und
lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition, 2004; Göhlert, T., Der
Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Güterrecht (1814, Güterrechtsregister 1895) →Ehegüterrecht
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Güterstand ist die Gesamtheit der güterrechtlichen Verhältnisse in einer Ehe. Eine
vertragliche Regelung ist in bestimmten Grenzen möglich. Sonst gilt der so
genannte gesetzliche G.
Gütertrennung (1846) ist der Ehegüterstand,
bei dem jeder Ehegatte alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung
gehörigen Güter bleibt und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe
erworbenen Güter wird. Bei den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer,
Unterhaltssicherung) in die Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur)
verwaltet. Dieser Güterstand der grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit
auf der Seite des Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den
deutschen Stämmen mit Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G.
von der →Gütergemeinschaft zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifikationen
behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB
(1811/1812) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer
Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsgemeinschaft verstanden
wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein
Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als
Regelgüterstand festgelegte →Zugewinngemeinschaft ist inhaltlich G. mit
Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben
ist die einfache G. zulässig.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder
R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.,
Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867;
Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das
germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut gewesen sei, so
dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der
von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können.
Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen Wirklichkeit,
in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen Bedürfnissen
ausformt (z. B. Strafe, Inquisitionsprozess, Königswahl, Lehen, Grundherrschaft,
Stadtrecht, Handelsrecht, Gesellschaft, Wechsel). Sie deckt sich unausgesprochen
allerdings mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung,
der im Recht der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechtsverdunkelung)
und die (Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen
notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche
auch im Mittelalter verkündet. In der Gegenwart wird die Lehre Kerns als
widerlegt angesehen, doch neigen manche Stimmen dazu, auf der Basis
anthropologischer Universalien dem Grundgedanken gleichwohl zuzustimmen.
Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom
Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der
Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im
Mittelalter, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93;
Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23;
Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Gute Sitten
(lat. →boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die vom Recht für
anerkennenswert gehaltenen Verhaltensweisen. Im römischen Recht werden
Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores [M.Pl.]
maiorum) verletzen, wie beispielsweise die Schenkung einer erwarteten
Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als
rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter werden die guten Sitten als Bewertungsmaßstab ab dem 16. Jh.
in Stadtrechten und Landrechten übernommen (vgl. Art. 1131, 1133 code civil, §§
79, 90 sächs. BGB, § 138 I BGB). Als unbestimmter Rechtsbegriff sind die g. S.
schwer zu fassen.
Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Simitis, K., Gute
Sitten und Ordre public, 1960; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit
der Rechtsgeschäfte in historischer Sicht, 1973; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 414; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der
Rechtsgeschäfte im totalitären Staate, 1996; Herzog, A., Sittenwidrige
Rechtsgeschäfte, 2001; Ruff, H., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte, 2007
Güteverfahren ist das auf Güte im Gegensatz
zum Streit gegründete Verfahren innerhalb oder außerhalb der Gerichtsbarkeit. Seine
Gedanken wirken sich wohl in Verhandlungen über die Höhe einer Buße oder in
Vereinbarungen von Schiedsgerichten bereits früh aus. Anscheinend schon im
Ausgang des Mittelalters werden Richter auf die Vorteile eines Vergleichs
besonders hingewiesen (Leipzig, Wittenberg). Nach Ansätzen etwa im jüngsten
Reichsabschied von 1654 (Art. 110) und in Preußen (1737) gewährt die deutsche
Reichszivilprozessordnung (1877/187) dem Kläger die Befungnis, den Beklagten
zu einem Sühneversuch zu laden. Nach wechselvollen Bestrebungen des 20. Jh.s
wird in Deutschland aus Kostengesichtspunkten 2000 den Ländern die Möglichkeit
eingeräumt, für bestimmte Klagen einen vorgeschalteten außergerichtlichen
Güteversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung vorzusehen, wovon einige Länder
Gebrauch machen. Seit dem 1. 1. 2002 sieht § 278 II ZPO grundsätzlich für die
erste Instanz die Durchführung eines obligatorischen Gütetermins vor der
mündlichen Verhandlung vor.
Lit.: Koch, C., Der preußische Zivilprozess, 2. A. 1855,
Neudruck 1994; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am
Reichshofrat, 1973; Loschelder, M., Die österreichische allgemeine
Gerichtsordnung von 1781, 1978; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers, 2001; Peters,
B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilprozessrecht, 2004
Gutglaubensschutz →guter Glaube
Gutgläubiger Erwerb
ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des
Berechtigten durch einen Erwerber, der →guten Glauben in Bezug auf das
Recht des Veräußerers haben, also den in Wirklichkeit nichtberechtigten Veräußerer
(fälschlich) für den Eigentümer halten muss (z. B. gutgläubiger Erwerb
beweglicher Sachen Codex Theresianus II, 8, § 4, ABGB § 367, ADHGB Art. 306,
BGB § 932, gutgläubiger Erwerb von Grundstückseigentum Württemberg 1828,
Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom mittelalterlichen deutschen Recht
geschützte, vom römischen Recht abgelehnte, von den naturrechtlichen Gesetzbüchern
aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige Erwerb dient dem
Verkehrsinteresse.
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Anners, E., Äganderätt
och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und
gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från lagtolkning till lagstiftning.
Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des
gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen
Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom
Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle,
A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen
Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004; Göhlert,
T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten,
2007
Gutsgebiet ist in Österreich zwischen 1848 und 1918 das keiner Gemeinde angehörende,
dem Eigentümer verwaltungsmäßig (ausgenommen das Polizeistrafrecht) ohne
gewählte Organe unterstehende Gebiet.
Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner
bewirtschaftete Großgrundeigentum (→Grundherrschaft), in dem der
Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit,
Polizei) ausübt. Sie entsteht ohne scharfe Abgrenzung als Folge der
mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der oft ritterliche Siedlungsunternehmer
Vorrechte erlangt. Seit dem Spätmittelalter sieht sich der adlige, im
Kriegswesen entbehrlich werdende Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft
auszuweiten. Unter Verwendung der ihm vom Landesherrn überlassenen
Herrschaftsrechte verdrängt er seit der Mitte des 16. Jh.s (die) Bauern von
ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die G. von der
Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter aufgeteilt und bzw. oder
gehen an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine sozialistische Enteignung
der (ostdeutschen) Gutsherren statt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Knapp, G., Die Bauernbefreiung,
1887; Fuchs, C., Zur Geschichte des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in
der Mark Brandenburg, ZRG GA 12 (1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der
Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und
Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und
Kontrolle, (in) Kaak, H., Die Gutsherrschaft, 1991;
Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schmidt, C., Leibeigenschaft im Ostseeraum, 1997; North, M., Die
Entstehung der Gutswirtschaft im südlichen Ostseeraum, ZHF 26 (1999), 43; Schleinert,
D., Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E.,
Gutsherrschaft und zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern,
Junker und Beamte, 2005; Stefanová, D., Erbschaftspraxis, Besitztransfer und
Handlungsspielräume der Untertanen in der Gutsherrschaft, 2008
H
Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag
(Niederlande) 1899/1907 geschlossene Abkommen über die Gesetze und Gebräuche
des Landkriegs.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Haar ist der aus der äußeren Haut
von Säugetieren wachsende, dem Schutz vor Kälte, Hitze, Nässe und Dürre
dienende Hornfaden unterschiedlicher Tönung und Länge. Der Mensch verbindet
vor allem mit dem Haupthaar auf dem Kopf zahlreiche unterschiedliche Vorstellungen
(z. B. Freiheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe u. s. w.). Eine umfassende
Rechtsgeschichte des Haares steht anscheinend noch aus.
Haarscheren ist
eine Form der Körperstrafe oder sonstigen kennzeichnenden Behandlung.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Habe (F.) Gut, Vermögen, z. B.
Fahrhabe
Habeas-corpus-Akte (du mögest einen Körper haben-Gesetz) ist das der Magna
Charta von 1215 folgende 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische
Gesetz, nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne
richterliche Überprüfung in →Haft gehalten werden darf.
Lit.: Duker, W., A constitutional history of Habeas corpus,
1980; Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Hartlaub, I., Theorie
und Praxis der Freiheitsentziehungen, 2000; Federman, C., The body and the
state, 2006
Haberfeldtreiben ist ein seit der frühen Neuzeit bis in das 20. Jh. belegter dörflicher
Volksbrauch vor allem zwischen Isar und Inn, bei dem die unverheirateten Burschen
(Haberer) mit geschwärzten Gesichtern einem Betroffenen lärmend (sittliche) Vorhaltungen
machen.
Lit.:
Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Schieder, E., Das Haberfeldtreiben,
1983
Habilitation ist der Nachweis vertiefter wissenschaftlicher Befähigung
zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat. disputatio pro loco) seit dem
frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816 mit öffentlichem Vortrag, um 1870 in
Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).
Lit.: Kundert, W.,
Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom,
Forschung und Lehre, 2000, 69
Habsburg (Habichtsburg)
ist die um 1020 von Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der
heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 (bzw. 1108)
eine alemannische bzw. südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurückzuverfolgende
Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie
belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit dem 1278 von Ottokar von Böhmen
heimgefallenen Reichslehen →Österreich, Steiermark, Krain und Windischer
Mark und baut von dort unter Annahme des Namens Haus H. eine Hausmacht auf
(1335 Kärnten, 1363 Tirol, 1438-1457 Ungarn und Böhmen, 1477 Burgund, 1504/1516
Spanien (europäische Großmacht, 1522 Linienteilung unter Fortführung des Namens
Casa d’Austria), 1526-1918 Ungarn und Böhmen). Vom Spätmittelalter (1273-1308,
ab 1438) bis 1740 (bzw. als Haus Habsburg-Lothringen ab 1745 bis) 1806 stammt
der König bzw. Kaiser des Heiligen römischen Reichs (fast durchgehend) aus dieser mehrfach (z. B.
1379-1490, 1564-1665) in unterschiedliche Linen geteilten Familie. Nebenlinien
regieren ab 1765 die Toskana und ab 1814 Modena. Von 1806 bis (12. 11.) 1918
herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn) weiter, wird nach
Verlusten in Italien am Ende des ersten Weltkriegs aber ausgewiesen (Karl I.) und
enteignet (4. 3. 1919 Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme
des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, 1935 aufgehoben, 1945 wieder in
Kraft) und nach Rückgabe des Privatvermögens 1939 nochmals enteignet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches
Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin,
J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Regesta
Habsburgica, Bd. 1ff. 1924ff.; Ammann, H., Die Habsburger und die Schweiz,
Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das habsburgische Archiv in Baden, Zs. f.
schweizerische Geschichte 23 (1943), 169; Feine, H., Die Territorialbildung der
Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA 67 (1950), 176; Wandruszka, A., Das
Haus Habsburg, 1956; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die
Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.;
Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der
Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V.,
1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986;
Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988, 4. A. 2002; Kamm, R., Geschichte des
Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich
III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Krieger, K., Die
Habsburger im Mittelalter, 1994, 2. A. 2004; Heinig, P., Kaiser Friedrich III.
(1440-1493), 1997; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der
Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die
Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe,
M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E.,
Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Niederstätter, A., Die Herrschaft Österreich,
2001; Nuss, P., Les Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler,
B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche
Herrschaftsrepräsentation, 2004; Böhmer, P. u. a., Die Erben des Kaisers, 2004;
Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jh.,), hg. v. Pauser, J. u. a.,
2004; Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die Doppelregierung
Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005; Koller, H.,
Friedrich III., 2005; Regesta Habsburgica 5, 1, bearb. v. Lackner, C., 2007;
Hengerer, M., Ferdinand III. (1608-1657), 2008; Höbelt, L., Franz Joseph I.,
2009; Höbelt, L., Die Habsburger, 2009; Vocelka, K., Die Familien Habsburg und
Habsburg-Lothringen, 2010; Strohmeyer, A., Die Habsburger Reiche 1555-1740,
2012
Hader (M.) Streit
Haderbuch ist eine Selbstbezeichnung spätmittelalterlicher Gerichtsbücher (z. B.
in Ingelheim, Nürnberg, Landshut).
Lit.:
Kallmann, L., Zank im Dorf, 2002; Als die Welt in die Akten kam, hg. v.
Lepsius, S. u. a., 2008; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v.
Marzi, W., Bd. 1 Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495, 2011, Bd. 2 2013;
Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi, W. u. a., 2012
Hafen ist
der anerkannte Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint
schon im Altertum. Der besondere Freihafen gewährt allen Schiffen Zutritt und
dient nur dem Warenumsatz (1869/1888 im Norddeutschen Bund bzw. Deutschen
Reich Zollausland, in der europäischen Zollunion Freizone).
Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26
(1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung,
hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und
Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)
Haflidaskra ist
das 1117/1118 in →Island eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in
der →Gragas aufgeht.
Lit.: Johannesson, J., Islands Historie,
1969
Haft ist
die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem zum Zweck der
Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung. Ihre Voraussetzungen
sind zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch- und spätmittelalterliche Quellen
(mit Schöffenvorbehalten) sowie dann die englische →Habeas-corpus-akte
(1679) verlangen aber vielleicht als Folge des Aufkommens des
Inquisitionsprozesses einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche
Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die
Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden
1818, Württemberg 1819 u. s. w.).
Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht,
Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, 1992;
Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Haftbefehl (1868) ist die schriftliche Anordnung eines Richters, einen
Menschen in Haft zu nehmen. Der H. setzt die Verfolgung von Unrechtstaten durch
die Allgemeinheit voraus. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische
warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in
das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische →lettre de cachet,
der oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Gefängnis zu begeben.
Demgegenüber bestimmt nach der englischen →Habeas-corpus-akte (1679) vor
allem die französische →Déclaration des droits de l’homme et du citoyen
(1789) zur Sicherung der revolutionär geforderten Freiheit, dass kein Mensch in
Haft genommen oder gefangengehalten werden darf, außer in den durch Gesetz
bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Die
französische Verfassung von 1791 fordert für jede Verhaftung einen
polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von 1795 muss der H.
den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhafteten
abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen
richterlichen H. Der 1808 erlassene Code d’instruction criminelle
unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das
deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848,
Reichsstrafprozessordnung 1877/1879). Unter der nationalsozialistischen
Herrschaft (1933-1945) und in der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1989)
verliert der H. rechtstatsächlich seine Schutzwirkung zu Gunsten des
Verdächtigen.
Lit.: Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur. Köln
1961; Pugh, R., Imprisonment in medieval England, 1968; Speck, H., Die
Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss.
jur. Kiel 1969; Fricke, K., Politik und Recht in der DDR, 1979; Die
Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995
Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu
einer →Haftung abzuschließende oder abgeschlossene →Versicherung
(z. B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).
Lit.:
Peyer, P., Die Haftpflichtversicherung des Motorfahrzeughalters, 1934
Haftung (Wort um 900) ist das Unterworfensein
des Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff
des Gläubigers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwingung der Erfüllung, die
der Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (nur noch einzelne
Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach
Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber
dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühnegabe auch die künstliche Herstellung
einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.] →nexum, [F.] →sponsio
- stipulatio). Später tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor.
Spätestens in der jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) →obligatio
neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhältnisse sind auch für das
germanische Recht anzunehmen. Dementsprechend setzt sich seit dem
Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere
zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit
dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechtes auch die römische
Vorstellung von der (lat. [F.]) obligatio aufgenommen. Die älteste Form der
leiblichen Haftung (z. B. Geiselschaft, Schuldknechtschaft, Schuldhaft) endet
dabei im Jahre 1868 (Wechselarrest). Im Übrigen steht neben der Haftung eines
einzelnen bestimmten Gegenstands (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich
unbeschränkte persönliche Vermögenshaftung. Vertraglich ist jeweils auch eine
Haftungsbeschränkung möglich.
Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Hammer,
O., Die Lehre vom Schadensersatze nach dem Sachsenspiegel, 1885; Egger, A.,
Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v.,
Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Kaufmann,
H., Rezeption ind usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Goerlitz, T.,
Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer
Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die
Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur.
Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS
M. Kaser, 1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21;
Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini
11/12 (1982/3), 589; Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998;
Jansen, N., Die Struktur des Haftungsrechts, 2003; Ebert, I., Pönale Elemente
im deutschen Privatrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Hagen
Lit.: Linscheidt, P., Das
Landgericht Hagen, 2004
Hagenrecht ist
das im 11./12. Jh. im Weserbergland (zuerst in Eschershausen) sichtbar
werdende günstige Bodennutzungsrecht der persönlich freien Häger der hochmittelalterlichen
deutschen Rodungssiedlung (in Pommern z. B. Halteshagen 1262). Das
Hagenhufendorf ist meist ein lang gestrecktes Straßendorf.
Lit.: Blohm, R., Die Hagendörfer in Schaumburg-Lippe, 1943;
Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, 1949; Kroeschell, K.,
Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E.,
Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, (in) Adel und Bauern, 2. A. 1967,
331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107
Hagestolz ist in Schweizer, Kurpfälzer und westfälischen
Quellen des 13. und 14. Jh.s der unverheiratete erwachsene Mensch ohne eigene
Hausstatt, der beim Tode vom Grundherrn beerbt wird. Spätestens im 19. Jh.
endet das besondere Recht.
Lit.: Brünneck, W. v. Zur Geschichte des Hagestolzenrechts,
ZRG GA 22 (1901), 1f.; Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll, F.,
Das Hagestolzenrecht, 1970; Storost, J., Entschieden ist also wol nichts,
Beitr. z. Gesch. de. Sprachwiss. 5 (1995), 253
Hagerup,
Francis (1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München,
Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895 Ministerpräsident in Norwegen. Durch
eine Reihe wichtiger Beiträge zu verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht,
Methodenlehre, Strafprozess, Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der
bedeutendsten Rechtswissenschaftler →Norwegens.
Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133
Halberstadt wird als Bistum 814 in Sachsen gegründet. Neben der Bischofsburg lassen
sich seit dem 10. Jh. Handwerker und Kaufleute nieder. 1214 werden (lat.)
universi civitatis burgenses genannt. Das Stadtrecht ist von Goslar
beeinflusst. Die Altstadt wird am 8. 4. 1945 nahezu gänzlich zerstört.
Lit.: Urkundenbuch der Stadt
Halberstadt, hg. v. Schmidt, G., Bd. 1f. 1878f.; Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt,
bearb. v. Schmidt, G., Bd. 1ff. 1883ff.; Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des
weltlichen Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916; Bogumil, K., Das Bistum
Halberstadt im 12. Jahrhundert, 1972; Militzer, K./Przybilla, P.,
Stadtentstehung, 1980; Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt
1119/1123-1804, hg. v. Diestelkamp, A. u. a., 1989; Geschichte und Kultur des
Bistums Halberstadt 804-1648, hg. v. Siebrecht, A., 2006
Hale, Sir
Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem Theologiestudium in
Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London, 1636 Anwalt, 1654
Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung des englischen
Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief Justice of
the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten Schriften
versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the Crown), eine
methodische Erfassung des Rechtes (Analysis of the Civil Part of the Law), eine
Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown) und eine
Geschichte des Common Law (History of the Common Law).
Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir
Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574
Halle an
der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr.
besiedelte Ort (Ersterwähnung 806 castellum, 961 an Moritzkoster in Magdeburg),
der wohl im 12. Jh. Stadt wird. 1235 teilt der Schöffenstuhl das Recht Halles
der Stadt Neumarkt in Schlesien mit (Halle-Neumarkter Recht, nur abschriftlich
bezeugt, inhaltliche Nähe zum Sachsenspiegel ohne Nachweis unmittelbarer
Benutzung, möglicherweise verbreitet in 500 Städten und Dörfern). 1266 setzt
die Überlieferung von Schöffenbüchern ein. Nach dem 1680 erfolgten Übergang vom
Erzstift Magdeburg an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694 eine
aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (→Thomasius, Samuel Stryk, Johann
Peter von Ludewig, Nicolaus Hieronymus Gundling, Justus Henning Böhmer, Johann
Gottlieb Heineccius, Christian Wolff) (bis 1806). Nach dem Erwerb der Gebiete
Sachsens um Wittenberg durch Preußen (1815) wird die 1813 von Napoleon geschlossene
Universität Wittenberg nach Halle verlegt und am 12. 4. 1817 die Universität
Halle-Wittenberg gegründet (am 24. 4. 1945 bei 18 Mitgliedern der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät geschlossen, zum 1. 2. 1946 mit den rechtswissenschaftlichen
Professoren Wolfgang Hein, Rudolf Joerges, Wilhelm Herschel und Rudolf
Schranil wiedereröffnet. Von 1947 bis 1952 ist H. Hauptstadt des Landes
Sachsen-Anhalt, von 1952 bis 1990 Hauptstadt des Bezirks.
Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das
alte magdeburgische und hallische Recht, 1826; Die hallischen Schöffenbücher
(1266-1640), bearb. v. Hertel, G., Teil 1f. 1882ff.; Meinardus, O., Das Neumarkter
Rechtsbuch, 1906; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in
Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Schranil,
R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Urkundenbuch
der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow, E., Das
Halle-Neumarkter Recht, 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der hallischen
Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Buchda, G., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil
1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64
(1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944;
Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950),
416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle
1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag),
ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen
Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Schubart-Fikentscher, G.,
Hallesche Spruchpraxis, 1960; Die Spruchtätigkeit der Halleschen
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980 (Manuskript); Halle, 2. A. 1983; Brümmer,
M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L.,
Kuriosa aus der Geschichte der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992),
382; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H.,
Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche
Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die
Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle,
hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Herrmann,
V., Die Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mittelalter, 2001;
Eberle, H., Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus,
2002; Kannowski, B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von
1235, ZRG GA 120 (2003), 61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005;
Lieberwirth, R., Geschichte der juristischen Fakultät der Universität
Halle-Wittenberg nach 1945, 2008, 2. A. 2010; Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
im Nationalsozialismus, hg. v. Lück, H. u. a., 2011; Aktuelle Beiträge zur Rechtswissenschaft
und zu ihren geistesgeschichtlichen Grundlagen, 2013
Haldensleben
Lit.:
Böcker, H., Die Stadtbücher von Haldensleben (ca. 1255-1486) - Analysen und Register,, 2010
Hallstein, Walter (Mainz 17. 11. 1901-Stuttgart 29. 3. 1982), wird nach dem Studium
des Rechtes 1932 Professor für bürgerliches Recht, Handelsrecht und
internationales Privatrecht in Rostock und 1941 Professor in Frankfurt am Main
(1954 Verzicht, 1969 emeritiert), 1950 Staatssekretär im Bundeskanzleramt und
1951 im Außenministerium (Hallstein-Doktrin) sowie nach Mitwirkung bei der
Verhandlung der europäischen Verträge von 1957 von 1958 bis 1967 erster
Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Er hat sich
um die Europäische Gemeinschaft in vielfacher Hinsicht sehr verdient gemacht.
Lit.:
Nachruf JZ 1982, 435f. (T. Oppermann); Kilian, M., Hallstein, Jb. d. öff.
Rechts N. F. 53 (2005), 369
Halm ist
der Stengel des Grases (bzw. Getreides), der im mittelalterlichen Recht
vielfach als Symbol der →Investitur mit einem Gut verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.
Haloander (Meltzer),
Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten
Polizians und Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (humanistische)
unglossierte Ausgabe der justinianischen Rechtstexte mit unvollständigen
griechischen Bestandteilen in Pandekten und Codex und griechischen Novellen
heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten beseitigt, die
Inskriptionen beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,645
Hals und Hand
ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die Lebensstrafe bzw.
Leibesstrafe.
Lit.: Kocher,
G., Der Hals im Recht, Signa iuris 2 (2008), 9
Halseisen ist
im deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am →Pranger
befestigt werden kann.
Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen
1949
Halsgericht (13.
Jh. [1296]) →Hals und Hand, Halsgerichtsordnung
Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit
([Nürnberg 1314,] Würzburg 1447, Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, (unter
Berücksichtigung des Vorverfahrens) Tirol 1499, [Volkach 1504,] Radolfzell
1506, Bamberg 1507 (1516 Ansbach, Bayreuth), Laibach 1514, Krain 1535,
Niederösterreich 1514/1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich 1559,
[Regensburg 1565/1575, Eberstein 1609/1622]). Als H. wird auch die →Constitutio
Criminalis Carolina Karls V. von 1532 benannt. In den Hasgerichtsordnungen
ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des Verfahrens in Strafsachen auf
das ermittelnde Vorverfahren verlagert.
Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des
Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung
Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt
Volkach, 1997
Halslösung ist die Ablösung der Todesstrafe durch Geldzahlung. Sie erscheint wohl
mit der Todesstrafe. Sie verschwindet bis zur Peinlichen Gerichtsordnung Karls
V. von 1532.
Lit.:
His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928
Hambacher Fest ist
das vom 27. bis zum 30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg,
Kästenburg) in der Pfalz auf Einladung (20. 4. 1832) des Schriftstellers
Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1785-1849) (und des Journalisten Johann Georg
August Wirth) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000
Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen
Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von
Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen
werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt, doch gilt das
H. F. als Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland. →Deutscher Bund
Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach,
Teil 1f. 1832; Valentin, V., Das Hambacher Nationalfest, 1932; Süß, E., Die
Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann, K., 2.
A. 1982; Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832, hg. v.
Kermann, J. u. a., 2006; Kreutz, W., Hambach 1832, 2006
Hamburg ist
der vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster
in die Elbe erwachsene Stadtstaat. 831 wird H. Sitz eines Bistums. Zwischen 834
und 845 erhält der Ort Marktprivilegien und Zollprivilegien. 845 wird der Ort
von Wikingern zerstört und das Bistum mit Bremen vereinigt. 1189 bestätigt
Kaiser Friedrich I. Barbarossa der 1188 gegründeten Neustadt H. umfangreiche
Handels-, Zoll- und Schifffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht von dem
gelehrten Ratsnotar Jordan von Boizenburg im sog. Ordeelbook aufgezeichnet.
1292 erhält die Stadt vom Stadtherrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Sie
erwirbt umfangreiche Landgebiete. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsunmittelbarkeit
wohl anerkannt (1460 Reichsstadt?). 1497 wird das Recht durch den in Bologna
ausgebildeten Bürgermeister Hermann Langenbeck neu gefasst (Ratsexemplar als
Bilderhandschrift), 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs von 1564 in neuhochdeutsher
Sprache unter Einbeziehung der Gerichtsordnung von 1560 reformiert (1605
publiziert). 1618 stuft das Reichskammergericht des Heiligen römischen Reichs
H. als freie Reichsstadt ein (1768 von Dänemark anerkannt). Weitere Rechtsquellen
sind Gerichtsordnungen von 1622, 1632 und 1645, eine Banquerotieordnung von
1647, eine Wechselordnung von 1711, eine Fallittenordnung von 1753 und eine
Vormundschaftsordnung von 1844. Um 1800 hat die Stadt mehr als 100000
Einwohner. 1806 wird H. von Frankreich besetzt, das 1807 den Code civil
einführt, 1814 aber wieder abzieht. 1815 wird H. Mitglied des Deutschen Bundes
(1820 gemeinsames Oberappellationsgericht mit Bremen, Frankfurt am Main und
Lübeck). 1860 erhält es eine Verfassung. 1867 wird es Mitglied des
Norddeutschen Bundes und als Großstadt damit 1870/1871 Bundesstaat des
Deutschen Reiches. 1920 gibt es sich eine demokratische Verfassung, die nach
dem zwischenzeitlichen Verlust der Eigenständigkeit (1933-1945) 1952 erneuert
wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Der Stadt Hamburg
Gerichtsordnung und Statuta, hg. v. Ver. f. hamburg. Gesch., 1842; Hamburgisches
Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das
Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die
Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem
Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken,
1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der freien
und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen
Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd.
1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs,
1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951;
Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische
Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D.,
Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d.
Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in
der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F.,
Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss.
jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960;
Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke,
H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Stadt Hamburg, 1961; Schultze-von
Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961; Die Hamburger
Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J.,
1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die
Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968;
Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die
Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen
zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K.,
Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971;
Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte 1471-1490,
1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v.
Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712,
1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg,
1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im
Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Recht und Juristen in Hamburg,
hg. v. Albers, J., 1994; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs,
1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 3 1997; Hamburgische Biografie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd.
1ff. 2001ff.; Kleßmann, E., Geschichte der Stadt Hamburg, 2002; Martens, H.,
Hamburgs Weg zur Metropole, 2004; Das Hamburger Ordeelbook von 1270, hg. v.
Eichler, F., 2005; Weber, S., Die
Stellung Hamburgs in der Verfassung des alten Reiches, 2005; Krieger, M.,
Geschichte Hamburgs, 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und
französische Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen
(1806-1815), 2007; Hamburgische Biographie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 3
2006; Eichler, F., Das Hamburger Ordeelbook in der Erstfassung von 1270, 2007;
Die Langenbeck’sche Glosse zum Hamburger Stadtrecht von 1497, hg. v. Eichler,
F., 2008; Schröder, H., Ernst Friedrich Sieveking 2009, Hamburg-Bibliographie
online; Riemer, R., Frankfurt und Hamburg vor dem Reichskammergericht,
2011
Hamm
Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926
Hammer ist ein anfangs aus
Stein, später aus Metall (Kopf) und Holz (Stiel) bestehendes Werkzeug des
Menschen zur Bearbeitung von Stein(, Holz) und Metall, das auch rechtssymbolisch
verwendet werden kann (z. B. Hammer und Sichel, Werfen, Vorsitz im Gericht,
Auktion), rechtsgeschichtlich aber noch nicht monographisch erfasst zu sein
scheint.
Lit.:
Lurker, M., Bibliographie zur Symbolkunde, 1968
Hammurapi (1793-1750
bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon, veranlasst die bekannteste,
1901/1902 in Susa auf einer 2,25 Meter hohen, in der Gegenwart in Paris
befindlichen Dioritstele entdeckte, aus rund 30 Tontafelabschriften ergänzte
Rechtssammlung des orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit etwa 8000
Wörtern in Prolog, 280 bzw. 282 Abschnitten über die Aufrechterhaltung der
öffentlichen Ordnung und über unterschiedliche Sachverhalte des Privatrechts
und Strafrechts (z. B. 192 Wenn ein Mann einem Manne einen Zahn ausgeschlagen
hat, wird sein Zahn ausgeschlagen) (80 Prozent des Textes) und Epilog. Noch
älter ist der →Codex Urnammu.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexHammurapi_en.htm;
Codex Hammurabi, hg. v. Eilers, W., 5. A. 1932, Neudruck 2009; Fehr, H.,
Hammurapi und das salische Recht, 1910; Koschaker, P., Rechtsvergleichende
Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver, G. u. a., The Babylonian
Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954;
Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Müller,
D., Die Gesetze Hammurabis, 1975; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“
Hammurapi, (in) Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Strenge, I., Codex Hammurapi und die Rechtsstellung
der Frau, 2006; Der Codex Hammurabi in deutscher Übersetzung, hg. v. Winckler,
H., 2010
Hand ist
das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im Recht vielfach symbolisch
verwendet wird. →Hals und Hand, handhaft
Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als
Symbol und Gestalt, 8. A. 1951; Schmidt-Wiegand, R., Mit Hand und Mund, Frühmittelalterliche
Studien 25 (1991), 283; Wirth, H., Die linke Hand, 2010
Hand wahre Hand
ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später)
die eingängige Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der
einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht
dagegen von einem Dritten, an den die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann
(Lübeck 1586 3, 2, 1 und 2). Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der
Sache nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel (Landrecht II 60 § 1) einen
entsprechenden Satz, doch sind die mittelalterlichen Lösungen dieses Rechtsproblems
durchaus unterschiedlich (z. B. Goslar, München nach h. M. abgelehnt vom
Ingelheimer Oberhof). Mit der Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches
(Vindikation) des Eigentümers seit dem Spätmittelalter erweist sich ein
erneutes Durchdenken der Frage als erforderlich, als dessen Folgen der (aus den
römischrechtlichen Sätzen über die Ersitzung hergeleitete) →gute Glaube
des Erwerbers bedeutsam und die Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter
Verpflichtung der Aufwanderstattung (Lösungsrecht) erweitert wird. Der →Codex
Theresianus (1766 II, 8 § 4) erkennt den gutgläubigen Eigentumserwerb des
Erwerbers an. Streitig ist in der Folge, inwieweit der gutgläubige Erwerb vom
Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H. beruht.
Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163;
Planitz, H., Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424;
Meister, E., Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners,
E., Hand wahre Hand, 1952; Korte, A., Anwendung und Verbreitung des
Rechtssatzes Hand wahre Hand im mittelalterlichen Privatrecht, 1981; Völkl, A.,
Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991; Hurst-Wechsler, M., Herkunft und
Bedeutung des Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens nach Art. 933 ZGB, 2000;
Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002
Handel (Wort 1267) ist der Ankauf und
Verkauf von Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang
steht der →Tausch. Mit der Verwendung von →Geld beginnt der →Kauf
den Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit
dem Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbstversorgung
allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217,
225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen
Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des
Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933;
Koppe, W., Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K.,
Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand
commerce d’exportation, 1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938;
Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen
Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer
Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und
14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und
frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K.,
1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher
im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation,
Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute,
2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die handelspolitische
Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson, K., The Art of the
Deal, 2002; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompagnien, 2007; Hahn,
B., Welthandel, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Praktiken des Handels, hg. v.
Häberlein, M. u. a., 2010; Netzwerke im europäischen Handel des
Mittelalters, hg. v. Fouquet, G. u. a., 2010
Handelsbrauch ist der im Handel beachtete und im
Zweifel zu beachtende Brauch.
Lit.: Müller, K.,
Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934
Handelsbuch ist
das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine Geschäfte geführte →Buch,
das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).
Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann,
W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer.
pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v.
d. schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.;
Dunkmann, C., Die Beweiskraft der Handelsbücher, 2007
Handelsgericht ist das für Handelssachen
zuständige Gericht.
Lit.: Schön, D.,
Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999
Handelsgesellschaft ist die →Handel treibende, auf Gewinnerzielung
gerichtete →Gesellschaft. Sie erscheint zum einen ohne klare Verbindungen
zum römischen Recht des Altertums im Mittelmeerraum (Venedig, Genua, Pisa),
wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen, einseitige Kapitalbeteiligung)
gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) (Seegesellschaft, beidseitige
Kapitalbeteiligung) zumindest zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft
entwickelt sich die →offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die
Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die →Kommanditgesellschaft
ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaftliche
Unternehmungen. Bedeutsam sind hierbei die Kommission (→sendeve) und das
vielleicht den Rahmen hierfür abgebende Darlehen (wederlegginge, einseitige
Kapitalführung). In Oberdeutschland bilden Familien offene Handelsgesellschaften
(z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes
Kapital und breite Gefahrenstreuung notwendig. Hieraus entwickelt sich die →Aktiengesellschaft
(1602 Niederländische ostindische Handelskompagnie). Allgemein befasst sich
der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von
1794 (II, 8, §§ 614ff. ohne Unterscheidung einzelner Formen). Frankreich, das
bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen
eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsgesetzbuch) in Kraft, der die
Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im
Deutschen Bund behandelt 1861 das als allgemeines deutsche Gesetz der
souveränen Bundesstaaten entstandene →Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch
die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die
Aktiengesellschaft und (außerdem) die stille Gesellschaft. Das
Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommanditgesellschaft auf
Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die →Gesellschaft mit beschränkter
Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen
Gesetz verselbständigt. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bzw.
Europäischen Union werden die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung
(1985/1988), die Europäische Gesellschaft (Europäische Aktiengesellschaft, Societas
Europaea, 2004) und die Societas Cooperativa Europaea neu geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 127; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1889;
Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
2007; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte
der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack-Parnau, F. v.,
Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H.,
Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft
Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur
frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und
rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di
Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce
en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971;
Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976;
Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer,
1983, 557; Cordes, A., Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum,
1998; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000;
Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die historische
Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005; Mehr, R., Societas
und universitas - Römischrechtliche Institute im Unternehmensgesellschaftsrecht
vor 1800, 2008; Amend-Traut, A., Brentano, Fugger und Konsorten, 2009; Klosa,
S., Die Brandenburgische-Africanische Compagnie in Emden, 2011
Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es erscheint
1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon →ordonnances
von 1673 und 1681 vorangegangen waren (→Spanien 1829 [Código de
comercio], →Portugal 1833, →Niederlande 1838). Im →Deutschen
Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und
unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 durch
Vereinbarung unter den Bundesstaaten ein eher dem objektiven System Levin
Goldschmidts als dem subjektiven System Johann Heinrich Thöls folgende →Allgemeines
Deutsches Handelsgesetzbuch geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten (weitgehend
identisch) als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im
Deutschen Reich 1897 in das Handelsgesetzbuch mit auf den Kaufmann abstellendem
subjektivem System umgeformt. Das in Österreich 1938 zum 1. 3. 1939 eingeführte
H. des deutschen Reiches wird 2007 durch ein Unternehmensgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission
zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J.,
Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm;
Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die
Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die
Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484;
Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), hg.
v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897,
hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M.
u. a., 1998; Kiehnle, A., Hofackers Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für
Württemberg und die Rechtsvergleichung, ZRG GA 130 (2013), 406
Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur
Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des Handels (Frankreich,
linksrheinische deutsche Gebiete ab 1801, Preußen 1848, Österreich 1850, Hamburg
1868, Preußen 1870). In Frankreich entsteht die H. als Unterbau des in Paris 1700
durch Ludwig XIV. eingerichteten Handelsrats zwecks Leitung des Handels und der
Gewerbe nach den Grundsätzen des Merkantilismus. Warum in Preußen auch
rechtsrheinisch nach 1830 Handelskammern nach französischem Vorbild neben
Gilden gegründet werden, ist noch nicht wirklich geklärt.
Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und
Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986;
Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010;
Faulwetter, S., Von der Zunft zur Handelskammer, 2011
Handelsrecht (1734) ist das Recht des →Handels
bzw. subjektiv das Sonderprivatrecht der →Kaufleute. Es entwickelt sich
trotz einiger besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum und
verschiedener Zeugnisse für Handel und Markt im Frühmittelalter erst seit dem
Mittelalter in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand
1170) und Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossenschaftlichen
Zusammenschlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für
das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa
(1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 →Consolat del Mar) besondere
Bedeutung, im nordeuropäischen Raum die →Hanse. In der frühen Neuzeit
findet sich H. hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u.
ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen
(1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch
wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (Pedro de Santarém, Benvenuto
Stracca 1553, Juan de Hevia Bolaños 1603, Sigismondo Scaccia 1618, Johann
Marquard 1662 Tractatus politico-iuridicus de iure mercatorum et commerciorum
singulari, Savary, Jacques, Le Parfait Négociant, 1675 Neudruck 2011). In
Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die (frz.) →ordonnance du commerce
und 1681 die (frz.) →ordonnance de la marine. Im Heiligen römischen Reich
befasst sich Kreittmayr in seinen
Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen →Allgemeinen
Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten. Demgegenüber veröffentlicht
Karl Gottlob Rössig (1752-1806) 1796 eine eigene systematische Darstellung des
Leipziger Handelsrechts, Georg Friedrich von Martens (1756-1821) 1797 einen
besonderen Grundriss des Handelsrechts und fasst der vom Code civil (1804)
bewusst getrennte französische →Code de commerce (1808) das H. als
sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige deutschrechtliche
Sonderentwicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht erkennen, obgleich
sich die Lehrbücher des gemeinen deutschen Privatrechts besonders auch des
Handelsrechts annehmen. In der Folge erlangt das Handelsrecht wegen des
Wandels der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft und anschließend zur
Dienstleistungsgesellschaft und dem damit verbundenen Übergang von der
Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft sowie der nicht vorher gesehenen Entfaltung
des Verkehrswesen in Richtung globaler Weltwirtschaft zentrale Bedeutung. →Handelsgesetzbuch
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L., Handbuch
des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom
bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem des 19. Jahrhunderts, 1962;
Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer
Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der
Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die
Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte in Hamburg, hg. v. Loose, H.,
1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, Person
und Organisation im Handelsrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v., Bearbeitung des
Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J., Die
Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno Pöhls,
1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd.
1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura
mercatorum durch Privilegien“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v.
Piergiovanni, V., 1987; Lammel, S., Zur Entstehung von Handelsrecht, 1987; Müller-Boysen,
C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittelalterlichen Nordeuropa,
1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Scherner, K.,
1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme, 1994; Eisenhardt, U., Zu den
deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51; ; From
lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 2005, Neudruck 2013;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; EIne Grenze in
Bewegung, hg. v. Cordes, A. u. a., 2012; Iglesia Ferreirós, A., Liber
usaticorum Barchinone I 1, 2012; Eine Grenze in Bewegung - öffentliche und
private Justiz im Handels- und Seerecht, hg. v. Cordes, A. u. a., 2012; From
lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 2005, Neudruck 2013
Handelsregister ist das handelsrechtliche
Sachverhalte verzeichnende öffentliche, bei den Amtsgerichten geführte
Register. Frühe, von Notaren wahrzunehmende Ansätze werden in Frankfurt am
Main 1666 (Protocollum) sichtbar. 1829 wird im Codigo de comercio Spaniens der
Verwaltung die Führung eines Handelsregisters übertragen, 1839/1840 nach einem
Entwurf Württembergs erstmals Gerichten.
Lit.: Rintelen, M., Das
Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft, Hist. Zeitschrift für Schwaben und
Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34
(1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen über die Entwicklung des
Handelsregisters, 1914; Heimann, R., Die Entwicklung der handelsrechtlichen
Veröffentlichung vom ALR bis zum ADHGB, 2008; Entwicklungsgeschichte des Handelsrechts. Synoptische
Darstellung, bestehend aus ADHGBm HGB, 1897, heutigem deutschem Handelsrecht
und österreichischem Unternehmensgesetzbuch, hg. v. Flume, J. u. a., 2009
Handelsvertrag ist der den →Handel zwischen mindestens zwei →Staaten
betreffende Vertrag. Er findet sich nach Vorläufern des Altertums (z. B. Könige
von Ebla und Assur Mitte 3. Jt.s v. Chr., Rom und Karthago 509 v. Chr.?) seit
dem 12. Jh., und zwar neben dem Privileg des Herrschers. Seit der frühen
Neuzeit setzen die (europäischen) Kolonialmächte ihre Interessen außer mit
Gewalt auch mit ungleichen Handelsverträgen durch. Seit dem ausgehenden 18.
Jh. wird die vor allem von Adam Smith (On the Origin and Causes of the Wealth
of Nations 1776) entwickelte Vorstellung des Liberalismus grundlegend
bedeutend. 1947 schafft das von 23 Staaten abgeschlossene, am 1. 1. 1948 in
Kraft getretene General Agreement on Tariffs and Trade (GATT, völkerrechtlicher
Vertrag, Deutschland 1951, Schweiz 1966) einen 1994 erneuerten Rahmen für den
weltweiten Handel. 1995 wird von den damals 123 Mitgliedstaaten die Welthandelsorganisation
(World Trade Organization WTO, Sitz in Genf) gegründet, die als
Dachorganisation für weltweite Handelsvertragsabkommen dient.
Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit
Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der
Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962; Krug, G., Amity & Commerce,
1999; Bayer, F., Das System der deutschen Handelsverträge von 1853 und 1914,
2004; Kleinschmidt, H., Das europäische Völkerrecht und die ungleichen Verträge
um die Mitte des 19. Jahrhunderts, 2007; Damler, D., Imperium contrahens, 2008;
Pahre, H., Politics and Trade Cooperation in the Nineteenth Century, 2008;
Kleinschmidt, H., Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden. e-book 2013
Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des →Kaufmanns.
Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der
Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der
Handelsvertreter, 2000; Schmidt, K., Vom Handelsvertreterrecht zum modernen
Vertriebsrecht, JuS 2008, 665
Handfeste ist
eine mittelalterliche Bezeichnung für ein mit der Hand (Unterschrift)
gefestigtes Schriftstück (Privileg) (vgl. gr. [N.] cheirógraphon, Handschrift)
(z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).
Lit.: Die
Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H. u. a., 2003; Armgart, M.,
Die Handfesten des preußischen Oberlandes bis 1410 und ihre Aussteller, 1995;
Stephan, J., Die Handfesten des Elbinger Komtureibuches, Jb. f. d. Gesch. Ost-
und Mitteldeutschlands 54 (2008), 97
Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter (Erstbeleg hantmal im Abrogans
der Mitte des 8. Jh.s, hantgemal noch verwendet in der Glosse zum sächsischen
Weichbildrecht vom Ende des 14. Jh.s) das Handzeichen (?) und das vielleicht
damit bezeichnete Stammgut (str.).
Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach
altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal
und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30
(1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien
Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954),
126; Balon, J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141;
Krogmann, W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271;
Schmidt-Wiegand, hantgemaelde, FS Werner Schröder, 1989, 333ff.
Handhafte Tat ist
im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der
Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.]
manifestum). Vielleicht darf in germanischer Zeit der handhafte Täter sofort
getötet werden. Die frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar
nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand
oder Flucht. Vor Gericht ist dem Handhafttäter der →Reinigungseid
verwehrt. Im Hochmittelalter darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort
getötet werden. In der vom Inquisitionsprozess gekennzeichneten Constitutio
Criminalis Carolina (1532) scheint ein besonderes Verfahren bei handhafter
Tat nicht mehr auf, doch ist noch nach § 127 StPO (1877/1879), wenn jemand auf
frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und er der Flucht verdächtig ist
oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt,
ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909;
Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG
GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952; Ebert, I., Pönale
Elemente, 2004
Handlung (Wort um 900) ist das menschliche
Verhalten, das als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv
zugerechnet werden kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der
neuzeitlichen Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s
eine rein kausale Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der
Mitte des 20. Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft
wird.
Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung
des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Handlungsfähigkeit →Geschäftsfähigkeit, Deliktsfähigkeit
Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende
Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18.
Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben notwendigen
Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.
Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte
zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000
Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der →Schenkung stehende, auch in
der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort vollzogene Schenkung.
Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der
Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972
Handschlag ist
das Vertrauen versinnbildlichende gegenseitige Handgeben zweier
Vertragspartner zum Zeichen des Abschlusses des Geschäfts im deutschen Recht,
dem bei den Römern lat. manum dare (Hand geben) entspricht.
Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1892
Handschrift ist
die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere
Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der →Schrift und geht seit
der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreibergebnisse in das gedruckte →Buch
über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben.
In Bologna wurden dabei seit 1250 Handschriften jeweils in Lagen an
Berufsschreiber zur Vervielfältigung abgegeben (Peciensystem). Seit der
Mitte des 19. Jh.s werden Schreibmaschinen zur Herstellung einzelner
Schriftstücke verwendet, seit dem dritten Drittel des 20. Jh.s damit verknüpfte
Rechner und Drucker. Die Zahl der im Mittelalter (im deutschen Sprachraum)
erstellten Handschriften wird auf 2 Millionen geschätzt (davon 1,1 Millionen
im 15. Jahrhundert), von denen noch rund 120000 vorhanden sind (davon etwa 12000
bzw. 10 Prozent in deutscher Sprache).
Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A.
1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken,
Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg. v.
Glenisson, J., 1988; Die datierten Handschriften der bayerischen
Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die
Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995
(99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische
mittelalterliche Handschriften); Katalog der illuminierten Handschriften der
württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a.,
1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v.
Schieffer, R., 1996; Bischoff, B., Katalog der festländischen Handschriften des
9. Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002;
Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G.,
Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften,
2005; Mentzel-Reuters, A., Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 63
(2007), 135; Orth, P., Über Nutzen und Perspektiven eines gedruckten Initienverzeichnisses,
DA 63 (2007), 125; Murano, G., Opere diffuse per Exemplar e Pecia, 2005;
Hoffmann, H., Italienische Handschriften in Deutschland, DA 65 (2009), 29;
Manuscripta germanica, hg. v. Breith, A. u. a., 2012
Handschuh ist
das Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht in
unterschiedlichen Zusammenhängen als Symbol Verwendung findet (z. B.
Fehdehandschuh).
Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to
Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981
Handwerk ist
Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere ohne vorrangige Verwendung
industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker,
Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend für andere von →Sklaven
ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der →Grundherrschaft. Dagegen
bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger
Aufgliederung aus und schließt sich zur Sicherung der Einkünfte gegeüber
Dritten genossenschaftlich ab (→Zunft, →Gilde, →Innung). Wer
in einem H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem
Meister erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im
H. erst, wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten (z. B. Straßburg,
Zürich) nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der
Stadtherrschaft teil. 1731 soll eine Reichshandwerksordnung im Heiligen
römischen Reich Missbräuche der Gesellen beseitigen. Im Kampf mit der liberalen
→Gewerbefreiheit des 19. Jh.s (Preußen 1810) gelingt dem H. die Bewahrung
der durch Prüfungen nachzuweisenden Qualifikationsmerkmale bis in die
Gegenwart (Handwerksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H.
sich zu halten, tritt aber um 1900 an Bedeutung hinter Fabriken und Bergwerken
zurück.
Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches
Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i Danmark, hg. v.
Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909;
Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R.,
Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929, 2. A.
1981ff.; Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise
in Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des
ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien,
1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der
Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft
um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl,
H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerksordnung
von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977;
Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss.
phil. Göttingen 1981; Landolt, K., Das Recht der Handwerkslehrlinge, 1977; Das
Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd.
1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken, 1986; Deter, G., Rechtsgeschichte des westfälischen
Handwerks im 18. und 19. Jahrhundert, 1990; John, P., Handwerk im Spannungsfeld
zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit
zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg.
v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten
Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993;
Spohn, R., Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T.,
Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v.
Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des
Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen
Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert, H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v.
Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen,
K., Handwerk – Städte – Reich, 2002; Deter, G., Handwerk vor dem Untergang,
2005; Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010; Schulz, K., Handwerk,
Zünfte und Gewerbe - Mittelalter und Renaissance, 2010
Handwörterbuch zur deutschen
Rechtsgeschichte ist das von Wolfgang
Stammler, Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann 1964 begründete, nach 34 Jahren in
erster Auflage 1998 in 5 Bänden mit mehr als 5000 Stichwörtern abgeschlossene,
seit 2004 von Albrecht Cordes, Heiner Lück und Dieter Werkmüller in zweiter
Auflage unter philologischer Beratung (Ruth Schmidt-Wiegand, Christa Bertelsmeier-Kierst)
in verstärkter Einbeziehung der jüngeren Rechtsgeschichte und deutlicherer
Betonung des europäischen Kontexts herausgegebene, von der Stiftung
Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V. unterstützte, alphabetisch geordnete
Nachschlagewerk zur deutschen Rechtsgeschichte.
Lit.:
HRGdigital.de
Hänel,
Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach der Habilitation in
Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel ein bedeutender
liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht, 1892).
Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materialem
Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 355
Hängen ist
das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem Strick (→Todesstrafe, →Galgen).
Das H. ist dem römischen Altertum fremd, den Germanen (bei Volksverrat)
bekannt. Seit dem Hochmittelalter (Sachsenspiegel 1221-1224) wird vor allem
der Dieb gehängt. Im 18. Jh. wird in England das H. mittels einer sich unter
dem Verurteilten ruckartig öffnenden Falltür eingeführt. Seit 1771 (Schleswig-Holstein)
wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Enthaupten ersetzt. Mit dem
Verbot der →Todesstrafe verschwindet es im 20. Jh. allgemein. In den
Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg werden 1946 die Todesurteile durch H.
vollstreckt, ebenso im Irak 2006 (Saddam Hussein).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen
Todesstrafen, 1922; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001
Hannover ist
das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189,
Privileg 1241, Statutenbuch 1303) H. an der Leine (1636 Residenz, 1831
Technische Hochschule) benannte norddeutsche Fürstentum (1692/1708
Kurfürstentum, 1714-1837 Personalunion mit England, 1807-1813 Zuordnung zu
Frankreich bzw. dem Königreich Westphalen), das 1814 zum Königreich aufsteigt
und 1819 eine oktroyierte Verfassung erhält. Am 1. 1. 1837 hebt der (neue) König
(Ernst August) verfassungswidrig das Staatsgrundgesetz vom 26. 9. 1833 auf und
löst damit einen Verfassungskonflikt aus, in dem sieben protestierende Göttinger
Professoren (u. a. Brüder Grimm) entlassen werden. Am 6. 8. 1840 wird ein neues
Landesverfassungsgesetz geschaffen, 1850 eine Bürgerliche Prozessordnung).
1866 wird H. von Preußen annektiert und gelangt 1946 unter Zerschlagung
Preußens zu Niedersachsen. →Göttingen
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12.
1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850,
Neudruck 1971; Hassell, W., Geschichte des Königreichs Hannover, 1898ff.; Merkel,
J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904; Florin, W.,
Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W., Zweihundert Jahre Geschichte
der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866, 1962; Besecke, K., Das
Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen 1964; Landwehr, G., Die
althannoverschen Landgerichte, 1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen
Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch
der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche
Verfassungskonflikt 1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und
Reformation, 1987; Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803,
hg. v. Oberschelp, R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur
bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000; Roolfs, C., Der hannoversche Hof von 1814
bis 1866, 2005; Kroeschell, K., recht und unrecht der sassen, 2005; Festschrift
zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 1ff., hg. v. Seidel, R.
u. a., 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the Protestant Interest
1688-1756, 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im Königreich Hannover
1848-1866, 2007; Harding, N., Hannover and the British Empire 1700-1837, 2007;
Lampe, J., „Freyheit und Ordnung“ - Die Januarereignisse von 1831, 2009;
Piepenbring-Thomas, C., Recht in der Stadt Hannover, 2011; Mahrenholz, E., Ein
Königreich wird Provinz, 2011; Köster, F., Ende des Königreichs Hannover
1865-1866, 2012
Hanse (ahd.
hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende,
ziemlich offene norddeutsche →Städtebund (und Kaufleutebund, in den durch
das hansen aufgenommen wird). Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im
beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in
England. Bedeutsam wird danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von
Lübeck (1143) bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den
Wirren des Interregnums (1254-1273) fassen die einander nahestehenden Städte auf
Hansetagen oder im Umlauf gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358
[mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (1281, 1474 Guild Hall,
Stalhof bis 1598, 1852 verkauft) bestehen bedeutsame Niederlassungen (Kontore)
in Nowgorod (1191/um 1200-1494), Brügge (1309) und Bergen (um 1340/1343-1754).
Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte mit bis zu 130 weiteren
vertretenen Städten zwischen Zaltbommel, Visby, Dorpat, Krakau und Köln angehören
(Dinant, Duisburg, Düsseldorf, Emmerich, Grieth, Köln, Neuss, Nimwegen,
Roermond, Tiel, Venlo, Wesel, Zaltbommel, Arnhem, Deventer, Doesborg, Elburg,
Harderwijk, Hasselt, Hattem, Kampen, Ommen, Staveren, Zutfen, Zwolle,
Groningen, Bremen, Stade, Buxtehunde, Hamburg, Ahlen, Allendorf, Altena,
Arnsberg, Attendorn, Balve, Beckum, Belecke, Bielefeld, Blankenstein, Bocholt,
Bochum, Bödefeld, Borgentreich, Borken, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Coesfeld,
Dorsten, Dortmund, Drolshagen, Dülmen, Essen, Eversberg, Freienohl, Fürstenau,
Geseke, Grevenstein, Hachen, Hagen, Haltern, Hamm, Hattingen, Herford,
Hirschberg, Hörde, Hüsten, Iburg, Iserlohn, Kallenhardt, Kamen, Langenscheid,
Lemgo, Lippstadt, Lüdenscheid, Lünen, Melle, Menden, Minden, Münster, Neheim,
Neuenrade, Neustadt in Hessen, Nieheim, Oldenzaal in den Niederlanden, Olpe,
Osnabrück, Paderborn, Peckelsheim, Plettenberg, Quakenbrück, Ratingen,
Recklinghausen, Rheine, Rüthen, Schwerte, Soest, Solingen, Sundern, Telgte,
Unna, Vörden in Westfalen, Vreden, Warburg, Warendorf, Warstein, Wattenscheid,
Werl, Werne, Westhofen, Wetter, Wiedenbrück, Alfeld, Aschersleben, Bockenem,
Braunschweig, Einbeck, Gardelegen, Goslar, Gronau, Halberstadt, Hameln,
Hannover, Helmstedt, Hildesheim, Lüneburg, Magdeburg, Osterburg, Quedlinburg,
Salzwedel, Seehausen, Stendal, Tangermünde, Uelzen, Werben, Duderstadt, Erfurt,
Göttingen, Halle, Merseburg, Mühlhausen in Thüringen, Naumburg, Nordhausen,
Northeim, Osterode, Uslar, Berlin, Brandenburg, Cölln an der Spree, Frankfurt
an der Oder, Havelberg, Kyritz, Perleberg, Pritzwalk, Kiel, Lübeck, Wismar,
Rostock, Stralsund, Greifswald, Demin, Anklam, Stettin, Belgard (nicht
Belgrad), Gollnow, Greifenberg, Kammin, Kolberg, Köslin, Rügenwalde, Schlawe,
Stargard in Pommern, Stolp, Treptow an der Rega, Wollin, Braunsberg, Danzig,
Elbing, Königsberg, Kulm, Thorn, Breslau, Krakau, Dorpat, Fellin, Goldingen,
Kokenhusen, Lemsal, Pernau, Reval, Riga, Roop, Wenden, Windau, Wolmar, Kalmar,
Nyköpjng?, Stockholm, Wisby sowie Geldern und [Hannoversch] Münden), kann im
Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. Später wenden sich die
Landesherren gegen die H. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H.
aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und
Lübeck verbleibt.
Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das
Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die
deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse
und der deutsche Orden in Preußen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwerpener
Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen
der Hanse, 1940, 3. A. 1943; Pagel, K., Die Hanse, 1942, 3. A. 1963; Ebel, W.,
Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs.
f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38; Dollinger, P., La Hanse, 1966, 4. A.
1989, 5. A. 1998; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt der späten Hanse,
1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die
deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte
und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K.,
Holland und die Hanse, 1973; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse,
3. A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch,
F. u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische
Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler,
H., Die Hanse, 1996; Niedergang oder Übergang?, hg. v. Graßmann, A., 1998; Genossenschaftliche
Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die
Hanse, 2000, 4. A. 2008; Pichierri, A., Die Hanse, 2000; Pitz, E., Bürgereinung
und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A.
2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002; Landwehr, G., Das Seerecht
der Hanse (1365-1614), 2003; Behrmann, T., Herrscher und Hansestädte, 2004;
Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes, A., 2007; Burkhardt, M.,
Der hansische Bergen-Handel im Spätmittelalter, 2009; Die Hanse, hg. v. Kiesow,
R. u. a., 2009; Skvajrs, E., Die Hanse in Novgorod, 2009 (auch Squires, C.);
Selzer, S., Die Hanse, 2010; Oestmann, P., Prozesse aus Hansestädten vor dem
Königs- und Hofgericht in der Zeit vor 1400, ZRG GA 128 (2011), 114; Poeck, D.,
Die Herren der Hanse, 2010
Hansegraf ist
im Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt
mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge 1187, Wien 1266, Kassel
1323, Bremen 1405).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954,
5. A. 1980, 58, 284
Hansen ist vielleicht die Aufnahme in die Hanse (Köln 1259), aus
der sich das Hänseln entwickelt haben soll.
Lit.: Rauers, F., Hänselbuch, 1936
Hardburi
Lit.: Krogmann, W., As. hardburi,
ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233 (Stammesobrigkeit)
Hardehausen
Lit.: Urkunden des Klosters
Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002
Hardenberg,
Karl August (Essenrode bei Lehre bei Helmstedt 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822)
wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (1766, Pütter) und Leipzig (1768) 1770
Verwaltungsbeamter in Hannover, 1781 in Braunschweig, danach nach
Ehescheidung in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth nach
Inbesitznahme für Preußen), 1803 Außenminister Preußens, 1807 auf Druck
Napoleons entlassen (September 1807 Reformdenkschrift), 4. 6./6. 10. 1810-1822
Staatskanzler in Preußen. Mit seinem Namen verbinden sich die Maßnahmen der
Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit 1810,
Regulierungsedikte 14. 9. 1811, 1816), doch steht neben dem Modernisierungswillen
auch deutliche autoritär-bürokratische Tradition.
Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen
Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der
Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von
Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl
August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann,
I., Hardenberg, 2003
Harderwijk ist eine Stadt der Hanse in den
Niederlanden und von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität.
Häresie ist
die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon
im ausgehenden Altertum durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern
und Androhung der Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch
besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.
Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen
im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner,
E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich,
1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M.,
Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of Heresy, 2006;
Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u. a., 2006; Utz
Tremp, K., Von der Häresie zur Hexerei, 2008; Segl, P., Mittelalterliche
Häresien, 2010; Sackville, L., Heresy and Heretics in the Thirteenth Century,
2011
Harlem wird 1752 Sitz einer Universität.
Harmenopulos,
Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki ein →Hexabiblos
genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzantinischen Reiches in sechs Büchern,
das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in
Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.
Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995
Harmschar (F.)
Qual, Schande als Buße (oder Strafe) im Frühmittelalter
Harpprecht,
Johannes Friedrich (Walheim am Neckar 20. 1. 1560?-Tübingen 18. 9. 1639), früh
verwaister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft
in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer
Tätigkeit am Reichskammergericht 1592 Professor der Institutionen in
Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein vierbändiger Kommentar zu den Institutionen
Justinians (Opera [N.Pl.] omnia multis insignibus quaestionibus adaucta,
1627-1630, Gesammelte, mit vielen berühmten Untersuchungen vermehrte Werke),
der auch die Praxis und das heimische Recht berücksichtigt, aber weder
systematische oder naturrechtliche Ansätze aufweist.
Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr.
Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272; Scholz, W., Johann Harpprecht, Diss. jur. Tübingen
1980
Hartmann von Aue
(Oberrheingebiet 1160/1165-nach 1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der
vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.)
legiste geworden ist. Seine Werke (Klage, Gregorius, der arme Heinrich Erec,
Iwein) erfassen zahlreiche rechtliche Geschehnisse.
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski,
P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches,
1961; Wolf, J., Einführung in das Werk Hartmanns von der Ause, 2007
Häscher (Martin Luther um 1530) Verfolger
Hasel ist der seit 9000 v. Chr. großflächig verbreitete, Nüsse
liefernde Busch, der vielleicht auch rechtliche Verwendung findet.
Lit.:
Beuchert, M., Symbolik der Pflanzen, 2004
Hasse,
Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Thibaut)
Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem Buch Die Culpa des
römischen Rechtes (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter Missachtung der
Quellen in die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die Schuld (culpa).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289
Hassfurt
Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002
Hattingen an der Ruhr wird 990 erstmals als Reichshof erwähnt und erwächst bis zur
Neuzeit zu einer Kleinstadt. Aus ihr ist ein von 1629 bis 1652 reichendes Ratsprotokollbuch
erhalten. Es erweist noch ein Vorherrschen mittelalterlicher Strukturen.
Lit.:
Piel, H., Die Protokolle des Rates der Stadt Hattingen von 1629 bis 1652, 2008
Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte,
von 1562 bis 1890 in Ordnungen geregelte Genossenschaft zur
landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes (Eichen, Birken als
Heizmittel und Gerbemittel) im Turnus von 16-18 bzw. 15-25 Jahren. Sie
entwickelt sich zur Gesamthandsgemeinschaft bzw. juristischen Person.
Wirtschaftlich unterliegt die H. in der Mitte des 20. Jh.s der Steinkohle und besseren
Gerbemitteln.
Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des
Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1956; Lerner, R., Hauberggenossenschaften im Kreis Altkirchen,
1993
Häuptling (lat.
[M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.
Lit.:
Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148
Hauptstadt ist
im neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des Sitzes der
Herrschaftsgewalt.
Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte,
2004 (Diss. jur. Bonn 2003)
Hauriou,
Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungsrecht
(1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wissenschaft
vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit
public général, 1892, Grundriss des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffentlichen
Rechtes).
Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen Hauriou
au droit administratif français, 1966
Haus ist
das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere Gebäude. Seinem Schutz dient
der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in erster Linie dem Hausvater
zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der
Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer Besiedlung öffentlichrechtlichen
Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H.
auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet des Geschlechts). Die Wendung Haus
und Hof ist erstmals in Aarau 1301 bezeugt. Hausbau s. Baurecht
Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88,
120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937;
Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt
„Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956),
155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958;
Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus
und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt
Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus
und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland,
K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2
1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a.,
1997; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007; Binding, G., Methoden
und Probleme bei der Datierung von mittelalterlichen Bauwerken, 2009
Haus-, Hof- und Staatskanzlei ist die am 17. 2. 1742 aus der österreichischen Hofkanzlei
herausgenommene Behörde zur Besorgung der auswärtigen Geschäfte und der
geheimen Haussachen, die 1848 in das Ministerium des kaiserlichen Hauses und
des Äußeren umgewandelt wird.
Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem 14. Jh.
erkennbare handwerksartige Tätigkeit in eigenen Räumen für Zwischenmeister
oder Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19. Jahrhundert. Für
die 1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein Hausarbeitgesetz
geschaffen.
Lit.: Leuthier, O., Entstehung und
Entwicklung des Hausarbeitgesetzes, 2006
Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828
in Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833
an den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Mannes,
dessen Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne
dass sie bislang geklärt ist.
Lit.:
Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A., Kaspar Hauser, (in)
Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99
Hauserbe (lat.
suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des
Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn,
die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die
gewaltunterworfene Ehefrau.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler,
DRG 23, 38
Hausfriede ist
das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereichs
ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung
innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der
Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte (vgl.
ALR II 20 §§ 529ff. Privatverbrechen, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) sowie
1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen besonderen Tatbestand des
Hausfriedensbruches.
Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857,
Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Trabandt, J., Der kriminalrechtliche Schutz des
Hausfriedens, Diss. jur. Hamburg 1970
Hausgesetz ist
die von einer hochadligen Familie für sich vereinbarte oder gesetzte besondere
Rechtsordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor
allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. →Dispositio
Achillea für die Hohenzollern 1473, →Pragmatische Sanktion vom 19. 4.
1713 für Österreich, Privatfürstenrecht). Im 19. Jh. wird das H. von der
Genehmigung durch den Staat abhängig.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden deutschen
Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der pragmatischen
Sanktion, 1911; Marxer, W., Das Hausgesetz des Fürstentums Liechtenstein, 2003
Hausgewalt →Haus
Hausgut ist das einem Haus gehörende Gut. Es ist anfangs vor allem
Gegenstand des Erbes. Seit dem Hochmittelalter ist in Bezug auf das Reich zumindest
gedanklich das H. der Königsfamilie vom Reichsgut zu scheiden. Die Trennung von
Privatvermögen und Staatsvermögen ist auch nach Ende der Monarchie im Deutschen
Reich (1918) noch nicht in allen Einzelheiten abgeschlossen.
Lit.: Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft unter Lothar III.,
1969; Laufs, A., Das Eigentum an Kulturgütern aus badischem Hofbesetu, 2008
Haushalt ist
ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die
Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und
Ausgaben einer →juristischen Person des öffentlichen Rechtes (→Staatshaushalt),
die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. (Sachsen-Coburg
1821, vgl. auch Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Kurhessen 1821/1831, Bayern 1818),
Verfassung des Deutschen Reiches von 1848/1849 Art. VII, IX, Art. 72 Verfassung
von 1871, Art. 8 WRV) vom Parlament durch ein Haushaltsgesetz beschlossen
werden müssen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der
Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der
Staatshaushaltsplan, 1968; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Rothenbacher,
F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1987; Haushalten in
Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Strube, S., Die Geschichte
des Haushaltsrechts, 2002; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656),
2006
Hauskind ist
im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt lebende →Kind.
Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66 VI, 68
III 2
Häusler (Bezeichnung im Mittelalter selten) ist der nur ein Haus und kein
Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457
Hausmarke (Wort 16. Jh.) ist im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem
Wappen des Adels vergleichbare schriftartige Erkennungszeichen für einen
Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet).
Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck,
1964; Heyne, M., Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer, Bd. 1 1899; Grohne, E.,
Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und
Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel, K., Die Hausmarken, ZRG GA 60
(1940), 320; Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden, hg. v. Rück, P.,
1996
Hausmeier (lat.
maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung im spätrömischen Italien
und im Frühmittelalter (Burgunder, Ostgoten, Franken). Bei den fränkischen
Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751
verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der
Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Geschlecht der →Merowinger
und begründet die Königsfamilie der →Karolinger, womit zugleich der H. als
entbehrlich verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880,
Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen
Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss.
phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia
Beiheft 16/1 1989, 217; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesellschaft, 1999
Hausname ist der seit dem 13. Jh. bezeugte Name des einzelnen Hauses einer
Siedlung (z. B. zur
Tanne in Basel, zu der schönen Ecke in Freiburg im Breisgau, ad Gernodum in Worms,
zur roten Türe in Köln), der seit dem 19. Jh. von der Hausnummer verdrängt
wird.
Lit.:
Grohne, E., Die Hausnamen und Hauszeichen, 1912
Hausrat ist die Gesamtheit der zur Haushaltsführung notwendigen
Geräte. Als Gerade kann der H. einer besonderen Erbfolge unterliegen. Die
Hausratsverordnung vom 21. 10. 1944 legt die Aufteilung des Hausrats bei
Ehescheidung fest (bis 2009).
Lit.:
Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Vlassopoulos, I., Der eheliche
Hausrat, 1983
Haussuchung ist
die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht kann bei
Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio (Untersuchung mit
Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende nackt, nur mit
einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel (lat. [F.]
lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei erfolgreicher Suche als
handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet werden darf. Im Mittelalter
ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen beweglichen Sache möglich. Vermutlich
wird bei erfolgloser H. der Suchende bußpflichtig. Seit dem Hochmittelalter
bedarf die H. mehr und mehr der vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates.
Im 19. Jh. sichern die Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831,
Reich 1848). Im 20. Jh. gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung,
das nur durch Gesetz eingeschränkt werden kann.
Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die
Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, (in) Sympotica F.
Wieacker 1970, 59
Haustier (Wort im 18. Jh. belegt) ist das vom Menschen seit der Jungsteinzeit im
oder am Haus abhängig gemacht gehaltene, vor allem (dem Schutz und) der
Versorgung dienende Tier (Hund, Schaf, Ziege, Schwein, Rind, Pferd, Esel,
Maultier, Katze, Huhn, Gans, Ente, Taube). Der Berechtigte wird durch
allgemeine Regeln über Beschädigung und Wegnahme geschützt. Nach § 833 BGB
haftet der Halter für einen von einem in Ausübung seines Berufs, seiner
Erwerbstätigkeit oder zu seinem Unterhalt gehaltenen Tier (H.) verursachten Schaden
weniger streng als für sonstige Tierschäden.
Lit.: Benecke,
N., Archäozoologische Studien zur Entwicklung der Haustierhaltung in
Mitteleuropa, 1994; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung im BGB, 2002; Meier,
F., Mensch und Tier im Mittelalter, 2008; Regnath, J., Das Schwein im Wald,
2009
Haustüre ist die das Haus nach außen abschließende Türe des Hauses.
Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1. 1986, das im Interesse
des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines Vertrags über eine
entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines Kunden in bestimmten
Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen einer Frist von einer
Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das Bürgerliche
Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 266
Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle
verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im
antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittelalter
erweitert sie sich auf die jeweilige Grundherrschaft und tritt seit dem
Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu
verlieren.
Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der
Neuzeit, 1988
Haut und Haar ist
eine mittelalterliche Bezeichnung für bestimmte Leibesstrafen (Prügeln,
Scheren).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schouwe, U., Mit Haut
und Haar, 1994
Haverei (Haverie,
Herkunft des Wortes streitig) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und
Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im
hellenistischen (bzw. vielleicht im phönizischen) Bereich entwickelte (lat.) →lex
(F.) Rhodia de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf, Digesten 14, 2), nach
welcher der Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und
sein Schiff rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstattung eines
anteiligen Ausgleichs entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter
verpflichtet ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im
Hochmittelalter ändern dies die →Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab.
Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh.
zwischen kleiner, nur das Frachtgut betreffender, und großer, auch das Schiff
erfassender H. unterschieden wird. Über die Ordonnance (française) de la marine
(1681), die Havereiordnung Hamburgs (1731), den Code de commerce (1807) und das
→Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das
deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein. Daneben gelten international
York-Antwerpener Regeln von 1864/1877 für die große H.
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de
iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889;
Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg.
Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron,
1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen
Seerechtsquellen, 1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der
freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur
Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57; Gaurier, D., Le droit
maritime romain, 2004; Lindemann, S., Die Gefahrengemeinschaft bei der
Seehandelsfahrt nach den mittelalterlichen Statutarrechten, 2004
Heberolle ist ein Abgabenverzeichnis.
Lit.:
Die Hebereolle des Klosters Freckinhorst, hg. v. Friedländer, E., 1953
hebräisch →Israel,
Jude
Heck,
Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6. 1943) wird nach dem Studium
von Mathematik in Leipzig und des Rechtes in Heidelberg und Berlin und der Promotion
und Habilitation in Berlin (Levin Goldschmidt 1889) Professor in Greifswald
(1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf
von Iherings die gegen →Begriffsjurisprudenz und →freie Rechtsschule
gerichtete →Interessenjurisprudenz, die Lücken im Recht durch Vergleich
gesetzlicher Entscheidungen von Interessengegensätzen (oder bei deren Fehlen
durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er
Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche
rechtsgeschichtliche Arbeiten.
Lit.: Das Problem der Rechtsgewinnung, 1912, 2. A. 1932;
Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Kallfass, W., Die
Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp Heck als
Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als
Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP
2008, 517
Hedemann, Justus Wilhelm (Brieg 24. April 1878-Berlin-Frohnau 13. 3. 1963) wird
nach dem Studium des Rechtes und der 1903 bei Otto Fischer in Breslau erfolgten
Habilitation 1906 Professor in Jena (1919 Institut für Wirtschaftsrecht) und
1936 in Berlin, wo er 1946 wegen seiner Nähe zum Nationalsozialismus vorzeitig
emeritiert wird. Rechtsgeschichtlich bedeutsam ist sein Werk über
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert(, 1910ff.). Kurzzeitig warnt er
1932 vor der Flucht in Generalklauseln.
Lit.:
Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit, 2004
Heer ist
der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in Rom wie auch bei den
Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom beginnt mit Marius
(um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf
aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein
stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden (Berufsarmee), zu dem
Hilfstruppen in gleicher Stärke kommen. Für die Zeit um 395 n. Chr. wird die
Zahl der römischen Soldaten auf rund 500000 (darunter viele Männer barbarischer
Herkunft geschätzt Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei
den germanistischen Nachfolgevölkern das Volksheer der einfachen Freien
und wird (wohl auch wegen der Italienzüge) durch ein ständisches Reiterheer
(Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000 Gepanzerten ersetzt. In der
Mitte des 12. Jh.s sind Söldner im H. Friedrichs I. Barbarossa belegt. An die Stelle
des Reiterheers tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze,
dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird
(Landsknechte, Wort Heerfahrt schwindet). Das Reichsheer besteht aus geringen
Kontingenten der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend
ihren Gestellungsverpflichtungen entziehen. Die Lücke füllt im eigenen
Interesse Habsburg. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der Landesherr ein
stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die Anwerbung (Preußen
1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt
(Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt,
doch durchbricht Adolf Hitler bald diese Einschränkung. Im zweiten Weltkrieg
werden etwa 5,3 Millionen von rund 15 Millionen deutschen Soldaten getötet.
1945 wird nach dem Waffenstillstand das Heer des Deutschen Reiches aufgelöst. 1956
wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland (und im Gleichlauf die
Nationale Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik)
eingerichtet. Ab 2011 wird in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt und ein
Berufsheer aufgebaut.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112,
150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin,
B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der
Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455;
Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche
Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann,
A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des
deutschen Heerwesens, 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen
Geschichte, 1938; Höhn, R., Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden
und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief
für die Reichsarmee von 1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die
Heeresverfassung des deutschen Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J.,
Der Krieger der Merovingerzeit, 1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der
deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M.,
The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller,
K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche
Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P.,
La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die
Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende,
1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u.
a., 1999, 2. A: 2012; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für
Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003;
Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die
Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Megargee, G.,
Hitler und die Generäle, 2006; Die Zeit nach 1945, hg. v. Neugebauer, K., 2008;
Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Grillo, P.,
Cavalieri e popoli in armi, 2008; Albu-Lisson, D., Von der k. u. k. Armee zur
deutschen Wehrmacht, 2011; Stachelbeck, C., Deutschlands Heer und Marine im
ersten Weltkrieg, 2013
Heerbann ist
im Frühmittelalter (Erstbeleg in einem Immunitätsprivileg für Speyer um 665)
der das →Heer betreffende →Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht
mit dem H. bewehrt ist. Vielleicht schon in nachkarolingischer Zeit tritt der
H. zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Sousa Costa, A.
de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitulairen, 1993;
Bachrach, B., Warfare and military organization in pre-crusade Europa, 2002
Heeresgericht s. Kriegsgericht
Heerfahrt s. Heer
Heergewäte (Hergewäte,
Wort seit 12. Jh. belegt) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird
wohl schon seit dem Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen
Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im
Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein
abgeschafft.
Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein
Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade,
Diss. jur. Göttingen 1966
Heerschild (als Versinnbildlichung der Berechtigung zum Aufgebot zum Heer) ist das
Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften
Gesellschaft. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) hat der König den ersten H.
Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im
dritten. Wie weit die (insgesamt als siebenstufig geschilderte)
Heerschildordnung nach unten reicht (Freie, Mannen der Freien, Mannen der
Mannen der Freien), ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig
klar.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom
Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen
Könige, 1979; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2. A. 2009
Hegel,
Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamtensohn,
wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in Tübingen Hauslehrer in
Bern und in Frankfurt am Main und nach der Habilitation (Jena 1801) und
Tätigkeiten in Jena (1801-1807, 1805 ao. Professor), Bamberg (1807-1808) und
Nürnberg (Gymnasiallehrer 1808-1816) außerordentlicher Professor in Heidelberg
(1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der notwendig
fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner Freiheit im
dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese bewusst wird. In
der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als Verwirklichung
der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen stärker
übergeordnet als notwendig.
Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um
1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Hegel, G., Phänomenologie des Geistes, 1807;
Hegel, G., Rechtsphilosophie, 1821; Marcic, R., Hegel und das Rechtsdenken,
1970; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59 (1973), 117;
Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien zu Hegels
Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und Schein,
1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Schnädelbach, H., Hegels praktische
Philosophie, 2000; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003;
Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen
Freiheit, 2007; Senk, N., Junghegelianisches Rechtsdenken, 2007; Staat und
Religion in Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Arndt, A., 2009; Schäfer, R.,
Hegel, 2010
Hegemonie (F.) Vormachtstellung
Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie,
1938; Simpson, G., Great Powers and Outlaw States, 2004; Malettke, K.,
Hegemonie - multipolares System - Gleichgewicht, 2012
Hegung ist
im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen
durch künstliche Abgrenzung und Durchführung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter
und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar.
Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnentstellt
durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.).
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893; Grimm,
J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989,
1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu
Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355
Hehler ist,
wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes
Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten
verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu
bereichern. Der H. ist strafbar (→Der Hehler ist nicht besser als der
Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms
von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt
erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog.
Hehlerprivileg oder Lösungsrecht, vgl. Sachsenspiegel Landrecht III, 7). Mit
dem Ausgang des Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz
zu verschwinden. Die Hehlerei erscheint (nach Württemberg, Hannover und
Sachsen) als eigener Straftatbestand mit eigener Strafe 1847 im Entwurf für ein
Strafgesetzbuch Preußens, 1851 iin dem ihm folgenden Strafgesetzbuch und 1871
im Reichsstrafgesetzbuch. →Der Hehler .
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Heimberger, J., Die
Teilnahme an Verbrechen, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, 1925; Meyer, H., Das Hehlerrecht, (in) Forschungen zur
Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G.
Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG
GA 81 (1964), 360; Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene
Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und
Hehlerei, 2002
Heidelberg am
Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein
bedeutender Ort (1196 erstmals erwähnt, zu Beginn des 13. Jh.s planmäßig
angelegte Stadt) der seit 1214 wittelsbachischen Pfalzgrafen bei Rhein (vor
1225 als Lehen von Worms erlangt, von der Mitte des 14. Jh.s bis 1720 Residenz),
an dem 1386 eine Universität (Mitte des 15. Jh.s römisches Recht) errichtet
wird, an deren juristischer Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max
Gutzwiller, Ernst Levy, Gustav Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek
(sowie Herbert Engelhard, Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und
Karl Geiler) lehren.
Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1960 (Diss. masch.schr. und, Ruperto-Carolina, Sonderband
Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961);
Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als
Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschaftsgeschichte der Universität
Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in
Heidelberg, (in) Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W.,
Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten, (in)
Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier
der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechtslehrer
im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Drüll, D. Heidelberger
Gelehrtenlexikon, Bd. 1 ff. (1803-1932, 1652-1802, 1386-1651), 1986ff.; Der
Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D.,
Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf, K., Die Heidelberger
Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der
Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002; Fink,
O., Kleine Heidelberger Stadtgeschichte, 2005; Die Universität Heidelberg im
Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a., 2006; Cser, A., Kleine
Geschichte der Stadt und Universität Heidelberg, 2008; Stipendienstiftungen
und Stipendiaten vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des
Dreißigjährigen Krieges, bearb. v. Merkel, G., 2008; Baur, S., Vor vier
Höllenrichtern, 2009; Vetter, V., Die ganze Stadt ist abgebrannt, 2009; Vogt,
H., Die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Aufbruch, 2009; Die im Dritten
Reich entrechteten und vertriebenen Mitglieder der Heidelberger Akademie, hg.
v. Heidelberger Akademie, 2009; Düll, D., Heidelberger Gelehrtenlexikon
1933-1986, 2009 (975 Professoren und 10 Professorinnen, in allen 4 Bänden 2843
Professoren); Cser, A., Die großen Heidelberger Fässer, 2009; Schroeder, K.,
Eine Universität für Juristen und von
Juristen, 2010; Leo, P., Wilhelm Groh, 2012
Heil (N.) Wohl
Lit.:
Hartmann, H., Heil und heilig im nordischen Altertum, 1943; Schmitz-Berning,
C., Vokabular des Nationalsozialismus, 1998; Simek, R., Religion und Mythologie
der Germanen, 2003
Heilige Allianz
ist das in Paris am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von →Österreich,
Friedrich Wilhelm III. von →Preußen und Alexander I. von →Russland
abgesprochene religiös-moralische Manifest, das neben dem Bekenntnis zur
christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und
Stabilität auch ein allgemeines Beistandsversprechen enthält. Ihm treten fast
alle christlichen Staaten Europas bei (ausgenommen Papst und bis 1856 Sultan).
Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird
das legitimistische Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden
Interessengegensätze der beteiligten Mächte aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen
Allianz, 1928
Heiliger (religiös vorbildlicher Mensch) →Reliquie
Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976;
Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen
Spätmittelalter, 2004; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005 (64
zwischen 993 und 1523); Angenendt, A., Die Gegenwart von Heiligen und
Reliquien, 2010
Heiliger Stuhl →Papst
Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) ist die unscharfe, sich im
Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474,
amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.] imperium Romanum, Wipos
Gesta Chuonradi 1040-1046, 1122 unter Anknüpfung an das antike römische Reich Romanorum
imperator [Kaiser der Römer], ab 1157 phasenweise [lat.] sacrum imperium [N.,
Heiliges Reich], seit der Spätzeit Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit etwa
1230 häufiger sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. (ostfränkisch-deutsches
Reich, Italien und ab 1033 Burgund) wird getragen von →König bzw. Kaiser
und →Reichsständen. Seit dem Spätmittelalter geht Burgund überwiegend an
Frankreich verloren und bleiben die Reichsfürsten Italiens dem Reichstag fern.
Vielfach als (lat. [N.]) corpus eingeordnet endet das reformunfähige H. R. R.
auf den politischen Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsforderung an den
Kaiser vom 22. 7. 1806) am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone des
Deutschen Reiches durch Kaiser Franz II. (aus der Familie der →Habsburger).
Die h. M. legt den im 15. Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher
Nation“ als auf das deutschsprachige Gebiet einschränkend aus. Die
(materielle) →Verfassung des Heiligen römischen Reiches wird durch eine
Reihe von einzelne Fragen behandelnden „Grundgesetzen“ bestimmt, die man
bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem
Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede
1495, Reichskammergerichtsordnung 1495, Augsburger Reichsabschied 1555,
Westfälischer Friede 1648, Jüngster Reichsabschied 1654, Reichshofratsordnung
1654, Capitulatio perpetua 1711, Reichsputationshauptschluss 1803). 1795
schließt Preußen mit Frankreich den Frieden von Basel, der das Heilige römische
Reich in eine nördliche Friedenszone und eine südliche Kriegszone teilt. 1797
verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in
Italien. Im Frieden von Pressburg Ende (1805) erreichen Bayern, Württemberg und
Baden Souveränität. Am 1. 8. 1806 erklären die 16 Staaten des Rheinbunds vor
dem Reichstag ihren Austritt aus dem Heiligen römischen Reich, Auf ultimative
Aufforderung Napoleons legt Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 durch Lösung des
bisher bestehenden Bandes die Krone des Heiligen römischen Reiches nieder.
Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher
Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff.
1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation,
1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches,
ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, HZ
156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen
römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie
des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges römisches
Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen
römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit
Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges
römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen
römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H.,
Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970;
Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und
Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971;
Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register);
Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Nonn, U.,
Heiliges römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N.,
Das Römische am Heiligen römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Kohler, A.,
Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa, 1990, 2. A. 2010; Heiliges
Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin,
K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges
Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Essig, M., Das
Reich als europäische Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches,
1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres
Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen
Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher
Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Schwarz, J., Herrscher- und
Reichstitel, 2003; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003, 4. A. 2012;
Prietzel, M., Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, 2004, 2. A. 2010;
Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Herbers, K. u. a., Das Heilige
römische Reich, 2005, 2. A. 2006; Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A., Zeitenwende
1806, 2005; Hartmann, P., Das Heilige römische Reich in der Neuzeit, 2005; Stollberg-Rilinger,
B., Das heilige römische Reich deutscher Nation, 2006; Lesebuch altes Reich,
hg. v. Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus, H., Das Ende des alten Deutschland,
2006; Heiliges römisches Reich deutscher Nation 962 bis 1806, hg. v. Puhle, M.
u. a., 2006; Externbrink, S., Friedrich der Große, Maria Theresia und das alte
Reich, 2006; Weinfurter, S., Das Reich im Mittelalter, 2008; Marquardt, B., Die
alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008;
Burgdorf, W., Ein Weltbild verliert seine Welt, 2. A. 2009; Vielhaber, T.,
Reformperspektiven zur Reichsverfassung im Jahrhundert nach dem
westfälischen Frieden, Diss. Bonn 2008; Müller-Mertens, E., Römisches Reich im
Frühmittelalter, HZ 288 (2009), 51; Herbers, K. u. a., Das heilige römische
Reich, 2010; Rudolph, H., Das Reich als Ereignis, 2010
Heilung (von
Rechtsgeschäften) →Konvaleszenz
Heim (N.) Wohnung, Siedling
Heimatzufluchtsrecht ist das ursprünlich gewohnheitsrechtlich oder vertraglich, im 19. Jh.
auch gesetzlich begründete Recht eines notleidenden Geschwisters eines
Hoferben auf zeitlich begrenzte Rückkehr in das Elternhaus.
Lit.:
Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht nach § 30 Absatz 3 Reichserbhofgesetz, 2004
Heimbürge (Wort seit 9. Jh. belegt) ist seit dem Hochmittelalter der (oft jährlich von der
Gemeinde gewählte) Leiter (von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist
dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen (Mühlhausen), der endgültig
im 19. Jh. verschwindet.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962;
Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996
Heimfall ist
der Anfall (bzw. Einzug) des Nachlasses erbenlos verstorbener Menschen. Er
steht als Recht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde,
teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist der →Fiskus gesetzlicher Erbe.
Lit.: Hübner 777; Tomaschek, J., Das Heimfallsrecht, 1882; Brünneck,
W. v., Das Heimfallsrecht und die Gütervereinigung im älteren
böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1; Poll, B., Das Heimfallsrecht
auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local
Administration, 1972
Heimtücke (F.)
Hinterhältigkeit, (BGH 1953) bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des
Opfers, (Vorentwurf eines StGB der Schweiz 1894, § 211 StGB vom 4. 9. 1941, §
112 StGB-DDR 1968,)
Lit.: Thomas, S., Die Geschichte des Mordparagraphen, 1985;
Dörner, B., Heimtücke, 1998; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008; David, A.,
Die Entwicklung des Mordtatbestands im 19. Jahrhundert, 2009
Heineccius (Heinecke), Johann Gottlieb (Eisenberg in Thüringen 11. 9. 1681-Halle
31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig (1698-1703) und des
Rechtes in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor
und nach der rechtswissenschaftlichen Promotion (1716) 1720 außerordentlicher
und 1721 ordentlicher Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an
der Oder (1727) und (gegen seinen Willen) Halle (1733). Seine dogmatischen
Grundrisse (darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen
Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn
zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum
syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institutionum,
1725 [insgesamt 176 Ausgaben], Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Jurisprudentia
[F.] Romana, 1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurisprudentiam patriam
illustrantes, 1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f. [erste
geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts], Elementa [N.Pl.] iuris
naturae et gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Heineccius, J., Opera omnia, Bd.
1ff. 1744ff., Neudruck 2010ff.; Reibstein, E., J. G. Heineccius als Kritiker
des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24 (1964),
236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius
commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v.
Bergfeld, C., 1994; Wardemann, P., Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741). Leben
und Werk, 2007
Heingereiden (Haingeraiden)
sind (16) seit dem 13. Jh. (1256) nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände
(z. B. Wanzenau im Oberelsass) von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792
von Frankreich beseitigt werden. sowie verschiedene andere Großmarken (z. B.
Bieger Mark, Dieburger Mark) überwiegend auf fränkischem Boden.
Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen
Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden,
Pfälzer Heimat 20 (1969), 20
Heinrich der Löwe
(1128/1129?, 1133/1135?-Braunschweig 6. 8. 1195), →Welfe, Herzog von
Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche
Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (→Staufer),
mit dem er infolge der Unterstützung bei der Wahl zunächst lange erfolgreich
zusammenwirkt. Da er nach der Verweigerung der Unterstützung in Italien 1176 mehreren
Ladungen in einem von Fürsten wegen Landfriedensbruchs eingeleiteten Verfahren
vor dem Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet
und als Folge des Nichterscheinens in einem daraufhin wegen Nichtachtung der
Majestät begonnenen Verfahren im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig
erklärt. Im April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den
Erzbischof von Köln) und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt,
im September 1180 das Herzogtum Bayern an Otto von →Wittelsbach gegeben.
H. d. L. behält nur die Eigengüter um Braunschweig und Lüneburg. Mit der
Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen wird die Bildung von →Ländern
weiter gefördert.
Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909;
Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3
(1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195;
Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1;
Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des
Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189;
Güterbock, F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen,
1920; Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die
Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden-
und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische
„Staat“ Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung
Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues
zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs
des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des
Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich
der Löwe, 1979, 2. A. 1980, 4. A. 1996; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W.,
1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt,
J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe
und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und
die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried,
J. u. a., 2003; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 2008
Heinrich I. (um 876-Memleben 2. 7. 936) 919 deutscher König, Begründer des
Königsgeschlechts der Ottonen
Lit.:
Giese, W., Heinrich I., 2007
Heinrich II. (6. 5. 978 oder 973-Pfalz Grone 13. 7. 1024) Urenkel Heinrichs I., fünfter
und letzter König des Königsgeschlechts der Ottonen
Lit.: Weinfurter,
S., Heinrich II., 1999, 3. A. 2002
Heinrich III. (28. 10. 1017-Bodfeld 5. 10. 1056) zweiter deutscher König des Königsgeschlechts
der Salier, der 1046 das Papstschisma beendet, aber bereits mit 39 Jahren
stirbt.
Lit.: Boshof,
E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008
Heinrich IV. (Goslar? 11. 11. 1050-Lüttich
6. 8. 1106) dritter deutscher König des Königsgeschlechts der Salier, der mit
6 Jahren die Herrschaft übernimmt und 1076 anlässlich der Besetzung des
Erzbistums Mailand mit Papst Gregor VII. in Streit gerät (Investiturstreit),
aber sich durch den Gang nach Canossa vom Kirchenbann lösen kann.
Lit.
Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 3. A. 2012; Heinrich IV., hg. v. Althoff,
G., 2009
Heinrich V. (11. 8. 1086?-Utrecht 23. 5. 1125) vierter und letzter deutscher König
aus dem Geschlecht der Salier, der 1105 seinen Vater entmachtet und 1122 das
Wormser Konkordat mit dem Papst schließt.
Lit.:
Boshof, E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008; Heinrich V. in seiner Zeit, hg.
v. Lubich, G., 2013
Heinrich VI. (Nimwegen 1165-Messina 28. 9. 1197) dritter König aus dem Königsgeschlecht
der Staufer, der vergeblich versucht, das Erbe seiner Frau Konstanze von
Sizilien einzunehmen, und bereits mit 32 Jahren stirbt.
Lit.:
Kaiser Heinrich VI., hg. v. d. Gesellschaft für staufische Geschichte e. V:
1998; Jericke, H., Kaiser Heinrich VI., 2008
Heinrich von Segusia →Hostiensis
Heirat (F.)
(1050, Heiratsregister 1875) →Eheschließung
Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg,
1997; Liebl, R., Ein Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die
Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004; Kaiser,
D., Die elterliche Einwilligung, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Heirat macht mündig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)
Heiratsabgabensystem ist bei der Gütertrennung (Ehegüterrecht) die vereinbarte Übergabe von
Heiratsgut (Mitgift, Heimsteuer) durch die Ehefrau (oder ihre Eltern) an den
Ehemann und die vereinbarte Gegenleistung des Ehemanns an die Ehefrau
(Widerlegung, Morgengabe), wobei beide Leistungen durch
Liegenschaftspfandrecht gesichert werden. Im 19. Jh. tritt das H. zurück. Den
folgenden Kodifikationen des bürgerlichen Rechtes ist es unbekannt.
Lit.:
Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit
einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmittelalter bedarf die nach
kirchlicher Ansicht selbst zur Eheschließung berechtigte Braut (zumindest
noch) der H. des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender
Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des
Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse für
Beamte, Soldaten, Kranke, Mittellose, Witwen u. s. w. Die Aufklärung drängt seit dem ausgehenden
18. Jh. die H. allgemein zurück, doch sieht noch das Ehepatent Josephs II. für
Österreich von 1783 die Nichtigerklärung der Eheschließung wegen fehlender
Ehebewilligung vor, enthält noch das Ehegesetz von 1938 eine H. für Soldaten.
und kennt noch das deutsche Gesetz vom 4. 5. 1998 ein begrenztes Vetorecht der
Eltern (in § 1303 III BGB).
Lit.: Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung, 1865; Thudichum,
F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866;
Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt
der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Saar, S., Ehe - Scheidung
- Wiederheirat, 2002; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der
Reformationszeit, 2005
Heiratszwang ist der in familärer und obrigkeitlicher Form mögliche Zwang zur Heirat,
der in früheren Zeiten besteht, aber unter dem Einfluss der Kirche (bereits im
Hochmittelalter) und der Aufklärung (spätestens im 19. Jahrhundert) verschwindet.
Lit.:Thudichum,
F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der Verehelichung, 1866;
Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999
heischen, V., verlangen, fordern, laden, s. ausheischen
heitstrenging, an., Sb., Festbinden eines Versprechens, Gelübde
Lit.:
Näsström, B., Blot, 2002
Heldensage ist die (lange mündlich überlieferte) Sage von Taten hervorragender
Menschen (Helden) (und Götter) in Altertum und Mittelalter (z. B. Äneas,
Odysseus, Herkules, Romulus, Siegfried, Hildebrand, Wolfdietrich), in die auch
rechtlich bedeutsame Geschehnisse eingeflochten sein können.
Lit.:
Schneider, H., Germanische Heldensagen, 2. A. 1962; Haferland, H.,
Mündlichkeit, Gedächtnis und Medialität, 2004; Kropik, C., Reflexionen des Geschichtlichen,
2008
Helgoland
Lit.: Moeller, E, v., Die
Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904
Heliand („Heiland“)
ist die nach der lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evangelienharmonie des
Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste, in 5
Handschriften(fragmenten) überlieferte, 5983 (erhaltene) Zeilen (Verse) umfassende
altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk
frühmittelalterliches Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).
Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 1845, 2.
A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die
Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B.,
Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v.
Taeger, B., 10. A. 1996
Hellenismus ist
ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die
Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v.
Chr.).
Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22;
Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des
Hellenismus, 3. A. 2003, 4. A. 2008; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die
Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999;
Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v.
Schmitt, H./Vogt, E., 2005; Meißner, B., Hellenismus, 2007; Kulturgeschichte
des Hellenismus, hg. v. Weber, G., 2007; Errington, R. A History of the
Hellenistic World 323-30 Bc, 2008
Heller,
Hermann Ignatz (Teschen/Schlesien 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), jüdische
Abstammung, Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck
und Graz 1920 in Kiel (Gustav Radbruch) habilitiert, 1921 Dozent in Leipzig und
Referent am Institut für ausländisches öffentliches Recht in Berlin sowie 1928
zum außerordentlichen Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor
in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933, Flucht nach Spanien) ernannt. Er versteht
in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat und setzt sich für einen
national gesinnten Sozialismus ein.
Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale
Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann
Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002; Henkel, M., Hermann Hellers
Theorie der Politik und des Staates, 2011
Helmarshausen
Lit.: Hoffmann, H., Bücher und
Urkunden aus Helmarshausen und Corvey, 1992
Helmbrecht ist die um 1270 vielleicht im Innviertel von Wernher dem Gartenaere
verfasste, in zwei Handschriften überlieferte Geschichte eines sich gegen
seinen Stand auflehnenden Bauernsohns, die möglicherweise auch Rechtswirklichkeit
widerspiegelt.
Lit.: Die
Märe von Helmbrecht, hg. v. Panzer, F., 9. A. 1974; Menke, P., Recht und
Ordo-Gedanke im Helmbrecht, 1993
Helmstedt (Ersterwähnung Helmonstede 952, 1247 Stadt) ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von
Braunschweig gegründeten Universität (1589 340 Studenten, Hermann Conring).
Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität
Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die
Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der
juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Haase, H., Die Universität Helmstedt
1576-1810, 1976; Die Matrikel, bearb. v. Mundhenke, H., 1979; Kundert, W.,
Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn,
P., Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im Zeitalter des Absolutismus.
Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Müller, H.,
Helmstedt, 1998; Alschner, U., Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998; Ahrens,
S., Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt, 2004¸ Maaser, M., Humanismus und
Landesherrschaft, 2010; Casemir, K. u. a., Die Ortsnamen des Landkreies Helmstedt
und der Stadt Wolfsburg, 2011
Helsinki (Helsingfors)
wird 1550 vom König von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort
erhält es eine Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen
Großfürstentums →Finnland.
Helvetische Republik
ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der
Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste Republik in der →Schweiz
(1798-1803).
Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945;
Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982;
Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984
Helvetisches Bekenntnis ist das die Theologie Jean Calvins (1509-1564) und Ulrich Zwinglis
(1504-1575) 1566 zusammenfassende Bekenntnis, das im Westfälischen Frieden
1648 reichsrechtlich anerkannt wird und dessen Anhänger in Österreich seit
Toleranzpatenten Josephs II. seit 1781 toleriert werden.
Henker ist
der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden)
Todesurteils. Der H. gilt (ab etwa 1400) als unehrlich. Vor der Vollstreckung
steht dem Hinzurichtenden (seit dem 15. Jh.?, henckermol 1575) eine Henkersmahlzeit
zu. Der 1924 zum Scharfrichter in Bayern berufene Johann Reichart vollzog die
Todesstrafe an rund 3000 und nach 1945 an 156 Menschen (Nationalsozialisten).
Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA
44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Heim, W.,
Das Henkersmahl, 1941; Hentig, H. v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958;
Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder
und arme Sünder, 1978; Dachs, J., Tod durch das Fallbeil, 1996; Deutsch, A.,
Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers
Hetzbube, 2003; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007; Die Henker von Nürnberg
und ihre Opfer, hg. v. Diefenbacher, M., 2010; Rosenstrauch, H., Karl Huß. Der
empfindsame Henker, 2012
Henlich ist
ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbesondere
im Recht des Ingelheimer Oberhofs die Verlobung und Eheschließung bzw. der →Ehevertrag.
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert,
1968, 104
Henneberg
Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete
Grafschaft Henneberg-Schleusingen, 1944; Bibliographie zur hennebergischen
Geschichte, bearb. v. Henning, E. u. a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen
von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch, J., 2006
Henneberg,
Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der Grafen von
Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt (1455) und
Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er
bestimmt als Erzkanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen römischen Reiches im Jahre 1495 (→Reichskammergericht, →Landfriede,
→Gemeiner Pfennig).
Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K.,
Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia,
Diss. phil. Würzburg 1970
Hennegau
Lit.: Goldhardt, O., Die
Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909;
Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910; Cauchies, J., La
législation princière pour le comté de Hainaut, 1982
Henricus de Baila ist ein 1169 und 1170 bezeugter
Glossator in Bologna (Glossen, Distinktionen, Disputationen?).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 214
Henricus
de Bracton s. Bracton
Heraklit von
Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische Philosoph, der den Einsatz
des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des
Gemeinwesens hervorhebt.
Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums
Recht, 1993
Heraldik (F.)
Wappenkunde
Lit.: Köbler, DRG 3; Hildebrandt, A.,
Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998 (1. A. unter anderem Titel 1824); Seyler,
G., Geschichte der Heraldik 1890, Neudruck 1970; Berchem, E. Frhr. v.,
Heraldische Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2.
A. 1948; Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski,
M., Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977;
Zenger, Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Oswald,
G., Lexikon der Heraldik, 1984, 3. A. 2011; Henning, E./Jochums, G.,
Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock,
T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Filip, V., Einführung in
die Heraldik, 2000, 2. A. 2011; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006, 2. A. 2009;
Henning, E., Repetitorium heraldicum, 2010
Herausgabe (1739, Herausgabepflicht 1896/1900) ist das Übergeben des Besitzes an
einer Sache oder einem Menschen durch eine Person an eine andere Person.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder
einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabeanspruches ist die schon dem
altrömischen Recht vertraute (lat.) →rei vindicatio (F.). Sie lebt im
modernen H. in abgewandelter Form fort.
Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212
Herberge
Lit.: Kachel, J., Herberge und
Gastwirtschaft, 1924; Hermesdorf, B., De herberg in de Nederlanden, 1957;
Peyer, H., Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus, 1987; Potthoff, O.,
Kulturgeschichte der deutschen Gaststätte, 1996
Herborn (an der Dill, 1251 Stadtrecht)
ist von 1584 bis 1815 Sitz einer Universität (Althusius, als Student Comenius).
Lit.: Menk, G., Die Hohe Schule
Herborn, 1981; Haering, H., Die Spätzeit der Hohen Schule zu Herborn, 1994; Schmidt-von
Rhein, G., Zur Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen
Schule zu Herborn, ZRG GA 103 (1986), 263
Herd (M.), Boden (9. Jh.), Feuerstätte (10. Jh.), Haus,
Wohnung, davon Herdschilling oder Herdzins zu leisten
Lit.: Schomburg, W., Lexikon der
deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Mittelalterliche Öfen, hg. v.
Röber, R. 2002
Herdecke
Lit.: Schnettler, O., Herdecke an
der Ruhr, 1939i, Johann
Gottfried (Mohrungen in Ostpreußen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird nach
dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764, Kant) Prediger in Riga, in
Bückeburg (1771) und In Weimar (1776 Oberhofprediger). Er sieht in der
Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden →Volksgeists,
dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt (Idee der
Kulturnation). Damit beeinflusst er →Savignys Verständnis vom Recht als
sich organisch entfaltendem Teilbereich der Gesamtkultur in bedeutsamer Weise.
Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur,
1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772;
Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12
(1957), 137; Adler, E., Herder und die deutsche Aufklärung, 1968; Kalletat, F.,
Herder und die Weltliteratur, 1984; Irmscher, H., Johann Gottfried Herder,
1996; Zaremba, M., Johann Gottfried Herder, 2002; Kantzenbach, F., Johann
Gottfried Herder, 2007; Herder Handbuch, hg. v. Clairmont, H. u. a., 2010
Heredis institutio
(lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer Zeit die schon früh an
den Anfang des Testaments zu stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung
(z. B. [lat.] Titius heres esto).
Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2
Hereditas ([F.]
lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus Vermögensrechten gebildete
Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben
an. Sie kann h. iacens (ruhende Erbschaft) sein.
Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW;
Kressin, U., Hereditas, 2011
Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende Erbschaft) ist im römischen Recht die
einem Außenerben (lat. heres [M.] extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit
zwischem dem Tod des Erblassers und der Ergreifung der Vermögensrechte durch
den Außenerben. Ursprünglich gelten die Erbschaftsgegenstände als (lat.)
res (F.) nullius (Sachen niemands). Die Rechte und Pflichten bestehen weiter,
haben aber zeitweilig keinen Träger und können deswegen nicht geltend gemacht
werden. Die h. i. kann Rechte erwerben. Die h. i. wird mit der Aufnahme des
römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter an verschiedenen Orten übernommen
(z. B. Österreich).
Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985, 562, 621, 629
Hereditatis petitio
(lat. [F.] Erbschaftsbegehren) ist bereits im altrömischen Recht das
Herausverlangen der Erbschaft durch eine Person, die behauptet Erbe zu sein.
Lit.: Kaser §§ 65 III, 75
Heres (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der →Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).
Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW
Herford ist
eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift
erwachsene Stadt, von der die Bilderhandschrift (2 Miniaturen, Initialen)
eines mittelniederdeutschen, dem Sachsenspiegel nahestehenden Rechtsbuchs von
etwa 1375 in 61 Artikeln überliefert ist.
Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 64 (1944), 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung
von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die
Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der
Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Hüpper, D., Das Herforder
Rechtsbuch und sein Verhältnis zum Sachsenspiegel, Nd. Wort 29 (1989), 47ff.; Terharn,
C., Die Herforder Fehden, 1994; Kurtz, T., Das oberste Rückerstattungsgericht
in Herford, 2013
Hergewäte →Heergewäte
Herisliz (ahd.
[M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788
(nach den Lorscher Annalen) zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern
führt.
Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 53; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen
Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993
Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), vielleicht aus Oebisfelde an der Aller
nördlich Helmstedts, Bürger in Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register
zum Landrecht des →Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden
verfahrensrechtlichen Schriften →Cautela und →Premis an.
Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und
Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 66
Hermann von Salza (um 1180-Salerno 20. 3. 1239), aus einer
Ministerialenfamilie in Thüringen bei Gotha und Langensalza, von 1209 bis 1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen
Ordens, erlässt die sog. →Kulmer Handfeste, die lübischem und magdeburgischem
Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte
gewährt.
Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des
Deutschordensstaates in Preußen, 1924; Kluger, U., Hochmeister Hermann von
Salza, 1987; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007
Hermeneutik (F.) Verstehenslehre
Lit.:
Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v. Avenarius, M., 2008
Hermogenian (um
300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen
Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst
die private (halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur
der Jahre 293 und 294 (→Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in
die →Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum
libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Schriften Rechtskundiger).
Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris
Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36,
137
Herold (M.,
aus germ. hari-waldaz, Personenname bei Tacitus) Verkünder
Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956;
Römheld, L., Die diplomatischen Funktionen der Herolde im späten Mittelalter,
Diss. phil. Heidelberg 1964; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006; The Herald in
Late Medieval Europe, hg. v. Stevenson, K., 2009
Herold,
Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567), unehelicher Sohn
eines Augsburger Bürgers, Übersetzer und Drucker ohne feste Anstellung,
veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10) Volksrechten (Originum
ac Germanicarum antiquitatum libri), deren handschriftliche Vorlagen seitdem
teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica)
verschollen sind.
Lit.:
Burckardt, A., Johann Basilius Herold, 1967
Herr ist
der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über einen Gegenstand). Das Wort
wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.] senior, Älterer (und damit
Höherer), aus dem Komparativ des Adjektivs her, „grau, hehr“ gebildet.
Hausherr, Grundherr (Wort 14. Jh.), Lehnsherr und →Landesherr (Wort 15.
Jh.) sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen
Anrede erwachsener Männer. In den ständischen Landtagen von Österreich ob der
Enns und Österreich unter der Enns sind die Herren eine eigene Kurie, in der
Steiermark, in Kärnten und Krain eine Kurie mit den Rittern.
Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen
und Herren des Heiligen römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der
Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916;
Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren,
Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969
(masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer
Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und
Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein,
1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996
Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen
Besatzungszonen des Deutschen Reiches auf Einladung Bayerns vom 10. bis 23. 8.
1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee einberufene, eine →Verfassung (→Grundgesetz)
der späteren Bundesrepublik →Deutschland vorbereitende Gremium (Carlo
Schmid Justizminister Württemberg-Hohenzollerns SPD, Josef Schwalber
Staatssekretär im Innenministerium Bayern CSU, Josef Beyerle Justizminister
Württemberg-Baden CSVP/CDU, Adolf Süsterhenn, Justizminister Rheinland-Pfalz
CDU, Paul Zürcher Oberlandesgerichtspräsident (Freiburg im Breisgau) Baden CDU,
Hermann Louis Brill Leiter der Staatskanzlei Hessen SPD, Theodor Spitta
Bürgermeister Bremen BDV/FDP, Fritz Baade Professor der Wirtschaftswissenschaften
Schleswig-Holstein SPD, Justus Danckwerts Ministerialrat Niedersachsen, Theodor
Kordt Diplomat und Völkerrechtler Nordrhein-Westfalen, Wilhelm Drexelius
Senatssyndikus Hamburg SPD, Otto Suhr Volkswirt und Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung
Berlin als Gast SPD).
Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre Verfassungskonvent
Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung für Deutschland,
hg. v. März, P. u. a., 1998
Herrenfall ist
der Tod des →Herrn im Lehnsverhältnis.
Herrenhaus ist
die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords nachgebildetes
Staatsorgan einiger Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich
1861-1865, 1867-1918, ab 1907 mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder). Ihm
gehören hauptsächlich Vertreter des →Adels und vom Herrscher besonders
berufene Mitglieder an.
Lit.: Baltl/Kocher; Spenkuch, H., Das preußische
Herrenhaus, 1998
Herrenlos ist
die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. früher in Freiheit befindliche
wilde Tiere, derelinquierte Sachen, ähnlich freie Luft, fließendes Wasser). Die
herrenlose Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist
ursprünglich jedermann, nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere
Träger eines Aneignungsrechts (z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).
Lit.: Hübner 454f.
Herrenreiterurteil ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Deutschlands vom Februar
1958 (BGHZ 28, 349), die in Analogie zu § 847 BGB und in Widerspruch zu § 253
BGB) einem ohne Einwilligung zu Werbezwecken (Okasa) öffentlich abgebildeten
Reiter eine billige Entschädigung (Schmerzensgeld, Ersatz immateriellen
Schadens) gewährt wird (als verfassungsmäß angesehenes Richterrecht).
Herrschaft ist
die Macht oder Gewalt eines Menschen (→Herrn) über einen anderen Menschen
(oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und
Überschichtung bzw. durch Unterwerfung und Aneignung. Es ist streitig, ob sich
die umfassende Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen
lässt. Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und
Landesherrschaft, Hausherrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort
herscaf (mhd.) als Herrenstellung (über Gegenstände und Menschen) findet sich
erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlichrechtlicher Herrschaft
und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden.
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas,
A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W.,
Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen
der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und
souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O.,
Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen
deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A.,
Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und
Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze,
hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale
Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986;
Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft,
1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6.
und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und
Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft
und Territorium im späten Mittelalter, 1996; Hohkamp, M., Herrschaft in der
Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Strukturen und
Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v.
Dilcher, G. u. a., 2000; Holtz, S., Bildung und Herrschaft, 2002; Die
Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F., 2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H.
u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft, 2003; Hochadelige Herrschaft im
mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M.,
Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von
Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer Herren?, hg. v. Brakensiek, S.
u. a., 2005; Debatten über die Legitimation von Herrschaft, hg. v.
Schorn-Schütte, L. u. a., 2006; Urbanczyk, P., Herrschaft und Politik im frühen
Mittelalter, 2007; Herrschaftsverdichtung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2010
Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum (Protagoras,
Demokrit, Epikur, Ulpian, Augustinus) ansatzweise sichtbare, für die Vorzeit
angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft Herrschender (Staat) über
Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag
an, der die Verfassung des Staats schafft, nicht den Staat selbst (Thomas von
Aquin, →Marsilius von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als →Gesellschaftsvertrag
(→Althusius, →Hobbes, →Locke, →Pufendorf, →Rousseau
1762).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge
und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt,
A., 1965
Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen (Verkörperung, Veranschaulichung)
der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z. B. →Ornat, →Krone, →Lanze,
→Schwert, →Zepter, Hut, Löwe, Pranger). Seine Ausprägung ist in
einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der bedeutendste Schatz an H. sind
die →Reichsinsignien.
Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Stollberg-Rilinger, B., Des
Kaisers alte Kleider, 2008
Herrschende Lehre
ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. angeseheneren Rechtsgelehrten)
in einer Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu
finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins
[321], das zunächst →Papinian(us) für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz
Theodosius’ II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, →Paulus,
→Ulpian, →Modestin und →Gaius besondere Geltung verleiht und
bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im
Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der
(lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, →Bartolus,
→Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das
regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu. Der Absolutismus ordnet die Rechtswissenschaft
dem Gesetz unter (z. B. ALR Einl. § 6 [1794]). Die historische Rechtsschule
(Savigny 1814) stellt die Rechtswissenschaft über (oder zumindest neben) die
Gesetzgebung. Spätestens mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) tritt im
Deutschen Reich die Rechtswissenschaft hitner dem Gesetz zurück.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt
der Rechtskultur in Italien, 1938, 204; Schröder, J., Recht als Wissenschaft,
2001, 2. A. 2012
Herrschende Meinung
ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende Meinung.
Lit.: Schnur, R., Der Begriff der herrschenden Meinung in
der Rechtsdogmatik (in) Festgabe für Ernst Forsthoff, hg. v. Doehring, K.,
1967, 43ff. Zimmermann, R., Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983;
Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989
Herrscher
Lit.: Europäische Herrscher, hg.
v. Vogler, G., 1988; Herrscherchronologien der antiken Welt, hg. v. Eder, W.,
u. a., 2004; Bussmann, B., Die Historisierung der Herrscherbilder (ca.
1000-1200), 2006; Erkens, F., Herrschersakralität im Mittelalter, 2006
Hersir ist in Norwegen als
Bezeichnung der Tätigkeit eines Vorstehers ein Häuptlingstitel vom 9. bis zm
11. Jh.
Lit.:
Sandmo, E., Norsk historie 1 (750-1537), 2. A. 2007
Hert (Hertius),
Johann Nikolaus (Niederkleen bei Gießen 6. 10. 1651-Gießen 19. 9. 1710),
Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen
(1664/1667) und des Rechtes in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 außerordentlicher
Professor und nach der Promotion (1686) 1690 ordentlicher Professor in Gießen.
Er verwendet neben dem römischen Recht auch deutsche Rechtsquellen, befasst
sich wegweisend mit dem Kollisionsrecht (Dissertatio de collisione legum,
1688) und gibt drei Bücher deutscher Rechtssprichwörter heraus.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62; Herrmann,
G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963; Deutsches
internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, hg. v. Bar, C. v. u.
a., Bd. 2 2001
Herzebrock (Kloster)
Lit.: Herzebrock, hg. v. Möller, E., 2010
Herzegowina →Bosnien
Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998;
Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche
Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Grandits, H., Herrschaft und Loyalität in
der spätosmanischen Gesellschaft, 2008
Herzog ist
die wohl nach griechischem Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für
den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.])
duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit
der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die Herzöge im Frankenreich aus
angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der königlichen Gewalt zu nahezu
selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder Völker (Franken, Bayern,
Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen u. s. w.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die
Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige
(Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites)
(Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber
früh zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938). Seit
dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland einzelne Familien den Herzogstitel
fort, auch wenn sie die Stellung als H. verlieren. Durch Friedrich I.
Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsherzogtum an die Stelle des
Amtsherzogtums gesetzt (→Österreich 1156, Westfalen 1180, danach
Braunschweig-Lüneburg 1235, Herzogswürde ohne Herzogsgewalt z. B. für Meranien
1195). 1918 verschwindet der H. aus der deutschen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P.,
Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt
und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1;
Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406;
Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T.,
Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und
Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der
Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im
agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der
Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von
Schwaben, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen
bei Rhein und Herzöge von Bayern, 1986; Schneidmüller, B., Völker - Stämme -
Herzogtümer?, MIÖG 108 (2000), 31
Herzogemburg
Lit.: 900 Jahre Stift Herzogenburg, hg. v. Katzler, G. u.
a., 2012
Herzogtum ist
die Würde und der Herrschaftsbereich des →Herzogs. Wichtige Herzogtümer
sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen,
Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüneburg,
Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau u. s. w.
Lit.: Köbler, DRG 94
Hessen ist
im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen
Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem
4. Jh. dem Einflussbereich der →Franken zuzurechnen ist Die Grafschaft
H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben
der Ludowinger (1247) selbständige Landgrafschaft. Nach dem Übertritt Philipps
des Großmütigen zum Luthertum (1524) wird H. bei seinem Tode 1567 geteilt
(Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält 1820 eine
Verfassung, Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung
(Einkammersystem, ansatzweise tatsächliche Gewaltenteilung, Vorrang und Schutz
der Verfassung) vor 1848 (am 13. 4. 1852 durch oktroyierte Verfassung ersetzt).
Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz
Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene
Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen
bzw. H. verbunden.
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im
Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in
Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der
kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der
Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von
1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft
Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der
ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd. 1f.
1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg?
Oberhessische Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an
der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches
Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958;
Hessische Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.;
Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der
Kreis Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen,
1960ff.; Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958;
Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn,
F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von
Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen
zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W.,
Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W.,
Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil
und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis
1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 3,2,1518,
3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Weiss, U.,
Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein hessischer
Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981), 56; Demandt,
K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger,
K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in
Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und
Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Hessische
Landtagsabschiede, Bd. 1ff. 1989ff.; Rudersdorf, M., Ludwig IV. Landgraf von
Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den Anfängen der
kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe, E.,
Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der hessischen
Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 1997;
Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v.
Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land
Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H.,
2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebungen und Wissenschaft in
Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus
Hessen, 2006; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im
internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens,
2006; Philippi, H., Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648-1806, 2007; Ham, R.,
Ludwig Hassenpflug, 2007; Dieses Haus ist gebaute Demokratie, hg. v. Flemming,
J. u. a., 2007; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 30
(2008), 65; Hessische Abgeordnete 1820-1933, hg. v. Rack, K. u. a., 2008; Die
nachrevolutionären Landtage des Großherzogtums Hessen 1849-1856, hg. v. Fleck,
P. u. a., 2008; Einheit vor Freiheit?, hg. v. Köhler, M. u. a. 2010; Will, M.,
Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946, 2009; Adel in Hessen,
hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Handbuch der hessischen Geschichte, Bd. 1 hg. v.
Speitkamp, W., 2010; Brochhagen, N., Die landesherrliche Visitation in
Grebenstein 1668, 2012; Dilich, W., Synopsis descriptionis totius Hassiae, hg.
v. Rener, M. u. a., 2012; Das Land Hessen, hg. v. Röming, A. u. a., 2014
Hethiter ist der Angehörige des während der Bronzezeit das Gebiet zwischen
Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf beherrschenden
indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangenen Volkes mit dem Hauptort
Hattuscha in Anatolien (2. Jt. v. Chr., bis etwa 1200 v. Chr.).
Lit.: Brandau,
B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich,
W., Die Hethiter, 2003; Friedrich, J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A.
2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite Priesthood, 2007; Schachner, A., Hattuscha,
2011; Bryce, T., The World of Neo-Hittite Kingdoms, 2012
Heuer ist
der Lohn eines Besatzungsmitgliedes eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem
Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff durch Dienstvertrag
vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgelts und in ihrer Höhe vom
Ertrag der Fahrt abhängig.
Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915;
Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiterrechts, Diss. jur. Greifswald
1938
Heusler,
Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas
Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin
(1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes Werk
sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er
auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (→Munt) und über Sachen (→Gewere)
ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts
aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen (1894ff.) zurück.
Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel,
1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten
Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz,
U., Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische
Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in
der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und
die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Germanentum im fin de siècle, hg. v. Glauser, J.
u. a., 2005
Hexabiblos ist die in Thessaloniki um
1345 durch Konstantin Harmenopoulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der →Basiliken
in sechs Büchern. →Griechenland
Lit.:
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmenopoulos, K., Manuale legum sive
Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969
Hexe (Zaungeist?)
ist die zauberkundige Frau mit magisch-schädigenden Kräften, die angeblich
durch die Luft fliegen, sich in Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke
herstellen kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt (lat. [F.] striga).
Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen beginnen bei der Verfolgung der aus
Heterodoxien seit dem 12. Jh. entstandenen, von piemontesischen Inquisitionen
des 14. Jh.s beeinflussten, Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt
verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen
(um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im Tessin [in der
Leventina]), aus denen mit päpstlicher Unterstützung durch die →Hexenbulle
(1484) nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die sich unter
Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus
Inquisitionsprozessen entwickelt haben dürften und die auch der
Herrschaftsausübung dienen können. Möglicherweise werden vor allem zwischen
1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu)
einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa
[nur] 25000 oder 50000 bis 100000?, darunter auch Kinder) verbrannt, ehe der
Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann,
De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Christian
Thomasius, 1712). Noch nach der Constitutio Criminalis Theresiana (1768) ist
Hexerei strafbar (Art. 58). Der letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet
in Kempten 1775 statt und endete mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger
Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie,
dass es Menschen gibt, die ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem
Drittel der Befragten bejaht.
Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die
Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der
Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn,
Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen,
J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der
Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M.,
Geschichte der Hexenprozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und
Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader,
G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W.,
Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer
Unterschiede im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee
und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre
abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959;
Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C.,
Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y
su mundo, 1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die
Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in
der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen
städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen,
ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der
Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn
und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977 (1977); Schormann, G., Hexenprozesse
in Nordwestdeutschland, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland,
1981; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v.
Degn, C., 1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen
Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der
neuzeitliche Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u.
a., 1987; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 1988, 4.
A. 2000, 7. A. 2010; Ginzburg, C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe
Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann,
G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter,
A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992;
Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Walz, R., Hexenglaube und
magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und
Regionalgeschichte, hg. v. Wilbertz, G. u. a., 1994; Lambrecht, K.,
Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexenprozesse, hg.
v. Franz, G. u. a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a.,
1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996;
Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die
Maleficia der Hexenleut‚, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A.
1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im
südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die
Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998),
566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999;
Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a.,
1998; Gehm, B., Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des
Reichshofrates zu ihrer Beendigung, 1999 (2000), 2. A. 2012, Neudruck 2013; Schmidt,
J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A. 2001;
Himmlers Hexenkartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Oestmann, P., Böse
Nachbarn – gute Juristen?, ZNR 2001, 254; Kauertz, C., Wissenschaft und
Hexenglaube, 2001; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001;
Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002;
Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den
fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002;
Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B.,
Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, M.,
Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t Gallen, 2003; Koppenburg,
I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our demons, 2003; Perlhefter,
V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann, N., Verdorrende Bäume und
Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen – Aus den
geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen. Magie, Mythen und die
Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg. v. Lorenz, S. u. a.,
2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004; Koppenborg, I.,
Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts, 2004;
Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K.,
Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007;
Rummel, W./Voltmer, R., Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2007;
Moeller, K., Das Willkür über Recht ginge, 2007; Zagolla, R., Folter und
Hexenprozess, 2007; Hexenprozess und Staatsbildung, hg. v. Dillinger, J. u. a.,
2008; Rummel, W. u. a., Hexen und Hexenverfolgung, 2008; Utz Tremp, K., Von der
Häresie zur Hexerei, 2008; Pilaszek, M., Procesy o czary w Polsce w wiekach
15-18, 2008 (687 Hexenprozesse zwischen 1501 und 1794); Burkart, M., Hexen und
Hexenprozesse in Baden, 2009; Groß, B., Hexerei in Minden, 2009; Sauter, M.,
Hexenprozess und Folter, 2010; Stokes, L., Demons of Urban Reform, 2011Gerst,
C., Hexenverfolgung als juristischer Prozess, 2012; Koch, A., Wider ein
Feindsrafrecht, 2012; Dillinger, J., Kinder im Hexenprozess, 2013
Hexenbulle ist
die Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der →Hexen
(durch Inquisition) fördert (Summis desiderantes affectibus vom 5. 12. 1484).
Hexenhammer (lat.
malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer
gedruckte, die →Hexenbulle kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen →Hexen
von Heinrich Institoris (Kramer) (und Jakob Sprenger) (handschriftliche
deutsche Fassung 1491 an Nürnberg übersandt).
Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus
maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus
maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich
Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger
Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus
maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H.,
Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000;
Henricus Institoris/Jacob Sprenger, Malleus maleficarum, hg. v. Mackay, C.,
2006; Mackay, C., The Hammer of Witches, 2009; Decker, R., Hexen, 2010; Beck,
R., Mäuselmacher, 2011, 2.( unv.) A. 2012; Koch, A., Wider ein Feindstrafrecht,
2012
Hexenprozess →Hexe
Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für
Strafsachen
Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael,
aantekeningen bij een oude dingrtaal uit het Amorland, 1950
Heymann,
Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach dem Rechtsstudium in
Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor
in Königsberg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeichnend für ihn sind die
Annäherung der Rechtsgeschichte an das geltende Recht und der vielseitige
Weitblick (Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896,
Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechtsformen der militärischen
Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrierechts, 1921).
Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenverzeichnis);
Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX
Hierarchie ist
die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung.
Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und im römischen Dominat
entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem Spätmittelalter erwachsende Staat
zur Gestaltung seiner Verwaltung.
Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 103; Hiérarchie et stratification sociale dans l’Occident médiéval
(400-1100), hg. v. Bougard, F. u. a., 2008
Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden
Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stabreimenden
Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied.
Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher
Denkmäler, 1986
Hildesheim
Lit.: Gebauer, J., Geschichte der
Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.; Klewitz, H., Studien zur territorialen
Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins
in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 151; Adamski, H., Der welfische
Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen zur Hildesheimer
Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke, J., Die
landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H.,
Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der
Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978; Die Hildesheimer Bischöfe von 815-1221,
bearb. v. Goetting, H., 1984; Höhl, M., Die Pest in Hildesheim, 2002; Plath,
C., Konfessionskampf und fremde Besatzung, 2005; Giese, M., Die Textfassungen
der Lebensbeschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim, 2006; Die
Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398, bearb. v. Kruppa, N. u. a., 2006;
Giese, M., Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, DA 62 (2007),
569; Schneider, W., Bernward von Hildesheim, 2010
Hilfe s. unterlassene
Hilfeleistung
Lit.:
Koch, S., Unaufgeforderte Hilfeleistung in Notsituationen, 2012
hinkend (Adj.) unvollkommen wirksam (lat. claudicans) z. B. Rechtsgeschäft eines
Minderjährigen
Hinkmar von Reims
(um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach
der Schulung in Saint Denis 854 Erzbischof von →Reims. Neben
umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen
Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des
Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des
Palastes).
Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus
de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.;
Hinkmar von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann,
M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und
Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De
presbiteris criminosis, 2004
Hinrichtung ist
die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch
Enthauptung mit dem Beil, im klassischen römischen Recht durch Enthauptung mit
dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken
Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche
verschiedene →Todesstrafen (Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen,
Pfählen, Vierteilen, Lebendigbegraben, Ertränken).
Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die
Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968;
Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992;
Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186;
Seeger, A., Hinrichtungen, 1998
Hinschius,
Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer Juristensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin (Richter) Professor in
Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin (1872) und
Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht der
Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Politische Bedeutung hat
seine Mitwirkung am →Kulturkampf (Personenstandsgesetz).
Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905
Hinterlegung (Wort
1542, lat. [F.] →depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses
erfolgende Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch den Schuldner an
die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht
bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht
zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Gericht.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die
Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Hintersasse ist
der vom Grundherrn abhängige Mensch in der →Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit
über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102
Hippolithus a Lapide
(Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad [Gut]/Vestmanland/Schweden
17. 5. 1678), lutherisch, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in
Rostock und Jena (Dominicus Arumaeus) Soldat in den Niederlanden und in
Schweden (1630-1637), 1644 Hofhistoriograph Schwedens und veröffentlicht (zwischen
1640 und 1647 [um 1640?, um 1643?]) unter diesem Namen die (lat.) Dissertatio
(F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Erörterung über das
Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in der er das Reich als
Aristokratie der (souveränen) Stände erklärt und sich für die Stärkung des
Reichstags unter Schwächung der Kurfürsten sowie die Ausgliederung Habsburgs
aus dem Reich ausspricht.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 203
Hirdskra ist
die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König →Magnus Hakonarson
(1263-1281) aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200
entstandene, verlorene Vorgängerin vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das
vielleicht von einem Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs,
die Eide der Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden u. s. w.
Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner,
R., 1938; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011,
148ff.
Hirtenrecht ist
das für Hirten in Spätmittelalter und Neuzeit geltende besondere Recht.
Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R.,
Der gemeine Hirte, 1973
His, Rudolf
(Basel 1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der
Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in Münster. Er verfasst
in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine grundlegende
Strafrechtsgeschichte (Das →Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920,
1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina,
1928, Neudruck 1967).
Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941
Historie (F.)
Geschichte
Historiker (M.)
Geschichtsforscher
Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R.,
2. A. 2002
Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste,
1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher
Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutschland.
Lit.: Kailitz, F.,
Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001
Historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von →Savigny (und Karl
Friedrich Eichhorn) begründete Schule der geschichtlichen Rechtswissenschaft.
Für sie greift Savigny in einem objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche
→Naturrecht (Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechtspolitisch die
Freiheitsethik Immanuel →Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav →Hugos
(1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen
Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des
Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen,
absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen (tatsächlichen,
positiven, konkreten, exegetisch-praktisch behandelten) Stoffes, um in
manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den Besitzwillen als
allgemeines, logisches, konstituierendes Element des Besitzrechts
konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. In der historischen Rechtsschule
sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen gebunden und wendet
sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst
hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich selbst birgt und
damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm entsprechend den
Vorstellungen →Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten der Nation
selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur und muss mit
dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das Historische in der
Jurisprudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich notwendig
verstanden wird, hält er eine →Kodifikation wie das →Allgemeine
Landrecht (1794), den →Code civil (1804) oder das →Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch 1811/1812 (zumindest in ihrem Entstehungszeitpunkt)
für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings dient die als
geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis nur dazu, den
insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur historische
Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden kann. Ziel ist
die Erneuerung des geltenden Rechts durch das geschichtliche (römische) Recht
mit Hilfe der Rechtswissenschaft. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der
Jahre 1808/1809 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht,
dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert
hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und
einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes
ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das übernommene römische
Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten
Zurückweisung des älteren deutschen Rechtes germanischer Herkunft und nach
Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen des
römischen Rechtes verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist
im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wiederaufgreifen
naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik für
Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche
Entwicklung bewusst als überflüssig abstreifender Durchdringung (System des
heutigen römischen Rechtes, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten
(→Savigny, →Puchta, →Windscheid) und Germanisten (→Eichhorn,
→Grimm, →Gierke). Ihre dogmatisch-praktische Zielsetzung geht bald
in der (unhistorischen) →Begriffsjurisprudenz auf.
Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule
und die Germanisten, 1903; Rexius, G., Studien zur Staatslehre der historischen
Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische
Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der Entstehungszeit der
historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm, ZRG GA
65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die Schweiz, Die Welt
als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen
Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das
Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F.,
Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die
Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi, R., Karl Friedrich
Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf von Ihering und die
historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische Schule und Common Law,
1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich,
ZEuP 1997, 643; Gadomski, C., Die Rezeption der historischen Rechtsschule und
der Pandektenwissenschaft in der italienischen Wissenschaft, Diss. jur.
Frankfurt 2006; Lüderssen, K., Eichendorff und das Recht, 2007; Jouanjan, O.,
Philosophische Verwicklungen in der Rechtswissenschaft, ZRG GA 125 (2008), 367;
Kirschbaum, J., Die Etablierung der historischen Rechtsschule an der
Ludoviciana (1814-1824), 2011
Historischer Materialismus ist die von Karl →Marx als geschichtlicher
Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Geschichtsphilosophie.
historische Schule →historische
Rechtsschule
Historismus ist
(seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines
Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und Besonderen, womit
historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit
einbüßen.
Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J.,
Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W.
u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des
20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D., Storicismo e storia
universale, 2000; Historismus im 19. Jahrhundert, hg. v. Nordalm, J., 2006
Hitler,
Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945), Sohn eines unehelich geborenen Zollamtsoberoffizials
(Alois Schicklgruber, [1876 wegen einer erwarteten Erbschaft Namensänderung in Hitler,
† 1903, Halbwaisenrente für H.] und seiner Cousine zweiten Grades Klara Pölzl †
21. 12. 1907), wird (ohne Schulabschluss [1905]) nach Aufenthalten in Wien (1907
gescheiterte Aufnahmeprüfung in Kunstakademie, 1908, 1909 zweiter gescheiterter
Versuch der Aufnahme in die Kunstakademie, Wohnung in Obdachlosenasyl, 1910 in
Männerwohnheim (Begegnung mit der Lage der unteren Schichten), Maler von Sehenswürdigkeiten
Wiens, Verkauf der Bilder durch jüdische Händler) und München (1913, auch
zwecks Vermeidung des Militärdiensts in Österreich, 5. 2. 1914 in Salzburg als
waffenunfähig beurteilt) sowie freiwilliger Kriegsteilnahme (16. 8. 1914 16.
Reserveinfanterieregiment Bayerns, eingesetzt als Meldegänger an der Westfront,
eisernes Kreuz 2. Klasse, Militärverdienstkreuz 3. Klasse, Regimentsdiplom für
hervorragende Tapferkeit, Verwundetenabzeichen, eisernes Kreuz erster Klasse,
Dienstauszeichnung 3. Klasse) mit trotz psychiatrischer Heilung von Erblindung
durch Senfgaseinwirkung [13./14. 10. 1918] weiterwirkender posttraumatischer
Belastungsstörung (1919) (möglicherweise zunächst aus Orientierungslosigkeit
Zuwendung zur Räterepublik Kurt Eisners?, bisher nicht klar gedeutete
Erfahrungen in der Räterepublik, Soldatenrat?, von Sommer 1919 [im Herbst 1919
kurzfristig zum Schützenregiment 41 kommandiert] bis zur Entlassung am
31. März 1920) Vertrauensmann (aber als Österreicher nie Angehöriger) der
Reichswehr (ab Sommer 1919 Propagandist zur politischen Aufklärung der zu
entlassenden Soldaten im Sinne der neuen Republik, u. a. beauftragt mit Beobachtung
der Deutschen Arbeiterpartei? am 12. 9. 1919, vielleicht „ein in oder von
militärischen Stellen gut versorgter Aktivist, welcher der aufstrebenden
Deutschen Arbeiterpartei als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde“) und (19.
10. 1919) Mitglied (Nr. 55) der Deutschen Arbeiterpartei (Februar 1920 →Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei, Juli 1921 Vorsitzender). Nach der Niederlage der
Münchener Räterepublik (2. Mai 1919) und unter dem Eindruck der gleichzeitig
bekannt gewordenen Bedingungen des Friedensvertrags von Versailles nähert
sich H. völkisch-antisemitischen Zieletzungen. Nach einem gescheiterten Putsch
(mit Erich Ludendorf 8. 11. 1923/9. 11. 1923) inhaftiert und wegen Hochverrats
zu 5 Jahren Festungshaft verurteilt, verfasst er in der Festung Landsberg die (Rudolf
Heß diktierte) Programmschrift „Mein Kampf“ (20. 12. 1924 Entlassung). 1925
gibt er die Staatsbürgerschaft Österreichs auf. Seit 1928/1929 gelingen ihm
wachsende Wahlerfolge (14. 9. 1930 Steiegerung des Stimmanteils von 2,6 auf
18,3 Prozent). Im Februar 1932 erwirbt er die Staatsbürgerschaft des deutschen
Reiches. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn der Reichspräsident als Führer der
stärksten Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des →Deutschen Reiches.
Durch Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären
Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (→Drittes Reich). Nach dem
2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten.
Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen taktisch motivierten
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an („wird
zurückgeschossen“) und löst damit den zweiten Weltkrieg (zunächst gegen Polen,
Großbritannien und Frankreich) aus, in dessen Verlauf Hitlers Imperium am
Jahresende 1941 größer ist als die am Ende des Jahres 1941 in den Krieg
eintretenden Vereinigten Staaten von Amerika, an dessen Ende aber nach seiner
Selbsttötung (in Berlin am 30. 4. 1945) am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation
des Deutschen Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger
Weise als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des →Nationalsozialismus.
Lit.: Köbler, DRG 222; Heuß, T., Hitlers Weg, 8. A. 1932,
Neudruck 2008; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933; Braun, O., Von Weimar zu
Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers
Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich
- Attentat, 1969; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 1969, 15. A. 2000; Franz-Willing,
G., Ursprung der Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Fest, J., Hitler, 1973; Phillips,
L., Adolf Hitler and the Third Reich, 1977; Toland, J., Adolf Hitler, 1976
(deutsch 1977); Hitler, Adolf, Sämtliche Aufzeichnungen (1095-1924), hg. v. Jäckel,
E. u. a., 1980; Jäckel, E., Hitlers Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler.
Selbstverständnis eines Revolutionärs, 2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Hitler,
A., Reden, Schriften, Anordnungen, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff.
1992ff. (1925-1933);Steinert, M., Hitler, 1994; Goldhagen, D., Hitlers willige
Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur
Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf
Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.;
Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.;
Schmitz, H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000;
NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär,
G., 2000; Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein
Kampf“, 2000, 3. A. 2006; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen,
2001; Gellately, R., Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess
und sein Richter Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini,
2001; Zürner, B., Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Machtan, L.,
Hitlers Geheimnis, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler und das Ende des
Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär,
G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M., Hitler, 2003;
Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers Museum, 2004;
Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch Adolf, 2004;
Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G., Hitlers Volksstaat,
2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005; Schreckenberg, H., Hitler,
2006; Plöckinger, O., Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006,
2. A. 2011; Grabner-Haider, A., Hitlers mythische Religion, 2008; Ryback, T.,
Hitler’s Private Library, 2008; Fritze, L., Legitimer Widerstand?, 2009; Mazower,
M., Hitlers Imperium, 2009; Haasis, H., Den Hitler jag ich in die Luft, 2009;
Renz, U., Georg Elser, 2009; Schmidt, U., Hitlers Arzt Karl Brandt, 2009; Reuth,
R., Hitlers Judenhass, 2009; Bavendamm, D., Der junge Hitler, 2010; Fritz
Gerlich, bearb. v. Morsey, R., 2010; Krings, S., Hitlers Pressechef - Otto
Dietrich (1897-1952), 2010; Zehnpfennig, B., Adolf Hitler - Mein Kampf, 2011; Weber,
T, Hitlers erster Krieg, 2011; Herbst, L., Hitlers Charisma, 2011; Tomberg, F.,
Das Christentum in Hitlers Weltanschauung, 2012; Plöckinger, O., Unter Soldaten
und Agitatoren, 2013; Ullrich, V., Adolf Hitler - Biographie - Die Jahre des
Aufstiegs 1889-1939, 2013
Hobbes,
Thomas (Westpool 5. 4. 1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem
Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem
Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie)
(Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er
den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes
aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen →Gesellschaftsvertrag,
als dessen Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen
Gesetze die Naturgesetze ablösen.
Lit.: Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R.,
Individualismus und Absolutismus, 1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das
Widerstandsrecht, 1965; MacPherson, C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus,
1967; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968;
Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas
Hobbes und der Puritanismus, 1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms,
T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei
Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991;
Ludwig, B., Die Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning,
D., Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp,
H., Thomas Hobbes, 2003; Hirsch, A., Recht auf Gewalt?, 2004; Hobbes, T.,
Leviathan, 2. A. 2008
Hochadel →Adel
Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die
mit der →Todesstrafe bedrohten Verbrechen (→Totschlag, →Notzucht,
→Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung) grundsätzlich
dem →Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) →Statutum (N.) in
favorem principum (1231/1232, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht
weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichtsbarkeit (→Niedergericht)
von niederen Gerichten ausgeübt.
Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901;
Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im
spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000
Hochmeister →Deutscher
Orden
Lit.: Stengel, E., Hochmeister und
Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994,
hg. v. Arnold, U., 1998
Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von
etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt
werden kann.
Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das
Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen,
hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983;
Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 1984, 2. A. 1988; Haas, W.,
Welt im Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003
Hochstift ist
das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen Reichsfürsten (und bei
unscharfem Sprachgebrauch auch das zugehörige Bistum) (z. B. Minden, Münster,
Osnabrück, Hildesheim, Würzburg, Bamberg, Straßburg, Augsburg, Freising,
Passau, Regensburg, Brixen u. s. w.) vom
Hochmittelalter bis zum Jahre 1803.
Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen
Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des
Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Wetter,
I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszentren, 2006 (Konstanz, Augsburg)
Hochschule s.
Universität
Hochverrat ist
seit dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch bereits der
Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt angesehen werden)
ein neuer Ausdruck für das Majestätsverbrechen (lat. [N.] →crimen laesae
maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch verdrängt. H. soll
im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den inneren Bestand des
Staates angreifen (im Gegensatz zum →Landesverrat und zum →Majestätsverbrechen).
Nach →Feuerbach (1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die
drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaats, Angriff auf das
Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das
deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche
Kasuistik.
Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen
Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann,
M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste
Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994;
Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v.
Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I.,
Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P.
u. a., 2004
Hochzeit ist
eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der →Eheschließung (13. Jh.).
Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen.
Sie verbieten übermäßigen Luxus (→Luxusverbot).
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33
(1955), 212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P.,
Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T.,
1998
Hof ist der
zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz, allgemeiner der landwirtschaftliche
Betrieb oder der Lebensbereich eines Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist
überwiegend Teil der →Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn
teilweise ein besonderes →Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H.
entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere Hofämter, später auch Hoftage,
Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen. In Bayern-Landshut besteht das
spätmittelalterliche Hofgesinde aus 150 vergüteten Mitgliedern. Im
ernestinischen Sachsen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG
1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der
Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die
zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de
Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377;
Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und
Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und
Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in
westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des
Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der
Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P.,
Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3;
Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und
frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die
Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen
1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen
Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar –
Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in
Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag,
hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich,
hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W.,
Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004;
Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004; Fürstenhöfe und ihre Außenwelt,
hg. v. Zotz, T., 2004; Dvory a rezidence ver středovĕku, 2006;
Hofkultur in Frankreich und in Europa im Spätmittelalter, hg. v. Freigang, C.
u. a., 2005; Kaiserhof – Papsthof (16. – 18. Jh.), hg. v. Bösel, R. u. a.,
2006; Die Hofgeschichtsschreibung im mittelalterlichen Europa, hg. v.
Schieffer, R. u. a., 2006; Biersack, I., Die Hofhaltung der reichen Herzöge von
Bayern-Landshut, 2006; Der Hof und die Stadt, hg. v. Paravicini, W. u. a.,
2006; Höfe und Residenzen im spätmittelalterichen Reich - Hof und Schrift, hg.
v. Paravicini, W., 2007; Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen,
hg. v. Fey, C. u. a., 2007; Hof und Macht, hg. v. Butz, R. u. a., 2007; Spieß,
Karl-Heinz, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008; Rösener, W., Leben am Hof,
2008; Hofwirtschaft, hg. v. Fouquet, G., 2008; Lutter, C., Zwischen Hof und
Kloster, 2010; Zu Diensten Ihrer Majestät. Hofordnungen, hg. v. Wührer, J. u.
a., 2011; Streit am Hof im frühen Mittelalter, hg. v. Becher, M. u. a., 2011
Hofamt ist
hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen,
königlichen) →Hofes. Bereits zum spätrömischen →Kaiser gehört eine nahezu
aus dem Nichts geschaffene umfangreiche Zentralverwaltung in Rom mit
zahlreichen hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch
dem frühmittelalterlichen →König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall
bzw. Truchsess, Marschall, Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von
Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich
ausgeübt werden. Der königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen
römischen Reiches immer vielseitiger aus
und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1,
2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck,
K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177;
Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.;
Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt
und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des
hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989);
Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in
Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K.,
Hofdamen, 2005
Höfeordnung ist
das am 24. 4. 1947 für die →britische Zone des Deutschen Reiches
erlassene Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere
Rechtsregeln (Sondererbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.
Lit.:
Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004
Hofer, Andreas
(Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2. 1810, Mutter 1767, Vater 1770
gestorben, 1789 Übernahme des väterlichen Hofes), Gastwirt und fortschrittsfeindlicher
Tiroler Freiheitskämpfer gegen die Besetzung →Tirols durch →Bayern
und →Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen von Franz Raffl verraten,
am 28. 0. 1810 auf der Pfanderalm verhaftet und in Mantua am 19. 2. 1810 durch
Erschießen hingerichtet
Höferecht ist
das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das ältere →Anerbenrecht
gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche
Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten
[Reichsländer] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeordnung der britischen
Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das
deutsche Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für
verfassungswidrig. Für die nicht vom besonderen H. erfassten Höfe gilt das
Grundstückverkehrsgesetz.
Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft
Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover,
Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F.,
Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997; Fastenmayer, B., Hofübergabe als
Altersversorgung, 2009
Hoffahrt ist
das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H.
gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht.
Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme
am Hoftag.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Hofgericht ist
einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines →Grundherrn
über seine Hintersassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete
Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh.
ausscheidet. Das königliche H. (Reichshofgericht) kennt seit 1235 neben dem
König einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen,
überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren
erteilten Nichtevokationsprivilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346,
1353, Ladungsregister 1396, Hofgerichtsregister 1409) und wird 1451 durch das
Kammergericht ersetzt bzw. wird nach der Rückkehr Friedrichs III. von der
Kaiserkrönung in Rom 1452 das Hofrichteramt nicht erneut besetzt, weil das H.
den neuen Anforderungen (Appellation) nicht mehr gerecht werden kann. Das H. in
Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes
Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs
innehat.
Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des
Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im
Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970;
Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378,
1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein
Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451,
Bd. 1ff. 1987ff.; Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989;
Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das
kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg.
v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996; Battenberg, F., Die königlichen
Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw,
P., 2002, 239; Diestelkamp, B., Vom einstufigen Gericht zur obersten
Rechtsmittelinstanz, 2013
Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines →Hofgerichts.
Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H. von 1409.
Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erscheinen später (z. B. Pfalz 1462,
verloren).
Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von
1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die
Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967
Hofkammer ist die 1498 für die Finanzverwaltung des Heiligen römischen Reiches und
der österreichischen Erbländer geschaffene, 1527 von Ferdinand I. reorganisierte
Behörde, die von 1749 bis 1761 mit der inneren Verwaltung im Directorium, von
1782 bis 1791 in der vereinigten Hofstelle, von 1792 bis 1797 im Directorium
und von 1801 bis 1802 in der vereinigten Hofstelle zusammengelegt und (in
Österreich) 1848 in das Finanzministerium umgewandelt wird.
Lit.:
Körbl, H., Die Hofkammer und ihr ungetreuer Präsident, 2009
Hofkanzlei ist
die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom
16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher
Hofkapelle
Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur
Geschichte der königlichen Hofkapelle, 1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle
unter Heinrich V. und Konrad III., 1956
Hofmark
Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken
Jettenbach und Aschau in der frühen Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen
Herrschaft und Untertanen in Altbayern am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches,
1986
Hofmeister ist
seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des
fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.
Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885
Hofnarr ist
der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom Hochmittelalter bis ins 17.
Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges römisches Reich [deutscher Nation]) als
Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).
Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991
Hofpfalzgraf ist
der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes
zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitimation
unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung
von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und
der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz
erloschene Amt zusehends.
Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890;
Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten
Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss,
1953ff.; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1
1964
Hofrat ist
das zunächst aus dem →Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige
Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452-1493) umfasst
er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden
und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich einschließlich Tirols stammen.
Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der
Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte →Juristen Aufnahme. Statt
des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder →Hofmeister vor. Vielfach
verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.
Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der
jülich-bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U.,
Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter,
R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von
Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung,
hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998
Hofrecht ist
seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines grundherrschaftlichen
Verbands (Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht das H. in dem →Dorfrecht
auf.
Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und
Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die
Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955;
Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss.
jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger
Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht,
1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468
Hofrichter ist der Richter des Hofgerichts (zwischen 1235 und 1451 im Heiligen
römischen Reich 40 durchweg adelige, ungelehrte H. und 76
Hofgerichtsstatthalter bekannt).
Lit.: Battenberg, F., Die königlichen
Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert, (in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw,
P., 2002, 239
Hoftag ist der vom Herrscher in seinem Reich abgehaltene Tag, welcher der Verwirklichung
seiner Herrschaft dient. Im Heiligen römischen Reich ist er (bis 1470/1480?)
Vorläufer des Reichstags. →Hof
Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v.
Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Politische
Versammlungen und ihre Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009
hohe Gerichtsbarkeit →Hochgerichtsbarkeit
Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich verbindliche
Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus der frühmittelalterlichen Banngewalt
und zunächst vereinzelten Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem
Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von
Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet
angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des
Hoheitsbegriffes, 1998
Hohenberg
Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und
Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f.
1953ff.
Hohenlohe
Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung
und die Quellen des hohenlohischen Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur.
Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur.
Tübingen 1960; Steinle, P., Die Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in
Hohenlohe im 17. und 18. Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von
Hohenlohe im Vormärz, 1977; Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975;
Hohenlohische Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985
Hohenstaufen →Staufer
Hohenzollern ist
die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche
Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417 als Markgrafen nach Brandenburg
gelangten Zweig der zugehörigen Familie (1648 →Preußen) zurückfällt.
Das Gebiet geht 1945/1951 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg
auf. In Preußen nennt sich die Familie seit 1701 König. Im Deutschen Reich
stellt sie von 1871 bis 1918 den Kaiser.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980;
Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W.,
Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des
Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons
Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg
des Hauses Hohenzollern, 1995; Stamm-Kuhlmann, T., Die Hohenzollern, 1995; Neugebauer,
W., Die Hohenzollern, Bd. 1f. 1996ff.; Die Protokolle der Regierung von
Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004; Bourée, K., Dienst,
Verdienst und Distinktion, 2012; Schönpflug, D., Die Heiraten der Hohenzollern,
2013
Höhere Gewalt
ist die vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon
im römischen Recht in bestimmten Fällen vom →Schadensersatz. In
spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.) →vis (F.)
maior (vis cui resisti non potest, Gewalt der nicht widerstanden werden kann).
Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem
Begriff der →echten Not, in der eine Fristversäumnis (mit höherer Gewalt)
entschuldigt wird.
Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Exner, A., Der
Begriff der höheren Gewalt, 1883, Neudruck 2007; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Holdsworth,
William Searle (Elmers End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn,
wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897
Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst
er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grundlagen einbeziehende
Darstellung des englischen Rechtes von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968
Holland ist
die seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über
Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815
Königreich) der →Niederlande gelangt. Durch Verordnung vom 13. 8. 1428
wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde und
Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der
stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van
Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v.
Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland,
1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938;
Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a.,
1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984;
Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L.,
Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O.,
Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122
(2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland, 2006; Le Bailly, M.,
Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008; Cox, J., Hebbende privilege
van stede, 2011
Holmgangr ist
der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen
(um 1012) abgeschafft wird.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911
Holocaust →Endlösung
Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 1995, 5. A. 2003, 7. A. 2008;
Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust,
2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und
die westdeutschen Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust,
2003; Mayer, E., Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die
Entfesselung der Endlösung, 2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial,
2004; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Tent, J., Im
Schatten des Holocaust, 2007; Dörner, B., Die Deutschen und der Holocaust, 2007;
Al’tman, I., Opfer des Hasses, 2008; The Oyford Handbook of Holocaust Studies,
hg. v. Hayes, P. u. a., 2010; Zayas, A. de, Völkermord als Staatsgeheimnis,
2011; Schneppen, H., Walter Rauff - Organisator der Gaswagenmorde, 2011; The
Routledge History of the Holocaust, hg. v. Friedmann, J., 2011
holograph, holographisch (Adj.) ganz eigenhändig geschrieben (z. B. Testament)
Holschuld ist
die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes
des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im
Mittelalter werden viele Schulden zu Bringschulden. Nach dem preußischen Allgemeinen
Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) H.
Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort
und Schuldort, 1907
Holstein ist
der um 800 erscheinende Name des nördlichen Stammesgebiets der Sachsen
(„Holzsassen“). 1110/1111 werden die von Schauenburg Grafen von H. Seit
1375/1386 sind H. und →Schleswig in fester staatsrechtlicher Verbindung,
doch gelangt Schleswig erst 1865 unter die Herrschaft des Deutschen Bundes.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch
des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925;
Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926
Holzding oder
Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das besondere Niedergericht
in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter
landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879 gänzlich unter.
Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960
Homagium (lat.
[N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des Lehnsmanns in die Gewalt
des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1970, 259
homagium (N.) pacis
(mlat.) →Huldigung (des Lehnsmannes)
Homeyer,
Carl Gustav (Wolgast 13. 8. 1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg
(Thibaut) 1824 außerordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in
Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und
stellt die Handschriften übersichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster
Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des
Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher
des Mittelalters, 1836).
Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters
und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.
Hommel, Karl Ferdinand
(Leipzig 6. 1. 1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in
Leipzig und wirkt, beeinflusst von →Thomasius und →Beccaria, auf
der Grundlage des Determinismus zugunsten der →Aufklärung im Strafrecht
(„Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770,
Neudruck 1970).
Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur.
Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und
Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen
Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die
Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura
leges, übers. v. Polley, R., 1975
homo (lat.
[M.]) Mensch, Sklave
homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche
Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?)
der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A.
1983
Homosexualität (Bezeichnung Karl Kertbeny 1869)
ist die geschlechtliche Beziehung zu
einem Menschen gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern. Sie ist
dem griechischen Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum
lehnen die H. ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit
der Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor
versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis
Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Übereinstimmung mit
dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur
bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter
Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB (1871) mit einer Strafandrohung
versieht. In Deutschland wird 1969 (nach rund 140000 Verurteilungen), in
Österreich 1971 die homosexuelle Betätigung Erwachsener straflos. 1973 erfolgt
eine weitere Reform, nach der nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen
Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar sind, während das Schutzalter bei
lesbischen und heterosexuellen Beziehungen bei 14 Jahren liegt. Durch Gesetz
vom 31. 5. 1994 wird § 175 StGB auf Grund liberaler Überlegungen zum 11. 6.
1994 aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over Homoseksualiteit,
Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a., 1982; Boowell,
J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980; Stümke, H.,
Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle unterm
Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997; Sommer, K.,
Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann für Mann,
1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ 267
(1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der
Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T.,
Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; Nationalsozialistischer Terror gegen
Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der
Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003; Homosexuelle im
Nationalsozialismu, hg. v. Schwartz, M., 2013
honorarium (lat.
[N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen
Recht
Höpfner,
Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem
Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771
ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der bedeutendste
Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen Menschen, der
Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische Kommentar über die
Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des Naturrechts fördert H. die
Begriffe der Verbindlichkeit, der Willenserklärung und des Eigentums, ohne
dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle
einzuräumen.
Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W.
Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992
Horborch,
Wilhelm (Hamburg 1320-1381), Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des
kirchlichen Rechtes in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor in Prag
(1372). Als Richter an der (lat.) →Rota (F.) Romana veröffentlicht er
(1376-1381) eine Sammlung von Entscheidungen.
Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm
Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche
Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)
Hörensagen ist
das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche
Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er
wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich
bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/1879.
Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U.,
Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960,
59
Höriger ist
im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der grundherrschaftlich
abhängige, dem →Grundherrn in gewisser Weise gehörige Mensch. Der Ausdruck
erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er
wissenschaftlich verallgemeinert. →Hintersasse
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der
deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and
Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8.
bis 11. Jahrhunderts, 1991
Horten,
Johann Bernhard (1735-1786) →Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Hospital →Spital
Hostiensis (Heinrich
von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna
(Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechtes in Paris und
nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von
Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die
bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) →Liber (M.) extra (Summa super titulos
decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea,
Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur
Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über
die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die
Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis,
1964
Hotman (Hotomannus),
François (Franciscus) (1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt
in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in
Valence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen
humanistisch-textkritischen Arbeiten folgt der 1603 posthum erschienene
Antitribonianus, in dem H. die Anwendbarkeit des römischen (lat.) →corpus
(N.) iuris civilis verneint und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Kelley, D., François Hotman,
1973
House of Commons
(Unterhaus) ist im →englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung
Simon de Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs
(→House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern
und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier
Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten
zum entscheidenden politischen Organ →Englands.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971,
2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The English Parliament, hg. v. Davies, R.
u. a., 1981
House of Lords
(Oberhaus) ist im →englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem
Königshof hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute des Königs, zu der
1265/1297 das →House of Commons hinzutritt. Es umfasst (1998) 635
Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf Lebenszeit
ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels,
die wenigen Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf
Lebenszeit ernannte Lords und Ladies.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History,1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Ballinger, C., The House of
Lords 1911-2011, 2012; Raina, P., House of Lords Reform, Bd. 1f. 2012f.
Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr →Eike von Repgows, der die
Übersetzung des →Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das
Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll.
Hube,
Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in Warschau (1818-1821) und
Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und Sankt Petersburg (1841-1845) sowie
Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845) und Polens (1847).
Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce, 1948
Huber,
Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in Bonn (Carl →Schmitt)
Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg (1941-1944), 1957 Hochschule
Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in rechtliche Form
bringen, seine spätere achtbändige deutsche →Verfassungsgeschichte seit
1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der maßgeblichen Ordnungseinheit
darlegen.
Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893;
Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich
bei Ernst Rudolf Huber, 2005
Huber,
Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach dem Rechtsstudium in
Zürich Redakteur, Richter und 1881 außerordentlicher Professor in Basel, 1882
ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern (1892). Von 1884 an
vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System und Geschichte des
schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an erarbeitet er das
schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).
Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44
(1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber, 1990
Huber,
Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem Artesstudium und dem
Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg Professor der Beredsamkeit
in Franeker (1657), danach Professor der Institutionen (1665). Am
erfolgreichsten sind seine (lat.) Praelectiones (F.Pl.) (Vorlesungen) zu
Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam auch seine niederländisch
geschriebene Darstellung des friesischen Rechtes (Hoedendaegse
Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk, 1686).
Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974;
Hewett, M., Ulric Huber, De ratione iuris docendi & discendi diatribe, 2010
Hübner, Rudolf
(Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895
außerordentlicher Professor in Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock,
1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die
(lat.) donationes (F.Pl.) post obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den
Immobiliarprozess der fränkischen Zeit (1893), denen eine Sammlung der
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893) zur Seite steht, verfasst H. im
Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte
der Institutionen des deutschen Privatrechts (Grundzüge des deutschen
Privatrechts, 5. A. 1930).
Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66
(1948), IX
Hude
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften
und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Hufe ist
vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß unterschiedlicher Größe. Die H.
erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen. Sie umfasst anfangs im
Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt werden. Später wird sie
zur steuerlichen Berechnungseinheit (z. B. Preußen 1715).
Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der
Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger,
1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U.,
Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990
Hugenotten (entsteht
aus „Eidgenossen“?, frühester Nachweis 1551 in einem französischen Manuskript)
ist die Bezeichnung für die mit dem Eindringen des Calvinismus (→Calvin)
aus der Schweiz nach Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden
französischen Protestanten (helvetischen Bekenntnisses). Die H. werden
nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht auf den 24. 8. 1572), erhalten
aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung.
Nach dem Widerruf dieses Edikts durch König Ludwig XIV. (18. 10. 1685)
verlassen rund 200000 Hugenotten Frankreich (140000 nach Großbritannien und
Irland, in die Niederlande und die Schweiz, 44000 in das Heilige römische
Reich, darunter 20000 nach Brandenburg). Erst die Französische Revolution von
1789 sichert ihre Rechte endgültig.
Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983;
Brandenburg, I./Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die
Hugenotten, 2006; Hugenotten: Glaubensflüchtlinge auf deutschem Boden, hg. v.
Braun, G. u. a., 2007; Niggemann, U., Immigrationspolitik zwischen Konflikt und
Konsens, 2008; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010; Lachenicht, S.,
Hugenotten in Europa und Nordamerika, 2010
Hugo (Ugo) ist der von 1144 bis 1166 bezeugte
Glossator in Bologna, von dem Glossen, Summulae, Disputationen und Quästionen
stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 183
Hugo,
Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844), Hofratssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Göttingen (→Pütter) und →Halle (Promotion) 1788
außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher Professor in Göttingen. Sein
Hauptwerk ist das auf sechs Bände angelegte, siebenbändige Lehrbuch eines
civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie 1792, [als zweiter Band unter
Berücksichtigung der Ergebnisse Montesquieus wie Kants] Naturrecht 1798 [, 2.
A. 1799, 3. A. 1809, 4. A. 1819], Geschichte des römischen Rechtes 1790, heutiges
römisches Recht 1789 Institutionen, 1798 Pandektenrecht), in dem er in der
Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen historischer, dogmatischer und
philosophischer Behandlung des römischen Rechtes zu unterscheiden, bei der römischen
Rechtsgeschichte (Lehrbuch der Geschichte des römischen Rechtes 1790, 11. A.
1832) die Geschichte des Systems mit der Geschichte der Quellen zu verbinden
und das neuzeitliche römische Recht auf der Grundlage des geschichtlichen
römischen Rechtes zu erläutern. Mit dieser sowohl gegen eine rein antiquarische
Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur an der Praxis ausgerichtete
Rechtswissenschaft sich wendenden ersten geschlossenen systematischen Darstellung
der gesamten römischrechtlichen Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römischen
Rechtes als eine geschlossene geschichtliche Wissenschaft im Sinne des
modernen Wissenschaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft
des 19. Jh.s und zum Vorläufer der →historischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187,
206; Weber, H., Gustav Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav
Hugos, 1935; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964;
Behrends, O., Gustav Hugo, (in) Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen
Rechtes, 1996; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo,
hg. v. Bialas, S., 2004; Buschmann, A., Naturrecht und geschichtliches Recht -
Gustav Hugos Rechtsphikosophie und die Anfänge der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, (in) Elementa iuris, hg. v. Behrends, O. u. a., 2009, 17ff
Hugolinus ist der von 1197 bis 1233 bezeugte
Schüler des Johannes Bassianus aus Bologna, von dem vor allem Glossen, Erläuterungen
zum Codex, zu den Tres libri Codicis, zu den Institutionen, Summen zu den
Digesten, Quaestiones insolubiles, Distinktionen und prozessrechtliche Summen
stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 271
Huguccio de Pisa
(Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und
Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190).
Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.)
Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das →Decretum
Gratians am ausführlichsten erläutert.
Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools
of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994
huissier (franz.
[M.]) Türsteher, Gerichtsvollzieher
Hulde,
Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen, insbesondere im
Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr kann dem Mann
die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat. [F.]) indignatio
des Herrschers.
Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113;
Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977
Huldigung ist
das Versprechen des Wohlwollens, der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im
Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem König Treue schwören.
786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine Eidesleistung. An die
Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später der Eid der Lehnsmannen,
seit dem Hochmittelalter auch der Huldigungseid der Reichsunmittelbaren
gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw.
der Stände gegenüber dem Landesherrn (in Niederösterreich bis 1835)
andererseits.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung
und Huldigung in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt
in Frankreich und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der
Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991
Humanismus (1808)
ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung
der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die
das Vorbild der Gesellschaftsgestaltung in den klassischen römischen Schriften
sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in
Frankreich, Spanien und England und schließlich auch im Heiligen römischen
Reich wirksam (Erasmus von Rotterdam u. a., politische Auswirkungen auf Köln,
Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravensberg). Für die Rechtswissenschaft bedeutet
der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) →mos
Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die Einflüsse des H. vereinzelt.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die
Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die
europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch,
G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für
Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner
Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca leguntur,
1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS
K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Humanismus
und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme, H., 1979; Troje,
H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des Humanismus, Ius
commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard, W., 1984;
Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Rüegg,
W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau,
P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7;
Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik – Matthias Flacius Illyricus, 2001;
Augustijn, C., Humanismus, 2003; Humanisme et Église en Italie et en France
méridionale, hg. v. Gilli, P., 2004; Kloosterhuis, E., Erasmusjünger als
politische Reformer, 2004; Humanisten am Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004;
Verfasserlexikon Deutscher Humanismus 1480-1520, hg. v. Worstbrock, G., Bd. 1f.
2005ff.; Funktionen des Humanismus, hg. v. Maissen, T. u. a., 2006; Genese und
Profil des europäischen Humanismus im 18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a.,
2009
Humboldt,
Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft und der Altertumswissenschaft in Frankfurt an der Oder und
Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in
Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen →Humanismus
erneuert (Elementarschule, Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der
wichtigsten Ziele wird 1810 die Universität →Berlin (→Savigny)
gegründet, an der Einheit von Forschung und Lehre und Entfaltung von
Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit stattfinden sollen.
Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner,
U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von
Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die
Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001;
Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Humboldt, W. v., Werke in fünf
Büchern, hg. v. Flitner, A. u. a., 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm von
Humboldts, 2004; Petersen, J., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 2. A.
2007; Langewiesche, D., Die Humboldtsche Universität als nationaler Mythos,
HZ 290 (2010), 1
Hume, David
(Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem Adel) wird nach dem Studium
von Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur (in Edinburgh)
Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739), Diplomat, Historiker und
Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von allgemein
anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der einzelne Mensch
wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist. Staatszweck ist der
Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum und Freiheit sichert,
ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith, Kant, Bentham und Mill mit
seinen Vorstellungen unmittelbar.
Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische
Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G.,
David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003;
Szczekalla, M., David Hume, 2003
Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht die militärische Einheit,
die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische
Verwaltungseinheit darstellt, erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an
verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred erwähnt
(Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland, Schweden,
England), deren Herkunft und Zusammenhang nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In
der Gegenwart wird H. eine Verwaltungseinheit der Polizei (Bereitschaftspolizei,
Bundesgrenzpolizei) genannt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907;
Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft,
ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA
29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193;
Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916;
Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG
GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen
Ortsnamen, ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen
hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A
Hila, 1998
Hunne ist der Angehörige des aus Asien kommenden,
375 die Völkerwanderung germanischer Stämme in das römische Reich auslösenden,
bald danach wieder verschwindenden Volkes.
Lit.: Attila und die Hunnen, 2007;
Schmauder, M., Attila und die Hunnen, 2009
Hure ist die käufliche Frau. →Prostitution
Lit.: Von Huren und Rabenmüttern,
hg. v. Ulbricht, O., 1995
Hus,
Johannes bzw. Jan (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz als Ketzer
verbrannt, Anhänger (Hussiten) haben bis 1436 maßgeblichen Einfluss unter den
Landständen Böhmens und Mährens, im 19. Jh. Symbolfigur des tschechischen
Nationalismus
Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus,
hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger
Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die
hussitische Revolution, 2002;Krzenck, T., Johannes Hus, 2011; Soukup, P., Jan Hus, 2013
Hut (M.)
ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des Landvogts Gessler bei
Wilhelm Tell).
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36;
Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952
Hygiene
Lit.: Hygiene in preußischen
Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a., 1986
Hypothek (1563, Hypothekenbrief 1823, Hypothekenbuch 1695) ist die Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils
an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypothekengläubiger), zu dessen
Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, (trotz fehlenden Besitzes) eine
bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus
dem Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen
Zeit (→Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat.
[F.]) hypotheca („Unterpfand“) ein Name für das besitzlose, beim Schuldner
verbleibende →Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes zur Sicherung einer
Forderung), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis
reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen
Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt
werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz
durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im
deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand
(an beweglichen Sachen). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen.
An anderen wird das geltende Recht römischrechtlich abgeändert und eine
Generalhypothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschiedentlich wird dem
öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Teils auf
Grund von Gesetzen (Legalhypothek), teils auf Grund Gewohnheitsrechts wird ohne
Vereinbarung eine (lat.) hypotheca (F.) tacita (z. B. des Fiskus, des Bestandgebers,
des Mündels, der Ehefrau) anerkannt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden aber zur
Sicherung des dadurch gefährdeten Kreditverkehrs Hypothekenbücher eingeführt,
welche die Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende H. ebenso
ausschließen wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das →Hypothekenbuch
zum →Grundbuch erweitert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grundpfandrechten.
Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240;
Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen,
A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A.,
Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970; Stolleis,
M., Das bayerische Hypothekengesetz von 1822 (in) Wissenschaft und Kodifikation
3 (1976), 240; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L.,
Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur
Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung
1783). →Hypothek
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
163; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914
Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen
1843)
Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und
Rechtsgeschichte, 1903
I
Iavolenus Priscus
(C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der
als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische Rechtskundige der →Sabinianer,
von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Rechtskundiger und ein in 14
Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechtsfälle (lat. [F.Pl.]
epistulae, Briefe) bekannt sind.
Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B.,
Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus
Priscus, 1982
Ibn Hazm
(994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist
der bedeutendste Vertreter der Rechtsschule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein
religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 110
Idealismus ist
die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen)
Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegensatz zum →Materialismus.
Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.),
bedeutendste deutsche Vertreter des I. →Kant (1724-1804), von dem →Savigny
beeinflusst wird, und →Hegel (1770-1831).
Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und
Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Exemplaris imago - IDeale in Mittelalter und Neuzeit, 2012
Ideengeschichte
Lit.: Ideengeschichte, hg. v. Stollberg-Rilinger, B., 2010
Ideologie ist
die Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen
und Wertvorstellungen. Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus.
Sowohl im →Nationalsozialismus wie auch im →Sozialismus (und
anderen Ideologien) ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.
Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der
Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten,
2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag
im Dritten Reich, 2003
Iglau in
Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von
deutschen Bergleuten gegründet. Sein →Bergrecht (1249/1280) wird vielfach
andernorts übernommen.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine
Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K.,
Jihlava, 1986
Ihering (Jhering),
Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer
Juristenfamilie (Vater Notar und Abgeordneter der Ständekammer Hannover, †
1825), wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (1836), Göttingen, München und
Berlin (Puchta), der Promotion (Berlin 1842) und der Habilitation in Berlin
(1843, Homeyer) Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen
(1852), Wien (1868) und Göttingen (1872). Zunächst folgt er bis 1858/1859 →Puchta
und erklärt das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der
Rechtswissenschaft schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der
komplexen Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue
Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechtes auf den
verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und
damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle
Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I.
unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der
soziologischen Betrachtung des Rechtes zu und befasst sich mit dem Zweck im
Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunftweisenden brauchbaren Methodenlehre
gelangt er dabei nicht, wenngleich er die →Interessenjurisprudenz
anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von
Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der →culpa in contrahendo.
Beachtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20.
A. 1921, veranlasst durch die Kündigung eines Dienstvertrags seitens einer
Köchin) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (1884, 13. A. 1924, Neudruck
1988).
Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine
Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends,
O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JheringDerKampfumsRecht.htm;
Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, hg. v. Leitner, M., 2009; Lange,
H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86
(1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel
zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in
contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v.
Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische
Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993;
Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O.,
1993; Der Kampf ums Recht, hg. v. Luf, G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken,
hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg.
v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine
Wissenschaft?, hg. v. Behrends, O., 1999; Mecke, C., Rudolf von Jhering anonym
publizierte Frühschriften, 2010; Seinecke, R., Rudolf von Jhering anno 1858,
ZRG GA 130 (2013), 238
Illegitimität (F.) →Unehelichkeit
Lit.:
Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991
Illyrien ist das nach dem indogermanischen Volk der Illyrer (u. a. Messapier und
zahlreiche andere Einzelvölker) benannte Gebiet im Südosten und Nordwesten der
Adria. Zwischen dem 5. bzw. 3. und dem 2. Jh. v. Chr. gerät es unter die
Herrschafts Roms. Gaius Julius Caesar trennt es von Makedonien als eigene
Provinz. Am Anfang des 6. Jh.s lassen sich im Norden Goten und ab etwa 580
Slawen nieder. Von 1767 bis 1777 werden Kroatien, Slawonien und Dalmatien Illyrien
genannt. 1809 sind Osttirol, Westkärnten, Krain, Küstenland, Kroatien,
Dalmatien und Ragusa bzw. Dubrovnik Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs.
Von 1814 bis 1849 besteht in Österreich ein ungefähr entsprechendes Königreich
Illyrien, das in den Kronländern Kärnten, Krain und Küstenland aufgeht.
Lit.:
Napoleon und seine Zeit, hg. v. Fräss-Ehrfeld, C., 2009
Imbreviatur ist
die durch Abkürzungen gekennzeichnete Aufzeichnung eines rechtlichen Vorgangs
durch einen →Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält
die I. den endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller
Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre
Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154).
Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.
Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler
Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und
Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen
Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989
Imbreviaturbuch →Imbreviatur
Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es
gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung
ist das →Urheberrecht.
Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR
1982, 132
immediat (Adj,) unmittelbar →Mediatisierung
Immerwährender Reichstag
ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in Regensburg tagende →Reichstag.
Immission (lat.
[F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe (auf ein Grundstück). Bereits
im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen von
Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche
Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das
Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der
Industrialisierung bilden die Immissionen eine wichtige Abgrenzungsfrage
zwischen dem Freiheitsstreben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu
der sich der preußische Gesetzgeber (außer im Allgemeinen Landrecht von 1794
zivilrechtlich) in der Allgemeinen preußischen Gewerbeordnung von 1845 und das
preußische Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußern. §
906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit,
Üblichkeit). In der Gegenwart gilt in Deutschland daneben ein besonderes
Bundesimmissionsschutzgesetz (vom 15. 3. 1974), das die Genehmigungsbedürftigkeit
bestimmter Anlagen vorsieht. Rechtmäßig genehmigte Anlagen sind zu dulden,
doch kann ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das
Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht
von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der Immissionen
im römischen Recht und in ausgewählten europäischen Rechtsordnungen, 2000;
Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002; Koch, N., Die
Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts seit Beginn der
Industrialisierung, 2004; Staats, C., Die Entstehung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974, 2009
immobil (Adj.)
unbeweglich
Immobiliarprozess ist der Prozess um Immobilien (unbewegliche Sachen,
Grundstücke).
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893
Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften),
wie es sich im deutschen Recht entwickelt.
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen
Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts
im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250
Immunität ist
die Freiheit von einem Eingriff oder einer Einwirkung. Im Frühmittelalter ist
I. die Freiheit einer besonders ausgenommenen →Grundherrschaft von königlicher
Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) →emunitas zurück, die
Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter von
öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der
(Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den
Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlossen wird und deshalb keine Verhöre
durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich
das Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen
die weltlichen und geistlichen Großen (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte) als
Immunitätsberechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Spätestens Otto I.
gleicht diese Art der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die
immunitätsbegabte Kirche dadurch aus, dass er selbst durch Einsetzen der
Immunitätsberechtigten (Erzbischöfe u.
s. w.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken
werdenden Immunitätsgebiete gewinnt (ottonisches bzw. ottonisch-salisches →Reichskirchensystem).
Nach dem hierdurch hervorgerufenen →Investiturstreit (1075-1122) gehen
die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften (geistlichen Fürstentümern)
auf. In der Gegenwart genießt der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne
eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten
außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).
Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E.,
Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht
und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H.
v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol,
Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité
franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die
Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die
Immunität der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur
Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die
Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die
päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey,
M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft,
hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002; Rau, J., Der Fall Friedrich List, 2010;
Bachrach, D., Immunities as Tools of Royal Military Policy under dthe
Carolingian and Ottonian Kings, ZRG GA 130 (2013), 1
Immunitätsprivileg →Immunität
Impeachment ist
vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei
dem das →House of Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z.
B. 1386 gegen den englischen Kanzler).
Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History, 1983
impedimentum (lat. [N.]) Hindernis (z. B. Ehehindernis)
imperator (lat.
[M.]) Kaiser
Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History
of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403
Imperialismus ist die auf Gewinnung eines Imperiums durch Eroberung und Ausdehnung
gerichtete Zielsetzung des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.
Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969;
Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das
Zeitalter des Imperialismus, 1986, 3. A. 1994, 5. A. 2009; Cain, J./Hopkins,
A., British Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson,
N., Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und
nationale Identität, 2003; Pogge von Strandmann, H., Imperialismus vom grünen
Tisch, 2009; Imperialkriege von 1500 bis heute, hg. v. Bührer, T. u. a., 2011
Imperium (lat.
[N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln
(später auch der Statthalter von Provinzen), zu der auch die Zuchtgewalt zählt,
sowie das Gebiet, in dem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.)
Romanum versteht sich auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i.
Ihm tritt das (lat. [N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der
Neuzeit nimmt (lat. [F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i.
ein, das seinerseits als Weltreich verstanden wird.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW;
Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im imperium Romanum, 1930; Stengel,
E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums des
römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2. A.
1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969;
Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986
Imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer Unterscheidung des römischen Rechtskundigen
Ulpian (170?-223) die oberste Staatsgewalt und die oberste Gewalt der
Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh. erscheint die hierauf gegründete Einteilung
der Gerichtsbarkeit in die Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und
Bürgerrecht und die übrige Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh.
wird das i. m. e. m. als Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als
Landeshoheit.
Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem
Investiturstreit, 1913
imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich
implantatio (lat. [F.]) Einpflanzung, Verbindung
Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung (z. B.
bewirkt Fehlen eines Kaufgegenstands Nichtigkeit des Kaufvertrags).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die Entstehung
der Unmöglichkeitslehre, 1970
Impubes (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Unmündige (Gesclelchtsunreife). Ist er (lat.)
infantia maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormunds
(lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der
Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig
geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben (durch die
Prokulianer) auf 14, bei Mädchen auf 12 festgelegt. Allerdings besteht (wohl
schon seit der Lex Laetoria von etwa 200 v. Chr.) bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften.
Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II;
Köbler, DRG 21
Imputation ist
die von →Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht
übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolgs zu einem Menschen. Ihre
Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen
Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. →Feuerbach
(1755-1833) unterscheidet demgegenüber die abstrakte I. des Gesetzgebers bei
der Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die
konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im einzelnen Fall. Wenig
später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der
Begriff der Zurechnungsfähigkeit.
Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen
Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs,
1958; Genka, T., Zur textlichen Grundlage der Imputationslehre Gratians, BMCL
25 (2002/2003), 40
In bonis
(lat. im Vermögen) sein bzw. haben ist im klassischen römischen Recht eine
Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer eine
handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der →Manzipation
erhält und i. b. hat, (erwirbt zwar nicht ziviles Eigentum, das bei dem
Veräußerer verbleibt,) erlangt (aber) prätorisches bzw. bonitarisches Eigentum
bzw. Schutz durch den Prätor. Im spätantiken römischen Recht wird die
Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die
verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107
(1990), 155
in dorso
(lat.) auf dem Rücken, →Indossament
In dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht im Ansatz
bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der
Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians →Digesten 42,
1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als
unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6
II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der
Verfahrenswirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.
Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um
120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933;
Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die
Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965
In integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht in verschiedenen Fällen
(z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte →Wiedereinsetzung in den früheren
Stand, mit der die eingetretenen Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen
wieder beseitigt werden sollen. Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt
die (lat.) →actio (F.) quod metus causa, die den bestraft, der die Wiedergutmachung
verweigert.
Lit.: Kaser § 8 IV
in iure (lat.) vor (dem) Gericht(smagistrat)
In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen Recht als Umgehung schwerfälliger
Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder
Aufhebung bestimmter Rechte auf der Gerichtsstätte.
Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG 21,
25, 40
In ius vocatio (lat. [F.]) ist die Rufung bzw. Ladung des Gegners in das Gericht,
welcher der Gegner im altrömischen Recht der Zwölftafeln sofort zu folgen hat.
inaedificatio (lat. [F.]) Einbau
Inama-Sternegg,
Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem
Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in München 1868 außerordentlicher
Professor und 1871 ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881
in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste
unmittelbar aus den Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.
Inauguration (F.) Einführung
Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel 1665, 2002
incapacitas (lat. [F.]) Unfähigkeit
Incertum (lat.
[N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im
spätantiken Recht wird die Unterscheidung zwischen bestimmter Leistung und
unbestimmter Leistung gelockert.
Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II
incipit (lat.)
es fängt an
Indebitum solutum
(lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im
klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der
besonderen Begehrensform der →Kondiktion zurückverlangt werden.
Lit.: Kaser § 48 II 2
Indemnität ist
die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen oder dienstlichen
Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament. Die früher auch
als →Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der →Bill of
Rights (1689). Im →Deutschen Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern,
Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789,
Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der
parlamentarischen Redefreiheit, 1991
Index (M.)
librorum prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen
Bücher (1557/1559/1564-1948/1966/1967).
Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf
den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und
Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener
Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf,
H., 2001; Wolf, H., Index, 2008; Römische Inquisition und Indexkongregation,
hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2009f.
Indien
Lit.: Kulke, H./Rothermund, D., A
History of India 1984, 5. A. 2010; Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004:
Kulke, H., Indische Geschichte bis 1750, 2005; Mann, M., Geschichte Indiens.
Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, 2005; Schoettli, U., Indien, 2009; Rothermund,
D., Indien, 2008; Lütt, J., Das moderne Indien 1498-2004, 2011; Mukherji, M.,
India in the Shadows of Empire, 2012; Sinha, C., Debating Patriarchy - The
Hindu Code Bill Controversy in India (1941-1956), 2012
Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch
Lit.: Conrad, H., Individuum und
Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung, (1956)
Indiz ist
eine Tatsache, aus deren Vorhandensein einleuchtenderweise auf das
Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen werden kann. Das I. ist von
besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht. Hier ist bei Fehlen besserer
Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien (Indizienbeweis) möglich.
Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der →Constitutio Criminalis
Carolina von 1532 ist die →Folter nur zulässig bei Vorliegen bestimmter
Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines einer Bluttat Verdächtigen).
Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, K., Der Indizienbeweis
des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of
Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der
Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000
Indogermane ist
der Angehörige eines der zur indogermanischen Sprachenfamilie (keltisch,
italisch, germanisch, baltisch, slawisch, illyrisch, thrakisch, albanisch,
griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch, indoarisch,
tocharisch, mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem 14. Jh. v.
Chr. und dem 16. Jh. n. Chr.) gehörenden Einzelvölker. Wann und wo dieses
philologisch rekonstruierte Volk besteht, ist unklar (Mitteleuropa?,
Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800
Jahren?). Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtungen
(Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering. Dem Indogermanischen könnte ein wenig
bekanntes Protoindogermanisch nördlich des Schwarzen Meeres um 3500 v. Chr.
vorangegangen sein.
Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Bopp, F.,
Vergleichende Grammatik des Sanskrit …, 1833; Schleicher, A., Compendium der
vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1861, 4. A. 1876; Delbrück,
B., Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius
gentium, 1889, Neudruck 1978; Brugmann, K., Grundriss der vergleichenden
Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1893ff. Brunner, H., Eine bisher
unbekannte indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz,
W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches
etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972; Seebold,
E., Das System der indogermanischen Halbvoklae, 1972; Gamkrelidze, T./Ivanov, V.,
Indo-European and the Indo-Europeans, 1995; Schmitt-Brandt, J., Einführung in
die Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-indogermanisches Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg,
J., Indo-European and its closest relatives, 2000; Fortson, B., Indo-European
language and culture, 2004; Anthony, D., The Horse, the Wheel and Language,
2007; Stüber, K. u. a., Indogermanische Frauennamen, 2009; Mayerhofer, M.,
Indogermanistik - über Darstellungen und Einführungen von den Anfängen bis in
die Gegenwart, 2009; Fritz, M., Der Dual im Indogermanischen, 2011; Kuryłowicz,
J. u. a., Indogermanische Grammatik, Bd. 4, 1 Komposition 2011
Indossament ist
eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines →Wertpapiers
angebrachte Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem →Orderpapier
auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392
bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich (etwa
gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufgekommenen, vorderseitig
angebrachten girata). Seine Ursprünge sind ungeklärt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des
Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des
Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra
internazionale della banca, 1972
Industrie ist
die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht (in
einem vielfach als industrielle Revolution bezeichneten evolutionären Vorgang) nach
Änderungen in Handel, Wissenschaft, Landwirtschaft und Technik sowie wohl auch
Mentalität seit dem Ende des 18. Jh.s (1760?) in Großbritannien, wo Kohle und
Eisenerz leicht abbaubar und nahe beieinander verwertet werden können. Seit dem
frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten (z. B. Sachsen) (1800-1830
leichtindustriell, 1830-1880 schwerindustriell, Durchbruchsphase 1845-1875,
1880-1914 Elektroindustrie, chemische Industrie, optische Industrie). Die
Industrialisierung bedeutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur
arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft. Eine wichtige Folge ist die
Entstehung des →Arbeitsvertrags.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v.
Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen
eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der Industriegesellschaft,
1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Deutschland,
1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag, (in) Studien zur
europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Industriegesellschaft und
Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche Probleme in der Zeit der
Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979; Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung,
Quaderni Fiorentini 10 (1981), 403; Klassen, K., Mitverwaltung und
Mitverantwortung in der frühen Industrie, 1984; Henning, F., Wirtschafts- und
Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984; Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter,
H., Industrialisierung und Landwirtschaft, 1988; Kiesewetter, H., Industrielle
Revolution, 1989; Studien zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht,
hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen-
und Stahlindustrie im Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992;
Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle
Revolution, 1998, 2. A. 2005, 3. 2011; Gestwa, K., Proto-Industrialisierung in
Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in Deutschland und
Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der Deutschen Industrie,
1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J., Industrialisierung und
Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie in Europa 1815-1995,
2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus zum Unternehmen,
2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution, 2002; Lenger, F.,
Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003; Kiesewetter, H.,
Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die
Industrialisierung in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle
Revolution, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2011; Vec, M., Recht und Normierung in der
industriellen Revolution, 2006; Butschek, F., Industrialisierung, 2006;
Kiesewetter, H., Die Industrialisierung Sachsens, 2006; Risques et prises de
risques dans les sociétés industrielles, hg. v. Varaschin, D., 2007; Gehlen,
B., Paul Silverberg (1876-1959) 2007; Liedtke, R., Die industrielle Revolution,
2010; James, H., Krupp, 2011; Das Recht der industriellen Revolution, hg. v.
Maetschke, M. u. a., 2013
Industriekammer ist
die politische Vertretung der Interessen der Unternehmen der Industrie. Sie
entsteht im 19. Jh. nach dem Vorbild der Handelskammer.
Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der
Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K.,
Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung,
1998; Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010;
Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2011
infam →Infamie
Infamie (lat. [F.] infamia) ist die mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des
Verlustes der bürgerlichen →Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht
ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Doppelehe, Wucher,
Häresie, Ausstoßung aus dem Heer und bestimmte Verurteilungen die I. (Verlust
der bürgerlichen Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte
Aufgabe des christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften
(Sakrileg, Grabfrevel, Zauberei, Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid,
Diebstahl, Raub, Mord) die I. (Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit u. s. w.). Im weltlichen Recht schließen
einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom
Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader u.
s. w. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Nach
Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine
eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.
Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die
Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische
Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht,
ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen
Infamiebegriffs, 1966
Infans (lat.
[M.]) ist im römischen Recht das →Kind, das die für rechtliche Folgen
bedeutsamen Wörter noch nicht sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind
bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahrs. Der i. kann kein Rechtsgeschäft
tätigen (geschäftsunfähig) und keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt,
deliktsunfähig) begehen.
Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW
Inflation ist
die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist
ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im →Deutschen
Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der Reparationsverpflichtungen
Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige
I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen
Verhältnisse.
Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation
des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923,
2004; Geldmenge, Warenmenge, Inflation, hg. v. Borstelmann, A. u. a., 2010
Infortiatum (lat.
[N.]) →Digestum infortiatum
Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum,
Ius commune 11 (1984), 231
Infrastruktur
Lit.:
Ambrosius, G. u. a., Integration von Infraswtrukturen in Europa im historischen
Vergleich, Bd. 1 2013
Ingelheim am
mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem ehemaligen Reichsvogteigericht
hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten →Oberhofs, dessen erhaltene
Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon
etwa 7% Strafrechtsfälle). Seit 1. 4. 1929 ist I. (mit Oberingelheim,
Niederingelheim, Freiweinheim und Sporkenheim) Stadt, zu der seit 1972
Großwinternheim zählt.
Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer,
H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24
(1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935;
Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952),
74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff.
1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer
Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des
Ingelheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J.
Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer
Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim
Gauodernheim Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G.,
Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v.
Autenrieth, J., 1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer
Oberhofes, 1966; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968;
Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den
Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main
1977; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981;
Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss.
jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des
Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v.
Felten, F., 2010; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v. Marzi, W., Bd. 1 Das
Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495, 2011, Bd. 2 2013; Alltag, Herrschaft,
Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi, W. u. a., 2012
ingenuus (lat. [Adj.]) freigeboren
Ingolstadt an
der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es
Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach Landshut und 1826 nach München
verlegten →Universität.
Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss.
jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen
Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und
Verfassungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H.,
Die privaten Stipendienstiftungen, 1972; Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn
Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u.
a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte
der Stadt Ingolstadt, 2000
Inhaberpapier ist das →Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht grundsätzlich
von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem Altertum, von
bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem
in Gebieten langobardischen Rechtes in Italien und ist im Mittelalter als
Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung verbreitet. In
Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldverschreibung auf. Seit dem →Allgemeinen
Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.
Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des
Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das
französische Inhaberpapier, 1879; Meppen, D., Das Inhaberpapier, 2014
Iniuria (lat.
[F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form der Personenverletzung,
das bei Vorliegen eines Rechtferigungsgrunds ausscheidet). Nach altrömischem
Recht soll neben Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit
der Leistung von 25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen
Recht wird die i. zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung
der Persönlichkeit in Wort oder Tat (→Körperverletzung) eines anderen
erfasst. Rechtsfolge ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im
spätantiken römischen Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine
Deliktsobligation (Persönlichkeitsmissachtung). Im deutschen Sprachraum wird
iniuria als Injurie (Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern
1756, Preußen 1793 bzw. 1794→Beleidigung).
Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler,
LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht,
1984; Hagemann, M., Iniuria, 1998; Lingelbach, G., Injurie und Injuriensachen,
(in) Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143; Iniuria and the
Common Law, hg. v. Descheemaker, E. u. a., 2013
Inka
Lit.: Schmelz, B., Die Inka, 2013
Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen →Körperschaft in eine
andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und
wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die Rechte an der bisherigen
kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft
(z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechtspersönlichkeit der inkorporierten
Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit ihr gegebenen
Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563).
Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und
des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls
IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951
Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500
Lit.: Langer, G., Von
Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und Rechtsgeschichte, ZRG GA 85
(1968), 217; Catalogogus incunabulorum Hungariae, hg. v. Sájo, G. u. a., 1970;
Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog, Bd. 6 2005 (Internetversion
vorhanden); Mazal, O., Österreichische Nationalbibliothek Inkunabelkatalog,
Bd. 1 2004; Die Inkunabeln, bearb. v. Raffel, E., 2007; Inkunabeldatenbank INKA
(in Tübingen) http://www.inka.uni-tuebingen.de
Innehabung (lat.
[F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung
eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den
Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht
besonders begünstigten Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher,
Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter).
Ihnen steht kein →Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) aufgegeben.
Lit.: Kaser § 19 V
Innenministerium ist das für innere Angelegenheiten zuständige Ministerium eines Staates (z.
B. Österreich 1848 aus böhmisch-österreichischer Hofkanzlei).
Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1457/1463) und in der
frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses →Habsburg
entstehende Gebietseinheit (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska,
Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt
wird (Regiment in Graz bis 1749).
Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in
Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension
und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung
1564-1749, AÖG 105 (1916), 111
Inn of court
ist die von der Universität unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den
englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter
Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in Häusern der
westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein
praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z. B.
Clifford’s Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner
Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray’s Inn, Lincoln’s Inn
[1417?]).
Lit.: Thorne, S., The early History
of the Inns of Court with special reference to Gray’s Inn, 1959; Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A.
2002; Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A
History of the Inns of Court, 1978; Ives, E., The Common Lawyers of
pre-Reformation England, 1983; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000;
Baker, J., Readers and Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001;
McGlynn, M., The Royal Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003
Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der
(lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte)
zugewiesene sog. unbenannte Vertrag, der nicht schon nach (lat.) ius (N.)
civile (Zivilrecht) klagbar ist, aber vom Prätor allmählich über das
Rückgabeverlangen hinaus klagbar gemacht wird. Bei dem I. erbringt jemand eine
Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die
Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do,
ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust),
facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du
tust). Hierzu zählen (lat. [F.]) permutatio (Tausch), aestimatum (N.,
Trödelvertrag), contractus mohatrae und dare ad inspiciendum (Übergabe zwecks
Prüfung).
Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64;
Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Innovation (F.) Erneuerung
Lit.: Resch,
A. u. a., Osterreichische Innovationsgeschichte seit dem späten 19. Jahrhundert, 2013
Innozenz III. (Lothar
von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird
1198 Papst und sichert die Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z.
B. Venerabilem).
Lit.: Die Register Innozenz’ III., hg. v. Hageneder, O.,
Bd. 1ff. 1979ff.; Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980; Rainer,
J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers, J.,
Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope Innocent
III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v. Sommerlechner,
A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M., Innocenz III. und
der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537
Innozenz IV. (Sinibaldo
Fieschi) (Genua um 1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in
Bologna (Johannes Teutonicus, Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243
im ersten Konklave der Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei
Sammlungen zusammengefassten Dekretalen stehen zwischen (lat.) →Liber
(M.) extra (1234) und (lat.) →Liber (M.) sextus (1298). Um 1250
veröffentlicht er einen maßgeblichen Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus
[M.] in quinque libros decretalium, Kommentar zu den fünf Büchern der
Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana ecclesia“ (1245) verbessert er die
kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch fördert er die Rechtsfiguren der →juristischen
Person (lat. persona [F.] ficta), des →gerechten Krieges (lat. bellum
[N.] iustum) und die Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des
Papstes.
Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain dans le
droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995,
313
Innsbruck (Innbrücke
um 1175, urkundliche Ersterwähnung 1187, 1187-1205 Stadtrecht, bestätigt 1239,
1420 Residenz der Grafen von Tirol) am mittleren Inn in →Tirol ist seit
1490 Anfangspunkt der ersten modernen Postverbindung (nach Mecheln bzw.
Brüssel) und wird 1669 (bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der
Gegenreformation geprägten, mehrfach teilweise aufgehobenen Universität.
Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck,
1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der
Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101;
Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA
41 (1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter,
F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686),
ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für
deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit
italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen
Rechtes und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA
88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen
Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität
Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945–1955, 1999;
Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation
von Nazikadern (1945-1950), 2003; Huber, H., Geschichte der medizinischen
Fakultät Innsbruck, 2010
Innung ist
der freiwillige Zusammenschluss selbständiger Gewerbetreibender eines
bestimmten Bezirks zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das
im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem im mittleren Deutschland. Im
19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit der Gewerbeordnung vom 21. 6.
1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder eingerichtet.
Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900;
Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968
Innviertel ist
die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie
fällt 1779 von Bayern an →Österreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Inoue,
Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio Beamter im Justizministerium
Japans. Nach Aufenthalten in Frankreich und Deutschland (Berlin) übersetzt er
die Verfassung Preußens in das Japanische und setzt sich für eine (aufgeklärte)
Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des Deutschen Reiches ein
(Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).
Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v.
Goin-bunko kenkyûkai, 1992
Inquisition ist
allgemein die Untersuchung, besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung
der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch
Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe.
Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der
Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden
besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von
Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der →Inquisitionsprozess, dessen
erste Formen in Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter
im Beisein von mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung,
Befragung) zu ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur
Erlangung eines Geständnisses darf die →Folter (1252) angewandt werden.
In Spanien ist die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von
Aragón eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine
staatliche, der Sicherung der Rückeroberung des Landes von den Muslimen dienende,
zutiefst korrupte Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner und jede
Aufklärung richtet. Die I. verschwindet im Heiligen römischen Reich nach der
Reformation und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien
1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859).
Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der
Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition
und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire
de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche
Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77
(1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im
Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996;
Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index –
Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Le Livre des sentences de l’inquisiteur Bernard
Gui 1308-1323, 2002; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff,
G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v.
Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff.; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition, 2006;
Rawlings, H., The Spanish Inquisition, 2006; Bethencourt, F., The Inquisition,
2009; Buschbell, C., Die Inquisition im Hochmittelalter, 2010; Sullivan, K.,
The Inner Lives of Medieval Inquisitors, 2011; Deutschland und die Inquisition
in der frühen Neuzeit, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2012
Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der
I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen.
Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der
karolingischen Zeit, 1865
Inquisitionsprinzip →Untersuchungsgrundsatz
Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des
Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161
Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung
gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland
unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische
Anregungen veranlasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh.
verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden
etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse im Gericht zu
rügen. →Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen
öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und sechser
Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst →Innozenz III. in
ein kirchliches Disziplinarverfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis
der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren
(Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den
Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen
Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdächtigen, in dem der →Richter
zur Unrechtsverfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen
Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte
Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung der
tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis.
Um das →Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch
den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von
der Antike bekannten und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber
Unfreien verwandten →Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und
andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem
Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren
(sog. →endlicher Rechtstag), in dem nach der Anklageerhebung der Richter
den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über
das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den
Angeklagten bricht. Sofern die Akten versendet werden, schlägt die angerufene
Einrichtung das Urteil vor. Im 19. Jh. wird der etwa in der →Constitutio
Criminalis Carolina (1532) und noch der (lat.) Constitutio (F.) Criminalis
Theresiana (1768) ausführlich geregelte, nunmehr als rechtsstaatswidrig
angesehene I. allgemein aufgegeben (Österreich 1873) und nur noch vereinzelt
(Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hansestädte) bis zur Reichsstrafprozessordnung
von 1877/1879 fortgeführt.
Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F.,
Beiträge zur Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965;
Allmann, I., Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur.
Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des
Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen
Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus
delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am
Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v.
Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer,
1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge
der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 2005; Koch, A., Die gescheiterte
Reform des reformierten Strafprozesses, ZID 10 (2009), 548; Burret, G., Der
Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler, 2010
Inquisitionsverfahren →Inquisition, Inquisitionsprozess
Inschrift ist die Schrift auf nicht hauptsächlich
der Wiedergabe geschriebener Texte dienenden Gegenständen (z. B. Grabsteinen,
Kirchentüren, Holzbalken, z. B. zwischen 500 v. Chr. und
650 n. Chr. mehr als 300000 in Stein gemeißelte lateinische Inschriften ).
Lit.: Panzer, F., Die Inschriften,
1938; Frölich, K., Deutsche Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66
(1948), 500; Müller, W., Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975
(73 bis 1525); Koch, W. u. a., Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen
Epigraphik (1998-2002), 2005; Koch, W., Inschriftenpaläographie, 2007; Die
Inschriften der Stadt Passau, red. v. Steininger, C., 2006; Die Inschriften des
ehemaligen Landkreises Querfurt, bearb. v. Bartusch, I., 2006; Wehking, S., Die
Inschriften des Landkreises Göttingen, 2006; Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1 Imst,
Landeck und Reutte, 2013; Pro & contra, HZ 296 (2013), 297
Inscriptio (lat. [F.] Inschrift) ist für das spätantike römische Recht die Angabe
der Herkunft einer Textstelle (z. B. bei Codex Theodosianus [438] und Codex
Justinians [534] jeweiliger Kaiser und Empfänger, bei Digesten [533] Verfasser,
Werk, Untergliederung).
Insel ist das von Wasser umgebene Landstück (z. B.
Mainau, England, Grönland, nicht mehr Australien, Amerika, Eurasien mit Afrika).
Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333;
Lätsch, F., Insularität und Gesellschaft, 2005
Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)
Insignien (N.Pl.)
Zeichen (von Würde oder Macht) →Reichinsignien, Reichskleinodien
Lit.:
Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964
Insinuation (F.)
Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung
Insolvenz ersetzt
mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999
den Konkurs.
Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen
römischen Recht, 2001; Bauer, P., Der Insolvenzplan, 2009; Madaus, S., Der
Insolvenzpklan, 2011
Instanz ist
die zuständige Stelle. Im →Inquisitionsprozess gibt es die besondere →Instanzentbindung.
Im Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der →Instanzenzug.
Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im
mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648
(Brunnemann, Tractatus iuridicus de inquisitionis processu, Rechtliche
Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Strafverfahrensrecht
aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit
der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird
die I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der
Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden
1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des
Verfahrens.
Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in
dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Instanzenzug ist
eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen oder gerichtlichen
Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum entwickelt sich der I.
mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein mehrzügiger
I. (Eingangsgericht[e], Berufungsgericht, Revisionsgericht) der (vierstufigen)
Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreisamt,
Appellationsgericht, Oberste Justizstelle, 1895 Bezirksgericht, Landesgericht
bzw. Kreisgericht, Oberlandesgericht, oberster Gerichtshof) und im Deutschen
Reich 1877/1879 (zweizügig Amtsgericht, Landgericht, neuerdings dreizügig
Amtsgericht, Landgericht, Bundesgerichtshof, bzw. dreizügig Landgericht,
Oberlandesgericht, Reichsgericht im Rahmen der vierstufigen Gerichtsbarkeit Amtsgericht,
Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof)
geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des
kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Süß, T., Das beneficium trium
instantiarum - Eine Streitschriftaus Paderborn, ZRG GA 130 (2013), 381
Institor (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für dessen Schulden der
Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die
sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter erwirbt, eine (lat.) →actio
(F.) utilis.
Lit.: Kaser § 11; Hamza, G., Bemerkungen
zur actio ad exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminariios
Complutenses de derecho Romano, 25 (20129, 175
Institut (N.)
ist seit dem 18. Jh. die Einrichtung.
Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger
Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986
Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze Englands) ist der Titel des
Hauptwerkes Sir Edward →Cokes (1551-1633). Der erste Teil der I. o. t. L.
o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu →Les Tenures Sir Thomas →Littletons
(1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen ältere statutes, Strafrecht und
Gerichtsverfassung.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung für die
(Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechtes. Als I. herkömmlicherweise geführt
wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen
kaum gewürdigte Einführungswerk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des
Gaius (159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen
Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des
Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl., Personen), (zwei Bücher) res (F.Pl.,
Sachen), actiones (F.Pl., Klagansprüche) überliefert und das römische
Zivilverfahren am klarsten darstellt. Andere Institutionen werden von Marcian,
Florentin oder Ulpian verfasst. Unter dem oströmischen Kaiser →Justinian
erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes
amtliches, als Gesetz erlassenes Einführungsbuch I. (lat. [F.Pl.]
institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I.
2,1,30), das im 9. Jh. in Italien bekannt ist. In Parallele hierzu werden vor
allem im 19. Jh. unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw.
unter dem Titel I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen
Privatrecht vorgelegt.
Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54;
Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros
commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen.
Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949;
Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939;
Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18.
Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends,
O. u. a., 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2007, 4. A. 2013; Meincke, J., Die
Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1f. 1997ff.; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer
Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen
und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U.,
Einrichtungsgarantien, 2003; Institutionen, hg. und übers. v. Manthe, U., 2004;
Moschetti, G., Frammenti veronesi del secolo IX delle istituzioni di
Giustiniano, 2006; Die Institutionenhandschrift der Sammlung Wallraf im
historischen Archiv der Stadt Köln, hg. v. Avenarius, M., 2008; Forrez, R.,
Cupidae legum iuventuti, 2009
Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow,
Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der →Institutionen
des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System. Es wird im 19.
Jh. (→Heise 1807) vom →Pandektensystem (Personen bzw. Allgemeines,
Schulden, Sachen, Familie, Erbe) abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische
Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93
Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass sich der
Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss.
Lit.:
Köbler, DRG 117
Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.
Lit.: Kaser §§ 58, 59
instrumentum (lat.
[N.]) Urkunde, Zubehör, Notariatsinstrument (z. B. instrumentum pacis
Monasteriense bzw. Osnabrugense, Westfälischer Friedensvertrag von Münster
und Osnabrück)
Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43
Intabulation (F.) Eintragung in eine Tafel bzw. in das Grundbuch
Integration (F.) Herstellung eines Ganzen
Lit.:
Löffler, B., Integration in Deutschland, 2011
Integrationslehre ist die von Rudolf →Smend (1882-1975) begründete
Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des →Staates.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration
als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633
Intentio (lat.
[F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel, der zur
Beschreibung des Begehrens den Grund der möglichen Verurteilung und die
geforderte Leistung enthält. (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio
sestertium x milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000
Sesterzen geben muss).
Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9
Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)
Intercessio (lat.
[F.] Dazwischentreten) ist im römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im
Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B.
Bürgschaft, Darlehen, Verpfändung, Schuldübernahme durch Novation). Ein (lat.)
→senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr.
verbietet Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an
sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung. Das Verbot der i. wird mit
der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter übernommen (Codex
Maximilianeus Bavaricus civilis 1756, Allgemeines Landrecht 1794), seit dem
19. Jh. aber aufgegeben (ABGB, BGB).
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich,
U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999
Interdictio (lat.
[F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen Kirchenrecht seit dem 10. Jh. die
I. des Rechtes auf geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen
Handlung in einem bestimmten Gebiet)
Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909
Interdictum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors zur Sicherung von
Rechtslagen. Dazu gebietet der Prätor vor allem die Wiederherstellung einer
früheren Lage oder verbietet störendes Verhalten für die Zukunft. Die
Verletzung eines i. wird auf Grund einer Klage überprüft.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33,
40
Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz bei
Entfernung von Überhang.
Lit.: Kaser § 23 III 1
Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim
Einsammeln von Früchten.
Lit.: Kaser § 23 III 2
Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Wohnungsmieters beim Verlassen der Wohnung auf Freigabe seiner Sachen nach Erfüllung
der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag.
Lit.: Kaser § 31 III 6
Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe
einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen
Störung des Besitzes mit Waffengewalt.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz zwecks
Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf die
Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.
Lit.: Kaser § 75 I 4
Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe
eines Grundstücks, das ein Kläger herausverlangen will, an jeden, der das
Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.
Lit.: Kaser § 27 I 5
Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl, sich auf eine
Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes einzulassen.
Lit.: Kaser § 29 I 5
Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen heimliche
oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.
Lit.: Kaser § 23 III 9
Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Erbschaftsbesitzers.
Lit.: Kaser § 75 II
Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Verpächters bei der besitzlosen, der Sicherung der Pachtzinsansprüche dienenden
Verpfändung von Inventar eines Pächters an den Verpächter.
Lit.: Kaser § 31 III 6a
Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame
Eindringlinge.
Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den
fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.
Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4
Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den fehlerhaften
Besitzer einer beweglichen Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 1b
Interdikt →interdictio,
→interdictum
Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen
eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) →interdictum
geschützte →Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer, Erbpächter,
Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.
Lit.: Kaser § 19 IV
Interesse ist
der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche
Wendung (lat.) quod interest zurück (z. B. Wert einer nicht geleisteten Sache,
Minderwert einer mangelhaften Sache, Verzugsschaden, Kosten eines
Ersatzgeschäfts, entgangener Gewinn). Im 20. Jh. (→Interessenjurisprudenz)
ist I. auch die bloße Zielsetzung oder Begehrensdisposition eines abstrakt
oder konkret Beteiligten.
Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft
und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69
Interessenjurisprudenz ist die methodische Richtung in der Rechtswissenschaft,
die davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der
Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende
Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Rudolf von Ihering
[1818-1892] und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp →Heck
(1858-1943) (Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt
dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten
Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den
gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Entscheidungen der Konflikte und der
dabei getroffenen Wertungen der beteiligten Interessen oder
Begehrensdispositionen zu bedienen. Dazu müsse er bei der Anwendung des
Gesetzes auf den streitigen Fall den zu Grunde liegenden Konflikt interessengliedernd
herausarbeiten und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen nach der
gesetzlich höher bewerteten Konfliktlösungsregel entscheiden. Erst dann,
wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbewertung auffinde
(Gesetzeslücke), dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber
vermutlich entscheiden würde.
Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und
Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz,
1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972;
Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M.,
Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517
Interimsschein
Lit.: Simon, H., Die
Interimsscheine, 1913
Interlinearglosse (F.) ist die zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung
(Glosse)
Internationale kriminalistische
Vereinigung ist die von Franz von →Liszt
begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale
Kriminalistische Vereinigung, 1994
Internationaler Gerichtshof ist der 1946 als Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofs
des Völkerbunds gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den
Haag und einer Besetzung durch 15 hauptamtliche Richter, der Rechtsstreitigkeiten
zwischen Staaten auf Grund des Völkervertragsrechts, des Völkergewohnheitsrechts
und der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze
entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25 Gutachten (ohne
Vollstreckungsmöglichkeit) erstattet hat.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe,
V., 1996; Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung
der internationalen Gerichtshöfe, 2010; Carl, M., Zwischen staatlicher
Souveränität und Völkerrechtsgemeinschaft, 2012
Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge der Kriegsverbrecherprozesse
gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998 vereinbarte Strafgerichtshof für
Kriegsverbrechen.
Lit.: Ferencz, B.,
Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen
Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004; Mangold, C.,
Die völkerrechtliche Verfolgung von Individuen durch internationale
Strafgerichtshöfe, 2007; Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre
in der Rechtsprechung der internationalen Gerichtshöfe, 2010; Steinke, R., The
Politics of International Criminal Law, 2012
Internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit Auslandsberührung betreffende staatliche (nationale)
Privatrecht. Das römische Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem
frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu
Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts (lat.
lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den →Accursius (1228) und →Azo
mit römischen Quellenbelegen rechtfertigen. Unter den Kommentatoren
(Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht
eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen
Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, die auf der Grundlage
der römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln entwickelt werden. Demgegenüber
setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré)
durch, die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia (Personalstatute), (lat.) statuta
(N.Pl.) realia (Realstatute) und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta (gemischte
Statute) unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht
abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den
Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht
(Sitz des Rechtsverhältnisses). Auf dieser Grundlage entsteht in der Mitte
des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des internationalen Privatrechts,
deren Ergebnisse Eingang finden in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im ausgehenden 20. Jh. wird das
einzelstaatliche internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986),
Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu gefasst.
Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen römischen
Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K., Die
gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts bis
Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K.,
Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller,
M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts,
1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des
Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die
deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen
Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F.,
Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J.,
Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des
Internationalprivatrechts, 1977; Anhauser, V., Das internationale
Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17.
Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H.,
Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle
civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001;
Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G.
Foelix, 2006; Storia, teoria e diritto internazionale. The construction of
international law as a discipline, hg. v. Nuzzo, L./Vec, M., 2011; Jouannet,
E., The Liberal-Welfarist Law of Nations, 2012; The Oxford Handbook of the
History of International Law, hg. v. Fassbender, B. u. a., 2012; Constructing
International Law - The Birth of a Discipline, hg. v. Nuzzo, L. u. a., 2012;
Nuzzo, L., Origini di una Scienza, 2012; Tracing the Earliest Recorded Concepts
of International Law. The Ancient Near East (2500-330 BCE, 2012
Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im Landes„inneren“)
Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche
internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz
in Genf.
Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914,
1988
Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende Einschaltung von
Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines Textes, insbesondere
im Rahmen der die Schriften der klassischen Rechtskundigen verwertenden Gesetzgebungstätigkeit
Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio).
Seit der Neuzeit (Humanismus, lat. mos Gallicus) versucht die Wissenschaft die
Ermittlung der Interpolationen, um frühere Textstufen und spätere Veränderungen
sachgerecht zu scheiden. Im Einzelnen sind die Ergebnisse vielfach umstritten.
Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss.
Wien 1979
interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, →Interpretation
Interpretation ist die →Auslegung von Gedankenerklärungen. Die
juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch
die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft entwickelt
sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Verfahrensformeln
(304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen,
Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des
römischen Rechtes im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am
Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) →mos (M.) Gallicus um die bessere I.
besserer Texte geht.
Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz,
F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus
legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v.
Schröder, J., 2001; Schröder, J., Theorie der Gesetzesinterpretation im frühen
20. Jahrhundert, 2011
Interregnum ist
die zwischen zwei Königsherrschaften liegende Zeit, insbesondere die im
deutschen Reich zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der →Staufer (1254)
und der Wahl Graf Rudolfs von →Habsburg zum deutschen König (1273)
liegende Zeit, in der sich kein gewählter Herrscher durchsetzen kann und die
Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken. Das I. trennt Hochmittelalter
und Spätmittelalter voneinander. Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit
zwischen der Herrschaft eines Menschen und der Herrschaft seines Nachfolgers.
Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892;
Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter
Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik,
2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002, 2. A. 2007; Kirk, M., Die kaiserlose,
die schreckliche Zeit, 2002
Intertiatio (lat.
[F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss,
wenn sich bei Spurfolge der Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache
auf seinen Gewähren (lat. tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben,
die Sache vor das Ding zu bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf.
Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer
schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen werde.
Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge
und Anefang, 1908; Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse,
ZRG GA 33 (1912), 129
Intervenient (M.) „Dazwischenkommender“
Lit.: Gawlik, A., Intervenienten
und Zeugen in den Diplomen Kaiser Heinrichs IV., 1970
Interzession →intercessio
(lat. [F.])
Intestaterbe ist
im römischen Recht der ohne →Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies
ist der →Hauserbe und danach der Außenerbe (sowie hilfsweise anfangs der
Gentile, später die Allgemeinheit). Das dem altrömischen Recht folgende prätorische
Recht fasst die prätorischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene
Klassen zusammen. Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38;
Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957
introitus (lat.
[M.]) Eintritt →Immunität
Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer
Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene →Sozialversicherung für den Fall
der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere Versicherungsanstalten
eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.
Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, (in)
Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979,
387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung,
(in) Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1
Inventar (,
1528?, lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über
dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken römischen Recht führt Justinian
531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach
der, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein Verzeichnis der
Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die Erbschaftsschulden auf die
Nachlassgegenstände beschränken und damit von seinem bereits vor dem Erbfall
vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes
seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in diesem Sinne aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F.
de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.;
Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 600; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
inventarium (lat.
[N.]) →Inventar
Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna 1057)
Investitur ist
im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B.
Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende Bekleidung mit einem Amt oder
einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire,
investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an sich unsichtbaren) Recht
scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem
vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als
Symbole der den Übergang der →Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig,
Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und anderes verwendet.
Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90;
Köbler, LAW; Mayer, E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach,
1913; Mayer, E., Zur Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer,
E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su
alcune „notitiae investiturae“ contenute nel Codice diplomatico Lombardo,
Annali della R. Università di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche
Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und
Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der
Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte
Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, F.,,1978; Krieger, K., Die
Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a.,
2004
investitura (lat.
[F.]) Einkleidung, →Investitur
Investiturstreit ist der aus →Immunität und ottonisch-salischem →Reichskirchensystem
erwachsene, von Papst Nikolaus II. 1059 durch ein Papstwahldekret (mit Wahlrecht
des Kadrinalskollegiums statt des Absetzungsrechts und Einsetzungsrechts des
Kaisers) zugespitzte, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor
VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand offen ausgebrochene Streit
um die Bekleidung (→Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern
(Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen
den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach →Canossa
zumindest förmlich die Lösung vom Bann. Mit dem →Wormser Konkordat kommt
es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich.
Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit,
1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit,
1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung,
hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen
Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann,
W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Laudage, J., Gregorianische Reform und
Investiturstreit, 1993; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage,
1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 1996; Golinelli, P.,
Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und
Investiturstreit 910-1122, 2000, 2. A. 2008; Der Investiturstreit, hg. v.
Laudage, J. u. a., 2. A. 2006;Schieffer, R., Worms, Rom und Canossa (1076/77)
in zeitgenössischer Wahrnehmung, HZ 291 (2011, 593; Fried, J., Canossa.
Entlarvung einer Legende, 2012
Inzest (M.)
Blutschande ist der Beischlaf unter nahen Verwandten, dessen Verbot seit dem
ausgehenden Altertum vor allem von der Kirche (z. B. Konzil von Epaon 517 n. Chr.,
römische Synode von 721) zunehmend durchgesetzt wird (u. a. Bayern 1813 Art.
207, nicht Code pénal, doch Entwurf des Code pénal Königreich Westphalen 1813 Art.
329, Allgemeines Landrecht Preußens von 1794, Preußen 1851, Deutsches Reich
1871 § 173 RStGB, 1973/1974 Verschwägerteninzest nicht mehr strafbar, nach
einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. 2. 2008
Verwqndteninzest doch).
Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der
merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss.
jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, C., Inzest, 2005;
Ubl, K., Inzestverbot und Gesetzgebung - Die Konstruktion eines Verbrechens
(300-1100), 2008; Karst, S., Die Entkriminalisierung des § 172 StGB, 2009;
Bdeiwi, S., Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB), 2013; Kanwischer, S.,
Der Grenzbereich zwischen öffentlichem Strafanspruch und intimer Lebensgestaltung,
2013
Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und
Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im →Inquisitionsprozess
aufgeht.
Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach
bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970
Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im
Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die
Entbehrlichkeit einer eigenen Aufrechnungserklärung ausspricht (anders § 388
BGB).
Iran
Lit.:
Gronke, M., Geschichte Irans, 2003; Enayat, H., Law, State and Society in Modern Iran -
Constitutionalism, Autocracy and Legal Reform 19ß6-1941, 2013
Irland ist
der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäische Staat, der seit 1973 der
Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) angehört. Seit der
zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in die bereits besiedelte
Insel ein. Um 450 n. Chr. (431?) werden die Bewohner christianisiert. 1171/1172
greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung
und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich der englische Einfluss
und damit auch die protestantische Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s
gibt es so gut wie kein selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein
gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands
(ausgenommen Nordirland) von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das
irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt.
Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle Verfassung.
Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a.,
1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English
Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren
in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of
Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert,
J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland
und Europa im frühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter,
M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998;
Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early
Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R.,
Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf, 2003; Richter, M.,
Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der Nordirlandkonflikt, 2005;
Flanagan, M., Irish Royal Charters, 2005; Osborough, W., Recent writing on
modern Irish legal history, ZNR 2008, 93; Mc Carthy, D., The Irish Annals, 2008;
MacCotter, P., Medieval Ireland, 2008; Simms, K., Medieval Gaelic Sources, 2009;
Irische Mönche in Süddeutschland, hg. v. Walz, D. u. a., 2009; Bartlett, T.,
Ireland, 2010; L’Irlanda, 2010
Irnerius (Guarnerius,
[eigenhändig wohl immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der erste bedeutende
Vertreter der durch Wiederbehandlung der →Digesten Justinians (530/3)
veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes
[F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen
Bedürfnissen entsprechenden rechtswissenschaftlichen Literatur des
Mittelalters. Vermutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den freien Künsten
und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er
bei scholastischer Interpretation fast die gesamten justinianischen Rechtstexte
(Digestum vetus, →Codex, →Institutiones) mit vielleicht mehreren
tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Apparatus [M.] glossarum, Sigle
Y bzw. G). Außerdem fertigt er die →Authenticae an und verfasst
vielleicht eine kurze →Distinktion. Zwischen dem 28. 6. 1112 und dem 10.
12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde
von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119
wird er (wahrscheinlich) exkommuniziert.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die
Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896,
Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327;
Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis
iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 154; Fried,
J., auf Bitten der Gräfin Mathilde, (in) Europa an der Wende vom 11. zum 12.
Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001
Irrtum (815,
lat. [M.] error) ist das Auseinanderfallen von Vorstellung eines Handelnden
und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender
Willensübereinstimmung, so dass er (als I. über Vertragspartner, Gegenstand,
Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen
und mittelalterlich-römischen Rechtswissenschaft schließt auch der I. über die
tatsächlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es
später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts
ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der
Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Geschäftsbezeichnung
unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für
unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam (Allgemeines
Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt
(Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten
in einem komplizierten Geflecht verbunden. Unter Berufung auf einen I. kann das
zustandegekommene Geschäft nachträglich angefochten und damit grundsätzlich
beseitigt werden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im
allgemeinen Teil des Strafrechts.
Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208;
Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des
Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom
Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36;
Kramer, E., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische
Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F.,
Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des
wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im
Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über
wesentliche Eigenschaften, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer Familie,
Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines)
das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung dieses
Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter
vermittelt (z. B. lat. ius Recht, lex Gesetz, consuetudo Gewohnheit, mos Sitte,
ius civile römisches Recht, Zivilrecht, ius gentium Fremdenrecht, Völkerrecht,
ius naturale Naturrecht). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk
Sententiae (Urteile, Sentenzen) (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche
Handschriften) wirkt mit seinen theologischen Definitionen stark auf
Florilegien, Summen und Kirchenrechtssammlungen ein.
Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W.,
1911; Isidoro di Siviglia, hg. v. Fontaine, H., Bd. 1ff. 1962ff.; Diesner, H.,
Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de
Séville, 2000
Islam (um 2010 schätzungsweise
1,5 Milliarden Anhänger) ist die von →Mohammed (Mekka um 569-Medina 8. 6. 632)
gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich
Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I.
von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im
10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens.
1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und
der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im
20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon
der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das
überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische
Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (→Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im
osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans
unterstellt.
Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im
16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson,
N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam, 1970;
Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt,
M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law,
1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989;
Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in) Ende, W./Steinbach, U., Der
Islam, 2. A. 1989, 170; Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz,
1991; Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische
Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique,
1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz,
P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997;
Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis
1500, 1998; Schneider, I., Kinderverkauf und Schuldknechtschaft, 1999; Der Islam in
Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam, 1999; Halm, H., Der
Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000; Beiträge zum
islamischen Recht, Bd. 1ff., hg. v. Ebert, H. u. a., 2000ff.; Kettermann, G.,
Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B., Einladung in die islamische
Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of islamic jurisprudence, 2002; Bihl,
W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor die islamische Kultur ihre führende
Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G., Geschichte des Islam, 2005; Lohlker,
R., Bibliographie des islamischen Rechts, 2005; Endreß, G., Der Islam in Daten,
2006; Heine, P., Einführung in die Islamwissenschaft, 2008; Kettermann, G.,
Atlas zur Geschichte des Islam, 2008; Black, A., The West and Islam, 2008; Rohe,
M., Das islamische Recht - Geschichte und Gegenwart, 2009, 2. A. 2009, 3. A.
2011; Ebert, H., Die Qadrî-Pâshâ-Kodifikation - Islamisches Personalstatut der
hanafitischen Rechtsschule, 2010 (Entwurf von 1875); Baumgarten, R., Gesichter
des Islam, 2010; Neumann, A., Rechtsgeschichte, Rechtsfindung und
Rechtsfortbildung im Islam, 2012; Stilt, K., Islamic Law in Action, 2012
Island ist
der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I.
ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch
iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930
erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz karger natürlicher
Gegebenheiten entwickeln sich hohe literarische Kultur (Skalden) und
vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der König von →Norwegen durch
Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an →Dänemark, das 1550
die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I.
Republik.
Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den
islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische
Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die
wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff,
H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26;
Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese
nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A.,
Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v.
Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J.,
Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Nedoma, R., Kleine Grammatik des
Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A. 2010; Gerhold, W., Armut und
Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Arnósd´ttir, A., Property and
Virginity. The Christianization of Marriage in Medieval Iceland 1200-1600, 2010;
Nedoma, R., Kleine Grammatik des Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A. 2010;
See, K. v., Skalden, 2011; Nedoma, R., Altisländisches Lesebuch, 2011
Isländisches Recht
ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in
Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr zusammengefasst und in
Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden
sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch
Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahrten Recht ein. 1117/1118 verfasst der
Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso
verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga
thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die →Gragas (2. H. 13 Jh.).
1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die →Jarnsida
(Eisenseite) angenommen, 1281 die →Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der
rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von
Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen.
Rechtliche Aufschlüsse ermöglichen auch die Geschichtsdarstellungen und die
Isländersagas.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Isny
Lit.: Die Urkunden des früheren
reichsstädtischen Archivs Isny bis 1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955;
Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich, P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss.
jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann, Die Reichsstadt Isny am Ende des alten
Reiches, 1973; Hauptmeyer, C., Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976
Israel ist
im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der stellvertretend für die →Juden
und ihren Staat steht, insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. (am 14.
Mai 1948 (durch Ausrufung seitens David Ben Gurions) in Palästina verwirklichten
Staat.
Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956;
Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss
deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L.,
Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999;
Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Golden, J., Ancient Canaan and Israel,
2004; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u. a., 2005; Gerstenberger,
E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R., Leben zur Zeit der Bibel,
2006; Avidan, I., Ein Staat sucht sich selbst, 2008; Balke, R., Israel, 3. A.
2007; Clauss, M., Geschichte des alten Israel, 2009; Tilly, M. u. a.
Religionsgeschichte Israels, 2011; Baltrusch, E., Herodes, 2012
Istanbul am
Bosporus (vielleicht aus griech. eis tan polin, in die Stadt?) geht auf das
griechische Byzanz bzw. das oströmische Konstaninopel zurück. 1453 wird es
von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität.
Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul,
5. A. 1985
Istrien ist die nach den illyrischen Histri benannte Halbinsel im Nordosten der
Adria, die bis 178 v. Chr. von den Römern erobert wird. Den Römern folgen im 6.
Jh. die Langobarden, dann die Slawen und 789 die Franken. Über die Grafen von
Görz (1291) gelangt Inneristrien 1381 an Österreich, mit Venetien 1797 auch das
Küstenland. 1816 wird der Anteil Österreichs an Istrien dem Königreich Illyrien
zugeteilt, 1849 dem Kronland Görz-Gradiska-Istrien (Küstenland). 1919 gelangt
I. an Italien, 1945 überwiegend an Jugoslawien (Kroatien), 1991 zum größten
Teil an Kroatien.
Italicus →mos
Italicus
Italien ist
der zwischen Griechenland und Spanien bzw. Adria und Tyrrhenischem Meer
gelegene südeuropäische Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw.
Europäischen Union (1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von
Norden Italiker (zu lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen
zunächst den Süden als Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von
Rom aus ein Reich, das allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten
Mittelmeerraum ausdehnt. 476 fällt I. als Teil der westlichen Hälfte des Reiches
der Römer mit Rom an Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen
493-526). Die Rückgewinnung seitens des oströmischen Kaisers Justinian
(527-565) wird durch den folgenden Einbruch der →Langobarden in der
Völkerwanderung (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna,
Unteritalien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des
Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Langobardenkönig Aistulf
und gewährt dem Papst in der →pippinischen Schenkung 754 Teile der von
den Langobarden besetzten Gebiete (→Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl
der Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951
die Bindung eines Teiles Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh.
fassen Normannen in Unteritalien (Sizilien) Fuß und beginnen oberitalienische
Städte (z. B. Mailand) nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat
Heinrichs VI. und Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte
Sicherung der von Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem
Scheitern der Idee eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei
Jahrhunderte im Zeichen verhältnismäßig selbständiger, dem Reich meist lehnsrechtlich
verbundener mittelgroßer Herrschaften (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel,
Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als
Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und
Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]).
1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolgekriegs der Süden an
Frankreich, der Norden an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797)
verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in
Italien. Das erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum
Kampf (Piemonts [und Frankreichs] gegen Österreich (1859 Sieg bei Solferino),
das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus
dem Süden vertrieben. 1860 schließen sich sechs Staaten (Parma-Piacenza,
Toskana, Modena, Umbrien, Marken, Sizilien-Neapel) unter Volksbefragung an
Sardinien-Piémont an. Der Fürst von Sardinien-Piémont nimmt mit dem 17. 3.
1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird Österreich Venedig abgenommen
und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen.
1922 gelangt Benito Mussolini (Dovia di Predappio bei Forli 29. 7. 1887-Giulino
di Mezzegra am Comer See 28. 4. 1945, 1919/1921 Gründung der Faschistischen
Partei) (als Duce del Fascismo bzw. Ministerpräsident) tatsächlich an die
Macht im Königreich und verbündet sich wenig später mit dem Deutschen Reich
unter Adolf Hitler (sowie Japan, Achsenmächte, 1940 Eintritt in den Weltkrieg).
Im zweiten Weltkrieg wird Mussolini nach der Landung der Alliierten in Sizilien
am 25. 7. 1943 gestürzt. Die neue italienische Regierung schließt am 3. 9. 1943
einen Waffenstillstand mit den Alliierten, worauf ab 9. 9. 1943 deutsche Soldaten
italienische Soldaten entwaffnen und vor die Wahl stellen, sich den deutschen
Streitkräften anzuschließen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Mussolini
wird von deutschen Truppen befreit und gründet mit deutscher Hilfe eine Republik
in Norditalien. Am 28. 4. 1945 wird er nach Ergreifung auf der Flucht von kommunistischen
Partisanen hingerichtet. Am 2. 6. 1946 wird I. unter Absetzung des Königs wegen
Unterstützung des Faschismus Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen
nicht. Seit 1949 gehört Italien der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation
an. Seit 1951 ist es Gründungsmitglied der europäischen Gemeinschaften (1993
Europäische Union).
Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173;
Köbler, Historisches Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La
tirannide italiana nel rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti
alle città, 1903; Mayer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, 1909; Mayer,
E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen
Verfassungsgeschichte, 1912; Chiapelli, L., L’età longobarda e Pistoia, 1922;
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3, 2 (1922); Schneider, F., Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in
Italien, 1924; Sthamer, E., Aufgaben der Geschichtsforschung in Unteritalien,
ZRG GA 46 (1926), 132; Bognetti, G., Sulle origini dei comuni rurali nel medioevo,
1926; Below, G. v., Die italienische Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters,
1927; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des italienischen
Städtewesens, ZRG GA 48 (1928), 444; Calasso, F., La legislazione statutaria
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Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter,
1931; Solmi, A., L’amministrazione
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Die finanzielle Bedeutung Reichsitaliens für die staufischen Herrscher des
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consiglio d’Italia, 1934 (Atti Palermo); Deutsch, W., Das Wesen des italienischen
Staates, 1936; Beloch, K., Bevölkerungsgeschichte Italiens 1, 1937; Rasi, P.,
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Frühstaufer in Italien, 1970; Projet du Code civil de la Republique Romaine
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Klosters Moggio bis 1250, 1985; Goetz, W., Grundzüge der Geschichte Italiens,
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hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Potter, T., Das römische Italien, 1992; Die großen
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v. Nappo, T., Bd. 1ff. 1993; Chielloni, C. u. a., Italien, 3. A. 1995;
Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995; Die deutsche und italienische
Rechtskultur, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 1995; Pauler, R., Die deutschen
Könige und Italien, 1997; Hersche, P., Italien im Barockzeitalter, 1999;
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Patriziats, 1999; Delumeau, J./Heullant-Donat, I., L’Italie au Moyen Âge, 2000;
Ascheri, M., I diritti del Medioevo Italiano, 2000; Voßkamp, U., Instabilität
und Regierbarkeit, 2001; Cammarosano, P., Storia dell’Italia medievale, 2001
Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in Italien vom Ende des
2. Weltkrieges bis heute, hg. v. Ullrich, H., 2001; Reinhardt, V., Die
Renaissance in Italien, 2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003;
Padoa-Schioppa, A., Italia ed Europa nella storia del diritto, 2003; Italy in
the Central Middle Ages 1000-1300, hg. v. Abulafia, D., 2004; Arnaldi, G.,
Italien und seine Invasoren, 2005; Reiter, J., Entstehung und staatsrechtliche
Theorie der italienischen Carta del lavoro, 2005; Quellen zu den deutsch-italienischen
Beziehungen 1861-1963, hg. v. Altgeld, W., 2005; Moos, C., Ausgrenzung,
Internierung, Deportation, 2005; Israel, U., Fremde aus dem Norden, 2005;
Fennoaltea, S., L’economia italiana dall’Ùnità alla Grande Guerra, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 941; Bellabarba, M., La giustizia
nell’Italia moderna, 2008; Singer, K., Konstitutionalismus auf Italienisch,
2008; Altgeld, W., Benito Mussolini (1883-1945), 2009; Goez, E., Geschichte
Italiens im Mittelalter, 2010; Weber, C., Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs,
2010; Weber, C., Episcopus et princeps, 2010; Woller, H., Geschichte Italiens
im 20. Jahrhundert, 2010; Hof, T., Staat und Terrorismus in Italien 1969-1982,
2010; Le trasformazioni del V secolo - L’Italia, hg. v. Felogu, P. u. a., 2010;
Viarengo, A., Cavour, 2010; Traniello, F. u. a., Der lange Weg zur Nation, 2011;
Das Recht und die Rechtsschändung - 70
Jahre nach dem Erlass der italienischen Rassengesetze, hg. v. Garlati, L. u.
a., 2011; Kraatz Magri, J., Der umkämpfte Volksheldm 2011 (Garibaldi); Tikkanen,
K., A Sabellian Case Grammar, 2011; Saviano,
R., Der Kampf geht weiter, 2012; Gentile, C., Wehrmacht, Waffen-SS und Polizei,
2012; Grossi, P., Il
diritto nella storia dell’Italia, 2012
Italienisches Recht
ist das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das römische Recht. Nach
dem Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische (Goten, Langobarden,
Franken, Normannen), griechische und arabische (sarazenische) Volksgruppen ein.
Die Wissenschaft des römischen Rechtes verschwindet (vermutlich). In Pavia
entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im ausgehenden 11. Jh. wird
das römische Recht wiederentdeckt (→Irnerius). Daneben tritt örtliches
Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer stärker hervor (→Statuten),
neben denen das von Glossatoren und Kommentatoren weiterentwickelte gelehrte
Recht als gemeines Recht (lat. →ius [N.] commune) gilt. Am Beginn der
Neuzeit tritt die italienische Rechtswissenschaft (lat. [M.] →mos
Italicus) zugunsten der französischen Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos
Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh. entstehenden Gesetze einzelner Staaten
werden zwischen 1804 und 1811 durch die Kodifikationen Frankreichs ersetzt und
danach nur teilweise wieder eingeführt. Im Königreich Italien werden 1865 ein
Zivilgesetzbuch (it. Codice civile), eine Zivilprozessordnung, ein
Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889 ein Strafgesetzbuch
erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das Strafprozessrecht und
1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969 Artikel) und das
Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 entstehen zahlreiche Sozialgesetze.
Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2.
A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto
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F., Scritti di storia del diritto privato italiano, hg. v. Ermini, G., 1931;
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„convenientia“, 1932; Leicht, P., Il diritto privato preirneriano, 1933;
Paradisi, B., Massaricium ius, 1937; Nicolini, U., Le limitazioni alla
proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della personalità e rapporti di
famiglia nel rinascimento italiano, ZRG GA 58 (1938), 478; Engelmann, W., Die
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proprietà degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm, G., Untersuchungen zur
Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Paradisi,
B., Gli studi di storia del diritto italiano, 1950; Petracchi, A., Le origini
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3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi
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Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini,
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Santini, G., Europa medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a strutture
sociali padane nella prima età moderne, Carolus Ruinus (1456-1530), 1988;
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Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze,
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2012; Ascheri, M., The Laws of Late Medieval Italy (1000-1500), 2012
Iter (lat.
[N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die Grunddienstbarkeit (Servitut) des
Fußwegs und Reitwegs.
Lit.: Kaser § 28 I 2a
Itinerar (N.)
Reiseweg
Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B.,
König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002;
L’itinérance des seigneurs, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 2003
Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich das konfessionsbedingte Auseinandertreten
jeder der drei Kurien des →Reichstags in Religionsfragen seit etwa 1529,
gesetzlich auf Drängen der Protestanten anerkannt seit 1648 (Friede von Münster
und Osnabrück, Notwendigkeit der [lat.] amicabilis compositio [F.] freundschaftlichen
Übereinkunft).
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA
95 (1978), 180
Itzehoe
Lit.: Maertens, R., Das
Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge des Landgerichts Itzehoe
(1937-1945), 2011
Iudex (lat.
[M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter.
Er ist im Formalverfahren ein Privatmann, auf den sich die Beteiligten einigen
und der nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden
kann. Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer
amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus
etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Der i. ist für
Rechtsverletzungen mit dem Sachwert verantworlich. Im Kognitionsverfahren ist
der i. Amtsträger. →Richter
Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler,
LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini,
G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur
Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N.,
Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis,
Diss. jur. Tübingen 2004
Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)
Iudicium (lat.
[N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat
den Parteien unter ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter (lat.
[M.] iudex) das Urteil treffen soll (Spruchgericht). Bei einem (lat.) i.
stricti iuris (Verfahren nach strengem Recht) hat der Richter (iudex) kein
Ermessen (z. B. Darlehen, Stipulation) und muss die Gegenseite bereits vor dem
Gerichtsmagistrat (in iure) ihre (lat. [F.]) exceptio vortragen. Anders verhält
es sich bei dem (lat. [F.]) bonae fidei iudicium (Verfahren nach guter Treue).
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium
belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod
interest im bonae fidei iudicium, 1969
Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das Gericht der
im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden des Gedankens
der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des Instanzenzuges einher.
Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Iulianus, Publius
Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kommenden
Kaufmannsfamilie in Nordafrika und Schüler Iavolens, wird mit einer
eindrucksvollen Ämterlaufbahn (Quästor, Statthalter, 148 n. Chr. Konsul) zu
einem der bedeutendsten römischen Rechtskundigen der klassischen Zeit. In
seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise überlieferten Werken ([90
libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus,
quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser
Hadrian überträgt ihm die abschließende Bearbeitung des prätorischen Edikts
(um 130). Er ist Oberhaupt der sabinianischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E.,
Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157
Iulianus (Konstantinopel
um 554 Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen in lateinischer
Sprache) ist ein byzantinischer Rechtslehrer.
Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani,
2004
Iunius (Marcus
Iunius Brutus) ist ein römischer Rechtskundiger des 2. Jh.s v. Chr., von dem
(lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.
iuramentum (lat.
[N.]) Eid, Schwur
Lit.:
Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977
Iura (N.Pl.) novit curia (lat.). Das Gericht kennt das Recht (Papst Alexander III. [um 1100-1181]
Dekretalen 2, 1, 6
Iura (N.Pl.) ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen (Personalitätsprinzip).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Iura praediorum
(lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind im römischen Recht die landwirtschaftlichen
und städtischen Servituten (Grunddienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus
(M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii u. s. w.
Lit.: Kaser § 28 I 2
iuris consultus
(lat. [M.]) Rechtsgelehrter
Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris
consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968
iurisdictio (lat.
[F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit
Lit.: Söllner §§ 6, 9
iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) →freiwillige Gerichtsbarkeit
Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106
(1989), 180
Iuris praecepta sunt haec - honeste vivere, alterum
non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die
Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen,
jedem das Seine zugestehen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus
sacerdos, (in) Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555
Ius (lat.
[N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die Etymologie dieses
Grundwortes ist streitig (nach Seebold verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort kann
sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen, objektives Recht) wie
auch subjektiv (Einzelberechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW;
Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius,
1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in
re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1988ff.; Haug, F.,
Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994;
Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente,
2005
Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts
entstehende Recht auf die Sache. Es erscheint in der gelehrten Literatur des
13. Jh.s (Kanonistik [1200-1210], Summa super usibus feudorum [1230-1250,
Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, der zwar bereits belehnt ist, das
Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das Gut (auch im
Verhältnis zu [bösgläubigen] Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber
einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grundsatz
ausgebaut, dass der spätere dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuldrechtlichen,
dessen Anspruch er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a.
r. in das →Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) eingegangen. Mit dem preußischen
Eigentumserwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbewegliche Sachen durch die
→Vormerkung ersetzt. Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Österreich
1811/1812) und im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900)
fehlt es.
Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v.,
Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des
jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad
rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung
des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International
Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und
persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer,
1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002
Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Rechtskundigen
Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht.
Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29
Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) →privilegium (N.) minus
(1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und
seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinderlosigkeit den
Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius (1358)
vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert.
Lit.: Baltl/Kocher
Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen römischen Reich in der Neuzeit das Recht, ein Heer zu
unterhalten.
Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen
Territorien von 1500-1800, (in) Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419
Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im →Decretum
Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) →corpus (N.) iuris canonici
niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht.
Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen
und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris
canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984;
Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986
Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius
(N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium). Es beruht
auf dem Zwölftafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran anknüpfenden
Auslegung (der Rechtskundigen). Im Frühmittelalter ist i. c. das weltliche
Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem Hochmittelalter auch
das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh.
entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss
von i. c. ersetzt Zivilrecht zunehmend den Ausdruck Privatrecht.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25;
Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
Ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von Gnaeus Flavius
veröffentlichte römische Recht.
Lit.: Köbler, DRG 29
Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende und damit von den Beteiligten nicht
abänderbare Recht (z. B. Eheschließungsrecht) im Gegensatz zum durch die
Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum, z. B. gesetzliches
Erbrecht).
Lit.: Kaser § 3 II
Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen
Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der
Wiederentdeckung des römischen Rechtes im Hochmittelalter benennt es das
römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht
einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die
Kodifikationen von 1794 (Preußen), 1804 (Frankreich) und 1811ff. (Österreich
und andere) abgelöst.
Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The
ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum
schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der
Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum
ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Gewalt, Sakramente). Das i. d.
naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch
grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in
seiner Anwendung Schwankungen unterworfen. Das menschliche Gesetz darf nicht
gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als
moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze überführt werden
muss.
Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unveränderliches
und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und
das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst (bzw. das Handwerk) des
Billigen und Gerechten.
Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140)
Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen römischen Reich das Recht des Königs, jede Streitsache zur
Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der
König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht
nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert
das Nichtevokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeutung, weil das
königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr hat.
Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der
Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86
(1969), 75
Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen
Gliedern des Heiligen römischen Reiches zustehende →Bündnisrecht.
Ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero
(106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte -
auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der Völker), das nach späterer
Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius
(N.) naturale (→Naturrecht) nahesteht. Es wird vom römischen (lat. [M.])
praetor peregrinus (Fremdenprätor) angewendet, wenn mindestens ein Fremder
(lat. [M.] peregrinus) beteiligt ist. Es gewinnt in der frühen Neuzeit für das
Naturrecht erneute Bedeutung.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31,
146; Kaser M., Ius gentium, 1993
Ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern
(Prätoren) geschaffene Recht (lat. [N.] ius praetorium), das vorwiegend den
Bereich des Rechtes der Völker (lat. ius [N.] gentium) betrifft (z. B. bonorum
possessio bei bloßer traditio von res mancipi).
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler,
DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius
honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
ius (N.) in re
(lat.) Recht in der Sache
Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte -
iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195
iusiurandum (lat.
[N.]) Eid
iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, →Kalumnieneid
ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der Geburt mehrerer Kinder (z.
B. Befreiung von Geschlechtsvormundschaft)
Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene
Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen
geschaffenen Recht, insbesondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion).
→Naturrecht
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius
naturale, ZRG RA 111 (1994), 1
Ius (N.) offerendi (lat.) ist das Recht anzubieten (z. B. des nachrangigen Pfandgläubigers, der die Ablösung der Forderung eines vorrangigen
Pfandgläubigers nachrückt).
Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am
Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber
nicht überlieferte römische Recht.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht
Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des
Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Ius
(N.) positivum ist das gesetzte Recht im
Gegensatz zum ungesetzten Recht. Die Bezeichnung fehlt im Altertum. Sie findet
sich in Abgrenzung zu ius naturale um 1170 bei Kanonisten in Frankreich und
fällt anscheinend mit der Wiederentdeckung der Möglichkeit, Recht bewusst zu
setzen, ungefähr zusammen,
Lit.: Kuttner, S., Sur les origines du terme „droit positif“ (in)
RHDFE 15 (1936), 728ff.
Ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht
(lat. [N.] ius honorarium).
Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20;
Köbler, DRG 31
Ius (N.) primae noctis (lat.) ist das nur vereinzelt belegte, (als geldlich
ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri 1543) auf die
erste Nacht einer heiratenden Hintersassin.
Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A.,
Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten
Nacht, 1999; Ogris, W., Gesinderecht und ius primae noctis in Mozarts Le nozze
di Figaro (in) Wiener Staatsoper, Wolfgang Amadeus Mozart Le nozze di Figaro,
2011, 49
Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223)
zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum
utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es
bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte →Privatrecht.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1
Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223)
zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei
Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens
betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit vor allem von
protestantischen Juristen abgesonderte öffentliche Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103
(1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd.
1 1988
Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive,
gerichtlich geschützte Recht, das eine Person durch einen Rechtsvorgang im
Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat (z. B. Konzession).
Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895
Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) →ius (N.) civile der römischen
Bürger.
Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9
Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen römischen Reich das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die
Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestalten. Es wird im Frieden von
Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es
eingeschränkt.
Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius
reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius (N.) respondendi (lat.) ist das vom Prinzeps Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen
Rechtskundigen des römischen Rechtes verliehene Recht, in seinem Namen auf
Anfragen zu antworten.
Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser)
vorbehaltene Recht (z. B. Gesetzesinitiative im Reichstag, Adelsverleihung) im
Gegensatz zu dem nur gemeinsam mit dem Reichstag ausübbaren ius comitiale. Für
das (lat.) ius reservatum limitatum (eingeschränktes Reservatrecht) bedarf der
Kaiser der Zustimmung der Kurfürsten (z. B. Verhängung der Reichsacht,
Einberufung des Reichstags, Erteilung von Münzrechten oder Zollrechten). Aus
den Rechten des Monarchen wird im 19. Jh. die Prärogative der Krone.
Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss.
jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)
Ius Romanum allegans fundatam habet intentionem (lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine
brauchbare Klagegrundlage.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre,
1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates auf das
bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger.
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
ius (N.) strictum (lat.) strenges Recht, das durch (lat. [F.]) aequitas gemildert werden
kann
ius (N.) terrae →Landrecht
ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit
Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter (12./13. Jh.) das deutsche Recht
als ein deutschen Siedlern von slawischen Fürsten gewährtes freieres Grundbesitzrecht
im Osten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des deutschen
Rechtes, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist. Kl. 93
1941, H. 2
Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht (z. B. des im Rechtsstreit unterlegenen Besitzers bezüglich nicht zu
ersetzender, abtrennbarer Aufwendungen).
Lit.: Kaser §§ 26, 27
Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet
zu →Enklaven.
Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das
(lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt
vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das
juristische Studium regelmäßig beide Rechte (→[lat.] doctor [M.] iuris
utriusque), doch schwindet das kanonische (kirchliche) Recht an den
huristischen Fakultäten im 20. Jahrhundert weitgehend.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992
Ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das Recht des Herrn über
Leben und Tod eines Menschen (z. B. lat. [M.] servus, untreue Ehefrau).
Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5,
8
iusiurandum ([lat.] N.) Eid
iussum (lat.
[N.]) Geheiß (z. B. an einen Gewaltunterworfenen auf Erwerb einer Sache),
Ermächtigung (z. B. an den Geschäftspartner eines Gewaltunterworfenen)
Iusta causa
(lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf,
Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c.,
kann kein Eigentum übertragen werden.
Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8;
Köbler, DRG 40
Iustitia (lat.
[F.]) ist die Gerechtigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die Justitia, 1984, 2. A.
1997; Degen, B., Justitita ist eine Frau, 2008; Ostwaldt, L., Aequitas und Justitia, 2009; Schmoeckel,
M., Die Jugend der Justitia, 2013
Iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique
tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der
stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine zu geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, 106,
Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.)
Iustum bellum
(lat. [N.]) ist der →gerechte Krieg.
Iustum pretium
(lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im spätantiken römischen
Recht (Ende 3. Jh.s, C. 4. 44. 2, C. 4. 44. 8) kann in klarem Gegensatz zu den
spätklassischen Rechtskundigen der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag
anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen,
wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den
auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis).
Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die
spätantike Lehre vom i. p. Christian Thomasius bezweifelt die Möglichkeit eines
gerechten Preises. Im 19. Jh. wird die noch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
Österreichs (1811/1812) bejahte Vorstellung des i. p. durch den Liberalismus wieder
zurückgedrängt. Schützend wirken § 138 BGB (Sittenwidrigkeit, 1900) und Verbraucherschutzbestimmungen
am Ende des 20. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 64; Baldwin, J., The medieval theories of
the just price, 1959; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom gerechten
Preis, 2. A. 1951; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Trusen,
W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff,
1967, 247; Der gerechte Preis, 1982; Marazzi, L., Das iustum pretium, 1999;
Becker, C., DIe Lehre von der laesio enormis, 1993; Göttlicher, D., Iustum
pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004
Ivo Helori,
Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines
Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris
und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe
und Verwechslungen mit →Ivo von Chartres ist er Standespatron der
Juristen und volkstümlicher Heiliger der Gerechtigkeit.
Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321;
Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristenfakultät, Freib.
Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an
den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige
Ivo von Hélory, 1998
Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090
Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium
(Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat.
[F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch →Gratian
erheblich beeinflusst.
Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962; Ways of Mercy,
hg. v. Brasington, B., 2004; Violi, S., Il prologo di Ivo di Chartres, 2006
J
Jaca ist
der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem →Fuero begabte Sitz
des Königs von Aragón.
Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53
(1978), 688
Jacobus Balduini ist der in Bologna geborene, 1213
den Professoreneid ablegende, 1229 zum Podestà von Genua gewählte, wohl am 10.
4. 1235 verstorbene Glossator (Schüler Azos), von dem Glossen zum Codex und zu
den Digesten, De instructione advocatorum, De primo et secundo decreto, De
fratribus habitantibus und kleinere Schriften stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 286
Jacobus Butrigarius ist ein in Bologna etwa 1273
geborener, in Bologna lehrender, am 9. 4. 1348 verstorbener Jurist (lecturae,
commentaria, Traktate, quaestiones, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 621
Jacobus Columbi ist ein unsicher bezeugter
Glossator, der vielleicht einen Glossenapparat zu den libri feudorum und eine
Summa feudorum verfasst hat.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 282
Jacobus de Ardizone ist der aus Verona stammende,
im früheren 13. Jahrhundert wirkende Glossator (Schüler Azos), von dem die
ardizonische Rezension der Libri feudorum, eine Summa feudorum und eine Summa
de decurionibus stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 278
Jacobus de Arena ist ein wohl aus Parma gebürtiger,
vielleicht zwischen 1230 und 1240 geborener Jurist (Lecturae, Additiones,
Tractatus).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 435
Jacobus de Belvisio ist ein wohl in Bologna um 1270
geborener, in Bologna ausgebildeter, in Neapel promovierter und dort und später
in Bologna, Padua, Siena, Perugia und schließlich in Bologna lehrender Jurist
(lecturae, additiones, casus, Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 6113
Jacobus de
Porta Ravennate (Bologna um 1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.)
quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag
in Roncaglia auftreten. Von ihm stammen Glossen, Distinktionen, Summulae, Disputationen
und möglicherweise der erste größere strafrechtliche Traktat der Glossatorenzeit
(Tractatus criminum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes,
1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 178
Jacobus de Ravanis
(Jacques de Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans
dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen
(lecturae) über die justinianischen Texte stammt vielleicht ein
Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium [N.] iuris) von ihm.
Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la
coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques
de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 518
Jacques de Révigny
→Jacobus de Ravanis
Jagd ist
das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln des Jagdrechts.
Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach das Recht zur J.
mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im Frühmittelalter erklärt der
König die J. im (eingehegten) →Forst zum königlichen Recht (→Regal).
Im Hochmittelalter geht das allmählich erweiterte Regal auf den Landesherrn
über. Der Bauer wird von der J. ausgeschlossen, wogegen er sich zu Beginn der
Neuzeit (→Bauernkriege) vergeblich wehrt. Der Landesherr behauptet
daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich zu gestalten
(Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in der
deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des Grundeigentümers
ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später (Preußen 1850, 1907)
zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des Grundstückeigentümers
(Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke) und der
Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.
Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte
des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner,
K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur
Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H.,
Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und
höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d.
Wiss., 2002; Almond, R., Medieval Hunting, 2003; Rösener, W., Die Geschichte
der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt –
Herrschaft, Gesellschaft, 2004; Manfredini, A., Chi caccia e chi è cacciato,
2006; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007
Jahr und Tag
(lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen Mittelalter häufige Zeitbestimmung
unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach
umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich
belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T.
erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber eines Grundstücks die
rechte →Gewere. Nach anderer Ansicht ist mit J. die Zeit von 13
Mondmonaten zu 28 Tagen und einem zusätzlichen, auf das Sonnenjahr von 365 Tagen
fehlenden Tag gemeint.
Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828,
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr
und Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart,
P., Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323 (1911), 328;
Klein-Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg,
L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287
Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter
bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten Ansatzpunkt
zur Entwicklung der →Steuer bildet.
Jahrgebung (lat.
venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem
römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu.
Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die
römischrechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.) aetatis vollständig
aufgenommen. Als Volljährigkeitserklärung erscheint sie im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).
Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86,
168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss.
jur. Halle-Wittenberg 1907
Jakob Ben Ascher
(Deutschland um 1270-Toledo 1343) verfasst nach seiner 1303 erfolgten
Auswanderung eines der bedeutendsten jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters
(Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven,
Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren.
Verarbeitet sind neben →Talmud zahlreiche Rechtsquellen.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1058
Japan ist
der östlich des Festlands Eurasiens auf Inseln gelegene, ostasiatische, bis
zum 5. Jh. schriftlose, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über
Portugiesen) bekannter werdende Staat, dessen überkommenes, aus China
stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Goseibai-Shikimoku)
überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853
erzwungenen Öffnung des Landes (Handelsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit
1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889)
grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafgesetzbuch 1880/1882,
1907/1908, Strafprozessordnung], Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch
1890/9, Bürgerliches Gesetzbuch - 1890 französisch geprägtes altes
Bürgerliches Gesetzbuch verkündet, aber nach Kodifikationsstreitigkeiten nicht
in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und Ume stärker deutsch geprägtes -
Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898]) beeinflusst wird (→Boissonade,
Hozumi, →Inoue, →Roesler).
Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des
institutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des
europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die
Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen
japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976;
Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, (in) Japans Weg in
die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen
Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen
Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v.
Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im
japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der
Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann,
R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des
japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji
Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999;
Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das
japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während
der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche
BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J.,
Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer
Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige
Hozumi und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl,
M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of
1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27
(2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2006;
Fröhlich, J., Rulers, Peasants and the Use of the Written Word in Medieval
Japan, 2007; Shimazu, N., Japanese Society at War, 2009; Krebs, G., Das moderne
Japan 1868-1952, 2009; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Krebs,
G., Japan im pazifischen Krieg, 2010; Kleine Geschichte Japans, hg. v. Kreiner,
J., 2010; Vogl, S., Rechtsprechung und Zivilrechtsmethodik, ZRG GA 129 (2011),
268; Kleine, C., Der Buddhismus in Japan, 2011; Yamanaka, K., Geschichte und
Gegenwart der jpanischen Strafrechtswissenschaft, 2012; Zachmann, U.,
Völkerrechtsdenken und Außenpolitik in Japan, 1919-1960, 2013
Jarl (lat.
[M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen Recht der Held, Häuptling
oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend
beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte
des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.
Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen
Verfassungsgeschichte, 1933;
Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk
Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989
Jarnsida (Eisenseite)
ist das 1271/1273 unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in →Island
eingeführte Recht. Es beruht auf Gulathinglög und →Gragas. 1281 wird die
J. durch die →Jonsbok ersetzt.
Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9
1936; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011, 246
Jasomirgott ist
ein erst seit dem Spätmittelalter belegter, vielleicht aus dem Arabischen
kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13.
1. 1177).
Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der
Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157
Jason de Mayno
(Pesaro 1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird
nach dem Rechtsstudium in Bologna (Alexander de Tartagnis bzw. Tartagnus) 1467
Professor in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414)
Gutachten verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justinianischen
Rechtstexte.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a
Padova nel secolo XV, 1986, 221; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 881
Jedem das Seine.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)
Jefferson,
Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William and Mary College
(1760-1762) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker,
Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außenminister und 1801 Präsident der
Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich für die
amerikanische →Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der
amerikanischen Zentralgewalt.
Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of
Reason, 1987
Jellinek,
Georg (Leipzig 16. 6. 1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und
Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und
Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889
ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes
Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte (1892) folgende
Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale
Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (normatives
Sollen).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft,
1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H.
u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998; Kersten, J., Georg Jellinek
und die klassische Staatslehre, 2000; Georg Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a.,
2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911,
2005
Jena ist
der um die Mitte des 9. Jh.s (830-850) erscheinende Ort der Thüringer, der um
1230 Stadt wird. Ein mittelalterliches Schöffenkollegium fehlt dort. 1548 erhält
J. (im ernestinischen Sachsen) eine hohe Schule und 1556/1557/1558 eine Universität,
neben der 1569 ein mit gelehrten Juristen besetzter Schöppenstuhl (juristische
Fakultät als Spruchkollegium im Gegensatz zur Fakultät als Gremium für
Gutachten) erwähnt wird (mit bis zu 500 Akteneingängen im Jahr). Mit Jena verbunden
sind etwa Dominicus Arumäus (1579-1673), Johannes Limnäus (1592-1663), Matthäus
Wesenbeck (1531-1586), Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840), Paul Johann
Anselm von Feuerbach (1775-1833), Hans Adolf Fehr (1874-1961), Heinrich Lehmann
(1876-1963), Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963) oder Hans Carl Nipperdey
(1895-1968). 1945 wirken dort Max Hildebert Boehm (1934-1945), Richard Karl
Gustav Lange (1939-1949), Walter Krusch (1939-1945/1946), Gerhard Gustav
Theodor Wacke, (1940-1945), Falk Alfred Ruttke (1940-1945), Hermann Martin
Drath (1945-1947), Hermann Arnold Schultze von Lasaulx (1935-1941/1945-1947).
Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge
des Jenaer Stadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch
der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd.
1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena,
1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das
gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996;
Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2003; Klassische
Universität und akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a., 2005;
Hochschule im Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K.,
Stapelstadt des Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a.,
2007; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu
Jena, 2008 (Diss. jur. Jena 2007); Ries, K., Wort und Tat, 2007; Gelehrte Wissenschaft.
Das Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a.,
2008; Die Universität Jena in der frühen Neuzeit, hg. v. Bauer, J. u. a., 2008;
Wallentin, S., Fürstliche Normen und akademische Observanzen, 2009;
Universität im Umbruch, hg. v. Bauer, J. u. a., 2010; Bauer, J.,
Universitätsgeschichte und Mythos -Erinnerung, Selbstvergewisserung und
Selbstverständnis Jenaer Akademiker 1548-1858, 2012; Rechtsgelehrte der
Universität Jena aus vier Jahrhunderten, hg. Lingelbach, G., 2012; Wolf, S.,
Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich, 2013; DIe Universität Jena in
der Weimarer Republik 1918-1933, bearb. v. Bräuer, T. u. a., 2013
Jerusalem ist die seit
dem 18. Jh. v. Chr. v. Chr. als kanaanäisches Uruschalim (Stadt des Friedens)
belegte, um 997 v. Chr. vom israelitischen König David eroberte, von den Juden
als Hauptstadt verwendete, durch Jesus Christus zum Ausgangspunkt des Christentums
gewordene, 70 n. Chr. von den Römern zerstörte und nach Wiederaufbau 638 n.
Chr. von den Arabern eroberte Stadt im heutigen Israel bzw. Palästina, in der
im Herbst des Jahres 1009 die Grabeskirche auf Befehl des Kalifen zerstört
wird..
Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12.
Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, hg. v. Bauer, D. u.
a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002;
L’idea di Gerusalemme, 2003; Penth, S., Die Reise nach Jerusalem, 2010; Die
Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, hg. v. Mayer, H., 2011; Türck,
V., Christliche Pilgerfahrten nach Jerusalem, 2011; Müller, C., Der Kadi und
seine Zeugen, 2013
Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola (1491-1556)
seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte, katholische Männerorden
zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird in der →Gegenreformation
tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn Papst Clemens XIV. auf (Fortbestehen in Preußen,
Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her.
Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten,
Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die
Jesuiten, 2001; Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld, H., Ignatius von
Loyola, 2006; Vogel, C., Der Untergang der Gesellschaft Jesu, 2006
Jesus (Nazareth um 7-4 bzw. 6-5 v.
Chr.?-Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach möglicherweise zweijährigem
Wirken (ab 29 n. Chr.?) als öffentlicher Wanderlehrer nach einem Prozess (ab 6.
4. 30) im Zusammenwirken von Juden und Römern gekreuzigte (und nach
chtistlicher Lehre von den Toten auferstandene) jüdische Begründer der zunächst
sehr sektiererhaften, bereits sehr früh infolge von Streitigkeiten von
Jerusalem nach Antiochia verlagerten, in hridnischer Umgebung zivilisierten christlichen
Religion, dessen tatsächliches Leben mit der späteren christlichen Vorstellung
nicht in jeder Hinsicht übereinstimmen dürfte.
Lit.: Theessen, G.,
Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer
Sicht, 1998; Puig i Tarrech, A., Jesus, 2010; Jaroš, K., Jesus, 2011; Dahlheim,
W., Die Welt zur Zeit Jesu, 2013
Jhering →Ihering
Joachimica Constitutio →Constitutio Joachimica
Johannes Andreae
(bei Florenz um 1270-Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna
spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechtes. Er kommentiert den →Liber
sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.] ordinaria) und den →Liber
extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste
Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum
Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) von kurz vor 1346
stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechtes dar.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes
Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328;:
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 658
Johannes Bassianus ist ein in Cremona geborener
Schüler des Bulgarus in Bologna, der Lehrer Azos (vor 1190-1220), Karolus de
Toccos und Nicolaus Furiosus‘ wird und Glossen, Lecturae, Summen, Arbeiten zum
Prozessrecht, Regulae iuris, Distinktionen, Quästionen und Consilia verfasst.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 215
Johannes de Blanasco ist ein um 1225 in Blanot in
Burgund geborener, in Bologna ausgebildeter, nach seinem tractatus de
actionibus (1256) nach Burgund zurückgekehrter Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 461
Johannes de Imola ist ein in Imola vielleicht um
1375 geborener, in Bologna ausgebildeter und spätestens ab 1399 lehrender, 1436
verstorbener Jurist (commentaria, consilia, Traktat zum großen Schisma).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 807
Johannes Teutonicus
(1180?-25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in
Halberstadt (Johannes Zemeke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.)
glossa (F.) ordinaria zum (lat.) →Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung
der Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-1216 setzt sich gegen den
Widerspruch des Papstes durch.
Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995,
329
Johannes von Erfurt
(um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher
rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.]
utriusque iuris von etwa 1280).
Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v.
Brieskorn, N., 1981
Johannes von Saaz
(oder Tepl) (um 1350-Prag 1414) ist der nach dem Studium der (lat.) artes
(F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem Ackermann von Böhmen
(1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuchs von Prag (lat. Liber
[M.] contractuum, Buch der Verträge) verfassende Gelehrte.
Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann
aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388
Johann von Buch
→Buch, Johann von
Johanniter ist der Angehörige des 1099 gegründeten
Johanniterordens.
Lit.: Staehle, E., Geschichte der
Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002; Die Ballei Brandenburg des
Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann, K., 2006
joint tenancy
(N.) Gesamthandsgemeinschaft
Jonsbok (F.)
(Jónsbók oder Lögbok Islendinga, in den Quellen landslagabókin, lögbókin, bókin)
ist der Name des in Norwegen abgefassten, 1281 in →Island eingeführten,
in rund 200 Handschriften (286 Handschriften und Bruchstücken [zweier
Handschriftenklassen] mit 45 bzw. 148 Handschriften) überlieferten, nach (dem norwegischen,
wohl an seiner Abfassung mitwirkenden Lögmann) Jon Einarsson († 1306)
benannten, in zehn Teile gegliederten, an die Verhältnisse Islands angepassten Rechtsbuchs
oder Gesetzbuchs auf der Grundlage von König →Magnus Hakonarsons
Landrecht von 1274. Die in Island meistgelesene, seit 1578 gedruckte J. bleibt
bis in das 18. Jh. bedeutsam und gilt in Teilen noch am Beginn des 21. Jh.s.
Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for
Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984; Jónsbók, hg. v. Schulman,
J. 2010
Jordan, Sylvester (Omes bei Innsbruck 30. 12-1792-Kassel 15. 4.
1861), Schusterssohn, wird nach dem Studium der Philosophie und
Rechtswissenschaft in Landshut und Wien und den Promotionen von 1815 und 1817
sowie der Habilitation in Landshut 1821 ao. Professor in Marburg und 1822
ordentlicher Professor. 1831 beeinflusst er den Entwurf einer Verfassung
Kurhessens maßgeblich. In seiner Staatstheorie ordnet er das monarchische
Prinzip der Herrschaft des Rechtsgesetzes unter.
Lit.:
Kaiser, W., Sylvester Jordan, Diss. Leipzig 1936; Kleinknecht, G., Sylvester
Jordan, 1983; Frotscher, W., Sylvester Jordan, (in) Worte des Rechts, 2007,
130
Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück,
verfasst wohl vor 1273 einen durch →Alexander von Roes 1281 überlieferten
(lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das römische
Reich), in dem er den Vorrang des römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.
Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von
Roes, 1910
Josaphat („Jahwe
richtet“) ist nach Joel 4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des
Jüngsten Gerichts (meist als Kidrontal verstanden).
Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934
Joseph II.
(Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790), viertes Kind und erstgeborener Sohn (Franz-Stephan
von Lothringens, des späteren Kaisers Franz’ I. und) Maria Theresias, wird 1764
römischer König, 1765 mit 24 JahrenKaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29.
11. 1780) alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er übernimmt
weitgehend die Ratgeber seiner Mutter und strebt einen zentralistischen Gesamtstaat
→Österreich deutscher Staatssprache an. Seine rastlose aufgeklärte
Reformpolitik (Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Toleranz 1781, Allgemeine
Gerichtsordnung 1781, Ehepatent 1783, Erbfolgepatent 1786, →Josephinisches
Gesetzbuch 1786/1787, Josephinisches Strafgesetzbuch 1787/1788 mit Todesstrafe
nurmehr im Standrecht, Kriminalgerichtsordnung 1788, Bauernbefreiung,
Josephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen Widerstand nicht
durchsetzen.
Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962;
Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L.,
Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979;
Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph
II., 1987, Bd. 2 1009; Blanning, T., Joseph II., 1994; Macek, B., Die Krönung
Josephs II. zum Römischen König, 2010
Josephinisches Gesetzbuch
ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) →Codex (M.) Theresianus (1766)
über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene österreichische Gesetzbuch vom
(1. 11. 1786 bzw.) 1. 1. 1787. Dieses „Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch“
enthält nur das Personenrecht (3325 Wortformen). Es wird zum 1. 1. 1812 durch
das →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch.
Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine
Umarbeitungen, 1886¸ http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JGB20070429-rund18800woerter.htm
Josephinismus ist das staatspolitische bzw. kirchenpolitische System des aufgeklärten →Absolutismus
unter →Joseph II. (1780-1790) in →Österreich. Im J. wandelt der
Landesherr die ständische Verwaltung in eine bürokratische Beamtenverwaltung
um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohlfahrtseinrichtungen werden
gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf
Predigt, Sakrament, Gottesdienst und Disziplinargewalt über den Klerus
beschränkt. Die Geistlichen werden Staatsbedienstete. Der evangelischen
Religion wird Toleranz gewährt (Toleranzpatent 1781). Die Ehe wird
bürgerlicher Vertrag (Ehepatent 1783). Grundgedanke ist die Nützlichkeit für
Staat und Gesellschaft. Viele Einzelmaßnahmen stoßen auf Widerstand und müssen
zurückgenommen werden.
Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte,
1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der
Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der
Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995; Josephinismus als aufgeklärter Absolutismus,
hg. v. Reinalter, H., 2008
Jude ist
der Angehörige der Religionsgemeinschaft Judentum, ursprünglich der Bewohner
des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs benannten Stammes (Gebiet um
Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte der Juden ist nicht
eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr. werden die Oberschichten der Reiche
Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr. gerät das Reich Juda unter die
Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II. von Persien den in
diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr.
erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr.
unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. Bis zum
5./6. Jh. breiten sich die Juden, von denen aus der Antike etwa 15000
namentlich bekannt zu sein scheinen, unter Bewahrung ihrer besonderen Religion
und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreiches
und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. 638
fällt Jerusalem an die Araber. Bis in das 9. Jahrhundert, in dem die Juden
unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen gekennzeichnet
werden, sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh.
werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die sie eine
Gegenleistung erbringen. Um 930 findet im oströmischen Reich eine
Judenverfolgung Statt. Mit der Entstehung von Städten lassen sich
nördlich der Alpen aus dem Mittelmeerraum kommende Juden unter dem Schutz von
Bischöfen in Kathedralstädten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) fest
nieder (Trier 2. Hälfte 10. Jh.s, Speyer Urkunde vom 13. 9. 1084, Mainz 10. Jh.,
Köln 10. Jh., Magdeburg 10. Jh.?, Metz vor 893, Merseburg 10. Jh.?, Prag
frühestens um 1050, Regensburg um 981 und Worms Annfang 11. Jh.?) (kaiserliche
Privilegien für Juden in Speyer und Worms von 1090. 1096 aber bereits
Judenverfolgungen). Im Reichslandfrieden von 1103 werden die Juden unter die besonders befriedeten Menschen aufgenommen.
1236 unterstellt sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben
(Judensteuer) dem Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn
(Judenregal). Da die Juden wegen des nur Christen treffenden →kanonischen
Zinsverbotes den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen betreiben können
und tatsächlich an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest
(1347-1351, im Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien
gebracht, je 50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen römischen Reich
vielleicht ein Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren
angebliche Urheber vielfach verfolgt und danach ab etwa 1390 weitgehend aus den
Städten vertrieben (z. B. leben in Westfalen um 1500 nur noch an rund 25 Orten -
nach 1350 aus dem Rheinland und Niedersachsen zugezogene - Juden). In den
Schriften deutscher Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt,
aber vor allem aus Nächstenliebe, später (Justus Henning Böhmer 1674-1749)
auch aus naturrechtlichen Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt
einzelnen der im Heiligen römischen Reich etwa 60000 bis 70000 verbliebenen,
von den Fürsten und reichsstädtischen Magistraten mit Hilfe des Geleits aus
fiskalpolitischen Überlegungen geförderten, von den Ständen dagegen in
Gravamina eher abgelehnten Juden der Aufstieg im Bankwesen. Im Übrigen tragen
weder Staat noch Beamte zur späteren (Selbst-)Emanzipation und zum sozialen
Aufstieg bei. 1776 wird die Rechtsstellung der Juden in Virginia verbessert.
1779 veröffentlicht Gotthold Ephraim Lessing sein fünfaktiges Ideendrama
mit dem Titel Nathan der Weise , das den Toleranzgedanken in den Mittelpunkt
stellt. Nach 1780 wird als Folge der Aufklärung allgemein die Forderung nach
Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben (z. B. Dohm,
C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781). In der Folge erhalten
die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812
Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen
Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern
erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen
zuspricht -, Bayern 1813, Österreich 1867, Sachsen 1868 Gleichberechtigung
aller Staatsangehörigen unabhängig von der Religionszugehörigkeit in
Verfassungsrang erhoben), müssen aber ihr besonderes
Recht und ihre besondere Gerichtsbarkeit einschränken. Dabei wird nach 1780
allgemein die Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die
Gesellschaft erhoben. Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere
Ausgrenzung begünstigten Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden
in die Großstädte und aus dem Osten in die deutschen Staaten, wo sich
beispielsweise in Sachsen erst nach 1830 die Befürworter eines langsamen
Angleichungs- und Erziehungsprozesses durchsetzen. Gegen 1860 hat sich das
Judentum als eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft
etabliert (1871 1,05 Prozent der Deutschen, 1925 564379, 1933 499682 oder 0,76
Prozent von rund 65 Millionen). In Abwehr der Judenemanzipation entsteht am
Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B. Treitschke,
Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor Fritsch
[1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg, Hans F. K.
Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programms des →Nationalsozialismus
Adolf →Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden Einstellungspolitik
sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten (1924 in Preußen von 987
Ordinarien 39 Juden, daneben 97 nicht beamtete Professoren, 43 Privatdozenten)
und drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird (bei
9208 im Deutschen Reich zugelassenen Rechtsanwälten, davon rund 5000 nicht
arisch) mehr als ein Viertel (von 11814 3370 d. h. 28,5 %) der Rechtsanwälte
Preußens und die Hälfte (54 oder 48 %, rund 1830) der Rechtsanwälte Berlins als
Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main 45 %, Breslau 35 %, Hamm 14 %, Kiel 7 %,
Bayern 460 von etwa 2400). Von 1663 Beamten des höheren Dienstes Preußens
werden 211 und 285 Beamte vom Gesetz zur Wiederherstellung des
Berufsbeamtentums (7. April 1933) betroffen (28 %, im übrigen Reich von 2339
Beamten 106 und 143, also 9,5 %). Von 536 Richtern und Staatsanwälten jüdischer
Herkunft in Preußen müssen von Juni 1933 bis Ende 1935 309 (58 Prozent) und bis
zur Mitte des Jahres 1937 weitere 182 den Justizdienst verlassen und können nur
41 (als sog. „Mischlinge“) verbleiben. Vielleicht verlieren 1933 insgesamt
rund 2000 jüdische Beamte des höhren Dienstes und etwa 700 Hochschullehrer ihre
Stelle. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des Titels und der
Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937 Verbot der
Promotion für jüdische Studenten, 1938 Verbot der Immatrikulation für
jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für
jüdische Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechtsanwälte ihrer
Zulassung entsetzt). Nach einer Verodnung vom August 1938 müssen Juden
zwangsweise den zusätzlichen Vornamen Sarah oder Israel tragen. Im Herbst 1938 sind
von früher etwa 100000 jüdischen Unternehmen noch etwa 40000 in jüdischer Hand
(von 50000 Einzelhandelsgeschäften noch 9000). 1938 und 1939 verlassen bis zu
180000 Juden und Jüdinnen das Deutsche Reich. Insgesamt ergehen im Deutschen
Reich zwischen 1933 und 1945 fast 2000 Juden betreffende Gesetze , Verordnungen
und Richtlinien. Die 1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland bzw.
möglichen Einwanderungsländern abgelehnten Auswanderung (von 300000 bis
400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht, wobei durch
Verordnung vom 23. 10. 1941 die Auswanderung verboten wird. Nur ein geringer
Teil der europäischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich [1933
500000 mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Reichsmark = 30000 RM
pro Kopf, 778 Millionen Reichsmark Einnahmen des Reiches aus der Enteignung
deportierter Juden], 190000 in Österreich, 1939 72000 Judenmischlinge ersten
Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutschland) überlebt die
sog. Endlösung (Holocaust). Nach einer Verordnung vom 1. 9. 1941 müssen Juden
durch einen aufgenähten gelben Stern auf der Kleidung gekennzeichnet werden. Seit
Sommer 1943 ist das Deutsche Reich offiziell judenfrei. Von den vertriebenen
Juden kehren nach 1945 etwa 4-5 Prozent nach Deutschland zurück. Von den in der
Bundesrepublik Deutschland in 107 Gemeinden vertretenen etwa 100000 Juden des
Jahres 2010 stammen (infolge Einwanderung nach 1945) rund 90 Prozent aus
Osteuropa.
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nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 1ff. 2008ff.; Leitenberg, L.,
La population juive des villes d’Europe, 2008; Sieg, U., Jüdische
Intellektuelle im ersten Weltkrieg, 2. A. 2008; Wirtschaftsgeschichte der
mittelalterlichen Juden, hg. v. Toch, M., 2008; Die Juden in der Oberpfalz, hg.
v. Bremnner, M. u. a., 2008; Dolna, B., Die Geschichte des österreichischen
Judentums, (überarb. v. Schubert, K.,) 2008; Möschter, A., Juden im
venezianischen Treviso (1389-1509), 2008; Leibniz und das Judentum, hg. v.
Cook, D. u. a., 2008; Kuller, C., Finanzverwaltung und Judenverfolgung, 2008; Volkov, S.,
Merkurianer im Land der Apollonier, HZ 286 (2008), 657; Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817, bearb. v. Rosenstock, D., 2008; Herzig, A., Gabriel
Riesser, 2008; Ebert, A., Jüdische Hochschullehrer an preußischen Universitäten
(1870-1924), 2008; Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause, hg.
v. Lühe, I. v. d. u. a., 2008; Wolffsohn, M. u. a., Deutschland, jüdisch
Heimatland, 2008; Beziehungsnetze aschkenasischer Juden während des
Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Müller, J., 2008;Litt, S.,
Geschichte der Juden Mitteleuropas 1500-1800, 2009; Daniels, J. v., Religiöses
Recht als Referenz, 2009; Herlich, R. u. a., Weiterleben Weitergeben, 2009;
Klein, P., Die Gettoverwaltung Litzmannstadt, 2009; Staudacher, A., … meldet
den Austritt aus dem mosaischen Glauben, 2009; Schwarz, E., Juden im Zeugenstand,
2009; Steinweis, A., Kristallnach 1938, 2009; Seibel, W., Macht und Moral. Die
Endlösung der Judenfrage in Frankreich, 2010; Curilla, W., Der Judenmord in
Polen, 2010; Mayer, M., Staaten als Täter, 2010; Haeberli, S., Der jüdische
Gelehrte im Mittelalter, 2010; Austria Judaica. Quellen zur Geschichte der
Juden in Niederösterreich und Wien 1496-1671, bearb. v. Paucher, P., 2010;
Judaism, Christianity and Islam in the Course of History, hg. v. Gall, L. u.
a., 2010; Der Judenrat von Bialystok, hg. v. Anders, F. u. a., 2010; Laux, S.,
Gravamen und Geleit - Juden im Ständestaat, 2010; Maier, G., Wirtschaftliche
Tätigkeitsfelder von Juden im Reichsgebiet (ca. 1273-1350), 2010; Jüdische
Wohlfahrtsstiftungen, hg. v. Ludwig, A., 2010; Schneider, H., Die Entjudunmg
des Wohnraums, 2010; Junginger, H., Die Verwissenschaftlichung der Judenfrage
im Nationalsozialismus, 2011; Die Verfolgung der Juden während der NS-Zeit, hg.
v. Hedwig, A. u. a., 2011; Gottwaldt, A., Die Reichsbahn und die Juden
1933-1945, 2011; Rupnow, D., Judenforschung im Dritten Reich, 2011; Franke,
C., Legalisiertes Unrecht, 2011; Jüdische Soldaten - Jüdischer Widerstand in
Deutschland und Frankreich, hg. v. Berger, M. u. a., 2011; Strnad, M.,
Zwischenstation Judensiedlung, 2011; Jasch, C., Staatssekretär Wilhelm Stuckart
und die Judenpolitik, 2011; Pawliczek, A., Akademischer Alltag, 2011; Meyer,
B., Tödliche Gratwanderung, 2011; Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur,
hg. v. Diner, D., Bd. 1ff. 2011ff.; Grady, T., The German Jewish Soldiers,
2011; Snyder, T., Bloodlands - Europa zwischen Hitler und Stalin, 2011; Nazi
Crimes against Jews and German Post-War Justice. The West German Judicial
System during Allied Occupation (1945-1949), 2012; Breunung, L. u. a.,
Biographisches Handbuch der Emigration deutschsprachiger Rechtswissenschaftler
nach 1933, Bd. 1 2012; Kasper-Marienberg, V., vor euer kayserlichen Mayestät
Justiz-Thron, 2012; Köbler, G., Jüdische deutsche Juristen, ZIER 2 (2012);
Timmel, J., Die Rechtsstellung der Juden im Kurfürstentum und Königreich
Hannover, 2012; Die Juden in Franken, hg. v. Brenner, M. u. a., 2012; Berndt,
J., Ich weiß, ich bin kein Beamter - Heinz Galinski, 2012: Frühneuzeitliche
Ghettos in Europa im Vergleich, hg. v. Backhaus, F. u. a., 2012; Meinen, I. u.
a., Verfolgt von Land zu Land - Jüdische Flüchtlinge in Westeuropa 1938-1944,
2013; Grill, T., Der Westen im Osten, 2013; Lidegaard, B., Die Ausnahme, 2013; Die
Juden in Schwaben, hg. v. Brenner, M. u. a., 2013; Hoffmann, P., Carl Goerdeler
gegen die Verfolgung der Huden, 2013; Haverkamp, A., Beziehungen zwischen
Bischöfen und Juden im ottonisch-salischen Königreich bis 1090 (in) Trier -
Mainz - Rom, 2013, 45; Das emanzipationsedikt von 1812 in Preußen, hg. v. Diekmann,
I., 2013; Liedtke, R., Wirtschaft und Ungleichheit, 2014; Koop, V., „Wer Jude
ist, bestimme ich“, 2014; „Arisierung“ und „Wiedergutmachung“ in deutschen
Städten, hg. v. Fritsche, C. u. a., 2014; Jüdische Gemeindestatuten aus dem
aschkenasischen Kulturraum 1650-1850, hg. v. Litt, S., 2014; Burger, H.,
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Jzden, 2014; Kennzeichen
„Jude“, hg. v. Graowski, H./Haney, W., 2014
Judeneid ist
der besondere, von →Juden in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu
schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H.,
Der Judeneid, 1937; Schmidt, R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA
93 (1976), 322; Zimmermann, V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G.,
Ausgewählte Schriften, Bd. 1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19.
Jahrhundert, 2007
Judenpogrom →Juden
Judenrecht ist
das besondere, für →Juden geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches
Recht (z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber
jüdisches, auf die Tora (5 Bücher Moses) gegründetes, zusammen mit mündlich
überliefertem Recht als Halacha (mit 613 Verhaltensregeln) bezeichnetes, in
Mischna (um 200) und (einschließlich Gemara) in Talmud (um 500)
aufgezeichnetes und in Mischne Tora (Maimonides 12. Jh.) und Schulchan auch
gesetztes Recht.
Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation,
1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; An Introduction to the
History and Sources of Jewish Law, hg. v. Hecht, N. u. a., 1997;
Judenregal →Jude
Judenverfolgung →Jude
Judicature Acts von
1873/1875 sind Gesetze, die das englische Gerichtsverfassungsrecht erheblich
abändern und dabei das Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs
verbinden.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Judikative ist
im Rahmen der →Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.
Lit.: Köbler, DRG 191
Judikatur (F.)
Rechtsprechung
Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen
Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H.,
Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84
jüdisches Hehlerrecht →Hehler
Jugend ist
die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung
des Rechtes besondere Rechtssätze. →Kind, Vormundschaft, Jugendgericht,
Jugendstrafrecht
Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der
Neuzeit, 1998; Bornhorst, S., Selbstversorger, 2010
Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht, das 1908
durch gerichtliche Organisationserlasse in Köln, Frankfurt am Main und Berlin
und allgemein durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher;
Hazel, N., A History of Youth Justice, 2012; Bolius, U. u. a., Der
Jugendgerichtshof Wien - Die Geschichte eines Verschwindens, 2011
Jugendschutz ist
der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere
Jugendschutzgesetz (Deutschland 1985, Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Österreich
1987).
Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004
Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht
für Jugendliche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugendgerichtsgesetz).
Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts,
1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J.
u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997;
Fritsch, M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D.,
Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung
des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der
Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des Jugendstrafrechts,
2004; Mill, T., Zur Erziehung verurteilt - Die Entwicklung des Jugendstrafrechts
im zaristischen Russland, 2010; Wernicke, S., Jugendstrafvollzug in der DDR,
2011
Jugoslawien ist
der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns (Bosnien-Herzegowina, Dalmatien,
Krain und Kroatien), des osmanischen Reiches (Montenegro) und des seit 1830
autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete
südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30.
10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11.
1918 der Anschluss Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das
Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. Zu ihm kommen Teile
Kärntens, der Steiermark und Ungarns. 1929 wird das Land in J. umbenannt, 1941-1944/1945
vom Deutschen Reich und von Italien aufgelöst,danach aber wieder begründet und am
29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. 1947 kommen das ehemalige Küstenland
(ohne Triest) und Zadar hinzu. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere
Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [1992 Bundesrepublik
mit Montenegro, 2006 getrennt], Makedonien).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler,
Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Sundhaussen, H., Geschichte
Jugoslawiens, 1982; Geč-Korošec, M.,
Die geschichtliche Entwicklung des
jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106 (1989), 331; Als Mitteleuropa
zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens,
1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen
in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der donauschwäbischen
Kulturstiftung, 1998; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999;
Meier, V., Wie Jugoslawien verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens
Erben, 2001; Dérens, J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider.
K., Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, 2002; Zlatar, Z., The Poetics of
Slavedom, 2007; Ramet, S., Die drei Jugoslawien, 2008; Böhm, J., Die deutsche
Volksgruppe in Jugoslawien 1918-1941, 2009; Calic, M., Geschichte Jugoslawiens
im 20. Jahrhundert, 2010; Ramet, S., DIe drei Jugoslawien, 2011; Sundhaussen,
H., Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011, 2012
Julianus →Iulianus
Jülich ist
der Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren
Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu
Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von Jülich-Berg
1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die Entwicklung
der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v. Schoop, A.,
1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich, bearb. v.
Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T.,
Jülich, Aachen und das Reich, 1987
Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an
sich gleich nahen Verwandten. Es entsteht im →Anerbenrecht. Es ist
weniger verbreitet als das Ältestenrecht.
Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2
Jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied
des Reichstags des Heiligen römischen Reiches (vor dem immerwährenden Reichstag). Von
Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Verfahrensordnung
des Reichskammergerichts mit der Abschaffung der artikulierten Klage u. s. w.
Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem
Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende
Reichstag zu Regensburg, 1963
Jüngstes Gericht
ist das von der jüdisch-christlichen Religion erwartete Gericht Gottes am Ende
der Welt.
Juniorat →Jüngstenrecht
Junker (M.) Jungherr
Lit.:
Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner,
P., Bauern, Junker und Beamte, 2005
jura (lat. [N.Pl.])
→ius (lat. [N.])
Jura ist
das Gebiet eines Gebirgszugs nahe dem Doubs. Der französischsprachige J. gehört
bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton Bern. Nach Volksabstimmungen im
Jura (1974) und in der →Schweiz (24. 9. 1978) wird J. selbständiger
Kanton.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1859
Jurisdiktion (F.)
Rechtsprechung, Erstbeleg 1298
Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der
Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.
Lit.: Baltl/Kocher
Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (römische) Rechtskunde. Sie geht von den Priestern
(lat. [M.] pontifices, Brückenbauer) aus, entwickelt sich im Handeln (agere),
Schützen (cavere) und Antworten (respondere) und ist bedeutsam im klassischen
römischen Recht (3. Jh. v. Chr.-3. Jh. n. Chr., Hochklassiker z. B. Celsus,
Julian, Gaius, Pomponius mit klarer, knapper Sprache, sachlicher Darlegung und
überzeugender Lösung) sowie als Rechtswissenschaft seit der Wiederentdeckung
des römischen Rechtes im Hochmittelalter (→Irnerius). Der durch J.
fachlich Gebildete ist seit dem Hochmittelalter der →Jurist. →Begriffsjurisprudenz,
Interessenjurisprudenz, Wertungsjurisprudenz
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann,
J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956,
1960, 1988; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg.
v. Behrends, O., 1998; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit,
1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik,
1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969;
Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss.
jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien
zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und
„Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz
als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder,
J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979;
Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert,
J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Haft,
F., Aus der Waagschale der Jurisprudenz, 1986, 4. A. 2009; Liebs, D., Die
Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Afrika, 1993; Kiesow,
R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in
Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002; Jenseits von Bologna, hg. v. Kilian,
M., 2013; Keppeler, L., Oswald Spengler und die Jurisprudenz 2013
Jurist ist
der planmäßig rechtswissenschaftlich ausgebildete Rechtsgelehrte.
Rechtskundige kennt bereits das römische Altertum, in dem die öffentliche
Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anscheinend zuerst durch den
ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester) Tiberius
Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die Ausbildung
von Juristen wohl mit →Irnerius und seinen Schülern am Anfang des 12.
Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg, danach
des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch ohne
Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49 weitere,
dann meist in Heidelberg oder Erfurt geschulte Juristen folgen (Bremen 1328,
Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700 rechtsgelehrte
Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen Herrschaftsgebieten (König von
Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof von Köln 56, Erzbischof von
Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von Konstanz 32). Aus Bologna sind
zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende des Rechtes (21 neue Namen
jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus Prag zwischen 1372 und 1418
3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen), aus Köln seit etwa 1400 30
(juristische) Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien seit 1402 vielleicht 20,
aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet Hugo von Trimberg im
Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen Königshof erstmals unter
Rudolf von Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV. († 1378, in Frankreich
unter Ludwig IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III. (1452–1493) dient dem
Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten Spätmittelalter
bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit ebenso viele wie in
der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem landesherrlichen
Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem städtischen Großbürgertum
entstammenden Juristen, die zeitweise als dem Adel gleichwertig gelten,
steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit dem 20. Jh. immer
stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im Dritten Reich wenden
sich auch Juristen dem Nationalsozialismus zu (u. a. Kieler Schule, von Karl
August Eckhardt vom 26. 5.-1. 1935 einberufenes Kitzeberger Lager junger
Rechtslehrer mit Wieacker, Larenz, Heinrich Lange, Eckhardt, Thieme, Maunz, Höhn,
Dahm, Ernst Rudolf Huber, Michaelis, Schaffstein, Siebert, Busse, Ritterbusch,
Würdinger und Heinrich Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936, neue Studienordnung,
neue Literatur). Die 150 berühmtesten (deutschen) Juristen studierten im
Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26
Universitäten, wechseln also (zur Vermehrung ihrer Fähigkeiten und geistigen
Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf ganz selbverständlich und
bleiben nicht lebenslang einer einzigen Umgebung (mit Hausberufung) verhaftet.
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151,
154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer
Juristen, 1945; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 1952, 2. A. 1967, Neudruck
2001, Neudruck 2001Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P.
Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt
Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen
klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Becker,
G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970;
Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus
fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Binder, G., 1984; Deutsche und europäische Juristen aus
neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996, 5. A. 2008;
Kolbeck, T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der
europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die
Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium,
hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen
1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in
Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium
der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v.
Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988;
Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich
Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H.,
Juristen jüdischer Abstammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im
amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18.
Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert,
I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo
eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der
Merowinger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und
Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das
Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek,
R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus,
ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001
(Taschenbuchausgabe); Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001;
Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C.
u. a., 2003; Jurists uprooted – German speaking émigré lawyers in
twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die
Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004;
Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.;
Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005;
Zwischen Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, 2006;
Juristenausbildung in Europa, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008; Brundage, J., The Medieval
Origins of the Legal Profession, 2008; Röwekamp, M., Die ersten
deutschen Juristinnen, 2011; Fischer, S., Juristen in Westfalen im 19. Jahrhundert, 2012; Gelebtes Recht, hg.
v. Strejcek, G., 2012; Daniels, T., Diplomatie, politische Rede und juristische
Praxis im 15. Jahrhundert, 2013; Senn, M., Rechtswissenschaft und
Juristenausbildung, 2013; Gordley, J., The Jurists, 2013
Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem →Juristen
(→Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen
Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist hauptsächlich die →Universität, in
England aber auch die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität
ist die juristische Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät
stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor,
seit dem 19. Jh. der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige,
seit dem 18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant.
Frauen werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums
ist zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit
von 6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrveranstaltung ist die
Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die
römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh.
einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den
Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung
mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt. In der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s wird an einzelnen Universitäten (z. B. Augsburg, Konstanz,
Bielefled, Hamburg II) zeitweise eine einstufige J. versucht, aber nach Ausbleiben
durchschlagender Erfolge wieder aufgegeben.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der Rechtswissenschaft
und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die legistische
Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius
commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in
Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung des dualistischen Systems
der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel 1971; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G., Vorstufen
der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H., Rechtsunterricht
im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R., Weltanschaulich begründete
Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG
GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina,
1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Lührig, N., Die Diskussion über
die Reform der Juristenausbildung, 1997; Juristenausbildung in Osteuropa bis
zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Juristenausbildung in Europa
zwischen Tradition und Reform, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008; Sörgel, D., Die
Implementation der Grundlagenfächer in der Jurstenausbildung nach 1945, 2013;
Senn, M., Rechtswissenschaft und Juristenausbildung, 2013
Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene
Redewendung (überliefert in vier Handschriften von Hugo von Trimbergs
Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen,
dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit
verdunkelt und die Verfahren verlängert.
Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse
Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925
Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der
Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich
(Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum. Die J. ist
Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss
(Wittenberg 1508, einzelne →Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die
zahlenmäßige Größe sehr stark zu.
Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universitäten,
Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der
Juristenfakultät von 1386 bis 1436, (in) Semper aperta, FS Universität
Heidelberg, Bd. 1 1985, 85
Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber) geschaffene
Recht. Es spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion des frühen 19.
Jh.s (→Puchta) eine gewisse Rolle. →Richterrecht
Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4;
Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines Recht,
1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22;
Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die Zivilrechtslehre
Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993
Juristenstand →Jurist
Juristentag ist
eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung von Juristen (in
Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche Erörterung von
allgemeinen Rechtsfragen.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, (in)
Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des
deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag
1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Festschrift 50 Jahre
österreichischer Juristentag, hg. v. österreichischer Juristentag, 2009
Juristische Person (Hugo
1799) ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum
ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechtsfähigkeit
ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder
Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als
Folge der zunehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus
ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Universität,
Orden, Zunft, Markgenossenschaft u. s.
w.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.)
ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher
Ansätze der moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit
zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (→Savigny) oder
ein sozialer Organismus (→Gierke) sei. Juristische Personen sind vor
allem →Verein (u. a. →Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit
beschränkter Haftung) und →Stiftung sowie Körperschaft und Anstalt. Seit
dem ausgehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich.
Die j. P. des Privatrechts entsteht durch Rechtsgeschäft, die j. P. des
öffentlichen Rechtes durch Hoheitsakt. Sie handelt nach der Fiktionstheorie
durch Vertreter, nach der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit durch
Organe.
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Zitelmann, E., Begriff
und Wesen der sogenannten juristischen Personen, 1873; Henkel, W., Zur Theorie
der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F.,
Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der
juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W.,
Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der
Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A.,
Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66;
Pohlmann, J., Entstehung, Rechtsträgerschaft und Auflösung der juristischen
Person, 2007; Munsonius, H., Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts,
2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Jury ist
das mit Laien besetzte Geschworenengericht. Die J. entwickelt sich in England
und Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen Gericht. Im 19. Jh. fordert der
Liberalismus im Kampf gegen den Staat und dessen Berufsrichter die J. auch in
Deutschland. Nach 1848 wird die J. als →Schwurgericht eingerichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the
jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900,
hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in
Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of
England, 2002; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Masschaele, J.,
Jury, State and Society in Medieval England, 2008; Lieber, N., Schöffengericht
und Trial by Jury, 2010
Justi,
Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird
nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor für Kameralistik
in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen in Göttingen
(1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und Glückseligkeit
der Staaten (1760f., Neudruck 1965). Hierzu stellt er die wirtschaftlichen
Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des nur durch Grundgesetze
gebundenen absoluten Monarchen voran. Die Polizei beschränkt er auf die Gewährleistung
der Rahmenbedingungen für privates wirtschaftliches Handeln. Die
systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das
Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.
Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des
Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970;
Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985),
239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U.,
The Political Economy of J. H. G. Justi, 2006
Justinian (Tauresium
[Taor in Mazedonien] 482-Konstantinopel 14. 11. 565), Bauernsohn und
Kaiserneffe, verheiratet mit Theodora, der Tochter eines Bärendompteurs am
Zirkus in Konstantinopel, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er
veranlasst die Schaffung der →Institutionen (533), der →Digesten
oder →Pandekten (530/533) und des →Codex (534) und erlässt danach
noch Einzelgesetze (→Novellen). Anfangs tatkräftig, wird er später vom
Gedanken göttlicher Berufung beseelt.
Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966;
Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine
Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M.,
Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004; Leppin, H., (K)ein Zeitalter
Justinians, HZ 284 (2007), 659; Pratsch, T., Theodora von Byzanz, 2009;
Justinian, hg. v. Meier, M., 2010; Leppin, H., Justinian, 2011
Justiz (zu
lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordentlichen
Gerichtsbarkeit).
Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914;
Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und
Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck
1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis
1948, 1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983;
Fieberg, G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland, 1984; Justiz in
alter Zeit, hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper,
G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die
Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a.,
1988; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 1988, 3. A. 2003; Recht
und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter
Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg.
v. Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a.,
1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz,
1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la
justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und
Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998;
Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20
(1998); Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Justiz im
Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002;
Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen
von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003;
Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus,
hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt,
M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2005; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer
Besatzung 1945-1949, 2007; Scheib, K., Justiz unterm Hakenkreuz, 2012; Justiz
und Justizverfassung, hg. v. Schubert, W. u. a., 2013 (Ostseeraum)
Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justizgesetze.
Lit.: Baltl/Kocher
Justizsache ist
im 18. Jh. die gerichtlich überprüfbare Angelegenheit.
Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H.
Thieme, 1983
Justizstelle →oberste
Justizstelle
Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung
getrennten Gerichtsbarkeit.
Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten
Reich, (in) FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986; Justizverwaltung,
Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen Landes
Rheinland-Pfalz, 1995
Jütisches Recht →Jyske
Lov
Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960;
Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992
Jütland ist
der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner
germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449
nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das →Jyske
Lov.
Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.
Jyske Lov,
Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II. (1202-1241) von
Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes Gesetz in
dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s überliefert. Es
gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist kirchlich und königlich
geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.
Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K.,
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok.
Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976
K
Kabbala (F.)
mystisch-spekulative Strömung des Judentums in Südfrankreich und Spanien
(13./14. Jh.)
Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962;
Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3.
A. 1988
Kabel (F.)
ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und der durch das Los
bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich).
Lit.: Hübner § 114
Kabinett ist
ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen
Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine beratende beamtete
Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.
Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und
Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51
(1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten
Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973
Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen
geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im →Absolutismus ist der Machtspruch
erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Verstoß gegen die →Gewaltenteilung
bekämpft und im Gefolge der französischen Revolution (1789) und der
Verfassungsgebung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh.
ausgeschlossen.
Lit.: Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur
Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria
Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss.
110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977;
Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132
Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in
arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.
Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, (in)
Das Profil des Juristen, 1980, 295; Müller, C., Der Kadi und seine Zeugen, 2013
Kahn-Freund,
Otto (Frankfurt am Main 1900-England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte
und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933
wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951
Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden
Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.
Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen an
die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183
Kaiser ist
der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars
(† 44 v. Chr.) nennen sich nach Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) schon die
römischen Herrscher (lat. [M.]) caesar. Dabei hängt die Nachfolge im
Wesentlichen von den jeweiligen Machtverhältnissen ab (z. B. Soldatenkaiser).
Bei Teilung des römischen Reiches stehen mehrere K. nebeneinander. In Westrom
endet das Kaisertum 476 n. Chr. Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung
basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl
den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele
deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. (lat. [M.] imperator Romanorum
semper augustus), nämlich Karl III. der Dicke 881, Arnulf von Kärnten 896, Otto
I. 962, Otto II. 973, Otto III. 996, Heinrich II. 1014, Konrad II. 1027,
Heinrich III. 1046, Heinrich IV. 1084, Heinrich V. 1111, Lothar III. 1133,
Friedrich I. 1155, Heinrich VI. 1191, Otto IV. 1209, Friedrich II. 1220,
Heinrich VII. 1312, Ludwig IV. der Bayer 1328, Karl IV. 1355, Sigismund 1433,
Friedrich III. 1452, Maximilian 1508, Karl V. [1520 Selbstbenennung als
erwählter Kaiser des Heiligen römischen Reiches, erwählter römischer Kaiser]
Bologna 1530) Die damit verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das
oströmische Kaisertum unter dem Ansturm der Türken, deren Sultan den Rang eines
Kaisers beansprucht. Der Herrscher Russlands nennt sich nach dem Untergang
Ostroms ab 1478 Zar (1547 Krönung Iwans IV., des Schrecklichen, 1721 imperator,
1917 Zarenfamilie gestürzt). Nach 1530 wird der K. des Heiligen römischen
Reiches von den Kurfürsten gewählt bzw. gekrönt (z. B. Ferdinand I. 1556 u.
a.). 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich (mit Unterbrechungen bis 1870)
und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen römischen
Reiches . 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches
proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Österreich).
Daneben gibt es auch K. von Indien (1876-1947), China, Äthiopien und Japan sowie
anderen Ländern.
Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147,
194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v.,
Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des
Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928;
Schramm, P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der
deutsche Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F.,
Neuere Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters, 1934, 2. A. 1936, 3. A. 1938; Stengel, E.,
Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das
Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum
in der abendländischen Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950),
309; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15.
Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und
Kaisertitel bei den Angelsachsen, ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die
rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje,
J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Stengel, E., Abhandlungen und
Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt,
H., Die Kaiserideee Friedrich Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die
kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Fehrenbach, E., Wandlungen des
deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich
1871-1918, 1973, 5. A. 1983, 7. A. 1994; Das byzantinische Herrscherbild, hg.
v. Hunger, H., 1975; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 1976, 2. A. 1985, 3. A.
1990; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97
(1980), 232; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer
Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Kaisergestalten
des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 1984, 2. A. 1985, 3. A. 1991; Wefers, S.,
Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der Neuzeit, hg. v.
Schindling, A. u. a., 1990; Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 1990, 2. A.
1996, 3. unv. A. 2004, 4. unv. A. 2010, 5. unv. A. 2011; Pabst, A., Comitia
imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2. A. 2001; Clauss, M.,
Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999; Reichsständische
Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999; Wagner, N., Der deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG
GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H.,
2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die
Soldatenkaiser, 2004, 2. A. 2010, 3. A. 2014; Schneidmüller, B., Die Kaiser des
Mittelalters, 2006; Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007;
Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008; Ostermann, T., Die verfassungsrechtliche
Stellung des deutschen Kaisers nach der Reichsverfassung von 1871, 2009; Kaisertum
im ersten Jahrtausend, hg. v. Leppin, H. u. a., 2012; Szidat, J., Usurpator
tanti nominis, 2010
Kaisergericht ist die vom →Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J.,
Senatsgericht und Kaisergericht, 1962
Kaiserkonstitution ist die (lat.) →constitutio (F.) des Kaisers vor
allem im spätantiken Rom.
Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im Abendland seit dem
Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen entwickelt sich ein
besonderer Krönungsordo (seit 960 überliefert). Danach folgen auf den
Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten,
Krönungszug und Festmahl.
Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f.
1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder,
O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche
Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.
Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u.
a., 1970
Kaiserrecht ist
das auf den →Kaiser bezogene →Recht. Im römischen Altertum lassen
sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13.
bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein
soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird
beispielsweise in den meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel
bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog.
Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die
Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der Reichsstädte, das in der
kaiserlichen Gerichtsbarkeit gesprochene Urteil oder das römische Recht (z. B.
Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das aufgenommene römische
Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.
Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26
(1905), 280; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die
Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die
Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D.,
Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003
Kaiserslautern
Lit.: Urkundenbuch der Stadt
Kaiserslautern, Teil 1ff., hg. v. Dolch, M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer
Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v. Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der
Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Keddigkeit, J.,
Kleine Geschichte der Stadt Kaiserslautern, 2008
Kalabrien ist
bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche Halbinsel der Halbinsel
Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der
Mitte des 11. Jh.s an die →Normannen.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen
Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984
Kalender ist
das wichtigste Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten
und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und
Mond). Der nach lat. calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen Völkern
des Altertums bekannte K., für den sich in Rom schon im 5. Jh. v. Chr. der
Übergang zum Sonnenjahr andeutet, wird von Caesar (100-44 v. Chr.) neu bestimmt
(julianischer K. mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325
wird der Frühjahrsanfang auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das
Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von
Dionysius Exiguus (475?-545) eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im
Frühmittelalter verbessern Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die
Kalenderführung durch Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen
Lebenswelt. 1582 wird der zu Verschiebungen führende julianische K. unter Papst
Gregor XIII. durch den genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K.
ersetzt, dem sich die reformierten Landesherren im Heiligen römischen Reich am
23. 9. 1699 anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen
Revolution ausgerichteter neuer Kalender Frankreichs des Jahres 1792 scheitert
bereits 1805.
Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der
französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des
rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der
karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit,
hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A.,
Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest, 2006
Kalif (M.)
Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)
Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo,
2003
Kalligas,
Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und
Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er fördert die Aufnahme
deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechenland. Er wirkt an der
Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivilgesetzbuchs mit.
Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás,
1937
Kalumnieneid (Gefährdeeid,
Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen
Zivilprozessrecht (Formularverfahren) sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten,
das Verfahren nicht rechtsmissbräuchlich zu führen. Justinian (527-565) macht
ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird nach einer frühen Erwähnung im Jahre
1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren am Ende des Spätmittelalters in
Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis zum Voreid des deutschen Rechtes
(Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der Sinn des Kalumnieneids verloren.
Ihm entsprechen in der Gegenwart die Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses
und die Strafbarkeit wegen falscher Anschuldigung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid,
1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349
Kalvinismus →Calvin
Lit.: Calvinism and Religious Toleration in the Dutch
Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002
Kameralismus (Kameralwissenschaft)
ist die Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des
frühneuzeitlichen Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K.
ist eine Sonderform des →Merkantilismus. Wichtige Vertreter sind →Justi,
→Seckendorff und →Sonnenfels (Wien 1763). Seit 1727 werden in
Deutschland besondere Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet.
Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der
deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A.,
Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937;
Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo alle
scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und
Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen
Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im
werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999
Kameralistik (Kameraljurisprudenz)
ist die wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am
Reichskammergericht (bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des
Gerichts veröffentlichen Johann →Mynsinger von Frundeck (1517-1588,
[lat.] Singularium observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.]
quattor, 1565, Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaiserlichen Kammergerichts)
und Andreas →Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum …. libri
[M.Pl.] duo, 1578, Zwei Bücher … praktischer Beobachtungen) Urteile.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung
des Kameralprozesses, 1981
Kameralprozess →Reichskammergericht
Kameralwissenschaft →Kameralismus
Kammer ist
ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher benannte Raum und die
darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter
sichtbaren →Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh. in einzelnen
habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I.
eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde des Reiches
und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh.
Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K.
ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungsorgans, ein kollegialer Spruchkörper
eines Gerichts oder eine berufliche Standesvertretung.
Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch,
A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme,
H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor
Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v.
Zavelberg, H., 1989
Kämmerer (lat.
[M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige Verwaltungsamtsträger
bereits des frühmittelalterlichen Könighofs (882). 936 erscheint der Herzog
von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der Markgraf von
Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers haben zunächst
die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg und seit dem 16.
Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch verliert es seit der
Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der normannischen Zeit der
Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13. Jh. der (frz.)
Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K. amtieren auch in den
einzelnen Städten und Ländern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert,
P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45
(1989), 485
Kammergericht im Heiligen römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich nachweisbares,
neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches Gericht. Es entsteht
vielleicht bereits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten)
Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für Angelegenheiten des Königs und
Reiches, später auch für weitere Gegenstände. Nach Verschwinden des den neuen
Anforderungen (Appellation) nicht mehr gerecht werdenden Hofgerichts (zwischen)
1451 (und 1456) wird es als Hof- und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein
Sitzungsprotokollbuch überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf
einer Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler
bilden sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit
Kaiser Friedrichs III. (1452-1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von
süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam
zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen.
Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am
9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20
Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra genannt). Dem K. folgt 1495 das →Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre
1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG
GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996;
Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und
Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg.
v. Battenberg, F. u. a., 2004
Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des
Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark →Brandenburg
(14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.).
Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, von 1540 (Cölln an
der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen. 1748 wird das
K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird
es Oberlandesgericht mit Sitz in Berlin, behält aber seinen besonderen Namen
und erhält 1913 einen Neubau.
Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in
Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste
Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs, 1895; Fünfhundert Jahre Kammergericht,
1913; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur
Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968; Scholz, F., Berlin und seine
Justiz, 1982; Weichbrodt, S., Die Geschichte des Kammergerichts von 1913-1945,
2009; Kipp, J., Einhundert Jahre. Zur Geschichte eines Gebäudes 1913-2013, 2013
Kammergut (Tafelgut,
Domänen) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der →Kammer.
Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn
gehört.
Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am
deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen
Finanzen, 1895
Kammerrichter →Reichskammergericht
Kammerzieler ist
in der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen für das →Reichskammergericht
aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als
1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstands, wird aber vielfach gleichwohl
nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.
Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig,
1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911
Kampanien ist
die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten
und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.
Lit.: Storia arte e cultura della
Campania, 1976
Kanada ist
der nördlich der Vereinigten Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands
und Frankreichs entstandene Staat.
Lit.: Vachon, A.,
Histoire du notariat canadien 1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas,
2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003
Kanon (lat.
[M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns
sowie des kirchlichen (kanonischen) Rechtes (325). Die in (lat. [M.Pl.])
canones formulierten Synodalbeschlüsse werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis
zu →Gratian, um 1140, und danach) in Kanonessammlungen, von denen allein
zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen,
zusammengefasst.
Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen Rechtsquellen,
ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fransen, G., Les
collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen der
Kanonessammlung des Anselm von Lucca, (in) Sant’ Anselmo, 1987, 383; Gaudemet,
J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte Kanonessammlungen
zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM); Kéry, L., Canonical
Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140), History of Medieval Canon
Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999, 3 2008; Landau, P., Die Quellen der
mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben Büchern (MS Vat. lat. 1346), (in) Ritual,
Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio Sangermanensis XXI
titulorum, 2004
Kanoniker (535
lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels
(Domkapitular, Domherr).
Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980; Istituzioni
monastiche e istituzioni canonicali, 1980
Kanonisches Recht
(lat. →ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum
weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum neueren kirchlichen
Recht nur das im (lat.) →corpus (N.) iuris canonicum enthaltene Recht
bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum staatlichen
Kirchenrecht (Staatskirchenrecht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird es in
Kanonessammlungen zusammengefasst. In Nov. 131, 1 (545) ordnet Kaiser
Justinian (Ostrom) an, dass 54 Kanones der ersten vier allgemeinen Konzilien
wie Gesetze zu beachten sind. Große Bedeutung hat das kaonische Recht lange für
Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.
Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht,
Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen
Rechtes auf die europäische Rechtskultur, (in) Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechtes für die
Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K.,
Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law
and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen
Recht, 2003; Fowler-Magerl, L., Clavis canonum. Selected Canon Law Collections
before 1140, 2005; The History of Medieval Canon Law in the Classical Period
1140-1234, hg. v. Hartmann, W./Pennington, K., 2008; Austin, G., Shaping Church
Law around the Year 1000, 2009; Rüfner, T., Die gesetzesgleiche Geltung des kanonischen
Rechtes in der Spätantike, ZRG KA 122 (2010), 1; Landau, P., Europäische
Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter, 2013 (40 Aufsätze der 40
Jahre von 1967 bis 2006)
Kanonisches Zinsverbot
ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu
erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt
sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele des
verzinslichen Darlehens werden aber mit Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte
erreicht. Im Übrigen dürfen →Juden verzinsliche Darlehen geben und
werden infolgedessen vielfach zu Gläubigern christlicher Schuldner. 1654 wird
im Heiligen römischen Reich das
kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh.
schwindet auch der Höchstzinssatz.
Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316
Kanonistik (F). Wissenschaft des kanonischen Rechtes oder des →Kirchenrechts
Lit.:
Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution, 2. A. 1991); Brundage, J., The Medieval
Origins of the Legal Profession, 2008; Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000,
2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg. v.
Schmoeckel, M. u. a., Bd. 1 Zivil- und Zivilprozessrecht, 2009, Bd. 2 Öffentliches Recht, 2011,
Bd. 3 Straf- und
Strafprozessrecht, 2012, Bd. 4 Prozessrecht, 2014
Kant,
Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804), Sattlerssohn (Riemerssohn), wird
nach dem Studium von Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie 1746
Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770 (zunehmend introvertierter)
ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik (1781 Kritik der reinen
Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die
Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der
Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Metaphysik der Sitten, 1797/1798).
Hierauf bauen alle Einzelausführungen zum Recht auf. In erheblichem Maße von
Kants Freiheitsethik beeinflusst wird →Savigny.
Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben
und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W.,
Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel
Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932,
Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie
Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des
Zivilrechts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die
Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der
Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat
und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Höffe, O., Immanuel Kant,
1983, 5. A. 2000, 7. A. 2007; Kants Rechtsphilosohpie, hg. v. Küsters, G.,
1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988;
Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 1993, 3. A. 2007; Zotta, F., Immanuel
Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der Sitten, hg.
v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, hg.
v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte,
hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W.,
Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht,
Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002; Höffe, O.,
Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003, 5. A. 2004;
Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen
Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004; Römpp, G., Kant
leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch, H., Subreption und Dialektik bei Kant,
2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006)
Kanton ist
vor allem das Mitglied (Verwaltungseinheit bzw. Bundesstaat) der
Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der Helvetischen Republik im
Jahre 1798. Die 24 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone sind Aargau, Appenzell,
(Appenzell-Außerrhoden, Appenzell-Innerrhoden), Basel (Basel-Stadt,
Basel-Landschaft), Bern, Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden, Jura, Luzern,
Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau,
Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri, Waadt,
Wallis, Zug und Zürich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des
neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die Entstehung der
direkten Demokratie, 2006
Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushebungssystem,
bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment
zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden
und 1804/1805 von Bayern übernommen, später (Preußen 1804) aber wieder aufgegeben.
Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten
Preußen 1713-1807, 1962
Kantorowicz,
Hermann Ulrich (Posen 1877-Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem
Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Nationalökonomie in Berlin
(Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation in Freiburg (Schmidt,
Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik [1908]) 1929 Professor in
Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York
und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die
Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der →freien Rechtsschule.
Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984;
Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631
Kanzlei ist
die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht
bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran
knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten
(lat. [M.Pl.] referendarii) und diesen untergeordneten Schreibern zusammensetzt.
Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw.
965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des
Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete
Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch
in den Ländern und Städten besondere Kanzleien.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The
Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen
Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen
Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der
Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967;
Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichtes,
1974; Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden
und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und
königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei
der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg.
v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006;
Kanzleisprachenforschung, hg. v. Greule, A. u. a., 2012
Kanzler ist
der Angehörige oder Leiter einer →Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius
(4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der Allgemeinheit trennenden
Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im
Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beurkundungsstelle
(Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen
und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen
römischen Reiches bleibt der K.
bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler,
1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler[, Österreich 1920]).
Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die
staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl
Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe,
2. A. 1936
Kapelle ist
in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die
kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegenüber der Kirche zeitweise in
verschiedener Hinsicht gemindert ist.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, 1959
Kaperei ist
die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu
ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im
Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser
Seerechtsdeklaration von 1856 beseitigt.
Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007, §§ 30, 35,
36
Kapetinger, Capetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866
gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987/988 das
Königtum im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger
(1328) folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830)
und Orléans (1830-1848). Weitere Nebenlinien (Anjou, Borgonha, Bragança u. a.)
herrschen zeitweise in Portugal (1093-1580, 1640-1853), Byzanz (1217-1261),
Neapel-Sizilien (1266-1282/1422, 1735-1860), Ungarn (1308-1385), Polen
(1370-1382), Parma (1748-1802, 1847-1860) oder Brasilien (1822-1789). Als
Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät (17. Jh.).
Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200).
Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987;
Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999; Krause, I., Konflikt und Ritual im
Herrschaftsbereich der frühen Capetinger, 2006
Kapital (N.)
ist die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen
eingebrachten Mittel
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber,
A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und
Kapital, 1982; Nyikos, E., Das Kapital als Prozess, 2010
Kapitalgesellschaft ist die →Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung
von →Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die
Persönlichkeit des einzelnen Gesellschafters ankommt. Die K. entsteht nach dem
Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen
Welthandels (→Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung
wächst noch immer.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Fleckner, A., Antike Kapitalvereinigungen, 2010
Kapitalismus ist
die Wirtschaftsform, in der das →Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der
Grundlage der Anerkennung des Privateigentums strebt der Einzelne im freien
Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen Gewinn durch maximalen
Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt
die Wirtschaftsweise z. B. der →Fugger am Beginn der Neuzeit.
Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt
dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende
Bürger) und Proletarier (besitzlose Arbeiter).
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur
Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des
modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus,
1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R.,
Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999;
Pelz, W., Against Capitalism, 2007; Leidinger, H., Kapitalismus, 2008; Miles,
K., The Origins of International Investment Law, 2013
Kapitän ist der Führer eines Schiffes. Er bedarf
eines Patents (Zulassung).
Lit.:
Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen Seeschiffen,
1983
Kapitel (N.)
„Häuptlein“, Teil, Gemeinschaft
Kapitular (N.)
ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung
des Königs. Das unter verschiedenen Namen verschiedenste Gegenstände
behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit Zustimmung der Großen und des
Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien begegnen, in rund 275
Handschriften überliefert, von etwa 500 bis etwa 900, am häufigsten zwischen
802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779 (773).
Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius,
A./Krause, V., Capitularia regum Francorum, Bd. 1f 1883ff. , Neudruck 1960,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoretiusAlfredCapitulariaRegumFrancorum1883.pdf;
Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt, W.,
Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof, F.,
Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was
waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kapitularien?, ZRG GA
79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte,
DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und
Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G.,
Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa
Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen
Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der
merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium
regum Francorum manuscripta, 1995 (sieben neue Stücke); Schriftkultur und
Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T.,
Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen
Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien
in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung
Lothars I. in Italien, 2002; Schneider, H., Karolingische Kapitularien und ihre
bischöfliche Vermittlung, DA 63 (2007), 469
Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation),
insbesondere der Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen
kriegerischen Mitteln.
Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v.
Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kaplan (M.) Hofgeistlicher,
Hilfspriester
Kapras, Jan
(1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910
außerordentlicher Professor und 1917 ordentlicher Professor in Prag. Sein
Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone (Právní
dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).
Lit.: Antologie ceské právní vedy, 1993,
44
Karantanien (7.
Jh.) →Kärnten
Kardinal ist
im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte höchste kirchliche
Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.) cardinalis werden seit
etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöflichen Priesterschaft
gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die jeweils
ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des Frühmittelalters
wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein Kardinalskollegium
mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24 Kardinäle beschränkt
wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958 nochmals erweitert.
Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11. Jh.s wirken die
Kardinäle (Kardinalbischof, Kardinalpriester, Kardinaldiakon) an der Herrschaft
der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie den Papst. (Altersgrenze 80 Jahre)
Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C.,
Senatus divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004;
Geschichte des Kardinalates im Mittelalter, hg. v. Dendorfer, J. u. a., 2011
Karl der Große
(frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 748 [?]-Aachen 28. 1. 814), aus der
Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768 König der
Franken (bis 771 mit seinem Bruder Karlmann) und 800 von Papst Leo III. zum
Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus
(→Langobarden, →Sachsen). In →Kapitularien setzt er Recht. Im
Übrigen veranlasst er die Aufzeichnung von →Volksrechten. Wahrscheinlich
um 770 führt er →Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Er kann, wo und
wann er will, Bischöfe einsetzen, macht davon aber nur im Kernraum zwischen
Rhein, Loire und Rhone Gebrauch. Er fördert die deutsche Sprache durch
einheimische Monatsnamen und Windnamen. Seine Körpergröße wird auf 1,84 Meter
berechnet (gegenüber einem Durchschnitt von 1,69 Metern), sein Gewicht auf 78
Kilogramm, sein Körperbau als grazil angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen Rechtsbücher
und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im
Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928;
Brandenburg, E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964;
Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der
Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de
Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne,
1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K.,
Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. divisio regnorum, ZRG GA 81 (1964),
305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels,
W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die
Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282;
Wolf, G., Die Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die
sonstigen Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P.,
Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der
Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe
Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v.
Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita
Karoli, 2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003;
Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v.
Bastert, B., 2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005;
Charlemagne, hg. v. Story, J., 2005; McKitterick, R., Karl der Große, 2008; Pauler,
R., Karl der Große, 2009; Hartmann, W., Karl der Große, 2010; Karl der Große, hg.
in Zusammenarbeit mit Damals, 2011; Schneider-Ferber, K., Karl der Große, 2013;
Fried, J., Karl der Große, 2013
Karl IV.
(Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie der Grafen von Luxemburg,
wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des
Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Universität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.)
→Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die →Goldene Bulle.
Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb.
v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und
Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV.,
1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die Auseinandersetzungen
zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996; Schlotheuber, E., Die
Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561; Paravicini, A., Die Vita Karls
IV., DA 63 (2007), 101
Karl V. (Gent
24. 2. 1500-Estremadura/Spanien 21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger
(Enkel Maximilians), wird 1515 Herzog Burgunds, 1516 König Spaniens, 1519
deutscher König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Ferdinand
die Herrschaft in den österreichischen Erblanden und die Stellvertretung im
Reich (9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen
insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner Herrschaft
wird 1532 die (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen. 1555/1556
verzichtet K. auf die Regentschaft in Burgund/Spanien zu Gunsten Philipps II., 1556
auf die Kaiserwürde zu Gunsten Ferdinands I.
Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.;
Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die
Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W.,
Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der
Wahlkapitulation Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint,
1957; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960),
288; Rabe, H., Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976;
Spěvaček, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im
politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V.,
8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985;
Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996;
Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E.,
Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der Großkanzler
Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558, 2005;
Pelizaeus, L., Dynamik der Macht, 2007; Schlegelmilch, A., Die Jugendjahre
Karls V., 2010
Karlsbader Beschlüsse
sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in
Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10 deutschen Staaten
getroffenen, den einzelnen Untertanen unter Einschränkung der Souveränität der beteiligten
Staaten bindenden Beschlüsse zur strengen Überwachung der Universitäten durch
Regierungsbevollmächtigte (Universitätsgesetz), zur Einschränkung der Pressefreiheit
(Pressgesetz), zur Einsetzung einer Kommission zur Aufdeckung revolutionärer
Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass
ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten
Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag
(Bundesversammlung) des →Deutschen Bundes die in den Karlsbader
Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung demokratischer
Bestrebungen gelingt nicht.
Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen,
1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III; Schermaul, S., Die Umsetzung der
Karlsbader Beschlüsse an der Universität Leipzig, 2013
Karlsruhe ist die von Markgraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach um ein
neues Schloss seit 17. 6. 1715 sonnenförmig gegründete Stadt, die sich nach
1945 und der Zerschlagung Preußens wegen des Sitzes des Bundesgerichtshofs
(1950) und des Bundesverfassungsgerichts (1951) der Bundesrepublik
Deutschland zur deutschen Residenz des Rechtes entwickelt hat.
Lit.: Schiller,
C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Fischer, D.,
Rechtshistorische Rundgänge durch Karlsruhe, 2005, 2. A. 2011;Die Bestände des
Generallandesarchivs Karlsruhe Teil 5, bearb. v. Krimm-Beumann, J., 2010
Karlstadt
Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt,
1963
Kärnten ist
ein im keltisch-römischen Norikum enthaltenes, nach der Karanta (Ulrichsberg,
Karnburg, Karnberg) benanntes, ab dem 6. Jh. von slawischen Einwanderern
besetztes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der Bayern und dann
der Franken geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das unter Einschluss der
Steiermark und weiterer Gebiete im Süden 976 von →Bayern getrenntes
Herzogtum wird und 1335 durch Kaiser Ludwig den Bayern von den Grafen von
Görz/Tirol an die Grafen von Habsburg gelangt (1809-1813 in den illyrischen
Provinzen Frankreichs, 1816-1849 Teil des Königreichs Illyrien Österreichs, 1849-1918
eigenes Kronland). Im 16. Jh. entsteht aus dem →Landlauf von Steyr ein
Kärntner Rechtsbuch. K. ist seit 1920 Bundesland →Österreichs (1945-1955
Besatzungsgebiet Großbritanniens).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899;
Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den
slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das
obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und
Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten
Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner Herzogseinsetzung,
FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und Einritt am
Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen Literatur
über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947), 337;
Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C.,
Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998;
Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002;
Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002
Kärntner Rechtsbuch
→Landlauf von Steyr
Karo, Josef
(1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf
dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim
des →Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In
erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh.
allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1087
Karolinger ist
der (seit dem 10. Jh. so bezeichnete) Angehörige eines (vielleicht mit den
Merowingern verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.)
hergeleiteten, als →Hausmeier 751 zum fränkischen Königtum (Pippiniden)
aufgestiegenen Geschlechts, das später nach →Karl dem Großen als K.
bezeichnet wird. Die K. sterben nach der Reichsteilung von 843 (Vertrag von
Verdun) bzw. 877 im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987
aus.
Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa
precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der
Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata
Karolinorum, Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I.,
Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der
Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les
Carolingiens, 1983; Mc Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H.,
Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987;
Schieffer, R., Die Karolinger, 1992, 3. A. 2000, 4. A. 2006, 5. A: 2013; Karl
Martell in seiner Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität
und Integration, 1999; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H.,
Gundulfus subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in
the Late Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen
Großreichs, 2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit
der Karolinger, 2006; Kaschke, S., Die karolingischen Reichsteilungen bis 831,
2006; Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008; Keller, H./Althoff, G., Die
Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008; Drews, W., Die
Karlinger und die Abbasiden von Bagdad, 2009; Hack, A., Alter, Krankheit, Tod
und Herrschaft, 2009 (35 Karolinger mit 57 Frauen und 133 Kindern); Fischer,
A., Karl Martell, 2011; Busch, J., Die Herrschaften der Karolinger 714-911,
2011; Fischer, A., Karl Martell, 2012
Karolus de Tocco
(Tocco bei Benevent 2. H. 12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines
Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes
Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in
Sizilien. Von ihm stammt vor allem wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche
Glossierung der gegen Ende des 11. Jh.s entstandenen systematischen Sammlung
langobardischer Gesetze (→Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das
14. Jh., in Süditalien bis in das 18. Jh.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco,
(in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4 (1920), 157;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange, H., Zum
Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317
Karrenstrafe ist
in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens bestehende
Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe.
Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des
Königreichs Württemberg, 1832, 253
Karte ist das beschriebene Blatt bzw. das
verkleinerte Abbild von Land.
Lit.:
Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum, 2006; Oehme, R., Die Geschichte der
Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K., Inventar der
handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer
historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.;
Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die
Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute,
2004, 3. A. 2011; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und kopiert – Karten in den
Akten des Reichskammergerichts, 2004; Kartenwelten, hg. v. Dipper, C. u. a.,
2006; Iwańczak, W., Die Kartenmacher, 2009; Schramm, M., Digitale
Landschaften, 2009; Horst, T., Die älteren Manuskriptkarten Altbayerns, 2009
(300 Karten); Schröder, I., Das Wissen von der ganzen Welt, 2011; Christoph,
A., Die Ökonomisierung des Naturwissens um 1800, 2011; Die Werkstatt des
Kartographen, hg. v. Siegel, S. u. a., 2011; Kupčik, I., Alte Landkarten,
2011; Sonnabend, H., Antike Geographie, 2012
Kartell ist
die Abrede selbständiger Unternehmer zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens
am Markt. Wie schon die →Zunft den Wettbewerb beeinflusst und seit dem
Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen,
so finden sich am Ende des 19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897
werden sie vom deutschen Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald
überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot
Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der Bundesrepublik Deutschland zum 1.
1. 1958 ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), das
später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung
der vertikalen Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht)
und neben dem seit diesem Zeitpunkt auch europäisches Kartellrecht gilt. Im Mai
2004 wird das europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das
Anmeldeprinzip und kann außer von der Europäischen Kommission von allen
nationalen Kartellbehörden und Kartellgerichten der Mitgliedstaaten der
Europäischen Union angewendet werden.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die
Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem ersten
Weltkrieg, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4
1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D.,
Kartelle im Mittelalter, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988;
Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des
österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K.,
Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des
europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch,
2004; Richter, K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914,
2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Maetschke, M.,
Ursprünge der Zwangskartellgesetzgebung, 2008
Karthager ist
der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis
gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von
Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern
endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).
Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992;
Geus, K., Prosopographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati,
S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und
Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2014;
Christ, K., Hannibal, 2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004
Karthäuser,
Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln (um 1030-1101) 1084 in La
Chartreuse bei Grenoble als Eremitengemeinschaft in die Wege geleiteten christlichen
Ordens.
Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The
Theology of the Carthusian Life, 1988; Schilling, B., Zur Vorgeschichte der Kartäuser,
DA 68 (2012), 53
Kartular (N.)
Urkundensammlung
Kaser, Max
(Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1. 1997), Geschichtsprofessorensohn,
wird nach der Promotion in Graz und der Habilitation in Gießen (1931) Professor
für römisches Recht in Münster (1933) und Hamburg (1959). Von ihm stammt die
führende Darstellung des römischen Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche
Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine
synthetisierenden Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten
Kurzlehrbuch.
Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T.,
Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231
Kassation ist
die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein
unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als
nichtig ansieht, verlangt das frühmittelalterliche langobardische Recht ein
besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König).
Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (→Nichtigkeitsbeschwerde)
und Verletzung des materiellen Rechtes (→Appellation) unterschieden,
später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechtes die Nichtigkeitsbeschwerde
auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde
hat zunächst devolutive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende
Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in
Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden.
In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein
auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs
im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen
Rechtsprechung ausgestatteten Einrichtung (Kassationsgerichtshof)
übertragen, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die genaue
Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte
zurückverweisen muss.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die
Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998;
Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin
(1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004
Kasse ist
ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei (Unternehmern
und bei allen) Behörden besondere Kassen gebildet.
Kassel („HAus an einer Mulde“?an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten
fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-1813
Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland
das Bundessozialgericht und von 1954 bis 1999 auch das 1993/1996 gesetzlich
nach Erfurt verlegte Bundesarbeitsgericht beherbergt.
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919;
Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935;
Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967;
Heinemeyer, K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften
der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969;
Kassel als Stadt der Juristen, 1990
Kassenarzt ist
der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung geforderten Abkommens
zwischen Krankenkassenverbänden und Arztverbänden abgeschlossenen Abkommens
(1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der
Krankenkasse (→Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker
zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf
1350 Versicherte, bzw. bei Familienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).
Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R.,
Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsordnung, 1990
Kassiergesetz ist das zwecks Einschränkung der Rechtsliteratur die Anwendung der
Anmerkungen Paulus‘ und Ulpians zu den Werken Papinians verbietende Gesetz
Kaiser Konstantins I. von 321 n. Chr. (Codex Theodosianus 1. 4. 2).
Kaste (F.)
Stand in Indien
Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung
Indiens, 1997
Kastilien ist
das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten
8. Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien-León mit dem Hauptort Burgos
erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035
König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085
wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um
Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später
werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff,
2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las
Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge
Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische
Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und
das Imperium, 2002
Kastration (F.)
→Entmannung
Lit.: Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003;
Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933
und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C.,
Zwangssterilisation in Bonn (1933-1945), 2006; Justiz und Erbgesundheit, hg. v.
Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2009
Kasuistik (F.)
Einzelfallbetrachtung (vor allem in Rechtsgutachten römischer Rechtskundiger
mit Respondierrecht im Namen des Kaisers seit Kaiser Augustus)
Katalonien (12.
Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3.
Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die
Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt die dort entstehende
Grafschaft Barcelona, deren Gewohnheitsrecht in dem seit etwa 1060 entstehenden
Rechtsbuch Usatges de Barcelona (Usatici Barchinonae) überliefert wird, an →Aragonien,
behält aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte,
erhält aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.
Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en
Cataluña (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en Cataluña, Anuario de
historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann, F./Bahder, X. v.,
Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg. vom Centre Associat
de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y franquicia, Bd. 2 1983;
Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Brocá, G. de, Historia
del derecho de Cataluña, 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya,
1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós Aquilino, 2000; Bowman, J.,
Shifting landmarks. Property, proof and dispute in Catalonia around the year
1000, 2004, Ryder, A., The Wreck of Catalonia, 2007; Iglesia Ferreirós, A.,
Cataluña Medieval, 2008
Kataster ist
ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen, insbesondere ein Verzeichnis
der Grundstücke eines Gebiets mit genauen Angaben über die tatsächlichen
Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz
1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh. zwecks Sicherung der
Grundsteueraufkommen K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750, Österreich unter
Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen). Das
K. liefert auch dem →Grundbuch die notwendigen technischen Angaben.Lit.: Köbler, DRG 152; Grävell, M., Die Grundsteuer
und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher
Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte
des österreichischen Grundkatasters, 1968; Atlante storico, hg. v. Bocchi, F.
u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat, hg. v. Mannori, L., 2001; De
l’estime au cadastre en Europe, hg. v. Rigaudière, A., 2006 Katharer (erstmals
um 1143 in Köln) →Ketzer
Lit.: Rottenwöhrer, G., Der
Katharismus, Bd. 1ff. 1982ff.; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001;
Hoécker, C., Disputatio inter Catholicum et Paterinum hereticum, 2001:
Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005
Kathedersozialist (1871) ist der im späteren 19. Jh. sozialpolitische Anliegen (Wirtschaftsgesetzgebung,
Tarifverträge, Wirtschaftsethik) verfolgende, von Sozialisten bekämpfte
Wirtschaftswissenschaftler (z. B. Gustav von Schmoller 1838-1917, Lujo
Brentano 1844-1931, Werner Sombart).
Lit.:
Oppenheim, H., Kathedersozialismus, 1872
Kathedrale ist
die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel
wuchsen, 2006
katholisch (allumfassend,
seit dem 4. Jh. Bischofstitel)
Lit.: Katholizismus
und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von
Hertling 1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit
1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Schwendenwein,
H., Die katholische Kirche, 2003; Hollerbach, A., Katholizismus und
Jurisprudenz, 2004
Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte
Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung
geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung
hat.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die
geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen,
1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff.
1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969;
Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafschaft Katzenelnbogen,
1980
Kauf (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist ein
gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil
(Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstands (verkehrsfähiger
körperlicher, möglicherweise erst noch herzustellender Gegenstand, Recht einschließlich
einer [lat.] spes [F.], Hoffnung, Chance) und der andere Teil (Käufer) sich zur
Zahlung eines bestimmten, ernst gemeinten Kaufpreises verpflichtet. Der K. ist
dem römischen Recht als (lat.) →emptio (F.) venditio vertraut (auf
[lat.] bona fides, guter Treue beruhender Konsensualkontrakt). Er kann mit
verschiedenen Nebenabreden versehen werden (z. B. aufschiebende oder
auflösende Abrede des Rücktrittsrechts des Verkäufers bei besserem Angebot
eines anderen Kaufinteressenten innerhalb einer bestimmten Frist). Er führt
als solcher (noch) nicht zum Eigentumserwerb. Möglich sind Gattungskauf und
Stückkauf. Der Käufer hat die (lat.) actio empti auf Lieferung, der Verkäufer
die (lat.) actio venditi auf Zahlung. Zu den Germanen kommt er über den namengebenden
römischen Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit
der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit
dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der
Sachmangelhaftung im Heiligen römischen Reich aufgenommen. Für den K. von Grundstücken wird
das (aus den um 1130 sichtbaren hochmittelalterlichen Schreinskarten Kölns
hervorgehende) →Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird in Deutschland der
Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom Erfüllungsgeschäft
streng getrennt. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird der sozial schwache Käufer
(Verbraucher) besonders geschützt (Abzahlungsgesetz). Am 11. 10. 2011
veröffentlicht die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein gemeinsames
europäisches Kaufrecht. →Marktkauf
Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45,
63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen,
1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt
Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr
und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel,
W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts
in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechtes, Diss. jur. Bonn 1953;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in
süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der
Kauf nach deutschen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965;
Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf
nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A.,
Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen,
Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der
Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion
des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Knütel, R.,
Hoffnungskauf und Eviktionshaftung, ZRG RA 117 (2000), 445; Michaels, R.,
Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Kaufen nach römischem Recht, hg. v.
Jakab, E. u. a., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; CISG vs. Regional Sales Law Unification, hg.
v. Magnus, U., 2012; Sondertagung der Zivilrechtslehrervereinigung zum
Vorschlag für ein Common European Sales Law in Bonn im April 2012, hg. v.
Wagner, G./Zimmermann, R., (in) AcP 212 (2012), 467; Gemeinsames europäisches
Kaufrecht, hg. v. Gebauer, M., 2013
Kauf auf Probe ist der Kauf, bei dem der Käufer auf Grund einer Vereinbarung im
Kaufvertrag den Kaufgegenstand bei Nichtgefallen innerhalb einer bestimmten
Frist zurückgeben kann.
Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechtssprichwort, das besagt, dass im Gegensatz
zum römischen Recht (Kauf bricht Miete, Gewährleistungsanspruch des
vertriebenen Mieters gegen seinen Vermieter) in (vielen) deutschen Rechten seit
dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grundstücks durch den Eigentümer
das Mietverhältnis eines Mieters nicht beendet (Veräußerung vertreibt den
Mieter nicht).
Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J.,
Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes
„Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960
Kauf einer erhofften Sache (lat. emptio [F.] rei speratae) ist der Kauf einer erst noch entstehenden
Gegenstands (z. B. eines Tierjungen), der durch die Entstehung aufschiebend
bedingt ist.
Kaufgut ist
das durch →Kauf erworbene Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders
behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut (Erbgut).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199
Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für
den Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern.
In Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen
Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876,
Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen
Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute. Im 21. Jh. wird das K.
durch das Telekommunikationsgeschäft gefhährdet.
Lit.: Spiekermann, U.,
Warenhaussteuer in Deutschland, 1994
Kaufmann (812) ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. In Rom von eher
untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer,
Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem
Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder
Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998
vereinheitlicht und vereinfacht. Österreich ersetzt 2007 den Kaufmann des
Handelsgesetzbuchs durch das Unternehmen und den Unternehmer des Unternehmensgesetzbuchs.
Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The
Gild Merchant, 1890; Stoeven, M., Der Gewandschnitt in den deutschen Städten
des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin, 1920;
Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H.,
Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1
1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le
marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126;
Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v.
Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990;
Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns
1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A.,
Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmannsbücher und Handelspraktiken, hg.
v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmannsethik im
Mittelalter, 2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Kaufleute, Seefahrer und Piraten, hg. v. Schwara, D. u. a., 2011
Kaufmannseigenschaft →Kaufmann
Kaufvertrag (1574) ist der über einen →Kauf
geschlossene →Vertrag. Er begründet nach deutschem Recht nur zwei
Verpflichtungen des Verkäufers und des Käufers. Erst mit der Erfüllung ändert
sich auch die sachenrechtliche Lage (Eigentum)..
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Kausalität ([F.]
Ursächlichkeit) ist das Verhältnis zwischen einer Ursache und einer Folge
dieser Ursache. K. eines Verhaltens für einen Erfolg ist gegeben, wenn das Verhalten
nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt bzw. ein
gebotenes, aber unterlassenes Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne
dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Im
Schadensersatzrecht kann die K, durch die Adäquanz eingeschränkt sein. K. bei
einem Eigentumserwerb bedeutet, dass ohne rechtmäßigen Erwerbsgrund (z. B.
Kaufvertrag) die Erwerbsart (z. B. Übergabe) keinen Eigentumsübergang
bewirken kann (vgl. § 380 ABGB). Seit Savigny (1779-1861) gibt das deutsche
Recht die K. zwischen Kaufvertrag und Eigentumsübergang allmählich auf und
verlangt für den Eigentumserwerb eine sachenrechtliche Einigung.
Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges,
1996
Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende
Tätigkeit des Rechtskundigen, die schon dem römischen Recht bekannt ist und
seit dem Mittelalter vor allem von →Notaren durch Erstellung
einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen
Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch besonderen Standesregeln.
Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der
Rechtsanwaltschaft, 1905, 247
Kaution (F.) Sicherheitsleistung (Wort 1511)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Kawerze (M.)
Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991
Kebsehe ist
die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit einer Unfreien (als
Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3
Keilschrift ist die durch Zeichen oder Elemente in Keilform gebildete Schrift des
vorchristlichen Zweistromlands.
Keilschriftrecht (Paul Koschaker) ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer,
Akkader, Assyrer, Babylonier und Hethiter).
Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher
Rechtsquellen, 1965; Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher
Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)
Keine Regel ohne Ausnahme.
Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)
Keller oder
Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der Vorräte zuständige
Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.
Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im
Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg.
v. Patze, H., 1983
Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt)
ist ein nach dem (französischen Ministerpräsidenten Aristide Briand [Nantes
28. 3. 1862-Paris 7. 3. 1932 und dem) amerikanischen Außenminister Frank
Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am
27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des
Krieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007; Buchheit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt, 1998
Kelsen,
Hans (Prag 11. 10. 1881-Orinda bei Berkeley 19. 4. 1973), aus
kleinbürgerlicher, aus Ostgalizien kommender Familie, wird nach dem
Rechtsstudium in Wien, der Taufe (1905), der Promotion (1906) und der Habilitation
(1911) während des Kriegsdiensts als Wissenschaftsoffizier im Kriegsministerium
1917 außerordentlicher Professor, 1918 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der
Staatskanzlei, 1919 als Nachfolger seines Lehrers Edmund Bernatzik ordentlicher
Professor in Wien und (1919-1930) Mitglied des Verfassungsgerichtshofs. 1920
wirkt er unter Karl Renner bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungsgesetzes →Österreichs
mit (vor allem Verfassungsgerichtsbarkeit). 1930 wird er seiner
Mitgliedschaft im Verfassungsgerichtshof kraft Gesetzes enthoben. 1930
wechselt er nach Köln, wo er am 13. 4. 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft
beurlaubt wird. 1934 veröffentlicht er sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre),
dem es um die reine Lehre des positiven Rechtes geht. Auf der Voraussetzung
einer angenommenen Grundnorm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf,
deren Einzelgestaltung er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf
(1933-1935), Prag (1936-1938), New York (1940-1942) und Kalifornien (Berkeley
1945-1952) weiter ausgestaltet. Bekämpft wird er von Neuhegelianern (Kaufmann,
Heller, Carl Schmitt, Smend, Schwind, Hold-Ferneck u. a.), Antipositivisten und
Anhängern der Staatsautorität.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, Neudruck 2009; Kelsen,
H., Vergeltung und Kausalität, 1940; Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Dreier, H.,
Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 1986;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705;
Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als
Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms,
hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D.
u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira Dias, G.,
Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v. Paulson, S. u.
a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005; Hans Kelsen,
Werke, Bd. 1ff. hg. v. Jestaedt, M u. a., 2007ff. (30 Bände); Der Kreis um Hans
Kelsen, hg. v. Walter, R. 2008; Ogris, W., Hans Kelsen redivivus?, Nova &
Varia 1 (2009), 7; Korb, A., Kelsens Kritiker, 2010; Merlino, A., Kelsen im
Spiegel der italienischen Rechtslehre, 2013; Hans Kelsen und die deutsche
Staatsrechtslehre, hg. v. Jestaedt, M., 2013
Kelte ist
der Angehörige der keltisch sprechenden, von den Indogermanen abstammenden
Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau, werden dann aber
nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien, Bretagne, Wales, Irland)
und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit sind eigene schriftliche
Zeugnisse nicht überliefert. In der Gegenwart bestehen noch die (auf ein anscheinend
recht einheitliches Keltisch zurückgehenden) Nachfolgesprachen Bretonisch
in der Bretagne, Walisisch in Wales, Irisch in Irland und Gälisch in
Schottland, während Gallisch (in Frankreich und Südwestdeutschland),
Lepontisch (in Oberitalien) und Iberokeltisch (in Westspanien) ausgestorben
sind.
Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit
van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der
Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55
(1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa,
3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien,
1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der
Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; 3. A. 1999; Strobel, K., Die
Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of Hierarchy, ZRG
GA 115 (1998), 361; Demandt, A., Die Kelten, 1998, 4. A. 2002, 7. A. 2011; Birkhan,
H., Kelten - Bilder ihrer Kultur, 1999; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003; Maier,
B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002;
Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B., Kleines Lexikon der Namen und Wörter
keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg, M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004;
Pilch, H., Die keltischen Sprachen und Kulturen, Bd. 1f. 2007; Die Kelten, hg.
v. Zimmer, S., 2009; Gvozdanovic, J., Celtic and Slavic in the Great
Migrations, 2009; Kuckenburg, M., Die Kelten, 2010; Rieckhoff, S. u. a., Die
Keltenstädte aus der Luft, 2011; Maier, B., Geschichte und Kultur der Kelten,
2012; Lexikon zur keltischen Archäologie, hg. v. Sievers, S. u. 1., 2012
Kemnath
Lit.: Sturm, H., Kemnath,
Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt Pressath, 1975
Kent, James
(1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia College und Richter, gibt mit
seinen (engl.) Commentaries on American Law (1826ff., Kommentare zum
amerikanischen Recht) die erste systematische Darlegung des durch Anpassung des
→englischen Rechtes an amerikanische Bedürfnisse geschaffenen
amerikanischen Rechtes.
Lit.: Horton, J., James Kent, 1939
Kerbholz ist
ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste,
Schulden oder Abgaben verwendetes Holzstück.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936,
139
Kerker (lat. [M.] carcer) ist eine Art von
Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine verschärfte Haftstrafe verwendet.
Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen,
1905, Neudruck 1970; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
5. A. 2007
Kerze ist
eine aus Docht und umgebendem Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch
im Recht als Symbol Verwendung findet.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im
Recht, 1940
Kesselfang ist
im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes Wasser eines Kessels im
Rahmen des →Gottesurteils (belegt bei Gregor von Tours).
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien,
1956, 255
Ketzer (13.
Jh., Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines
kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der
Begründung des Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben ist
dabei objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist vielfach mit
anderen Überlegungen (z. B. menschliche Ablehnung, wirtschaftlicher Wettbewerb,
Machtstreben) verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit Exkommunikation, seit
Gratian (um 1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls
kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und
Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem
älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh.
bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K.
1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln.
Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungsweise durch.
Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen
im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im
Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert,
A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz,
C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der
Katharer, 2001; Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere, 2005;
Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006; Rottenwöhrer, G., Lexikon der
mittelalterlichen „Ketzer“, 2009; Kirche und Ketzer, hg. v. Hägg, T., 2010;
Räisänen, P., Ketzer im Dorf, 2010
Kiburg
Lit.: Rieger,
E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986
Kiel nahe
der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz einer Universität. 1933
werden dorthin zahlreiche junge dem Nationalsozialismus zugeneigte Rechtslehrer
berufen (Kieler Schule Ernst Rudolf Huber, Karl Michaelis, Friedrich Schaffstein,
[Franz Wieacker,] Martin Busse, Georg Dahm, Karl August Eckhardt,. Karl
Larenz, Wolfgang Siebert, Paul Ritterbusch).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604),
hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898;
Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das
Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler
Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908;
Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über
die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter,
E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938),
752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität
Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte
der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät
1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und
Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992; Wiener, C.,
Kieler Fakultät und „Kieler Schule“, 2013; ichow, S., Die Universität Kiel in
den ^960er Jahren, 2013
kiesen (wählen)
Kietz (M.)
slawisch-mittelalterliche Fischersiedlung in Brandenburg (mindestens 74
bereits vor 1700 bezeugt)
Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B.,
Die Kietzsiedlungen, 1962
Kimber ist
der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101
v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den Römern vernichtet wird.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
Kind (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist der
Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündigkeit]).
In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des
freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise
unter der Personalgewalt eines Vormunds (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen
untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt
eines Vormunds. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw.
Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von
der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König
und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Ehelich ist nur das in
rechter Ehe zu rechter Zeit geborene K. Seit dem Hochmittelalter wird die
Bildung außerhalb des Hauses in Schule, Lehre oder Universität für das K. immer
wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die
Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die
Vollendung des 25. Lebensjahrs gelegt. Das K. unter sieben Jahren ist
grundsätzlich handlungsunfähig. Im 19. Jh. wird das K. vielfach über die
häusliche Mithilfe hinaus zur Kinderarbeit gezwungen. Aus
verteidigungspolitischen bzw. gesundheitspolitischen Gründen wird dann die
Kinderarbeit beschränkt (Österreich 1859, 1918). Im Bürgerlichen Gesetzbuch
von 1900 sind die Eltern gesetzliche Vertreter des Kindes, kann der unehelichen
Mutter auf Antrag die Vormundschaft übertragen werden und kann die Mutter das
uneheliche Kind adoptieren. Seit 1921 hat sie das Recht auf religiöse Erziehung
des unehelichen Kindes. Im Übrigen greift der Staat auf die Kindererziehung
durch Förderung und Schaffung von Kinderbewahranstalten und Kindergärten zu. Seit
1961 (Familienrechtsänderungsgesetz) kann die uneheliche Mutter die
Verleihung der elterlichen Gewalt beantragen, nach dem Nichtehelichengesetz
von 1969 steht ihr das Sorgerecht, ergänzt durch eine Amtspflegschaft, kraft
Gesetzes zu. Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer
wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung) durch Verrechtlichung der Beziehung zu
den Eltern zu schützen und zu fördern (Kindergeld, elterliche Sorge statt
elterlicher Gewalt beider Elternteile [Gesetz zur Neuregelung des Rechtes der
elterlichen Sorge vom 18. 7. 1979], Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher
Kinder, Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. 12. 1997 zum 1. 7. 1998,
Kindeswohl, Anerkennung des Kindes als Rechtsträger, Gesetz vom 16. 4. 2013 rur
Reform der elterlichen Sorge). Dem entspricht auch die Verabschiedung einer
Kinderrechtskonvention durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen im
Jahre 1989, die alle Mitgliedstaaten unterzeichnet und alle mit bisheriger
Ausnahme der Vereingten Staaten von Amerika und Somalias auch ratifiziert
haben.
Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120,
160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K.,
Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters,
Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932;
Bischof, I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger,
C., Die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen
Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg.
v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen
Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A.,
Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und
Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly,
T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause,
E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte
der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the
Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser,
Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren
Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona
adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula - Studi in onore
di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der
Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne
Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004; Boentert,
A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Winkler, S., Kindserdrücken, 2007; Ritzmann, I., Sorgenkinder,
2008; Ostermann, S., Das Klärungsverfahren, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; 1989-2009 - 20 Jahre
UN-Kinderrechtskonvention, hg. v. Schorlemer, S. v. u. a., 2010; Child Labour’s
Global Past 1650-2000, hg. v. Lieten, K. u. a., 2011; Berg, T., Die Entwicklung
des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder, 2012; Rao, S., International
Law on Trafficking of Children for Sexual Exploitation in Prostitution
(1864-1950), 2013; Lange, C., Öffentliche Kleinkinderziehung in Bayern, 2013
Kindererziehung, religiöse →religiöse Kindererziehung
Kindergeld ist
eine staatliche Leistung an Menschen mit Kindern zur Verminderung ihrer
Belastung, die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz
(Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem dritten Kind gewährt
wird.
Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und
Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003
Kindesmissbrauch ist der sexuelle Missbrauch eines →Kindes, der
strafrechtlich bewehrt ist.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Kindestötung (Kindsmord)
ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen
und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes.
Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen
Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des
18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen
in Goethes Faust) die Tötung eines neugeborenen, außerehelichen Kindes während
oder gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter
Tötungstatbestand, der die ältere Mordqualifizierung ablöst. Am Ende des 20.
Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben.
Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des
Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973;
Weber, B., Die Kindsmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974; Dülmen,
R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann, M.,
Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW
1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg. v. Habermas, R., 1999; Das Kind in
meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und
Vorurteil, 2005
Kindsmord →Kindestötung
Kipper und Wipper
sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die vollwertiges Silbergeld gegen
unterwertiges Kleingeld eintauschen.
Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F.,
Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972
Kirche (zu griech. kyriake oikos Haus des Herrn) ist die in eigenen
Verfassungs
formen geordnete, im
christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie
entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1.
Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren
im römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen
180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von
Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren
Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach
anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen
Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im
Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im
Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius vertretenen Form
391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung
erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus.
Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit
Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch.
Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit
dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger
Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751,
800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum →Investiturstreit
mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen, Reformen anstrebenden römisch-katholischen
K. Danach gewinnt die K. als Folge der →ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik
weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht
Martin →Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95
Reformationsthesen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht
sich die als Körperschaft des öffentlichen Rechtes organisierte K. einer
ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in
erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797
Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, →Kulturkampf).
Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal,
aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht
die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159,
205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A.
1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A.,
Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der protestantischen
Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im
Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte Österreichs, Bd. 1ff.
1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen
Rechtes auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat
und evangelische Kirche in Österreich, ZRG KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich
und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat und Kirche im
19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Wallmann, J., Kirchengeschichte Deutschlands
seit der Reformation, 1973, 5. A. 2000, 6. A: 2006, 7. A: 2012; Becker, J., Liberaler
Staat und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f.
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in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979;
Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat
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Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Prinz,
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in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich - Deutschsprachige
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Hinkel, S., Adolf Kardinal Bertram - Kirchenpolitik im Kaiserreich und in der
Weimarer Republik, 2010; Pragmatische Quellen der kirchlichen Rechtsgeschichte,
2011; Hergemüller, B., Promptuarium ecclesiasticum medii aevi, 2011; Mueller,
H., Die kirchliche Krise des Spätmittelalters, 2012; Hahn, T., Staat und Kirche
im deutschen Naturrecht, 2012; Schmal, B., Das staatliche
Kirchenaustrittsrecht, 2013; Lehmann, R., Die Transformation des
Kirchenbegriffs in der Frühaufklärung, 2013; Großbölting, T., Der verlorene
Himmel, 2013
Kirchenasyl →Asyl,
→Kirche
Kirchenbann →Kirche,
→Bann
Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines
einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der
Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer →Kirche (→Eigenkirche).
Sie ist mit dem →Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des
Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v.,
Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003
Kirchenbuch ist
ein von der →Kirche geführtes Buch über kirchliche Angelegenheiten (z.
B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mitgliederlisten
des Altertums und Totengedenkbüchern des Frühmittelalters erscheinen
Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen römischen
Reich tritt das K. um 1490 auf (z. B.
Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das
K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personenstandsbuch des
Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit
rund einer Milliarde Einzeleinträgen geschätzt.
Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in
Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher,
1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Neininger,
F., Brandenburgische Kirchenbuchduplikate 1794-1874, 2008; Das renovierte Kirchenbuch
von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim aus dem Jahre 1663, hg. v. Gräf, H. u. a.,
2010
Kirchenbuße →Kirche,
→Buße
Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung einer Kirche
(Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die Hauptlast der
K. ist die →Kirchenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in einem besonderen
Verfahren veräußert werden. →Kirchengut
Kirchengut ist
die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer →Kirche. Das K. entsteht
anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben (→Zehnt), die
gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln verteilt werden (z. B.
Vierteilung unter Bischof, Klerus, Armen und →Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im
Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000
Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten.
Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise Landesherrschaft. Seit der frühen Neuzeit
wird K. in erheblichem Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputationshauptschluss
vom 28. 2. 1803).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und
Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die
Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Mempel, H., Die
Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979
Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch
vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere
als Folge der Reformation Martin →Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des kanonischen
Rechtes finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526,
Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531,
Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536 u. s. w.).
Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der
evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des
16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980 (z. B. Bd. 18 2006, Bd. 17,
4, 2 2009); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und
Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den
Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004
Kirchenrecht ist
die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben innerhalb der Kirche
ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder
das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den Religionsgemeinschaften
regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler
jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich
dabei in weitem Umfang des römischen Rechtes, gestaltet durch Konzilien und
päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu
([lat.] →ius divinum, →ius ecclesiasticum, →ius naturale).
Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von →Dionysius
Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus
Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte
Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de
causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-1022
[lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms, das mit dem Ziel einer in sich
konsistenten, widerspruchsfreien Sammlung autoritativer Texte für die Praxis bereits
die Schwelle zu wissenschaftlicher Kanonistik erreicht). Um 1140 fasst in
Bologna →Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von
Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) →Decretum zusammen. Daran schließen
sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] →Liber [M.] extra, 1298
[lat.] Liber sextus, 1317 →Clementinen), so dass allmählich das (lat.) →corpus
(N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den protestantischen
Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich anerkannt, danach aber
vor allem durch →Kirchenordnungen abgewandelt. 1917/1918 und 1983 wird
das katholische K. neu gestaltet (lat. →Codex [M.] iuris canonici). →Staatskirchenrecht
im eigentlichen Sinn entsteht seit der Reformation Martin →Luthers
(1517). Dabei setzt sich seit dem ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz
durch. Das 20. Jh. trennt zwar Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der
Kirche aber noch wichtige Teile ihrer hergebrachten Rechtsstellung (→Körperschaft
des öffentlichen Rechtes, →Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).
Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126,
205, 266; Eichhorn, K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und
evangelischen Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch
des katholischen und evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J.,
Geschichte des Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen
und evangelischen Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher,
K., Die Trennung von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im
neuen Deutschland, 1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des
Kirchenrechts, 1931; Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933;
Heckel, J., Das Decretum Gratiani und das evangelische Kirchenrecht, (in)
Studia Gratiana 3 (1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd.
1ff. 2. A. 1960ff.; (Eichmann, E./)Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts,
Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen
Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler,
G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die Wissenschaft vom
Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Berman, H., Law and Revolution, 1983
(Recht und Revolution 2. A. 1991); Gaudemet, J., Droit de l’Eglise et vie
sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C.,
Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und
Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö,
P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002; Landau, P., Evangelische
Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f. ev. Kirchenrecht 48
(2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of Medieval Canon Law,
2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M., 2005; Recht und Gericht
in Kirche und Welt um 900, hg. v. Hartmann, W., 2007; Austin, G., Shaping
Church Law around the year 1000, 2008; Link, C:, Kirchliche Rechtsgeschichte,
2009; Alltag reformierter Kirchenleitung. hg. v. Arnold, M. u. a., 2009; Der
Einfluss der Kanonistik auf die deutsche Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u.
a., Bd. 1ff. 2009ff.; Siems, H., Die Collectio Sangermanensis XXI titulorum,
DA 65 (2009), 1; Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2009;
Konrad, D., Der Rang und die grundlegende Bedeutung des Kirchenrechts, 2009; Landau,
P., Grundlagen und Geschichte des evangelischen Kirchenrechts und des
Staatskirchenrechts, 2008 (Aufsätze); Richter, M., Kirchenrecht im Sozialismus,
2011; The History of Byzantine and Eastern Canon Law, hg. v. Hartmann, W. u.
a., 2012
Kirchenregiment ist
die am Ende des 15. Jh.s einsetzende Herrschaft (z. B. eines Landesherrn) über
die Kirche, die in protestantischen Ländern (Territorien) bis 1918 anhält.
Lit.:
Heckel, J., Cura religionis, FS U. Stutz, 1938, 224
Kirchenstaat ist der (weltliche) →Staat der katholischen Kirche.
Er nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers
Konstantin (313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige
Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt die sog. →konstantinische
Schenkung, nach der Kaiser Konstantin an Papst Silvester die politische
Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche
zahlreiche Grundstücke als Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh.
(lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als
Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent.
Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals
oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom
(zurück, →pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient
wenig später der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und
Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630)
und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik,
doch gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die
italienische Einigungsbewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das
neue Königreich →Italien. 1929 kommt es in Lateranverträgen zu einem
Ausgleich. Das weltliche Gebiet der römischen Kirche beschränkt sich auf die
Vatikanstadt. Der Vatikan hat Souveränität.
Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff.
1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899, Neudruck 1969;
Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff.
1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.;
Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und
der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State
in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg.
v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T.,
The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della
Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sanctae Romanae ecclesiae nel Lazio,
1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003
Kirchensteuer ist die durch die öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften erhobene,
vom Staat (durch seine Behörde für die Kirche) eingezogene Steuer. Sie ersetzt
den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine
Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen werden Art. 137 VI der Weimarer
Reichsverfassung und Art. 140 GG.
Lit.:
Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung
der kirchlichen Sendung, 2005
Kirchenvertrag ist der Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen)
Kirche über kirchliche Angelegenheiten. →Konkordat
Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987
Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher →Herrschaft für eine →Kirche
durch einen →Vogt.
Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei
im 10. Jahrhundert, 1933
Kirchenzehnt ist
(meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und
Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32.
Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom fränkischen König als
Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit der französischen
Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in
deutschen Staaten durch die →Kirchensteuer ersetzt.
Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen
Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Kirchliches Recht
ist das auf die →Kirche bezogene →Recht (→Kirchenrecht).
Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)
Lit.: Julius Hermann von
Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993
Kirchspiel (Kirchenbezirk)
→Kirche
Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele,
Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff,
K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253;
Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966
Kistenpfand (N.)
Pfand an leblosen beweglichen (in Kisten aufbewahrbaren) Sachen
Lit.: Hübner 470
k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich 1867, nicht pragmatische
Angelegenheiten) →k. u. k.
Klage ist
im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz
gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die (lat.) →actio (F.),
für die der Verletzte bei dem Gerichtsmagistrat die Einsetzung eines Gerichts (meist
lat. [N.] iudex) und einer Anweisung einer Entscheidung verlangt. Von K. wird
wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in
dem sich der Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer,
sondern hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung
bei der Verfolgung des Rechtes wendet. Im Hochmittelalter werden verschiedene
Arten der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später
bürgerliche K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend genaue
Formulierungen oder auch bestimmte Wörter verlangt (→Prozessgefahr), so
dass Vertreter im Wort (→Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im
Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K.
vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (→Anwalt) geformt.
Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86,
116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973,
357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit
Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P.,
Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und
Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M.,
Agere praescriptis verbis, 2002; Halfmeier, A., Popularklagen im Privatrecht,
2006
Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung des Verfahrens
gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor allem im
altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t. M. durch
die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.
Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909;
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die
Klage gegen den Toten, 1958
Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des Mittelalters ein Verfahren
gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht gebrachten Täter.
Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31
(1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten
Hand, ZRG GA 36 (1915), 458
Klageformel ist im römischen Formularprozess die Anweisung und die Ermächtigung des
Gerichtsmagistrats an einen (lat.) iudex (M.), den Beklagten unter bestimmten
Bedingungen zu verurteilen oder freizusprechen. Die K. enthält üblicherweise
eine Sachverhaltsbeschreibung (lat. demonstratio), ein Begehren (lat. intentio)
und einen Verurteilungsbefehl (lat. condemnatio).
Klagengewere ist
im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber
dem Beklagten, dass er zur →Klage befugt sei. Macht ein zweiter
Beteiligter gegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die
Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage
aufgeben und →Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von
der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.
Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1958
Klagenkonkurrenz ist im klassischen römischen Recht die mehrfache
Geltendmachung einer Klage (gegen mehrere Beteiligte, kumulative K.). Geht es
um (lat.) eadem res (denselben Gegenstand), besteht grundsätzlich strenge
Alternativität und wird mit der ersten (lat.) litis contestatio (F.) die Klage
verbraucht.
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz
im römischen Recht, 1972
Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten
Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.] →litiscontestatio)
bzw. bei einer auf den Sachverhalt hin ausgerichteten Klage und einer sachverfolgenden
Klage durch die Einrede der beurteilten Angelegenheit (lat. [F.] exceptio rei
iudicatae).
Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II;
Köbler, DRG 19
Kläger ist,
wer durch eine →Klage vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist),
da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo
cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG
GA 92 (1975), 1
Klageschrift ist
im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den
der →Kläger →Klage erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger
überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er sie bei Gericht
ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg,
M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff.,
Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Klagspiegel ist
die 1516 von Sebastian →Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel neu
aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwäbisch
Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss,
1413 Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436 entlassen, † 1444) in Schwäbisch
Hall um 1436 verfasste, zwei Teile umfassende Schrift über Verfahrensfragen.
Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis
(Von Büchlein des weltlichen Rechtes), ein Handbuch des geschriebenen Rechtes
bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen Rechtsgrundsätzen
(Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K.
die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen Rechtes in deutscher
Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen
Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24
Auflagen gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation
von →Worms, der (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis
(1507), für (Tenglers →Laienspiegel 1509/1511 [streitg, vielleicht nur
gemeinsame Vorlagen],) Justin Goblers Der Rechten Spiegel (1550) und Heinrich
Rauchdorns Practica und Proceß peinlicher Halsgerichtsordnung (1564).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel,
2004
Klammer,
Balthasar (Kaufbeuren um 1504-Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird
nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar,
1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von
Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen
(Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung, Polizeiordnung) verfasst er 1565 ein
posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht
und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen.
Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar
Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum,
Compendium iuris, 1968
Klasse (F.)
Gruppe
Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1;
Meyer, T., Stand und Klasse, 1997
Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich
herrschenden →Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende,
im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege.
Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F.,
Die Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983; Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassenkampf zur
Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2009
Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen
Pandectenrechts) →römisches Recht
Kleid ist
eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit geschaffene Umhüllung
des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleiderordnung).
Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände
Verwendung finden (→Gewere, →Investitur, Robe, Uniform).
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Kania, K., Kleidung im Mittelalter, 2010
Kleiderordnung ist eine →Ordnung über die Verwendung von →Kleidern.
Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der Geistlichen
von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung
an vielen Orten Kleiderordnungen erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich
1279/1294, Hannover 1312, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte
den Ländern anscheinend voran.
Lit.: Köbler, DRG 139;
Hampel-Kallbrunner, G., Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962;
Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern
und Tirol, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L.,
Striptease, 1999; Reich, A., Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung,
2005 Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781
Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in
Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der
Hallischen Juristenfakultät erarbeitet er Ansätze für sichernde Maßnahmen.
Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der
Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins
Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau,
1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973;
Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998
Klein,
Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891 außerordentlicher Professor
und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf Grund der Schrift (lat.) Pro
futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums in →Österreich
und arbeitet die Zivilprozessordnung (1895), die Exekutionsordnung und das
Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die Stellung des Richters gestärkt
wird.
Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz
Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988
kleindeutsch (Adj.) deutsch ohne Österreich
Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am Main und der
Wetterau nach dem später sog. →Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes
Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Kaiser Ludwigs des Bayern. Es enthält
Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht,
Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichsstädte.
Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J.
v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein
altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des
kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker
Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., (in) Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D.,
Des keisers recht, 2003
Klenkok,
Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh.-Avignon 15. 6. 1374), Professor der
Theologie, stellt in Magdeburg 1369 zehn (später 21) Artikel des →Sachsenspiegels
zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat.
[M.Pl.] →articuli reprobati).
Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118;
Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 28
Kleriker ist
der Angehörige des →Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da vor
allem im Frühmittelalter fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig
Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des
clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd.
2 1972, 195
Klerus ist
im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den
Laien. Der K. hat zahlreiche Standespflichten. Umgekehrt genießt er zumindest
zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis,
vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat.
privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten
wie Kriegsdienst, Schöffenamt u. s. w.
(lat. privilegium [N.] immunitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz
vor Zwangsvollstreckung (lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3,
23, 3). Während des Heiligen römischen Reiches ist der K. sowohl in den Reichsständen wie
auch in den Landständen ansehnlich vertreten.
Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im
Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen
Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma,
1999
Klettgau
Lit.: Peter, A., Das Landgericht
Klettgau, 1966
Kleve,
Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die 1417 zum Herzogtum
erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen) fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und
Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Centralverwaltung
in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18.
Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen
Territorien – Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes
Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in
der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische
Städteprivilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever
Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von
Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften,
bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche,
hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink,
K., 1997; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008
Klöntrup,
Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokuratorssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst
mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a. Alphabetisches Handbuch der
besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts Osnabrück, 1798).
Kloster ist
die geschlossene, Ordensangehörigen als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und
Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint im Bereich des Christentums in
Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen Reich werden Marmoutier
(Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige Vorbilder für zahlreiche,
schon früh vom König und Adel durch Privilegien und Gaben unterstützte
Gründungen, für die sich im 8. Jh. die Ordnung des →Benedikt von Nursia
durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und Hirsau erneuert.
Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (→Zisterzienser,
→Prämonstratenser, →Dominikaner, Franziskaner). In der Neuzeit,
in der in Europa um 1750 etwa 350000 Mönche und Nonnen in etwa 25000
Ordenshäusern von der Allgemeinheit getragen werden, werden unter dem Einfluss
auch der Reformation und danach der Aufklärung zahlreiche Klöster säkularisiert.
Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz bei
Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910,
Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913;
Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K.,
Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die Rechtspersönlichkeit
der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen
in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht
der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950,,
5. A. 1972; Rehfus, M., Das Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die
Traditionen, Urkunden und Urbare des Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J.,
1969; Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982;
Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v.,
Kloster und Grundherrschaft Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg.
v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995;
Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol,
bearb. v. Faust, U. u. a., 2000f.; Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000; Gleba,
G., Klöster und Orden im Mittelalter, 2002, 2. A. 2006, 3. A. 2008, 4. A. 2012;
Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003;
Beales, D., Prosperity and Plunder, 2003; Gleba, G., Klosterleben im
Mittelalter, 2004; Schlotheuber, E., Klostereintritt und Bildung, 2004;
Ströbele, U., Zwischen Kloster und Welt, 2005, 2006; Ertl, T., Religion und
Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum,
2006; Buttinger, S., Hinter Klostermauern, 2007; Beales, D., Europäische
Klöster im Zeitalter der Revolution 1650-1815, 2008; Monasteri in Europa, hg.
v. Eubeis, F. de u. a., 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009;
Rüffer, J., Mittelalterliche Klöster, 2009; Mitteleuropäische Klöster der
Barockzeit, hg. v. Herzog, M. u. a., 2009; Schmähling, A., Hort der Frömmigkeit
- Ort der Verwahrung, 2009; Nordrheinisches Klosterbuch, hg. v. Groten, M. u.
a., Teil 1 2009; ; Buttinger, S., Alltag im mittelalterlichen Kloster, 2010;
Zwanzig, C., Gründungsmythen fränkischer Klöster, 2010; Niedersächsisches
Klosterbuch, hg. v. Dolle, J., Bd. 1ff. 2012; Aus Liebe, zur Sicherheit und zur
Ehre des Klosters, hg. v. Lachmann, H., 2012; Frauenklöster im Alpenraum hg. v.
Mazohl, B u. a., 2013
Klosterschule ist die seit dem 5. Jh. sichtbare
Schule für Geistliche und auch Laien in einem Kloster (z. B. Reichenau, Sankt
Gallen, Fulda, Kremsmünster, Melk, Admont, Corvey, Prüm). Sie bezieht außer der
christlichen Lehre die sieben freien Künste ein. Nach dem 11. Jh. tritt sie
hinter der Universität und später auch den städtischen Schulen zurück.
Klostertod ist
der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein →Kloster vom
Mittelalter bis in das 19. Jh. →bürgerlicher Tod
Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot
Beiträge 45 (1901), 193
Kluftbrief (Vetternschaftsbrief)
Lit.: Künssberg, E. Frhr. v., Vier
Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA 43 (1922), 304
kluniazensische Kirchenreform →Cluny
Knappe (M.)
Edelknabe, Bergmann
Knappschaft ist
vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten
zur Sicherung gegen Unglücksfälle durch eine Unterstützungskasse. Die K. wird
seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen geregelt. 1770 bildet sich auf Grund
eines vom König von Preußen 1767 gewährten Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse
für Kleve, Moers und Mark. Mit Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter
Knappschaftszwang eine öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von
Knappschaftsvereinen ein. Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7.
1926 bringt eine einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969
Bundesknappschaft).
Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung und
Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche
Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschaftsversicherung
seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J.,
1990; Lauf, U., Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen
Bestehens der Bundesknappschaft, 1999
Knecht ist
der junge Mensch, der im Verhältnis zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am
Ende des Mittelalters scheidet K. aus den Altersbezeichnungen aus und wird
unabhängig vom Alter zur Bezeichnung für einen niederen, vielfach bäuerlichen
Bediensteten.
Lit.:
Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004
Knien ist
ein vielleicht dem vorderen Orient entstammendes Demutsverhalten.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Koadjutor (M.)
vom Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter
eines Bischofs
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Koalition (F.)
Vereinigung
Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen
oder Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (oder auch [negativ]
solchen Vereinigungen fernzubleiben). Die frühe Neuzeit wendet sich gegen die
K. der Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden die Verbote
aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869,
Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsverfassung erhebt die K. zu einem
Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die
Koalitionsfreiheit, 1971
Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813 Sitz einer französischen
Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen juristischen Fakultät.
2011 soll das Oberlandesgericht in K. mit dem Oberlandesgericht in Zweibrücken
zusammengeführt werden.
Lit.: Bär, M., Zur Entstehung der
deutschen Stadtgemeinde (Koblenz), ZRG GA 12 (1891), 1; Just, L., Franz von
Lasaulx, 1926; Conrad, H., Stadtgemeinde und Stadtfrieden in Koblenz während
des 13. und 14. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938), 337; Buyken, T./Conrad, H., Die
ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Eilers, K.,
Stadtfreiheit und Landesherrschaft in Koblenz, 1980; Mallmann, L., Französische
Juristenausbildung im Rheinland 1794-1814. Die Rechtsschule von Koblenz, 1987;
Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz, 1994
Kodex →Codex
Kodifikation (Wort 1802?, 1815?, Gesetzbuchmachung)
ist die grundsätzlich erschöpfend
gedachte (und damit anderes Recht bzw. andere Rechtsquellen ausschließende)
Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer Rechtsgebiete in
einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.] →codex) (oder Gesetz). Die
Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechtes in Codex, Digesten und
Institutionen durch Justinian (527-565) stellt noch eher eine Kompilation als
eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an
zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De
l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen (Bayern 1751-1756,)
Preußen (auf der Grundlage eines von Samuel von Cocceji bearbeiteten Projekts
eines Codicis Fridericiani Pomeranici 1747, eines Projekts des Codicis Fridericiani
Marchici 1748 und eines Projekts des Corporis juris Fridericiani 1749, 1751,
Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1784ff., Allgemeines Landrecht, 1794),
Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und Österreich (auf der
Grundlage des Codex Theresianus von 1766, des Entwurfs Horten von 1774, des
Josephinischen Gesetzbuchs von 1787, des Entwurfs Martini 1796 und des
Westgalizischen Gesetzbuchs von 1797 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch,
1811/1812) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom
einheimischen Recht) stark vom →Naturrecht (Vernunftrecht) geprägt
sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches
Reich 1871, 1877/1879, 1900, Schweiz 1907/1912, Portugal 1833/1867,
Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 u. s. w.). Geprägt wird der Begriff der K. von
Bentham (Juni 1815 in Briefen an den Zaren von Russland und den polnischen
Prinzen Adam Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification and Public
Instruction mit einem separaten Rundschreiben On Codification). Kennzeichnend
sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche
Festigkeit. Die inflationäre Verwendung von K., kodifikatorisch und
kodifizierendürfte fehlendes rechtsgeschichtliches Verständnis indizieren.
Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvière,
H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L’unificazione
legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte
der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée
de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in
Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967;
Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Nordmann, J.,
Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer am Ende des 18.
Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts
im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und
Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur
Vorgeschichte der Kodifikation, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 797;
Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980;
Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der
Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin,
J., Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990, 2. A. 1992;
Rechtskodifikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v.
Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a.,
1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer,
B. u. a., 1998; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998;
Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P.,
Ideologie della codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene Jubiläen,
JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy, E., 2000;
Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v.
Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschaftsordnung, ZNR
2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst
im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation
im juristischen Universitätsstudium, 2008; Behrens, O. u. a., Die
Kodifikation und die Juristen, 2008; Wesener, G., Kodifikationen und Kompilationen, ZRG RA 127 (2010),
202; Jansen, N., The Making of Legal Authority - Non-legislative Codifications,
2010; Grilli, A., Il difficile amalgama, 2012
Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von →Thibaut (1772-1840) und →Savigny
(1779-1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die Schaffung eines
einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuchs. Thibaut begründet seine Schrift
„Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für
Deutschland“ mit Vaterlandsliebe und praktischem Interesse der
zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass
Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814)
ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich
sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten (viele souveräne
deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und (vielleicht auch) von Savignys Gelehrtenruhm
gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszersplitterung
in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen
Recht) bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern,
J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72
(1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule,
1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer, H., Thibaut und
Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und
ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung
im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit, 2004
Kodizill →codicillus
(letztwillige Verfügung ohne Erbeinsetzung, die im klassischen römischen Recht
durchsetzbar und im nachklassischen römischen Recht dem Testament angenähert
wird)
Kofod Ancher,
Peder (1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener
Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte Dänemarks
(En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98
Kognat (lat.
[M.] cognatus) ist der durch Abstammung (auch über Frauen) Verwandte. Im
römischen Recht ist zunächst der →Agnat wichtiger als der K.
Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61 I 1, 65 II 2, 66 III
Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein
einheitliches, vor einem beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses
recht formlose Verfahren erscheint zunächst als durch wohlfahrtsstaatliche
Erwägung gegründete (lat.) cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche
Erkenntnis auf ausgewählten Sachgebieten wie Fideikommissen, Verfahren des [lat.]
fiscus, Verfahren über den [lat.] status) durch den Prinzeps in seiner Stellung
als Tribun, dann durch einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch
die Verwaltung des Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres
unterworfen. Die →Ladung wird ein amtlicher Akt (Amtsbetrieb), dessen
Missachtung den Streitverlust nach sich zieht. Das Begehren richtet sich
allein nach dem sachlichen Recht. Das auf freier Beweiswürdigung beruhende →Urteil
wird schriftlich verfasst. Die →Kosten trägt in der Regel der
Unterlegene. Gegen die Entscheidung wird die →Appellation an eine
höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh. verdrängt das K. das ältere →Formularverfahren.
Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler,
DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966
Kohle
→Bergbau
Lit.: Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117 (2002), 592
Kohler,
Josef (Offenburg 9. 3. 1849-Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Heidelberg (Vangerow)
Richter, nach Veröffentlichung seines Werks über das deutsche Patentrecht
(1878) 1878 ohne Habilitation Professor in Würzburg und 1888 in Berlin.
Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht
verbindenden immaterialgüterrechtlichen Fragen und rechtsgeschichtlichen
Ausgaben (Werksverzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80
juristischen Inhalts).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KohlerJosefDeutschesPatentrecht1878.pdf,
Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff.
1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild, 1920;
Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel, G., Josef Kohler,
1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v. Adrian, J.,
1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113 (1996), 434; Nies, K.,
Die Geschichte ist weiter als wir, 2009
Kohlhase →Fehde
Kolbengericht
Lit.: Haupt, H., Ein
oberrheinisches Kolbengericht aus dem Zeitalter Maximilians I., ZRG 16 (1895),
199
Kolchos(e) (F.) landwirtschaftlicher genossenschaftlicher Großbetrieb in der Sowjetunion
Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer Rechtshistoriker,
verfasst neben verschiedenen anderen Lehrbüchern die erste systematische
Rechtsgeschichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie, 1822f.) und
gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148
Koldín,
Pavel Kristián (1530-1589) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in
Prag 1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen
Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das
teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt.
Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti v Europe, hg. v.
Maly, K., 1982, 341
Kollatai,
Hugo (1750-1812) wird nach dem Studium der Theologie und des Kirchenrechts in
Krakau, Wien und Rom Priester, Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich
die Verfassung →Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die
Emigration gehen, von 1794 bis 1802 ist er von Österreich gefangengesetzt.
Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo Kollataj, 1952; Chamcowna,
M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957
Kollation ([F.] Zusammenbringen) ist das Einbringen eines vor dem Erbfall durch
den Erblasser erlangten Vermögenswerts zwecks Ausgleichs unter mehreren
Anwärtern.
Kolleg (N.)
Genossenschaft, Disputationsgesellschaft von Studenten (Köln 1530),
Vorlesung
Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg,
2000
Kollegialbehörde ist eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern
bestehende, meist durch Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren
Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich
1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499, Hessen 1500).
Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch
Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren
bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen Rachinburgen
oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem Aufkommen des
gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht (12. Jh.), danach in den
unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus
wieder zum K. (→Schwurgericht). Aus Kostengesichtspunkten wird seit
1924 dagegen die Zuständigkeit des Einzelrichters erneut erweitert.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit Pfründen für Kanoniker
(Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint
bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der
Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.
Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte,
1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Studien zum weltlichen
Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995
kollektiv (gemeinschaftlich)
Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer nationaler
Rechtsordnungen zueinander geltende nationale Recht (z. B. →internationales
Privatrecht Deutschlands). Es entsteht in Oberitalien seit dem 12. Jh. Es
gewinnt mit der zunehmenden Internationalisierung wachsende Bedeutung.
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungsgeschichte
der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung
des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988
Köln am
Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50
n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der seit dem Anfang des 4. Jh.s ein
Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof erhoben wird (seit dem 13. Jh.
Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs werden in K. bereits seit etwa
1130 in einem Schrein (Reliquienschrein) verwahrte Karten (→Schreinskarten)
erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend unabhängig und reichsunmittelbar.
1388/1389 erhält K. die bis 1798 bestehende, unter Besetzung Frankreichs
geschlossene erste deutsche städtische Universität. Zu ihren Fächern zählt das
römische Recht. 1437 werden die Statuten der Stadt in einer Zwischenstufe
zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und frühneuzeitlichen Reformationen
aufgezeichnet, wobei eindeutig römischen Ursprungs nur das Inventarrecht in
Art. 14 und die dem senatusconsultum Macedonianum entsprechende Regelung in
Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert. Am 3. 3. 2009 stürzt das bedeutendste
Kommunalarchiv nördlich der Alpen (in K.) in sich zusammen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gottfried Hagen
Reimchronik der Stadt Köln, hg. v. Gärtner, K. u. a., 2008; Kruse, E., Die
Kölner Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur
Verfassungsgeschichte der Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille,
A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900),
222; Heldmann, K., Der Kölngau und die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die
Kölner Bauerbänke, 1905; Loesch, H. v., Die Kölner Zunfturkunden, 1907;
Beyerle, K., Die Entstehung der Stadtgemeinde Köln, ZRG GA 31 (1910), 1;
Keussen, H., Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg,
E., Anklänge an die Lex Ribuaria im mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33
(1912), 483; Gothein, E., Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln
vom Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches,
1916; Schmidt, A., Die Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner
Judenviertels 1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in
Köln, 1921; Koebner, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922;
Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd.
1ff. 1917ff.; Braubach, M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von
Köln, 1925; Loesch, H. v., Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323;
Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die
Grundlagen der ältesten Kölner Gemeindeverfassung, ZRG GA 53 (1933), 89;
Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934),
1; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht
und seine Verbreitung in der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131;
Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die
Amtleutebücher der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a., 1936;
Die Kölner Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H.
u. a., 1937; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937;
Festschrift zur Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im Jahre
1388, 1938 (S. 109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten
Universität Köln in den beiden ersten Jahrhunderten der Kölner
Juristenfakultät); Buyken, T./Conrad, H., Ein frühes Statut der Amtleutegenossenschaft,
ZRG GA 58 (1938), 808; Buyken, T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der
kölnischen Sondergemeinde St. Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die
Erbleihe in Köln 1939; Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio
reservato usufructu in den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das
materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und
Wirtschaft in Kurköln, 1957; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des
kurkölnischen Hofrates, 1965; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe
von Köln, (um 1969); Strait, P., Cologne in the twelfth century, 1974; Köln
1475, hg. v. historischen Archiv der Stadt Köln, 1975; Herborn, W., Die
politische Führungsschicht der Stadt Köln, 1977; Wensky, M., Die Stellung der
Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher, G., Die
Zisterzienserstadthöfe in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D.,
Iurisprudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der
Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters, J., Das
Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J.,
Hochschulstudium für kommunale und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987;
Chmurzinski, B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln
1988; Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.;
Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der
Universität Köln, 1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v.
Binding, G., 1990; Bergerhausen, H., Die Stadt Köln und die
Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991;
Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, hg. v. Laum, D. u. a.,
1994; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, hg. v. Deeters, J. u. a.,
1996; Groten, M., Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in
Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur
Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch,
D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Rügemer, W.,
Colonia corrupta, 2002, 6. A. 2010, 7. A. 2012; Herbers, W., Der Verlust der
Hegemonie, 2003; Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das
Oberlandesgericht Köln in der Weimarer Republik, 2004; Luig, K., … weil er
nicht arischer Abstammung ist, 2004; Daniels, H., Kurkölnisches Landrecht, hg.
v. Becker, C., 2005; Dirr, K. Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kölner
Erzbischöfen und der Stadt Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher
Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts, 2005; Schlüter, T., Flug- und
Streitschriften zur Kölner Reformation, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v.
Szöllösi-Janze, M., 2005; Bartz, C., Köln im Dreißigjährigen Krieg, 2005;
Leiverkus, Y., Köln, 2005; Haupts, L., Die Universität zu Köln im Übergang vom
Nationalsozialismus zur Bundesrepublik, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 162; Strauch, D., Der Große Schied
von 1258, 2008; Landau, P., Die Kölner Kanonistik des 12. Jahrhunderts, 2008;
Haupts, L., Die Universität Köln am Übergang, 2007; Die Protokolle des Kölner
Domkapitels, Bd. 1ff., hg. v. Militzer, K., 2009ff.; Regesten zu den Urkunden
des Amtleutearchivs St. Columba in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009; Matzerath,
H., Köln in der Zeit des Nationalsozialismus, 2009; Gedächtnisort, hg. v.
Schmidt-Czaia, B. u. a., 2010; O felix Agrippina nobilis Romanorum Colonia, hg.
v. Rutz, A. u. a., 2010; Herbers, >M., Organisationen im Krieg, 2012; Kölner
Juristen im 20. Jahrhundert, hg. v. Augsberg, S. u. a., 2013
Kolonat →colonus
Kolonialismus ist die Bildung von Kolonien durch europäische Staaten auf den anderen
Erdteilen seit der frühen Neuzeit. Der K. unterliegt dem Freiheitsstreben der
Betroffenen nach dem zweiten Weltkrieg, so dass bis zum Ende des 20. Jh.s die
Kolonien wietgehend aufgehoben sind. Obwohl der K. den Kolonien auch die
Vorteile der europäischen Zivilisation vermittelt, wird er insgesamt eher als
nachteilig eingestuft.
Lit.:
Burke, R., Decolonization and the Evolution of International Human Rights, 2010; Stuchtey, B., Die europäische
Expansion und ihre Feinde - Kolonialismuskritik, 2010; Kleinschmidt, H.,
Diskriminierung durch Vertrag und Krieg, 2013
Kolonie ist
die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder
Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem
Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien
europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande,
Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884
Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo,
1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh.
weitgehend wieder verloren (für Deutschland 1918 als Folge des ersten
Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen Freiheitskämpfen der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht
einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands).
Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v.
Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 1966, 4. A.
1981; Kunst, A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz,
G., Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Reinhard, W.,
Geschichte der europäischen Expansion, 1983ff.; Gründer, H., Geschichte der
deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2.
A. 2007; Osterhammel, J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995;
Wolter, U./Kaller, P., Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a.,
Koloniale Konflikte im Alltag, 2. A. 1997; Albertini, R. v., Europäische
Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich,
ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon,
A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser,
1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung in Deutsch-Südwestafrika, 2000;
Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in Ostafrika, 2001; Grosse, P.,
Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts, hg. v. Voigt, R., 2001;
Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Die deutsche Südsee
1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die deutschen Kolonien,
2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika
(1884-1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und staatsrechtliche
Stellung der deutschen Kolonialgesellschaften des 19. Jahrhunderts, 2002;
Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B., Moderne
Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts,
2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in Deutsch-Südwestafrika,
hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The European Colonial Empires
1815-1919, 2004; Fuhrmann, M., Der Traum vom deutschen Orient, 2006;
Kolonialkriege, hg. v. Klein, T. u. a., 2006; Zeller, B., Ex facto ius oritur,
2006; Schlottau, R., Deutsche Kolonialrechtspflege, 2007; Tiebel, A., Die
Entstehung der Schutztruppengesetze, 2008; Ein Platz an der Sonne, hg. v.
Aldrich, R., 2008; Klose, F., Menschenrecht im Schatten kolonialer Gewalt, 2009;
Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2009; Eicker, S., Der
Deutsch-Herero-Kreig und das Völkerrecht, 2009; Nagl, D. u. a., Staatlichkeit
und Governance im Zeitalter der europäischen Expansion, 2009; Kraus, J. u. a.,
Die deutschen Kolonial- und Schutztruppen von 1889 bis 1918, 2009; Stuchtey,
B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2010; Kolonialgeschichten, hg.
v. Kraft, C. u. a., 2010; Kuß, S., Deutsches Militär auf kolonialen
Kriegsschauplätzen, 2010; Bismarck und der deutsche Kolonialerwerb 1883-1885,
hg. v. Baumgart, W., 2011; Habermas, R., Die deutschen Großforschungsprojekte
zum „Eingeborenenrecht“ um 1900, ZRG GA 129 (2012), 150; Schaper, U.,
Koloniale Verhandlungen, 2012 (Kamerun 1884-1916); Von Käfern, Märkten und
Menschen hg. v. Habermas, R. u. a. 2013; Hespanha, A., Uncommon laws, ZRG GA
130 (2013), 180; Cooper, F., Out of Empire, 2013
Kolonisation ist die Erschließung neuen Wirtschaftslands (vor allem am
Ende des Frühmittelalters im Osten des Deutschen Reiches, Ostsiedlung).
Lit.: Die mittelalterliche Kolonisaation, hg. v. Brauer, M.
u. a., 2009
Kommanditgesellschaft ist die Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes
unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei mindestens einem
Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den
Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt (Kommanditist) sowie bei
mindestens einem anderen Gesellschafter unbeschränkt (Komplementär) ist. Sie
entwickelt sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.) allmählich aus der im
Hochmittelalter und Spätmittelalter entstandenen →Handelsgesellschaft.
Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs
noch als →stille Gesellschaft bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de
commerce [1807], Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch [1861]). In
Österreich ist die K. seit 2007 rechtsfähig (Unternehmensgesetzbuch).
Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die
stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999; Zur
Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003
Kommendation ist
die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes.
Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach
fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990
Kommentar ist
die Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet
sich bereits im Altertum. In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der
K. seit dem 14. Jh. hervor. Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. →Kommentator
Lit.: Les
Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G. u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die
Kommentare zum BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000,
495; Der Kommentar in Antike und Mittelalter, hg. v. Geerling, W. u. a., 2002
Kommentator ist
der Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die führenden
rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (1250-1500) (z. B.
für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts Jacobus de Arena, Dinus de
Rossonis Mugellanus, Johannes de Blanoso, Albertus Gandinus, Guilelmus Duranti,
Raimundus Lullus, in Neapel Benedictus de Isernia, Marinus de Caramanico,
Bartholomäus de Capua, Andreas Bonellus de Barulo, Andreas de Isernia, Blasius
de Morcone, in Frankreich →Jacobus de
Ravanis, →Petrus de Bellapertica,
Guilelmus de Cuneo und Johannes Faber, für das 14. Jahrhundert Ricardus
Malumbra, Oldradus de Ponte, Jacobus de Belvisio, Jacobus Butrigarius, →Cinus de Pistoia, Johannes Andreae, Albericus
de Rosate, der berühmte →Bartolus de
Saxoferrato, Rainerius de Forlivio, Lucas de Penna, der ebenfalls berühmte →Baldus de Ubaldis sowie für das fünfzehnte
Jahrhundert Bartholomäus Salicetus, Raphael Fulgosius, Johannes de Imola, Paul
de Castro, Antonius Minuccius de Prato Veteri, Alexander Tartagnus, Bartholomaeus
Caepolla, Johannes Baptista Caccialupus, Franciscus de Accoltis, Bartholomaeus
Socinus, Ludovicus Bologninus, Philippus Decius und →Jason
de Mayno) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die
causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960),
182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit, Ius
commune 2 (1969), 84; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007
Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es
findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565) in Bezug auf die Digesten.
Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz’ III.
von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231).
Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit
(Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt
sich hiervon ab.
Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der
Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de
code en Europe, 1967
Kommissar ist
der Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen
eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean →Bodin
(1529/1530-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außerordentlichen
K. Sachlich finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der
mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein
staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen
ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwaltungskörperschaft
durchführt.
Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Kommission ist
einerseits der Ausschuss, andererseits ein schuldrechtliches Handelsgeschäft,
bei dem es eine Person (Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder
Wertpapiere für Rechnung einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen
zu kaufen oder zu verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11.
Jh. in Südeuropa und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung.
Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die K. von der →Gesellschaft sicher
abgegrenzt. Gesetzliche Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua
1588/1589, dem Codex Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de
commerce 1807.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäftes in Deutschland, Bd.
1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971;
Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003
kommunal (gemeindlich)
Kommunalverband ist der kommunale Personenverband (z. B. in Österreich seit 1862
Reichsgemeindegesetz mit Ortsgemeinde. (ziemlich bedeutungsloser) Gebietsgemeinde
und bis 1920 Land).
Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und
Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum
und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der
Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunordnung). Im 19. Jh. sind
mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden. Nach der Magistratsverfassung
stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales
oberstes Verwaltungsorgan (Magistrat) nebeneinander. Nach der Bürgermeisterverfassung
ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und
gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindevertreter.
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in
Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunalverfassung, 1995;
Ackermann, C., Die Bedeutung der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts
zum Kommunalrecht für unsere heutige Dogmatik, 2012
Kommune (F.)
Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca u. s. w., seit etwa 1300 teilweise unter
Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemeinschaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7.
1789-1795, 18. März 1871-28. Mai 1871)
Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt,
H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle cittá italiane,
hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996;
Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871;
Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373;
Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272 (2001), 667;
Starr, P., Commemorating Trauma, 2006
Kommunikation (F.) „Gemeinmachung“, Gedankenmitteilung
Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft, hg. v.
Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im
Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kommunikation in Brandenburg-Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19.
Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K.,
2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003; Aspekte der
politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. v.
Schütte-Schorn, L., 2004; Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart,
R. u. a., 2005; Goppold, U., Politische Kommunikation in den Städten der
Vormoderne, 2007; Die Ordnung der Kommunikation und die Kommunikation der
Ordnung, Bd. 2 hg. v. Andenna, C. u. a., 2013
Kommunismus ist
die Gesellschaftsordnung, in der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend
ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind.
Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im
Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s (1848 Kommunistisches Manifest) als
Gesellschaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit
geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion
beeinflusste mitteleuropäische Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K.
theoretisch überflüssig.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455;
Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967;
Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was
ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978;
Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte
der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der
Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996;
Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement,
1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der
DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Die Weltpartei aus Moskau, hg. v.
Hedeler, W. u. a., 2008; Loughlin, B. u. a., Kommunismus in Österreich, 2009; Die
rechtliche Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Osteuropa, hg. v.
Schroeder, F. u. a., 2010; Mildt, D. de, Het Thälmanncomplex, 2011
Kommunistisches Manifest
ist die von Karl →Marx und Friedrich →Engels im Auftrag des zweiten
Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und in London im Februar 1848 anonym
veröffentlichte Programmschrift. Das Kommunistische Manifest versucht die
Ansicht zu belegen, dass die Geschichte aller bisherigen menschlichen
Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen sei. Es nennt als Ziel die
Aufhebung des Eigentums des Einzelnen durch Zentralisierung der Produktionsmittel
in den Händen der als herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt
den wissenschaftlichen Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit
der Aufforderung: Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine
kommunistische Partei entsteht in Russland 1898 (Sozialdemokratische
Arbeiterpartei Russlands), in Deutschland 1918.
Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des
„Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948;
Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F.,
Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute,
hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000
Komotau ist die 1252 erstmals (als [lat.] oppidum)
bei der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als Stadt (lat. civitas)
bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder entzogene böhmische
Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren Erzgebirges.
Lit.: Weizsäcker, W.,
Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau, 1935
Kompetenz (F.) Zuständigkeit
Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit.
Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt
sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) aus.
Auch in Ö. hat der Bund die K.
Lit.:
Köbler, DRG 195
Kompetenzkonflikt ist der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen
Stelle. Grundsätzlich ist er überall dort möglich, wo mehrere staatliche
Stellen (ohne eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung) nebeneinander stehen.
Geschichtlich bedeutsam sind die Kompetenzkonflikte zwischen Herrscher und
Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem 16. Jh.,
zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen
ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem späten
19. Jh. In Österreich ist seit 1920 der Verfassungsgerichtshof für den
gerichtlichen K. zuständig.
Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der
civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens, J.,
Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J.,
Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen
Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A.,
Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999
Kompilation (F.)
Plünderung, Sammlung, Aufhäufung
Lit.: Wesener, G., Kodifikationen und Kompilationen, ZRG RA 127
(2010), 202
Kompositionensystem ist das Rechtssystem, in dem die Komposition ( Buße) eine
wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht soll, wer einem anderen
ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer
entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut, soll 25 Pfund Kupfer
leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung oder Vervierfachung des
deliktisch entzogenen Sachwerts. Das Frühmittelalter zeichnet umfangreiche
Kataloge von festen Rechnungsbeträgen (→Wergeld, →Buße) für
unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl) und verschiedene
Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf, die nach den Angaben des
Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das frühmittelalterliche K.
wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen →Strafe verdrängt, doch
werden Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der Einwirkung der Constitutio
Criminalis Carolina allgemein aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy, E., Weströmisches
Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113
Komputistik (Zeitrechnung)
Lit.: Schriften zur Komputisitk im
Frankenreich von 721 bis 818, hg. v. Borst, A., 2006
Kondiktion ist
der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. [F.])
→condictio des römischen Rechtes zurück, mit der im klassischen römischen
Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum [N.])
wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über
die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen
oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszugeben ist grundsätzlich der
erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter
Gegenstand (lat. [N.] incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im
Westen völlig verschwindende - (lat. [F.]
) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere Bedeutung. Sie wird
mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt,
dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden dürfe. Darunter
werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine Nichtschuld
Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund Geleisteten
und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten. Dazu kommen
verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe des
Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kondiktionen, welche die
hochmittelalterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der
Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu
verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo →Grotius
wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache
eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat,
worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifikationen beschränken
sich demgegenüber vor allem auf die Regelung der K. wegen Nichtschuld. Das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) unterscheidet bei der ungerechtfertigten
→Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion.
Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die causa
im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182;
Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des
Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis, 2003
Kondominat ist
die gemeinsame Ausübung der Hoheitsgewalt durch mehrere Hoheitsträger auf
einem ihnen gehörigen Gebiet (Kondominium). Das K. ist seit dem Mittelalter
nicht selten, wird aber seit 1803 beseitigt. 1864/1865 besteht ein K.
Österreichs und Preußens an Schleswig-Holstein, dessen Durchführung das Ende
des →Deutschen Bundes bewirkt.
Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal,
1934; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 32 I 2;
Jendorff, A., Condominium, 2010 (Beispiel Treffurt)
Kondominium →Kondominat
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist die vom 30. 7. 1975 bis 1. 8. 1975 währende Konferenz
der 35 Außenminister europäischer Staaten (sowie der Vereinigten Staaten von
Amerika und Kanadas) in Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn Leitlinien als
Absichtserklärungen zusammengefasst. An die K. schließen sich mehrere
Nachfolgekonferenzen in Belgrad, Madrid, Wien u. s. w. an. Im Ergebnis bereitet die K. ü. S.
u. Z. i. E. die Öffnung des seit 1945 geschaffenen Eisernen Vorhangs zwischen
Osteuropa und Westeuropa vor, die ab 1989 verwirklicht wird.Lit.: Der KSZE-Prozess, hg. v. Altrichter, H. u. a.,
2010
Konfession (F.)
Bekenntnis
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im
konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland
seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung
im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v.
Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt,
W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O., 2001; Klueting,
H., Das konfessionelle Zeitalter, 2007; Schilling, H., Konfessionalisierung und
Staatsinteressen 1559-1660, 2007; Konfession im Recht, hg. v. Cancik, P. u. a.,
2009
Konfessionsschule (Bekenntnisschule) ist die auf eine bestimmte →Konfession
ausgerichtete →Schule. Sie ist im Gegensatz zur Gemeinschaftsschule in
der Gegenwart die Ausnahme. Sie ist aber zulässig.
Konfinen →Militärgrenze
Konfiskation (F.)
Einziehung
Lit.:
Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in Niederland, 1957
Konflikt
Lit.: Conflict in Medieval Europe,
hg. v. Brown, W. u. a., 2003; Dierkes, F., Streitbar und ehrenfest, 2007
Konföderation (F.) Staatenbund
Konfusion ist
die Vereinigung des Schuldners und Gläubigers in einer Person (z. B. Schuldner
wird Erbe des Gläubigers). Die K. bewirkt im klassischen römischen Recht das
Erlöschen einer Schuld.
Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß, P.,
Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
Kongress (Zusammenkunft)
ist in den Vereinigten Staaten von Amerika das aus Repräsentantenhaus und Senat
bestehende →Parlament.
Koni,
Anatolij Fedorovic (1844-1927) wird als Staatsanwalt, Richter und
Strafrechtslehrer in Sankt Petersburg zu einem führenden liberalen
Rechtspolitiker →Russlands im ausgehenden 19. Jh.
Lit.: Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982;
Balantine, E., Anatolij Fedorovic Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale
1986
König (lat.
[M.] rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Germanenstämmen
der durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes.
In Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König (Tarquinius Superbus) gestürzt
und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den Franken gelingt Chlodwig ([* um
466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem Königtum. Die wichtigste
Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben stützt sich seine Herrschaft
außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das Königsgut, auf die Grafen (→Der
König ist gemeiner Richter überall), auf das Lehnsprinzip und auf die römische
Tradition. Den →Merowingern folgen als Könige die →Karolinger
(751-911), →Ottonen (919-1024), →Salier (1024-1125), →Staufer
(1138-1254) und nach dem Interregnum (1254-1273) mit geringen Unterbrechungen
die → Habsburger (1273-1806). Zunehmend gebunden wird dabei der K., der
mit Beginn der Neuzeit auch ohne Mitwirkung des Papstes →Kaiser wird,
durch die →Reichsstände. Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh.
wählenden →Kurfürsten die Wahl von →Wahlkapitulationen abhängig.
Dennoch setzt sich die nicht durch Erbrecht gesicherte tatsächliche Abfolge
der Habsburger fast gänzlich durch. Seit dem späten 17. Jh. streben im
Übrigen auch deutsche Landesfürsten nach einem Königstitel (Sachsen, Preußen,
Hannover), der sich zu Beginn des 19. Jh.s allgemeiner durchsetzen lässt
(Bayern, Württemberg). 1918 bzw. 1945 wird in manchen Staaten Europas das
Königtum beseitigt.
Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen
der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das
Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock,
E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch,
M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König
Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im
Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die
Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P.,
Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme,
1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H.,
Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2.
unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The
king’s two bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein,
E., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische Wortschatzbewegungen
im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960), 154; Baaken, G.,
Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961);
Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in ottonisch-salischer Zeit, (in)
Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum, 1963; Krause, H., Königtum und
Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis,
1968; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung, 1972; Sawyer, P./Wood, I., Early Medieval
Kingship, 1977; Giese, W., Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, ZRG
GA 95 (1978), 202; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979;
Schubert, E., König und Reich, 1979; Hannig, J., Consensus fidelium, 1982;
Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. v. Schmid, K., 1985; Das
spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Schneider, R.,
1987; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987;
Hlawitschka, E., Stirps regia, 1988 (Aufsätze); Wolf, A., König für einen Tag,
1993; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997;
Schneider, R., Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG
GA 114 (1997), 296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im
Westfrankenreich, 2000; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001;
Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, 2001; See, K. v., Königtum und
Staat im skandinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und
Politik, 2003; Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller,
B./Weinfurter, S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im
Mittelalter, Bd. 4 2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth
Century, 2004; Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005;
Jussen, B., Die Macht des Königs, 2005; Rogge, H., Die deutschen Könige im
Mittelalter – Wahl und Krönung, 2006; Deutinger, R., Königsherrschaft im
ostfränkischen Reich, 2006; Schimmelpfennig, B., Könige und Fürsten, Kaiser
und Papst im 12. Jahrhundert, 2. A. 2010; Adventus, hg. v. Johanek, P. u. a.,
2010; Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010; Wagner, W., Die
liturgische Gegenwart des abwesenden Königs, 2010; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter ,Bd. 4 Das Königtum 2011
Königin
ist die Frau des Königs, bis zum 20. Jh. selten die Anführerin eines Volkes
bzw. das Oberhaupt eines Staates.
Lit.: Kowalski, W.,
Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des
Interregnums, 1913; Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v.
Schütte, B, 1994; Schütte, B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der
Königin Mathilde, 1994; Eickhoff, E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A.,
Die Königin im mittelalterlichen Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des
hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Hartmann, M., Die Königin im frühen
Mittelalter, 2008
Königreich ist
das Herrschaftsgebiet eines →Königs.
Lit.: Reynolds, S., Kingdoms and Communities, 1984; Regna
and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
Königsbann ist
der dem →König zustehende →Bann. Er wird im frühen Mittelalter auf
60 Schillinge bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Königsberg am
Pregel in Preußen, 1255 eine vom Deutschen Orden nach König Ottokar II. von
Böhmen benannte Burg, ist seit 1544 Sitz einer Universität (→Kant) (bis
1945).
Lit.: Conrad, G., Geschichte der Königsberger Obergerichte,
1907, 2. A. 2013; Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in Königsberg,
1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski, M.,
Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45 juristische
Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., „Das Königsberger Gebiet“, 1991; Die
Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D., 1995; Gause, K., Die
Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A. 1996; Die
Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996; Heckmann, D.,
Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um 1455, ZRG GA 114
(1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v.
Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg. v. Rauschning, D.,
1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb. v. Hartmann, S.,
2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte Königsberg, 2005;
Vercamer, G., Siedlungs-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte der Komturei
Königsberg in Preußen, 2010
Königsbote (lat.
missus [M.] dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem
unter Karl dem Großen, ein Beauftragter des Königs, der
Verbesserungsbedürftiges verbessern soll. Meist werden zwei Königsboten für
ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s verschwindet
der K.
Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi
dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia
von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi
dominici, ZRG GA 100 (1984)
Königsfreier ist
der dem →König unterworfene Freie (T. Mayer 1953). Er schuldet dem König
Zins. In den Quellen lässt er sich im 6. bis. 9. Jh. (vereinzelt und wenig
genau) fassen. Abzulehnen ist die Ansicht, jeder Freie im Frühmittelalter sei
(K. und deshalb) eigentlich unfrei.
Lit.: Köbler,
DRG 78; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6
(1943), 239; Müller-Mertens, E., Karl der Große, Ludwig der Fromme und die
Freien, 1963; Tabacco, G., I liberi del re, 1966; Krause, H., Die liberi der
lex Baiuvariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit,
Diss. jur. Göttingen 1972; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in)
Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38
Königsfriede ist
der mit dem →König verbundene →Friede im Mittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der Königsfriede
der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940,
11. A. 1987
Königsgastung ist (der Anspruch auf) die Beherbergung des Königs und seiner Begleitung
zu Lasten eines Verpflichteten. Im Frühmittelalter hat die K. hauptsächlich der
Inhaber von Königsgut zu leisten. Ihr Umfang lässt sich daran ermessen, dass
zumindest im Hochmittelalter der Zug des Königs wohl mehr als 1000 Beteiligte
umfasst.
Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen Könige,
1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium regis in
der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997
Königsgericht ist das durch den →König ausgeübte →Gericht, über das im
Frühmittelalter nur bruchstückhafte Berichte vorliegen. Danach sind Urteiler
die Vornehmen und Getreuen, die vielleicht zusammen mit dem König entscheiden.
Im Hochmittelalter ist der König jedenfalls allgemeiner Richter (mit
Reichsfürsten als Urteilern) und alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch
kommt. Er hat ein grundsätzliches, 1356 aber zu Gunsten der Kurfürsten aufgegebenes
Evokationsrecht. Allerdings beschränkt sich tatsächlich schon im 13. Jh. die
königliche Gerichtsbarkeit nur noch auf wenige Gerichte, zu denen in erster
Linie das mit ihm ziehende →Hofgericht zählt. Vielleicht im 14. Jh., in
dem mehr als 7400 Nachweise für Verfahren am Königshof bekannt sind (d. h.
knapp 75 je Jahr), entsteht ein königliches →Kammergericht. 1451
verschwindet das den neuen Anforderungen nicht mehr entsprechende Hofgericht. 1495
wird das →Reichskammergericht (der Reichsstände) geschaffen. Neben
dieses tritt bald eine Rechtsprechung des →Reichshofrats.
(Schätzungsweise beträgt die Zahl der Quellennachweise zur Tätigkeit der
zentralen Gerichte am deutschen Königshof von 911 bis 1451 rund 14500 (d. h. 27
je Jahr), davon 2000 bis 1272 (d. h. 5,5 je Jahr), 1750 von 1273 bis 1347, 2750
von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451 d. h. rund 400 je Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das Königsgericht
zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E.,
Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung
von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94
(1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit
des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp,
B., Königsferne Regionen und Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Oestmann, P., Prozesse aus Hansestädten vor dem
Königs- und Hofgericht in der Zeit vor 1400, ZRG GA 128 (2011), 114; Diestelkamp,
B., Vom einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013
Königsgut ist
das dem →König zustehende (unbewegliche) Gut. Es besteht, weil im
Mittelalter eine strenge Scheidung zwischen Allgemeingut und Privatvermögen
noch nicht durchgesetzt ist, aus dem vom Vorgänger hinterlassenen Gut und dem
vom neuen König zusätzlich eingebrachten Gut. Durch zahlreiche Vergabungen
schwindet das K. Vielleicht (erst) im späteren 13. Jh. wird zwischen Reichsgut
und Eigengut deutlicher getrennt.
Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909;
Stimming, M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. Jahrhundert, 1922; Ranzi,
F., Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische
Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im
Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer,
K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die Ardennen
im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988; Göldel,
C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das Königsgut
im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000; Kupfer, E., Krongut, Grafschaft
und Herrschaftsbildung in den südöstlichen Marken und Herzogtümern, 2009
Königsheil ist
das den König umgebende Heil (Charisma).
Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii,
1963
Königshof ist
im Mittelalter der den →König begleitende →Hof sowie der dem König
gehörige landwirtschaftliche Hof.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Stölzel,
A., Ein Karolinger Königshof, 1919
Königspfalz ist
der (nach dem Vorbild des römischen Kaiserpalasts auf dem Palatinshügel in
Rom im fränkischen Reich vom König errichtete befestigte Aufenthaltsort (z. B.
in Paris, Orléans, Reims, Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy,
Compiègne, Herstal, Aachen, Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des
Königs etwa 20-30 km beträgt, wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf abstellendes
Netz von Königspfalzen eingerichtet. Durch sie ist es dem König möglich, sein
Reich im Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur Hausmachtpolitik nach
1273 erübrigen sich Königspfalzen weitgehend.
Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v.
Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.
Königsschutz ist
der im Frühmittelalter aus Privilegien bekannte Schutz des Königs für einzelne
Menschen oder Gruppen von Menschen (z. B. Kleriker, Kaufleute, Juden, Witwen,
Waisen, Klöster). Die meisten dieser Gruppen werden im Hochmittelalter durch →Landfrieden
geschützt.
Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA
17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90
(1973), 10
Königsurkunde ist die vom mittelalterlichen →König ausgestellte →Urkunde
im Gegensatz vor allem zur Privaturkunde. Sie kann nicht als falsch gescholten
werden. Bei zwei sich widersprechenden Königsurkunden ist bis in das 12. Jh.
die ältere gültig. Seit dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in der K.
Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W.,
Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen,
P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum
Urkundenwesen Wilhelms von Holland, 1977; Fees, I., Abbildungsverzeichnis der
original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden
von den Merowingern bis zu Heinrich VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den
merowingischen Königsurkunden, 1998
Königswahl ist
die Wahl des Königs. Sie bedeutet vielfach nur eine Auswahl innerhalb eines mit
→Königsheil begabten Geschlechts. Anfangs sind die Wähler Große des
Reiches ohne feste Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern sich im deutschen Reich aus
nicht genau bekanntem Grund (zeitgenössisch nie erwähnte Herkunft aus
ottonischem Tochterstamm?, Träger eines Hofamts?) die (sieben) →Kurfürsten
aus. Einzelheiten des Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14.
Jh. setzt sich dabei das Mehrheitsprinzip durch.
Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der
deutschen Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen
Königswahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der
Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899),
164; Lindner, T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E.,
Zu den germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und
Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl
im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die
deutsche Königswahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die
Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die
deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads
IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur
Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924),
263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen
Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische
Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl
Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der
Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen
Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen
Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum,
1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und
salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet
v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in
ottonisch-frühdeutscher Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975;
Königswahl und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka,
E., 1975; Reinhardt, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den
Königswahlen, 1975; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der
ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands,
1987; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf,
A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992),
48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A.,
Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert,
H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu den Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598; Lenz, M., Konsens und Dissens. Deutsche
Königswahl (1273-1349), 2002; Landau, P., Eike von Repgow und die Königswahl im
Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18; Büttner, A., Der Weg zur Krone, 2012;
Wolf, A., Wie kamen die Kurfürsten zu ihrem Königswahlrecht? ZRG GA 129 (2012),
340; Wolf, A., Verwandtschaft - Erbrecht - Königswahlen, 2013 (gesammelte
Aufsätze)
Königszins ist
ein an den →König zu entrichtender →Zins im Mittelalter. Er beruht
auf unterschiedlichen Gründen. Erstmals erscheint er vielleicht 724.
Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927;
Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen
1946 masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische
Freiheit und Königszins, DA 19 (1963), 1
Königtum →König
Lit.:
Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 1993, 3. A.
2010; Das frühmittelalterliche Königtum, hg. v. Erkens, F., 2005
Konkordat (1418
lat. capitula [N.Pl.] concordata) ist im katholischen Kirchenrecht ein
völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Kirche (bzw. dem Heiligen Stuhl) und einem
Staat zur Regelung einer kirchenpolitischen Angelegenheit. Als erstes K. gilt
das Wormser K. vom 23. 9. 1122, das den →Investiturstreit (vorläufig)
beendet. Danach erscheinen Konkordate mit England (1213/1215), Portugal (1238)
und anderen Ländern. Für das Reich ist besonders bedeutsam das bis 1803
wirksame Wiener K. vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh. versucht der Staat die
Kirche seiner Aufsicht zu unterstellen (z. B. Napoleonisches K. 15. 7. 1801/8.
4. 1802). Österreich vereinbart am 18. 8. 1855 ein in weiten Teilen kaum
umgesetztes, 1870 von ihm gekündigtes und 1874 außer Kraft gesetztes K., das
Deutsche Reich (Dritte Reich) am 20. 7. 1933, Österreich am 5. 6. 1933 (am 1.
5. 1934 mit der Maiverfassung verkündet, 1957 als gültig erklärt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige Sammlung
aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E., Das Wormser
K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche Staatsgedanke und die
Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950; Raab, H., Die concordata
nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen Konkordate, Bd. 1f.
1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche in der
Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge, 1967; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Volk, L., Das
Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972
Konkubinat ist
die auf längere Zeit abgestellte außereheliche Geschlechtsgemeinschaft. Der
K. gewinnt im klassischen römischen Recht als Folge der Eheverbote des
Princeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) an Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen
widerspricht, wird er von der Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren
königlichen Konkubinen des Frühmittelalters sind 6 (lat.) nobilis (adelig) und
nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird der K. förmlich verboten. Im
letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die →nichteheliche
Lebensgemeinschaft durch.
Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37, 58,
161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht,
1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Friedl,
R., Der Konkubinat im kaiserzeitlichen Rom, 1996; Esmyol, A., Geliebte oder
Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002
Konkurrenz ist
allgemein der Wettbewerb. Im Recht können Ansprüche oder Straftatbestände
miteinander konkurrieren. Systematisch befasst sich mit dieser Frage erst die
neuzeitliche (strafrechtliche) Rechtswissenschaft ([nach Carpzov 1635] Koch
1758, 5. A. 1779). Sie unterscheidet Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz bzw.
Handlungseinheit und Handlungsmehrheit, doch werden die seit dem
Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 gesetzlich festgelegten sehr unterschiedlichen
Folgen rechtstatsächlich vielfach gemildert.
Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris
criminalis, 1758, 3. A. 1770, 9. A. 1791; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der
Verbrechen, 1840; Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in
den Volksrechten, 1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973;
Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Lang, B., Die
Idealkonkurrenz als Missverständnis, 2008
Konkurs (1571,
lat. concursus [M.] creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger, nach 1646) ist das
Verfahren zur gleichzeitigen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger
eines Schuldners aus dessen Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht
wird das Vermögen eines Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung
gegenüber mehreren Gläubigern in einer Gesamtvollstreckung verwertet. Im
Mittelalter gilt demgegenüber zunächst der Grundsatz der Priorität der
jeweiligen Einzelvollstreckung. Seit dem Ende des 13. Jh.s findet sich
vielleicht unter oberitalienischem Einfluss in den Hansestädten zunächst bei
Tod oder Flucht des Schuldners der Gedanke der quotenmäßigen Aufteilung des
verbleibenden Vermögens auf mehrere Gläubiger. Im 17. Jh. werden die
römisch-oberitalienischen Ansätze (bahnbrechend der königliche Rat in Valladolid/Spanien
Salgado de Samoza, (lat.) Labyrinthus creditorum concurrentium ad litem per
debitorem communem inter illos causatum, 1646) von der europäischen Rechtswissenschaft
vertieft. Das gemeinrechtliche Konkursverfahren ist ein Erkenntnisprozessverfahren
mit einem langwierigen Liquidations- und Prioritätsverfahren unter
Beteiligung eines Verwalters und meist eines die Gläubiger und deren Rechte
feststellenden (lat. [M.]) contradictor, das jeweils durch ein Urteil
abgeschlossen wird. Es wird vielfach gesetzlich geregelt (Preußen Landrecht
1685, Landrecht 1721, Hypotheken- und Konkursordnung 1722, Project des Codicis
Fridericiani Marchici 1748, Corpus Juris Fridericianum 1781, Allgemeine Gerichtsordnung
1793/1795, französischrechtlich orientierte Konkursordnung 1855, Bayern
Codex Juris Bavarici Judiciarii 1753, französischrechtlich orientierte
Zivilprozessordnung 1869, Österreich 1781, Westgalizien 1796, Württemberg
1818, 1869, Braunschweig 1850, Hannover 1850). Der Code de commerce
(Frankreich 1807) und das Fallimentgesetz (1838) beschränken den K. auf
Kaufleute und stärken die Stellung der Gläubiger. Ihnen folgen Preußen (1855,
Abwicklungsverfahren unter staatlicher Lenkung, bei dem im Vorverfahren nur
noch eine summarische Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen erfolgt,
Schuldner, Gläubiger und Verwalter nicht mehr kontradiktorisch verhandeln und
die Liquidation als Prozess abgeschafft ist), Baden (1864), Deutsches Reich
(1877/1879 bzw. 1898 mit starker Stellung des Richters zwecks Wahrheitsermittlung)
und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s (Deutschland 1994 zum 1.
1. 1999) wird der Privatkonkurs zugelassen, die Vernichtung wirtschaftlicher
Werte eingeschränkt, die interessengerechte Abwicklung zwecks Marktbereinigung
angestrebt und dabei das Konkursrecht in das allgemeinere Insolvenzrecht
(Insolvenzordnung) überführt.
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG 56,
116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z. f.
dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts, 1891; Deutsches
Konkursprozessrecht, hg. v. Seuffert, L. u. a., 1899, Neudruck 2013; Hellmann,
F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A., Die Grundlage
des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5; Hellmann, F., Zur
Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Skedl, A., Die
Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach, 1913; Fliniaux,
A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de droit français et
étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge des Konkursrechts
in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli, U., Per la storia
del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl, 1978,
535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana Moral,
P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die Geschichte
des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu Beförderung des
Credits …, ZNR 26 (2004), 177; Vollmershausen, C., Vom Konkursprozess zum
Marktbereinigungsverfahren, 2007; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht,
hg. v. Schubert, W., 2008; Forster, W., Konkurs als Verfahren, 2009;
Danckelmann, V. v., Aus- und Absonderung im deutschen Konkursrecht, 2008;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Zech, H., Die soziale Frage im Konkursrecht, 2012
Konkursordnung →Konkurs
Konrad III. (1138-1152) deutscher König aus der
Familie der Staufer
Lit.: Die Regesten des deutschen
Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad II., 2. A., bearb. v. Niederkorn, J.
u. a., 2008; Ziegler, W., König
Konrad III. (1138-1152), 2008; Konrad III., red. v. Ruess, K., 2011
Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13. 4. 1390) wird nach dem
Theologiestudium in Paris und dem Kirchenrechtsstudium in Bologna Professor in
Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität Heidelberg.
Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896), 6
Konrad von Megenberg →Megenberg
Konradiner ist der
Angehörige eines vom Lahngau bis Thüringen vom 8. bis 11. Jh. bedeutsamen Grafengeschlechts.
Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka, E.,
Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149;
Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman, D.,
Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka, E., Konradiner Genealogie,
unstatthafte Verwandtenehen und spätottonische-frühsalische Thronbesetzungspraxis,
2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1
Konsens ist
die Willensübereinstimmung. Der K. begründet im klassischen römischen Recht den
Konsensualkontrakt (Konsensualvertrag wie Kauf, Miete, Dienstvertrag,
Werkvertrag, Gesellschaft und Auftrag). Seit dem frühen Mittelalter vertritt
die Kirche die Ansicht, dass auch die Ehe durch K. zustande kommt. In der
frühen Neuzeit werden die Voraussetzungen eines Konsenses genauer festgelegt
(verbindlich, gegenseitig, wahr, vollkommen und ausdrücklich erklärt). Die
Willensübereinstimmung wird zum Kern jedes Vertrags und jeder Einigung.
Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner; Köbler, DRG
45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen
Trauungsritualen, 1910; Marongiu, A., Il principio della democrazia e del
consenso, Studia Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma in
den Konsensualkontrakten, 1965; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht,
1977; Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986
Konsensualkontrakt (M.) Konsensualvertrag →Konsens
Konsensualvertrag (nur den Konsens voraussetzender Vertrag) →Konsens
konservativ (bewahrend)
Konservativismus ist die auf das Bewahren des Hergebrachten ausgerichtete
menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass von einem oder mehreren Menschen
(liberale, soziale oder sonstige) Veränderungen angestrebt werden. Seit dem
ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will der K. als Gegenbewegung zur →französischen
Revolution von 1789 Staat, Gesellschaft und Kultur in der bisherigen Weise
fortführen bzw. sich zeitweise nur gegen ungestümes Vorwärtsdrängen wehren.
Der entschiedenste Vertreter der vor allem von Adel, Bauern, Beamten und Kirche
geteilten Auffassung ist Karl Ludwig von Haller (1768-1854). Politisch als
Partei organisiert sich der K. kurz vor 1848 (1835-1845 Gerlach, Leo, Stahl).
Konservative Parteien des 20. Jh.s sind etwa Zentrum, Konservative Partei,
Democrazia Cristiana, Österreichische Volkspartei, Christlich-Demokratische
Union, Gaullisten u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Mohler, A., Die konservative Revolution in
Deutschland 1918-1932, 1950, 6. A. 2005; Schwentker, W., Konservative Vereine
und Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als
Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer,
L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v.
Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konservativismus,
hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des
Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen
der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg
(1803-1868), 2004; Müller, J., Konservativismus, 2007; Zrenner, P., Die
konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008;
Heinsohn, K., Konservative Parteien in Deutschland 1912 bis 1933, 2009; Terhalle,
M., Deutschnational in Weimar, 2009; Albrecht, H., Antiliberalismus und Antisemitismus,
2010; Konservative deutsche Politiker im 19. Jahrhundert, hg. v. Grothe, E.,
2010
Konsiliator ist
der Gutachten verfassende Jurist des 14. und 15. Jh.s (Postglossator,
Kommentator, z. B. →Bartolus, →Baldus). Auch nach dieser Zeit werden
einzelne Juristen und juristische Fakultäten vielfach gutachterlich tätig (→Aktenversendung).
Die Eigenart der gutachterlichen Tätigkeit besteht in der begründeten Anwendung
des allgemeinen Rechtssatzes auf den besonderen Einzelfall. Die Konsilien sind
teilweise in gedruckten Sammlungen veröffentlicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius, M.,
Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff. (6 Teile, erfasst [1630-1692] ursprünglich
20000, später insgesamt mehr als 100000 Titel aus mehr als 350 Jahren bis 1830,
auch durch Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte nicht ersetzt); Kunkel, W., Das Wesen des ius
respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler
Juristenfakultät, 1929; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967, §§ 9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N.,
Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen,
Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur
Deutschlands, 1974; Falk, U., Consilia, 2006
Konsistorium ist
in der römischen Spätantike der Rat des Kaisers, seit dem Mittelalter die Versammlung
der Kardinäle, in der Neuzeit eine protestantische Kirchenbehörde (Wittenberg
1539). Seit 1918 wird das protestantische K. zum Landeskirchenamt.
Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich
braunschweigischen Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893,
201; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990
Konskription ist
die listenmäßige Erfassung zwecks Heranziehung zu kriegerischen Diensten. Sie
wird auf der Grundlage römischer Ansätze durch Gesetz vom 5. 9. 1798 in
Frankreich aufgegriffen und danach auch in den deutschen Staaten angewendet.
Dort war schon seit dem Beginn des 17. Jh.s das Söldnerheer allmählich durch
die Wehrpflicht ersetzt worden (Preußen 1733, Österreich 1771).
Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 2f.
1964ff.
Konstantin (der
Große) (Naissus 27. 2. 280-Nikomedia Pfingsten 337) ist der römische Kaiser
(306), der 330 in Konstantinopel (ab 425 Rechtsunterricht, Philosophie,
Rhetorik, spätere Namen Byzanz, Istanbul) eine neue Reichshauptstadt
errichtet, das Christentum (vielleicht aus kühler Überlegung?) anerkennt (313)
und das Recht in mancherlei Einzelheiten ändert (Zeugen beim Grundstückskauf,
Beurkundung der Grundstücksschenkung, Pflichtteil, Verbot der Verfallsabrede).
Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v. Kraft, H.,
1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine and the Christian
Empire, 2004; Heinze, T., Konstantin der Große, 2005; Schmitt, O., Constantin
der Große, 2006; Herrmann-Otto, E., Konstantin der Große, 2007, 2. A. 2009;
Konstantin und das Christentum, hg. v. Schlange-Schöningen, H., 2007; Kaiser
Konstantin der Große, hg. v. Girardet, K., 2007; Piepenbrink, K., Konstantin
der Große und seine Zeit, 2. A. 2007, 3. A. 2010; Eusebius von Caesarea, De
Vita Constantini, hg. v. Bleckmann, B., 2007; Konstantin der Große, hg. v.
Goltz, A. u. a., 2008; Roesen, K., Konstantin der Große, 1013
Konstantinische Schenkung
ist die auf →Konstantin den Großen (306-337) gefälschte Urkunde des 8./9.
Jh.s, in der Konstantin angeblich Papst Silvester I. Rom und das weströmische
Reich überträgt und den Vorrang der römischen Kirche festlegt. Die Urkunde wird
bereits 1001 als Fälschung angezweifelt und im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als
Fälschung erwiesen. Geschichtlich gesichert ist nur die Gabe des (lat. [F.])
domus Faustae an den Bischof von Rom.
Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die konstantinische
Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, ZRG GA
68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und abendländisches
Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v. Fuhrmann, H., 1968
(MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen im
Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988; Fried, J., Donation of Constantine and
Constitutum Constantini, 2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u. a.,
2008
Konstantinopel →Konstantin
Lit.: Asutay-Effenberger,
N., Die Landmauer von Konstaninopel, 2007; Schreiner, P., Konstantinopel, 2007;
Crowley, R., Konstantinopel 1453, 2009
Konstanz ist
der auf einem vermutlich nach 300 eingerichteten römischen Kastell am Bodensee
beruhende Ort. K. wird (in der Tradition einer spätantiken Militärsiedlung)
zwischen 550 und 590 Bischofsitz. 1237 heißt es Reichsstadt. Von 1414 bis 1418
tagt dort das 16. allgemeine Konzil. 1966 erhält K. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die
Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle,
K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im
mittelalterlichen Konstanz – Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die
Säkularisation des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des
Bistums Konstanz, 1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine
wieder aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15.
Jahrhunderts, ZRG GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer
Kaufhaus, 1954; Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz,
1955; Feger, O., Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die
Entstehung der städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das
Konstanzer Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961;
Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370
bis 1521, 1964; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das
Kriminalverfahren und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold,
K., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer,
H., Konstanz im Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von
Konstanz, 1991; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M.,
Konstanz im 18. Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000;
Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v.
Maurer, H., 2003; Seuffert, R., Konstanz, 2003, 2. A: 2013; Bihrer, A., Der
Konstanzer Bischofshof im 14. Jahrhundert, 2005; Crivellari, F. u. a., Vom
Kaiser zum Großherzog, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege –Lebenswege, 2007; Frenken,
A., Das Konstanzer Konzil (1414-1418), 2013; Das Konstanzer Konzil, hg. v.
Braun, K. u. a., 2013
Konstitution (lat.
[F.] →constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und
auch mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz (im Altertum edictum
Erlass, decretum Entscheidung, rescriptum Antwort) gemeint, seit dem
ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine
Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten
zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung
(→Polen, →Vereinigte Staaten von Amerika).
Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst
Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische
Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft
4 1980, 7; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze,
2007
Konstitutionalismus ist die europaweit in unterschiedlicher Einzelform
erkennbare politische Gestaltung, bei der das Staatsoberhaupt durch eine
(formelle, anfangs oktroiierte, später vom Volk mitbestimmte) Verfassung (→Konstitution)
beschränkt ist (z. B. Entwürfe am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792],
konstitutionelle Monarchie vor allem im 19. Jh., z. B. Spanien
Cortes-Verfassung von Cádiz 1812, Frankreich charte constitutionelle 1814,
Nassau 1814, Baden, Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Belgien
1831 u. s. w.). Die Gesetzgebung wird
zwischen Staatsoberhaupt und Volk geteilt. Die Ausführung der Gesetze verbleibt
dem Staatsoberhaupt, das die Regierung ernennt. Unabhängige Richter sprechen
Recht in seinem Namen. Das Volk ist noch nicht der Souverän.
Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der
konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der
Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen
Konstitutionalismus, 1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973;
Probleme des Konstitutionalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K.
Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U.,
Eigentumsbegriff und Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für
das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum
Verhältnis von Verfassung und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus,
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und
im Deutschen Bund, Z. f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche
Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G.,
Der kirchliche „Konstitutionalismus“, 1988; Die Anfänge des Frühkonstitutionalismus,
hg. v. Dippel, H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und
Frühkonstitutionalismus, 1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des
Vormärz. Der Staat, 1998, 166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999;
Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und
Umsetzung des Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der
Verfassungsstaat vor der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch,
M. u. a., 2002; Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002;
Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Konstitutionalismus
und Verfassungskonflikt, hg. v. Müßig, U., 2006; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Schmidt, R., Verfassungskultur und
Verfassungssoziologie, 2012
Konstitutionelle Monarchie
ist die durch eine Verfassung (→Konstitution) beschränkte →Monarchie.
Vorbild der konstitutionellen Monarchie ist seit der Glorious Revolution von
1689 →England. In →Frankreich werden 1814 die Rechte des Monarchen
durch Regelmäßigkeit der Tagungen des Parlaments, Budgetrecht und
Ministerverantwortlichkeit eingeschränkt. Teils behält in der Folge der
Herrscher alle Rechte, die er nicht ausdrücklich der Volksvertretung gibt,
teils hat er nur die Rechte, die ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit 1918
wird in Europa die k. M. durch die Republik oder durch die parlamentarische
Monarchie ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung der
konstitutionellen Monarchie in Europa, (in) Hartung, F., Volk und Staat in der
deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder
parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37
Konstitutionen von Melfi
ist das von Friedrich II. im September 1231 für das Königreich Sizilien
erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh. lat. liber [M.] augustalis). Es beruht auf
römischem, byzantinischem, langobardischem, normannischem, fränkischem,
arabischem sowie kirchlichem Recht und gliedert sich in drei Bücher mit 74, 49
und 81 Konstitutionen (später insgesamt 253 bzw. 291), von denen knapp 80
Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II., Wilhelms II. und Friedrichs II.) beruhen und nur etwa ein Fünftel völlig neu geschaffen
wird. Inhaltlich werden besonders das Verfahrensrecht, das Staatsorganisationsrecht
und das Strafrecht erfasst. Die K. haben bis in die erste Hälfte des 19.
Jahrhunderts Bedeutung.
Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475,
Neudruck 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a.,
1973; Buyken, T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973;
Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il
Liber Augustalis, hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico
II, 1988; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v.
Stürner, W., 1996
Konstruktionsjurisprudenz ist die durch
wissenschaftliche Konstruktion Recht gewinnende, vor allem romanistische, aber
auch germanistische und staatsrechtliche Jurisprudenz des 19. Jh.s. →Begriffsjurisprudenz
konstitutiv (begründend)
konstruktiv (aufbauend)
Konstruktives Misstrauensvotum ist die Bestimmung der Verfassungen Württemberg-Badens
(1947), Württemberg-Hohenzollerns, Nordrhein-Westfalens und des deutschen
Grundgesetzes (1949), nach der das Parlament bzw. der Bundestag einem Ministerpräsidenten
bzw. Bundeskanzler nur dann das Misstrauen aussprechen kann, wenn er
gleichzeitig mit Mehrheit einen neuen Ministerpräsidenten bzw. Bundeskanzler
wählt. Der Gedanke des konstruktiven Misstrauensvotums wird seit 1927 erörtert
(Herrfahrdt, Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend) und für das
Grundgesetz von 1949 von Carlo Schmid besonders unterstützt. In der
Bundesrepublik Deutschland erstmals tatsächlich verwirklicht wird es 1956 in
Nordrhein-Westfalen (Sturz Karl Arnolds).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Konsul (lat.
[M.] →consul) ist schon im altrömischen Recht ein
Höchstmagistrat. Im Hochmittelalter werden die Ratsherren als (lat. [M.Pl.])
consules (Italien um 1100) bezeichnet. In der Neuzeit ist K. der Vertreter
eines Staates in einem anderen Staat. 1799 bezeichnet sich Napoleon als erster
K. Frankreichs.
Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6, 11, 14, 23; Köbler,
DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, (in) Bibliothèque de l’Ecole des
Chartes 121 (1963), 226; Brieger, A., Die Jurisdiktion der römischen Konsuln,
Diss. jur. Bonn 2007
Konsum (M.)
VerbrauchLit.:
Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsumpolitik, hg. v. Berghoff, H., 1999;
Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und Sozialmoral, 2001; Haupt, H., Konsum
und Handel, 2003; North, M., Genuss und Glück des Lebens – Kulturkonsum im
Zeitalter der Aufklärung, 2003; Konsum – Konsumgenossenschaften in der DDR,
bearb. v. Ludwig, A., 2007; Pohl, H., Aufstieg und Niedergang der deutschen
Konsumgenossenschaften, 2007; Die bundesdeutsche Massenkonsumgesellschaft
1950-2000, 2007; König, W., Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft, 2008, 2.
A. 2013; Torp, C., Konsum und Politik in der Weimarer Republik, 2011
Konsument (M.)
Verbraucher
Konsumentenschutzgesetz ist das dem Schutz des Verbrauchers dienende Gesetz. Solche
Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh., insbesondere seit dem letzten
Drittel des 20. Jh.s.
Konsumgenossenschaft ist eine nach englischem Vorbild (Anfänge seit etwa 1770,
Verstetigung seit etwa 1840) seit dem späteren 19. Jh. (seit etwa 1860) zur
Verbilligung des Gütererwerbs der Handwerker und Arbeiter gebildete →Genossenschaft
von Verbrauchern. Im späteren 20. Jh. erweisen sich die Konsumgenossenschaften
(1969 coop) als zu unproduktiv, so dass der inzwischen entstandene Konzern
1990 in Teilbereichen verkauft wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und Dividende,
1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999; Pohl, H., Aufstieg
und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007; Konsum - Konsumgenossenschaften
in der DDR, bearb. v. Ludwig, A., 2007
Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei Gesamtforderung und Gesamtschuld
der Ausschluss einer weiteren Klage eines anderen Gläubigers oder gegen einen
anderen Schuldner durch die (lat.) →litis contestatio (F.) bezüglich
einer (lat. [F.]) →actio eines Gläubigers oder gegen einen Schuldner.
Lit.: Kaser § 56 II
Kontinuität ist
allgemein die Fortdauer, im besonderen die Fortdauer römischer Gegebenheiten im
Frühmittelalter. Diese ist streitig. Deswegen muss im Einzelfall untersucht
werden, ob eine frühmittelalterliche Erscheinung aus dem römisch-christlichen
Bereich oder aus dem heidnisch-germanischen Bereich kommt oder in der Zeit
selbst erst neu entstanden ist. Bei Veränderungen im politischen Bereich
besteht aus Sachzwängen heraus vielfach Kontinuität der rechtlichen
Bestimmungen (z. B. 1918, 1933, 1945), so dass z. B. die Magna Charta in
Großbritannien seit 1215, der Code civil in Frankreich seit 1804, das ABGB in
Österreich seit 1811 oder das BGB in Deutschland seit 1900 ungeachtet einzelner
Veränderungen als solche gelten.
Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969;
Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuità nella Storia
del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den
Geisteswissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg.
v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990
Kontokorrent ist
die laufende Rechnung zwischen zwei Beteiligten. Einen Ansatz hierfür liefert
bereits das in Rom bekannte Kassenbuch. Bedeutsam wird die laufende Rechnung
aber erst in Oberitalien im 13. und 14. Jh., im Heiligen römischen Reich im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K.
seit dem 19. Jh. angesehen.
Lit.: Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen
Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die Geschichte der
Forderungsverrechnung, 1928
Kontrahierungszwang ist die rechtliche Verpflichtung, eine Vereinbarung
abzuschließen. Der K. widerspricht der Privatautonomie. Er wird in engen
Grenzen im 20. Jh. anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das mittelalterliche
Stadtrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kontrakt (1465,
lat. [M.] →contractus) ist der →Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 45; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Kontraktualismus ist die Lehre zur Begründung
staatlicher Rechtsordnung auf Vertrag seit der Aufklärung (z. B. Jean-Jacques
Rousseau, Le contrat social, 1762).
Kontrollrat →Alliierter
Kontrollrat
Kontroverse (F.) Meinungsverschiedenheit
Kontumazialverfahren ist das bei Ladungsungehorsam (lat. [F.]
contumacia) eintretende Verfahren des klassischen römischen und neuzeitlichen
Verfahrensrechts. →Versäumnisverfahren
Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966;
Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter,
Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959
Konvaleszenz ist
das nachträgliche Wirksamwerden eines nicht oder nicht voll wirksamen Geschäfts
im römischen und gemeinen Recht.
Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher, D.,
Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987
Konventionalstrafe ist die bereits im römischen Recht als Fall der →Stipulation
mögliche Vertragsstrafe.
Lit.: Kaser § 40 I 4b
Konversion ist
die schon dem römischen Recht bekannte Umdeutung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts.
Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des
Rechtsgeschäfts, 1980
Konzentrationslager ist ein wohl dem spanischen Ausdruck campos reconcentrados
nachgebildetes Wort. In campos reconcentrados (campos de concentración) hält
Spanien seit 1895 im zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg kubanische Guerrilleros
und deren Angehörige gefangen. Am Ende des 19. Jh.s errichtet England im
südafrikanischen Burenkrieg „laagers“ bzw. concentration camps für die
Angehörigen der Burenguerilleros. In der Sowjetunion, in der 1921 bereits rund
50 Zwangsarbeitslager bestehen, durchlaufen zwischen 1929 und 1953 etwa 18 Millionen
Menschen Lager, aus denen mehr als 4,5 Millionen Menschen nicht zurückkehren.
Seit 1933/1934 entstehen durch das Deutsche Reich etwa 60 K. (z. B. Auschwitz,
Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau (22. 3. 1933), Neuengamme, Ravensbrück,
Sachsenhausen), in denen 1934 etwa 45000 und 1938 etwa 60000 Menschen
untergebracht sind (1944 in Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden
zu regierungsgestützten planmäßigen Vernichtungslagern aller missliebigen
Fremdvölkischen gemacht, in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein
staatsabträgliches Verhalten zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit
und Mord vernichtet werden (möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen
Opfer).
Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Broszat, M., Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, 1970; Richardi,
H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J.,
Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg.
v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Buchenwald, 1998;
Konzentrationslager Buchenwald, 1998; Wippermann, W., Konzentrationslager,
1999; Orth, K., Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager,
1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v. Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ
der Gestapo, 2000; Orth, K., Die Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen
und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u.
a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000;
Friedler, E. u. a., Zeugen aus der Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die
sowjetischen Konzentrationslager, hg. v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B.,
Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Steinbacher, S.,
Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach Langenstein, 2004; Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff.
2005ff.; … und wir hörten auf, Mensch zu sein, hg. v. Mayer, M., 2005; Fings,
K., Krieg, Gesellschaft und KZ – Himmlers SS-Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a.,
Der Ort des Terrors, Bd. 1ff. 2005ff.; Konzentrationslager im Rheinland und in
Westfalen 1933-1945, hg. v. Schulte, J., 2005; Dirks, C., Das Verbrechen der
anderen, 2006; Grabher, M., Irmfried Eberl, 2. A. 2006; Kirschner, A., Salas
Geheimnis, 2008; Sommer, R., Das KZ-Bordell, 2009; Heise, L., KZ-Aufseherinnnen
vor Gericht, 2009; Encyclopedia of Camps and Ghettos, hg. v. Megargee, G, 2009;
Concentration Camps in Nazi Germany, hg. v. Caplan, J. u. a., 2010; Wiedemann,
F., Alltag im Konzentrationslager Mittelbau-Dora, 2010; Cramer, J., Der
Lüneburger Prozess gegen Wachpersonal der Konzentrationslager Auschwitz und
Bergen-Belsen, 2011; Greiser, A., Der Kommandant, 2011; Weise, N., Eicke, 2013;
Berger, S., Experten der Vernichtung, 2013
Konzentrationsmaxime ist im neuzeitlichen Verfahrensrecht der bereits im
gemeinen Recht sichtbare, auf Konzentration gerichtete Verfahrensgrundsatz,
der den Ablauf des Verfahrens durch Konzentration auf möglichst wenige Termine
beschleunigen soll.
Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975¸ Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004
Konzern ist
im Wirtschaftsrecht des (letzten Viertels des) 19. Jh.s und des 20. Jh.s die
unter Wahrung der rechtlichen Selbständigkeit erfolgende Zusammenfassung eines
herrschenden und mindestens eines abhängigen Unternehmens (Unterordnungskonzern)
oder mehrerer rechtlich selbständiger, nicht von einander abhängiger
Unternehmen (Gleichordnungskonzern) unter einheitlicher Leitung. Mit der
Internationalisierung der Wirtschaft tritt der große multinationale K. in den
Vordergrund. Den Missbrauch soll in Deutschland das Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (27. 7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich, V.,
Konzernrecht, 8. A. 2005; Dettling, H., Die Entstehung des Konzernrechts im
Aktiengesetz von 1965, 1997; Ellenberg, S., Herrschaft und Reform, 2012
Konzentrationsmaxime
ist die der Beschleunigung des Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst
wenige Termine dienende Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird.
Lit.:
Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende System, das für die
Entstehung einer juristischen Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung)
des Staates erfordert. Es wird durch den liberalen Grundsatz der freien
Körperschaftsbildung (System der Normativbestimmungen) abgelöst (Österreich
1870).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 217; Dörr, C.,
Vom Konzessionszwang zum Normativrecht, 2013
Konzil (lat.
[N.] concilium) (oder →Synode, Versammlung) ist im
katholischen Kirchenrecht das kollegiale, nicht ständige Organ zur Behandlung
kirchlicher Angelegenheiten. Das K. lässt sich seit der zweiten Hälfte des 2.
Jh.s n. Chr. nachweisen. Allgemeine (ökumenische) Konzile (bisher 21) finden
seit Nikäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451) statt
(Konstantinopel 553, Nikäa [II] 787, Konstantinopel 869, Konstantinopel 880. weitere
wichtige Konzile sind die vier Laterankonzile von 1123, 1139, 1179 und 1215,
das 16. ökumenische K. von Konstanz von 1414-1418, das 17. ökumenische K. von
Basel (1431-1437), das 19. ökumenische K. von Trient (1545-1563), das erste
Vatikanische K. (1869-1870) sowie das zweite Vatikanische K. von 1962-1965. Sie
treffen meist richtungweisende Beschlüsse.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v.,
Conciliengeschichte, Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine
Konziliengeschichte, 1959, 8. A. 1969; Tangl, G., Die Teilnehmer an den
allgemeinen Konzilien des Mittelalters, 1922; Conciliorum Oecumenicorum
Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr, K., Kirche und Konzil bei
Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten Kirche, 1979; Sieben H., Die
Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984; Dekrete der ökumenischen
Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Das Konzil von Aachen, hg. v.
Willjung, H., 1998; Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Reform, 2000;
Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in
Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des zweiten Konzils von Nizäa (787),
2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Sieben,
H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien, 2005; Boockmann,
H./Dormeier, H., Konzilien, Kirchen- und Reichsreform (1410-1495), 2005; The Oecumenical
Councils, hg. v. Alberigo, G. u. a., 2006; Die Konzilien von Pisa (1409),
Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. Müller, H. u. a., 2007;
Concilium universale Nicaenum secundum, hg. v. Lamberz, E., 2008; Minnich, N.,
Councils of the Catholic Reformation, 2008; Müller, H., Das Basler Konzil
(1431-1449) und die europäischen Mächte, HZ 293 (2011), 593; DIe Konzilien der
karolingischen Teilreiche 875-911, hg. v. Hartmann, W. u. a., 2012
Konziliarismus ist in der katholischen Kirche die am Ende des 14. Jh.s
entstehende Bewegung, die das →Konzil zur höchsten Gewalt der Kirche zu
machen versucht. Der K. kann sich nicht durchsetzen.
Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren Theorie,
Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der Konziliarismus,
HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen Schisma, 1990; Das
Ende des konziliaren Zeitalters, hg. v. Müller, H., 2012
Konzilsappellation ist der wohl seit der Spätantike bekannte Versuch, gegen
eine Entscheidung des Papstes →Appellation an ein →Konzil
einzulegen. Die K. kommt, ohne durchschlagende Erfolge, während des gesamten
Hochmittelalter und Spätmittelalters häufiger vor.
Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein
allgemeines Konzil, 1978
Kopenhagen gelangt
1167 als Fischersiedlung vom König von Dänemark an den Bischof von Seeland.
1254 erhält der Ort Stadtrecht. 1416 kommt er an den König zurück. 1479 wird er
Sitz einer Universität.
Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981;
Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v.
Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff.
Kopernikus (Thorn 1473-Frauenburg 1543), Domherr,
Arzt, Jurist, Administrator, erweist mit seinen auf antiken griechischen
Quellen fussenden Beobachtungen (De revolutionibus orbium coelestium, 1543, Von
den Umdrehungen der himmlischen Welten), dass die nicht die Erde der
Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, sondern die Sonne.
Lit.: Biographia Copernicana,
bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004; Bieri, H., Der Streit um das kopernikanische
Weltsystem im 17. Jahrhundert, 2. A. 2008
Kopfsteuer ist
eine verschiedentlich verwendete Art der →Steuer, bei welcher der Mensch
(Kopf) als solcher die Steuergrundlage bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher
Kopialbuch ist
ein Sammelband von Abschriften von Urkunden. Das K. erscheint im
Frühmittelalter in kirchlichen Kanzleien und im Hochmittelalter in
landesherrlichen Behörden.
Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und
Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957)
Köppen,
Johann (Treuenbrietzen 1531-Berlin 1611) wird nach dem Rechtsstudium in
Wittenberg und Frankfurt an der Oder Rechtslehrer in Frankfurt an der Oder,
Kammerrat, Richter und Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für die Kurmark
und die Neumark (1590, gegliedert nach Personen, Contracten, Erbrecht,
Strafrecht, Verfahrensrecht) scheitert.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973
Koran (arab.
[M.] Lesung) ist das in Reimprosa abgefasste heilige, die Offenbarung des
Propheten →Mohammed (um 569-632) (608-632) enthaltende Buch des →Islams
(114 Suren bzw. Kapitel). Der K. ist Grundlage des islamischen Glaubens und Rechtes.
Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 1975, 3. A. 1983, 10.
A. 2008, 11. A. 2010; Nagel, T., Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der Koran,
1999, Thyen, J., Bibel und Koran, 2000; Der Koran und sein religiöses und
kulturelles Umfeld, hg. v. Nagel, T., 2010; Judaism, Christianity and Islam in
the Course of History, hg. v. Gall, L. u. a., 2010
Korea (1895
Gerichtsverfassungsgesetz, 1905 Strafgesetzbuch, 1910 Korea von Japan
annektiert bis 1945)
Lit.: Eggert, M./Plassen, J.,
Kleine Geschichte Koreas, 2005; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v.
Hilgendorf, E., 2010; Einführung in das koreanische Recht, hg. v. Korea
Legislation Research Institute, 2010; Kim, D., Grundlagen der strafrechtlichen
Aufarbeitung von DDR-Unrecht und Möglichkeiten ihrer Übertragung auf die
Bewältigung nordkoreanischen Systemunrechts, 2012
Kormcaja (Kniga) (F.)
(Steuermannsbuch?) ist das vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf
byzantinischen Grundlagen aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts
(Fassung des 11. Jh.s mit 14 Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in
Moskau erstmals gedruckt.
Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian Canon
Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der
Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Körper ist die einen Inhalt einschließende Hülle einer 8räumlichen)
Gegebenheit (z. eines Menschen, Tieres oder Feuerwerks).
Lit.:
Tyszka, P., The Human Body in Barbarian Laws c. 500-c. 800, 2014
Körperkraft ist
verschiedentlich ein rechtlich bedeutsames Merkmal.
Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H.,
Kraft und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3
Körperschaft (1800) ist die mitgliedschaftlich
verfasste, vom Wechsel der Mitglieder unabhängige Personenvereinigung. Nach
älteren Ansätzen im römischen Altertum und im Mittelalter sowie in der
evangelischen Staatskirchenlehre des 17. Jh.s (so Endrös) setzt sich die Figur
der →juristischen Person bzw. Körperschaft in der ersten Hälfte des 19.
Jh.s (so Forsthoff) durch (→Beseler). Streitig ist die Art des
Verständnisses (Fiktion oder realer Organismus). Die K. kann dem öffentlichen
Recht oder dem privaten Recht angehören. Der Personenverband (K.?) wird schon
in älterer Zeit durch Symbole dargestellt (z. B. Krone, Lanze, Thron,
Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). In Deutschland wird 1920 die Körperschaftsteuer
für juristische Personen von der seit 1799 entwickelten Einkommensteuer
verselbständigt.
Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von
Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die
Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren
Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Endrös, A.,
Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts“,
1985; Landau, P., Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier
Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, FS A. Erler,
1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986;
Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999), 314;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Körperschaftsteuer ist die Körperschaften
betreffende Einkommensteuer (2006 rund 5 Prozent des Steueraufkommens in
Deutschland). Sie entsteht in den deutschen Bundesstaten nach 1871 durch
Einbeziehung der Gesellschaften in die Einkommensteuer. Dem folgt das Deutsche
Reich 1913 und 1916/1918. 1920 wird ein besonderes Körperschaftsteuergesetz geschaffen.
Lit.: Potthast, T., Die
Entwicklung der Körperschaftsteuer, 2008
Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines
Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an denkbar. Im altrömischen
Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich entweder mit ihm
vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem anderen (nur ?) ein
Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund Kupfer (lat. [F.]
poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein
sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidigung)
antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist
Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher)
Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch →Buße
ausgeglichen. Im Hochmittelalter erscheint sie als Straftatbestand (Lähmung,
blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis Carolina
(1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche
Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht
Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K.,
fahrlässige K.).
Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158;
Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die
Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920),
75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972;
Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Korn, F., Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C.,
Körperverletzungsdelikte, 2004
Korporation (F.)
→Körperschaft (E. 19. Jh. auch Studentenverbindung)Lit.: Feistl, M., Eigentumsverhältnisse an Corpshäusern,
Diss. jur. Regensburg 2010
Korruption (Verderbnis) ist das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen
Geld, in eleganteren Fällen geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwidrige
Verhalten von Verpflichteten bzw. die Erlangung eines privaten Vorteils durch
Missbrauch eines öffentlichen Amtes. K. findet sich an vielen Orten zu vielen
Zeiten (z. B. Vermittlung einer Stelle als Universitätsassistent als Entgelt
für eine Schmeichelbiographie, Verbeamtung eines Betrügers auf Antrag eines
Lügners als Entgelt für eine Wahl zum Institutsvorstand, Überlassung einer
Schriftenreihe einer Klinik als Entgelt für die Habilitationsvermittlung,
Verbeamtung gegen Festschrift u. s. w.).
Wer sie bekämpft und sich nicht selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit
allen Mitteln verfolgt. In Altertum und Mittelalter ist K. (z. B. Ämterkauf) (als
personenorientierte Mikropolitik) selbstverständlich, mit der Trennung von
öffentlichem Bereich und privaten Interessen wird sie vielfach grundsätzlich (bei
anderen öffentlich) abgelehnt (, im eigenen Interesse aber tatsächlich
selbverständlich geübt).
Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics, 1910;
Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J. van,
Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner, J.,
The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller, W.,
1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political
Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg,
B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004; Engels, I.,
Politische Korruption in der Moderne, HZ 282 (2006), 313; Durynek, J.,
Korruptionsdelikte (§§ 331ff. StGB), 2008; Geld - Geschenke - Politik -
Korruption im neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, J. u. a., 2009; Rosillo
López, C., La corruption à la fin de la République romaine, 2010; Baumann, A.,
Korruption und Visitation am Reichskammergericht, 2012; KLein, A., Korruption
und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik, 2014
Korsika ist
die im nordwestlichen Mittelmeer gelegene Insel, die seit 227 zur römischen
Provinz Sardinien gehört. Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern,
Langobarden, Sarazenen und Mauren setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768
gibt Genua K. an Frankreich. 1982 erhält das demnach im Recht nacheinander
römisch, genuesisch und französisch geprägte K. in Frankreich Autonomie.
Lit.: Histoire de la Corse, hg. v. Arrighi, J., 1971;
Grimaldi, S., La Corse, 1988
Kosovo ist das 2008 von Serbien verselbständigte, von Albanern bewohnte Gebiet
des ehemaligen Jugoslawien.
Lit.:
Schmitt, O., Kosovo, 2008; Gritsch, K., Inszenierung eines gerechten Krieges?,
2010; Das neue Kosovo, hg. v. Džihic, V. u. a., 2013
Kossuth, Lajos (Monok/Ungarn 19. 9. 1802-Turin 20. 3. 1894) wird nach dem
Studium der Rechtswissenschaft in Sárospatak und Pest Advokat, Journalist und
Abgeordnetenvertreter (1837 vier Jahre Festungshaft wegen Hochverrrats), 1848
Finanzminister Ungarns, 1849 nach Unabhängigkeitserklärung vom 14. 4. 1849 in
Ungarn Reichsverweser. Am 11. 8. 1849 tritt er zurück und flieht nach der
Kapitulation in das osmanische Reich, 1852 nach London und (nach Bekanntschaft
mit Giuseppe Mazzini) 1861 nach Turin.
Lit.:
Lajos Kossuth, hg. v. Fischer, H., 2007
Kosten sind
die Werte, die für die Beschaffung oder Herstellung eines Gutes aufgewendet
werden. Bereits im →Kognitionsverfahren des klassischen römischen Rechtes
trägt der Unterliegende die K. des Verfahrens. Dieser Grundsatz ist in der
Neuzeit wieder erkennbar, wobei im 18. Jh. aus aufgeklärten Erwägungen das sog.
→Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die →Prozesskostenhilfe
entsteht.
Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Kostvertrag ist
im Mittelalter der Vertrag über Verköstigung, Kleidung und Ausbildung eines
Kindes.
Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen Stadtbüchern,
FS H. Lentze, 1969, 137
KPD (Kommunistische
Partei Deutschlands) →Kommunismus
Kraftfahrzeug ist das Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an
Geleise gebunden zu sein. Das mit Benzin getriebene Kraftfahrzeug wird 1885
erfunden und 1886 von Carl Benz vorgeführt. In Frankreich (1893 etwa 500
Automobile, 1900 2897 Automobile und 11252 Motorräder) wird am 14. 8. 1893 eine
Pariser Ordonnance über den Verkehr mit Motorfahrzeugen erlassen. In
Deutschland, wo 1902 4738 Kraftfahrzeuge (Automobile) für den öffentlichen
Straßenverkehr zugelassen sind, werden 1909 durch das Kraftverkehrsgesetz (3.
5. 1909) zum 1. 10. 1909 die →Gefährdungshaftung für den Halter eines
Kraftfahrzeugs und der Straftatbestand der Unfallflucht des
Kraftfahrzeugführers (§ 22 KFG) eingeführt. Um 1935 ist wegen der schwächeren
Kaufkraft der Bevölkerung die Hälfte der Motorräder weltweit im Deutschen
Reich zugelassen. Nach 1960 werden Automobile
in Deutschland zum Massenartikel für jedermann.
Lit.: Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow,
O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Schubert, W., Das Auomobil ist der
Anarchist unter den Gefährten, ZRG GA 123 (2006), 218; Ausschüsse für
Luftrecht, Luftschutzrecht, Kraftfahrzeugrecht und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert,
W., 2009; Steinbeck, F., Das Motorrad, 2012; Automobilindustrie 1945-2000, hg.
v. Tilly, S. u. a., 2013
Kraichgau
Lit.: Adam, T., Kleine Geschichte des Kraichgaus, 2010
Krain ist
die nahe den Karawanken gelegene Landschaft, die nacheinander von Römern,
Langobarden und Slowenen besiedelt wird und im 8. Jh. an die Bayern bzw.
Franken gelangt (1040 Markgrafschaft). Über verschiedene Grafengeschlechter
fällt K. 1282 und nach Verpfändung endgültig 1335 an die Grafen von →Habsburg.
1394 wird K. Herzogtum. Am 29. 10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit
Laibach an Jugoslawien, von dort 1991 an Slowenien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S.,
Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas,
1987; Kos, D., In Burg und Stadt, 2006
Krakau an
der oberen Weichsel wird 1000 Sitz eines Bischofs und nach der Neugründung nach
Magdeburger Recht (1257) 1320-1611 Hauptstadt →Polens. 1364 wird in K.
eine Universität gegründet. Das Gericht auf der Krakauer Burg (1356?) wird
Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und Dörfer (bis 1791, Urteile
von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K. zeitweise österreichisch.
Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M.,
Der Krakauer Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A.,
Najstarsza ksiega sadu najwyzszego prawa niemickiego na zamku krakowskim, 1936;
Antiquum registrum privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v.
Estreicher, S., 1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1
1965, 474; Pauli, K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der
freien Stadt Krakau nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z
przeszlosci Krakowa, 1989; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri
Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius
supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Schüßler, M.,
Verbrechen in Krakau, ZRG GA 115 (1998), 339; Obladen, M., Magdeburger Recht
auf der Burg zu Krakau, 2005;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Boroda, K., Studenci Uniwersxtetu Krakowskiego, 2010 (21000, mehr als die
Hälfte aus dem Königreich Polen, 10-20 Ürozent Abschlüsse des Bakkalaureats))
Kramer (M.)
Kleinhändler
Krankenhaus ist
die die bloße Aufbewahrung von Kranken im Spital durch den Versuch der
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ersetzende Einrichtung. Das K. setzt
sich im 19. Jh. durch.
Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik,
HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, 1999;
Kumm, R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B., Krankenhaus und
Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003, 2. A.
2012; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S., Vom allgemeinen Krankenhaus
zur Gesundheitsfabrik, 2004; Dross, F., Krankenhaus und lokale Politik
1770-1850, 2004; Der Dienst am Kranken, hg. v. Aumüller, G. u. a., 2007;
Quellen zur Geschichte der Krankenpflege, hg. v. Hähner-Rombach, S., 2008; Homo
debilis, hg. v. Nolte, C., 2009
Krankenkasse →Krankenversicherung
Krankenversicherung ist die private oder soziale Versicherung gegen (die Auswirkungen
bzw. Kosten) einer Krankheit. Die soziale K. ist Teil der Sozialversicherung.
Sie entsteht nach älteren Gemeindekrankenversicherungen, Hilfs- und Unterstützungskassen
(z. B. Armen- und Versorgungskasse Chemnitz 1795), Knappschaftskassen,
Fabrikkrankenkassen oder Innungskrankenkassen im Deutschen Reich 17. 11.
1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsversicherungsverordnung, 20. 12. 1988
Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Krankenkassen.
Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten Krankenversicherung,
1971; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983;
Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz und ihre
Ablösung durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8 (1986), 157;
Reiter, H., Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der
Spitzenverbände der Krankenkassen, 1996
Krankheit ist das Fehlen des natürlichen
Wohlbefindens des Menschen.
Lit.:
Frevert, U., Krankheit als politisches Problem 1770-1880, 1984; Göckenjan, G.,
Kurieren und Staat machen, 1985; Barthel, C., Medizinische Polizey und
medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Schäfer, D.,
Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Müller-Jahncke, F. u. a.,
Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf, S., Heilen außerhalb der
Medizinal-Ordnung, 2004; Korge, M., Kollektive Sicherung bei Krankheit und Tod,
2013
Kranrecht (lat.
ius [N.] geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des
Landesherrn, Auslegen, Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren
anzuordnen.
Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht,
1823, 2. A. 1825, 3. A. 1829, 947, 5. A: 1845
Kranzgeld ist
die Bezeichnung für den Schadensersatzanspruch einer unbescholtenen Verlobten,
die ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet. Dass der Verführer eines
Mädchens dieses heiraten und ausstatten soll, bestimmt bereits 2. Moses 22,16
und danach der →Liber extra und das gelehrte Recht. Später tritt eine
Entschädigung ein, wenn der Verführer das Mädchen nicht heiratet. Im 19. Jh.
wird der Anspruch eingeschränkt, 1996 beseitigt.
Lit.: Gerber, C.(/Cosack, K.), System des Deutschen
Privatrechts, 1848, 17. A. 1895
Krause,
Karl Christian Friedrich Eisenberg (Thüringen) 7. 5. 1781-München 27. 9. 1832
Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl
Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe
Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000;
Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003; Krause, K., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1ff., hg. v. Bach, T. u. a., 2007ff.
Kredit ist
die zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen anderen zur
wirtschaftlichen Verwertung. Der gebräuchlichste Weg der Gewährung von K. ist
das →Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das Kreditwesen ständig erweitert.
Am 5. 12. 1934 wird in Deutschland das Gesetz über das Kreditwesen erlassen. →Bank
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die
Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003; Schönfelder, B., Vom
Spätsozialismus zur Privatrechtsordnung, 2012; Georg, J. v., Die Entstehung des
Kreditwesengesetzes von 1961, 2012; Keding, S., Finanzmarktsteuerung durch
Kreditsicherungsrecht, 2013; Schlütz, F., Ländlicher Kredit, 2013
Kreditderivat ist das am Ende des 20. Jh.s international
entwickelte wichtigste Instrument zur Isolierung und Übertragung eines
Kreditrisikos.
Lit.:
Berg, S., Kreditderivate im deutschen Privatrecht, 2000
Kreditmandat ist der Auftrag, einem Dritten Kredit zu gewähren.
Kreis ist
seit der frühen Neuzeit (1500) im Heiligen römischen Reich eine Gebietskörperschaft (→Reichskreis).
Seit dem 19. Jh. ist K. in deutschen Staaten eine Gebietskörperschaft, die eine
Mehrzahl von Gemeinden zur Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der
Selbstverwaltung zusammenfasst (Landkreis). In Österreich werden ab 1748 nach
dem Vorbild Böhmens in den Kronländern für Kreise zentralstaatliche Kreisämter
eingerichtet, die 1849 in Bezirke untergliedert, aber 1851 zum Teil bzw. 1868
ganz abgeschaffft werden, wobei die Bezirkshauptmannschaften unmittelbar den
Statthaltereien unterstellt werden.
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909;
Hartung, F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910,
Neudruck 1973; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der
Regierungszeit Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis,
1967; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise,
1962; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg
(Amtliche Beschreibung nach Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert
Jahre Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag
Nordrhein-Westfalen, 1988; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1989
Kreisassoziation ist der Zusammenschluss mehrerer Reichskreise zu
gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird 1559 erstmals verwirklicht. Mit der
Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697 erlangt die K. vorübergehend
beachtliche Bedeutung.
Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation, Z. f.
bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation
1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975
Kreisgericht ist
das für einen →Kreis zuständige Gericht (z. B. in Österreich oder der
Deutschen Demokratischen Republik).
Kreisordnung ist
eine für einen oder mehrere →Kreise geltende →Ordnung (z. B.
Preußen 13. 12. 1872, Posen 20. 12. 1828).
Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in Nordrhein-Westfalen,
hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H., Bismarcks Kampf um
die Kreisordnung, 1996
Kreisverfassung ist die Verfassung eines Kreises (Reichskreis, Landkreis).
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die Kreisverfassung
von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen Kreises, Nieders.
Jb. 7 (1930), 1
Kreittmayr (Kreitmeir),
Wiguläus Xaverius Aloysius (1745 Frhr. v.) (München 14. 12. 1705-27. 10. 1790),
Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und
Utrecht und einem Praktikum am Reichskammergericht 1725 (mit 20 Jahren) Hofrat
in Bayern, 1749 Vizekanzler und 1758 Kanzler. Er steht im Mittelpunkt der
zwecks Rechtsvereinheitlichung, Bindung der Richter an das Gesetz und
Abstellung von Missbräuchen in der Mitte des 18. Jh.s vorgenommenen
Gesetzgebung Bayerns. Auf ihn gehen maßgeblich der (lat. [M.])
→Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der →Codex iuris Bavarici
iudiciarii (1753) und der →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756)
zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem verfasst er Grundrisse zum
Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769).
Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium iuris,
1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus
Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a., 1991;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CMBC1756.htm
Kreml (M.)
Wald, Burg
Kremsierer Entwurf
ist der vom im Juli 1848 gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien konstituierten, am
22. 10. 1848 von Wien nach Kremsier (in Mähren [Kromeriz]) verlegten
österreichischen Reichstag erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der zwar
ursprünglich von der Volkssouveränität ausgeht, inhaltlich aber im
Wesentlichen der →pillersdorfschen Aprilverfassung (mit Gewaltenteilung,
Gegenzeichnung der Vollzugshandlung des Kaisers durch den verantwortlichen
Minister, Reichstag bestehend aus Volkskammer [Zensuswahlrecht] und [von
Landtagen und Kreistagen beschickter] Länderkammer, Grundrechtskatalog)
entspricht. Wegen gewaltsamer Auflösung des Reichstags durch die Regierung
zum 4. 3. 1849/17. 3. 1849 auf Grund der Meinungsverschiedenheit über die
Volkssouveränität bleibt der K. E. bloßer Entwurf.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der
Reichstag von Kremsier, 1995
Kremsmünster
Lit.: Die Anfänge des Klosters
Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978
Kreta ist
die Insel im südöstlichen Mittelmeer, die 67 v. Chr. römische Provinz wird und
über Oströmer und Araber 1204/1212 an Venedig fällt. 1645-1649 erobern die
Osmanen (Türken) die Insel. Die 1832 einsetzende Befreiungsbewegung führt
1908/1913 zum Anschluss an →Griechenland.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K.,
Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische
Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004
Kreuz ist
das Sinnbild des Leidens und der Auferstehung des Religionsstifters Jesus
Christus. Es kennzeichnet daneben auch die Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter
werden vielfach Steinkreuze als Erinnerung an den Tod eines Menschen angebracht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und Kreuz
bei den Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T. Klausen,
1964; Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989; Kunz, W., Gipfelkreuze in
Tirol, 2011; Samuelsson, G., Crucifixion in Antiquity, 2011, 2. A: 2013
Kreuzbergurteil ist das vom preußischen Oberverwaltungsgericht 1882
gefällte Urteil, das der →Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der
Wohlfahrtspflege (Untersagung eines Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine
besondere gesetzliche Grundlage dafür vorliegt. Damit wird die Polizei auf den
Schutz von Sicherheit und Ordnung beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers
wird erweitert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kreuznach
Lit.: Massmann, G, Die Verfassung
der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn 1962
Kreuzprobe ist
das Gottesurteil, bei dem sich zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen
aufstellen und die Behauptung dessen als erwiesen angesehen wird, der seine
Arme länger waagrecht halten kann.
Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das
Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84
Kreuzzug ist
die unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes ausgeführte Kriegsfahrt (zur
Eroberung der christlichen Gedenkstätten in Palästina zwischen 1096 und 1270).
1095 ruft Papst Urban II. in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen
Seldschuken bedrohten oströmischen Kaisers die Ritter zum K. auf. 1099 wird
Jerusalem erobert. In den folgenden 6 Kreuzzügen wird nur die islamische
Rückgewinnung verzögert. Dessenungeachtet belebt der K. den Handel und
beeinflusst in Randbereichen auch das Recht (Ritterorden, Kreuzfahrerstaaten,
Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum
Schuld- und Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht u. s. w. 62 (1931), 229; Grousset, R.,
Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949;
Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya,
A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 1965,
9. A. 2000, 10. A. 2005; The Atlas of the Crusades, hg. v. Riley-Smith, J.,
1991; Housley, N., The Later Crusades, 1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993;
Hehl, E., Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L.,
Heerführertum und Erobererrecht auf dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995),
316; Richard, J., Histoire des croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first
Crusaders 1095-1131, 1997; Die Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a.,
1997; Riley-Smith, J., Historische Geschichte der Kreuzzüge, 1999; The
Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, hg. v.
Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002, 4. A. 2008, 5. A. 2010, 6.
A: 2014; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience
of Crusading, Bd. 1f. hg. v. Bull, M. u. a., 2003; Oberste, J., Der Kreuzzug
gegen die Albigenser, 2003; Thorau, P., Die Kreuzzüge, 2004; Hechelhammer, B.,
Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II., 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während
des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005; Ebendorfer, T., Historia
Jerusalemitana, hg. v. Zimmermann, H., 2006; Housley, N., Contesting the
Crusades, 2006; The Seventh Crusade, hg. v. Jackson, P., 2007; Constable, G.,
Crusaders and Crusading in the Twelfth Cetury, 2008; Projets de Croisade (v.
1290-v. 1330), hg. v. Paviot, J., 2008; Phillips, J., Holy Warriors, 2009; Wagner,
T., Die Seuchen der Kreuzzüge, 2009; Seitz, A., Das lange Ende der
Kreuzfahrerreiche, 2010
Krieg ist
die Austragung von Streitigkeiten zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt. Die
Anfänge des Krieges reichen in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit dem Altertum
stellt sich dabei die Frage nach dem →gerechten Krieg. Angesichts der
Gefährlichkeit der von der Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in
der Neuzeit bestimmte Erscheinungen des Krieges als menschenrechtswidrig angesehen.
Seit dem 19. Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über unzulässige
Maßnahmen (Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der Verwundeten
der Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche
des Landkriegs, Haager Landkriegsordnung von 1907). Durch den →Kelloggpakt
(1928) wird der K. allgemein geächtet, aber nicht beseitigt.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567; Köbler, WAS; Görris, G., De
denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht der Entscheidung über Krieg
und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Rosenau, P., Wehrverfassung
und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss. jur. Bonn 1959; Pietzcker,
F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964), 318; Angermeier, H., Die
Reichskriegsverfassung in der Politik der Jahre 1679-1681, ZRG GA 82 (1965),
190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus unter den sächsischen Kaisern,
Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche Reich und der zweite
Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985; Goldstein,
E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; La guerre, hg. v.
Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N., Krieg und Frieden im Mittelalter, 1997;
Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C., Krieg und Verbrechen, 1997; Krieg ist ein
Gesellschaftszustand, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 1998; Die
Wiedergeburt des Krieges, hg. v. Kunisch, J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im
Mittelalter, hg. v. Brunner, H., 1999; Tuck, R., The rights of war and peace,
1999; Krieg im Mittelalter, hg. v. Kortüm, H., 2000; Staat und Krieg, hg. v.
Rösener, W., 2000; Wie Kriege entstehen, hg. v. Wegner, B., 2000; Die
Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter und in der frühen
Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten der Weltgeschichte, hg. v.
Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v. Wegner, B., 2. A. 2003;
Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M. u. a., 2003; Wolfrum, E.,
Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im Bild, hg. v. Arbeitskreis
historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg, Nation und Konfession, 2004;
Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J., Kriegskunst in Europa, 2004;
Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004; The Cambridge History of Warfare, hg.
v. Parker, G., 2005; Chaniotis, A., War in the Hellenistic World, 2005; Krieg –
Gesellschaft – Institutionen, hg. v. Meißner, B. u. a., 2005; Prietzel, M.,
Kriegführung im Mittelalter, 2006; Prietzel, M., Krieg im Mittelalter, 2007;
Stöver, B., Der kalte Krieg, 2007; Ganschow, T., Krieg in der Antike, 2007;
Etzersdorfer, I., Krieg, 2007; Formen des Krieges – von der Antike bis zur
Gegenwart, hg. v. Beyrau, S. u. a., 2007; Flaig, E., Heiliger Krieg, HZ 285
(2007), 265; Zeillinger, G., Lebensformen im Krieg, 2007; Klesmann, B., Bellum
solemne, 2007; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008; Der siebenjährige
Krieg, hg. v. Externbrink, S., 2008; Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der
Antike, hg. v. Burrer, F. u. a., 2008; Kriegsgreuel, hg. v. Neitzel, S. u. a.,
2008; Heilige Kriege, hg. v. Schreiner, K., 2008; Krieg, Militär und Migration
in der frühen Neuzeit, hg. v. Asche, M. u. a., 2008; Kortüm, H., Der Krieg im
Mitttelalter, 2009; Heuser, B., Den Krieg denken, 2009; Clauss, M.,
Kriegsniederlagen im Mittelalter, 2009; Dieckie, I. u. a., Geschichte der
Seekriege, 2010; Sidebottom, H., Der Krieg in der antiken Welt, 2008; Clauss,
M., Kriegsniederlagen im Mittelalter, 2010; Kortüm, H., Kriege und Krieger,
2010; Die Kriege des 20. Jahrhunderts, hg. v. Black, J., 2010; Berger, D.,
Krieg und Völkerrecht am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 2010; Imperialkriege
von 1500 bis heute, hg. v. Bührer, T. u. a., 2011; Emmerich, A., Der Kalte
Krieg, 2011; Urban, W., Matchlocks to Flintlocks, 2011; Rechtsprechung zur
Bewältigung von Kriegsfolgen, hg. v. Jörn, N., 2012; Schuirmann, J.,
Rahmenbedingungen der medialen Kriegsberichterstaqttung, 2012: Parrott, D., The
Business of War, 2012; Airy Curtains in the European Ether - Broadcasting and
the Cold War, hg. v. Badenoch, A. u. a., 2013; Kleinschmidt, H.,
Diskriminierung durch Vertrag und Krieg, 2013; Karsten, A., Große
Seeschlachten, 2013
Kriegsartikel sind in der Neuzeit kriegsherrliche Gebote für die Soldaten (Schweden
1632, Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im 19. Jh. tritt das
Militärstrafgesetzbuch teilweise an die Stelle der K.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892
Kriegsbefestigung oder Streitbefestigung ist die deutsche Bezeichnung für die
(lat.) →litis contestatio (F.) des (römischen) Verfahrensrechts.
Kriegsentschädigung ist die Entschädigung des Siegers eines Krieges durch den
Besiegten wegen der erlittenen Schäden. Ansätze hierzu kennen Altertum und
Mittelalter. Francisco de Vitoria (vor 1546) und Hugo →Grotius (1624)
erlauben die K. durch Beutemachen. Seit dem 18. Jh. enthalten Friedensverträge
häufig eine Verpflichtung zu einer K. (Reparation).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kriegserklärung ist die Erklärung eines Krieges durch einen Staat gegenüber
einem anderen Staat. Sie findet sich schon im Altertum und im Mittelalter, ohne
als stets notwendig angesehen zu werden. 1907 wird die K. als verpflichtend
festgelegt.
Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung, Diss.
jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichskriegserklärung im 17. und 18.
Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007
Kriegsgefangener ist der in einem Krieg in die Gefangenschaft des Gegners
geratene Mensch. Ursprünglich ist er Feind bzw. Beute und damit weitgehend
rechtlos. Erst seit dem späteren 18. Jh. entwickeln sich Rechte des Kriegsgefangenen
(Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager Landkriegsordnung (29. 7. 1899)
sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten zu, was durch das Genfer
Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft vom 26. 7. 1929 noch
entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer Abkommen vom 12. 8.
1949).
Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort
Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsgefangenen, 1943; Hinz, J., Das
Kriegsgefangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche
Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000; Hinz, U., Gefangen im
Großen Krieg, 2006; Kriegsgefangene im Europa des ersten Weltkrieges, hg. v.
Oltmer, J., 2006; Scherstjanoi, E., Wege in die Kriegsgefangenschaft, 2010
Kriegsgericht ist das besondere Gericht für Soldaten, später das für Straftaten der
Soldaten während eines Krieges zuständige Gericht. Zu Beginn der Neuzeit
erscheint bei den Landsknechten ein besonderes Gericht des Kriegsschultheißen
und zwölfer Landsknechte. Im 17. Jh. treten Juristen in dieses Truppengericht
ein. In der Folge wird ein stärker verrechtlichtes K. entwickelt (z. B.
Schweden 1632, Deutsches Reich, Militärstrafgerichtsordnung 1898), das jedoch
entarten kann (z. B. zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich).
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg
1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur.
Würzburg 1972
Kriegsministerium ist die in Österreich 1848 nach Übergang zum Ministerialsystem aus dem
1556 gebildeten Hofkriegsrat entstehende Behörde, die 1867 trotz getrennter
Landesverteidigungsministerien in der pragmatischen Angelegenheit des
Kriegswesens für den gesamten Staat Österreich-Ungarn zuständig blieb.
Lit.:
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten, 2001
Kriegsrecht ist
einerseits die Gesamtheit der (erst zu Beginn des 20. Jh.s eindeutig festgelegten)
völkerrechtlichen, im Krieg zwischen den Beteiligten geltenden Rechtssätze und
andererseits die Gesamtheit der innerstaatlichen, für den Kriegszustand
abgeänderten Rechtssätze.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechtes,
1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Kriegsverbrechen ist das während eines Krieges begangene Verbrechen. Seit
dem deutsch-französischen Krieg der Jahre 1870/1871 befassen sich Rechtswissenschaftler
mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen, wobei Gustave Moynier als Präsident
des internationalen Komitess vom roten Kreuz 1872 vergeblich die Errichtung eines
internationalen Gerichtshofs vorschlägt. Die Genfer Konvention des Jahres 1906
enthält in Art. 28 eine Verpflichtung zum Erlass nationaler einschlägiger
Strafbestimmungen. Zwecks Verfolgung Deutscher verfügt Art. 227 des Versailler
Friedensvertrags nach dem ersten Weltkrieg die Einsetzung eines besonderen
Gerichtshofs, doch gelangt der Artikel (samt Auslieferungsbegehren gegen 890
Angeschuldigte) nicht zur Ausführung und werden vor dem Reichsgericht in
Leipzig insgesamt nur vier Angeklagte wegen K. verurteilt (7 Freisprüche). Im
zweiten Weltkrieg könnten sich vielleicht 5 Prozent der 10 Millionen deutschen
Soldaten an K. beteiligt haben. Ab 1945 (Londoner Charta vom 8. August 1945) werden
internationale Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland (36000
Ermittlungsverfahren gegen mehr als 170000 Beschuldigte, Strafverfahren gegen
106178 Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen Verurteilungen [172 wegen Mordes] und
486 Hinrichtungen) und Japan (1946, 1948), seit 1993 (nach Auflösung der
Sowjetunion) mit geringem Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im
jugoslawischen Bürgerkrieg und seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg durchgeführt.
1998 wird von vielen Staaten vor allem für Völkermord ein internationaler
Strafgerichtshof (in Den Haag) vereinbart, dessen Statut aber bisher von den
Vereinigten Staaten von Amerika und China nicht unterzeichnet ist
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsverbrechen
in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a.,
2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003; Wiggenhorn, H.,
Verliererjustiz, 2005; Segesser, D., Recht statt Rache oder Rache durch Recht?,
2010; Scheffer, D., All the Missing Souls, 2012; Hong Kong’s War Crimes Trials,
hg. v. Linton, S., 2013
Kriegsverfahren ist das im Krieg anzuwendende Militärstrafverfahren. Für
dieses wird 1898 im Deutschen Reich die Militärstrafgerichtsordnung geschaffen,
die 1934 abgeändert und 1938 (Kriegsstrafverfahrensordnung) erheblich
vereinfacht wird.
Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutschland,
Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der deutschen ordentlichen
Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967
Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende Wirtschaftsrecht, das z. B. die
knappen Güter rationiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
kriminal (die
Straftat betreffend, z. B. Österreich 1788 Allgemeine Kriminalgerichtsordnung,
Preußen 1805 Kriminalordnung)
Lit.: Bellmann, E., Die internationale kriminalistische
Vereinigung (1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die
Kriminalwissenschaften, 1999
Kriminalistik (Verbrechenskunde)
Lit.: Fallanalyse und Täterprofil,
hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003; Becker, P., Dem Täter auf der Spur, 2005
Kriminalität ist
die Begehung von Straftaten (Straffälligkeit). Sie setzt eine Bestimmung von
Straftaten voraus. Seitdem ist jeder Verstoß gegen ein Straftatverbot grundsätzlich
K. Die rechtstatsächliche Erfassung der soziologisch immer bedeutenderen K.
ist Gegenstand der historischen Kriminologie (Verbrechenskunde). Während des
Modernisierungsvorgangs des 19. Jh.s steigt die K. in den industriellen Ballungsgebieten
(z. B. in Baden) deutlich an. Frauen treten bisher erkennbar seltener
kriminell hervor (am ehesten Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte, Aussagedelikte).
Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen Kriminalrechtes,
1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie der deutschen
Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des
römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern,
1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie, Kriminolog.
Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Blasius, D.,
Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, 1976; Blasius, D., Kriminalität und
Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in der DDR, 1981; Blasius, D.,
Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom
Rechtsstaat ins Desaster, (in) Kriminalistik 1989, 335; Verbrechen, Strafen und
soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van, 1990; Schwerhoff, G., Köln im
Kreuzverhör, 1991; Jütte, R., Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A.,
Kriminalistik im 19. Jahrhundert, 1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und
Kriminalität, 1994; Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten
1850-1914, 1996; Schüßler, M., Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA
116 (1999), 482; Blastenbrei, P., Kriminalität in Rom 1560 – 1585, 1995; Frank,
M., Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern,
hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und
Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246; Wagner, P., Volksgemeinschaft ohne
Verbrecher, 1996; Eibach, J., Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681;
Kolmer, L., Gewalttätige Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff,
G., Aktenkundig und gerichtsnotorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes
Verhalten, hg. v. Berding, H. u. a., 1999; Kriminalitätsgeschichte, hg. v.
Blauert, A. u. a., 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von
der Strafe zur Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg.
v. Freitag, S. u. a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker,
M., Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001;
Hohlfeld, N., Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität
und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der
rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Ausstellungskatalog, hg. v.
Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002; Eibach, J., Frankfurter
Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit,
hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne, Alltag und Kriminalität,
2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004; Fritz, G., Eine Rotte
von allerhandt rauberischem Gesindt, 2004; Friedländer, H., Interessante
Kriminalprozesse, 2005 (CD-ROM); Moses, A., Kriminalität in Baden im 19. Jahrhundert,
2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Repräsentation von Kriminalität
und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009; Kraus, D.,
Kriminalität und Recht in frühneuzeitlichen Nachrichtendrucken, 2013
Kriminalpolizei
Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten,
2002
Kriminologie (F.)
Verbrechenskunde
Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R., Inventing the
Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der
Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im
Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im deutschen Kaiserreich, 2004;
Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der
Spur, 2006; Mayenburg, D. v., Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich
und Nationalsozialismus, 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte,
Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.; Freitag, S., Kriminologie in
der Zivilgesellschaft, 2013
Kristallnacht →Reichskristallnacht
Kroatien (Kroatien-Slawonien) ist die
Landschaft zwischen Donau, Drau und Adria sowie Serbien, die seit dem 7. Jh.
von Südslawen (Kroaten) besiedelt wird. Das 845 selbständige K. kommt 1102 in
Personalunion an Ungarn und damit 1526 an →Österreich. 1849 wird K. (mit
Fiume, Küstenland und Slowenien) dort Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird
(1868 kroatischer Ausgleich zwischen Ungarn und Kroatien-Slawonien in subdualistischer
Form). 1918 wird K. Teil →Jugoslawiens, von dem es sich 1991 löst. 2011
wird die Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union zum 1. 7. 2013 vereinbart.
Lit.: Gazi, S., A history of Croatia,
1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek,
F., Crkva i krscanstvo u Hrvata, 1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der
Rechtsordnung Kroatiens, ZEuP 1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995;
Steindorff, L., Kroatien, 2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001;
Weber, J., Kroatien, 2002; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Krone ist
ein aus Metall gefertigter Stirnreif, der als Sinnbild der Würde und Macht
eines Fürsten verwendet wird. Die K. findet sich früh in vorderasiatischen
Königreichen. In Rom ist vielleicht der Lorbeerkranz der Ausgangspunkt. Die
deutsche Königskrone vom ausgehenden Frühmittelalter wird bis 1796 als Teil der
Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor den Wirkungen der
französischen Revolution nach Wien verbracht wird.
Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut
und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische Kaiserkrone,
Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni, hg. v. Hellmann,
M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats, R., Die
Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II.
(1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995; Büttner, A., Der Weg
zur Krone, 2012
Krone der rechten Wahrheit
Lit.: Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen
Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische
Geschichte 65, 368
Krongut →Königsgut
Kronkardinal ist
der seit dem Hochmittelalter auf Vorschlag eines weltlichen Herrschers vom
Papst ernannte Kardinal.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Kronland ist
in Österreich zwischen 1849 und 1860 das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum
Salzburg, das Herzogtum Steiermark, das Königreich Illyrien (Kärnten, Krain,
Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die Grafschaft Tirol (mit Vorarlberg), das
Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das Herzogtum Schlesien, das
Königreich Galizien und Lodomerien (Auschwitz, Zator, Kakau), das Herzogtum
Bukowina, das Königreich Dalmatien, das Königreich Kroatien, das Königreich
Slawonien, das Königreich Ungarn, das Großfürstentum Siebenbürgen, die
Gesamtheit der Militärgrenzbezirke und das lombardisch-venetische Königreich.
Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische
Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968
Kronprinz ist
der als Thronfolger in Aussicht genommene Prinz.
Kronprinzenprozess ist der 1730 gegen den Kronprinzen Friedrich (II.) von
Preußen wegen eines Fluchtversuches geführte, wegen Unzuständigkeitserklärung
des Gerichts ohne Strafausspruch gebliebene Prozess.
Lit.: Henrichs, C., Der
Kronprinzenprozess, 1936
Krönung ist
das Aufsetzen der →Krone zum Zeichen eines Herrschaftsantritts. Die K.
beginnt im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin III. (751)?.
Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione, ZRG GA
24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 30
(1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik altfranzösischer
Krönungsordnungen, ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch einmal über
altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer, H., Die
rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung, 1911; Buchner, M.,
Nochmals die Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA 33 (1912),
328; Schiffers, H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C., Sacring and
crowning, 1957; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im
Frühmittelalter, 1972; Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator
Romanorum triplici corona coronatur, 1991; Ordines coronationis Franciae, hg.
v. Jackson, R., Bd. 1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch
im Westgotenreich, ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000;
Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C., Imperatrix,
si venerit Romam, DA 60 (2004), 1; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg.
v. Pelizaeus, L., 2008
Kronvasall ist
der mit →Königsgut vom →König bzw. von der Krone belehnte →Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck
1957, 1972
Kronzeuge ist
im angloamerikanischen Recht ein Zeuge der (die Krone bzw. den Staat
vertretenden) Anklage, der an der Tat beteiligt war, aber für seine Aussage
Strafmilderung oder Straffreiheit erhält. Am Ende des 20. Jh.s wird der K. bedingt
auch in Deutschland (kurzfristig bis 1999 und tatsächlich selten von Bedeutung)
und Österreich in das Strafverfahrensrecht aufgenommen.
Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990;
Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999
Krummstab ist
der bereits bei Isidor von Sevilla (vor 639) bezeugte (oben gekrümmte) Stab des
Bischofs.
Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß, R.,
Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68
(1957), 215
KSZE →Konferenz
über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
Lit.: Der
KSZE-Prozess, Vom Kalten Krieg zu einem neuen Europa 1975 bis 1990, hg. v.
Altrichter, H. u. a., 2011
Kues →Nikolaus
von Kues
Lit.:
Die Urkunden des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues an der Mosel, hg. v.
Kortenkamp, G., 2004; Hensel-Grobe, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007
k. u. k. (kaiserlich und königlich, Österreich 1867, pragmatische
Angelegenheiten) →k. k.
Kulm (Culm)
ist der Mittelpunkt eines Bistums und Landes in Preußen (1366 Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W. v.,
Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm und
Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983
Kulm (der
alte K.) ist das in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Kulm aus einer um wenige
Zusätze vermehrten Form des Breslauer Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer systematisches
Schöffenrecht) durch Auslassungen, Artikelversetzungen und Hinzufügung von
Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm und von Stücken aus dem Schwabenspiegel
gewonnene, in fünf Bücher geteilte Rechtsbuch. →Kulmer Handfeste,
Landläufige kulmische Rechte
Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer Systematische
Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des alten Kulm, ZRG
GA 3 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel, F., Kulmer
Recht, (in) 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9; Sondel, J.,
Studia nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre alter Kulm,
(in) Ostdeutsche Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo karne w trzech
rewizjach prawa chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski, Z., Nieznany spis prawa chełmińskiego z
przełomu XIV-XV wieku (Das bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der
Wende des 14. zum 15. Jahrhundert), 1993
Kulmer Handfeste
ist die am 28. 12. 1233 (?) vom Hochmeister des Deutschen Ordens und vom
Landmeister Preußens den Städten Kulm (1232) und Thorn (1231) verliehene
Urkunde, welche die Grundlage der Rechtsentwicklung im Einflussgebiet des
Deutschen Ordens wird. Sie umfasst 24 Artikel. Sie betreffen die
Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr folgen jüngere Gerichtsbücher.
Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892;
Kisch, G., Studien zur Kulmer Handfeste, ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1931;
Willoweit, D., Die Kulmer Handfeste, Beitr. z. G. Westpreußens 9 (1985), 5; Das
Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath, C./Benninghoven, F., 1999
Kulpakompensation ist im neuzeitlichen gemeinen Recht die Berücksichtigung
des Mitverschuldens im Wege einer Aufrechnung, die zum Verlust des
Ersatzanspruchs führt.
Lit.: Köbler, DRG 214
Kultur (F.)
Bearbeitung, Ausbildung, Daseinsgestaltung
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und Staat
in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte heute, hg.
v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der Kulturgeschichte,
1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 1999;
Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a., 2001; Gassert, M.,
Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann, P., Kulturgeschichte
des Heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Müller, R., Die Entdeckung
der Kultur, 2003; Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. v. Jaeger, F. u. a.,
2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische
Kulturgeschichte, 2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v. Kokorz, G. u. a.,
2004; Vietta, S., Europäische Kulturgeschichte, 2005; Burke, P., Was ist
Kulturgeschichte?, 2005; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2006; Maurer, M., Alte Kulturgeschicht – Neue Kulturgeschichte,
HZ 280 (2005), 281; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2006; Assmann, A., Einführung in die Kulturwissenschaft, 2006, 3.
A. 2011; ; Zwischen Kult und Gesellschaft, hg. v. Nielsen, I., 2006; Wagner,
M., Europäische Kulturgeschichte, 2008; Kulturgeschichte, hg. v. Tschopp, S.,
2008; Kraus, H., Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert, 2008; Landwehr,
A., Kulturgeschichte, 2009; Tschopp, S., Die neue Kulturgeschichte, HZ 289
(2009), 573; Bringmann, K., Kleine Kulturgeschichte der Antike, 2011
Kulturkampf ist
der politische Kampf zwischen dem liberalen →Staat und der katholischen →Kirche
(Papst Pius IX. 1846-1878) um die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft
(Badener Artikel 1834, Aargauer Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860, Bayern
1868 Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht, Österreich 1870 Kündigung des
Konkordats, Deutsches Reich 10. 12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7. 1872 Ausweisung
der Jesuiten, Preußen 11. 3. 1872 Gesetz über die staatliche Schulaufsicht).
1873 erlegen die vier sog. Maigesetze der Kirche staatliche Kontrolle auf. Am
6. 2. 1875 wird die obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter Papst Leo XIII.
kommt es seit 1880 zu einer Beruhigung und schließlich bis 1887 zu einem
beiderseits annehmbaren Ausgleich.
Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J., Die
Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm, H.,
Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf in
Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der Ära
von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in den
deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf, hg. v.
Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck’s Kulturkampf, 1998; Ruppert,
S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002
Kummer ist
im Mittelalter die Bezeichnung für →Arrest. Der K. entwickelt sich
vielleicht im Frühmittelalter aus dem Verfahren bei handhafter Tat. Der
Gläubige kann den flüchtigen, später auch schon den nur fluchtverdächtigen
Schuldner festnehmen bzw. seine Vermögensstücke beschlagnahmen, um dadurch die
Rechtsverweigerung zu verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu
sichern. Durch die spätmittelalterliche Wissenschaft wird die rechtliche
Behandlung des Kummers unter italienischem Einfluss verfeinert.
Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess, 1868,
Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922
Kündigung (1328, Kündigungsfrist 1863) ist
die einseitige, auf die Beendigung eines Schuldverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses)
gerichtete Willenserklärung. Dem römischen Recht scheint sie nicht eigen zu
sein. Vielleicht ist sie beim Darlehen entstanden. Ihre Verallgemeinerung
erfolgt erst in der Neuzeit.
Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W., Die
Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E.
Heymann, 1931, 349; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im
Franquismus, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Kündigungsschutz ist der gesetzliche Schutz gegen die →Kündigung. Der
K. gehört dem 20. Jh. an, in dem die schrankenlose Freiheit aus sozialen
Gründen eingeengt wird. Er findet sich hauptsächlich im Mietrecht und im
Arbeitsrecht. Im Arbeitsrecht schreibt das deutsche Kündigungsschutzgesetz vom
10. 8. 1951 für die Kündigung eine soziale Rechtfertigung vor.
Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau, A.,
Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungsschutz, Diss. jur. Bielefeld,
1998; Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005; Römermann, M.,
Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007; Kimmich, M., Die Kleinbetriebsklausel,
2009
Kunkelmage ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die weibliche Verwandte.
Lit.: Hübner
Künßberg,
Eberhard Frhr. v. (Porohy 28. 2. 1881-Heidelberg 3. 5. 1941), Forstmeisterssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Wien Mitarbeiter des Deutschen Rechtswörterbuchs
(1911) in Heidelberg und 1929 Honorarprofessor.
Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des österreichischen
ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936, Nachruf ZRG GA
62 (1942), XLIII (Fehr, Hans); Schorsch, R., Eberhard Georg Otto Freiherr von
Künßberg, 2010
Kunst ist die
Hervorbringung eines von Menschen anerkannten Werkes.
Lit.: Fehr, H.,
Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff.
1953ff.; Becker, E., Das Recht im „Parzival“, Diss. jur. Bonn 1956; Combridge,
R., Das Recht im Tristan Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die
Rechts- und Staatsauffassung Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F.,
Rechtsgeschichtliches und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue
und im Tristan Gottfrieds von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler,
E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers „Ring“, 1967; Langer, A., Zu den Quellen
des Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische
Arbeiten, hg. v. Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991;
Canisius-Loppnow, P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad,
1992; Just, R., Recht und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz
Friedrich von Homburg, 1993; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst,
1993; Wambach, L., Die Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte
der deutschen Kunst, hg. v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003; Meid,
V., Metzler Literatur Chronik, 3. A. 2006; Hölscher, T., Die griechische Kunst,
2007 (und 11 ähnliche Bände zu anderen Kunstepochen); Die Kunst der Mächtigen
und die Macht der Kunst, hg. v. Oevermann, U. u. a. 2007; Handbuch Kunst und
Recht, hg. v. Hoeren, T. u. a., 2008; Kloepfer, M., Dichtung und Recht, 2008;
Miederhoff, T., Man erspare es mir, mein Juristenherz auszuschütten, 2008
(Tucholsky); Braun, J., Kunstprozesse, 2. A. 2009; Schneider, N., Historienemalerei,
2010; Pippl, M., Kunst des Mittelalters, 3. A. 2010; Iselt, K., Sonderbeauftragter
des Führers, 2010; Sprecher, T., Literatur und Verbrechen, 2011; Bünnigmann,
K., Die „Esra“-Entscheidung, 2013
Kunstfälscher ist der Fälscher eines Kunstwerks. Seit dem 15. Jh. und insbesondere
seit dem ausgehenden 18. Jh. wird er verstärkt bekämpft.
Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940,
Neudruck 1970
Kuppelei ist
die seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur
noch in wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller Handlungen zwischen
anderen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; The Changing
Legal Regulation of Cohabitation, 2012
Kur (F.) Wahl,
→Kurfürst
Kurator (zu
lat. [M.] →curator, Pfleger) ist seit dem 18. Jh. der staatliche
Aufsichtsbeamte über die Universität.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen
Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der
Universität Bonn, 1968
Kurbayern →Bayern,
Kurfürstentum
Kurbrandenburg →Brandenburg, Kurfürstentum
Kurfürst ist
(im Heiligen römischen Reich [deutscher Nation]) seit dem 13. Jh. (→Sachsenspiegel)
der den →König wählende Fürst (Wort 1298 belegt). An sich wird der König
vom Volk gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen (Herzöge,
Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die Kurfürsten
entwickelt haben, ist ungewiss (zeitgenössisch nie erwähnte Herkunft aus
ottonischem Tochterstamm?, Träger eines Hofamts?, unterschiedliche Einzelursachen?,
Wahlrechtsreduktion durch Hoftagsbeschluss im Jahre 1252?). Jedenfalls
nennt bereits der →Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbischöfe von
Mainz, Köln (bis 1803) und Trier (bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein
(Stammespfalzgrafen von Lothringen) (bis 1623 und ab 1648, Erzschatzmeister,
bis 1777), den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg sowie den (nicht
deutschen) König von Böhmen als Königswähler. 1356 festigt die →Goldene
Bulle die Stellung der Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand
(Kurfürstenkollegium, Kurfürstenrat, der als Führungsgruppe um einen Anteil
an der Herrschaft im Heiligen römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt
schließlich auf 10 (Bayern 1623/1648, Hannover 1692/1708, 1803 (ohne Auswirkung
wegen fehlender Kaiserwahl) Hessen-Kassel, Baden, Württemberg, Salzburg), doch
verringert sich ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester
Verfahrensweisen und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die
angehörigen Länder. 1806 endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung.
Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die
staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner,
M., Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das
Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser
Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck
1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E.,
Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die
deutsche Königswahl, 1938, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G.,
Kanzlei und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg
und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger Kurfürstentag
von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Mathies, C.,
Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling, U.,
Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des
Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich,
1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998),
150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A.
2000; Gotthard, A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und
Königswahl, 2002; Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v.
Wolf, A., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren
Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und
das Reich, 2003; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des
Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff ¸Erkens, F., Vom historischen Deuten
und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327; Landau, P., Eike von Repgow und die
Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18; Begert, A., Die Entstehung
und Entwicklung des Kurkollegs, 2010; Wolf, A., Wie kamen die Kurfürsten zu
ihrem Königswahlrecht? ZRG GA 129 (2012), 340
Kurfürstenkollegium →Kurfürst
Kurfürstenrat →Kurfürst
Kurfürstentum ist das Herrschaftsgebiet eines →Kurfürsten.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im
Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier,
1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde
1692-1803, 2000
Kurhessen ist
die 1803 zum →Kurfürstentum erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E., Neue
Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911;
Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in
Kurhessen, 1942; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 2008,
45
Kuriatstimme ist
die im Reichstag des Heiligen römischen Reiches mehreren kleinen Reichsständen nur gemeinsam
zustehende Stimme (Grafen und Herren, Prälaten). 1653 bestehen 4 weltliche
Kuriatstimmen (für 99 Reichsstände) und 2 geistliche Kuriatstimmen (für 41
Reichsstände).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148;
Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828
Kurie ist
im römischen Recht eine Untergliederung der Volksversammlung (Kuriatkomitie),
im katholischen Kirchenrecht die zentrale, aus mehreren Kardinalskongregationen
bzw. Ämtern und Gerichtshöfen bestehende Verwaltungsbehörde des Papstes und
im Heiligen römischen Reich die
körperschaftlich organisierte Vertretung der Reichsstände (Kurfürsten, sonstige
Reichsfürsten, Reichsstädte) und Landstände (Prälaten, Ritter. Städte und
unter Umständen Bauern).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17; Schreiber,
G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Rusch,
B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936; Jordan, K., Die
Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert, F., Die
deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990
Kurienwahlrecht ist das Wahlrecht nach Kurien (z. B. in Österreich zwischen 1849/1850
und 1907/1918), das dem Grundsatz der Gleichheit aller Stimmen bei einer Wahl
widerspricht.
Lit.:
Melik, V., Wahlen im alten Österreich, 1997
Kurköln →Köln,
Kurfürstentum
Kurland ist
das Land eines Kurfürsten, an dem das Wahlrecht haftet. Davon zu trennen ist K.
als das ursprünglich von Kuren besiedelte Land am Rigaischen Meerbusen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076; Kurland, hg. v. Oberländer, E. u. a.,
2008; Mesenhöller, M., Ständische Modernisierung, 2009
Kurmainz →Mainz,
Kurfürstentum
Kurmede ist
eine mittelalterliche grundherrschaftliche Abgabe.→Besthaupt
Kurpfalz →Pfalz,
Kurfürstentum
Kursachsen →Sachsen,
Kurfürstentum
Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen (am 21. 4.) 1572 in einem längeren
Anhörungsverfahren gesetzlich getroffenen Entscheidungen in 211 bzw. 249 bzw.
277 von den juristischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig ermittelten
Streitfragen (Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht, Strafrecht). Sie
werden trotz ihres oft bewahrenden Zuges von den Zeitgenossen als Fortbildung
des sächsischen Rechtes empfunden. 1661 und 1746 folgen 91 bzw. 40 weitere
Entscheidungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die Konstitutionen
Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KursaechsischeKonstitutionen1572.htm
Kurtrier →Trier,
Kurfürstentum
kurulisch, Adj., zum Wagen (lat.] currus) gehörig (Kennzeichnung der für das
Marktwesen zuständigen Ädile in Rom, auf deren Tätigkeit Wandelung
[Rückgängigmachung] und Minderung (Preisherabsetzung] bei Sachmängeln eines
Kaufgegenstands beruhen)
Kurverein ist
ein vertragliches Bündnis von →Kurfürsten. Bedeutsam ist der K. von Rhens
(1338). Der Inhalt dieses Bündnisses wird 1356 durch die →Goldene Bulle
gefestigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg,
1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930
Kurwürde →Kurfürst
Kuss ist die
Berührung mit den Lippen. Der K. kann als Gebärde rechtliche Bedeutung haben.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Küste ist
die Grenzlinie zwischen Land und Meer. Die vor der K. liegenden Küstengewässer
werden seit dem 17. Jh. in stetig erweitertem Umfang vom Hoheitsträger auf dem
Land beansprucht (3, 12 oder 200 Seemeilen).
Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Küstenland ist das Gebeit an der oberen Adria, das 1564 zu Innerösterreich zählt,
1809 Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs ist und 1849 zum aus
Görz-Gradisca, Istrien und Triest gebildeten Kronland wird (1910 8000 Quadratkilometer,
900000 Einwohner, davon 50 Prozent Italiener). 1919 fällt es an Italien, 1947
überwiegend an Jugoslawien, bei dessen Auflösung 1991/1993 im Norden an
Slowenien, im Süden an Kroatien.
Kuttner, Stephan (Bonn 24. 03. 1907-Berkeley 12.
08. 1996) ist der führende, aus politischen Gründen aus Deutschland über
Italien 1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewanderte Kanonist des
20. Jh.s.
Lit.: Hetzenecker, A., Stephan
Kuttner in Amerika 1904-1964, 2007
Kux ist
seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer →Gewerkschaft des
Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten Rechtes ist (unbewegliches
Vermögen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand (ursprünglich 4, zuletzt 128
Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für Grundstückseigentümer, 2 für Gemeinde,
2 für Schule). Bei der seit dem preußischen Allgemeinen Berggesetz vom 24. 6.
1865 entstehenden Gewerkschaft neuen Rechtes ist der K. Anteil an der
Gewerkschaft als juristischer Person und damit ein Recht (100 oder höchstens
10000 Anteile). In Deutschland wird der K. 1980 beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht
des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und Pfändung
von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das Bergrecht
Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921), 191;
Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln 1938;
Guder, A., Der Kux, 1959
L
Laband,
Paul (Breslau 24. 5. 1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und Berlin (Gneist,
Stahl) und der Konversion (1857) 1864 außerordentlicher Professor und 1866
ordentlicher Professor in Königsberg und 1872 in Straßburg. Von der
Rechtsgeschichte ausgehend wendet er sich dem Staatsrecht zu, für das er
bestimmte Begriffe (z. B. →Gesetz im formellen Sinn, Gesetz im
materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze des geltenden Rechtes (durch
Verfassung) zur Eindämmung politischer Willkür (im Rechtsstaat) verlangt.
Lit.: Köbler,
DRG 195, 199, 208; Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1887, 2.
A: 1894, 3. A: 1895, 4. A. 1901, 5. A. 1911/1914, Neudruck 1964; Sinzheimer,
H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145;
Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A.
1961; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W.,
Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W.,
Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Laband, P.,
Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004
Labeo,
Marcus Antistius (L. filius) (1. Jh. v. Chr.-5/22 [10/11?] n. Chr.), Rechtskundigensohn
(des Pacuvius Antistius Labeo), Schüler des Trebatius, wird nach durchlaufener
Ämterlaufbahn als ein führender Rechtskundiger des frühklassischen römischen
Rechtes Haupt der prokulianischen Schule. Von seinem möglicherweise 400 Bücher umfassenden
Werk (Fallsammlungen, Kommentar zum Edikt des Prätors, Abhandlung über das
Pontifikalrecht) zeugen mehr als 500 überlieferte Bruchstücke (u. a. Kommentare
zum Edikt des Prätors).
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice, A.,
Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores des
Antistius Labeo, 1986
Labeo,
Pacuvius Antistius (L. pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v. Chr.) ist der an der
Verschwörung des Brutus gegen Caesar teilnehmende römische Rechrskundige,
dessen Sohn Haupt der prokulianischen Schule wird.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung römischer Juristen, 2. A. 1967, 32
Lachen
Lit.: Le
Goff, J., Das Lachen im Mittelalter, 2004
lacina (lat.-afrk.
[F.]) Wehrung
Laden (M.)
ist das Brett, der Verschluss einer Öffnung oder der Geschäftsraum. Im
Spätmittelalter verlagert sich der Verkauf vom allgemeinen Markt zunehmend in
den einzelnen L. Der Angestellte im L. hat eine beschränkte Vollmacht. Die
Zeit, in der ein Laden geschlossen sein muss, wird vereinzelt seit dieser Zeit
(Goslar 1281, Brieg 1318, Lüneburg 1350), allgemein erst im 20. Jh.
(Deutschland 1956 Ladenschlussgesetz) genau festgelegt, aus wirtschaftlichen
Erwägungen gegen den Widerstand der Kirchen aber immer stärker eingeschränkt.
Seit dem 20. Jh. erscheint das Kaufhaus. Der Übergang zum Selbstbedienungsladen
beginnt unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika in der
Bundesrepublik Deutschland 1949. Große Handelsketten treten an die Stelle der
früheren bedienenden Kaufleute, deren Läden (so genannte Tante-Emma-Läden)
verschwinden. Danach setzt im 21. Jh. in beachtlichem Umfang die
digital-elektronische Bestellung von Waren im Internet mit Lieferung durch
Frachtdienste ein.
Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28. November
1956, 2004; Langer, L., Revolution im Einzelhandel, 2013
Ladiner ist
der Angehörige der in den Alpen und (vor allem) in den Dolomiten ansässigen,
vom Spätlateinischen abgeleiteten besonderen Sprachgemeinschaft des Ladinischen.
Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner,
1998; Videsott, P. u. a., Ennebergisches Wörterbuch, 1998
Ladung ist
die Aufforderung vor einer Behörde oder einem Gericht zu einem bestimmten
Zeitpunkt zu erscheinen. Sie findet sich bereits im XII-Tafelgesetz des altrömischen
Rechtes (lat. si in ius vocat, ito, wenn er zu Gericht ruft, soll er [d. h. der
Gerufene oder Geladene] gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen
(lat. [M.]) Pactus legis Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits
für die germanische Volksversammlung bestanden. Im Frühmittelalter wird die
private L. durch den Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L.
des Verfahrensleiters (lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichterscheinen
(Ladungsungehorsam, anders →echte Not ) zieht den jeweiligen →Bann
nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (→Aller guten Dinge sind
drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln erzwungen
werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraussetzungen und
Förmlichkeiten werden streng festgelegt. →Ediktalzitation
Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess
des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Beyerle, F., Das
Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa, M., Ladungsungehorsam
und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das
Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T., Die Entstehung des
Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen Recht, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1968
Ladungsfrist ist
die zwischen →Ladung und Zeitpunkt des Erscheinens vor Gericht liegende,
dem Schutz bzw. der Vorbereitung des Geladenen dienende Frist.
Ladungsungehorsam ist die gewollte Nichtbeachtung der →Ladung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Laesio (F.) enormis (lat.) ist die außergewöhnliche (enorme) Verletzung (der
Vertragsgerechtigkeit). Sie geht vielleicht auf Diokletian (284-313) zurück
und ist philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr kann der Verkäufer einer
Sache (z. B. Bauer als Eigentümer eines Grundstücks) den Vertrag anfechten und
gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis
geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den
gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag nachzahlt. 1234
übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian vertretene Lehre vom
gerechten Preis und der l. e. Diese wird vom gemeinen Recht fortgeführt, vom
Liberalismus des 19. Jh.s aber (z. B. im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen
Reiches von 1896/1900) aufgegeben.
Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 64,
127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio
enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani
und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der
laesio enormis, 1993; Langer, V., Laesio enormis, 2009
laesowerpire (lat.-afrk.)
in den Schoß werfen
Lagerbuch →Urbar
laghsaga (an.
[F.]) Rechtsvortrag
Lagus (Hase),
Conrad (um 1500-1546) wird 1516 als Conradus Haß de Creutzburgk in Leipzig und
1519 in Wittenberg immatrikuliert und macht sich um das rechtswissenschaftliche
Studium als juristischer Privatlehrer und Humanist in Wittenberg verdient
(Traditio methodica utriusque juris 1543 [De iure personarum, De modis
acquirendi alienandi et amittendi res, De pactis et obligationibus, De
actionibus et exceptionibus, De iudiciis, De privilegiis et iuris beneficiis],
Compendium juris Saxonici posthum 1597).
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur
Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876, 299; Reis, T., Historia in Conrad
Lagus’ Traditio methodica (1543), ZRG GA 130 (2013), 103
Lähmung →Körperverletzung
Laibach in
Slowenien wird 1919 Sitz einer Universität.
Laie (lat.
[M.] laicus) ist der Nichtfachmann, im Kirchenrecht der einfache Gläubige im
Gegensatz zum →Kleriker (Klerus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit,
1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich, 1980; Vauchez, A., Les
laics au Moyen Age, 1987; Löhr, D., Zur Mitwirkung der Laienrichter im
Strafprozess, 2008
Laieninvestitur (Investitur von Laien in kirchliche
Ämter durch den König) →Investitur,
Investiturstreit
Laienrichter ist
der nicht rechtswissenschaftlich gebildete Richter im Gegensatz zum
rechtswissenschaftlich gebildeten Berufsrichter. Ursprünglich sind alle Richter
und Urteiler Laien und alle freien Männer an Entscheidungen über Streitigkeiten
beteiligt. Bereits in fränkischer Zeit beschränkt sich die Tätigkeit als
Richter (thunginus, Graf) und Urteiler (Rachinburge, Schöffe) auf ausgewählte
Männer. Seit dem 12. Jh. verdrängt ausgehend von der kirchlichen Gerichtsbarkeit
der wissenschaftlich zur Streitentscheidung Ausgebildete (Jurist) den L. fast
völlig. Bereits am Reichskammergericht des Heiligen römischen Reiches (1495)
sind je zur Hälfte nur Adelige und Doktoren tätig, während die Constitutio
Criminalis Carolina (1532) noch durchweg die Mitwirkung von (ungelehrten)
Schöffen vorsieht. Rechtstatsächlich setzt sich allmählich der gelehrte Jurist
bis in die Untergerichte durch. Die Aufklärung strebt demgegenüber die Mitwirkung
von Laienrichtern ein (z. B. Justus Möser 1774). Nach dem Vorbild Englands
führt Frankreich 1791 eine Jury von Laienrichtern ein. Im 19. Jh. verlangt der
Liberalismus auch im deutschen Sprachraum nach englisch-französischem Vorbild
die Rückkehr zum L. Im Schwurgericht, Handelsgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungsgericht
und Sozialgericht setzt sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch, wobei
seit 1922 auch Frauen als L. zugelassen werden. Die sog. Lex Emminger (1924) beseitigt
aus Kostengründen das Schwurgericht und erweitert die Zuständigkeit des berufsmäßigen
Einzelrichters. 1939 wird im Deutschen Reich die Mitwirkung von Laienrichtern
in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (bis 1945) beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974; Löhr, D., Zur
Mitwirkung der Laienrichter im Strafprozess, 2008; Andoor, G., Laien in der
Strafrechtsprechung, 2013
Laienspiegel ist
die von dem Nördlinger Stadtschreiber und Höchstädter Landvogt Ulrich →Tengler
für Laien verfasste, erstmals in Augsburg 1509 wohl von Sebastian Brant
herausgegebene Einführung in das gelehrte Recht (Nachdrucke Straßburg 1510,
1511, Neuer Laienspiegel Augsburg 1511, elf Nachdrucke, darunter Straßburg
1536). Der L. behandelt in seinen drei Büchern (1) die Stellung weltlicher Herrschaftsträger
(Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister, Ratsherr), (2) die
Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie (3) das Strafverfahren. Als
Quellen lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des →Durantis
(1290), Johannes Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene
verbreitete Traktate, die Bibel, Aristoteles, die Goldene Bulle und andere
Reichsgesetze, der →Klagspiegel, der →Hexenhammer und die →Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) nachweisen. Im Verhältnis zum Klagspiegel
stellt der L. an Stelle des kanonistischen Inquisitionsverfahrens den
gemeinrechtlichen Inquisitionsprozess dar, lässt aber gelehrte Grundsätze zum
Schutz des Befragten außer Acht. Der L. ist fast im gesamten 16. Jh. durch
zahlreiche Drucke weit verbreitet.
Lit.: Köbler,
DRG 143; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen
Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der Teufelsprozess, hg. v. Schmitz,
W., 1980; Burret, G., Der Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler,
2010; Ulrich Tenglers Laienspiegel, hg. v. Deutsch, A., 2011
Laizismus (M.)
ist die in Frankreich im 19. Jh. entwickelte Bezeichnung für seit der
Aufklärung erkennbare Bestrebungen, den Einfluss der Kirche auf den Staat
zurückzudrängen.
lance et licio
(lat.) mit Schüssel und Schurzfell, →Haussuchung
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48
Land ist
das als eine Einheit erscheinende Gebiet der Erde, insbesondere auch der
Gliedstaat eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im fränkisch-deutschen
Reich begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht unter Auswirkung des
Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von Worms 1122). Es
entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren Personalverbands
(Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung →Österreichs
gegenüber →Bayern (1156) zwecks Ausgleichs zwischen Babenbergern, Welfen
und Staufern und die Aufteilung →Sachsens (1180) zwecks Herabsetzung
Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Innerhalb des
Heiligen römischen Reiches bilden sich in der Folge sehr viele Länder. Am Rande
spalten sich die →Schweiz und die →Niederlande (spätestens 1648)
ab. Innerhalb Österreichs werden die Länder von 1744 bis 1848 von Gubernien
überlagert. In der Schweiz treten die Teile von 1798 bis 1803 zurück. 1806
werden die größeren Länder nach Beseitigung der kleineren Herrschaften
selbständige Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866 am
österreichisch-preußischen Gegensatz scheiternden →Deutschen Bund. Innerhalb
Österreichs verliert das Land von 1848 bis 1920 seine Rechtspersönlichkeit. Die
Mehrzahl der deutschen Länder findet 1871 zum Deutschen Reich zusammen. Den in
Österreich zusammengeschlossenen Ländern (Bundesländern) wird 1918 von den
anderen europäischen Mächten der Beitritt verwehrt. Im Deutschen Reich werden
die Länder von 1934 (bis 1945) bedeutungslos. Der 1938 erfolgte →Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung
der 1945 der sowjetischen Besatzungszone zugeschlagenen, 1958 durch Bezirke
ersetzten Länder (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen) in der →Deutschen Demokratischen Republik
endet am 3. 10. 1990.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110, 113,
138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches Lexikon
(1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1 1900;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973; Theuerkauf, G.,
Land und Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG
GA 86 (1969), 1; Das Land Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag,
1985; Möckli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K.,
Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Weltin, M., Der Begriff des Landes bei
Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung,
ZRG GA 107 (1990), 337; Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke,
S. u. a., 2004; March, U., Kleine Geschichte deutscher Länder, 2010;
Zusammenschlüsse und Neubildungen deutscher Länder im 19. und 20. Jahrhundert,
hg. v. Kretzschmar, R. u. a., 2013
Landbrauch
Lit.: Alberti, W., Der
Rheingauer Landbrauch, 1913
Landbuch ist
ein in verschiedener Hinsicht ein →Land betreffendes Buch (z. B. L. der
Neumark um 1336, L. der Mark Brandenburg 1375/6).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark Brandenburg,
hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982, 357
Landesausbau ist
im Mittelalter und der früheren Neuzeit der innere Ausbau eines Landes durch
verstärkte wirtschaftliche Nutzung (z. B. Rodung, Entwässerung).
Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi, F.,
Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters,
1940, 11. A. 1987; Strukturen der Grundherrschaft, hg. v. Rösener, W., 1989,
411
Landesausschuss ist der in Österreich in der frühen Neuzeit vom Landtag gewählte Ausschuss
zur Verwaltung des Landes mit dem Landeshauptmann an der Spitze (1918
Landesrat, 1920 Landesregierung). Ab 1744 treten ihm Zentralstaatsbehörden zu
Seite (Gubernien). Die Doppelgleisigkeit endet mit einer Verfassungsänderung
1925.
Landesfürst ist
im Heiligen römischen Reich der Fürst
eines Landes (Landesherr). Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten (z.
B. Herzog, Markgraf, Graf., Erzbischof, Bischof, Abt). Der L. hat zusammen mit
den Landständen die Landesherrschaft. Im Reich ist der L. zugleich Reichsfürst
(im Reichstag).
Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des
bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung
und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern – Österreich – Tirol, ZRG
GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987
Landesgericht ist das in einem oder für ein Land gebildete Gericht. Seit dem Hochmittelalter
geht im deutschen Reich die Gerichtsbarkeit allgemein weitgehend vom König auf
den Landesherrn über. Dieser bildet meist eine mehrstufige landesfürstliche
Gerichtsbarkeit aus. Oberste Gerichtshöfe entstehen als Landesgerichte
beispielsweise in Preußen (1483 Kammergericht), in Österreich (1749 Oberste
Justizstelle) oder Bayern (1625 Revisorium). Am 14. 6. 1849 werden in
Österreich Landesgerichte eingerichtet.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 38
Landesgeschichte ist die auf das einzelne Land (z. B. Bayern,
Baden, Vorarlberg) ausgerichtete →Geschichte bzw. Geschichtsschreibung.
Sie steht in Deutschland vor allem im Gegensatz zur Reichsgeschichte.
Lit.: Probleme und Methoden der
Landesgeschichte, hg. v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichtsschreibung
im Zeichen des Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von
Wissenschaft und Politik, hg. v. Werner, M., 2004; Mechthold, R., Landesgeschichtliche
Zeitschriften 1800-2009. 2011
Landesgesetz ist
das für ein Land vom zuständigen Organ geschaffene Gesetz. Es steht im Gegensatz
zum Reichsgesetz oder Bundesgesetz. Es gewinnt seit der frühen Neuzeit an
Bedeutung.
Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd.
1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A.
1958, Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und Landesgesetzgebung
in der Markgrafschaft Baden, 1984
Landeshauptmann ist der Leiter der Verwaltung eines Landes. Er erscheint
als (lat. [M.]) capitaneus in der Steiermark, Kärnten und Krain an der Stelle
des königlichen Reichsstatthalters in der Mitte des 13. Jh.s. Er ist
gleichzeitig Haupt der Stände des Landes. In den habsburgischen Ländern erhält
sich das Amt des jetzt vom Landesfürsten ernannten, dem Landesausschuss und
dem Landtag vorsitzenden Landeshauptmanns. 1918 werden ihm die bisher vom
Statthalter wahrgenommenen Aufgaben der Zetralstaatsverwaltung auf Landesebene
übertragen. Dem Landtag sitzt seit 1920 ein besonderer Landtagspräsident vor.
In der Gegenwart ist der L. Leiter der Regierung eines Landes, der auch die
mittelbare Bundesverwaltung ausführt.
Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der
Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain,
1864
Landesherr (lat.
dominus [M.] terrae) ist seit der ersten Hälfte des 13. Jh.s der →Herr
eines besonderen →Landes. Er ist Empfänger der wichtigsten Regalien,
höchster Richter im Land, Träger des Heerbanns und Wahrer des Landfriedens,
somit insgesamt Inhaber der sich ausbildenden Landesherrschaft. Zu seinen
Einnahmequellen zählt vor allem auch die →Steuer. Im Ringen mit den
Großen im Land (→Landständen) setzt er sich in der Neuzeit meist durch.
Am Ende des ersten Weltkriegs muss der L. dem Grundsatz der Volkssouveränität
weichen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148, 154;
Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901;
Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land
und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift
Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981;
Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür,
R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986
Landesherrschaft ist seit dem hohen Mittelalter die →Herrschaft des →Landesherrn
über ein →Land. Ihre Grundlage ist im Einzelnen sehr unterschiedlich
(Grundherrschaft, Banngewalt, Gerichtsgewalt, Vogtei, Schirmvertrag,
königliches Amt). Sie muss im Ringen mit den Ständen gefestigt werden. Sobald
das Land, wie das für die Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen Bulle und für
Österreich 1358/1359 in einer Fälschung (lat. privilegium [N.]
maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung von
der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des Landesherrn
über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück (Entstehung des
modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales Verwaltungsverständnis
voraussetzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist wichtigster Bestandteil der
einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des Gemeinwesens ausgerichteten
Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.] politiae). Die nun so bezeichnete
Landeshoheit, in der sich die früher vereinzelten Hoheitsrechte zur
umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität) verdichten, wird als ursprünglich und
damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen. Demgegenüber lassen sich die
Rechte der Landstände nicht erweitern, sondern höchstens bewahren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149;
Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der
Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft,
1941, Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von
Schönburg, 1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen,
1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Landeshoheit ist
die in der frühen Neuzeit durch Zusammenfassung von Herrschaftsrechten und
Verdichtung der →Landesherrschaft entstehende Hoheitsgewalt (Souveränität)
des Landesherrn (Fürsten) in einem Land (Staat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J., Von
der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das habsburgische
Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr, H., Die
Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die Entstehung der
Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit
der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen
Länder, 1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in
der Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt,
1975; Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994
Landeskirche ist
im evangelischen Kirchenrecht die Kirche eines Landes oder Landesteils (z. B.
Baden, Kurhessen-Waldeck, Hannover, Schleswig-Holstein, Schaumburg-Lippe,
Württemberg, Eutin, Lippe).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Hinschius, P., Die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler,
A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den
deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988
Landesobrigkeit ist die im Übergang zwischen →Landesherrschaft und →Landeshoheit
befindliche landesherrliche Gewalt der frühen Neuzeit.
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesordnung ist die seit dem Spätmittelalter sichtbare, umfassendere, ordnende
Gesetzgebung des Landesherrn zur Klarstellung wichtiger Fragen auf den
unterschiedlichsten Rechtsgebieten (z. B. Tirol 1526 Bauernlandesordnung, 1532,
1573, Böhmen 1500, 1530, 1549, 1564, 1627, Mähren 1535, 1545, 1562, 1604, 1628,
Oberlausitz 1538/1539, 1582, 1597, Oppeln-Ratibor 1562, Teschen 1573 u. a.). Im
19. Jh. regeln in Österreich Landesordnungen vom 26. 2. 1861 Fragen des
Landesverfassungsrechts (bis 1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung
fürstlich hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G.,
Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen
Landesordnungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T.,
Landesordnungen in Preußen, 1998; Landesordnung und gute Policey, hg. v.
Gehringer, H. u. a., 2008
Landesparlament ist das →Parlament eines →Landes.
Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988
Landesrecht ist
das besondere →Recht eines →Landes im Gegensatz zu einem
übergeordneten Recht wie z. B. dem Bundesrecht. Es entsteht anfangs im
Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz zum Stadtrecht. Bis in das 19. Jh.
überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht (in Deutschland). Durch die
einheitliche staatliche Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s wird es in
Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen zurückgedrängt (sog.
Verlustliste der deutschen Rechtseinheit), bleibt aber z. B. im Verwaltungsrecht
bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender Zuständigkeit das Reichsrecht
oder das Bundesrecht das L. bricht.
Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das
schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht
der Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht,
2002
Landesregierung ist die →Regierung eines →Landes (z. B. 1849 in
Salzburg, Kärnten, Krain, Schlesien und Bukowina, 1918/1920 allgemein).
Landessteuer ist
die seit dem 13. Jh. in einem →Land erhobene →Steuer. Der Kreis der
Steuerpflichtigen ist nicht überall gleich. Die L. bedarf grundsätzlich der
Bewilligung durch die Landesbehörde.
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 273;
Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesteilung ist die der Reichsteilung des fränkischen Frühmittelalters entsprechende
Teilung eines →Landes unter mehrere Söhne. Sie birgt die Gefahr der
Machtzersplitterung in sich. Deswegen finden sich Teilungsverbote bereits
unter Friedrich I. Barbarossa und Rudolf von Habsburg (1283). Für die →Kurfürstentümer
schließt die →Goldene Bulle (1356) die Teilung aus. Noch in der späteren
Zeit werden Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567, Österreich, Anhalt
1635, Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg 1701).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das Recht
der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen
Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179
Landesverfassung ist die besondere (formelle) →Verfassung eines →Landes.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur Kenntnis
der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C.,
Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857
Landesverordnung ist die ein →Land betreffende →Verordnung im
Gegensatz vor allem zum →Landesgesetz.
Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der churbaierischen Generalien
und Landesverordnungen, 1771
Landesverrat ist
der Verrat des eigenen →Landes durch einen Menschen. Ihm geht bereits bei
den Germanen der Verrat des Volkes voraus, bei dem nach Tacitus der gefasste
Verräter aufgehängt wird. Seit dem Hochmittelalter wird das römischrechtliche
(lat.) →crimen (N.) maiestatis (Majestätsverbrechen) aufgenommen.
Strafe der Verräterei ist das Rädern oder Vierteilen Nach der österreichischen
(lat.) Constitutio (F.) Criminalis Josephina (1787) ist L. das Verbrechen gegen
den Staat bzw. Vaterland im Gegensatz zu dem gegen den Herrscher gerichteten →Hochverrat.
In der Mitte des 19. Jh.s ist L. die Bedrohung der äußeren Machtstellung des
Staates.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht,
1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999
Landesverwaltung ist die →Verwaltung (eines →Landes) durch
Landesbehörden. Hierzu bildet der Landesherr seit dem Spätmittelalter eine
beamtete Verwaltungsorganisation aus. Als deren späte Folge ist auch in der
Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland die Verwaltung grundsätzlich
Angelegenheit des Landes.
Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.
Landesverweisung ist die Verweisung (z. B. eines Straftäters) aus dem Land.
Ihr geht die ältere Verbannung voraus. Ihr entspricht im Hochmittelalter die
Verweisung aus der Stadt, die beispielsweise in Augsburg des späten 14. Jh.s
jährlich etwa ein ½ % der Stadtbewohner betrifft. Seit dem 15. Jh. wird von L.
gesprochen. Sie führt zu Konflikten mit den benachbarten Ländern. Seit dem 18.
Jh. wird sie allgemein aufgegeben und auf Ausländer beschränkt (anders z. B. in
Österreich 3. 4. 1919 die L. der Familie Habsburg).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die Stadtverweisung, Diss.
jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, Diss. jur.
Jena 1938
Landfolgepflicht ist die bereits im Frühmittelalter sichtbare
Verpflichtung, bei Gefährdung der Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu leisten. Mit
der Entstehung des ritterlichen Reiterheeres tritt die L. im Hochmittelalter an
Bedeutung zurück, ohne ganz zu verschwinden. In der Wehrpflicht des 18. Jh.s
wird sie in veränderter Form neu belebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H.,
Landfolge und Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914
Landfriede ist
der von Rechtsbruch nicht gestörte Zustand (in einem Land). Seit dem 10. Jh.
ist in Südfrankreich und Spanien ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um
990, Le Puy 994, Limoges 994, Poitiers 1000) das von der Kirche in Wiederholung
merowingischer und karolingischer Kapitularien und Bußbücher ausgehende Gebot
des →Gottesfriedens sichtbar. Seit dem ausgehenden 11. Jh. erscheint der
weltliche L. (z. B. Kaiser Heinrichs IV. von 1103 oder Kaiser Friedrichs I.
Barbarossa von 1152). Er sieht peinliche →Strafen für Unrechtstaten vor.
Seine Grundlage ist meist eine beschworene →Einung, in anderen Fällen
auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer Reichslandfriede von
1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde (Selbsthilfe) vollständig
verbietet. →Landfriedensbruch
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147;
Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II.
und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um
die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L.,
Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W.,
Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932;
Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in
Spanien, 1933; Meyer, B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden
Eidgenossenschaft 1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des
Landfriedensschutzes, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3
(1939), 1; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952; Partsch,
G., Ein unbekannter Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 93;
Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg
1958; Stein, G., Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer Erzbischöfe,
Diss. phil. Mainz 1960; Gerlich, A., Studien zur Landfriedenspolitik König
Rudolfs von Habsburg, 1963; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im
Spätmittelalter, 1966; Mohrmann, W., Der Landfriede im Ostseeraum, 1972;
Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen Landfriedensorganisation,
bearb. v. Pfeiffer, G., 1975; Leist, W., Landesherr und Landfrieden in
Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle, E., Der Nürnberger Friedebrief
Kaiser Friedrich Barbarossas, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M., Königtum und Territorialgewalten, 1989;
Rotthoff-Kraus, C., Die politische Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas
und Rhein, 1990; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfriede, (in) Funktion und
Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Wadle, E., Landfrieden, Strafe,
Recht, 2001; Landfrieden, hg. v. Buschmann, A. u. a., 2001; Graevenitz, C. v.,
Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg, 2003
Landfriedensbruch ist die Verletzung des Landfriedens. Die Folge ist eine
peinliche →Strafe. Daneben ist auch die →Acht von großer Bedeutung.
Mit dem 16. Jh. macht sich der Einfluss des römischen Rechtes bemerkbar (Gail),
wonach der L. die zu gewalttätigem Zweck erfolgende Vereinigung einer Menge von
10 bis 15 Menschen voraussetzt. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reichs
(1806) wird die Verbindung mit dem mittelalterlichen Landfrieden schwächer. 1871
bestimmt das deutsche Reichsstrafgesetzbuch den L. als eine Verbindung von
Zusammenrottung und Gewaltanwendung. 1970 wird die Strafbarkeit auch der
bloßen Teilnahme an einer gewalttätigen öffentlichen Zusammenrottung in der
Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Für Österreich vgl. § 274 StGB.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kerth, J., Der landsfried ist
zerbrochen, 1997
Landfriedensgericht ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter das für die
Wahrung des →Landfriedens vorgesehene →Gericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75
(1958), 108
Landgemeinde ist
die nichtstädtische Gemeinde. Sie entsteht im Hochmittelalter und Spätmittelalter
aus den unterschiedlichsten Ansatzpunkten (Nachbarschaft, Hofgenossenschaft,
Markgenossenschaft, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Kirche u. s. w.). Nach der staatlichen Verdichtung
der frühen Neuzeit wird die Idee der →Selbstverwaltung der ländlichen
Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und in Preußen in der Landgemeindeordnung für
die Rheinprovinz von 1845 und für die sieben östlichen Provinzen von 1891
verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz 1831, Österreich Gemeindegesetz 1849,
Bayern Gemeindeordnung 1869). Als Gebietskörperschaft dient die L. seitdem
als kleinste räumliche Einheit der (staatlichen) Verwaltung.
Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, G., Sulle
origini dei comuni rurali del medio evo, Studi nelle scienze giuridiche e
sociali 10f. (1926f.); Quirin, K., Herrschaft und Gemeinde, 1952; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen,
1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Schwineköper, B.,
1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und Entwicklung der
Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Bognetti, G., Studi sulle origini del
comune rurale, 1978; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996;
Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat, hg. v. Franz, N. u. a., 1999
Landgericht ist
allgemein ein für ein →Land zuständiges →Gericht. Es erscheint mit
der Territorialisierung des Rechtes im Hochmittelalter. Wesentliche Kennzeichen
könnten der Graf als Landrichter, die Zuständigkeit für gewichtigere
Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit, Ungericht), die Anwendung des Landrechts
und die regelmäßige Abhaltung an (mehreren) festen Gerichtsplätzen
(Dingstätten, Schrannen) sein. Das L. ist meist nicht für den Adel zuständig
und steht unter dem landesfürstlichen →Hofgericht. Von daher versteht
sich seine Entwicklung zu einer mittleren Instanz. 1877/1879 wird das L. (1893
im Deutschen Reich 172 Landgerichte mit 2341 Richtern) zu dem zwischen Amtsgericht
und Oberlandesgericht stehenden Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das
Eingangsgericht nur für gewichtigere Zivilsachen und Straffälle ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200, 261;
Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation
Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung der Landgerichte im
bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f. österreichische Geschichte
94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche Landgericht der vormaligen Grafschaft
Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg,
ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H., Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben,
ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S., Die bayrische Gerichts- und
Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus
Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964;
Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Peter, A., Das Landgericht
Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W.,
Geschichte des höchsten Landgerichts in Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia
Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg, 1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das Landgericht Hildesheim, 2003
Landgerichtsordnung ist die für das →Landgericht verfasste Ordnung (z. B.
Oberösterreich 1514, Franken 1618).
Lit.: Bartmann,
J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterischen Landgerichtsordnung
von 1571, 1908; Merzbacher, F., Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica,
Würzburger Diözesangeschichtsbll. 32 (1970), 83
Landgraf ist
seit der ersten Hälfte des 12. Jh.s ein wohl im Zuge der allgemeinen
Territorialisierung entstehender Titel eines reichslehnbaren Amtes zur
Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in einem Land). Landgrafen finden
sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135, Unterelsass 1138, (Leuchtenberg
1143,) Heiligenberg 1169, Burgund-Buchegg 1226, Thurgau 1227, Aargau 1232/1234,
Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235, Zürichgau 1245, Hessen 1265, Hegau 1275,
Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen 1296, Buchsgau 1318, Klettgau 1325, Sisgau
1354 und Leiningen 1444. Ihre Stellung endet spätestens 1806, in Hessen-Homburg
1866.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Landgrafschaften
des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der
Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren
deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische
Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die
Landgrafschaft im unteren Elsass, ZGO N. F. 78 (1969), 148
Landgrafschaft →Landgraf
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Mayer, T., Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen
Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K.,
Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981
Landgut ist
im deutschen Privatrecht des 19. Jh.s das in eine Landgüterrolle eingetragene
Anerbengut, an welchem dem Anerben bei der Erbteilung nur ein Übernahmerecht
zusteht (Brandenburg, Schlesien, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel
1884/1887). Es wird 1933 durch das Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947
(Neufassung 1970) aber wieder hergestellt.
Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882;
Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische
Landgüterordnung, 1995
Landhofmeister ist eine im 15. Jh. erscheinende Fortbildung des →Hofmeisters.
Landkasse ist
seit dem Spätmittelalter die besondere, neben der landesherrlichen
Finanzverwaltung stehende landständische Finanzverwaltung. Sie wird auch
Landkasten genannt. Sie wird vom Absolutismus beseitigt.
Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923
Landkreis ist
der untere staatliche Verwaltungsbezirk mit überörtlichen Selbstverwaltungsaufgaben.
Der L. geht auf die Bildung von kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum,
Zauche) oder größeren Kreisen (z. B. Altmark, Mittelmark, Neumark) in
Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16. Jh. erkennt der Landesherr
Kreisversammlungen an. Aus den Kreisdirektorien und den Kreiskommissaren
entwickelt sich der →Landrat. Zuständig sind die Kreise vor allem für
Wohlfahrtsmaßnahmen, militärische Angelegenheiten und Verkehrsbelange. Zwischen
1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die einzelnen Provinzen Preußens erlassen.
1872 werden echte Kommunalverbände mit Selbstverwaltungsrecht geschaffen,
deren wichtigste Organe Kreistag, Kreisausschuss und Landrat sind. 1919 wird
das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht eingeführt. Etwa zur gleichen
Zeit wird die Bezeichnung L. (für Kreis) üblich. Die Angleichung der übrigen
Länder an die Verhältnisse Preußens erfolgt vereinzelt seit dem 19. Jh., in
Baden mit der Landkreisordnung vom 24. 6. 1939, in Bayern durch die dritte
Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 28. 11. 1938. Eine geplante
Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach der institutionellen Sicherung
der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die Länder der Bundesrepublik
Deutschland eigene, die Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
fortführende Landkreisordnungen.
Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen Landkreise,
1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950;
Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte Südwestdeutschlands,
1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der
bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.; Vogteien, Ämter, Landkreise
in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Hundert Jahre
Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag, 1988; Der
Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a., 1997
Landlauf von Steyr
ist das frühestens am Ende des 14. Jh.s vielleicht von einem unbekannten Gerichtsschreiber
der steirischen Landschranne unter Einbeziehung einiger Sätze des Schwabenspiegels
in 252 Artikeln verfasste Rechtsbuch, das sich vor allem mit dem Verfahren, mit
den Landesdienstherren, den Bürgern, den Strafen und den Juden befasst. In Kärnten
wird hieraus im 16. Jh. das Kärntner Rechtsbuch.
Lit.: Bischoff,
E., Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965, 207; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 19
Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten →Kulm und anderen Quellen um
die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen Rechtsaufzeichnungen.
Lit.: Litewski,
W., Landrecht des Herzogtums Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 52
Landleihe ist
die zeitweise Überlassung von Land durch den Berechtigten in größerem oder
kleinerem Umfang. Hierfür gilt seit dem Mittelalter teils unterschiedlich
ausgestaltetes Leiherecht, teils Lehnrecht.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66
(1948), 1
Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen Bereich geltenden örtlichen
Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher gehören hauptsächlich →Weistümer,
Hofrechte und Dorfrechte. Trotz der Rechtsvereinheitlichung der frühen
Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische ländliche
Rechtsquellen, hg. v. Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v.
Blickle, P., 1977 (Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den
pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom
Jahre 1585, hg. v. Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem
kurtrierischen Amt Cochem, bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche
Rechtsquellen aus dem Kurmainzer Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003
Landnahme ist
die junge geschichtswissenschaftliche Bezeichnung für das Eindringen
germanischer Stämme in fremde Siedlungsgebiete in der Völkerwanderungszeit
(375-568).
Lit.: Meyer, H.,
Die fränkische Landnahme und das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der
Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme
europäischer Landnahmen, hg. v. Müller-Wille, M. u. a., 1993f.
Landpacht →Pacht
Landrat ist
in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland der Hauptverwaltungsbeamte
der Gebietskörperschaft Kreis bzw. Landkreis und Leiter der unteren
staatlichen Verwaltungsbehörde. Er entwickelt sich in der Mark Brandenburg im
16. Jh. wohl aus dem vom Landesherrn auf Vorschlag der Landstände ernannten
Kreiskommissar. Jedenfalls erhalten am 27. 9. 1702 alle märkischen
Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh. wird das Amt auf Preußen insgesamt
ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse zugunsten des Kreistags eingeschränkt,
1872 zugunsten des Kreisausschusses, dessen Vorsitzender der L. ist. Die
übrigen deutschen Länder gleichen sich dem an. Vielfach ist der L. Volljurist.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche
Entwicklung des Landratsamts, 1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der
rechtlichen Stellung des preußischen Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939;
Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert, C., Paternalismus und Politik, 2003; Weil,
F., Entmachtung im Amt, 2004
Landrecht ist vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für
die Bewohner eines →Landes des Heiligen römischen Reiches geltende allgemeine →Recht im Gegensatz
vor allem zum Stadtrecht oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte des 11. Jh.s
lassen die lateinischen Quellen deutliche territoriale Bezüge erkennen (z. B.
[lat.] provinciae mos [M.], ius [N.] terrae, regionis consuetudo [F.]). Im
Jahre 1200 stellt eine Urkunde mhd. lantreht und (lat.) statuta [N.Pl.]
civitatis (Statuten der Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht nach römisch-kanonischem
Vorbild anfänglich lateinisch aufzeichnende →Sachsenspiegel →Eike
von Repgows (1221-1224) unterscheidet das (mnd.) landreht ausdrücklich vom
Lehnsrecht, von des mannes reht, von dem geistlichen Recht, vom Dorfrecht und
wohl selbstverständlich auch vom →Stadtrecht. Hauptquelle des Landrechts ist
das gewohnheitsrechtlich fortgebildete →Volksrecht, doch werden auch
gesetzliche (bzw. gesetzte) oder vertragliche (bzw. vereinbarte) Regelungen
einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte
(Österreich 1237 u. s. w.). Zur gleichen
Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass von L. möglich (z. B. Kulmer
Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Landrechte sind das etwa 1335 entstandene,
1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das schlesische Landrecht (1356), das
Würzburger Landrecht (1435) oder das dithmarsche L. (1447). In der frühen
Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des römischen Rechtes verschiedentlich
reformiert (Bayern 1518, [Brandenburg 1527,] Kurköln 1538, Württemberg 1555,
Solms 1571, [Kursachsen 1572,] Siebenbürgen 1583, Herzogtum Preußen 1620).
Hier sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Zivilprozess und Strafrecht
erfasst. Mit dem preußischen Allgemeinen Landrecht und dem Badischen Landrecht als
naturrechtlichen Kodifikationen klingen die Landrechte 1794 bzw. 1809 (auch)
dem Namen nach aus. Daneben ist L. auch das Landgericht.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1 1871; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen
Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1 (zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das
sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren
Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Halbbd. 2 Landrechte des 16.
Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5.
A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Das bayerische
Landrecht von 1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das Eigen-Landrecht der
Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Droege, G., Landrecht
und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Friedrich Esaias Pufendorfs Entwurf
eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Köbler, G., Land und
Landrecht im Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.; Floßmann, U., Landrecht als
Verfassung, 1976; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd.
1ff. 1982ff.; Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110
(1993), 482; Löw, I., Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003;
Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003
Landrechtsbuch →Landrecht
Landrechtsglosse →Sachsenspiegel, Glosse
Landrechtsreformation →Landrecht, Reformation
Landrichter ist
der für ein →Land zuständige →Richter (1186 lat. iudex [M.]
provinciae). Das ist zunächst ein königlicher Amtsträger, danach der Landesherr,
seit dem 13./14. Jh. der landesherrliche Richter im →Landgericht und
seit 1877/1879 (umgangssprachlich) der Richter am Landgericht.
Lit.: Döhring,
H., Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 104
Landsasse ist
im Sachsenspiegel (1221/1224) der untere Freie (ohne Grundeigentum). In der
frühen Neuzeit ist L. der über dem einfachen Freien stehende, meist den
Landständen angehörende Untertan.
Lit.: Hagemann,
A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landsässiger Adel ist
in der frühen Neuzeit der ein Haus mit mindestens einer Grundherrschaft
besitzende, grundsätzlich im Landtag sitzende und damit über Landstandschaft
verfügende, aber auch der Landesherrschaft unterworfene Adel in einem Land. →Landsasse
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Lieberich, H.,
Landherren und Landleute, 1964
Landschädliche Leute (lat.
nocivi [M.Pl.] terrae) sind im Spätmittelalter die für den Landfrieden
gefährlichen Menschen. Sie können von Amts wegen auch ohne handhafte Tat
festgenommen werden. Gegen sie kann ohne Weiteres öffentliche Klage erhoben
werden. Gegen sie kann ein summarisches Verfahren stattfinden. Seit dem
Spätmittelalter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis ihrer Schädlichkeit
bzw. Gefährlichkeit.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 207; Zallinger, O. v., Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute,
1895; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68
(1951), 234; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958
Landschaft ist
allgemein eine als Einheit verstandene Gegend und im besonderen ein in einer
solchen Einheit seit dem Spätmittelalter gebildeter Zusammenschluss
bestimmter (ständischer) Personen und das von ihnen im 19. Jh. geschaffene
genossenschaftlich organisierte Grundstückskreditinstitut.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u.
a., Bd. 1ff. 1888ff; Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen
Landschaft, 1956; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich
badischen Gebiete, 1970; Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973;
Engelberg, G., Ständerechte und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land,
Landschaft, Landtag, 1985; Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998; Deter,
G., Die landschaftsbezogene Rechtsgemeinschaft, ZRG GA 123 (2006), 358
Landschaftsrecht ist das Recht einer skandinavischen Landschaft (z. B.
Västergötland um 1220/1240). →nordisches Recht, →Schweden
Lit.: Sjöholm, E., Sveriges
Medeltidslagar, 1988
Landschenkung ist die unentgeltliche Übereignung mindestens eines Grundstücks, im
weiteren Sinn auch die Überlassung mindestens eines Grundstücks zur Nutzung. In
welchem Umfang in germanischer Zeit eine derartige L. (Landgabe) besteht,
lassen die Quellen nicht sicher erkennen, wenn sie auch (lat.) servi (M.Pl.) in
der Art römischer (lat.) coloni (M.Pl.) bezeugen. Im Frühmittelalter geben die
durch Einziehung der römischen Staatsgüter reich gewordenen Könige Land an Adel
und Kirche in teils lehnsrechtlicher, teils anderer Form. Auch Adel und Freie
begaben (beschenken) die Kirche in erheblichem Umfang zu verschiedenem Recht.
Lit.: Brunner,
H., Die Landschenkungen der Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss.
Berlin 1885, Bd. 2 1173; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß,
D. v., Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80;
Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991
Landsgemeinde ist die förmliche Versammlung der schweizerischen Gemeinwesen. Sie
wird in ersten Anfängen 1231 in Uri, 1294 in Schwyz und 1309 in Unterwalden
sichtbar. Sie ist oberste gesetzgebende, vollziehende und gerichtliche Gewalt.
Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der mit 14 oder 16 Jahren erwachsene Mann.
Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden, Ihre Zahl schrumpft bis 1997 auf vier
(Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Außerrhoden, Glarus, Obwalden) und bis 2007
auf zwei (Appenzell- Innerrhoden, Glarus).
Lit.: Ryffel,
H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die Landsgemeinden
der schweizerischen Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L., Die
Landsgemeinde der Schweiz, 1976; Mockli, G., Die schweizerischen
Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Brändle, F., Demokratie und Charisma – Fünf
Landsgemeindekonflikte, 2005; Helg, F., Die schweizerischen Landsgemeinden,
2007
Landsiedelrecht ist eine seit dem 13. Jh. vor allem in Hessen
gebräuchliche, vielleicht aus dem römisch-italienischen Recht stammende Form
der nicht erblichen bäuerlichen Leihe, die seit dem 16. Jh. erblich wird.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Thieme, H., Zum hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207;
Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30
(1967/8), 1f., 28ff; Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967
Landshut ist
die 1204 von Herzog Ludwig dem Kelheimer am Fuß des Hofbergs in den Auenwäldern
der mittleren Isar gegründete Stadt, die zeitweise Sitz eines bayerischen Teilfürstentums
ist und von 1800 bis 1826 die (1459/1472) in Ingolstadt gegründete, 1826 nach
München verlegte Universität beherbergt.
Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die
Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826),
2001; Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste
Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v.
Böhm, L, 2003; Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003
Landsknecht ist
seit dem ausgehenden 15. Jh. der Söldner zu Fuß (aus kaiserlichen Landen?), der
in der Mitte des 17. Jh.s dem staatlich gebundenen Söldner weicht.
Lit.: Franz, G.,
Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das
Regiment der Landsknechte, (Diss. phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G.,
Maximilian I. und das Kriegswesen, Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die
Landsknechte, 1994; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer, 2002
Landstadt ist
die unter der Herrschaft eines Landesherrn stehende Stadt. Die L. gehört den
Landständen an. In den meisten Landstädten nimmt der Landesherr die Gesetzgebung
ganz oder teilweise, die Verwaltung weitgehend und die Gerichtsbarkeit in der
Form der Einfügung in den Instanzenzug in Anspruch. In der frühen Neuzeit wird
die L. auf diese Weise mehr und mehr eine staatliche Einrichtung. Im 19. Jh.
wird demgegenüber die →Selbstverwaltung wieder belebt (Preußen 1808).
Lit.: Lorenz,
O., Über den Unterschied zwischen Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad.
d. Wiss. Wien 89 (1878), 17; Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den
älteren Rechten südhessischer Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981;
Landesherrliche Städte im Südwesten, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter,
K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996
Landstand ist
seit dem Hochmittelalter (z. B. 1231) die Gesamtheit der Angehörigen oder Vertreter
gewisser Bevölkerungsgruppen, die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem
Landesherrn die Herrschaft über ein Land ausüben. Die Landstände entwickeln
sich aus den Besseren und Größeren des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores
terrae), die in wichtigen Angelegenheiten (z. B. Kriegserklärung, Gebietsveräußerung,
Steuerbewilligung) mitwirken müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche
Adlige (Ritter), geistliche Adlige (Prälaten) und meist Städte (unter Vogtei
des Landesherrn) sowie verschiedentlich auch (freie) Bauern (z. B. Tirol 1408,
zeitweise Salzburg 1473, Vorarlberg 1504). Sie beraten auf dem →Landtag
(z. B. Württemberg 1457). In der frühen Neuzeit verlieren sie fast überall
(anders z. B. Württemberg) ihre Mitwirkungsrechte an den Landesherrn, der den
Adel mit der Überlassung der patrimonialen Herrschaft über das Land, mit
Offiziersstellen und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19. Jh. setzen sich
die L. teilweise in einer ersten Kammer der konstitutionellen Monarchie fort
(landständische Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst noch
verbliebenen Rechte gänzlich, doch verbleiben gewisse Fernwirkungen bis zum
Ende des 20. Jahrhunderts (z. B. im Senat als zweiter Kammer Bayerns).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121, 149,
193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im
Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912;
Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause,
H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die
Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der
hessen-darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen
Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.;
Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., Die ständische
Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im Fürstbistum
Münster 1780-1806, 1964; Sapper,
N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert,
1965; Reden-Dohna, A. v., Landständische Verfassung und fürstliches
Regiment, 1974; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schubert, E., Die
Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt, H., Landständische
Repräsentation im Vormärz, 1968; Lücke, J., Die landständische Verfassung im
Hochstift Hildesheim, 1968; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger
Ritterschaft, 1969; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975;
Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die
landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder,
B., Landstände und Rechtsstaat, ZHF 5 (1978), 139; Quarthal, F., Landstände und
landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M.,
Fürst, Räte und Landstände, 1980; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982;
Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B.,
Vormünder des Volkes?, 1999; Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg.
v. Blickle, P., 2000; Landstände in Thüringen, hg. v. Thüringer Landtag, 2008; Metz,
A., Der Stände oberster Herr, 2009; Auf dem Weg zur politischen Partizipation?,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2010
landständisch (Adj.), Landstände betreffend (z. B. Art. 13 DBA findet eine landständische
Verfassung statt, str. ob materielle herkömmliche Verfassung gemeint oder
formelle [konstitutionelle] Verfassung)
Landstandschaft, F., Zugehörigkeit zu einem Landstand mit Sitz und Stimme im Landtag
Landsturm ist
in der frühen Neuzeit (Preußen 1813) das durch alle nicht beim Heer oder der
Landwehr stehenden männlichen Staatsbürger zwischen 15 und 60 Jahren gebildete
Aufgebot zur Landesverteidigung.
Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt
vom 21. 4. 1813, Diss. phil. Breslau 1923
Landtafel ist
seit dem Spätmittelalter ein Verzeichnis von Urkundeninhalten über
(landständische) Grundstücke. Im 13. Jh. findet sich eine L. in Böhmen, 1348 in
Mähren, am Ende des 14. Jh.s. in Jägerndorf, 1730 in der Steiermark, 1746 in
Kärnten, 1754 in Oberösterreich, 1758 in Niederösterreich und 1769/1783 im
Breisgau. Die L. ist vielleicht vom Grundbuchgedanken beeinflusst. Eine
übersichtliche Darlegung der rechtlichen Verhältnisse an einem Grundstück
sichert sie nicht. Für das Grundbuchwesen des 19. Jh.s ist sie dennoch ein
bedeutsamer Anknüpfungspunkt. Daneben kann L. auch eine Landesordnung
(Oberösterreich 1616, 1652) oder eine Bilddokumentation (Salzburg 1592, 1620,
1706, 1739) sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142; Baltl/Kocher;
Demelius, H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957), 261; Strätz,
H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F., Die Salzburger
Landtafeln, 1990
Landtag ist
seit dem späten Hochmittelalter die im Absolutismus an Bedeutung verlierende Versammlung
(der Stände) eines Landes (z. B. Württemberg 1457) an einem bestimmten Tag,
seit dem 19. Jh. die (zunehmend demokratischer) gewählte Volksvertretung eines
Landes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon, G., Der
rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen
Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115
(1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957,
1957; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die
Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts, FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P.,
Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Press, V., Landtag im alten Reich,
Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100; Schober, R., Geschichte des Tiroler
Landtags, 1984; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag
und Ausschuss, 1986; Köck, P., Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der
bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die
brandenburgischen Provinziallandtage von 1841, 1843 und 1845, 2002; Gerhardt,
J., Der erste vereinigte Landtag in Preußen, 2007; Linck, J., Wie ein Landtag
laufen lernte, 2010; Harding, E.,
Landtag und Adeligkeit, 2011
Landvogt ist
seit dem späten 13. Jh. ein vom König zur Verwaltung gefährdeten Reichsgutes
eingesetzter Vogt (in Oberschwaben, Niederschwaben, Oberelsass, Niederelsass,
der Ortenau, der Wetterau, dem Speyergau, Nürnberg, Rothenburg und der
Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh. stellt auch Brandenburg Landvögte ein, im
19. Jh. Württemberg (1810-1817). Danach verschwindet der L.
Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904;
Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Landvogtei →Landvogt
Landwehr ist
seit dem Hochmittelalter eine Gesamtheit von Erdwällen mit Gräben zur
Verteidigung eines Landes oder kleineren Gebiets und auch die zeitweise zur Landesverteidigung
verpflichtete Bevölkerung (z. B. Österreich 1808-1852.,1869).
Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, (in) Rund um Frankfurt,
hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P. u. a., 1990
Landwirtschaft ist die Nutzung von Grundstücken zur Erzeugung pflanzlicher
und tierischer Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung sind die Menschen
hauptsächlich in Ackerbau und Viehzucht tätig (→Agrarverfassung). Im
Altertum zeigt sich mit der Entwicklung von Stadtstaaten eine beachtliche
wirtschaftliche Differenzierung. Sie findet sich auch in der →Grundherrschaft
und in der Stadtwirtschaft. Am Ende der frühen Neuzeit wird die L. (der →Bauern)
trotz stark wachsender Erzeugung stark von der Industrie zurückgedrängt,
während des 20. Jh.s auch von den Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in
der Bundesrepublik Deutschland (von rund 65 Millionen Einwohnern) nur noch 1,5
Millionen Menschen in der L. tätig sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals
erheblich gesunken.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133, 174,
224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss.
phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. (Neudruck) 1966; Lütge,
F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937,
2. A. (Neudruck) 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963, 2. A. 1966;
Cherubini, G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der
Landwirtschaft, 1976; Kroeschell, K., Deutsches Agrarrecht, 1983; Henning, F.,
Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985, Bd. 2 1978;
Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt,
H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und
bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W.,
Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992;
Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages,
hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998;
Noel, G., Le Conseil de l’Europe et l’agriculture, 1999; Howkins, A., The Death
of Rural England, 2003; Agrarstatistik der Provinz Westfalen 1750-1880, hg. v.
Nitsch, M. u. a., 2009; Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010; Tauger,
M., Agriculture in World History, 2011; Küster, H., Am Anfang war das Korn,
2013; Grundzüge der Agrargeschichte, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2014
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ist die zwangsweise eingerichtete Genossenschaft in der
verstaatlichten Landwirtschaft der →Deutschen Demokratischen
Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Landwirtschaftsrecht ist das seit dem 19. Jh. allmählich als Einheit erkennbare
Recht der Landwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 205; Kroeschell, K.,
Deutsches Agrarrecht, 1983; Südel, I., Das landwirtschaftliche Erbrecht, 2007
Landzwang ist
seit dem Spätmittelalter die von der Lebensführung landschädlicher Leute
ausgehende Gefährdung, der im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 die §§ 240, 126
entsprechen.
Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216
Lanfrancus (Pavia
1005?-Canterbury 24./28. 5. 1089?), Adligensohn, wird nach dem Studium der
(lat.) artes (F.Pl.) liberales Kenner des Rechtes, 1039 Lehrer in Avranches,
1042 Mönch und 1045 Prior in Bec sowie 1070 Erzbischof von Canterbury. Durch
Urkundenfälschungen erreicht der gesuchte Gelehrte und führende Theologe den
Vorrang des Erzbistums Canterbury in England.
Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et
Bérenger, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Álvarez
de las Asturias, N., La „Collectio Lamnfranci“, 2008 (23 Handschriften)
Lang, Karl
Heinrich Ritter von (Balgheim 7. 7. 1764-Ansbach 26. 3. 1835), Pfarrerssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf (Malblanc) 1789 Sekretär, 1795 Archivar
und 1799 ansbachischer, dann bayerischer Rat, Archivar und Kreisdirektor. Er
verfasst eine Reihe rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B. Historische
Entwicklung der deutschen Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966).
Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang
und seine Memoiren, 1923
Langdell,
Christopher Columbus (1826-1906), 1870-1895 Professor an der Harvard
University, lehrt das amerikanische Recht nach der sokratischen Lehrmethode (im
Recht), nach der an Hand ausgewählter Entscheidungen induktiv Grundsätze
ermittelt werden, die ihrerseits deduktiv der Lösung neuer Fälle dienen.
Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law,
1977
Langobarde ist
der Angehörige des germanischen Volk, das von Norddeutschland nach Italien
zieht (568) und große Teile Oberitaliens und Mittelitaliens beherrscht. 774
unterliegen die Langobarden, von denen 46 Königsurkunden, knapp 40 Herzogsurkunden
Spoletos und insgesamt knapp 350 langobardische (lat. [F. Pl.] chartae zwischen
dem Ende des 7. Jh.s (um 650, 685, häufiger erst ab 740) und der Eroberung
Pavias durch den fränkischen König Karl (den Großen) im Jahre 774 (rund 270 aus
dem langobardischen Reich [139 aus Lucca], 63 aus dem Herzogtum Spoleto, 11 aus
dem Herzogtum Benevent) als kleiner Rest des ursprünglich wohl vorhandenen größeren
Bestands erhalten sind, Karl dem Großen. Selbständig bleibt der Dukat Benevent.
Mit dem 12. Jh. werden die Langobarden von der sie umgebenden Vorbevölkerung aufgesogen.
An sie erinnert noch die Lombardei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67; Pflugk-Hartung, J.
v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887), 66; Bruckner, W.,
Die Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C., Overretssagfører, 1898, 1900;
Morossi, C., L’assemblea nazionale del regno Langobardo-Italico, Rivista di
storia del diritto Italiano 9 (1936), 3; Bognetti, G., L’Età longobarda, Bd.
1ff. 1966ff.; Winterer, H., Die Stellung des unehelichen Kindes in der
langobardischen Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970), 32; Cavanna, A., Fara sala
arimannia nella storia di un vico longobardo, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht,
1972; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Jarnut, J.,
Geschichte der Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi, 1987;
Langobardia, 1990; Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia
(568-774), 1999; Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Il regno
dei Longobardi in Italia, hg. v. Gasparri, S., 2004; Die Langobarden, hg. v.
Pohl, W. u. a., 2005; Priester, K., Geschichte der Langobarden, 2004, Sonderausgabe
2008; Die Langobarden, hg. v. Landschaftsverband Rheinland u. a., 2008; Paulus
Diaconus, Geschichte der Langobarden, hg. v. Schwarz, W., 2009; The Langobards
before the Frankish Conquest, hg. v. Ausenda, G. u. a., 2010
Langobardisches Recht
ist das Recht der Langobarden. Nach älteren Gewohnheiten (gawarfide) wird am
22. 11. 643 das Edikt (lat. edictus [M.])
Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses
Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die
hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht
einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit
erläuternden Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.) →Lombarda
(F.) genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de Tocco in
Süditalien kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den (lat.)
Libri (M.Pl.) feudorum zusammengefasst und später den Novellen (Justinians)
angefügt.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des longobardischen
Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des langobardischen
Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum lombardischen
Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA 38 (1917), 300;
Codice diplomatico Longodardo, hg. v. Schiaparelli, L. u. a. 1928ff. (2003
abgeschlossen); Schupp, A., Die Stellung der Frau im langobardischen Recht,
Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Die Gesetze der
Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt, B., Studien über die
Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P., Diritto langobardo,
(in) Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadtkommune, 1967; Brühl. C., Studien zu den langobardischen Königsurkunden,
1978; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem
in den langobardischen Gesetzen, ZRG GA 93 (1976), 319; Rivers, T., Symbola,
manumissio et libertas Langobardorum, ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La
civiltà giuridica longobarda, 1978; Origo gentis Langobardorum, hg. v.
Bracciotti, A., 1998; Giese, W., Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge in
langobardischen Herzog- und Fürstentümern, ZRG 119 (2002), 44; Meyer, C.,
Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387; Priester, K., Die
Geschichte der Langobarden, 2004
Languedoc (aus
langue d’oc [Sprache des ja]) ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das
um 415 n. Chr. an die Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im
Hochmittelalter die Grafschaft Toulouse.
Lanze ist
eine (Stichwaffe und) Wurfwaffe, die auch rechtssymbolisch verwendet werden
kann. Zu den Reichskleinodien des Heiligen römischen Reichs zählt die heilige Lanze (von Burgund).
Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890;
Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und
Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955),
56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, (in) Nationes, Bd. 3 1977
Lappe ist der
Angehörige eines nichtindogermanischen, in der Gegenwart über die Nordgebiete
Norwegens, Schwedens, Finnlands und Westrussland verteilten Volkes.
Lit.: Solem, E., Lappiske Rettsstudier,
1933
Larenz,
Karl (Wesel 23. 4. 1903-München 24. 1. 1993) wird nach dem Rechtsstudium
Professor in Kiel (1933) und München (1960). Anfangs (idealistisch?) dem Nationalsozialismus
zugetan (Parteimitgliedschaft 1937), entwickelt sich Larenz zu einem
führenden Privatrechtslehrer der zweiten Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495;
Frassek, R., Von der „völkischen Lebensordnung“ zum Recht, 1996; Frassek, R.,
Karl Larenz, JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl
Larenz, 2001; Hüpers, B., Karl Larenz, 2010
Lasker,
Eduard (Jarotschin 14. 10. 1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem Rechtsstudium
in Breslau und Berlin der Jurist und Publizist, der als nationalliberaler Abgeordneter
des deutschen Reichstags dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche
Recht eröffnet.
Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249;
Schuder, R., Der Fremdling im Osten, 2008
Laski, Jan
(1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in Polen, veröffentlicht 1506 eine
Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen.
Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan
Laski, 1955
Lassalle,
Ferdinand (Breslau 11. 4. 1825-Genf 31. 8. 1864 nach Duell wegen Beleidigung),
Sohn eines jüdischen Seidenhändlers einer Familie aus Loslau, wird nach dem
Studium von Philosophie, Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin
(1842-46) Revolutionär und theoretischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deutscher
Arbeiterverein, Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands).
Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 1953;
Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), (in) Nova, F., Lassalle als
sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004
Lassite ist
in der frühen Neuzeit ein freier, abgabenpflichtiger, grundherrlicher Bauer mit
erblichem Nutzungsrecht.
Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die
Mark Brandenburg, Bd. 5 1969, 156
Lassberg,
Friedrich von (Lindau 13. 5. 1798-Sigmaringen 30. 6. 1838), Freiherrnsohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena Verwaltungsbeamter. 1840
veröffentlicht er posthum den sog. ® Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus
der Burg der Rucken von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen
Drittel nach einer Züricher Handschrift.
Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr. v.,
1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm und
das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von
Lassberg, 1955
Lastenausgleich ist ein allgemeiner Ausgleich der Schäden oder Verluste,
die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegszeit und
Nachkriegszeit des zweiten Weltkriegs ergeben haben oder in der sowjetischen
Besatzungszone Deutschlands oder im sowjetischen Sektor in Berlin entstanden
sind (z. B. durch Kriegsschadenrente, Eingliederungsdarlehen oder Hausratentschädigung,
Gesetz vom 14. 8. 1952, weitgehend durch Abgaben erwirtschaftete Leistungen in
Höhe von 126 Mrd. DM bis 1998, insgesamt - teils quotal, teils sozial
ausgerichtet - 143 Mrd. DM bis 2001). Vorläufer des Lastenausgleichs finden
sich im Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794, im Kriegsdienstleistungsgesetz
von 1873, im Kriegsschädenschlussgesetz von 1928 und der Kriegssachschädenverordnung
von 1940.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C.,
Praxis und Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der
Lastenausgleich, NJW 1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900),
2002; Wenzel, R., Die große Verschiebung?, 2008
Lasterstein ist
ein spätmittelalterliches Strafwerkzeug für Ehrenstrafen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315
Late ist in
Sachsen im Hochmittelalter wohl der Freigelassene.
Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97
Lateinisch ist
die Sprache der aus Sabinern und Latinern zusammengesetzten Römer. Das
Lateinische wird vom westlichen Christentum übernommen. Es ist die
Schreibsprache bis ins Hochmittelalter und die Wissenschaftssprache bis ins
19. Jh. Im 18. Jh. ersetzen deutsche Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche Vorlesungsverzeichnisse
ihre lateinischen Vorgänger. Am Ende des 20. Jh.s wird fast durchwegs auf
Latein als Studienvoraussetzung für Juristen verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105;
Köbler, LAW; Kalb, W., Das Juristenlatein, 2. A. 1888; Thesaurus linguae
latinae, Bd. 1ff (1998 bis perm...); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der
langobardischen Gesetze, 1961; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem im
hohen Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 341; Vossen, L., Mutter Latein und ihre
Töchter, 1968, 13. A. 1992, 14. A. 1999; Langosch, K., Die deutsche Literatur
des lateinischen Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U., Lateinisch-deutsche
Parallelurkunden des 13. Jahrhunderts, 1975; Dictionnaire fréquentiel et index
inverse de la langue latine, 1981; Pick, E., Aufklärung und Erneuerung des
juristischen Studiums, 1983; Stotz, P., Handbuch zur lateinischen Sprache des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Einleitung in die lateinische Philologie, hg.
v. Graf, F., 1997; Benke, N., Juristenlatein, 1997; Latein für Jurastudenten,
von einem römischen Bürger (Adomeit, K.), 1997; Einleitung in die lateinische
Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A.
2007; Riemer, P. u. a., Einführung in das Studium der Latinistik, 1998;
Kindermann, U., Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen
Europa, 1998; La transizione dal latino alle lingue romanze, hg. v. Herman, J.,
1998; Götz, H., Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches Wörterbuch, 1999; Compendium
auctorum Latinorum medii aevi, hg. v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1ff. 2000ff; Fuhrmann,
M., Latein und Europa, 2001; Handbuch der lateinischen Literatur der Antike,
Bd. 1 hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische Lehrer Europas, hg. v. Ax, W.,
2005; Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A. 2005; http://www.koeblergerhard.de/Latein/LAWVorwort20050201.html;
La prière en latin, hg. v. Cottier, HJ., 2006; Stroh, W., Latein ist tot, es
lebe Latein, 2007; Vitali, D., Mit dem Latein am Ende?, 2007; Bauer, J.,
Wörterbuch der heutigen Rechts- und Politiksprache Deutsch-Latein, 2008; Leonhardt,
J., Latein - Geschichte einer Weltsprache, 2009; http://www.koeblergerhard.de/Latein2/LAWVorwort2.html;
Denooz, J., Nouveau lexique fréquentiel de latin, 2010; Neulateinisches
Jahrbuch 12 (2010); http://www.koeblergerhard.de/Mittellatein-HP/VorwortMlat-HP.htm;
Kaiser, G., Romanische Sprachgeschichte, 2012; Tyrolis Latina. Geschichte der
lateinischen Literatur in Tirol, hg. v. Korenjak, M. u. a., Bd. 1f. 2012;
Touratier, C., Lateinische Grammatik, 2012; Georges, K., Der neue Georges,
bearb. v. Baier, T., 2012 (Antiqua-Schrifttype)
Lateran ist
der Sitz des Papstes in Rom seit der sog. →konstantinischen Schenkung
(326-1308, 1586ff. Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929 gebildeten
Vatikanstadt.
Lit.: Erler, A., Lupa, lex und
Reiterstandbild im mittelalterlichen Rom, 1972
Lateransynode ist ein im →Lateran abgehaltenes Konzil (313, 487, 649, 769, 774,
823, 1049, 1059, 1060, 1079, 1102, 1105, 1110, 1112, 1116). Ökumenische Konzile
(Laterankonzile) finden 1122-1123,
1139, 1179, 1215 (1200 Teilnehmer, Besitz, Ehe, Juden, Prozess, Universität,
Wahl) und 1512-1517 statt.
Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran, 1913;
Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972
Latifundium (N.)
Großgrundeigentum
Lit.: Köbler, DRG 16
Latiner →lateinisch,
Römer
Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57
latro (lat.
[M.]) Straßenräuber
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Grünewald, T., Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999
Latium ist
das am tyrrhenischen Meer gelegene Siedlungsgebiet der Latiner, das in der →pippinischen
Schenkung 754 an den →Kirchenstaat des Papstes gelangt.
Laudemium (lat.
[N.]) ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine
unterschiedlich bezeichnete Abgabe bei Besitzwechsel eines Leiheguts.
Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben
der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969
Lauenburg ist
eine 1182 von den Askaniern (→Anhalt) erbaute Burg. Das in Anlehnung
hieran entstehende Herzogtum kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw. 1705 Hannover
und 1815 bzw. (nach Erlass eines Grundgesetzes vom 14. 5. 1849) 1864ff. an
Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W.,
Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer
Polizeiordnung für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980;
Hillmann, J., Territorialrechtliche Auseinandersetzungen der Herzöge von
Sachsen-Lauenburg, 1999; Meding, W. v., Stadt ohne Land am Fluss, 2007; Meding,
W. v. Lauenburg, 2008
Launegild ist
im →langobardischen Recht die (symbolische) Lohngabe für eine Gabe
(Schenkung).
Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M., Launegild
und Gairethinx, 1882; Val de Lièvre, Revision der Launegildstheorie, ZRG GA 4
(1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den langobardischen
Gesetzen, 1970, 94
Lausanne am
Genfer See ist der auf eine römische Siedlung zurückgehende, um 600 Sitz eines
Bischofs werdende Ort. 1334 erlangt L. die Stellung einer Reichsstadt. 1536
fällt es an Bern. 1537 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grandjean, M., La ville
de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie économique à Lausanne, 1978;
Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J., 1986; Gratiae fructus. Festschrift zu
Ehren der Universität Lausanne - 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht, hg. v.
Schmidt-Cotta, R. (für Altherrenschaft), 1997
Lausitz ist die an der Lausitzer Neiße gelegene, in
der Gegenwart teils deutsche, teils polnische Landschaft.
Lit.: Oberlausitzer Forschungen,
hg. v. Reuther, M., 1961; Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa,
hg. v. Bahlcke, J., 2007; Salza und
Lichtenau, H. v., Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis 1834,
2013
Läuterung ist
in Sachsen seit dem 15. Jh. die Erklärung einer nicht deutlich genug
vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers oder Beklagten). Seit dem 16 Jh.
entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen fristgebundenen und schriftbedürftigen
Rechtsmittel innerhalb der entscheidenden Instanz (neben der Appellation). Sie
wird erst 1877/1879 beseitigt.
Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Law French
ist die normannisch geprägte altfranzösische Juristensprache des →englischen
Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel im
englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Leben ist die besondere Eigenschaft bestimmter abgeschlossener
natürlicher Gegebenheiten (Lebewesen) aus bisher ungeklärtem Grund in der
Anfang und Ende kennenden Zeit mittels Stoffwechsels zu sein und sich
fortzupflanzen.(Lebensbedarf 1841, Lebensgemeinschaft 1839)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Lebendgeburt (F.) ist die Geburt eines lebenden Menschen im Gegensatz zur Totgeburt.
L. st Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.
Lebendig begraben
ist eine im späten Mittelalter bezeugte, bis in das 17. Jh. (selten) vollzogene
Strafe. Ältere Vorläufer sind zweifelhaft.
Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig Begrabens, ZRG
GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt,
B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965, 62
Lebensalter →Alter
Lebensfähigkeit ist die Fähigkeit nach der Geburt (selbständig) zu leben.
Sie wird im Mittelalter vielfach für die Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im
gelehrten Recht ist sie streitig, wird aber vom Code civil verlangt.
Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54
Lebensmittelrecht ist das die zum Leben des Menschen erforderlichen oder
geeigneten Nahrungsmittel betreffende Recht. Es wird in der römischen und
hochmittelalterlichen Stadt sichtbar, in der Amtsträger Aufsichtsbefugnisse
über den Markt haben. Zahlreiche Bestimmungen hierzu enthalten die
Landesordnungen bzw. Polizeiordnungen der frühen Neuzeit. Verstöße gegen das L.
werden mit Bußen und Strafen belegt. Nach § 367 Nr. 7 des Reichsstrafgesetzbuchs
von 1871 wird im Deutschen Reich 1879 ein Nahrungsmittelgesetz und 1927 ein
Lebensmittelgesetz erlassen.
Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte Baden
und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Köln
im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen
und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch (Lbl.), hg. v. Streinz,
R., 1994; Schenker, S., Gegen Täuschungen und Gesundheitsgefährdungen durch
schlechte Nahrung, 2013
Lebenspartnerschaft ist die am Ende des 20. Jh.s in
einzelnen Ländern gesetzlich geregelte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft
zweier Menschen, die mit eheähnlichen Wirkungen versehen wird.
Lit.: Winckler, K., Die unwirksame
eingetragene Lebenspartnerschaft, 2007
Lebensversicherung (1795) ist die Versicherung
des Lebens bei einem Versicherer gegen die Gefahr des Todes. Sie ist eine
Privatversicherung auf den Todesfall oder auf das Erleben eines bestimmten
Zeitpunkts. Sie entsteht nach Vorläufern des 17. Jh.s im 18. Jh. in England
(London 1706 John Hartley), in Deutschland (gesetzliche Regelung bereits im
Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794) im 19. Jahrhundert (z. B. in Gotha
1829) vielleicht auch aus dem Grund, dass der Wegfall des mit der
Grundherrschaft verbundenen Schutzes ausgeglichen werden soll.
L.: Heiss, S., Die
Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Lebus
Lit.: Ludat, H., Das Lebuser
Stiftsregister von 1405, 1965
Le Conte
(Contius), Antoine (1517-1586), Königsbeamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Bourges (Baron) 1557 Professor in Bourges, 1570 in Orléans und 1574 in
Bourges. Er veröffentlicht textkritisch römisches und kirchliches Recht.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,1977,775
Ledigmann →(lat.)
homo (M.) ligius
Leeds in England erhält
1626 Stadtrecht. 1890 wird eine Universität eingerichtet
Leeuwen,
Simon van (Leiden 1626-1682) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Anwalt,
Sekretär und Gerichtsschreiber. Er verfasst eine niederländische Darstellung
des römisch-holländischen Rechtes (lat. Paratitla [N.Pl.] iuris novissimi,
1652, Het Rooms-Hollands-Recht, 1664) und eine lateinische Zusammenfassung des
geltenden römischen Rechtes ([lat.]
Censura [F.] forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres
geringen wissenschaftlichen Wertes das niederländische Recht bedeutsam
beeinflussen.
Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v.
Hewett, M., 1991
Legal realism
(Rechtsrealismus) ist im (anglo-)amerikanischen Recht die seit etwa 1930
erkennbare tatsächliche Betrachtungsweise von Grundsätzen und Regeln in der
Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962).
Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal
Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle
Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994
Legaldefinition ist die von einem Gesetz gegebene Inhaltsbestimmung eines
Rechtsworts (vielleicht ab der Lüneburger Reformation des Heinrich Husanus von
1577).
Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen,
1974
Legalhypothek (F.) vom Gesetz vorgesehene Hypothek
Legalismus
Lit.:
Legalism, hg. v. Dresch, P. u. a., 2012
Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft,
soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen aller
verfolgbaren Streitigkeiten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte für eine solche Straftat vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860
(Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft, 1860, 57) im Gegensatz zum bislang geltenden
→Opportunitätsprinzip verlangt. 1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz,
doch werden (1924, 1931) verschiedene Ausnahmen zugelassen. Als L. wird auch der
in der Verwaltung im 19. Jahrhundert durchgesetzte Grundsatz verstanden, dass staatliche
Vollziehung nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen darf (vgl. für Österreich
Art. 18 I B-VG).
Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitäts- und
Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411; Legalität, Legitimität und
Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Dettmar, J., Legalität und Opportunität,
2008; From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, hg. v. Matyn, G. u.
a., 2013
Legalservitut (F.) auf Gesetz beruhende Servitut (z. B. nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung)
Legat (M.)
Gesandter
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Legat (N.,
Wort 1494) Vermächtnis
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Legatum (lat.
[N.]) ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen
mögliche →Vermächtnis.
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38; Köbler, LAW
Legatum (N.) per damnationem (Damnationslegat) ist das wohl spätere Vermächtnis schon
des altrömischen Rechtes, bei dem vielleicht der (lat.) familiae emptor (M.)
(treuhänderischer Vermögenskäufer) dem Bedachten nur für eine bestimmte
Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG
23
Legatum (N.) per praeceptionem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das
Vorwegnahmevermächtnis zugunsten eines Miterben.
Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23
Legatum (N.) per vindicationem (lat.) ist schon im altrömischen Recht das Vermächtnis,
bei dem der Begünstigte (lat. [M.]
legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben soll, so dass er sie
von jedermann herausverlangen kann (Vindikation).
Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23
legatum (N.) sinendi modo (lat.) Zulassungsvermächtnis
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23
leges (lat.
[F.Pl.]) sind die Gesetze. (Sg.) →lex
Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG
1, 2
leges (F.Pl.) barbarorum (lat.) Gesetze (Rechte) der germanisch/germanistischen
Völker
Lit.:
Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und
lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittelalterlichen
Rechtskultur, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006
Leges (F.Pl.) Edwardi confessoris (lat.) ist ein vermutlich um 1130 lateinisch geschriebenes
Buch vielleicht eines Geistlichen französischer Herkunft, das angeblich die
Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners (1042-1066) im Jahre 1070
durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte von der Rechtswirklichkeit
abweichen.
Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi Confessoris,
1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958
Leges (F.Pl.) Henrici Primi (lat.) ist ein lateinisches, systematisches, jedoch nicht
besonders überzeugend gelungenes Rechtsbuch des in England unter König
Heinrich I. (1100-1135) geltenden Rechtes (Gerichtsverfassung, Kirche, Strafe,
Verfahren, Lehen, Grundstücke) vielleicht eines französischen Geistlichen in
Wessex (Winchester?) um 1115. Vermutlich verfasst derselbe auch den sog. (lat. [M.])
→Quadripartitus.
Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den Leges
Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal
Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze, 1974
leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum privatorum (lat.) →lex Iulia iudiciorum
Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b;
Söllner § 9
Leges (F.Pl.) Langobardorum (lat.) sind die Gesetze der Langobarden, durch die seit 643
das →langobardische Recht als Gesetz festgelegt wird. →Volksrecht
Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v. Bluhme,
F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches Recht in
Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977
Leges (F.Pl.) Romanae (lat.) sind die Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germanistischen
Völker für die in ihrem Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex
Romana Burgundionum).
Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953
Leges (F.Pl.) Upstalsbomicae (lat.) ist der 1617 von Siccama verwendete Name für die am
18. 9. 1323 von den Vertretern der friesischen Landschaften auf dem Upstalsbom
bei Aurich beschlossenen, wohl nur kurzfristig wirksamen Rechtssätze (u. a.
Bußen, Wergelder, Friedensgelder, Strafen) auf der Grundlage von vielleicht bis
in das 11. Jh. zurückreichenden gemeinfriesischen Beschlüssen.
Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische
Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung,
1894, 361; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f.
1981
Leges Visigothorum →Lex Visigothorum
Legisactio (lat.
[F.]) ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17
v. Chr., [lat. F.] lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige
Verfahrensform. Es werden dabei (5) verschiedene Legisaktionen unterschieden,
zu denen genau vorgeschriebene Spruchformeln gehören. Nach dem Vorbringen des
Verfolgers entscheidet der Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das
Begehren einen Schutz (lat. [F.] →actio) enthält. Noch in republikanischer Zeit
werden in Rom die Legisaktionen durch das Formularverfahren bzw. den Formularprozess
abgelöst.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I;
Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la
loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten
und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen
1980, Nr. 2
Legisactio (F.) per condictionem (lat.) ist die etwas jüngere Legisaktion durch Ansage des
altrömischen Rechtes, die beispielsweise für Stipulation, Darlehen oder
Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung eröffnet ist und durch Ansagen
eines neuen Termines zur Einsetzung einer Entscheidungsperson innerhalb von 30
Tagen (Frist für eine freiwillige Erfüllung) vor dem Prätor geschieht.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3;
Söllner § 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per iudicis arbitrive postulationem (lat.) ist die Legisaktion durch Anfordern eines Richters
oder Schlichters im altrömischen Recht (z. B. bei [lat.]
sponsio - stipulatio [Versprechen] oder Erbengemeinschaftsteilung).
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per manus iniectionem (lat.) ist die Legisaktion durch Handanlegen im altrömischen
Recht. Sie dient der Vollstreckung in die Person.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) per pignoris capionem (lat.) ist die Legisaktion durch Pfandergreifung im
altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in Sachen in einigen Fällen
zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige Zugriff auf die Sache
erforderlich.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2;
Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) sacramento in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist die Legisaktion durch Eid
entweder auf eine Person oder auf eine Sache im altrömischen Recht. Sie
erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach Streitwert von über oder
unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5 Schafe betragenden Summe
durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als Sühne für den
nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem er
ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert.
Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit des Eides.
Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b; Söllner §
9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988;
Zlinsky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106 (1989), 106
Legisaktion (römische
Verfahrensform) →legisactio
Legislation (F.)
Gesetzgebung
Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966
Legislative ist
die gesetzgebende Gewalt im gewaltengeteilten Staat.
Lit.: Köbler, DRG 190f.
legislator (lat.
[M.]) Gesetzgeber
Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW
Legist (M.)
Kenner des römischen Gesetzesrechts (seit dem Hochmittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die Naturrechtslehre
der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die legistische Literatur und
die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969),
43; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Legistik →Legist
Legitimation (1561) ist der Nachweis der
Berechtigung eines Verhaltens oder eines Zustands, insbesondere die
Verschaffung der Stellung eines ehelichen Kindes für ein nichteheliches Kind.
Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin (306-337) und andere stellen durch
nachfolgende Eheschließung Konkubinenkinder ehelichen Kindern gleich. Dasselbe
Ergebnis wird durch Eintritt in den Zwangsstand der Gemeinderäte und in
bestimmten Fällen durch öffentlichen Gnadenakt (538) hergestellt. Dies wird
seit dem 12. Jh. (Papst Alexander III. 1159-1181) aus dem römischen Recht in
das Kirchenrecht und danach in das weltliche Recht (Nürnberg 1522) übernommen,
in Deutschland 1998 beseitigt.
Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121; Koch,
K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge zur
Geschichte der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens
matrimonium, ZRG GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum
von Justinian bis zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des
außerehelichen Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des
Herrschers im Denken der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und
Ursprung, hg. v. Wunderli, P., 1991; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Legitimität ist
die seit Beginn des 19. Jh.s erfasste Rechtmäßigkeit einer Herrschaft.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677;
Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die
Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und
Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Legalität, Legitimität und Moral, hg.
v. Bruha, T. u. a., 2008
Lehen (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen), Lehn, ist
ein leihweise von einem (adeligen oder freien) Lehnsherrn (z. B. dem König)
einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem Herzog) unter Sicherung zur
(lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor allem Waffendienste)
überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht oder Gut (z. B. das Herzogtum).
Es entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus personenrechtlicher
Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der Vasallität (von kelt. gwas
Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt (Kommendation) der Herr Schutz und
Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste. Bei dem
Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere Gegenstände) zur Nutzung an
andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der Verschmelzung von Vasallität
und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen gegeben und erhalten
Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu begründende Lehnsverhältnis
ist grundsätzlich höchstpersönlich, endet also mit dem Tode jedes
Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877 Leihezwang,
1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an Wert
verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später
jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom
Lehnsprinzip durchdrungen. Im 14. Jh. hat beispielsweise der Herzog von
Württemberg etwa 500 Lehensleute in einem deutlich schwankenden Bestand (etwa
ein Drittel Bürger). Beseitigt wird das L. im 19. Jh. durch Allodifikation (Herstellung
von Eigentum) und das Ende des Heiligen römischen Reiches (1806, in Österreich
bäuerliche Lehen 1822, ritterliche Lehen 1868). Vom (adligen) L. trotz des
ähnlichen Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die (bäuerliche) →Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148; Hagemann,
T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht, 1787; Brunner,
H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8 (1887), 1;
Wasserschleben, H., Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA 11 (1890),
151; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und
Westpreußen, 1895ff.; Schmid, H., Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann,
C., Das ligische Lehensverhältnis, ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda
extra curtem, 1929; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck
1957, 1972; Staedtler, E., Zum Sprachgebrauch der libri feudorum, ZRG GA 56
(1936), 361; Boutruche, R., Seigneurie et feodalité, 1959; Studien zum
mittelalterlichen Lehenswesen, 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel, H., Untersuchungen zum
fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur Entstehung des
Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische
Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu’est-ce que la féodalité?, 2. A. 1947, 3. A.
1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6.
A. 1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen Lehnsherr und
Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G., Landrecht und
Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das Recht der
Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum Wormser
Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978;
Rödel, V., Reichslehnswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel,
1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in Vernunftrecht und historischer
Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R., Lordship and Military
Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her Pyrenean Neighbours,
1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S., Staufische
Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann, M.,
Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß, K.,
Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002, 2. A. 2009; Miller, M.,
Mit Brief und Revers - Das Lehenswesen
Württembergs, 2004; Esders, S., Friedrich II., die Mark Brandenburg und das
Erzbistum Magdeburg – Zur Kommerzialisierung von Lehensbeziehungen, ZRG GA 123
(2006), 67; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Brückner, T., Lehnsauftragung, 2010; Das Lehnswesen im Hochmittelalter,
hg. v. Dendorfer, J. u. a., 2010; Patzold, S., Das Lehnswesen, 2012
Lehnrecht ist
die quellenmäßige Bezeichnung des Mittelalters für das Lehnsrecht. Der
Sachsenspiegel gliedert sich beispielsweise in Landrecht und Lehnrecht.
Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104,
106, 112, 125, 163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung
des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des
Mannesstammes mit Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen
Hochmittelalter, eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht
der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann,
U., 1989; Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2.
A. 1999; Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen
Lehensrechts, 1999; Fischer, C., Schildgeld und Heersteuer, 2013
Lehnrechtbuch →Lehnsrechtsbuch
Lehnsbrief ist
die über die Bestellung eines Lehens seit dem (11. oder) 12. Jh. ausgestellte
Urkunde.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 69, 115
Lehnsbuch ist
ein →Lehen verzeichnendes Buch. Es findet sich anscheinend seit dem 9.
Jh. Im Spätmittelalter wird es durch das Handlungen verzeichnende Lehnsregister
ersetzt.
Lit.: Lippert, W., Die deutschen
Lehnbücher, 1903, Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch
Friedrichs des Strengen 1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der
Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401, 1981
Lehnsdienst ist
die Dienstleistung des Lehnsmanns (Heerfahrt, Hoffahrt, Ehrendienst).
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972, 591
Lehnseid ist
der vom Lehnsmann dem Lehnsherrn zu schwörende Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp,
B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83
Lehnserneuerung ist die Neubegründung des Lehnsverhältnisses nach dem Tod
eines Beteiligten mit dessen Nachfolger (bzw. einem neuen Beteiligten).
Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und
Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969
Lehnsfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Lehnsverhältnis einzugehen. Die L.
setzt an sich Ritterlichkeit und Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In
der Rechtswirklichkeit sind aber vielfach Geistliche und Frauen sowie auch
Bürger und Bauern in eingeschränktem Umfang in das Lehnswesen einbezogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch des
Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger, 1894;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957
Lehnsgericht ist
das im Mittelalter für Angelegenheiten des Lehnswesens ausgebildete besondere
Gericht, das sich aus Richter (meist der Lehnsherr) und Urteilern zusammensetzt
(u. a. Reichshofrat). Es endet im 19. Jh. (Bayern 1808).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche
Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die
Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39
Lehnsgesetz ist
ein das Lehen betreffendes Gesetz, wie es sich im Mittelalter etwa 1037, 1136,
1154, 1158 und 1338 sowie in der Neuzeit in der Form von Lehnsedikten oder
Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764, Baden 1807, Bayern 1808).
Lit.: Lehmann, K., Consuetudines
feudorum, 1896, Neudruck 1921
Lehnsherr →Lehen,
Herr
Lehnsinvestitur →Lehen, Investitur
Lehnsmann →Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Lehnspflicht →Lehen,
Lehnsrecht
Lehnsprozess ist
der Rechtsstreit um Rechte und Pflichten aus dem →Lehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lehnspyramide ist der durch Lehen und teilweise Weitergabe (Unterverlehnung) entstehende
pyramidenförmige Aufbau der Lehnsgesellschaft des Mittelalters und der frühen
Neuzeit, die bereits bei Karl dem Großen auf etwa 2000 Vasallen und 30000
Aftervasallen berechnet wird. In der L. nimmt der König die erste Stelle vor
geistlichen Fürsten, weltlichen Fürsten, freien Herren und Dienstmannen ein. In
England, Frankreich und Sizilien ist der Lehnseid des Aftervasallen innerhalb
der L. durch einen Treuevorbehalt zu Gunsten des Königs (ligesse) abgeschwächt.
Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972
Lehnsrecht ist
die Gesamtheit der das Lehen betreffenden Rechtssätze und die Berechtigung an
einem Lehen. Das L. entsteht durch die Vereinbarung zahlloser Lehnsverhältnisse
gewohnheitsrechtlich sowie durch die →Lehnsgesetze. Im Streitfall
entscheidet das →Lehnsgericht. Zeitweise führend ist das langobardische
oder italienische L., das über an italienischen Universitäten ausgebildete
Juristen auch in Gebiete nördlich der Alpen gebracht wird. Neben allgemeinerem
L. besteht jeweils auch ein besonderes L. eines Lehnsherrn (z. B. Grafen von
Katzenelnbogen). Durch Annahme des Titels Kaiser von Österreich (1804) bzw.
durch Auflösung des Reiches 1806 endet das L. des Heiligen römischen Reiches ,
im 19. Jh. auch das L. der einzelnen deutschen Staaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112, 125;
Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch der
in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System des
Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896,
Neudruck 1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957,
1972; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen
Mittelalter, 1969; Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B.,
Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W.,
Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K.,
Lehnrecht und Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius,
Mediaevistik 10 (1997); Ibhlher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des
lombardischen Lehensrechts, 1999
Lehnsrechtsbuch, Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und Lehnsrecht betreffende →Rechtsbuch.
Es tritt zuerst im langobardisch/lombardischen Bereich auf (Obertus de Orto,
Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich aber erst im späteren Mittelalter
auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L. das an das Lehnsrecht des →Sachsenspiegels
angeschlossene Rechtsbuch ([lat.] →Auctor [M.]
vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des Sachsenspiegels selbst wird
(1272-1292) lateinisch übersetzt, in Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert
(Mitte 14. Jh.s) und mit einem →Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel
folgen →Deutschenspiegel und →Schwabenspiegel und ein Teil der
darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige Lehnsrechtsbücher finden sich in
Estland und Livland (waldemar-erichsches Lehnrecht, 1315, ältestes livländisches
Ritterrecht, 1355-1377, mittleres livländisches Ritterrecht, systematisches
livländisches Ritterrecht).
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879;
Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lullies, E., Die ältesten
Lehnbücher des Hochstiffts Eichstätt, 2012
Lehnsregister →Lehnsbuch
Lehnsretrakt ist
die Ausübung eines Retraktrechts eines Berechtigten bei entgeltlicher
Veräußerung eines →Lehens. Der L. ist später in verschiedenen Lehnsrechten
möglich (z. B. 1609 im Reich).
Lit.: Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983
Lehnsträger (lat.
provasallus [M.]) ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers
(Lehnsmanns) die Rechte und Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B. Vormund).
Der L. tritt schon im Frühmittelalter auf (860).
Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der
Lehnsvormundschaft, (in) Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193
Lehnsverhältnis →Lehen
Lehnsvormundschaft →Lehen, Vormundschaft
Lehnswesen →Lehen
Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1; Transehe-Roseneck, A.
v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Studien zum
mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961,
6. A. 1983; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16.
Jahrhundert, 1961
Lehre →herrschende
Lehre
Lehrfreiheit ist
die Freiheit, die wissenschaftlich gewonnenen Einsichten und Überzeugungen frei
zu verbreiten. Die L. ist als Grundrecht bereits in der Verfassung der
Frankfurter Nationalversammlung (1848) enthalten.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschulorganisation, Diss. jur.
Gießen 1973
Lehrling (Köln 1310) ist der eine
praktische Berufsausbildung (Lehre) durchlaufende junge Mensch. Der L.
erscheint im 13. Jh. in Zunftordnungen der Städte. Seit dem 14. 8. 1969 ist der
L. durch den Auszubildenden ersetzt.
Lit.: Wissel, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938;
Quef, P., Histoire de l’apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und
Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Lehrvertrag ist
der für die Ausbildung eines →Lehrlings geschlossene Vertrag. Er sieht
lange Zeit ein besonderes, vom Lehrling zu zahlendes Lehrgeld vor. Erst in
jüngerer Zeit erhält der Lehrling für seine Leistung eine Vergütung. Der L.
endet regelmäßig mit Ablegung einer Gesellenprüfung.
Lit.: Ebel, W., Gewerbliches
Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934
Leibeigener ist
der in →Leibeigenschaft befindliche Mensch. Seine Erfolgsaussichten in
frühneuzeitlichen Freiheitsrechtsstreitigkeiten sind gering.
Lit.:
Ullmann, I., Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte
des 18. Jahrhunderts, 2007
Leibeigenschaft ist im neuzeitlichen deutschen Recht die meist durch
Überlassung von Grundstücksnutzung und damit geschaffener grundherrschaftlicher
Bindung erreichte persönliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen.
Sachlich sind auch Sklaven und Kolonen im Altertum und Unfreie und Hörige im
Frühmittelalter leibeigen, doch gehen erst seit etwa 1350 die Grundherren dazu
über, zur Abwehr der Landflucht (→Stadtluft macht frei) Höfe nur noch an
Leihenehmer zu vergeben, die sich völlig unterwerfen und schwören, nicht
fortzuziehen, und dehnen diese Stellung vereinheitlichend auf alle abhängigen
Leihenehmer aus. Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu leibeigen fortgebildet. L.
beschränkt die Rechtsfähigkeit und insbesondere die Freizügigkeit. Zwischen
(1781 Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien bzw.) 1783 (Baden) und 1820
(Mecklenburg) wird die L. in Deutschland gesetzlich beseitigt (Ungarn
1785/1791 gescheitert, 1848 Leibeigenschaftspatent).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte der
Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft
und Hörigkeit, 1861; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA
8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888),
104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung
Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10
(1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG
GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der
Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würzburg,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C.,
Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft
über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung
unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft,
hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003, 2. A. 2006; Sprandel, R., Die Entstehung der Leigeigenschaft, Saeculum 56
(2005), 33
Leibesfrucht (1350) ist das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur
Vollendung der Geburt. Das römische Recht kennt für die L. (lat.[M.]
→nasciturus) einen (lat.) →curator (M.) ventris (vgl. § 1912 BGB).
Von Teilfragen betreffenden Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die →Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6; Wolf,
E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Leibesstrafe ist
die am körperlichen Leib eines Menschen vollzogene Strafe (z. B. Schlagen,
Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter
erscheint sie gegenüber dem →Kompositionensystem selten. Vom
Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches Gewicht. Am Ende des 18. Jh.s werden
verstümmelnde Strafen nicht mehr angewandt. Seit dem Anfang des 20. Jh.s wird
auch die Prügelstrafe beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L.,
Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die
Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965
Leibfall →Sterbefall
Leibgedinge →Leibzucht
Leibniz,
Gottfried Wilhelm (Leipzig 1. 7. 1646-Hannover 14. 11. 1716), Sohn eines Notars
und Professors der Moral, wird nach dem Studium von Recht, Mathematik und
Philosophie in Leipzig und der Promotion in Altdorf Sekretär in Nürnberg, 1667 Rat
in Mainz und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner Monadenlehre
besteht die von Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als bestmöglich
geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen
Monaden. Diese Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der Vernunft
erkannt werden kann. Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende Recht (→Naturrecht)
ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom Gesetzgeber nicht beliebig
gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die Gerechtigkeit. L. begründet die
mathematische Logik, die Differentialrechnung und das binäre Zahlensystem.
Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender Gesetzgebung ([lat.]
Codex [M.] Leopoldinus, Corpus [N.]
iuris reconcinnatum). Ein zusammenfassendes Hauptwerk des Universalgelehrten
fehlt. Der bekannte bzw. erhaltene Briefwechsel (seit 2007 Weltkulturerbe)
umfasst 150000 Stücke, bei 50 aktiven Lebensjahren rund 3000 im Jahr oder 10 am
Tag). Sein Schüler ist Christian →Wolff.
Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex iuris
gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA 7
(1886), 71; Taranowsky, F., Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte,
ZRG GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz’ Plan einer juristischen
Studienreform vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der Wissenschaften);
Herrmann, K., Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini, G., Der
Rechtsbegriff und die Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K., Leibniz-Biographie,
1967; Schneider, H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F., Das römische Recht
in der Sicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard, H., Logik und
Semiotik in der Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die Rolle des deutschen
Rechtes in Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5 (1975), 56; Otte, G.,
Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig, K., Die Wurzeln des
aufgeklärten Naturrechts bei Leibniz, (in) Naturrecht - Spätaufklärung -
Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P., Leibniz‘ universal
jurisprudence, 1997; Hirsch, E., Der berühmte Herr Leibniz, 2000; Berkowitz,
R., The Gift of Science, 2005; Leibniz und das Judentum, hg. v. Cook, D. u. a.,
2008; Zwischen Fürstenwillkür und Menschheitswohl, hg. v. Hartbecke, K., 2008;
Der universale Leibniz, hg. v. Reydon, T. u. a., 2009; Leibniz in der Zeit des
Nationalsozialismus, hg. v. Li, W. u. a., 2013
Leibrente ist
eine auf die Lebensdauer eines oder mehrerer Menschen vereinbarte Rente. Die L.
findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie entsteht hauptsächlich durch Kauf.
Der seit dem 14. Jh. verbreitete Verkauf von Leibrenten durch Verbandspersonen
(Staat, Stadt, Kloster u. s. w.) endet
mit dem Aufkommen der verzinslichen Anleihe.
Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
Leibzucht oder
Leibgedinge ist ein Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in dem eine Person sich zur
Überlassung einer Nutzung auf Lebenszeit gegenüber einem Menschen verpflichtet.
Die L. begründet ein (dingliches) Nutzungsrecht an einem nutzbaren Gegenstand
(z. B. Hof, Haus, Lehen,Berechtigung). Im Familienrecht dient die L. der
Versorgung des überlebenden Ehegatten. In der Neuzeit wird die L.
bedeutungslos.
Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125;
Brünneck, W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären
deutschen Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung
des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 65, 83
Leiche als
toter Körper des Menschen ist eine
Sache, für die besonderes Recht gilt
und deren Begegnung seit dem ausgehenden 18. Jh. als unzumutbar angesehen wird.
Lit.:
Groß, D., Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau, 2002; Der Knochen-Code, hg. v. Hahn, P.,
2013
Leichenraub ist
die Wegnahme einer Leiche aus einem Gewahrsam eines Berechtigten. Der L. wird
bereits im Altertum (→Todesstrafe) und im Frühmittelalter (→Buße,
Ausweisung) mit Rechtsfolgen bedroht. Das spätrömische Recht sieht den L. als
Religionsverbrechen an.
Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16
(1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
211
Leiden am
alten Rhein ist der im 11. Jh. erscheinende, 1266 Stadtrecht erhaltende Ort.
1574/1575 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R.,
Bibliografie van hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998;
Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000
Leihe (1504) ist ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender schuldrechtlicher
Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil
(Entleiher) den Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit unentgeltlich zu
gestatten Im römischen Recht entspricht dem vermutlich in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten der anerkannte unvollkommen zweiseitige Realvertrag
(lat.) →commodatum (N.) mit (lat. [F.]) actio des Verleihers auf Rückgabe
und actio des Entleihers auf eventuellen Aufwendungsersatz oder Schadensersatz,
dem das unverbindliche (lat.) →precarium (N.) (Bittleihe) zur Seite
steht. Im Frühmittelalter begünstigen die Vergrößerung der Liegenschaften
durch Landnahme (Grundherrschaft) und das antike Vorbild die Ausbildung von
beschränkten eigentumsähnlichen Rechten an fremden Grundstücken (sog.
Landleihe, sachenrechtliches geteiltes Eigentum). Bei der (lat.) →precaria
(F.) wird Land auf Zeit, auf Widerruf, auf Lebenszeit eines oder mehrerer
Menschen (Leibgedinge, Leibzucht) oder überhaupt erblich (Erbleihe) gegeben.
Das Land kann vom Geber stammen (lat. precaria [F.]
data), vom Empfänger (lat. precaria [F.]
oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria [F.]
remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleiheverhältnissen eine
Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L.
behält dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L.
gerät er in Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein
zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonderform der L. ist das →Lehen.
Als wirtschaftlich bedeutungslose unentgeltliche Gebrauchsgestattung
erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und wird früh den Regeln
des aufgenommenen römischen Rechtes unterstellt, wobei die Trennung von (lat.)
commodatum und (lat.) precarium im 19. Jh. schwindet.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, § 2; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560; Berndt, B., Das commodatum, 2009; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
The Development of Leasehold in Northwestern EUrope, hg. v. Bavel, B. van u. a.
2008
Leihezwang ist
der Zwang zur Verleihung bzw. Verlehnung eines bäuerlichen oder ritterlichen
Gutes nach Heimfall an den Grundherrn oder Lehnsherrn. Es ist streitig, in
welchem Umfang ein allgemeiner L. bestand. Für das Lehen gilt in einzelnen
Gebieten L. Im Heiligen römischen Reich ist es fraglich, ob sich im Hochmittelalter
zahlreiche einzelne Ansprüche auf Wiederausgabe eines Lehens zu einem
allgemeinen L. verdichteten. Tatsächlich gibt jedenfalls der König die
heimgefallenen Lehen (im Gegensatz zu England und Frankreich) regelmäßig wieder
aus, wodurch er seine Stellung schwächt. Der bäuerliche L. wird in Preußen
durch Edikt vom 9. 10. 1807 erheblich eingeschränkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H., Der
Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein
angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W.,
Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwanges,
ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang, ZRG GA 105
(1988), 239
Leihhaus ist
eine im Spätmittelalter in Italien entstandene Einrichtung der Allgemeinheit,
die unter Befreiung vom →kanonischen Zinsverbot kurzfristige Darlehen
gegen ein Faustpfand gewährt (lat. mons [M.]
pietatis bzw. mons [M.] profanus). Im Heiligen römischen Reich entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit
(Augsburg 1591, Hannover 1598, Nürnberg 1618 u. s. w.). Im 18. Jh. übernimmt die Sparkasse
einen Teilbereich des Geschäfts. 1869 lässt die Gewerbeordnung das private L.
zu, wenn auch 1879 eine Konzession vorgeschrieben wird.
Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassenwesen,
1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971
Leiningen
Lit.: Wild, G., Das Fürstentum
Leiningen, 1954
Leinpfad (Treidelpfad)
ist der für das Ziehen von Schiffen an schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad.
Das Recht am L. ist Teil des Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen,
das im Spätmittelalter auf die Landesherren übergeht. Es steht auch nach
Aufgabe des Schiffziehens seit dem 19. Jh. meist dem Staat zu.
Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2
1978, 1835
Leipzig an
der Pleiße (um 900 slawische Siedlung, 1015 urbs Libzi, Burg der Linden)gehört
seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s zum hallisch-magdeburgischen Recht. Sein
aus dem Stadtgericht entwickelter Schöppenstuhl wird schon im Spätmittelalter
bedeutsam (1574 landesherrliche, 1835 aufgelöste Spruchbehörde). 1409 wird
es infolge eines Teilauszugs von 500 bis 800 Mitgliedern der nichtböhmischen
Nationen aus Prag Sitz einer Universität. 1813 wird in einer Völkerschlacht
bei L. Napoleon besiegt. 1879 verbietet die Universität für fast 15 Jahre das
Studium für Frauen. Im Sommersemester 1945 sind in der juristischen Fakultät
De Boor, Gallas (formal), Haupt, Michaelis, Eberhard Schmidt, Hans Thieme
(Kriegseinsatz), Werner Weber, Wieacker (Kriegseinsatz), von denen Schmidt inhaftiert
wird und im Oktober 1945 Haupt, Michaelis und Weber wegen ihrer Mitgliedschaft
in der NSDAP entlassen werden und Schmidt, Thieme und Wieacker nicht mehr nach
L. zurückkehren.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die Matrikel der Universität
Leipzig, 1895ff.; Distel, T., Gutachten der Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885),
189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur älteren Verfassungsgeschichte des
Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887), 89, 10 (1889), 63; Die jüngere
Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 1ff. 1909ff.; Kötzschke, R., Leipzig in der
Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Schriften des Vereins für die
Geschichte Leipzigs 11 (1917); Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch,
G., 1919; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur.
Leipzig 1942 (masch.schr.); Karl-Marx-Universität Leipzig, Bibliographie zur
Universitätsgeschichte 1409-1959, hg. v. d. hist. Komm. bei d. sächs. Ak. d.
Wiss., 1961; Leipzigs Messen, hg. v. Bentele, G. u. a., 1998; Steinführer, H.,
Die Leipziger Ratsbücher 1466-1500, 2003; Krause, K., Alma Mater Lipsiensis,
2003; Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti,
H. u. a., 2004; Die Matrikel der Universität Leipzig 1409-1809, 2004; Sachsens
Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, hg. v. Hehl, U. v.,
2005; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006;
Universitätsgeschichte als Landesgeschichte, hg. v. Döring, D., 2007; Die
Matrikel der Universität Leipzig (1809-1909), hg. v. Blecher, J. u. a., Bd.
1ff., 2008ff.; Pätzold, J., Leipziger gelehrte Schöffenspruchsammlung, 2009;
Bünz, E. u. a., Geschichte der
Universität Leipzig 1409-2009, Bd. 1ff. 2009ff.; Festschrift der
Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, 2009; Sembdner,
A., Stadt und Universität Leipzig im späten Mittelalter, 2010; Kusche, B., Ego
collegiatus - Die magisterkollegien an der Universität Leipzig, 2009 (mit 211
Biogrammen); Wejwoda, M., Die Leipziger Juristenfakultät im 15. Jahrhundert,
2012; Schmotz, T., Die Leipziger Professorenfamilien im 17. und 18.
Jahrhundert, 2012; Das Leipziger Schöffenbuch 1420-1478, bearb. v. Kunze, J.,
2012
Leistung (Wort 1285, Leistungsort 1828) ist der Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L.
wird der Schuldner frei. Bei Leistungsstörungen (→Unmöglichkeit, →Verzug,
→positive Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214;
Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913;
Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976;
Emmert, J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten,
2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Thomale, C., Leistung als Freiheit, 2012
Leistungsstörung (1936 Heinrich Stoll) →Leistung, →positive Forderungsverletzung, →Verzug,
→Unmöglichkeit
Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen,
1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990;
Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das
BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne,
Diss. jur. Mannheim 2000; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Leistungsverwaltung ist die in der Erbringung von Leistungen bestehende
Verwaltung im Gegensatz zur Eingriffsverwaltung. Die L. tritt im 19. Jh.
hervor (Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Verkehr).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Forsthoff,
E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale Leistungsverwaltung und
Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die Stadt als
Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A., Kommunale
Leistungsverwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die
Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid, 2005
Leitkauf ist
der im Hochmittelalter sichtbare, unter Gelöbnistrunk erfolgende Kauf, der die
Beteiligten bis zur nachfolgenden Erfüllung bindet.
Lit.: Hübner
Lemberg
Lit.: Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Lentze,
Hans (Lauban 14. 3. 1909-Wien 24. 3. 1970), protestantischer Bürgerssohn, wird
nach dem Studium des Rechtes in Göttingen, Bonn und Breslau und der Theologie
Prämonstratenser (1939), 1947 in Innsbruck habilitiert, 1952
außerordentlicher Professor in Innsbruck und 1954 Professor für Rechtsgeschichte
(1958 ordentlicher Professor) in Wien.
Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg.
v. Grass, N. u. a., 1969
Leoben
Lit.: Schillinger-Prassl, C., Die
Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997
Leobschütz in Mähren an der Grenze zu Polen ist
eine im Mittelalter als Oberhof einer Stadtrechtsfamilie wirkende Stadt, in der
1420/1421 eine Prachthandschrift eines Leobschützer Rechtsbuchs mit
Privilegien, Bestätigungen, Leobschützer Willkürrecht und einem Meißener
Rechtsbuch in fünf Büchern in ostmitteldeutscher Sprache hergestellt wird.
Lit.: Das Leobschützer Rechtsbuch,
bearb. v. Roth, G., hg. v. Irganng, W., 2006
Leodis (lat.-afrk.),
leudis, ist im fränkischen Frühmittelalter der Freie bzw. sein Wergeld.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E., Leudes –
curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und frankolateinische
Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d. Akad. d. Wiss.
Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240
León ist
ein 912 durch Abspaltung von Asturien entstehendes Königreich, zu dem 914
Galicien und 924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230 wird Kastilien mit L.
vereinigt.
Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under king
Alfonso VII (1126-1157), 1998
Les Tenures
ist eine 1481 von Sir Thomas →Littleton veröffentlichte, 1628 von Edward →Coke
kommentierte Darstellung des Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts
des englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Lettland ist
das seit dem 9. Jh. (?) von baltischen Letten besiedelte Gebiet an der unteren
Düna, das im 13. Jh. unter deutschen Einfluss gerät. 1561 kommt es teils
unmittelbar, teils lehnsrechtlich zu Polen, 1810 an Russland. 1864 entsteht ein
von Bunge nach dem Vorbild des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs
geschaffenes Gesetzbuch für die Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich ein
unabhängiges L., das 1934/1937 unter (trotz Abkehr von einem individualistisch
ausgerichteten Privatrecht und Hinwendung zu einem stärker gemeinschaftsbezogenen
sozialen Recht) inhaltlicher Wahrung des vorhergehenden, zu mehr als der Hälfte
römisch geprägten Provinzialrechts des Ostseegouvernements Russlands von 1864
(rund 4600 Bestimmungen) ein Zivilgesetzbuch mit rund 2400 Paragraphen erlässt
(und 1938 durch ein Grundbuchgesetz ergänzt), wenig später (5. 8. 1940) von der
Sowjetunion einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben wird. Ab 1992
wird das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 mit Änderungen nach und nach
wieder in Kraft gesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Rigasche Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v.
Juristen-Verein Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Schwabe,
A., Grundriss der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands Zivilgesetzbuch
vom 28. Januar 1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein, E. v., Die
rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16. September
1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu den
baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum,
2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Ludwig, K.,
Lettland, 2000; Wohlfahrt, K., Der Rigaer Letten-Verein, 2006; Donnert, E.,
Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008; Schwartz, P., Das lettländische
Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, 2008; Felder, B., Unter wechselnden
Herren. Lettland im zweiten Weltkrieg, 2009; Jüngerkes, S., Deutsche Besatzungsverwaltung
in Lettland 1941-1945, 2010; Osipova, S., Geschichte, Rechtsgeschichte und nationale
Identität in Lettland, ZRG GA 130 (2013), 371
Lettre (F.) de cachet ist in Frankreich in der frühen Neuzeit der von einem
Staatssekretär gegengezeichnete königliche Brief, der vielfach einem politisch
unerwünschten Menschen befiehlt, sich in ein Staatsgefängnis oder in die Verbannung
zu begeben. →Haftbefehl
Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische
Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887
Letzter Wille (Adj.
letztwillig 1500, letztwillige Verfügung 1784/1794) ist der im →Testament
(oder Erbvertrag) geäußerte Wille, welche Rechtsfolge am Vermögen des
Erblassers eintreten soll.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Leu, Johann Jakob (Zürich 1689-1768),
Bürgerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759 Bürgermeister in
Zürich. Das eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff. 1727) stellt das
Schweizer Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines helvetisches ... Lexikon
(1747ff.) das damalige Gesamtwissen.
Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht
des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu,
1976
Leuchtenburg
Lit.:
Kaiser, U., Das Amt Leuchtenburg 1479-1705, 2012
leudes →leodis
Leumund ist
der Ruf eines Menschen. Wer einen schlechten L. hat (z. B. landschädliche
Leute), ist im Mittelalter vom Reinigungseid ausgeschlossen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346
Leutkircher Heide
ist ein Gebiet in Oberschwaben, für das ein kaiserliches Landgericht für Freie
von 1348 bis 1802 bezeugt ist.
Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht auf
der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf
Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche Landgerichte
in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Kegel-Schorer, C. de, Die Freien auf
Leutkircher Heide, 2007
Leviathan (hebr.
[Sb.] gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung
für Drachen, Krokodil und Ägypten, die Thomas →Hobbes 1651 als Buchtitel
einer Staatsdarstellung verwendet.
Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der
Staatslehre des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des
Leviathan, NJW 1988, 2849; Der wiederkehrende Leviathan - Staatlichkeit und
Staatswerdung in Spätantike und früher Neuzeit, 2011
Levy, Ernst
(Berlin 23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Berlin Amtsrichter und 1919 Professor
in Frankfurt am Main, 1922 in Freiburg im Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936
muss er emigrieren, kehrt aber von 1945 bis 1966 nach Europa zurück. Er
erforscht das spätrömische Vulgarrecht Westroms.
Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen Vulgarrechts,
1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law - The Law of Property, 1951; Levy, E.,
Weströmisches Vulgarrecht - Das
Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte Schriften, 1963; Kunkel, W.,
Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII; Ernst Levy und Wolfgang
Kunkel, Briefwechsel 1922-1968, hg. v. Mußgnug, D., 2005
Lex (lat. [F.],
Pl. leges) ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. [lat.]
lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz] u. s. w.). Für die Zeit von etwa 510 v. Chr.
bis etwa 100 n. Chr. lassen sich rund 800 einzelne römische leges (publicae) (Gesetze)
ermitteln, die grundsätzlich nach dem Antragsteller benannt sind. Daneben können
als (lat. [F.]) lex privata ein Vertrag, eine Satzung oder eine Hausordnung
geschaffen werden. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. [N.])
ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in
erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des
Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. [N.])
ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unterliegende
Ordnung (Stammesrecht, Volksrecht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur
ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück.
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW; Balon,
J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978;
Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus
von Ferrières, 2001
Lex Aebutia
ist das römische Gesetz der ersten Hälfte des 2. Jh.s v. Chr., das vermutlich
die (lat.) legis actio (F.) per condictionem durch die zum Formularverfahren
gehörige (lat.) condictio ersetzt.
Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9;
Köbler, DRG 33
Lex Aelia Sentia ist das römische Gesetz des
Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an bestimmte Voraussetzungen knüpft.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14;
Köbler, DRG 36
Lex aeterna
(ewiges Recht) ist das von Augustin (354-430) auf Gott zurückgeführte Recht, das
der Mensch als Naturrecht (lat. lex [F.]
naturalis) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Alamannorum ist das (nach dem Pactus Alamannorum) zwischen 712 und 725 aufgezeichnete,
in 50 Handschriften überlieferte Volksrecht der →Alemannen. Die L. A.
gliedert sich in Kirchensachen, Herzogssachen und Volkssachen. Sie ist stark
kirchlich beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges Alamannorum,
hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F.,
Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of
Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien
im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v.
Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und
Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99
(1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher
Rechtstexte, ZRG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993
Lex Anastasiana ist das Gesetz des römischen Kaisers Anastasius I. (491-510) aus dem
Jahre 506, das anordnet, dass der Käufer einer Forderung, der einen unter dem
Nominalwert der Forderung liegenden Preis bezahlt hat, von dem Schuldner nur
diesen geringeren Betrag verlangen kann. Ihr Inhalt ist nicht in das Allgemeine
Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs
(1811), das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) oder das Bürgerliche
Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) aufgenommen und in einzelnen Staaten
des Deutschen Bundes durch Gesetz ausgeschlossen (Großherzogtum Hessen 1827,
Württemberg 1828, Frankfurt am Main 1829, Kurfürstentum Hessen 1840, Nassau
1841, Hannover 1864, vgl. auch Art. 299 ADHGB 1861).
Lit.: Kaser,
M., Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, 2. A. 1975, 453; Rennpferdt,
M., Lex Anastasiana, 1991; Beaucamp, E., Die Lex Anastasiana von Thomasius zum
BGB, 1994
Lex Angliorum et Werinorum →Lex Thuringorum
Lit.:
Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15 (1894), 174
Lex Apuleia
ist das römische Gesetz, das dem mehr leistenden von mehreren Bürgen einen
Ausgleichsanspruch gegen die übrigen gewährt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Aquilia
de damno ist das (um) 286 v. Chr. als Plebiszit erlassene, drei Kapitel
umfassende römische Gesetz über den Schaden. Danach ist die rechtswidrige (lat.
iniuria) (vorsätzliche oder fahrlässige) Tötung fremder Sklaven und
vierfüßiger Herdentiere seitens des Täters - nicht mehr wie noch im
Zwölftafelgesetz durch einen vorgegebenen Betrag, sondern - durch ihren
höchsten Wert des letzten Jahres, die sonstige Schädigung von Vermögensgütern
durch Brennen, Brechen, Reißen durch ihren höchsten Wert der letzten 30 Tage -
bei Bestreiten jeweils doppelt - auszugleichen. Die l. A. wird seit dem Spätmittelalter
in vereinfachter Form im Heiligen römischen Reich aufgenommen und bildet die
Grundlage des Rechtes der unerlaubten Handlungen (Delikte) bis zur Gegenwart.
Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das allgemeine
Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia, 1954;
Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958;
Lübtow, U. v., Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das Schadenersatzrecht
der lex Aquilia, 5. A. 1996; Schebitz, B., Berechnung des Ersatzes nach der lex
Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das deliktische
Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
1994
Lex Arcadia
ist das römische Gesetz des Jahres 397, das die Ehrverletzung der Amtsträger
mit verstärkter Straffolge bedroht.
Lit.: Köbler, DRG 56
Lex Atilia
ist das römische Gesetz des Jahres 210 v. Chr., das die Bestellung des Vormunds
durch Magistrate ermöglicht.
Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler,
DRG 36
Lex Atinia
ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das gestohlene Sachen von der
Ersitzung durch jeden weiteren Erwerber ausschließt, bis sie zum Eigentümer
zurückkehren.
Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8
Lex Baiwariorum ist das vielleicht ([nach Hermann Nehlsen] vor 643 oder) um 743
aufgezeichnete, in mehr als 30 Handschriften überlieferte Volksrecht der →Bayern,
das auffälligerweise enge Verwandschaft zum westgotischen (lat.) Codex (M.) Euricianus
(wörtliche Übernahmen in überzeugender Art und Weise) und zur (lat.) lex (F.)
Alamannorum (sachliche Übereinstimmungen möglicherweise auf Grund einer gemeinsamen
älteren Vorlage) aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D., Die deutschen
Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581; Krusch, B., Die
Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E. Frhr. v., 1926,
Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum – Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter
Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG
GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex Bajuvariorum zum späteren
bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M., Stammesrecht und
Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.); Krause, H., Die
liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph, H., Herrschaft
und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die Begründungen
der lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979;
Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex
Baiuvariorum, 2002
Lex Burgundionum (lex Gundobada) ist das im frühen 6. Jh. (von König
Sigismund am 29. 3. 517?) aufgezeichnete (, in 14 Handschriften überlieferte)
Volksrecht der →Burgunder, dessen Grundlage ein von König Gundobad um 500
erlassener (lat.) liber (M.) constitutionum (Buch der Konstitutionen) bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges
Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892; Mitteis, L., Eine neue Handschrift der
Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407; Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle,
F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG
GA 59 (1939), 233; Rüegger, H., Einflüsse des römischen Rechtes in der Lex
Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949; Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle, F., Zur Textgestalt und Textgeschichte
der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954), 23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu
den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1979
Lex Cincia de donis et muneribus ist das römische Gesetz (lat. plebiscitum [N.])
des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet, Schenkungen über
einen bestimmten Höchstwert hinaus anzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1
Lex commissoria ist im römischen Recht die Verfallsabrede beim Pfand (im Fall der
Nichtzahlung der Schuld), die Kaiser Konstantin (306-337) verbietet, und die
Nebenabrede des Rücktritts vom Kaufvertrag und der Rückforderung des
Kaufgegenstands beim Kauf für den Fall, dass der Preis nicht rechtzeitig
bezahlt wird.
Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62;
Wieacker, F., Lex commissoria, 1932
lex contractus (lat. [F.] Gesetz des Vertrags) durch Vertrag (wie durch ein Gesetz)
verbindlich festgelegter Inhalt
Lex Cornelia de sicariis et veneficis ist das unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene römische
Gesetz gegen Gewaltverbrechen.
Lit.: Köbler, DRG 35; Cloud, D., Leges
de sicariis, ZRG RA 127 (2010), 114
Lex Cornelia testamentaria nummaria ist das römische, unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene
Gesetz gegen Fälschung von Testamenten und Münzen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex duodecim tabularum (lat. [F.]) Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.)
Lex Emminger
ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich Emminger
(1880-1951) benannte Vereinfachung des deutschen Verfahrensrechts (Verordnung
vom 4. 1. 1924, Verordnung vom 13. 2. 1924).
Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die
Lex Emminger vom 24. 1. 1924, 1988
Lex Falcidia
ist das römische Gesetz des Jahres 40 v. Chr., das dem Erben wenigstens ein
Viertel der Erbschaft (lat. quarta [F.]
Falcidia, falzidisches Viertel) durch Nichtigkeit und anteilige Kürzung vor der
Verfügung durch Vermächtnisse sichert.
Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner
§ 15; Köbler, DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995
lex familiae
→Hofrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lex Francorum Chamavorum (ewa Chamavorum) ist das wohl 802 aufgezeichnete, in 2
bzw. 3 Handschriften überlieferte Volksrecht des fränkischen Teilstamms der
Chamaven (im Hamaland bei Zutphen).
Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den
Leges Francorum, 1979
Lex Frisionum
ist das wohl 802 (als Vorarbeit?) aufgezeichnete, nur durch einen Druck
Johannes Herolds (Basel 1557) überlieferte Volksrecht der →Friesen, das
in 22 Titel und eine (lat.) Additio (F.) sapientium (Zusatz der Weisen eines
Wlemar und Saxmund) zerfällt und in mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und
westfriesiches Recht gegliedert gewesen zu sein scheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex Frisionum, hg.
v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex
Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex Frisionum,
ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927
(besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira,
K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und
Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg.
und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982
Lex Fufia Caninia ist das römische Gesetz des Jahres 2 v. Chr., das die
Freilassung beschränkt.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14;
Köbler, DRG 36
Lex Furia
ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das in
Italien die Haftung von Bürgen einengt.
Lit.: Kaser § 57 II 2ª
Lex Gundobada
→Lex Burgundionum
Lex Hortensia
ist das römische Gesetz des Jahres 287 v. Chr., das den Entscheidungen der
Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt.
Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8
Lexikon ist
das meist alphabetisch oder systematisch geordnete Wörterbuch. Es findet sich
bereits im griechischen Altertum. Rechtskenntnisse vermitteln etwa die rund
7000 Begriffe umfassenden 20 Bücher Etymologien des Bischofs Isidor von Sevilla
(† 636), die ungedruckte (lat.) tabula (F.) utriusque iuris des Johannes von
Erfurt, der (lat.) Vocabularius (M.) iuris utriusque des Jodocus (1452), (lat.)
De copia verborum et rerum in iure civili Oldendorps (1542) oder das von Julius
Weiske herausgegebene 15bändige Rechtslexikon (1839ff.). Die umfangreichste und
wirkungsmächtigste Enzyklopädie des Mittelalters ist das wohl vor 1250
entstandene Werk (lat.) De proprietatibus rerum des Franziskaners Bartholomaeus
Anglicus (mehr als 300 Handschriften, zwischen 1470 und 1609 52 Druckauflagen),
eines der bedeutendsten Lexika der Neuzeit Johann Heinrich Zedlers (1706-1751)
Großes vollständiges Universallexikon (1731ff., 64 Bände). Das deutsche
Rechtschreibelexikon Konrad Dudens enthielt in der ersten Auflage (1880) 27000 Stichwörter
und in der 26. Auflage (2013) 140000 Stichwörter.
Lit.: Köbler, G., Lexikon, (in) HRG Bd. 2 1978, 1979;
Murmellius, J., Pappa, 1513ff., Neudruck 2006; Zedler, J., Großes vollständiges
Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E.,
Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechtes, 10. A. 1958; Haberkern,
E./Wallach, J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg.
v. Hausmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch,
1978, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au
moyen âge, 1991; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Bierbach,
M., Grundzüge humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum
Romano-Teutonicum, hg. v. Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg.
v. Polley, R., 2000; Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002, 2. A.
2009; Lexikologie, hg. v. Cruse, D. u. a., 2002; Wissenschaftliche
Lexikographie im deutschsprachigen Raum, hg. v. Städtler, T., 2003; Bartholomaeus
Anglicus, De proprietatibus rerun, hg. v. Meier, C. u. a., 2007; Erschließen
und Speichern von Wissen in der frühen Neuzeit, hg. v. Grunert, F. u. a., 2010;
Lexicon Monacense Anonymum, hg. v. Lunardini, V., 2009 (3 Handschriften des 12.
Jh.s aus Schäftlarn); Hergemöller, B., Promptuarium ecclesiasticum medii aevi,
2011 (rund 4000 Ansätze); Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien, hg.
v. Koch, H. u. a., 2013
lex imperfecta (lat. [F.]) unvollkommenes Gesetz
Lex Julia de adulteriis (julisches Gesetz über Ehebrüche)
Lex Iulia de maritandis ordinibus (julisches Gesetz über die zu verheiratenden Stände) ist
das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das Ehegebote und Eheverbote
schafft.
Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14;
Köbler, DRG §6
Lex Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über die Grundstücksmitgift) ist das
römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das die Veräußerung eines
Mitgiftgrundstücks durch den Ehemann ohne Zustimmung der Frau verbietet.
Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37
Lex Iulia iudiciorum privatorum (julisches Gesetz über die privaten Gerichte) ist das
römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die einzelnen →Legisaktionenverfahren
bis auf geringe Reste zugunsten des →Formularverfahrens abschafft.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
III 2; Köbler, DRG 32
Lex Iulia iudiciorum publicorum (julisches Gesetz über die öffentlichen Gerichte) ist das
römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.), das für die meisten
Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit das altrömische
magistratisch-komitiale Verfahren weitgehend aufgibt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV
4; Köbler, DRG 34
Lex Laetoria
ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das den noch nicht 25jährigen
(minor XXV annis „Minderjährigen“) (nicht durch Nichtigkeit des betreffenden
Geschäfts, aber doch) durch (Klagansprüche und) Einreden gegen den schützt, der
ihn übervorteilt.
Lit.: Kaser § 14 II 3a
Lex Langobardorum ist das hauptsächlich durch die Königsgesetze der
Langobarden bekannte Volksrecht der →Langobarden. →Leges
Langobardorum
Lex legum
ist die vielleicht im 9. oder 10. Jh. in Süditalien entstandene kleine Zusammenstellung
von Ausschnitten aus dem Edictum Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex
Visigothorum und dem langobardischen Recht.
Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter
facta, ZRG GA 10 (1889), 230
Lex Licinia
ist das römische Gesetz des Jahres 367 v. Chr., das Plebejer als Konsuln
zulässt.
Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18
Lex Licinnia
ist das römische Gesetz, das den Gemeinschaftsteilungsklageanspruch eröffnet.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler,
DRG 25
Lex mercatoria
Lit.: Meyer, R., Bona fides und
lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 148;
Cordes, A., Auf der Suche nach der Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen lex
mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168
lex minus quam perfecta (lat. [F.]) weniger als vollkommenes Gesetz (z. B. lex Laetoria)
Lex Miquel/Lasker ist das von den Abgeordneten Miquel und Lasker bewirkte
Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich die Zuständigkeit für die
Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechtes gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Lex naturalis
(Naturrecht) ist das Naturrecht, durch das der Mensch das auf Gott
zurückgeführte ewige Recht (lat. lex [F.]
aeterna) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Ogulnia
ist das altrömische Gesetz, das den Plebejern die Priesterämter eröffnet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI
2; Köbler, DRG 18
Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.) ist das römische Gesetz unter Augustus über
eherechtliche und erbrechtliche Fragen.
Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III
1; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Poetelia
ist das römische Gesetz des Jahres 326, nach dem der Gläubiger den Schuldner
als Schuldknecht die Schuld abarbeiten lassen kann.
Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner
§ 8; Köbler, DRG 20
Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4)
lex perfecta (lat. [F.]) vollkommenes, Nichtigkeit vorsehendes Gesetz (z. B. lex
Voconia)
Lex publica
ist im römischen Recht das (öffentliche) Gesetz (im Gegensatz zur privaten
Vereinbarung).
Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978
lex regia
(königliches Gesetz)
Lit.:
Lomonaco, F., New Studies on Lex Regia, 2011
Lex Rhodia de iactu (rhodisches Recht über den Seewurf) ist die im
hellenistischen Bereich schon im Altertum verbreitete Regelung, dass der
Schiffer, der in Seenot Waren eines Befrachters opfert, dem Befrachter zu
einem Ausgleich verpflichtet ist. →Haverei
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von der lex Rhodia de
iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D., Nomos Rhodion
nautikos, 1996; Ullmann, E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper,
1996, 1049
Lex Ribvaria
ist das in Vorformen wohl im 7. Jh. (584-629?, 623-639) und in den
überlieferten Formen seit 763/764 aufgezeichnete Volksrecht des um Köln im
Gebiet Ribvaria (Ripuaria, Uferland) sitzenden Teiles der Franken bzw. des um Köln
siedelnden fränkischen Teilstamms der Ribvarier (Ripuarier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B., Die
Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928), 264;
Beyerle, F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria, hg.
v. Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der Lex
Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges
Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988
Lex Romana Burgundionum ist die durch vier Handschriften überlieferte, 47 Titel
mit 176 Bestimmungen umfassende Zusammenstellung von Stücken aus dem →Codex
Gregorianus, →Codex Hermogenianus, →Codex Theodosianus,
posttheodosianischen Novellen, Paulussentenzen und einem nicht sicher zu
ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird entweder König Gundobad († 516) oder
König Sigismund zugeordnet.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg. v.
Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958; Chevrier,
G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I, 2b, aa,
1969; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995
Lex Romana canonice compta ist die in Norditalien um die Mitte des 9. Jh.s
entstandene Sammlung römischen Rechtes (Institutionen, Codex Justinians,
Epitome Iuliani) zu kirchlichem Gebrauch mit 324 Kapiteln.
Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice
compta, 1927
Lex Romana Curiensis (oder Lex Romana Raetica Curiensis oder früher auch Lex
Romana Utinensis) ist die in drei Handschriften überlieferte, wohl in Rätien im
8. Jh. (vor 765?) entstandene private Kurzfassung der →Lex Romana
Visigothorum (→Breviarium Alarici).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana
Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882;
Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v.,
Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter
der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis,
hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer-Marthaler, E., Römisches Recht in
Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in
der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169
Lex Romana Visigothorum (Breviarium Alarici) ist die um 506 durch den
westgotischen König Alarich II. veranlasste Sammlung römischen Rechtes mit
Auszügen aus dem Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, den
Institutionen des Gaius, den Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und dem
Codex Hermogenianus, wobei den meisten Texten eine wohl im 5. Jh. entstandene,
vereinfachende Erklärung (lat. [F.]
interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer
Aufhebung durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh.
(für die römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit.
Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana
Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue
Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J.,
Le Bréviaire d’Alaric et le Epitome, (in) Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa,
1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93
Lex Salica
ist das vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder 507-511 in 65 Titeln
(lat. Pactus [M.] legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des
salischen Teilstamms der →Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung
besteht aus Texten im Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im
Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie enthält eine Reihe von altfränkischen, aber
nur noch teilweise verständlichen Wörtern (→malbergische Glossen). Sie
wird bis etwa 800 mehrfach überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8
überlieferte Fassungen unterscheiden lassen. Die älteste erhaltene Handschrift
wird auf 751-68 datiert. Inhaltlich ist das →Kompositionensystem sehr
kasuistisch behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke
kapitularienartig angefügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
80; Zycha, A., Zur Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H.,
Über den Titel 58, ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex
Salica und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S.
Die Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin
von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910; Krammer, M., Die
ursprüngliche Gestalt und Bedeutung der Titel De filtorto und De vestigio
minando, ZRG GA 36 (1915), 336; Pétrau-Gay, J., La notion de „lex“ dans la
coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der merowingischen
Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der
Lex Salica, ZRG GA 44 (1924), 216; Claußen, C., Die Beziehungen der Lex Salica
zu den Volksrechten der Alemannen, Bayern und Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349;
Pétrau-Gay, J., La „Laghsaga“ salienne, Revue historique de droit français et
étranger 14 (1935), 54, 252; Lex Salica, 100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K.,
1953; Schmidt-Wiegand, R., Die kritische Ausgabe der Lex Salica – noch immer
ein Problem?, ZRG GA 76 (1959), 301; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K.,
1962; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand
der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Gutenbrunner, S., Über
salfränkisch atōmiu und altnordisch tómr, Rechtssprache und
Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex Salica, hg. v. Eckhardt, K., 1969;
Roll, H., Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, 1972; Nehlsen, H.,
Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979;
Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Simone, G., LS v. LF.
La tradizione frammentaria in antico alto tedesco della Lex Salica, 1991
Lex Saxonum
ist das in zwei Handschriften (und zwei Drucken Johannes Herolds 1557 bzw.
Tilius’ 1573) überlieferte, vielleicht 802 aufgezeichnete, durch die sog. (lat.)
→Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (782/785) und das (lat.) →Capitulare
(N.) Saxonicum (797?) ergänzte Volksrecht der von den Franken besiegten →Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C. Frhr.
v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex
Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung
der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum,
compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel,
1982, 117
Lex Scribonia
ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das zur
Sicherung der Freiheit des Eigentümers die Ersitzung einer →Dienstbarkeit
(Servitut) durch (lat. [F.]) usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt.
Lit.: Kaser § 28 II 1b
lex temporalis (zeitliches, weltliches Recht) im
Gegensatz zur lex aeterna
Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist das durch eine Corveyer Handschrift
(und einen Druck Herolds [1557]) überlieferte, wohl 802 aufgezeichnete
Volksrecht der →Thüringer (Angeln und Warnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum et
Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex
Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23
Lex Visigothorum ist das Volksrecht der →Westgoten. Seine älteste
Fassung ist der (lat.) →Codex (M.) Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336
erhalten). Die L. V. wird nach der Abwanderung der Westgoten von Gallien nach
Spanien unter den Königen Leovigild (568-586, nicht überliefert), Rekkesvind
(654, 2 Handschriften, 12 Bücher) und Ervig (681) überarbeitet und erweitert.
Die L.V. weist römischen und christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13.
Jh. benutzt. →Fuero, Fuero Juzgo
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H., Ein
Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das
Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I.,
Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002; Sauter,
M., Hexenprozess und Folter, 2010; Kimmelmann, A., Die Folter im Beweisverfahren
der Leges Visigothorum, 2010
Lex Voconia ist
das römische Gesetz des Jahres 169 v. Chr., das die Erbeinsetzung von Frauen
wohl zum Schutz großer Vermögen (zeitweise) beschränkt.
Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3
Leyes de Toro
(Gesetze von Toro) sind die spanische Rechtsquelle des 16. Jh.s (1565), die
Zweifelsfragen bei der Auslegung des (span. [M.])
→Fuero Real und der (span. [ F.Pl.])
→Siete Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von 1888/1889
gilt. Die L. d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572) kommentiert.
Lit.: Peréz Martín, A./Scholz, J.,
Legislacíon y jurisprudencia en la España del antigua régimen, 1978
Leyser,
Augustin (Wittenberg 18. 1. 1683-3. 5. 1752) wird nach dem Rechtsstudium in
Wittenberg und Halle (Stryk, Thomasius) 1707 außerordentlicher Professor in Wittenberg,
1712 ordentlicher Professor in Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf
Bände (lat.) Meditationes (F.Pl.) ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den
Pandekten), die mehr als 700 Studien zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen
wiedergeben, erweisen ihn als Vertreter des →usus modernus. In einem Kurs
von 18 Monaten Dauer trägt er (täglich zweistündig) das gesamte Recht vor.
Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und
Kadijurisprudenz, (in) Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980,
295
Libell (N.)
Büchlein, Schrift (z. B. Klaglibell)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155
Libellarvertrag (lat. contractus [M.]
libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter verbreiteter Grundstücksleihvertrag
freier Leute.
Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli,
Università di Torino, Memorie dell’ instituto giuridico II/CVIII, 1962
Libellus (M.) conventionis (lat.) ist die Klageschrift des spätantiken
Zivilprozesses.
Lit.: Köbler, DRG 55
Libellus (M.) repudii (lat.) ist im spätantiken römischen Recht die unter
östlichem Einfluss entstandene förmliche Erklärung der Ehescheidung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58
Libellverfahren ist das im spätantiken römischen Recht seit der Mitte des
5. Jh.s mit der Einreichung eines Klaglibells (lat. libellus [M.]
conventionis) an den Richter beginnende →Kognitionsverfahren.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
liber (lat.
[M.]) Buch (in klassischer römischer Zeit hat ein l. einen
Umfang von durchschnittlich 70000 Zeichen bzw. von etwa 30 bis 40 heutigen
Druckseiten)
liber (lat.
[M.]) Freier
Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983
liber ad edictum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zum Edikt des Prätors (z. B. des Paulus
mit 80 libri) oder Ulpians (mit 83 libri)
liber ad Sabinum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zu Sabinus (z. B. des Paulus mit 16 libri
oder Ulpians mit mehr als 51 libri
Liber augustalis
→Konstitutionen von Melfi
Liber cartularii
ist eine wohl langobardische Formelsammlung von 25 Formularen vielleicht des
frühen 11. Jh.s.
Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, Bd. 1 1954, 315
Liber constitutionum →Lex Burgundionum
liberal (freiheitlich)
Liberalismus ist
die im 18. Jh. ausgebildete Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die
sich von der freien Entfaltung des Einzelnen die bestmögliche Entwicklung der
Gesellschaft erhofft. Grundlegend wird das Werk (engl.) Inquiry into the Nature
and Causes of the Wealth of Nations (1776) des schottischen Nationalökonomen
Adam →Smith (1723-1790). Politisch strebt der L. Teilhabe des Einzelnen
am Staat an, dem, getrennt von der Gesellschaft, der Schutz des Einzelnen
aufgegeben ist (Jeremy →Bentham 1748-1832, John Stuart Mill, Herbert
Spencer, Karl von →Rotteck 1775-1840, Karl Theodor →Welcker). Die
unbeschränkte Freiheit des L. führt aber zu gesellschaftlichen Schwierigkeiten
(soziale Frage), so dass am Ende des 19. Jh.s der L. vom →Sozialismus
zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich anscheinend besonders Napoleons idées
libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die um 1810 in Spanien die Bezeichnung der
Angehörigen einer Gruppe als liberal bzw. Liberale und danach in England die
Umwandlung der Whig Party zur Liberal Party bewirken.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216;
Benöhr, H., Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W.,
Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die
Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche
Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen,
1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus
im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H.,
Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei,
2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J.,
Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die
Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich
1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und
Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004),
313; Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags
1871-1918, 2004
libertas (lat.
[F.]) Freiheit
Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas
naturalis, 1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C.,
Freiheit und libertas, ZRG 104 (1987), 84
Libertas (F.) ecclesiae (lat.) ist die von der Kirche im 11. Jh. geforderte
Freiheit von der weltlichen Gewalt. →Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach, G.,
Libertas, 1936; Szabo-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985
Libertät ist
die verhältnismäßige Freiheit der Reichsstände des Heiligen römischen Reichs in der frühen Neuzeit (Wahlrecht,
Wahlkapitulation, Glaubensfreiheit).
Lit.: Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät
und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999
libertus (lat.) freigelassen
Libra (lat.
[F.]) Waage, ist im römischen Recht eine wichtiges Instrument
zur Durchführung von Libralgeschäften wie z. B. →Manzipation, nexum und
als dessen Gegenstück nexi liberatio)
Lit.: Köbler, DRG 25
Libralgeschäft ist im römischen Recht das mit der Waage (lat. [F.]
libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgelts bei der →Manzipation).
Lit.: Kaser § 7 I
Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind die im 11./12. Jh.
entstandenen und im 12./13. Jh. in mehr als 150 Handschriften aufgezeichneten
und zu den wichtigen Rechtsquellen gerechneten →Lehnsrechtsbücher des
langobardischen Lehnsrechts (obertische Rezension Mailand vor 1158 7
Handschriften, ardizonische Rezension (benannt nach Jacobus de Ardizone)
Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften, Vulgata [Accursius’] Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf
Lehnsgesetzen Konrads II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und
Friedrichs II. Sie werden später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56
Titel gegliedert und seit der Mitte des 13. Jh.s in das sog. →Volumen der
justinianischen Kompilation aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106;
Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus
Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht, 1896;
Weimar, P., Die Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale di
Diritto Comp. 1 (1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische Schrift von etwa 790/7911)
Lit.: Freeman, A., Theodulf of Orléans and the Libri
Carolini, Speculum 32 (1957), 663; Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini,
1966
Libri (M.Pl.) terribiles (lat.) sind die das Strafrecht behandelnden
(schrecklichen) Bücher 47, 48 der →Digesten.
Lit.: Köbler, DRG 56
libripens (lat.
[M.]) Waagehalter beim Libralgeschäft
Lit.: Kaser § 7, 2
Libro do Leyes
ist die von dem spanischen Juristen Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499)
verfasste Sammlung kastilischen Rechtes des späten Mittelalters (ordenamiento
von 1484). →Compilación de Leyes
Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas,
1991, 53
Licet iuris
(lat.) ist das nur literarisch überlieferte Reichsgesetz des Heiligen römischen
Reiches über die Königswahl vom 6. 8. 1338, nach dem allein die deutsche
Königswahl ohne jede päpstliche Mitwirkung den Anspruch auf das Kaisertum
begründet und deshalb der Gewählte alle Reichsrechte im Reich ausüben darf (,
obwohl der Kaisertitel erst durch die Kaiserkrönung legitimiert wird). Der im
l. i. erhobene politische Anspruch ist in der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. von
1356 aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109; Stengel, E.,
Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte, 6, 1 1930,
157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200
Licinius Rufus (Marcus Gnaeus Licinius Rufus) ist ein aus Kleinasien
stammender, bisher wenig beachteter römischer Jurist.
Lit.: Biedermann, F., Die Rechtsansichten des Licinius
Rufus, 2013
Lidlohn ist
seit dem 14. Jh. der Entgeltanspruch für Dienstleistungen der Dienstboten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn,
Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978)
Liebe
Lit.: La Croix,
A. de, Liebeskunst und Lebenslust, 2003
Liebermann,
Felix (Berlin 20. 7. 1851-7. 10. 1925 [von Automobil überfahren]),
Textilfabrikantensohn, Bruder Max Liebermanns, wird nach dem Studium der
Geschichte in Göttingen (Waitz) Privatgelehrter (1896 titulierter Professor).
1903ff. veröffentlicht er die nach anderen Editionen maßgebliche Ausgabe der
Gesetze der →Angelsachsen.
Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix
Liebermann, ZRG GA 46 (1926), XXIII; English Law
before Magna Charta, hg. v. Jurasinski, S. u. a., 2010
Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und Österreich gelegene Fürstentum, das sich seit
1699/1712 aus den Herrschaften Vaduz und Schellenberg entwickelt und 1806
souverän wird (bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes, 1984 160
Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern). 1808 erstellt Landvogt Joseph Schuppler
eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung, 1809 den Entwurf zu
einem bürgerlichen Gesetzbuch. Durch Patent vom 18. 2. 1812 übernimmt L. das →Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne Erbrecht, 1846 auch dessen Erbrecht (ab
1847). Am 26. 9. 1862 setzt der Fürst eine Verfassung in Kraft. Seit 1918
wendet sich L. von (dem Verlierer im ersten Weltkrieg) Österreich ab und der
Schweiz zu (1923 Zollvertrag) und ändert Sachenrecht, Personenrecht und Gesellschaftsrecht
nach deutschem bzw. Schweizer Vorbild. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem
Fürsten bedeutende Rechte gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als
demokratisch angesehenen) Regierung belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze).
Über Verkauf von Briefmarken, Verkauf von Pässen an reiche Flüchtlinge und eine
niedrige Gesellschaftsteuer gelangt es zu Wohlstand. 1974 wird das Ehegesetz
mit obligatorischer Zivilehe und Möglichkeit der Ehescheidung eingeführt. Um
2010 gelten noch etwa 40 Prozent des ursprünglichen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs (Vormundschaftsrecht, Kindschaftsrecht, Erbrecht, Schuldrecht)
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Falke, J., Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.;
Raton. P., Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1827; Das Fürstentum Liechtenstein, hg. v.
Müller, W., 1981; Liechtenstein, hg. v. Press, V. u. a., 1987; Der ganzen
Welt ein Lob und Spiegel, hg. v. Oberhammer, E., 1990; Bradke, S., 75 Jahre
Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Korfmacher, N., Der Landtag des
Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine Zivilrechtsordnung für Liechtenstein, hg.
v. Berger, E., 1999; Götzenberger, A., Steueroase Liechtenstein, 2000; Meili,
A., Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein (1945-1980), 2000; Winkler, G.,
Die Verfassungsreform in Liechtenstein, 2003; Zimmermann, G., Die Entwicklung
der internationalen Rechtshilfe, Diss. jur. Innsbruck 2003; Merki, C.,
Wirtschaftswunder Liechtenstein, 2007; Kleinstaaten in Europa, hg. v.
Langewiesche, D., 2007; Winkelbauer, T., Gundaker von Liechtenstein als
Grundherr, 2008; Geiger, P., Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945. 2010;
Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1928 und 1950, hg. v.
Liechtensteinischen Landesarchiv, 2011
Lieferung (Wort Köln 1311)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Liegenschaft ist
eine ältere Bezeichnung für →Grundstück. Für das Recht der L. ist von
besonderer Bedeutung das →Grundbuch.
Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T.,
Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die
altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der
Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1
Liegnitz an
der Katzbach ist der 1149 bezeugte Ort, der bald Sitz einer Linie der Herzöge
von Schlesien wird und 1252 Stadtrecht erlangt. Am Ende des 14. Jh.s (1399)
verfasst Nikolaus →Wurm das in Frage und Antwort von Schüler und Lehrer
gehaltene, in 30 Artikeln gegliederte, unvollendete Liegnitzer
Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist
Liegnitz Sitz einer Universität.
Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971;
Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58
Liga ist
eine Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische L. ist die am 10. 7. 1609 abgeschlossene
Vereinigung katholischer Reichsstände.
Lit.: Hartung, F., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 9. A. 1969, 15
ligius →homo
ligius
Ligurien ist
die um Genua liegende norditalienische Landschaft, die über Römer, Ostgoten,
Oströmer, Langobarden und Franken zum deutschen Reich gelangt. Seit dem frühen
11. Jh. wird →Genua führend. 1815 kommt das Herzogtum Genua zum Königreich
→Sardinien.
Lit.: Meyer, H., „Ligurisches“ Erbrecht,
ZRG GA 50 (1930), 354; Airaldi, G., Genova e la Liguria, 1986
Lille
Lit.: Monier, R., Le Livre Roisin
de la fin du 13e siècle, 1932; Monier, R., Les lois, enquêtes et jugements des
pairs du Castel de Lille, 1937
Limburg
Lit.: Rechtsbronnen van het
Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de Limpens, K., 1977
Limes (lat.
[M.]) Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen
Brohl bei Koblenz und Eining bei Regensburg, ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt
seit 260 n. Chr., Länge rund 550 Kilometer)
Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher;
Baatz, A., Der römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003; Waldherr,
G., Der Limes, 2009; Moschek, W., Der Limes, 2010; Die Römer im
Rhein-Main-Gebiet, hg. v. Ausbüttel, F. u. a., 2011
Limnaeus (Wirn),
Johannes (Jena 5. 1. 1592-Ansbach 13. 5. 1663), Mathematikprofessorensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und Altdorf 1623 Erzieher,
Hofmeister und Rat. Er entwickelt ein System des Staatsrechts (Iuris publici
Imperii Romano-Germanici libri [M.Pl.]
IX, 1629ff.) auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. [M.])
status mixtus (gemischten [dualistischen] Staat).
Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968
Lindau
Lit.: Stolze, A., Der Sünfzen zu
Lindau, 1956; Niederstätter, A., Kaiser Friedrich II. und Lindau, 1986
Linden,
Johannes van der (Zuid-Scharwoude 1756-Amsterdam 1835) wird nach dem
Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und 1827 Richter. Bedeutsam ist seine
Übersicht über das römisch-holländische Recht (Rechtsgeleerd practicaal en
koopmans handboek, 1806).
Lit.: Roberts, A., A South African Legal Bibliography,
1942, 190; Kop, P., Linden, (in) Zestig juristen, 1987, 196
Lindenbrog,
Friedrich (Hamburg 28. 12. 1573-9. 9. 1648), Historikerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Leiden gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht 1602 die →Lex
Salica mit Glossen und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum antiquarum (mit 11
Volksrechten u. s. w.).
Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten Lindenbrogiorum,
1723; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967,
212
Linealfolge (Erbfolge
nach Linien)
Linealgradualordnung (erbliche Ordnung nach Linien und Graden) s. Parentel
Lingen
Lit.: Cramer, W., Geschichte der
Grafschaft Lingen, 1940; Lingen 975-1975, hg. v. Ehbrecht, W. u. a., 1975
Linz
Lit.: Rausch, W., Handel an der
Donau 1, 1969; Linz zwischen Demokratie und Diktatur, hg. v. Mayrhofer, F. u.
a., 2006; Linz zwischen Wiederaufbau und Neuorientierung 1945-1984, hg. v.
Mayrhofer, F. u. a., 2007
Lippe ist
ein deutsches Fürstentum (1900 1215 qkm, 138000 Einwohner) (eines 1123 erstmals
nachweislichen adligen Geschlechts), das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (12.
2. 1919 vorläufige Verfassung, 21. 12. 1920 Verfassung, 11. 9. 1946 nochmaliger
Verfassungsversuch), der am 21. 1. 1947 in Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der Fall
Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe, 1937;
Ebert, B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, (in) Mitt. aus der
Lipp. Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957;
Benecke, G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der
Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969;
Bartels-Ishikawa, A., Der lippische Thronfolgestreit, 1995; Schaletzki, A.,
Pragmatismus und Beständigkeit, Diss. jur. Würzburg 2008
Lipski,
Andrzej (1572-1631) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Heidelberg
1601 Sekretär des Königs von Polen, Assessor, 1617 Bischof, 1620 Großkanzler
und 1630 Bischof von Krakau. Er veröffentlicht 1602 (lat.) Practicarum
observationum ex iure civili et saxonico centuria (F.) prima (Erstes Hundert praktischer Beobachtungen aus
dem römischen und sächsischen Recht) (1619 centuria secunda).
Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis
Observationes practicae, (in) Czasopismo Prawno-Historyczne 41 (1989), 69
lis (lat. [F.])
Streit, Rechtsstreit (Gen. litis)
Lissabon am
Tejo geht auf vorrömische Spuren zurück (römisch Felicitas Julia). 1147 erobert
es König (1139) Alfons I. (von Portugal) von den Mauren (715/6). 1179 erhält es
ein Foralrecht (Stadtrecht). 1260 wird es Residenz. Seine 1288 gegründete
Universität wird 1308 nach Coimbra verlegt.
List,
Friedrich (Reutlingen 6. 8. 1789-Kufstein 30. 11. 1846), Professor der
Nationalökonomie in Tübingen (1817-1820), nach Verurteilung wegen
Staatsverbrechens seit 1830 im Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika, fördert
als führender Wegbereiter der historischen Schule der deutschen
Nationalökonomie den Deutschen →Zollverein und den Eisenbahnbau (Das
nationale System der politischen Ökonomie, 1841).
Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956
Listenwahl (F.) Wahl auf Grund der für Listen abgegebenen Stimmen (Verhältniswahlrecht)
Liszt,
Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim/Hessen 21. 6. 1919), Generalstaatsanwaltssohn,
Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird nach dem Rechtsstudium (1869) in
Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg, Promotion (1874) und Habilitation
(Graz 1876) Professor für →Strafrecht in Gießen (1879), Marburg (1882),
Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von der Aufklärung geprägten,
kriminalsoziologischen Marburger Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht,
1882) sieht er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt) beeinflusst an
und will nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf den Täter wegen
seines sozialschädlichen Verhaltens durch zweckmäßige Behandlung einwirken,
wobei er spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert (Augenblickstäter sollen
einen Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter
sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert,
unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden). In seinem Lehrbuch
des Strafrechts (25. A. 1927) stellt er die liberalrechtsstaatliche, praktische
Strafrechtsdogmatik seiner Zeit ausführlich dar. 1889 ist er Mitbegründer der →Internationalen
Kriminalistischen Vereinigung. 1898 veröffentlicht er ein bis 1919 elf
Auflagen erreichendes, 1921 durch den mittellosen, aus Russland stammenden
Berner Privatdozenten Feitel Lifschitz unter dem Pseudonym Karl Stamm plagiiertes
Lehrbuch zum Völkerrecht.
Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von Liszt,
(in) Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von Liszt
und das Gesetzlichkeitsprinzip, 1996; Herrmann, F., Das Standardwerk - Franz
von Liszt und das Völkerrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1999; Herrmann, F.,
Franz von Liszt und sein Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001, 2854; Stäcker,
T., Die Franz von Liszt-Schule, 2012
Litauen ist
das von baltischen Litauern beiedelte Gebiet an der oberen Memel und Düna, das zwischen
1316 und 1340 Ausgangspunkt eines größeren, 1386 mit Polen vereinigten Reiches
wird (Personalunion 1386-1387, 1447-1492, 1501-1506, Nebenlinie 1387-1447,
1492-1501). Bei der Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795 an Russland. Im
Februar 1918 erlangt es Unabhängigkeit. 1923 besetzen Freischärler Litauens
das seit 1919 unter alliierter Verwaltung stehende, überwiegend deutsch
besiedelte Memelgebiet und annektiert L. das Gebiet. 1940 wird L. der
Sowjetunion eingegliedert, die es am 6. 9. 1991 wieder freigibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift
für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a.
Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei litauischen
Statute von 1519 – 1566 – 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte Litauens, 4. A.
1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Rowell, S., Lithuania Ascending,
1994; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997; Mast, P, Ost- und
Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000; Holocaust in Litauen, hg. v.
Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die Verfassungskrise im Memelgebiet
1931/1932, 2005; Niendorf, M., Das Großfürstentum Litauen, 2006; Hoffmann, T.,
Der Landrechtsentwurf David Hilchens von 1599, 2007; Daugirdas, K., Andreas
Volanus und die Reformation im Großfürstentum Litauen, 2008; Einführung in das
litauische Recht, hg. v. Galginaitis, J., 2010; Likies, S., 1939; 2010
Lite (M.)
Freigelassener, Höriger
Lit.: Kroeschell, DRG 1
litemonium (mlat.
[N.]) Freigelassenenabgabe
litis aestimatio (lat. [F.]) Schätzung des Streitgegenstands in Geld zwecks Ermöglichung
der Verurteilung in Geld
Litis contestatio (lat. [F.]) (Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im
Verfahrensrecht. Sie begegnet im altrömischen Recht nach der Feststellung des
Verfahrensprogrammes durch den Magistrat. Die Parteien sagen unter
Zeugenanrufung die Spruchformeln auf. Damit endet der Verfahrensabschnitt
(lat.) in iure. Mit der l. c. (Vertrag, str.) unterwerfen sich die Parteien
gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters (lat. [M.]
iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen
ist. Mit der l. c. tritt an die Stelle des ursprünglichen Rechtsverhältnisses
ein Prozessrechtsverhältnis. Im klassischen römischen Recht werden die
Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist
schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der
Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung
verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die
Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im
römisch-kanonischen Verfahren des Spätmittelalters erfolgt nach Abschluss des
Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene
Gegenbehauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht
(Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht
wird die l. c. im Antworttermin durch Einlassung des Beklagten und den
Kalumnieneid durchgeführt. Mit der Vernachlässigung der (lat. [F.]) actio zu
Gunsten des Klageantrags ([lat.] petitio) und des Klagegrunds (causa) geht ein
Bedeutungsverlust einher, so dass der Kläger bei Ausbleiben des Beklagten
den Prozess einseitig führen und ein Urteil erwirken kann, wenn sein Recht zur
Überzeugung des Richters festgestellt wird, wofür die l. c. nur noch bejahend
oder verneinend fingiert wird. Mit der Neufassung des Anspruchs durch Bernhard
Windscheid (1856) wird die Verbindung von actio und l. c. aufgelöst und das Prozessrecht
vom privatrechtlich verstandenen subjektiven Recht getrennt und der l. c. als
Akt der Transformation die Grundlage entzogen. Im 19. Jh. übernimmt im Übrigen
die amtliche Zustellung (Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der als einleuchtende
Folge der verstärkten Stellung des Staates gegenüber den Streitparteien überwiegend
aufgegebenen l. c.
Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der
kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck 1970;
Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen Zivilprozess, 1968;
Schlinker, S., Litis contestatio, 2008; Schlinker, S., Prozesseinleitung in der
frühen Neuzeit in historisch-vergleichender Perspektive, ZRG GA 128 (211), 72
Litis denuntiatio (lat. [F.]) ist die Streitansage einer Partei im spätantiken
römischen Verfahrensrecht.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
Litiskontestation (F.) Streitbezeugung s. litis contestatio
Litiskreszenz ist das Anwachsen des Streitgegenstands im römischen Verfahrensrecht.
Bereits im altrömischen Recht kann ein gleichbegüterter Dritter für einen
Ergriffenen als „Gewaltsager“ (lat. [M.]
vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch es zum Streit
zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich
die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann, verdoppelt. Die L.
findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.) actio (F.) iudicati
und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des römischen Rechtes
wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter nicht
übernommen.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III
1, 85 II 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20, 33, 49, 166
Littera (F.) Bononiensis (lat.) ist die (nicht völlig einheitliche) Bologneser
Fassung (Vulgatafassung) der justianischen Rechtstexte.
littera (F.)
Pisana (lat.) →Florentina
Litteralkontrakt (M.) →Litteralvertrag
Litteralvertrag (Litteralkontrakt) ist im klassischen römischen Recht eine nur kurze Zeit
geübte Vertragsart, bei der die Verbindlichkeit (Obligation) durch einen einvernehmlichen
Schriftakt (lat. [F.] transscriptio, Eintrag in den [lat.] codex [M.] accepti
vel expensi des pater familias) entsteht (z. B. Umwandlung einer
Kaufvertragsschuld in eine Darlehensschuld durch Eintragung einer Auszahlung).
Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II;
Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 45, 62
Littleton,
Sir Thomas (1402-23. 8. 1481) ist der englische Anwalt und Richter (1455), der
das erste umfassende, in Rechtsfranzösisch (Law French) geschriebene,
systematische Lehrbuch des englischen Rechtes (einschließlich des Lehnrechts)
in drei Büchern verfasst (Of Tenures, 1481).
Lit.: Wambaugh, E., Littleton’s Tenures,
1903; Levy-Ullmann, H., The English Legal Tradition, 1935
Livland ist
das von (ostseefinnischen) Liven bewohnte, zu Anfang des 13. Jh.s vom
Schwertbrüderorden (um 1202-1237) bzw. Deutschen Orden unterworfene Gebiet am
Rigaischen Meerbusen, mit dem sich der dritte Bischof Livlands vom Reich
belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof dem Schwertbrüderorden ein Drittel des
eroberten Gebiets ab, bleibt aber Lehnsherr bis 1356. 1526 wird der livländische
Ordensmeister Reichsfürst, 1561 scheidet er aus dem Heiligen römischen Reich aus. 1629 kommt das auf seinen mittleren Teil
verkleinerte Gebiet an Schweden(, das ein dem Vorbild der hohen Gerichte in
Turku von 1623 und Stockholm von 1614 bzw. des Reichskammergerichts von 1495
folgendes Obergericht in Dorpat einrichtet), 1710/1721 an Russland. 1918/1820
wird L. zwischen Lettland und Estland geteilt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das liv- und
estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte
Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Transehe-Roseneck, A. v., Zur
Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die altlivländischen Bauerrechte,
hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23
(1924-1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die Entstehung der
Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte
23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage in der Politik der
livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Enrico
di Lettonia, Chronicon Livoniae, hg. v. Bugiani, P., 2005; Herzog Albrecht von
Preußen und Livland (1557-1560). Regesten, bearb. v. Hartmann, S., 2006;
Selart, A., Livland und die Rus’ im 13. Jahrhundert, 2007; Hormuth, D., Livonia
est omnis divisa in partes tres, 2012
Livländischer Spiegel
ist die von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 14. Jh. geschaffene,
ursprünglich mittelniederdeutsche Bearbeitung des Sachsenspiegels für Livland.
Der l. S. sondert 95 Artikel des Landrechts des →Sachsenspiegels
(1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und belässt nur 34 Artikel unverändert. Der
l. S. folgt dem waldemar-erichschen Lehnrecht für Estland und dem ältesten
livländischen Ritterrecht nach und wird im wieck-öselschen Lehnrecht als Buch
1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das mittlere livländische Ritterrecht
verdrängt. Dieses geht über das livländische, estländische und kurländische
Privatrecht von 1864 in das lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 ein, das bis
1940 Geltung hat.
Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und
kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher,
1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA
50 (1930), 171
Livres de Jostice
et de Plet sind eine französische →coutume
aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits römisches Recht aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, L., Li Livres de Justice
et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d’histoire du droit, Bd. 3 1959, 1
Lizentiat ist
der wissenschaftlich Gebildete, der die Prüfung der (lat. [F.])
licentia bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. [M.])
→baccalaureus und (lat. [M.])
→doctor.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T., Die
Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das juristische
Studium in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
Locatio (lat. [F.])
conductio (lat. [F.])
ist im römischen Recht der Mietvertrag bzw. Pachtvertrag (l. c. rei,
entgeltliche Überlassung einer unverbrauchbaren Sache zu Gebrauch bzw.
Gebrauch und Fruchtziehung), der Dienstvertrag (l. c. operarum) und der
Werkvertrag (l. c. operis). Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. [N.])
→bonae-fidei-iudicium ausgestattet. Im spätantiken römischen Recht wird
sie wegen des Kolonats bedeutungslos.
Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17;
Köbler, DRG 44f., 64, 215; Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Locator (lat.
[M.]) ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der
Ostsiedlung, der später vielfach Gutsherr wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das Unternehmertum,
1894; George, R., Die Großunternehmer in der ostdeutschen Kolonisation, Diss.
phil. Münster 1948
Loccenius,
Johannes (1598-1677) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Rostock 1625
Professor in Uppsala. In seiner (lat.) Synopsis (F.) iuris ad leges Sueticas
accomodata (Zusammenschau des Rechtes unter Bezug auf die schwedischen
Gesetze) (1648) stellt er das römische Recht in Beziehung auf Schweden dar.
Lit.: Malmström, A., Juridiska
fakulteten i Uppsala, 1985
Locke, John
(Wrington 29. 8. 1632-Oates 28. 10. 1704) wird nach dem Studium von Philosophie
und Medizin in Oxford Lehrer und Berater auf der Grundlage der Vorstellungen Francis
→Bacons. Nach vierjährigem Aufenthalt in Frankreich und sechsjährigem
Exil in den Niederlanden entwickelt er 1690 die Erkenntnistheorie des
Empirismus, die aus vielen einzelnen Erfahrungen allgemeine Zusammenhänge folgert.
In seinen Two treatises on government (Zwei Abhandlungen über die Regierung,
1690) fordert er die Beschränkung der Macht des (nicht von Gott ableitbaren
absoluten) Monarchen und daraus folgend die Teilung der Gewalt im Staat zur
Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers in
Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (Ausführung). Allgemein setzt er sich
für Freiheit, Toleranz und Aufklärung ein.
Lit.: Köbler, DRG 148, 190; Euchner, W., Naturrecht und
Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v.
Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A. 1985; Ayers, M., Locke,
2002; Specht, R., John Locke, 2. A. 2007
Logik ist das möglichst vernünftige menschliche
Erkenntnisverfahren.
Lit.: Hruschka, J., Das
deontologische Sechseck bei Gottfried Achenwall, 1986 (SB Göttingen); Wolff,
M., Abhandlung über die Prinzipien der Logik, 2. A. 2009
Lohn (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist das
(vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder einen Erfolg). Der L. findet
sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen. In der
Geldwirtschaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit oder von
der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im Arbeitsverhältnis.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und
Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung,
1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft,
hg. v. Köbler, G., 1990, 161; Wages and Currency, hg. v. Lucassen, J., 2007;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die Fortzahlung des Lohnes eines Bediensteten
trotz Krankheit in der Bundesrepublik Deutschland seit der zweiten Hälfte des
20. Jh.s (27. 7. 1969, Entgeltfortzahlungsgesetz 1994).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
273
Lohnkämpfer ist
der gegen Lohn handelnde, in Früh- und Hochmittelalter auftretende Zweikämpfer
(z. B. bei den Langobarden 731).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H.,
Gottesurteilsstudien, 1956, 296
Lohnsteuer ist
die den →Lohn des Arbeitnehmers erfassende →Steuer, deren erste
Ansätze in Württemberg 1764 und in Preußen 1808 sichtbar werden.
Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6
Loi de Beaumont ist das Privileg des Erzbischofs von Reims für das von ihm zur Stadt
erhobene Beaumont-en-Argonne, das allmählich auf mehr als 500 Orte erstreckt
wird.
Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du droit Français, 2. A.
1951, §§ 118f.
Loisel,
Antoine (Beauvais 1536-Paris 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse
(Cujas), Cahors, Bourges, Paris, Valence und Bourges Advokat. Um 1600
erarbeitet er die Institutes coutumières aus den verschiedenen französischen →coutumes,
damit im Falle einer Lücke eines örtlichen Gewohnheitsrechts auf den Rückgriff
auf das römische Recht verzichtet werden kann.
Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel, 1876; Reulos, M., Étude
sur l’esprit, les sources et la méthode des Institutes coutumières d’Antoine
Loisel, Diss. jur. Paris 1935
Lokator →locator
Lombarda ist
eine in ihren ältesten Handschriften aus dem ausgehenden 11. Jh. überlieferte,
in Norditalien (Pavia?) entstandene systematisierte, in drei Bücher geteilte
Fassung des Stoffes des →Liber Papiensis. Die L. wird bald kommentiert
und um 1215 von →Karolus de Tocco umfangreich glossiert.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadt-Kommune, 1967; Padao Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219,
Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387
Lombardei ist
das Gebiet zwischen Alpen und Po mit dem Mittelpunkt →Mailand, das nach
Kelten und Römern am Ende der Völkerwanderung (568) von →Langobarden
besiedelt wird, im Hochmittelalter aber in Herrschaften verschiedener →Kommunen
(Städte z. B. Mailand, Parma, Pavia) zerfällt. 1714 gelangt es am Ende des
spanischen Erbfolgekriegs an Österreich (Lombardo-Venetien, 1815
Lombardo-Venezianisches Königreich), 1859 nach der verlorenen Schlacht Österreichs
gegen Sardinien-Piemont und Frankreich bei Solferino an Sardinien und damit
1861 an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Lattes, A., Il diritto consuetudinario delle città lombarde, 1899; Jarnut, J.,
Bergamo, 1979; Mozzarelli, C., Sovrano, società e amministrazione locale nella
Lombardia Teresiana, 1982; Chiappa Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990;
Massetto, G., Saggi di storia del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994
(Aufsätze); Opll, F., Zwang und Willkür, 2010
Lombarde (im
Hochmittelalter) italienischer Kaufmann und Geldwechsler
Lit.: Piton, C., Les Lombards en France,
1892
Lombroso,
Cesare (Verona 18. 11. 1836-Turin 19. 10. 1909), Professor für Gerichtsmedizin
in Pavia und Turin, sieht auf Grund experimenteller Betrachtungen die Ursache
von Verbrechen in erblichen physio-psychischen Abweichungen des Täters von der
Normalität.
Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso,
1975
London an
der Themse erscheint 61 n. Chr. als römisches Lager Londinium. Im 12. Jh. wird
es Vorort Englands. 1829 erhält es eine Universität.
Lit.: Weinbaum, M.,
Verfassungsgeschichte Londons 1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter
Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933; London possessory assizes, a calendar, hg. v.
Chew, H., 1965; Baker, T., Medieval London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der
Nacht, 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare
Spekulanten, 2003; Barron, C., London in the later Middle Ages, 2004; Tucker,
P., Law courts and Lawyers in the City of London 1300-1550, 2007; Münch, P.,
Pest und Feuer, HZ 288 (2009), 93
Longi temporis praescriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus
provinzieller Praxis heraus anerkannte, auch Nichtrömern offene Einrede langer
Zeit, bei der ungestörter Eigenbesitz nach rechtmäßigem Beginn (lat. iustum
initium [N.]) während 10 Jahren (inter praesentes) bzw. 20 Jahren (inter
absentes) eine eigentumsähnliche Stellung an unbeweglichen und beweglichen
Sachen verschafft. Im spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von 40 bzw. 30
Jahren die →Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von 10 bzw. 20
Jahren mit Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und Fiskalgut) im
Gegensatz zur (lat. [F.]) →usucapio bei beweglichen Sachen. Bei Justinian
(527-565) erfordert die (lat.) longissimi temporis paescriptio keine iusta
causa und ist auch an gestohlenen Sachen möglich.
Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III,
28 II, 31 III 4; Köbler, DRG 40, 61; Nörr, D., Die Entstehung der longi
temporis praescriptio, 1969
López de Tovar,
Gregorio (1496-1560) wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in
Salamanca Bürgermeister, Verwalter, Anwalt, Richter und Rat. 1555
veröffentlicht er die →Siete Partidas in einer klareren Fassung.
Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio
López de Tovar, 1960
Lord (engl.)
Herr, Baron
Lit.: Powell, J./Walles, K., The House
of Lords, 1968
Lorsch
Lit.: Die Reichsabtei Lorsch, hg.
v. Knöpp, F., 1973; Codex Laureshamensis (Faksimileausgabe), 2002; Aktuelle
Forschungen zum ehemaligen Reichs- und Königskloster Lorsch, hg. v. Ericsson,
I. u. a., 2004
Los ist ein
Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch Zufall. Es ist bereits dem Altertum
(biblische Landteilung) und den Germanen bekannt (Tacitus, Germania 10, 26).
Selbst in der Gegenwart entscheidet bei Stimmengleichheit vielfach das L. Im
Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine auf einen Spielvertrag gegründete
Gewinnchance.
Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d. Akad.
d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Lösegeld ist
die für eine Befreiung eines Menschen aus Gefangenschaft erforderliche Geldsumme.
Das L. findet sich bereits in 3. Moses 25, 49 und ist auch dem römischen Recht
bekannt. In der Neuzeit bilden sich Kataloge für Lösegelder entsprechend dem
militärischen Rang des Gefangenen aus.
Lit.: Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978
Lösungsrecht ist
allgemein das Recht, sich von einer Rechtsfolge (durch Geldleistung) zu lösen.
Das L. der Juden ist das den Juden im Mittelalter gewährte Recht, gestohlene
Sachen, die sie erworben oder zu Pfand erlangt haben, zu behalten, sofern sie
nicht Ersatz des Kaufpreises oder der Schuldsumme bekommen. →Hehler
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch,
1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991
Lothar (III.)
von Süpplingenburg (Anfang Juni 1075-Breitenwang 3./4. 12. 1137) ist der ohne
männlichen Erben verstorbene deutsche König (1125) bzw. Kaiser (1133) zwischen →Saliern
(1125) und →Staufern (1137). Er hält sich überwiegend im Norden auf und
fördert die →Ostsiedlung.
Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und
Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die
mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich,
2000; Nicht Ruh’ im Grabe ließ man euch, hg. v. Henkel, T., 2012
Lotharingien →Lothringen
Lotharische Legende
ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon) belegte Legende, dass Kaiser →Lothar
(III.) von Süpplingenburg das römische Recht 1135 nach der Eroberung Amalfis
durch ein Gesetz in Deutschland eingeführt habe. Sie wird 1643 durch Hermann →Conring
(1606-1681) in der Schrift (lat.) De origine iuris Germanici (Vom Ursprung des deutschen
Rechtes) widerlegt.
Lit.: Köbler, DRG 142
Lotharius ist ein aus Cremona stammender, 1201 in
den Rat des Königs Frankreichs berufener, 1208 zum Erbischof Pisas aufgestiegener
Glossator, von dem wenige Glossen stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 240
Lothringen ist
das an das 843 gebildete Mittelreich Kaiser Lothars I. bzw. das hieraus durch
weitere Teilung entstandene, nie wirkliche lotharingische Identität erlangende
Königreich seines Sohnes Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien)
an Mosel und Niederrhein (Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und
Niederlothringen 959). Es gelangt 1648 bzw. 1738/1766 (Verzicht Herzog Franz
Stephans)/1801 (Verlust von Sitz und Simme im Reichstag) an Frankreich und nach
dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871-1919 nochmals vorübergehend
(Reichsland Elsass-Lothringen) an das Deutsche Reich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Fitte,
S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum deutschen
Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine, 1898; Opel,
H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum deutschen
Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare, R.,
Les plaids annaux à Lixheim au 18ème siècle, ZRG GA 80 (1963), 118;
Hlawitschka, E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium, 1973;
Thomas, H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen, Rhein.
Vjbll. 38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen, 1979ff.;
Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M.,
Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien
im 10. Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R.,
Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997;
Schneider, J., Auf der Suche nach dem verlorenen Reich, 2010
Lotmar,
Philipp (Frankfurt am Main 1850-Bern 1922), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen (Ihering) und München (Brinz) Professor
in Bern und begründet mit seinem Buch „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht
des deutschen Reichs“ (Bd. 1f. 1902ff.) die Wissenschaft des Arbeitsrechts mit.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LotmarPhilippDerArbeitsvertragnachdemPrivatrechtdesDeutschenReiches1902Bd1.pdf
Lotmar, P., Schriften zu Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v.
Rückert, J., 1992; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H.,
1993, 331; Gasser, C., Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar
(1850-1922, hg. v. Caroni, P., 2003
Lotterie ist
das in Form von bestimmten Verträgen betriebene Spiel. Die L. ist bereits im
römischen Altertum bekannt. Seit 1444 (Niederlande) finden erneut Lotterien statt.
Zeitweise werden sie bekämpft (19. Jh.).
Lit.: Endemann, F., Beiträge zur
Geschichte der Lotterie, 1889
Löwen (Leuven,
Louvain) an der Dijle erscheint im 12. Jh. als ummauerter Ort. 1425/1426 wird
es Sitz einer am Ende des 18. Jh.s (1793) geschlossenen, 1834 neugegründeten
(katholischen) Universität. 1970 kommt eine zweite Universität hinzu.
Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980; Roegers, J./Lamberts,
E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar universiteit, 1976
Löwenstein
Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der Grafschaft Löwenstein,
1986
Lübeck an
der Trave ist die in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s erstmals erwähnte Siedlung,
die nach Verlegung und bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226
Reichsstadt wird. Lübecks Recht wird um 1225 lateinisch und um 1240 mittelniederdeutsch
aufgezeichnet (→lübisches Recht). Am 1. 4. 1937 verliert L. durch
Reichsgesetz seine Selbständigkeit innerhalb des Deutschen Reiches zugunsten →Preußens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof), 1839;
Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung einiger
bemerkenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner Artikel des
ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker
Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern,
1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische
Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978;
Winterfeld, L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der
Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25
(1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935;
Rörig, F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel,
W., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W.,
Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von
Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W.,
Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel,
W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in
Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd.
1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O.,
1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel
1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur.
Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder
Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im
19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt
in der Zeit von 1285-1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfassungsgeschichte
Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a.,
1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das
Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v.
Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19.
Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp
an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und
Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986;
Lübeckische Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M.,
Der Rat der Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis
zur Reformation, 2003; Societates. Das Verzeichnis der Handelsgesellschaften im
Lübecker Niederstadtbuch 1211-1361, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Das
Lübecker Niederstadtbuch 1363-1399, bearb. v. Simon, U., 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische
Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007;
Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u. a., 2007; Meyer, G.,
Besitzende Bürger und elende Sieche, 2010 (1618 Testamente zwischen 1400 und
1449, 1,5 Prozent Frauen); Amelsberg, W., Die samende im lübischen Recht, 2011;
Möbius, S., Das Gedächtnis der Reichsstadt, 2012; Tirtasana, N., Der gelehrte
Gerichtshof, 2012
Lübisches Recht
(lat. ius [N.] Lubicense, 1188) ist das von der Stadt →Lübeck
geschaffene und auf etwa 100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel,
Stralsund, Elbing, Reval, Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit
geht sein Einfluss dadurch zurück, dass die umliegenden Landesherren die →Appellation
nach Lübeck verbieten. Das revidierte lübeckische Stadtrecht von 1586 gilt bis
Ende 1899, l. R. überhaupt in Reval bis 1945.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche Recht in
der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53,
27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W., Lübisches
Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im lübischen
Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis, 1980; Das
lateinische lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des 13.
Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der Revaler
Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998; Ullrich, S.,
Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Lublin
Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu deutschem
Recht 1317/1342, 1942; Gebhard, J., Lublin, 2006
Lucas de Penna ist ein in Penna bei Pescara um 1320
geborener, in Neapel ausgebildeter praktisch tätiger und um 1390 verstorbener
Jurist (Kommentar zu den tres libri Codicis, de iuris interpretatione, de
praesumptionibus iuris).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 742
Lucca ist
eine auf etruskischen und römischen Siedlungen aufbauende Stadt in der Toskana,
die 1119 frei wird. 1314 gelangt L. an Pisa, wird 1370 aber nochmals frei. 1805
gibt Napoleon L. an seine Schwester, 1815 fällt L. als Herzogtum an Maria Luise
von Etrurien, deren Sohn es 1847 an →Toskana gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Schwarzmaier, H., Lucca und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur
zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,168, 3,1,168; Lucca e l’Europa, hg. v. Mazzei, R. u. a., 1990; Meyer, A.,
Ser Ciabattus, 2005 (rund 930 Imbreviaturen); Bratchel, M., Medieval Lucca,
2008 Lucerna
(F.)
iuris (lat.) (Leuchte des Rechtes) ist
eine Bezeichung für →Irnerius.
Lit.: Köbler, DRG 106
Ludewig,
Johann Peter (Hohenhard 15. 8. 1668-Halle 7. 9. 1743) wird nach dem Studium von
Theologie, Philologie und Recht in Halle (Stryk) Professor für Philosophie
(1695), Historiograph (1704) und Professor der Rechtswissenschaft (1705). Er
bearbeitet in erster Linie die Geschichte der staatlichen und staatsrechlichen
Entwicklung (Reichshistorie) aus preußischer Interessenlage (Entwurf der
Reichshistorie, 1707).
Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de Ludewig,
1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1
1988, 302
Ludovicus Bologninus ist der in Bologna 1446
geborene und ausgebildete, ab 1468 in Bologna, Ferrara und Bologna lehrende,
vielfach praktisch tätige, in Florenz 1508 verstorbene Jurist
(interpretationes, repetitiones, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 867
Ludwig XIV.
(Saint-Germain-en-Laye 5. 9. 1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich
seit 1643 (Sonnenkönig), steigert die sich auf spätmittelalterlich-italienische
Ansätze (→Machiavelli) stützende Lehre von der uneingeschränkten
Herrschaft des Herrschers zu einem fast religiösen Dogma (→Absolutismus).
Am Ende seiner auch von Eroberungskriegen (1667-1697) gekennzeichneten Regierungszeit
steht Frankreich trotz merkantilistischer Politik vor dem Bankrott.
Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B.,
Ludwig XIV., 1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994; Hasquin, H., Louis XIV face
à l’Europe du Nord, 2005
Ludwig (IV.) der Bayer
(Ende 1281?-Puch bei Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus dem Geschlecht der →Wittelsbacher
ist deutscher König (1314) und Kaiser (1328). Mit Hilfe des Kurvereins von →Rhens
und des Reichsgesetzes (lat.) →Licet iuris versucht er die Durchsetzung
seiner politischen Vorstellungen gegenüber dem Papst.
Lit.: Köbler, DRG 101; Fischer, J., Das
ältere Rechtsbuch Ludwig des Bayern, 1908; Riedner, O., Die Rechtsbücher
Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller, R., Ludwig der Bayer und die Kurie, 1914;
Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173;
Schwöbel, H., Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der
römischen Kurie, 1968; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Bd. 1ff. 1991ff.;
Benker, G., Ludwig der Bayer, 1980; Thomas, H., Ludwig der Bayer, 1993;
Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v. Acht, P., 1995ff.; Kaiser Ludwig der
Bayer, hg. v. Nehlsen, H./Hermann, G., 2002
Ludwig (II.) der Deutsche (um 806-Frankfurt am Main
28. 08. 876) war als Enkel Karls des Großen und Sohn Ludwigs des Frommen von
846 bis 876 König im östlichen Teil des fränkischen Reiches.
Lit.: Bigott, B., Ludwig der
Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002; Hartmann, W.,
Ludwig der Deutsche, 2002; Ludwig der Deutsche und seine Zeit, hg. v. Hartmann,
W., 2004; Goldberg, E., Struggle for Empire, 2006
Ludwig (I.) der Fromme
(Casseneuil 778-Ingelheim 20. 6. 840) ist der Sohn und Nachfolger Karls des
Großen als Kaiser des fränkischen Reiches. Von ihm dürften 417 Texte, 98
Originale und rund 200 verlorene Urkunden nachweisbar sein.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die
Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne’s
Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996;
Depreux, P., Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, 1997; Landau, P.,
Ludwig der Fromme als Gesetzgeber, FS G. Kleinheyer, 2001, 371
Luft →Stadtluft
Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht
(1919-1937), 2003; Ausschüsse für Luftrecht, Luftschutzrecht,
Kraftfahrzeugrecht und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert, W., 2009
Luft macht frei.
→Stadtluft
Lit.: Deutsche
Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231
(Grimm)
Luftrecht ist
das Recht des Luftverkehrs, das sich im 20. Jh. entwickelt. →Gefährdungshaftung
Lit.: Schwenk, W., Handbuch des
Luftverkehrsrechts, 1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer,
A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K.,
Die Entwicklung des Luftrechts, 2004
Lüge ist
die bewusst unwahre Aussage oder Behauptung (z. B. E sagt zu F, D habe einen
Antrag gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt hat). Die L. ist
geschichtlich so alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist rechtlich nicht
bedeutsam, doch kann die L. Teil eines Betrugs oder eines anderen rechtlich
erheblichen Sachverhalts bzw. Tatbestands sein. →Gegen den Lügner ...
Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v.
Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge,
1997; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge,
hg. v. Mayer, M., 2003
Lügenstrafe ist
in der frühen Neuzeit eine Strafe für das Lügen oder das Verweigern einer
Aussage im Strafprozess. Die L. tritt im 18. Jh. an die Stelle der →Folter.
Sie besteht meist in einer Prügelstrafe. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird die
L. aufgegeben.
Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe’ nach
Abschaffung der Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974
Lund wird
1019 vom König von Dänemark gegründet. 1048 wird es Sitz eines Bischofs, 1103
(bis 1516) Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es an Schweden, erhält 1668 eine
Universität und ist von 1716-1718 Residenzstadt.
Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den
historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982
Lüne
Lit.:
Urkundenbuch des Klosters Lüne, hg. v. Brosius, D., 2011
Lüneburg an
der Ilmenau ist eine landesfürstliche und für das zugehörige Herzogtum
namengebende Stadt, deren Rechtsstellung zeitweise der einer freien Reichsstadt
ähnelt. 1577 wird das Stadtrecht reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim,
M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Reinecke, W., Die
Straßennamen Lüneburgs, 1914, 5. A. 2007; Haase, C., Das Lüneburger Stadtrecht,
Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die Lüneburger Stadtrechtsreformation
(1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Thurich, E., Die Geschichte
des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt, C., Die Lüneburger Ritterschaft,
1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983; Mellinger, J., Atlas des Fürstentums
Lüneburg um 1600, 2001; Scharnhop, C., Das Lüneburger Notariat im 19.
Jahrhundert, 2011
Luneville ist der Ort des am 9. 2. 1801 zwischen Franreich und Österreich geschlossenen
Friedensvertrags, in dem Österreich seine Vorherrschaft in Italien verliert
und die Batavische Republik (Holland), die Helvetische Republik (Schweiz) und
die Cisalpinische Republik (Norditalien) anerkennt. Die geschädigten deutschen
Reichsfürsten sollen dafür im Gebiet rechts des Rheins entschädigt werden.
Lünig,
Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig 14. 9. 1740) wird nach dem
Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hofmeister, Amtmann und Stadtschreiber. Er
veröffentlicht zahlreiche Quellen zu Staatsrecht und Staatenkunde (u. a. Teutsches
Reichsarchiv).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 235, 265,
309
Lupold von Bebenburg (um 1300-Bamberg 1363), Reichsministerialensohn (von Bemberg
bei Gerabronn), wird nach dem Studium des Kirchenrechts und der Promotion in
Bologna (Johannes Andreae) Offizial (Domherr) in Würzburg (1332) und Mainz und
Bischof von Bamberg (1353). Sein (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et
imperii (1339, Abhandlung von den Rechten des Königtums und Kaisertums)
spricht dem deutschen Kaisertum Unabhängigkeit vom römischen (päpstlich
verliehenen) Kaisertum zu.
Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold
von Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v. Miethke,
J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg. v.
Miethke, J., 2005
Luschin von Ebengreuth, Arnold (26. 8. 1841-Graz 6. 12. 1932) wird nach dem
Rechtsstudium 1873 außerordentlicher Professor und 1881 ordentlicher Professor
der österreichischen und deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in Graz. 1896
veröffentlicht er eine österreichische Reichsgeschichte.
Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von
Ebengreuth, ZRG GA 53 (1933), XXIX
Lusitaner (Lusitanier) ist der Angehörige eines
ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, in der zweiten
Hälfte des 5. Jh.s der →Westgoten und seit 712 der →Araber
gekommenen Volkes im späteren →Portugal.
Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde,
Bd. II 2 1976
Luther,
Martin (Eisleben 10. 11. 1483-18. 2. 1546), Bergmannssohn, wird nach kurzem
Studium des Rechtes in Erfurt Theologe und Professor in Wittenberg (22. 10.
1517). Durch seine 95 Thesen (1517) wird er zum (erfolglosen) Reformator der
katholischen Religion und (erfolgreichen) Stifter des Protestantismus. Er
gründet die Erlösung des Menschen statt auf zuletzt käufliche, gute Werke
(Ablasskauf) auf die göttliche Gnade. Er rechnet zum (lat.) ius (N.) divinum
(göttlichen Recht) nur das Predigtamt, die Taufe, das Abendmahl und die
Sündenvergebung. Dem Vollzug dient das menschliche Kirchenrecht (Amt, Dienst,
Abgabe u. s. w.). Sprachgeschichtlich
ist seine das Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in
das Deutsche besonders bedeutsam (neues Testament September 1522,
Fertigstellung der gesamten Übersetzung 1534). Ein Register zum Werk Luthers
ist im Aufbau (2011 rund 1300 Lemmata
http://hypermedia.ids-mannheim.de/pls/elexiko/p4_).
Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg. v.
Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur
Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin
Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das
Recht, NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997; Leppin, V., Martin
Luther, 2006; Leppin, V., Luther privat, 2006; Korsch, M., Martin Luther, 2. A.
2007; Lexutt, A., Luther, 2008; Luther Handbuch, hg. v. Beutel, A., 2. A. 2010;
Martin Luther, hg. v. Korsch, D. u. a., 2010; Hamm, B., Der frühe Luther, 2010;
Kaufmann, T., Luthers Judenschriften, 2011; Schilling, H., Martin Luther. 2012
Lüttich am
Zusammenfluss von Ourthe und Maas wird 720 Sitz des Bischofs von
Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Hélin, E., Les capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Liège, hg. v.
Stiennon, J., 1991; Quellen zum Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter,
bearb. v. Kranz, H., 2000
Luxemburg ist
das nach einer 963 erwähnten Burg an der Alzette benannte, von Franken
besiedelte Herzogtum (1354) des Heiligen römischen Reiches (1441 Burgund, 1477
Habsburg, 1555 spanische Linie, 1659 Süden an Frankreich, 1713 nach dem
spanischen Erbfolgekrieg wieder an Habsburg, 1795 an Frankreich), das 1795/1797
tatsächlich und 1806 rechtlich aus dem Heiligen römischen Reich ausscheidet
(1815 auf dem Wiener Kongress Großherzogtum in Personalunion mit den
Niederlanden [Nassau], 1830 Anschluss an die Revolution Belgiens, 1839 durch
den Vertrag von London mit seinen deutschsprachigen Teilen als Großherzogtum
wiederhergestellt, 1866 Ausscheiden aus dem Deutschen Bund, 1867 gescheiterter
Verkaufsversuch an Frankreich, gänzliche Unabhängigkeit, 1890 Personalunion
mit den Niederlanden beendet). Seit 1918 verstärkt sich als Folge der
Niederlage(n) des deutschen Reiches im ersten und zweiten Weltkrieg der
Einfluss Frankreichs, so dass das Land faktisch frankophon wird. Am 10. 4. 1940
wird es vom Deutschen Reich besetzt und bis Kriegsende zwangsweise in das
System der deutschen Kriegswirtschaft eingegliedert. Es zählt zu den sechs
Gründungsmitgliedern der europäischen Gemeinschaften von 1951 und 1957 (1966
Luxemburger Kompromiss zur Beendigung der Politik des leeren Stuhls
Frankreichs wegen der Agrarfinanzierung).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 95, 172; Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in Luxemburg;
1934; Wampach, C., Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der
altluxemburgischen Territorien, 1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg,
1937; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396;
Pauly, M., Luxemburg im späten Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer,
E., Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im
19. und 20. Jahrhundert, 1993; Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998;
Franz, N., Die Stadtgemeinde Luxemburg, 2001;
Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der
Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Volkmann, H., Luxemburg im
Zeichen des Hakenkreuzes, 2010, 2. A. 2011
Luxemburger ist
der Angehörige der von den Herzögen von Lothringen abstammenden Familie, die
1308 das Königtum im deutschen Reich erlangt (Heinrich VII. 1308-1313, Karl IV.
1346-1378, Wenzel 1376-1400, Sigismund 1410-1437), 1441 ihr Stammland Luxemburg
aber an →Burgund verkauft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A.,
Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960;
Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch,
J., Die Luxemburger, 2000; Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg, hg. v.
Moulin, C. u. a., Heft 1ff. 2007ff.; Vom luxemburgischen Grafen zum
europäischen Herrscher, hg. v. Widder, E., 2008; Kaiser Sigismund, hg. v.
Hruza, K. u. a., 2012
Luxusverbot ist
das Verbot unangemessenen Aufwandes. Es findet sich bereits im Altertum. Von
der Mitte des 14. Jh.s treten Luxusverbote gehäuft in Städten und Ländern auf.
Mit dem ausgehenden 18. Jh. verlieren sie als Folge von Aufklärung und Liberalismus
an Bedeutung. →Kleiderordnung
Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public, Bd.
1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des
Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus,
1996; König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R.,
Luxuskritik und Aufwandsbeschränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber,
K., Luxus im alten Rom, 2006; Luxus und Integration, hg. v. Paravicini, W.,
2010
Luzern am
Ausfluss der Reuß aus dem Vierwaldstättersee wird in der Mitte des 8. Jh.s Sitz
eines St. Leodegar geweihten Klosters. 1178 wird L. Stadt und kommt 1291 vom
Abt von Murbach an König Rudolf von Habsburg. Am 13. 11. 1332 verbündet sich L.
mit Uri, Schwyz und Unterwalden. 1386 gewinnt es die Unabhängigkeit und wird
dann Teil der →Schweiz. 2002 erhält es eine nahe dem See und dem Bahnhof
gelegene Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P.,
Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A.,
Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die
luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt
Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis
zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur
ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder,
W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der
luzernischen Territorialppolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941),
119; Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Luzern (1831-1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,433; Lötscher, P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich
1982; Vom Gänsekiel zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die
Rechtsquellen des Kantons Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998; Bossard-Borner, H., Im
Spannungsfeld von Politik und Religion, 2008
Lynchen ist
das rechtswidrige Bestrafen (Hinrichten) eines Menschen ohne rechtmäßiges
Verfahren, insbesondere durch eine aufgebrachte Volksmenge. Ohne sichere
geschichtliche Herleitung (Charles Lynch 1736-1796?) erscheint das L. vor allem
in der Mitte des 19. Jh.s in den (meisten)Vereinigten Staaten von Amerika
(mit4736 Opfern zwischen 1882-1951, davon 3442 Afroamerikaner).
Lit.: Cutler, Lynch law, 1905;
Chadbourn, J., Lynching and the law, 1933; Berg, M., Das Ende der Lynchjustiz
im amerikanischen Süden, HZ 283 (2006), 583; Berg, M., Lynchjustiz in den USA,
2014
Lykurg ist
der sagenhafte Begründer der Verfassung von Sparta (8. Jh. v. Chr.).
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17
Lynker,
Nikolaus Christoph Freiherr von (Marburg 1. 4. 1643-Wien 28. 5. 1726) wird nach
dem Studium von Philosophie und Sprachen in Jena und Gießen und dem
Rechtsstudium 1670 außerordentlicher Professor in Gießen, 1677 ordentlicher Professor
in Jena und 1707 Reichshofrat in Wien.
Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von Lynker,
2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G., Consilia,
1970, 64
M
Machiavelli,
Niccolò (Florenz 3. 5. 1469-22. 6. 1527), Beamtensohn, wird nach dem Sturz
Girolamo Savonarolas 1498 Sekretär und danach Kanzler der Republik Florenz. Im November
1512 nach päpstlich-spanischem Eingreifen zu Gunsten der Medici seines Amtes
enthoben, verfasst er die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er in
eigenständiger Erkenntnis der Maßlosigkeit des Menschen als Bedingung
erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu
erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und
sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986;
Kersting, W., Niccolò Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A.
u. a., 1993; Niccolò Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca,
hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D.,
Niccolò Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei
Machiavelli, HZ 271 (2000), 1; Landon, W., Politics, Patriotism and Language,
2005; Hoeges, D., Niccolò Machiavelli - DIchter - Poeta, 2006; Machiavellismus
in Deutschland, hg. v. Zwierlein, C. u. a., 2010; Reinhardt, V., Machiavelli,
2012
Macht →Gewalt
Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der Staaten, 1986; Mann,
M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a., 2000; Spektakel der
Macht, hg. v. Althoff, G. u. a., 2008, 2. A. 2009; Lange, H., Recht und Macht,
2010
Machtergreifung ist die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der Nationalsozialisten
im Deutschen Reich 1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die
nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die
Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in
Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die
„Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme
1933, 2002; Machtergreifung in Augsburg, hg. v. Cramer-Fürtig, M., 2008
Machtspruch ist
der auf die behauptete Machtvollkommenheit gegründete eigenmächtige Eingriff
eines (absoluten) Fürsten in die Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. (im
Gegensatz zum Rechtsspruch) Er ist grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit
verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich als
unzulässig angesehen (Preußen [nach dem Wassermüller-Arnold-Fall von 1779] 1784,
1791, Österreich 1797). Das 19. Jh. schließt ihn auf Grund der
Rechtsstaatsidee und der Gewaltenteilungslehre (Unabhängigkeit der
Rechtspflege) aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und
Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Erwin, H., Machtsprüche. Das herrscherliche Gestaltungsrecht
„ex plenitudine potestatis“ in der frühen Neuzeit, 2009
Machtübernahme →Machtergreifung
Maciejowski,
Waclaw Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin
(Savigny) und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des römischen Rechtes in
Warschau (1819-1831). Seit 1832 veröffentlicht er eine slawische Rechtsgeschichte
(1835 deutsch).
Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W.,
Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo
rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82
Madrid wird
als maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons
VI. von den Christen erobert. 1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen.
1561 wird es Hauptstadt →Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in →Alcala
de Henares gegründete Universität.
Lit.: Gibert, R., El concejo de Madrid, 1949; Montero
Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991
Magdeburg an
der Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter nicht vollständig von
seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen
Bestimmungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger
Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler,
Historisches Lexikon; Magdeburger Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang,
E., 1901; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts und der
Statuten der Armenier in Lemberg, ZRG GA 35 (1914), 1; Schranil, R.,
Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Teige, J., Über
die Anfänge des Magdeburger Stadtrechtes in Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383;
Becker, W., Magdeburger Recht in der Lausitz, 1931; Brackmann, A., Magdeburg,
1937; Markmann, W., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P.,
Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940), 279; Magdeburger Schöffensprüche für die
Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz, T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der
Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70;
Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an
den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65 (1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch
der magdeburgischen Urteile im Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260;
Klein-Bruckschwaiger, F., Die Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in
Kaspar Popplaus „Rechtem Weg“, ZRG GA 66 (1948), 440; Najstarsze
staropolskie tłumaczenie ortyli Magdeburskich, według rękopisu
Nr. 50 biblioteki zakłnarodowegoIm. Ossolińskich (Älteste
altpolnische Übersetzung der Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50
der Bibliothek des staatlichen Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung),
Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude, D., Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1975;
Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit,
D. u. a., 1980; Ebel, F., Die Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls
für Niedersachsen, ZRG GA 98 (1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f.
1983ff.; Schrader, I., Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris
supremi Magdeburgensis castri Cracoviensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff.
1990ff.; Łysiak, L., Ius supremum Maydeburgense castri Cracoviensis
1356-1794, 1990; Rogatschewski, A., Übersicht über das sowjetische Schrifttum
der 1970er und 1980er Jahre zur Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA
109 (1992), 390; Beumann, H., Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille,
M., 1200 Jahre Magdeburg, 2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, (in)
Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, 2004, 423; Leben in der Stadt, hg. v.
Labouvie, E., 2004; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau,
2005; Magdeburger Namenlandschaft, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2005; Magdeburg,
hg. v. Puhle, M. u. a. 2005; Concordia magna. Der Magdeburger Stadtfrieden vom
21. Januar 1497, hg. v. Wittek, G., 2006; Grundlagen für ein neues Europa, hg.
v. Lück, H. u. a., 2007; Bily, I. u. a., Sächsisch-magdeburgisches Recht in
Polen, 2011
Magdeburger Fragen
sind das durch Fragen gekennzeichnete, zwischen 1386 und 1402 entstandene
spätmittelalterliche Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften,
systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer
Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit
Magdeburger Rechtsbelehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in
Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm
ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung in zwei
Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte
Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen).
Vor 1518 wird die unsystematische Fassung vielleicht in Stettin
alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsenspiegels.
→Neun Bücher des Magdeburger Rechtes
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v.
Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873),
401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50
Magdeburger Recht →Magdeburg
Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht
unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869
Mage (M.
bzw. F.) Verwandte®
Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS
magister (lat.
[M.]) Meister, Lehrer
Magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht ein von den
Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine →Versteigerung
veräußert.
Lit.: Kaser § 85 II 2b
Magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s
erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird
der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen
Verwaltungsorgans und Repräsentant einer Gemeinde.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954,
5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H., Der
Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220
magister (M.) curiae (lat.) →Hofmeister
magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R.,
Römische Militärgeschichte, 1920, 180
magister (M.) navis
(lat.) Schiffskapitän
Lit.: Kaser § 49 II 3
magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivorsteher
Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P.,
Byzanz, 1986
Magistrat ist
das Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind
Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten Magistrate, die seit dem
Prinzipat des Augustus ihre Bedeutung einbüßen. Im 19. Jh. ist unter dem
Einfluss einer in Frankreich gegen Ende des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung
der M. das von der Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ
gewählte Kollegialorgan einer →Stadt.
Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T.,
The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die
Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissenschaften, 10, 3, 2, 2
Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der Gemeindeverfassung,
in der eine Stadtverordnetenversammlung als gesetzgebendes und allgemein
ausführendes Organ einen →Magistrat als rein ausführendes Organ wählt
(Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im Reich wird die
M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein, Bremerhaven und Hessen
erneuert. →Selbstverwaltung
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970, 105
Magna Charta
(F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren
Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten
und auch noch geltenden Urkunde des englischen, durch die Niederlage von
Bouvines geschwächten Königs Johann I. Ohneland (Lackland, 1199-1216) vom
15.–19. 6. 1215 für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer
Präambel und 63 Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung
der Großen gebunden (Grundlage des Parlamentarismus). Barone wollen nicht
mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten königlichen Gericht Recht nehmen
(lat. iudicium [N.] parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone
dienende M. C. setzt sich in England in der Petition of Rights (1628), der →Habeas-corpus-Akte
(1679) und der →Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich mittelbar auch
auf Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit dem frühen 19.
Jh. aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R.
v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Magna
Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt,
M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna Carta?,
2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MagnaChartalibertatum1215.htm;
Magna Carta and the England of King John, hg. v. Loengard, J., 2010; Vincent,
N., Magna Carta, 2012
Magnus Eriksson (1306-1374)
ist der schwedische (1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374),
der um 1350 ein schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in
mehr als 100 Handschriften überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen
Städte (Stadslag, älteste überlieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734
gilt.
Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., 1962; Holmbäck, Å./Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966
Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238–Bergen 9. 5. 1280) ist ein
norwegischer König (1263-1280), der die Landschaftsrechte und das Gefolgschaftsrecht
(1273-1277, →Hirdskra) erneuert sowie 1274/1275 das erste für ganz
Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für Norwegen
aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.
Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im Landrecht
Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F.,
Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252
Mahalareda (F.)
ist im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter.
Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen
Gesetze, PBB 59 (1935), 57
Mahlgemeinschaft
Lit.: Dörrer, A., Alte
Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit (313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266
Mahlschatz (M.)
Mitgift, Heiratsgut
Mahlzwang ist
der mittelalterlich-frühneuzeitliche Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen
zu lassen.
Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen,
1904
Mahnung (Wort in allgemeinerer Bedeutung um 800) ist die einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des
Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise
zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen Recht kann der
Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug
entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung trotz Leistungsaufforderung
zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) begründet erst
die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Erfüllung ohnehin feststeht.
Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der
Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in der für eine bestimmte Art von
voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten
Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger
vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen
Abwesende kennt bereits der →Sachsenspiegel (1221-1224) (Landrecht I 70 §
2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die
durch Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines
gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar
einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die
Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch
eingetragene Forderungen lassen sich vereinfacht durchsetzen. Im Heiligen
römischen Reich unterwirft sich der
Schuldner seit der frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten
reichskammergerichtlichen →Mandatsprozess. 1877/1879 wird das M. durch
Übernahme der Grundsätze des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein
anwendbaren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung
vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. In Deutschland sind mit dem 1. 7. 1977
die Ausdrücke Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeichnungen
Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid ersetzt. →summarischer Prozess
Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der
summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891
Mähren ist
das zwischen der böhmisch-mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden,
kleinen Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen
besiedelte Gebiet, das 1029 an →Böhmen und nach bedeutender deutscher
Einwanderung 1526 mit diesem an →Österreich fällt (Landesordnung 1545, 1628,
mährischer Ausgleich durch Trennung der Wahlkörper zwischen Tschechen und Deutschen
1905 versucht) und am 28. 10. 1918 Teil der →Tschechoslowakei. Am 15. 3.
1939 errichtet das Deutsche Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs
beseitigtes Protektorat Böhmen und Mähren. Bei der Auflösung der
Tschechoslowakei (1992zum 1. 1. 1993) wird M. Teil Tschechiens.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868;
Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener, W.,
Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; Glassl, H., Der mährische Ausgleich, 1967; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert, F., Deutschland und die
Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in Böhmen und Mähren, 1989;
Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996; Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen,
ZRG GA 120 (2003), 150; Práva a
zřízení Markrabství moravského z roku 1545 (Rechte und Landesordnung
für die Markgrafschaft Mähren aus dem Jahre 1545, hg. v. Janiš, D.,
2005.
Maiestas (lat.
[F.] Größe) ist (erst) seit Jean →Bodin (1576) der
Grundbegriff der Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]).
Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. →Leibniz)
dem Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die
Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung.
Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138
Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren Entwürfen Premysl Ottokars II.
(1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s
(lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Böhmens) beruhende,
lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Entwurf Karls
IV. für ein Landrecht →Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-1354), der seit
1617 M. C. genannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie, Krongut,
Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstands der Stände gegen
die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die M. C. 1355
als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh. gewohnheitsrechtlich
in Kraft.
Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64;
Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der böhmischen
Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog. Maiestas
Carolina, (in) Studia Luxemburgensia, 1989, 79
Maigesetze sind
die vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im →Kulturkampf erlassenen
Gesetze bzw. die in Österreich 1868 und 1874 zur Eindämmung des Einflusses der
katholischen Kirche erlassenen Gesetze (Ehegesetz, Schule-Kirche-Gesetz,
Interkonfessionellengesetz 1868, Katholikengesetz, Religionsfondsgesetz,
Anerkennungsgesetz 1874).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mailand in
Oberitalien wird im 5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und
ist in der Spätantike kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem
Anfang des 11. Jh.s überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit
dem frühen 12. Jh. gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber
Statutorum). Im 14. Jh. gerät es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza
(1395/1397 Herzogtum), 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und
damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon;
Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli atti privati
milanesi e comaschi, Bd. 1 ff. 1933ff.; Visconti, A., Ricerche sul diritto
pubblico milanese, Annali della r. università di Macerata 3 (1928); Dilcher,
G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,122; Ambrosioni, A., Le pergamene della canonica di
San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in)
Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81;
Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Grillo, P.,
Milano, 2001
Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den
Christen Freiheit des Gottesdiensts und Rückgabe der verstaatlichten Güter gewährende
Edikt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Maimonides (Ben
Maimon), Moses (Córdoba 30. 3. 1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230 als Rabbi
Moyses erwähnt) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph im
ausgehenden 12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer
hebräischer Sprache in der 14bändigen →Mischne Tora (1180) zusammen
(Führer der Unschlüssigen, um 1242/1244 lateinisch übersetzt).
Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979; Elon,
M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C.,
Cartas y testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999;
Hasselhoff, G., Dicit Rabbi Moyses, 2004
Maine, Sir
Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium 1847 Professor für Civil
law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns of Court Londons
Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte
des Rechtes. Hierauf gründet sich sein 1861 veröffentlichtes
darwinistisch-evolutionstheoretisches Buch (engl.) Ancient Law (Altes Recht).
Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in Oxford und 1877 in
Cambridge.
Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir
Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997
Mainz am
Einfluss des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen Oberbefehlshabers
für das obere Germanien und in der Nachfolge des Bonifatius (746/747-754) Sitz
eines Erzbischofs, für den bis 1223 550 Urkunden nachgewiesen sind. Von
1331/1424 bis 1462 ist die Stadt tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem
kurfürstlichen Stadtherrn. Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der
Buchdruck. 1476 erhält M. eine Universität, die nach Schließung in
napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816) 1946 wieder errichtet wird. Vom 21.
12. 1792 bis zum 23. 7. 1793 wird in M. unter Einfluss Frankreichs und Lösung
vom Heiligen römischen Reich Demokratie versucht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur
Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22
(1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum
Mainz, 1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und
Kurfürsten von Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung
von Kurmainz um das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und
die deutsche Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen
Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von
Mainz als Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung
der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer
Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das
Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und
Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J.,
Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer
Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität
Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des
Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die
Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der
Mainzer Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a.,
Bd. 1ff. 1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die
Gründung der Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht,
1977; Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977; Pick, E., Die
Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl, 1981, 509;
Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick, E., 1983;
Schlösser, S., Der Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg und
Wittelsbach um das Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz,
das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer
Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v.
Hartmann, P., 2002; Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M.,
2002; May, G., Die Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der
Erzdiözese Mainz, 2004; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005;
Grathoff, S., Mainzer Erzbischofsburgen, 2005; Heuser, R., Namen der Mainzer
Straßen und Örtlichkeiten, 2008; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008;
Mainzer (Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit, hg. v. Felten, F., 2008; Die ältesten
Urkunden der Erzbischöfe von Mainz (888-1109), hg. v. Fees, I. u. a., 2008;
Kißener, M., Anfänge der modernen Demokratie in Mainz, 2011
Mainzer Landrecht
ist das Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem
Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz,
17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen Landbrauches durch Nikolaus Itzstein).
Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich Familienrecht und
Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw.
in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).
Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein,
L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das
eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953
Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene
Landfriede Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und
stärkt die Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein
Hofgericht vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer
Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955;
Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R.
Gmür, 1983, 369
Mainzer Republik
ist der durch Erklärung eines rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3.
1793 im Gebiet zwischen Bingen und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem
Volk als einzigem Souverän. Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an →Preußen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724;
Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993; DIe
Mainzer Republik 1792/93, 2013
maior (lat.
[M.]) Größere
maior vigintiquinque
annis (lat.) älter als 25 Jahre, volljährig,
s. Lex Laetoria (um 200 v. Chr.)
Maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der Jüngere darf wählen.
Nur ein ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer (z. B. auf Grund einer Amtsstellung)
bewusst ungerecht und wählt dann auch noch selbst den größeren Teil. →Erbauseinandersetzung
Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Plutarch für das 8. Jh. v.
Chr.)
maior (M.) domus
(lat.) →Hausmeier
Lit.: Köbler, DRG 76
maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des Landes, →Landstände
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Maitland,
Frederic William (London 28. 5. 1850-Las Palmas/Kanarische Inseln 20. 12.
1906), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und Lincoln’s Inn
1876 Anwalt, 1884 Dozent für englisches Recht in Cambridge und 1888 Professor. Er
verfasst (mit Frederick Pollock) die (engl.) History of English Law before the
Time of Edward I (Bd. 1f. 1895, Geschichte des englischen Rechtes vor Eduard
I.), die nach einer Übersicht über die äußere Rechtsgeschichte die
inhaltlichen Einrichtungen und Lehren darstellt. Dabei verbindet er Politik
und Wirtschaft mit dem Recht und die Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887
gründet M. die Selden Society.
Lit.: Bracton’s Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff.
1887; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895;
Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic
William Maitland, 1910; Maitland,
F. ZRG GA 33 (1912), 521; Maitland, F., Selected
historical essays, hg. v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!) William
Maitland and the history of English law, 1961; Bell, H., Maitland, 1965; The
letters of Frederic William Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985
Maiverfassung ist die im Mai 1934 für Österreich erlassene Verfassung für einen
christlichen deutschen Bundesstaat (autoritären Ständestaat des Austrofaschismus).
Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen)
Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius‘ I., in der
die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert
wird. 397 werden aber alle führenden Personen geschützt. Die Beleidigung des
Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsgerichtsordnung
(→Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird
die M. dem →Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich
Reichspräsident und Regierungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der
Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane.
Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und
verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und
Verfassung im Strafrecht, 1970; Czech, P., Der Kaiser ist ein Lump und
Spitzbube, 2010; Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus, hg. v. Härter, K.,
2012
Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z.
B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben).
Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des
Majestätsbriefes von 1609, 1858
Majestätsverbrechen →crimen laesae maiestatis
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und
Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis,
1970; Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus, hg. v. Härter, K. u. a., 2012
Majorat ist
die Einzelnachfolge des Ältesten beim →Familienfideikommiss.
Majorität (F.)
→Mehrheit
Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73
Makedonien ist
ein südosteuropäisches Gebiet, dessen (in der Antike stets nicht als richtige
Griechen angesehenen) Bewohner unter den Königen Philipp II. und Alexander dem
Großen (336-323 v. Chr.) →Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber
römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die →Osmanen. 1913
fällt M. durch Eroberung an Serbien (1918 →Jugoslawien) (und Griechenland).
Nach gescheiterter Zwangsintegration wird es 1992 selbständig.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte
Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di là
dell’Olimpo, 2002; Rois, cités, nécropoles, hg. v. Guimier-Sorbets, A. u. a.,
2006; Boskovska, N., Das jugoslawische Makedonien 1918-1941, 2009; Brill’s
Companion to Ancient Macedon, hg. v. Fox, R., 2011
Makler (Wort um 1300, Maklerlohn 1669) ist,
wer gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags nachweist oder
einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen
Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in
Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver
Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist
die Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche
gesetzliche Regelungen. Der absolute Staat fördert monopolisierende
Tendenzen, die im 19. Jh. beseitigt werden.
Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28
(1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die
Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und Maklerwesen
bis 1900, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
mala fides (F.)
(lat.) böser Glaube (schadet nachträglich nicht bei Ersitzung des römischen
Rechtes, wenn der Erwerber im Erwerbszeitpunkt gutgläubig ist)
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Malberg ist
im fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80,
85
Malbergische Glosse
ist der nichtlateinische Einschub in den ältesten Fassungen des salfränkischen
Rechtes (lat. Pactus [M.] legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D, z. B.
mallobergo reapten[a] hoc est zu Titel 1, 1). Die malbergischen Glossen haben
ihren Namen davon, dass sie meist durch (lat.) (in) mallobergo (→Malberg)
eingeleitet werden. Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in
den Text geraten. Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des
ältesten bekannten fränkischen Sprachstands.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on
the Frankish Words in the Lex Salica, (in) Lex Salica, hg. v. Hessels, J.,
1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225;
Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1;
Schmidt-Wiegand, R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957),
220; Gutenbrunner, S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis
Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis
medii aevi 33 (1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex
Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275;
Schmidt-Wiegand, R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen,
Rhein. Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica,
ZRG GA 89 (1972), 1
maleficium (lat.
[N.]) Übeltat, Hexerei
Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die
Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des
Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975
Malefizordnung ist die an der Wende des Mittelalters zur Neuzeit auftretende Ordnung bzw.
Landesordnung für Straftaten (z. B. Tirol 1499). Sie wird 1532 durch die subsidiär
gelten wollende (lat.) Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche
Gerichtsordnung Karls V.) ergänzt. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Strafrechtskodifikationen
abgelöst (Bayern 1751, Österreich 1768, 1803, Bayern 1813, Preußen 1851,
Österreich 1852 u. s. w.).
Maleville,
Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der französischen
Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofs,
wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines →Code
civil berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und
kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er
auf die Seite der Reaktion über.
Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville,
1929
Malik ibn Anas
(708/16-796) →Muwatta
Mallersdorf
Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf,
1979
Malleus maleficarum →Hexenhammer
mallobergus (lat.
[M.]) Malberg, Verhandlungsberg
mallus (lat.
[M.]), mallum (lat. [N.])
Versammlung, Gerichtsversammlung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le
mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947,
435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Malmann
Lit.: Lamberg, P., Die Malmannen
im sächsischen Freienrecht des Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen 75
(1968), 126
Malscult (as.
[F.]) Dingschuld, eine Abgabe
Lit.: Molitor, E., Die Stände der
Freien, 1910, 10
Malta ist
die zwischen Italien und Tunesien gelegene, 316 Quadratkilometer große Insel im
Mittelmeer. Sie weist große Tempelbauten des 4. Jt.s v. Chr. auf und gelangt
nacheinander an Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh. v. Chr.), Römer (218 v.
Chr.), Ostrom (395 n. Chr.), Vandalen, Ostgoten, Muslime (870), Normannen
(1091), den Johanniterorden (1530), Frankreich (1798) und Großbritannien
(1800/1802). 1964 wird Malta unabhängig, 1974 parlamentarische Republik und zum
1. 5. 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Lit.: Betz, W., Malta, 1994; Staehle,
E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002
Malumbra, Ricardus ist ein vielleicht in Cremona
1264 geborener, 1289 als doctor legum bezeugter, seit 1295 in Padua lehrender
Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 593
mamluk (arab.)
weißer Sklave
Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996
Man
ist eine Insel in der irischen See mit
etwa 85000 Einwohnern, die weder der Europäischen Union noch dem Vereinigten
Königreich von Großbritannien angehört, wohl aber den britischen Inseln und
eigene Gesetzgebung und Rechtsprechung hat.
Lit.: Zillmer, M., Die Rechtsordnung der Isle of Man, 2012
Manchester beruht
auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838
Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität.
Mancipatio (lat.
[F.]) ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines
Geschäft für die Überführung aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines
anderen. Dabei ergreift jemand eine handgreifbare Sache (lat. res [F.]
mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem
Waagehalter (lat. [M.] libripens), spricht eine sein Eigentum an der
handgreifbaren Sache behauptende Formel und lässt den tatsächlichen Betrag des
Wertes der Sache dem anderen in Erz (lat. aes [N.]
Kupfer) in einer Waage (lat. [F.] libra) zuwägen (Libralgeschäft), wobei dieser das Metall
unter schweigender Duldung der Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches
positives einverständliches Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der
bisherige Gewalthaber ist danach Vormann (lat. [M.]
→auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch fortgebildet,
dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch sinnbildlich in der Form
einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno) zugewogen wird. Diese m. nummo
uno dient dann der Erlangung der Gewalt über handgreifbare Sachen und Personen auch
außerhalb des Barkaufs in einer Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf,
Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung [lat. coemptio], Emanzipation u. s.
w.). Die m. ist ein abstraktes Verfügungsgeschäft. Im spätantiken römischen
Recht ist die m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch
(lat. [F.]) →traditio (fomlose Übergabe) ersetzt.
Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II 1a, 41 I 1; Söllner
§§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo, S., Leges mancipii,
1998
Mancipium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch
erlangte, der Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes
Hauskind und übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie, doch
nimmt die Verwendung des Wortes vom Beginn des 11. Jh.s an stark ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen
Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984.; Randazzo, S., Leges
mancipii, 1998
Mandat als
Lehnwort zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet
es das Verhaltensgebot des Gerichts an eine Partei oder einen Dritten, aber
auch den Auftrag einer Partei für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom
M. eines Abgeordneten einer Volksvertretung und vom M. als internationalem
Auftrag des Völkerrechts gesprochen.
Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen
Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52
Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form des →summarischen
Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches
Gebot (→Mandat) ein bestimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen
gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter,
allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten
Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des Spätmittelalters
(1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen bedingtem
Mandat, bei dem sich der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe stützen
darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die Unrichtigkeit
der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf, unterschieden. Vom →Reichskammergericht
geht der hierdurch geprägte M. in das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus
entwickelt sich das 1833 bzw. 1846 in Preußen eingeführte →Mahnverfahren
und die mandatsähnliche →einstweilige Verfügung (Hannover 1850, Baden
1851).
Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7.
A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die
Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts,
(in) Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343;
Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss.
jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991
Mandatsverfahren →Mandatsprozess
Mandatum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche
Auftrag (Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann,
andererseits seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des Staatsoberhaupts
(lat. [M.] princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die
bald als gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen
Frühmittelalter entsprechend fort.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18;
Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961;
Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata
principum, 1991
Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030-nach 1103) wird nach Studien in
Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in
Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst
nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von
Brauweiler wird der Gedanke der →Volkssouveränität entnommen.
Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von
der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von
Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und
Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21
Mangel (Wort 1075, Mangelrüge 1881) ist das Fehlen
einer vorausgesetzten Beschaffenheit einer Sache oder einer sonstigen
Gegebenheit.
Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge,
1994; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Mangelschaden ist der im Mangel einer gelieferten Sache bestehende Schaden (z. B. ein
gekauftes Buch ist wegen fehlender 100 Seiten 10 Euro weniger wert als ein
vollständiges Buch.
Mangelfolgeschaden ist der infolge des Mangels einer Sache am sonstigen Vermögen des Erwerbers
zusätzlich entstehende Schaden (z. B. durch vergiftetes Futter sterben an
sich gesunde Tiere) des Erwerbers.
Manifest (N.)
Programm, Ankündigung, →Kommunistisches Manifest
Mann ist der männliche Mensch. Im Laufe der
gesellschaftlichen Entwicklung der Menschen setzt er auf Grund seiner durchschnittlichen
körperlichen Überlegenheit und den durch die Schwangerschaften verursachten
Nachteilen der Frau einen verhältnismäßigen Vorrang gegenüber der Frau durch.
Seit der Aufklärung wird der dadurch geschaffene Patriachat zurückgedrängt.
Lit.: Rabe, C., Gleichwertigkeit
von Mann und Frau, 2006; Martschukat, J./Stieglitz, O., Geschichte der
Männlichkeit, 2008
Mannesvorzug ist
die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren
Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz
wird er im 20. Jh. beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Mannfall (M.) Tod des Lehnsmanns
Mannheim (766 Mannenheim) wird 1605/1607 Stadt.
Lit.:
Kreutz, W./Wiegand, H., Mannheim, 2008
mannire, manire
(lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
mannitio (lat.
[F.]) Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Mannlehen ist
ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen
Neuzeit das allein männliche Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im
Gegensatz zum Weiberlehen u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts
der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279
Mannus (zu
nhd. Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier
Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen,
Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen
(Elbgermanen) herleiten.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3.
A. 1967, 52
manor (engl.)
Herrenhof
mansio (lat.
[F.]) Bleiben, Herberge
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
mansus (lat.
[M.]) Hof, Hufe, Ackermaß
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW
Mantel als
ein den Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol
verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem Mantel bei Eheschließung
zwecks Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels
zwecks Haftungsbefreiung).
Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mantik (F.) Weissagung, Wahrsagerei
Lit.: Hille, J., Die Strafbarkeit
der Mantik von der Antike bis zum frühen Mittelalter, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1977
Manufaktur ist
die bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur
Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und
18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform (→Merkantilismus).
Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche Porzellanmanufaktur
(Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik.
Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die
Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die
Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972;
Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des
18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990
Manumissio (lat.
[F.]) ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum
(freigelassenen) Freien. Für sie entwickeln sich im römischen Recht
verschiedene Formen (m. in der Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch
Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die im Frühmittelalter teilweise fortgeführt
und teilweise ergänzt werden.
Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b; Köbler, DRG 57
manus (lat.
[F.]) Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II; Söllner §§ 8, 20;
Köbler, DRG 21f., 71
Manusehe ist im römischen Recht die Ehe, in der die Frau unter die (lat.) manus
(Hausgewalt) des Mannes oder dessen (lat.) pater (M.) familias steht. Die manus
wird durch von der Eheschließung zu trennende Geschäfte (confarreatio, coemptio
oder usus) begründet. In der M. ist die Frau vermögensunfähig, so dass alles,
was sie erwirbt, ihrem Gewalthaber gehört. Bis zum Prinzipat (Augustus) wird
die M. zur Ausnahme, so dass die Ehefrau regelmäßig entweder ihrem bisherigen
(lat.) pater (M.) familias untersteht oder gewaltfrei und damit vermögensfähig
ist.
Manus iniectio
(lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe
beispielsweise im altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (→legis
actio per manus iniectionem).
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I 1, 60 I 4, 81 III 1;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20
Manzipation →mancipatio
Marburg an
der Lahn gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die
erste protestantische, am Beginn des 17. Jh.s calvinistische Universität.
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, hg.
v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger
Juristenfakultät, (in) Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die
Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000
Marburger Programm
ist das von Franz von →Liszt (1851-1919) 1882 formulierte Programm (Der
Zweckgedanke im Strafrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204
Marbury v. Madison ist die Leitentscheidung des
Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika vom 24. Februar 1803, nach
der das Gericht für die Überprüfung von Bundesgesetzen (z. B. Section 13 des
Judiciary Act von 1789) auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung zuständig
ist.
marca (lat.-ahd.
[F.]) Grenze, Grenzgebiet, Mark
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marcellus (2.
Jh. n. Chr.) ist der dem Rat der Kaiser Antonius Pius (138-161) und Marc Aurel
(161-180) angehörige römische Rechtskundige, von dem 31 zwischen 161 und 167
entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) zu
unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den
Digesten →Julians bekannt sind, deren Benützung durch →Scaevola und
→Ulpian feststeht.
Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Rechtes, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli Notae ad Iuliani Digesta,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C., Der liber singularis
responsorum des Ulpius Marcellus, 2001
Märchen ist
die nicht sicher bezeugte und nicht sicher bezeugbare Erzählung oder Kunde. Das
M. kann Rechtsfragen behandeln. Die M., die für den deutschen Sprachraum am
erfolgreichsten von den Brüdern Grimm gesammelt sind (1812), lassen sich
zeitlich nicht zuverlässig einordnen.
Lit.: Grimm, J./Grimm, W., Kinder- und Hausmärchen, 1812;
Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen, 1935; Anger, S., Das
Recht in den Sagen, Legenden und Märchen Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel
1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im deutschen Märchen, Rheinisches Jahrbuch
für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich, Lutz, Märchen und Wirklichkeit, 1956;
Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen und Recht,
2001; Enzyklopädie des Märchesns, begr. v. Ranke, K., Bd. 12 2007
Marchfutter ist
eine mittelalterliche Abgabe.
Marculf ist
der Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5 Handschriften des 9. Jh.s
überlieferten Sammlung von 40 Königsurkundenformularen und 52 Privaturkundenformularen,
die vermutlich am Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines
nicht sicher feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist
nachweislich spätestens 743/747 in einer Königsurkunde und 731/732 in einer
Privaturkunde benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen
sie.
Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi
Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische
Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110
Marescalcus (lat.-ahd.
[M.] Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.
Lit.: Köbler, DRG 83
marginal (am
Rande befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d. h. Randglosse
Maria Theresia
(Wien 13. 5. 1717-29. 11. 1780) ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI.,
der am Ende des spanischen Erbfolgekriegs die Erbfolge in den habsburgischen
Erblanden 1713 durch die →Pragmatische Sanktion zu sichern versucht. 1736
heiratet sie Franz Stephan von Lothringen. 1740 tritt sie das Erbe an
(Pfalzerzherzogin von →Österreich), von dem sie im österreichischen
Erbfolgekrieg Schlesien (an Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von
Spanien Bruder Philipp) verliert. Sie herrscht über ein Bündel von Staaten in
Form einer monarchischen Union. Nach der Wahl ihres Mannes zum deutschen
Kaiser (1745) nimmt sie den Titel Kaiserin (Titularkaiserin) in Anspruch. Gegen
den ständischen Widerstand setzt sie von 1749 bis 1761 den absolutistischen
Staat mit landesfürstlicher Bürokratie und Zentralverwaltung durch
(Dezennalrezesse, Directorium in publicis et cameralibus, oberste Justizstelle,
Heeresreform, Schulreform). Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph
II.) erwirbt sie 1772 Galizien und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das
Innviertel. Gesetzgeberisch stellt die von ihr veranlasste (lat.) →Constitutio
(F.) Criminalis Theresiana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen
Fortschritt dar, während ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches
Gesetzbuch) überhaupt bloßer Entwurf bleibt, aber dennoch das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) vorbereitet.
Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte
Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform
von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965;
Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss.,
phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria Theresia, 1979; Ogris,
W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria Theresia,
2000; Telesko, W., Maria Theresia, 2012
Marinus de Caramancio ist ein in der Provinz
Pescara Jahrzehnte vor 1269 geborener, als assessor und Richter tätiger
neapolitanischer Jurist (glossa ordinaria zu den constitutiones Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 498
Maritagium (lat.
[N.]) ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen.
Mark ist
ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstands verwendete Zeichen.
Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze. Dementsprechend
finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen (ab etwa 980 Zunahme der
Dichte der marca-Nennungen in den Urkunden und in der Literatur) und Heinrich
III. (1039) Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau (Awarenmark, Ostmark),
an der Oder (965), in Karantanien (970, spätere Steiermark), an der Eider, in
Böhmen oder in Brandenburg, die meist Markgrafen unterstellt sind, ohne dass
sich aus der Raumbezeichnung (Grenze, Gebiet) sichere Aussagen über die Herrschaftspolitik
der Zentralgewalt ableiten lassen. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um
die Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorfmark, das von einer →Markgenossenschaft
gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren
tritt seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das
ältere →Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des
Münzwesens im Heiligen römischen Reich. Die von 1871/3 bis 1924 als
Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die
Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform),
die 2002 von der europäischen Gemeinschaftswährung Euro (mit Cent) abgelöst
wird.
Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem,
1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsverfassung, 1902;
Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in
den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches
Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark
Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig
Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied
von der Deutschen Mark, 1998; Stieldorf, A., Marken und Markgrafen, 2012
Mark ist
die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg namengebende Burg in
Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946 das Gebiet zu
Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Frisch, M., Die Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des
märkischen Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der
Grafen von der Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967
Markdorf
Lit.: Prahl, H., Die Verfassung
und Verwaltung der Stadt Markdorf im Linzgau, 1965
Marke ist
das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das
Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter
an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum
Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt sich die
Handelsmarke des Kaufmanns zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft setzt sich
für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der markierten Ware.
Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh.
endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh.
(Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21.
12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5.
1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s wird dieser Schutz innerhalb der
Europäischen Union vereinheitlicht (Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsreformgesetz
BGBl. 1994, 3085). Danach erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer
schutzfähigen Marke durch das Patentamt auf jeweils 10 Jahre.
Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische
Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des
Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und
Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43
(1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das
Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954;
Leitherer, E., Die Entwicklung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954;
Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder,
H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse,
1999; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847,
2002; Hentsch, C., Die Bergischen Stahlgesetze, 2011; Kickler, H., Die
Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben in Deutschland, 2012
Markebrief ist
seit dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem Arrest.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960
Markenrecht →Marke,
Recht
Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241;
Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1874, 2002;
Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, (in) NJW-Sonderheft 100
Jahre Markenverband, 2003
Markenschutz →Marke
Märker →Mark,
Markgenossenschaft
Märkerding ist
die Versammlung der Markgenossen oder Märker.
Markfrevel ist
die rechtswidrige Nutzung einer →Mark seit dem Hochmittelalter.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Markgenossenschaft (Wort bis zum 19. Jh. nicht belegt) ist die Genossenschaft der an
einer →Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten seit dem Hochmittelalter
(str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem Landesausbau eintretenden
Güterverknappung. Die Nutzungsberechtigung an der Mark ist Zubehör zu einem
Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse (Märker) kann frei oder
unfrei sein. Wichtigstes Organ der M. ist die Versammlung der Markgenossen
(Märkerding). Ihr sitzt der Märkermeister (oft ein Grundherr), Markmeister,
Obermärker, Holzgraf oder Waldgraf vor. Urteile fällen Markschöffen oder
Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten Markgenossenschaften durch den
Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum,
F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsgeschichte und
Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte
der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G.,
Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911;
Ehlert, H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen,
1936; Wellmer, M., Zur Entstehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938;
Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun
Kastelrut, ZRG GA 71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der
Markgenossenschaften, 1961; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson, A., Markgenossenschaftslehre und
Marxismus, Diss. jur. Zürich 1967; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im
frühmittelalterlichen Alamannien, 1997
Markgraf (lat.
[M.] marchio) ist der Graf einer Grenzgrafschaft
(Markgrafschaft). Über die Stellung und die Befugnisse eines Markgrafen vor dem
12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren sie von denen eines anderen Grafen
nicht wesentlich verschieden (marchio um 800). Die Lage und die Größe der
zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich,
Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit und Verteidigungsbereitschaft.
Deswegen wird der M. verschiedentlich Stammesherzog, der M. von Brandenburg
sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh. wird M. (zwischen Graf und Herzog) auch
ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher;
Hofmeister, A., Markgrafen und Markgrafschaften im italischen Königreiche,
MIÖG Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im
16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität
der Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im
Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973;
Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984;
Stieldorf, A., Marken und Markgrafen, 2012
Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet eines →Markgrafen.
Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines →Markgrafen.
Marklosung ist
das Recht eines Markgenossen oder einer Markgenossenschaft, ein in der →Mark
gelegenes, an einen Fremden veräußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises
zu erwerben (und dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht
umzuwandeln).
Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1
1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 2 1962
Markmeister →Markgenossenschaft
Markt ist
die zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum
Zweck des Verkaufs und Kaufes von Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht
bekannt (lat. [N.] forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]).
In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König
erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal.
Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält
dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine
Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln
sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden
bald zur →Stadt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel,
S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai historique sur le
droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und Markt im späteren
Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La
foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde und Markt in Frankreich
und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973;
Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E., Markt und
Sondermarkt, 1987; Fenske, M., Marktkultur in der frühen Neuzeit, 2005; Messen,
Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen,
das den Handel mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus
Wettbewerbsgründen bedarf es besonderer Kontrolle.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Marktfriede ist
der von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit für Verkäufer und
Käufer zugesicherte →Friede.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktkauf ist
der auf dem jedermann zugänglichen →Markt getätigte →Kauf. Wegen
der besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich seit dem Mittelalter der
Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf
des Eigentümers dadurch reinigen, dass er schwört, die Sache auf dem Markt
gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache auch nur gegen die Erstattung des
ganzen oder halben Kaufpreises an den Berechtigten herausgeben. Dieses
Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des römischrechtlichen Herausgabeanspruches
(lat. →rei vindicatio [F.]) an Bedeutung.
Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG
125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in
den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere
und cavere beim Marktkauf, 1997
Marktkreuz ist
das seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktprivileg →Markt
Marktrecht →Markt
Marktregal →Markt,
Regal
Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich
relevanten Entscheidungen über Produktion, Investition, Distribution und
Konsum dezentralistisch sind und den einzelnen Wirtschaftssubjekten überlassen
werden. In der älteren Zeit geht der M. die Hauswirtschaft voraus. In den
größeren Orten des Altertums ist die M. bereits bedeutsam. In der Neuzeit wird
ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des 20. Jh.s stellt der M. die
Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer Form wieder vor.
Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland
- Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die
Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, 2002;
Soziale Marktwirtschaft in der europäischen Union, hg. v. Schallenberg, P. u.
a., 2012
Markwald →Mark
Marokko
Lit.: Dakkak, Abdellatif, Der Kaufvertrag im marokkanischen und im deutschen Recht, 2011
Marschall ist
der Träger des im Frühmittelalter für das Verkehrswesen zuständigen Hofamts
(lat. comes [M.] stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere
Feldmarschall Oberbefehlshaber der landesherrlichen Streitkraft. Sein
Amtszeichen ist ein Stab. →marescalcus
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler,
WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der Kaiser als
Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Marshall-Plan ist der am 5. 6. 1947 von George C. Marshall als Außenminister der
Vereinigten Staaten von Amerika verkündete Plan für den Wiederaufabu Europas,
nach dem 16 europäische Staaten am 16. 4. 1948 die Organization for Euroopean
Cooperation (OEEC) gründen, die 1960 in die Organization for Economic
Cooperation and Development (OECD) umgewandelt wird.
Lit.:
Bischof, G., Der Marshall-Plan, 1997
Marsilius von Padua
(Padua um 1290?-München 1342/1343), Sohn des Universitätsnotars Bonmatteo dei
Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der
Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) →Defensor
(M.) pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aristoteles für einen
mit weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer
rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser
wird auch der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen
nicht den Papst, sondern das →Konzil (Konziliarismus) ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die
Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova,
1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der
„Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von
Padua, 1992; The World of Marsilius of Padua, hg. v. Moreno-Riaño, 2006; Lee,
H., Political Representation in the Later Middle Ages, 2008
Mars Thingsus
(M.) germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler,
O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71
Martens,
Georg Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756-Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird
nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, →Völkerrecht
und →Handelsrecht. 1808 wird er Verwaltungsjurist im Königreich Westphalen,
1815 in Hannover. 1785 verfasst er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium
Europaearum practici (Grundlinien eines praktischen europäischen
Völkerrechts), deren Gliederung sich von herkömmlichen Vorgaben zu befreien
versucht. Seit 1797 sammelt er die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge.
Gleichzeitig legt er einen Grundriss des →Handelsrechts vor, das sich
damit von Handlungswissenschaft einerseits und deutschem Privatrecht
andererseits löst.
Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur.
Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277;
Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft im 18.
Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464
Martin von Tours
(Sabaria 336?-Candes 8. 11. 397), nach dem Mars benannter Sohn eines römischen
Militärtribuns, gründet nach der frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster
Ligugé und wird 371 Bischof von Tours. Er ist der erste Heilige der römischen
Kirche mit öffentlicher Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am
11. 11.).
Lit.: Nigg, W./Loose, H., Martin von Tours, 1977; Thull,
M., Martin von Tours, 1985
Martini (zu
Wasserburg), Karl Anton (1779) Freiherr (Revo/Südtrol 15. 8. 1726-Wien 7. 8.
1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien
1753 Professor in Wien für →Naturrecht (erster Lehrstuhl Österreichs für
Naturrecht), Institutionen und römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er
(lat.) De lege naturali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird
er mit Vorarbeiten an einem Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die
akademische Lehre auf und wird Staatsrat, 1792 zweiter Präsident der obersten
Justizstelle. Sein 1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuchs in
drei Teilen (Entwurf M.) tritt 1797 nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten
polnischen Teilung als →Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.
Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996; Karl Anton
von Martini, hg. v. Barta, H. u. a., 2007; Lässer, G., Martinis
Rechtsphilosophie, 2008
Martinus Gosia
(Bologna um 1100-1158/1166) ist einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem
Reichstag von →Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit
(lat. [F.] aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu
Digesten, Codex und Institutionen und Schriften wie Materia institutionum,
Interesse quandoque, De computatione graduum, De iure dotium und De adquirenda
et retinenda possessione.
Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum
veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997, 170
Marx, Karl
(Trier 5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn eines zwischen 1819 und 1821 vom
Judentum zum Protestantismus übergetretenen Rechtsanwalts, 1824 vom wenig
gelebten Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Studium von
Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans) Redakteur mit
anfangs durchaus wechselnden, der Steigerung des eigenen Ansehens dienenden
Sichtweisen. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach
London. Im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit
Friedrich Engels 1848 das →Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur
Kritik der politischen Ökonomie“ und 1867 „Das Kapital“, mit denen er den →Marxismus
begründet.
Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen
des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die
Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die
Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die
Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht,
1974; Magnis, F. v., Normative Voraussetzungen im Denken des jungen Marx,
1975; Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu
den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983;
Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und
Heinrich Marx, 1993; Ternes, B., Karl Marx, 2008; Mäder, D., Fortschritt bei
Marx, 2010; Sperber, J., Karl Marx - Sein Leben und sein Werk, 2013
Marxismus ist
die von Karl →Marx (1818-1883) begründete Gesellschaftslehre. Der M.
ist historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin
zu beurteilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden,
und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen.
Grundlegend für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie
(u. a. mit welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt
bewirken. Die Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für
einen geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung
entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am
jeweiligen Zustand der Produktionsverhältnisse und der zu ihrer Sicherung
geschaffenen Rechtssätze fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner
Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch
der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten
Gesetzen vollziehenden Geschichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des
Überbaus ist im Kapitalismus proletarierfeindlich, aber in der vom Sozialismus
unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen
Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, ebenso überflüssig
wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu
verwirklichen (1917 Sowjetunion, Deutsche Demokratische Republik 1949, Albanien,
Kuba, Nordkorea u. a.), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s (1990) nicht
als erfolgreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG
178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis,
E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die
Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und
Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W.,
Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der
marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E.,
Marxismus und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der
Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug,
W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Ploenus, M., so wichtig wie das tägliche Brot. Das
Jenaer Institut, 2007
Märzverfassung ist in →Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über
die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3.
1849 aufoktroyierte Verfassung, die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn
und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Scheinkonstitutionalismus
dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden →Reichstag
gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die
gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird
nach den sie bereits verletzenden Erlässen des Kaisers vom 20. 8. 1851
(Augusterlässe) unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (→Silvesterpatent)
(mit dem Grundrechtspatent) als unangemessen und unausführbar aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W.,
Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 10. A. 2005
Mascov,
Johann Jacob (Danzig 26. 11. 1689-Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister
Kaufmannssohn, wird nach dem Studium der freien Künste und des Rechtes in Leipzig
und Halle 1719 außerordentlicher Professor in Leipzig. Daneben übt er
zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die häufig
aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.) iuris
publici imperii Romano-Germanici (Grundsätze des öffentlichen Rechtes des
römisch-deutschen Reiches).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
307
Maß ist die
Messeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im Altertum. Ausgangspunkt
ist das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle,
Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und mehr vom
künstlich-wissenschaftlichen, international vereinbarten M. (z. B. Liter, Meter,
Gramm) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar festgelegt und
gegen Missbrauch geschützt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994;
Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und
Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986
Maßnahme der Sicherung und Besserung ist die auf die strafrechtlichen Reformvorschläge Franz
von →Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende Maßnahme, statt zu
strafen zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten Reich) durch das
Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht. Danach kann der
Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und Pflegeanstalt, in
einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der Sicherungsverwahrung
oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung oder die
Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung
vorangestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L.,
Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G.,
Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Elling-Ruhwinkel,
E., Sichern und Strafen, 20 05
Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige
Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh. problematisch.
Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963
Materialismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte Weltgeschehen
vom Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären
versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der historische M. (→Marxismus).
Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f.
1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das
Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer
Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998
materiell (Adj.) gegenständlich, sachlich, inhaltlich, tatsächlich (im Gegensatz zu formell)
Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende Recht (z. B.
Privatrecht, Strafrecht) im Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht).
Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von
materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Kollmann, A., Begriffs-
und Problemgeschichte, 1996
Mater semper certa est, pater quem nuptiae
demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer
gewiss, Vater ist, wen die Ehe ausweist.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5)
Mathildische Güter
sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa (1046-24. 7. 1117,
bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene
Urkunden nachweisbar sind,) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara,
Brescia, Verona u. s. w., die
bedeutender sind als alle anderen Güter einer hochadligen Familie in
Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080 gibt die Markgräfin ihre Güter an
den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111 sichert sie Heinrich V. die
Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und Kirche in der Folge umstritten,
gelangen die mathildischen Güter im 12./13. Jh. unter die Herrschaft vieler
Stadtkommunen.
Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895;
Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar
III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang
nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von
Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998
Matriarchat ist
das vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum
Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie
wird aber von Johann Jakob →Bachofen (1815-87) angenommen (Über das
Weiberrecht, 1856). →Mutterrecht
Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980;
Göttner-Abendroth, H., Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff., 4. A. 2010
Matrikel ist
das bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis von Umständen, das die
Kirche fortführt (→Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den
Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den
Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit
dem Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten
für die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422
die →Reichsmatrikel entwickelt.
Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens,
1910; Falckenheiner, W., Univeritätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen
und Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H.,
Geschichte der Matrikel, 1959
Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des
Heiligen römischen Reiches festgelegte
Beitrag des einzelnen Reichsstands zum Finanzwesen des Reiches. Auch im
zweiten Deutschen Reich bilden die Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige
Grundlage für die Reichsfinanzverfassung. Dabei ist das Reich Kostgänger der
Länder.
Lit.: Köbler, DRG 150, 196
Matrimonial Causes Act
(1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung verstreuter
gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Matrimonium (lat.
[N.]) ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit
rechtlichen Wirkungen angesehene →Ehe (unter Römern).
Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW
matrimonium (lat. [N.] clandestinum (heimliche Eheschließung durch bloßen Konsens der Beteiligten, seit dem
Decretum tametsi 1563 das matrimonium an das zwingende Formerfordernis der
Anwesenheit eines Pfarrers und zweier Zeugen geknüpft)
Matthaeus (II.),
Antonius (Herborn 1601-Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem
Studium des Rechtes in Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und
Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die
Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das
zeitgenössische Recht. In einer systematischen Einleitung legt er allgemeine
Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz u. s. w.) dar.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn,
1929; Zestig Juristen, 1987, 166
Maunz,
Theodor (Dachau 1. 9. 1901-Gräfelfing 10. 9. 1993) wird nach dem Rechtsstudium
in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1952 in
München (1943-1945 Wehrdienst, 1948 Mitglied des Herrenchiemseer Verfassungskonvents,
1957-1964 Kultusminister in Bayern). Wechselnden politischen Bedingungen
geschmeidig angepasst verfasst er nach 1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des
Staatsrechts und begründet einen wichtigen Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M.,
Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393
Maure (Mohr) ist in
der Antike (lat. Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Mauretaniens), im
Mittelalter der von dort hauptsächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner
(Araber).
Lit.: Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005
Maurer,
Georg Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790-München 9. 5. 1872) wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832
Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrats Königs
Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des
bayerischen Justizministeriums und Außenministeriums. Er veröffentlicht
umfangreiche Darstellungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in
Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960
Maurer, Konrad
von (Frankenthal 29. 4. 1823-München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers
Georg Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des Rechtes und der Geschichte
in München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen) 1847 außerordentlicher
Professor, 1855 ordentlicher Professor in München. Er veröffentlicht
zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsgeschichte.
Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V;
Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss.
München, 1903
Maut ist im
südostdeutschen Sprachgebiet der →Zoll.
Mautern
Lit.: Demelius, H., Aus dem
Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432 bis 1550), 1972 (SB Wien)
Maximilian I.
(Wiener Neustadt 22. 3. 1459-Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche
König („letzter Ritter“) des Heiligen römischen Reiches (1486 König, 1490 Graf
von Tirol. 1493 Landesherr in allen österreichischen Erbländern, 1508 erwählter
römischer Kaiser). Er fasst, ohne Fürsorge für die Interessen des Reiches,
seine habsburgischen Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um →Burgund
(1477) und bereitet (1515) den Erwerb →Ungarn-Böhmens (1526) und →Spaniens
vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und
Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft (1495) →Reichskammergericht,
→Reichskreise, →gemeiner Pfennig und ewiger Landfriede.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die
Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I. Weißkunig,
hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970;
Ausstellung Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969;
Wiesflecker, H., Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H.,
Maximilian I., 1991; Hollegger, M., Maximilian I., 2005; Rapp. F., Maximilien d’Autriche,
2007; Maximilian I. 1459-1519, hg. v. Noflatscher, H. u. a., 2011
Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgundischem
Vorbild durchgeführte Verwaltungsreform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian
in →Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und
Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung
der Einkünfte eine besondere →Raitkammer (in Innsbruck). Beides findet
wenig später auch in Niederösterreich Eingang.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die
Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die Verwaltungsorganisationen
Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M., Maximilian I. und die
Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983
Mayer, Otto
(Fürth 29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924), Abgeordnetensohn, wird nach dem
Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872 Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882
außerordentlicher Professor und 1887 ordentlicher Professor für französisches
Zivilrecht, internationales Privatrecht, allgemeine Staatslehre und
Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903 Professor in Leipzig. In seinem unter
Übertragung der juristischen Methode (→Gerber, →Laband) aus dem
Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches Verwaltungsrecht (1895/1896) bildet
er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten systematisch gegliedertes →Verwaltungsrecht
(vor allem der Eingriffsverwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des
Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung geschaffenen allgemeinen
Teiles des Verwaltungsrechts steht der (dem französischen Verwaltungsrecht
nachgeformte) →Verwaltungsakt.
Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in
Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die
Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des
liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto
Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers,
1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
Mazedonien →Makedonien
Mecheln,
Mechelen erscheint im 9. Jh. (Malinas 870) und gelangt über das Hochstift
Lüttich, Flandern (1357), Burgund (1369) an Habsburg (1477) und von dort über
die Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird die erste moderne Postverbindung
von Innsbruck nach M. eingerichtet.
Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; De
Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991
Mecklenburg ist
ein nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes,
dünn besiedeltes, 1701 in Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz
geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder zusammengefasstes Land, das 1945 mit
Vorpommern verbunden wird und herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang
bewahrt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler,
Historisches Lexikon; Köbler, DRG 176; Neue Sammlung mecklenburgischer
Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769; Mecklenburger Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.;
Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buchka, G. v.,
Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R., Amt Schwerin, 1912; Bredt, J., Die
mecklenburgische Ständeverfassung und das Reichsrecht, 1914, Neudruck 2013; Krause,
H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die
Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins, 1930; Mecklenburgische Bauernlisten des
15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d. Urkundenbuchkommission, Heft 1f. 1937f.;
Hamann, M., Das staatliche Werden Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf
eines mecklenburgischen Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H.,
Andreas Gottlieb von Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf
1680-1720, 1962; Die mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F.,
1968; Hamann, M., Mecklenburgische Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen
Verwaltungsgeschichte 1815-1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der
südliche Ostseeraum, 1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen
Liberalismus, 1980; Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in
Mecklenburg, ZRG GA 98 (1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104
(1987), 190; 1000 Jahre Mecklenburg, 1995; Brunner, D., Der Schein der
Souveränität, 2006; Die früh- und hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im
nördlichen Mecklenburg im Lichte der Ortsnamen, hg. v. Foster, E. u. a., 2007
Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungsgeschichte,
verantw. v. Kuhn, H., 2007; Buddrus, M.
u. a., Landesregierung und Minister in Mecklenburg 1871-1952, 2012
Mecklenburg-Vorpommern ist seit 3. 10. 1990 ein
Bundesland der Bundesrepublik Deutschland, das in der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik aus Mecklenburg und dem westlich der Oder gelegenen
Teil Pommerns gebildet wurde.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kurzer Abriss der mecklenburgischen und
vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007;
Schwießelmann, C., Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in
Mecklenburg und Vorpommern, 2010; Busch, M.,
Machtstreben, Standesbewusstsein Streitlust, 2012
mediani (lat.
[M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des
Frühmittelalters)
Mediatisierung ist die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder
(z. B. Reichsstädte, Reichsritter) insbesondere durch den →Reichsdeputationshauptschluss
vom 25. 2. 1803 und Art. 24 der Rheinbundakte vom 12. 7. 1806 (nahezu 70 bisher
souveräne Landesherrschaften). Die dabei mittelbar gemachten (d. h. der
Herrschaft eines anderen Landesherrn wie etwa Badens, Bayerns oder Württembergs
eingegliederten) ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19.
Jh.s gewisse Vorrechte (z. B. →Patrimonialgerichtsbarkeit, →Familienfideikommiss).
Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die
Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung, FS
H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978;
Achtzehnhundertunddrei, hg. v. Schmid, P. u. a., 2003; Gläser, S., Die
Mediatisierung der Grafschaft Wertheim, 2006
Mediävistik (F.)
Mittelalterkunde
Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur
Einführung - Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im
21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003; Weichselbaumer, R., Mittelalter
virtuell – Medävistik im Internet, 2005; Die deutschsprachige Mediävistik im
20. Jahrhundert, hg. v. Moraw, P. u. a., 2005; Mittelalter im Labor, hg. v.
Borgolte, M. u. a., 2008
Medici ist
die seit dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier Generationen
aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und Großherzögen von
Toskana (1569) erhobene Geldwechslerfamilie in Florenz, die 1737 erlischt.
Lit.: Rubinstein, N., The Government of Florence under the
Medici, 1966; Clarke, P., The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The
Medici in Florence, 1992; Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993;
Reinhardt, V., Die Medici, 1998; Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici,
2003; I Medici in rete, hg. v. Cotta, I. u. a., 2003; Martines, L., Die Verschwörung,
2004; Reinhardt, V., Geld und Freunde, 2009; Schwarz, J., Die Medici, 2010;
Tewes, G., Kampf um Florenz - Die Medici im Exil, 2011
Medingen
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer,
J., 2006
Medium (N.)
Mittel, insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk,
Fernsehen
Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1 1997;
Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis Zeitung,
hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der Mediengeschichte,
2000; The Mediation of Symbols in Late Medieval and Early Modern Times, hg. v.
Suntrup, R., 2005; Wenzel, H., Mediengeschichte vor und nach Gutenberg, 2007;
Zimmermann, C., Medien im Nationalsozialismus, 2007; Ross, C., Media and the
Making of Modern Germany, 2008; Würgler, A., Medien in der frühen Neuzeit, 2009,
2. A. 2013; Medien im Nationalsozialismus, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 2010; Massenmedien
im Europa des 20. Jahrhunderts, hg. v. Daniel, U. u. a., 2010; Kontrolle und
Nutzung - Medien in geistlichen Gebieten Europas 1680-1800, hg. v. Pelizaeus,
L. u. a., 2011; Faulstich, W., Die Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts, 2012
Medizin (Heilkunst)
→gerichtliche Medizin
Lit.: Schmidt,
A., Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno Schmidt, 1896;
Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges,
1983; Die Geschichte des medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996;
Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit,
2000; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in
der Antike, 2002; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003;
Steger, F., Asklepiosmedizin, 2004; Bergdolt, K., Das Gewissen der Medizin,
2004; Nutton, V., Ancient Medicine, 2004; Antike Medizin, hg. v. Leven, K.,
2005; Rzihacek-Bedö, A., Medizinische Wissenschaftspflege im Benediktinerkloster
Admont bis 1500, 2005; Medicina e società nel mondo antico, hg. v. Marcone, A.,
2006; Eckart, W. u. a., Medizingeschichte, 2007, 2. A. 2014; Huber, H., Geschichte
der medizinischen Fakultät Innsbruck, 2010; Ernst, W., Beschwörungen und Segen,
2011; Eckart, W., Medizin in der NS-Diktatur, 2012; Eckart, W., Medizin und
Krieg - Deutschlasnd 1914-1924, 2014
medum (Ackerland,
Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier
zwischen 900 und 1300])
Lit.: Kienast, R., medum-land, (in) Antiquitates
Germanicae, 1974, 57
Meer ist
allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der Erdoberfläche. Das M.
ist grundsätzlich frei (lat. mare [N.]
liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.)
communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter
bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der
Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des
Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen
(3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das →Völkerrecht.
Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum, 1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der
Meere in der Staatenpraxis von 1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte,
1994, 2. A. 2007; Kempe, M., Fluch der Weltmeere, 2010
Meersburg
Lit.: Widemann, B., Die Verfassung
und Verwaltung der Stadt Meersburg, 1958
Megelle (Buch
der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in
Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des osmanischen Reichs auf der Grundlage des
islamischen Rechtes (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien
bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf
Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der
Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895).
Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, (in)
Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170
Megenberg,
Konrad von (1309-Regensburg 14.? 4. 1374), Ministerialensohn (Mäbenberg?/Mittelfranken),
wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris
Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift
(lat.) De translatione imperii Romani (Von der Übertragung des römischen
Reichs), in der er die Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des
deutschen Königs billigen müsse.
Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von
Megenberg, 1938; Konrad von Megenberg und sein Werk, hg. v. Märtl, C., 2006; Konrad
von Megenberg. Regensburger Domherr, Dompfarrer und Gelehrter (1309-1374).
Ausstellung, 2009; Konrad von Megenberg, Lacrima ecclesie, hg. v. Colberg, K.,
2010
Mehrer des
Reiches (Lüs. von lat. [M.] Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des
Heiligen römischen Reiches .
Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster 1957;
Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174
Mehrheit (Majorität)
ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der
Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen
Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den Versammlungen in den
Stadtstaaten Griechenlands und in Rom anerkannt. Die christliche Kirche
übernimmt die auch in den →Digesten Justinians vertretene Vorstellung (D.
50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit
an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M. in der Form der größeren Qualität vor
(lat. sanior pars [F.]). Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im
deutschen, zunächst der Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der
M. bei der Königswahl seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338
durch. Im Reichstag gilt dies nur von Fall zu Fall.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das
Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der
Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg,
J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher Entscheidungen
im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip, Konsens und
Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986; Glomb, A., Sententia
plurimorum, 2008; Flaig, E., Die Mehrheitsentscheidung, 2012; Genesis und
Dynamiken der Mehrheitsentscheidung, hg. v. Flaig, E., 2013
Mehrheitswahlrecht ist das Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines
Wahlkreises) entscheidet und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen
personell nicht berücksichtigt werden (z. B. England plurality voting system).
Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip,
1973
Mehrverkehr (M.) Geschlechtsverkehr einer Frau mit mindestens zwei Männern (Beweis
des Mehrverkehrs dinet der Widerlegung der Vaterschaftsvermutung)
Meier (zu
lat. maior [M.] der Größere) ist in der frühmittelalterlichen →Grundherrschaft
der Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]).
Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit.
Daraufhin vergibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die
Grundherrschaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins
(Meierrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die
Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Simon,
T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995
Meiergericht ist
das Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des →Meiers. Das M.
begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn
zurückgedrängt und endet im 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile, hg.
v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970
Meierhof →Meier,
Hof
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Meierordnung ist
das partikulare Gesetz des 18. Jh.s über das →Meierrecht (z. B. Paderborn
1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff., Osnabrückische Eigentumsordnung
1722).
Meierrecht ist
ein gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches Besitzrecht in Nordwestdeutschland
(Niedersachsen, Westfalen). Es ist ein (tatsächlich erbliches,) dingliches
Recht zur Bewirtschaftung eines fremden Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und
zwar eine Form der Pacht. →Abmeiern
Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.;
Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in
der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960;
Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969
Meiji-Verfassung (1889) →Japan
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Meineid ist
das vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur
Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten
Sonderfällen (z. B. lat. →falsum [N.],
stellionatus [M.] oder →crimen [N.]
laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen
eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem
falschen Schwören überwiegend eine →Buße oder das →Wergeld. Die
(lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In
Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel
(1221-1224). Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor
Gericht den Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18.
Jh.s werden christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der
Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen vorsätzlichen
Falscheid ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902,
Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid,
Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D.
Medicus, 1999, 457
Meinhardiner ist der Angehörige der nach ihrem Leitnamen Meinhard bezeichneten Familie
der Grafen von Görz (1077-1500), die zeitweilig auch in Tirol (bis 1363),
Kärnten (1286-1335), Krain und Böhmen (1307-1310) herrscht und bei ihrem
Aussterben (1363/1374/1500) ihre Güter an die Familie der Habsburger vererbt.
Meinung (Ansicht)
→herrschende Meinung
Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von der Aufklärung
des 18. Jh.s (→Kant) gefordert und im 19. Jh. als →Grundrecht
durchgesetzt.
Lit.: Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und
Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts
(in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995,
121; Meinungsfreiheit, hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986
Meißen
Lit.: Urkunden der Markgrafen von
Meißen und Landgrafen von Thüringen 1196-1234, 1898ff.;Schieckel, H.,
Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956;
Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960; Ludwig, T., Die Urkunden der Bischöfe von
Meißen, 2005
Meißener Rechtsbuch
ist das zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?)
für Städte sächsischen und Magdeburger Rechtes in der Markgrafschaft Meißen
(mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen,
Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffene, in 76 vollständigen und 21
teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte Rechtsbuch (eyn buch dez
rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der Literatur auch als
Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder vermehrter
Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und Distinktionen.
Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht, Stadtverfassung,
Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind →Sachsenspiegel Landrecht,
Magdeburger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht und Zwickauer Rechtsbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das
Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des Rechtsbuchs
nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44 (1924), 316;
Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen und Mähren,
ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener Rechtsbuchs,
Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 55; Das Meißner Rechtsbuch, hg. v. Spacil, V. u. a.,
2010
Meister (zu
lat. [M.] magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im
besonderen der die Meisterprüfung in einem →Handwerk bestehende Geselle.
Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985
Mejora (F.) ist der im Frühmittelalter
ausgebildete, zugunsten der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbare Vermögensteil
des spanischen Rechtes.
Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962
Melanchthon (Schwarzerd),
Philipp (Bretten 16. 2. 1497-Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für
Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen
Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittelalters
und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Verwirklichung
natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die →lotharische
Legende belegt.
Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und
Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre,
1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex
und ordo, 2005; Kuropka, N., Melanchthon, 2010
Melderecht ist
die Gesamtheit der die Meldung bzw. Anmeldung und Abmeldung eines Menschen an
einem Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B.
Preußen 1842).
Melfi in
Süditalien ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in dem 1231 Kaiser Friedrich
II. die →Konstitutionen von M. verkündet.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie,
1975
melior (lat.
[M.]) der Bessere
Meliorat (N.)
aus den (lat.) meliores (M.Pl., Besseren) gebildete Bevölkerungsgruppe
Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen
Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141
Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738-1798) wird nach dem Rechtsstudium
in Coimbra (1757) Lehrer des Rechtes (seit 1772 des vaterländischen Rechtes [portug.]
direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechtes (lat.
Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen
bürgerlichen Rechtes, 1788, Institutiones [F.Pl.]
iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des
portugiesischen öffentlichen und privaten Rechtes, 1789, Institutiones iuris
criminalis lusitani, Einrichtungen des portugiesischen Strafrechts, 1789).
1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen
portugiesischen Rechtsausbildung.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,1,713, 3,2,2466
Memmingen
Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967
Memoria (lat. [F.]) Erinnerung, Gedächtnis
Lit.: Iwanami, A., Memoria et
oblivio, 2004; Memoria, hg. v. Borgolte, M. u. a., 2005
Menger (von
Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841-Rom 6. 2. 1906) wird nach dem
Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat und 1875
außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für Zivilprozesrecht
in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf des deutschen →Bürgerlichen
Gesetzbuchs (Das bürgeriche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/1890).
Eine gewisse tatsächliche Wirkung des bedeutenden Kathedersozialisten
(Juristensozialisten) erfolgt über Franz →Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926)
auf das österreichische Zivilprozessrecht.
Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974;
Müller, E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner, H.,
Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895,
1990, 11
Menhir (M.)
Dolmen, vorgeschichtliche Steinsäule
Menocchio,
Jacopo (1532-1607), Steuerpächterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Pavia
(Alciat) Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia
(1589). Er verfasst zahlreiche privatrechtliche Traktate.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1
1977, 326
Mensch ist das durch Verstand ausgezeichnete
Lebewesen. Der moderne M. entsteht wohl in Ostafrika möglicherweise vor 100000
Jahren und wandert vielleicht vor 40000 Jahren nach Südafrika und Asien sowie
Europa, wo er anscheinend vor 12000 Jahren im fruchtbaren Halbmond
(Zweistromland, Anatolien) erste Hochkulturen entwickelt. Durch zahlreiche
Entdeckungen und Erfindungen schwingt er sich zum Herrscher über die Erde auf
und setzt für das zwischenmenschliche Verhalten das Recht durch.
Lit.: Silies, E., Liebe, Lust und
Last. Die Pille, 2011
Menschenraub ist
die Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen durch List, Drohung oder
Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis
(fabisches Gesetz über Straßenräuber, nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.]
plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die frühmittelalterlichen
→Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an einem Freien vor. Der →Sachsenspiegel
(1221-1224) setzt den M. dem Totschlag gleich. Das deutsche
Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht
unter einem Jahr an.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263; Menschenraub,
Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, hg. v.
Heinen, H., 2008
Menschenrecht ist das dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat) zustehende
angeborene, unveräußerliche, unantastbare Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem
Zugriff des Staates entzogener →Grundrechte sehen nach dem Altertum
(Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker
(Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden
fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason (1725-1792)
entworfene →Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden
in Frankreich (26. 8. 1789) allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit,
Weltbürgertum) proklamiert. Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine
(noch) nicht verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der
Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine
nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene
Europäische Konvention der Menschenrechte beschlossen. Menschenrechte als
verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte jedes Menschen setzen den
Bestand einer Verfassung in formellem Sinn voraus.
Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau,
G./Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Lauterpacht,
H., International Law and Human Rights, 2950; Zur Geschichte der Erklärung der
Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die Menschenrechte, hg. v.
Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M., Rechtsphilosophie und rechtsgeschichtliche
Etappen der Idee der Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G.,
Geschichte der Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Menschenrechte, hg.
v. Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz,
JuS 1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U. u. a., 1988;
Hofmann, H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten,
Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International Human Rights, hg. v.
Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996; Schmale, W.,
Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die Menschenrechte in
Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die Menschenrechte, hg. v.
Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Berka, W., Die Grundrechte, 1999; Müller, S., Gibt
es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human rights and legal history,
hg. v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts
bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In Deutschland
zwischen 1933–1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der
Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Ludescher, M.,
Menschenrechte und indigene Völker, 2004; Girardet, K./Nortmann, U.,
Menschenrechte und europäische Identität, 2005; Meyer-Ladewig, J., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 2006; Bloch, T., Die Stellungnahmen der
römisch-katholischen Amtskirche zur Frage der Menschenrechte seit 1215, 2008; Wolgast,
E., Geschichte der Menschen- und Bürgerrechte, 2009; Moralpolitik - Geschichte
der Menschenrechte im 20. Jahrhundert, hg. v. Hoffmann, S., 2010; Snyder, S.,
Human Rights Activism nd the End of the Cold War, 2011; Davidson, A., The
Immutable Laws of Mankind, 2012; Martinez, J., The Slave Trade and the Origins
of International Human Rights Law, 2012; Vom Recht auf Menschenwürde, hg. v.
Leutheusser-Schnarrenberger, S., 2013
Menschenrechtler ist, wer sich für die Menschenrechte anderer uneigennützig
einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die Menschenrechte nur als Mittel oder
Vorwand für die Verfolgung eigennütziger Ziele (z. B. Bekämpfung der
geschiedenen Ehefrau auf dem Weg über das Kind) verwendet. Beides ist seit
Anerkennung der Menschenrechte möglich.
Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem
Menschen um seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche Behandlung
eines Menschen aus. Sie wird vielleicht im Humanismus der italienischen
Renaissance entdeckt und erfunden und seit dem 18. Jh. als Wert gefordert. →Menschenrecht
Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988;
Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei
Homer, 2000; Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der
italienischen Renaissance, hg. v. Gröschner, R. u. a., 2008
Mentalität (F.)
Geisteshaltung
Lit.: Mentalitäten im Mittelalter,
hg. v. Graus, F., 1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher,
P., 1993; Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261
(1995), 672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998
Mentalreservation (lat. reservatio [F.]
mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie
wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht
von dort in das weltliche Recht über.
Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und
Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119
Meran
Lit.:
Zeindl, G., Meran im Mittelalter, 2009
mercatum (lat.
[ N.]) Markt
Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW
merces (lat.
[F.]) Entgelt
Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46
mercennarius (lat.
[M.]) Lohnarbeiter
Lit.: Köbler, DRG 57
Merkantilismus (Mirabeau 1763) ist das auf dem Zufluss von Edelmetallen aus dem neu
entdeckten Amerika aufbauende wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s,
in dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik
treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um
seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen
Handelsbilanzüberschuss an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren
mit hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren
Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung
stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend wird Frankreich
unter dem Finanzminister (1661-1672) Jean-Baptiste Colbert (1619-1683), im
Heiligen römischen Reich Preußen. Der M. wird am Ende des 18. Jh.s vom →Liberalismus
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert,
L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog,
I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und
Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v.
Press, V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994;
Gömmel, R., Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus,
1998; Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II, 1998; Merkantilismus und
Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000; Monti, A., Der Preis des
„weißen Goldes“, 2011
Merkel,
Paul Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819-Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in München und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in
Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte
heraus.
Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG
3 (1864), 193
Merowinger ist
der Angehörige eines von einem sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem
Stammvater Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsgeschlechts. Merowechs
Enkel Chlodwig eint seit 482 die →Franken. Die Nachfahren teilen vielfach
auf. 751 wird der merowingische König Childerich III. vom arnulfingischen →Hausmeier
Pippin mit Einverständnis des Papstes entmachtet (→Karolinger).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum Francorum
e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981; Sprandel, R., Der
merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren abgesetzter
Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und Grundherrschaft
im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG
GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsordnung, Diss.
jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier, G., Les Merovingiens,
1966; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Eckhardt, K.,
Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg.
v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Diplomata
regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der
Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4.
A. 2001, 5. A. 2006; Kaiser, R., Das römische Erbe und das Merowingerreich,
1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit,
ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian Kingdoms, 1994; Karl Martell, hg.
v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S., Römische Rechtstradition und
merowingisches Königtum, 1997; Brühl, C., Merowingische Königsurkunden,
1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Scheibelreiter, G., Die
barbarische Gesellschaft, 1999; Fouracre, P., The Age of Charles Martel, 2000;
Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001; Geary, P., Die
Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins Mittelalter, 2003; Becher, M.,
Merowinger und Karolinger, 2008; Fehr, H., Germanen und Romanen im
Merowingerreich, 2010; Becher, M., Chlodwig I., 2011
Mesopotamien (Zwischenflussland, Zweistromland) ist das zum
fruchtbaren Halbmond gezählte Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in dem im 3.
Jt. v. Chr. die Keilschrift erfunden wird. Seine wichtigsten Herrschaften
bestehen um Sumer (Sumerer), Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter), Assur
(Assyrer), Urartu und Babylon (Babylonier). Über die Perser und Alexander den Großen
gelangt das Gebiet an die Römer, verödet danach aber und wird erst im 20.
Jahrhundert wegen seines Ölreichtums wieder bedeutsam.
Lit.:
Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigirs, 1997; Edzard, D.,
Geschichte Mesopotamiens, 2004; Korn, W., Mesopotamien, 2004
Messe ist
der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, Saint
Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt.
Im Spätmittelalter entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B.
Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt am Main, Leipzig).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 98; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés
et des foires, 1897; Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger
Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue
Beiträge zur Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der
Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann,
M., Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Messen, Jahrmärkte und
Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007
Messina in
Nordostsizilien ist die auf eine vorgriechische Siedlung zurückgehende, nach
490 von Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umbenannte Stadt. Über Römer,
Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548
erhält es eine Universität. 1908 wird es durch Erdbeben zu 90% zerstört.
Lit.: Capitoli e privilegi di Messina, hg. v. Giardina, C.,
1937; Pispisa, E., Messina, 1980
meta
Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des
langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262
Methode ist
das planmäßige Verfahren zur Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der →Rechtswissenschaft
besteht im Auslegen von Texten (z. B. Bestimmungen) und Erklärungen (z. B.
Anträgen) und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten zu Tatbeständen (von
Rechtssätzen). Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender Maßstäbe der mittelalterlichen
Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in authentische Interpretation der
Gesetzgebung, usuale Interpretation der Rechtsprechung und doktrinale
Interpretation der Rechtslehre, wobei der Wertbezug des geltenden Rechtes noch
nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird das Gesetz zur beherrschenden
Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung zunehmend wissenschaftlicher
Vorgangsweisen, wobei im späteren 17. und im 18. Jh. Naturrecht als auf die
Funktion rechtspolitischer Postulate beschränktes Recht und positives Recht
als Ergebnis eines normsetzenden Willens voneiunander geschieden werden. Die
doktrinale Auslegung wird in deklaratorische, extensive und restriktive
Interpretation unterteilt. →Thomasius und →Buchner unterscheiden
zwischen grammatischer Interpretation und logischer Interpretation, →Savigny
und →Thibaut zwischen philologischer, historischer, systematischer und
teleologischer Auslegung, mit deren Hilfe das Recht als autonome sittliche
Ordnung begriffen werden soll. Die →Rechtsgeschichte will als
geschichtliche Wissenschaft vergangene rechtliche Umstände ermitteln,
verstehen und erklären.
Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der
historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der
Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der
Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974;
Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing,
H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts,
Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker,
F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H.,
Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode
der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G.,
Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur Methodenfrage
der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert, J., Methoden und
Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272; Raisch, P.,
Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren Methodik, hg. v.
Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v. Schröder, R., 1998;
Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR
21 (1999), 3; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012; Kurt, R.,
Hermeneutik, 2004; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Heine, S., Die
Methodendiskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2004
Methodenlehre →Methode
Metternich,
Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773-Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der
Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte Gesandter 1797 der
westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1806 Botschafter Österreichs
in Frankreich und 1809 Außenminister Österreichs. 1814 fördert er die Schonung
Frankreichs im Interesse des europäischen Gleichgewichts. 1823 wird er
Staatskanzler Österreichs. Im →Deutschen Bund unterdrückt er die
freiheitlichen und nationalen Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen
(Karlsbader Beschlüsse 1819). Am 13. 3. 1848 muss er zurücktreten und
flüchtet, kehrt aber 1851 als Privatmann zurück.
Lit.: Köbler,
DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann
Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich
die Zeit anhalten wollte, 2003; Siemann, W., Metternich, 2010; Müchler, G.,
Napoleon, Metternich und das weltgeschichtliche Duell von Dresden, 2012
Mettlach
Lit.: Raach, T., Kloster
Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974
Metus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter
Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch
gewährt das prätorische Recht eine (lat.) →in integrum restitutio (F.),
mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine
Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen
Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.]
metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in
eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die
(lat.) in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.
Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49
Metz an der
Mosel ist der auf keltisch-römischer Grundlage im 6. Jh. Hauptort eines
fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz) werdende Ort. 870 kommt M. über
Lotharingien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu Frankreich. Im 13. Jh.
entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Reichsstadt aufgestiegene Stadt mit
Bannrollen eine Art →Grundbuch.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann,
K., 1908; Le droit coutumier de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a.,
1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz
und Trier, 1998; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006; Petry, C., Faire des
sujets du roi, 2006
Meum esse (lat.)
ist im altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e.
gestattet die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf
Erbfolge, Aneignung, Manzipation oder (lat.) →in iure cessio (F.) und →Ersitzung
(oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen Recht entsteht
aus dem m. e. das →Eigentum.
Lit.: Köbler,
DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2.
A. 1956
Meurer, Noe
(Memmingen 1525/1528-Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63)
Reichskammergerichtsassessor. 1566 behandelt er in seinen „Practica von der
kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster den Prozess vor dem →Reichskammergericht
systematisch.
Lit.: Hausrath,
H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N. F. 21 (1906), 690
Meuterei ist
die Vereinigung mehrerer Menschen (auf einem Schiff oder in einem Heer) zu
Ungehorsam oder Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der
Todesstrafe bestraft. Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19
Jh. wird sie tatbestandlich schärfer erfasst.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A.
2007
Mevius,
David (Greifswald 6. 12. 1609-14. 8. 1670), Professorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in
Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen Obertribunals in Wismar.
Einen Plan einer Zusammenfassung aller naturrechtlichen Regeln führt er nicht
aus. Sein Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642
kommentiert er das lübische Recht (lat. Commentarius [M.]
in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit
1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und
wissenschaftliche Systematik in ansprechender Weise.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215;
Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius,
ZRG GA 61 (1941), 208; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 423; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967,
218; Holthöfer, E., David Mevius, (in) Biographisches Lexikon für Mecklenburg,
1999, 173; Holthöfer, E., David Mevius, (in) Integration durch Recht, hg. v.
Jörn, N. u. a., 2004, 277; David Mevius (1609-1670), hg. v. Jörn, N., 2007;
Wurch, N., David Mevius und das lübische Recht, 2013
Miete (Wort in allgemeinerer Bedeutung
bereits für das Indogermanische zu erschließen, Mietverhältnis Sachsen 1863,
Mietwohnung 1877, Mietzeit 1526/1721, Mietzins 1554, Mietzinsforderung 1881) ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil
(Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der vermieteten
→Sache (Sachteil, Sachgesamtheit) während der Mietzeit zu gewähren, und
der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu bezahlen. Die M. ist
im klassischen römischen Recht ein Konsensualkontrakt (lat. locatio [F.]
conductio rei, Vermieter locator, Mieter conductor, Pfandrecht des Vermieters
[oder Verpächters], Beendigung durch Kündigung). Sie findet sich danach unter
Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in
der als Folge der Zuwanderung aus dem Umland bald bis zu 40% der Wohnungen zur
M. gegeben werden. Dem Mieter wird im Gefolge der älteren Leiheverhältnisse eine
→Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache beendet die
Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres Mietangebot den
Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh. dringt das römische
Recht vor. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) hat der Mieter ein
dingliches Recht an der Mietsache (I 21), während nach dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) Veräußerung den Mieter vertreibt
(§§ 1090ff.). Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme zusammen mit
der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914
verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter (Mieteinigungsämter
Dezember 1914, Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B. Mieterschutzverordnung
vom 26. 7. 1917, September 1918 staatliche Wohnungszwangswirtschaft). Dieser
Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet (Reichsmietengesetz,
Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter, Wohnungsmangelgesetz 1922/1923,
wenn auch Wohnraumbewirtschaftungsmaßnahmen nach Kriegszeiten wieder
aufgegeben werden (allgemeinere Lockerung ab 1930. In Österreich gilt ein
besonderes Mietrechtsgesetz vom 12. 11. 1981.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II;
Söllner § 9; Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS;
Brünneck, Zur Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M.,
Das deutsche Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der
mittelalterlichen Miete, ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A.,
Mieterschutz und Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der
Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte
des Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann,
H., Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972;
Trenk-Hinterberger, P., Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 35; Wolter,
U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die
Schaffung eines sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG GA
106 (1989), 143; Petersen, J., Die Vorgeschichte und die Entstehung des
Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991;Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete,
1996; Teigelack, L., Die Garantiehaltung des Vermieters, Diss. jur. Gießen,
1996; Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten
Mietpreisrechts, 1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die
Wohnungsmiete, ZEuP 1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999;
Schubert, W., Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB,
Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2002; Schubert, W., Vom preußischen
Mietrecht zum Mietrecht des BGB, (in) Gedächtnisschrift für Jürgen
Sonnenschein, 2003, 11; Quaisser, F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Hornung, K., Die
öffentlich-rechtliche Durchdringung des Wohnraummietrechts, 2011; Rödel, L., Das
Kündigungsrecht des Vermieters, 2011
Mieter (Wort 1335
Sachsenspiegelglosse) ist der den Gebrauch einer Sache gegen Entgelt erhaltende
Mensch.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mieterschutz →Miete
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J.,
Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991; Stampfer,
M., Die Anfänge des Mieterschutzes in Österreich, 1995; Lutz, H., Der Mieterschutz
der Nachkriegszeit, 1998
Mietkauf ist der aus Bestimmungen des Mietrechts und des Kaufrechts zusammengesetzte
gemischte Vertrag, bei dem der Mieter nach einiger Zeit die Mietsache zu einem
geringeren Preis kaufen kann. S. Leasing.
Lit.: Fendel, R., Der Berliner
Möbelleihvertrag. Geschichte und Entwicklung des Mietkaufs vom Beginn des 19.
Jahrhunderts bis zur Gegenwart, 1991
Mietrecht (Wort 1828) →Miete
Lit.: Ruth, R.,
Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines
sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143; Quaisser,
F., Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mietverhältnis ist die →Miete zwischen Vermieter und Mieter.
Lit.: Genius,
K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972
Mietvertrag (Wort 1784/1794, Mietkontrakt 1685) →Miete
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Migration (F.) Wanderung, Bewegung über Grenzen hinweg
Lit.:
Über die trockene Grenze und über das offene Meer, hg. v. Beer, M. u. a., 2004;
Oltmer, J., Migration und Politik in der Weimarer Republik, 2005; Enzyklopädie
Migration in Europa, hg. v. Bade, K. u. a., 2007; Entwicklung und Migration,
hg. v. Thränhardt, D., 2008; Oltmer, J., Migration im 19. und 20. Jahrhundert,
2009, 2. A: 2013; Borgolte, M.,
Migrationen als transkulturelle Verflechtungen, HZ 289 (2009), 261; Transit
Deutschland, hg. v. Göktürk, D. u. a., 2010; Enzyklopädie Migration in Europa,
hg. v. Bade, K. u. a., 2007, 2. A. 2008, 3. A., 2010; Rass, C.,
Institutionalisierungsprozesse auf einem internationalen Arbeitsmarkt, 2010;
Oltmer, J., Migration im 19. und 20. Jahrhundert, 2010; Perspektiven in der Fremde?
Arbeitsmarkt und Migration von der freühen Neuzeit bis in die Gegenwart, hg. v.
Dahlmann, D. u. a., 2011
Milano →Mailand
miles (lat.
[M.]) Krieger, Ritter
Lit.: Köbler, LAW; Bumke,
J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A. 1976
Militär (N.)
Heerwesen, →Heer, Krieg
Lit.: Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v.
Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek,
P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000;
Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch
in die Moderne 1860-1890, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2003; Fuchs, T.,
Bibliothek und Militär, 2008; Grundkurs deutsche Militärgeschichte, 2009;
Müller, R., Militärgeschichte, 2009; Kroener, B., Militär, Staat und
Gesellschaft im 20. Jahrhundert (1890-1990), 2010; Fichte, R., Die Begründung
des Militärdienstverhältnisses, 2010; Perspektiven der Militärgeschichte,
hg. v. Echternkamp, J. u a. 2010; Kroener, B., Militär, Staat und Gesellschaft
im 20. Jahrhundert, 2011
Militärgrenze (confin) ist im österreichischen Recht die mit Siedlungsunternehmen
seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone zwischen Österreich-Ungarn und
den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In dem umfänglich wechselnden Gebiet
gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird als letztes selbständiges
Grenzgebiet die kroatisch-slawonische M. aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Amstatt, J., Die k.k. Militärgrenze 1522-1881, Diss.
phil. Würzburg 1969; Die k. k. Militärgrenze, 1973 Militärkonvention ist der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen
Staaten bzw. Ländern des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches
geschlossene Vertrag über Militärangelegenheiten, durch den die Herrschaftsgewalt
über Heereskontingente auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich
übergeht.
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1
1963, 992
Militärregierung ist die →Regierung durch Streitkräfte.
Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte
kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte.
Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg
1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973
Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen Kriegsherrn
und Söldnerführern geschaffene, in der frühen Neuzeit durch Kriegsartikel des
Landesherrn festgelegte Strafrecht für Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh.
wird es liberalisiert, humanisiert und in besonderen Militärstrafgesetzen
konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841,
Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen 1867, Bayern 1869,
Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik Deutschland das
Wehrstrafgesetz (1957).
Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935;
Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102
(1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L.,
Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998,
2570; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der Einfluss von
Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des Militärstrafrechts,
2005
Militärstrafverfahren ist das in Militärstrafangelegenheiten angewandte, seit
dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Württemberg 1692, Preußen
1712, Österreich 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird
teilweise das →Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils
das mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die Militärstrafgerichtsordnung
des Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten Reich erlassen etwa 2000
Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000 Todesurteile, von denen
vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden.
Lit.: Fleck, E.,
Das Strafverfahren der preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H.
v., Der Militärprozess in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die
deutsche Militärjustiz, hg. v. Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt,
M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozilismus, 1987;
Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die
Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert, W., Zur Entstehung der
Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996), 1; Messerschmidt, M.,
Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005
Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als Leitungsorganen)
durchgeführte →Verwaltung.
millenarius (lat.
[M.]) Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und
Westgoten, in der Herkunft und Bedeutung streitig
Lit.: Rietschel,
S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D.,
Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181
Miltenberg
Lit.: Störmer, W., Miltenberg, 1979
Minden
Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v. Krieg, M.,
1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997
Minderheit ist
eine im Verhältnis zu einer →Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit
dem Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M.
gesehen. Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. (vor
allem nach dem Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger, der Osmanen
und der Russen) werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von
Minderheiten verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht
der M. darf von der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden. 1998
treten die im Rahmen des Europarats ausgearbeiteten Rahmenübereinkommen zum
Schutz nationaler Minderheiten und der europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen in Kraft.
Lit.: Jellinek,
G., Das Recht der Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz
der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Nationale, ethnische Minderheiten und
regionale Identitäten, 1994; Handbuch der mitteleuropäischen
Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling, R./Eichinger, L., 1996; Nationale Minderheiten,
hg. v. Hahn, H. u. a., 1999; Fink, C., Defending the Rights of Others, 2004;
Minderheitenrechte in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2. A. 2006; Nachbarn,
Gemeindegenossen und die anderen, hg. v. Holenstein, A. u. a., 2004; Zur Entstehung
des modernen Minderheitenschutzes in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2006;
Toggenburg, G. u. a., Abc dces Minderheitenschutzes in Europa, 2011
Minderjährigkeit (Wort Köln 1585, minderjährig Laienspiegel 1510) ist der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur
Vollendung des für die →Volljährigkeit erforderlichen (18. [Österreich
2001], 19. [Österreich 1973], 21. [Österreich 1919], 24. [Österreich 12. 4.
1753] oder 25.) Lebensjahrs. Dem Minderjährigen (lat. minor XXV annis [seit
der lex Laetoria von etwa 200 v. Chr.]) fehlt in der Gegenwart die unbeschränkte
→Geschäftsfähigkeit (, wobei der infans [unter sieben Jahren]. vollständig
geschäftsunfähig ist). Soweit der Minderjährige bei Geschäften, die ihm nicht
lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, nicht selbst wirksam (allein) handeln
darf, handelt für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der
Aufnahme des römischen Rechtes die ältere →Mündigkeit weitgehend, wenn
auch nicht vollständig. Im römischen Recht ist der mündige Minderjährige
grundsätzlich geschäftsfähig, doch hat er bei gewollter Übervorteilung eine
Einrede (lat. exceptio aus der Lex Laetoria) und bei objektiver Benachteiligung
die Möglichkeit der Wiederherstellung des vor dem Geschäft bestehenden Zustands
(lat. restitutio in integrum). Außerdem kann zu seiner Unterstützung ein
(lat.) curator (Pfleger oder Beistand) bestellt werden, dessen Zustimmung zu
einem Rechtsgeschäft aber die Berufung auf eine Benachteiligung grundsätzlich
ausschließt.
Lit.: Kaser § 14
II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Minderung (950) ist die Herabsetzung eines
an sich vereinbarten Kaufpreises auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis
einer mangelhaften Sache. Sie stammt aus dem klassischen römischen Recht. Hier
verheißen die kurulischen Ädile als Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und
später auch Zugtieren dem Käufer bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen
neben der (lat.) →actio (F.) redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die
Rückgewährung des Kaufpreises in Höhe der durch den Mangel begründeten
Wertverringerung der Sache bei deren Behalten im Übrigen (lat. →actio [F.]
quanti minoris, Minderungsklaganspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit
aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung durch den
allgemeinen Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG
46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Korth, U., Minderung beim Kauf, 2011
Minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)
Minister ist
der Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der
frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und
Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger des Herrschers an
herausgehobener Stelle verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen römischen
Reich wird M. im 18. Jh. für den das
oberste Regierungsgeschäft erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich
ist das →Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im 19. Jh. erlangt er
demgegenüber Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegenzeichnung Preußen
1808, Belgien 1831, Preußen 1850). Österreich geht am 17. 3. 1848 wegen der
angestrebten Ministerverantwortlichkeit von den kollegial organisierten
Hofstellen zu den monokratisch organisierten Ministerien über (anders
1852-1859/1861, 1918-1920). 1930 begründet das Reichsministergesetz für den
M. im Deutschen Reich ein besonderes öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis
außerhalb der Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953
wiederhergestellt wird.
Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257;
Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921;
Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder,
J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v.
Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister
(1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die
Bundesministerien 1949-1999, 2003; Krammerbauer, T., Die
Ministerverantwrtlichkeit und die Vorformen sonstiger Verfassungsgerichtsbarkeit,
2011
Ministeranklage ist die gegen einen →Minister gerichtete Anklage auf
Amtsenthebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich anscheinend in
England (seit dem 12. Jh.) aus einer ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen
eines Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in
Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu Landesverfassungen
nicht.
Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des
ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete
Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie,
Der Staat 15 (1976), 367
Ministeriale (lat.
ministerialis [M.]) ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu
den Unfreien, steigt aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf
(Dienstmann). Ein besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11.
Jh., zuerst erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh.
entwickelt sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035,
Bamberg 1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Im Zusammenhang
mit seiner Italienpolitik stützt sich Kaiser Friedrich Barabarossa ab 1174/1178
verstärkt auf die Reichsministerialen (Reichsministeriale z. B. von Bolanden,
von Münzenberg, von Pappenheim und Kalden, von Lautern. von Schüpf, Siebeneich
und Rothenburg, von Annweiler). Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen
die wichtigsten Ämter des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120;
Fressel, R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907;
Fajkmajer, K., Die Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums,
3. Folge 52 (1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf
Grund sächsischer, thüringischer und niederrheinischer Quellen, 1913; Ganshof,
F., Étude sur les ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen,
K. Frhr. v., Zum Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die
Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die
Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg.
v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen,
(in) Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen
Ministerialen, 1998; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz,
1999; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002; Hechberger, W., Adel,
Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004
Ministerialität ist der Stand und die Gesamtheit der Ministerialen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, P., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Müller, E., Die Ministerialität
im Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911; Winter, G., Die
Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität im
späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen,
1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von
Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v. Gerlich, A., 1978;
Jacobi, F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS Schmidt-Wiegand, R.,
1986, 263; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität
in Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe, 2000;
Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002
Ministerium ist
die oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional
begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B. auswärtige
Angelegenheiten, Justiz [z. B. Preußen 1738], Finanz, Verteidigung, innere
Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch
organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B.
Preußen 1808) oder das Amt des →Ministers zu verstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P.,
Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen
Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f.
d. ges. Staatswiss. 116 (1960), 114
Ministerpräsident ist der Vorsitzende des Ministerrats bzw. der Regierung.
Ministerrat ist
der aus Ministern gebildete Rat als Regierungskollegium.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des
österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates
der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der
DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989
Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines →Ministers für seinen
Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend seit dem 12. Jh.) in England
und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (→Ministeranklage),
seit 1814 in den deutschen Staaten (Sachsen-Weimar 1816, Hessen 1831,
Österreich 1849/1867). Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der
Unverantwortlichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten
bleiben. Seit der Mitte des 19. Jh.s setzt sich statt der rechtlichen M. für
Unrechtshandlungen die politische M. durch, die den Rücktritt des
betreffenden Ministers im Falle eines Misstrauensvotums im Parlament vorsieht.
Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister,
1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und
Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit
in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in
Bayern, 1930; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Minne und recht
ist eine mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren begegnende Paarformel
unbekannter Herkunft für die gütliche oder entscheidungsweise Erledigung einer
Streitigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst in
der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur.
Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80
(1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416
Minoer ist der
Angehörige des in Kreta von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr.
herrschenden Volkes.
Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004
minor (lat. [Adj.]) kleinere,
geringere
Minorat (N.)
Jüngstenrecht
Minorit ist
der Angehörige eines 1517 von den Franziskanern (Franz von Assissi † 1226)
abgetrennten Ordens. Die minoritischen Franziskaner erteilen bereits im
Hochmittelalter Rechtsunterricht an den Ordensschulen, von dem →Deutschenspiegel
und →Schwabenspiegel beeinflusst sein dürften.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland,
1962, 116
Minuccius de Prato veteri, Antonius ist ein in
Prato Vecchio bei Florenz 1380 geborener, in Bologna ausgebildeter und
zeitweise auch lehrender, 1486 verstorbener Jurist, der die libri feudorum in
sechs Büchern neu ordnete
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 826
Miquel,
Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828-Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Familie aus
Spanien über Cahors um 1734 nach Deutschland eingewandert, Urgroßvater
Fechtmeister in Düsseldorf, Großvater Major, Vater Arzt und Bürgermeister, wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu
demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsanwalt und 1857 Kommunalbeamter,
1865 Bürgermeister in Osnabrück. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er
sich für die nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/Lasker
1873, Reichsjustizgesetze 1877/1879). 1880 wird er Oberbürgermeister in
Frankfurt am Main, 1890 Finanzminister Preußens (u. a. Einführung der Einkommensteuererklärung).
Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928;
Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von
Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001
Mischling ist das von verschiedenartigen Erzeugern
abstammende Lebewesen. Im Dritten Reich werden als M. die Abkömmlinge aus
jüdisch-arischen Verbindungen bezeichnet, wobei Mischlinge ersten Grades die
etwa 72000 Menschen mit einem jüdischen Elternteil, Mischlinge zweiten Grades
die etwa 40000 Menschen mit jüdischen Großeltern sind und etwa 8000 Menschen,
die sich zum Judentum bekennen, als Geltungsjuden eingestuft werden. Die
Mischlinge werden in Schulen benachteiligt, ab 1941 zunehmend aus der Wehrmacht
ausgeschlossen und zu Zwangsarbeit verpflichtet.
Lit.: Tent, J., Im Schatten des
Holocaust, 2007
Mischna (hebr.),
Lehre, Wiederholung, ist die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung
(gewohnheitsrechtlich erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jüdischen
Lehrstoffes der ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr.
abgeschlossen wird. Sie wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara).
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Mischne Tora ist
eine klare hebräische Zusammenfassung des jüdischen Rechtes durch →Moses →Maimonides
in Ägypten am Ende des 12. Jh.s.
Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu
ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985
miserabilis (lat.)
beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer)
misericordia (lat.
[F.]) Barmherzigkeit
Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im
Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991
Missetat (F.)
Delikt, Unrechtstat, Straftat
Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Missheirat ist
die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19.
Jh. (Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils
rechtliche, teils nur gesellschaftliche Folgen nach sich.
Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten,
1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926
Missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof
übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht
die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnissen an Geistliche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen römischen Recht entwickelte
Einweisung der siegreichen Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners,
nach der es meist zum öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter
zugunsten aller Gläubiger an einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt.
Ihr entspricht vielleicht im Frühmittelalter eine gleichartige →Fronung.
Seit dem Spätmittelalter wird die m. i. b. im Heiligen römischen Reich aufgenommen.
Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86 III, 87 I 10; Söllner
§ 8; Köbler, DRG 33
Missive (N.)
Sendschreiben
Misstrauensvotum ist seit der Ablösung Sir Robert Walpoles 1742 bzw.
spätestens seit dem Sturz Melbournes in England 1841 das Aussprechen des
Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer in
Form einer Abstimmungsniederlage. Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt
nur das konstruktive M., das nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen
Regierungsführers Erfolg haben kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh
missus (M.) dominicus (lat.) →Königsbote
Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi
dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, (in) Histoire
comparée de l’administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der
karolingischen missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256,
Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an Willensbildungsvorgängen
(der Arbeitgeber) in der Wirtschaft. Im Bereich der Montanindustrie bringt
das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den
Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues und der Eisen und
Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische Mitbestimmung
im Aufsichtsrat (5 Arbeitgebervertreter, 5 Arbeitnehmervertreter, ein
gemeinsam bestimmtes weiteres Mitglied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5.
1976 führt in der Bundesrepublik Deutschland für Unternehmen in der Rechtsform
einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische
Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter,
Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H.,
Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die
Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v.
Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Vollmer, W., Montanmitbestimmung, 2013
Miteigentum (Wort 1739) ist das Eigentum
mehrerer Personen an einer (selbst nicht geteilten) Sache. Es ist im
altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbengemeinschaft in der Form
vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen
(Gesamthandeigentum der altrömischen [lat.] societas ercto non cito). Erst
danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen
Recht ist M. anfangs vermutlich in einer →Gesamthand gebunden. Seit dem
Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) sieht nur Quoteneigentum
vor. Die Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort
nur in Sonderbereichen wieder belebt.
Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Oppikofer,
H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu VSWG,
1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Drosdowski, T.,
Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo im klassischen
römischen Recht, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Miterbe (Wort 1265) ist das Mitglied
einer Erbengemeinschaft.
Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Mitgift (lat.
dos [F.]) ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten
in die Ehe mitgegeben wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft
gleichgestellt. Vielfach erfolgt die Leistung als Beitrag zur Begründung und
Erhaltung des ehelichen Haushalts an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende
Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im römischen Recht erhält der Ehemann
eine Mitgift, die in sein Vermögen übergeht, aber bei seinem Tod oder beie
Ehescheidung herauszugeben ist. Im Mittelalter erhält der Ehemann bewegliche
Sachen zu Eigentum, unbewegliche Sachen nur zur Nutzung, so dass er über sie
grundsätzlich nur mit Zustimmung der Frau oder des Gerichts verfügen kann- Im
20. Jh. wird die M. meist durch eine Ausbildung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8,
9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F.,
Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in
Österreich, 1973
mithio (lat.-afrk.)
Erwiderung, Antwort, Verantwortung
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 209
Mitsukuri,
Rinsho (1846-1897) wird nach dem Studium des Chinesischen, Holländischen und
Englischen mit der Übersetzung der französischen Gesetzbücher beauftragt.
Hierbei bewältigt er die Aufgabe der Bildung japanischer Rechtswörter für
westliche Rechtseinrichtungen.
Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho, (in) Nihon no
hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1
Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft mehrerer Menschen. Eine
gesetzliche Grundlage für die M. schafft 1870 der Entwurf eines
Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund.
Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der
Mittäterschaft, 1981; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Mitteis,
Heinrich (Prag 26. 11. 1889-München 23. 7. 1952), Rechtsprofessorensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig
(Binding, Otto Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in
München, 1935 in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und
1952 in Zürich. In der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte verbindet er
Politisches eindrucksvoll mit Juristischem. Seine beiden rechtsgeschichtlichen
Grundrisse sind in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s länger führend.
Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953), IX;
Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die
Rechtsidee in der Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit
Schriftenverzeichnis); Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich
Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a.,
1991
Mittelalter ist
der zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der
(europäischen) Geschichte (476-1492 bzw. 500-1500).
Lit.: Haskins, C., Studies in Medaeval Culture, 1929; Fuhrmann,
H., Einladung ins Mittelalter, 1987, 5. A. 1997; Nord und Süd in der deutschen
Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W., 1990; Schuler, P.,
Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das Mittelalter als
Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge Medieval History,
hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H., Einführung in die
Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter,
1996, 2. A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im Mittelalter, 7. A. 2002;
Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997; Heimann, H., Einführung in die
Geschichte des Mittelalters, 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999; Das
europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte, M.,
2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für
mittelalterliche Geschichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u.
a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das
Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift,
K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann, M., Mittelalterliche Geschichte studieren,
2004; Schlotheuber, E., Das Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach dem
Mittelalter, 2004; Kaufhold, M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004; Schieffer,
R., Das ganze Mittelalter von A-Z, DA 60 (2004), 571; Nagel, A., Im Schatten
des Dritten Reichs. Mittelalterforschung, 2005; Tradition, Innovation,
Invention, hg. v. Schmidt, H., 2005; Neiske, F., Europa im frühen Mittelalter,
2006; Goetz, H., Proseminar Geschichte Mittelalter, 3. A. 2006; Borgolte, M.,
Christen, Juden, Muselmanen, 2006; Heimann, H., Einführung in die Geschichte
des Mittelalters, 2. A. 2006; Schubert, E., Essen und Trinken im Mittelalter,
2006; Pauler, R., Leben im Mittelalter, 2007; Enzyklopädie des Mittelalters,
hg. v. Melville, G., Bd. 1f. 2008; Atlas des Mittelalters, hg. v. Biffi, I.,
2007; Fried, J., Zu Gast im Mittelalter, 2007; Mittelalter im Labor, hg. v.
Borgolte, M. u. a., 2008; Müller, H., Mittelalter, 2008; Fried, J., Das
Mittelalter, 2008, 3. A. 2009; Fossier, R., Das Leben im Mittelalter, 2008;
Kintzinger, M., Internationale Beziehungen im Mittelalter 2009; Gebrauch und
Missbrauch des Mittelalters, hg. b. Bak, J. u. a., 2009; Mittelalter Oldenbourg
Geschichte Lehrbuch, hg. v. Meinhardt, M. u. a., 2009; A Companion to the
Medieval World, hg. v. Lansing, C. u. a., 2009; Binding, G., Bauen im
Mittelalter, 2010; Kreutz, P., Recht im Mittelalter, 2010; Schumacher, M.,
Einführung in die deutsche Literatur des Mittelalters, 2010; The Oxford
Dicitionary of the Middle Ages, hg. v. Bjork, R., Bd. 1ff. 2010; Dinzelbacher,
P., Lebenswelten des Mittelalters 1000-1500, 2010; Die Welt des Mittelalters -
Erinnerungsorte eines Jahrtausends, hg. v. Fried, J. u. a., 2011; Das
Mittelalter zwischen Vorstellung und Wirklichkeit, hg. v. Buck, T., 2011; Vorstellungswelten
der mittelalterlichen Überlieferung, hg. v. Sarnowsky, J., 2013; Oexle, O., Die
Gegenwart des Mittelalters, 2013
mittelbarer Besitz →Besitz
Mittelenglisch ist die zwischen etwa 1066/1100 und 1500 als der (zwischen Altenglisch
oder Angelsächsisch und Neuenglisch stehenden) mittleren englischen
Sprachperiode gesprochene Sprache (Vereinfachung der Flexionsformen, analytische
Konstruktionen, Aufnahme mittelfranzösischer und skandinavischer Wörter).
Lit.: Mossé,
F., Mittelenglische Kurzgrammatik, 1988; Obst, W./Schleburg, F., Die Sprache
Chaucers, 1999, 2. A. 2010
Mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der (zwischen
Althochdeutsch und Neuhochdeutsch stehenden) mittleren deutschen Sprachperiode
im südlichen (hochgelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. →Schwabenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M.,
Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F.,
Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911;
Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, erarb. v. Ohly, S. u. a.,
Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1 Million Belege, 8986 Stichwörter, 439
Nachtragsstichwörter, davon 1608 oder 17 Prozent neue Ansätze); Lexer, M.,
Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck, 1992; Hennig,
B., Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige, H.,
Mittelochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund, hg.
v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM); Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. v.
Gärtner, K. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; Köbler, G., Mittelhochdeutsch, 2007
(Internet, umfangreichster mittelhochdeutscher Wortschatz); Bertelsmeier-Kierst, C., Kommunikation
und Herrschaft, 2008; Wegera, K. u. a., Mittelhochdeutsch als fremde Sprache,
2011, 2. A. 2013; Weimann, B., Moselfränkisch, 2012; Bartsch, N. u. a.,
Mittelhocheutsch als fremde Sprache. Didaktischer Leitfaden und
Lösungsschlüssel, 2013
Mittellateinisch ist die im Mittelalter (zwischen dem 6. und 15. Jh.)
verwendete, auf dem Lateinischen der Römer des Altertums aufbauende, es in
Struktur und Wortschatz abändernde, dem Neulateinischen der Neuzeit vorausgehende
Form des Lateinischen.
Lit.: Köbler, LAW; Medieval Latin Word-List from British
and Irish Sources, hg. v. Baxter, J./Johnson, C., 1934 (etwa 20000 Ansätze,
davon 8000 hapax legomena); Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon Minus,
1954ff., 2. A. 2002; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen
Gesetze, 1961; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter - Einleitung in Sprache
und Literatur, 1963, 2. A. 1966?, 3. A. 1969, 4. A. 1983, 5. A. 1988; Revised
Medieval Latein Word-List from British and Irish Sources, prepared by Latham,
R., 1965 (aus etwa 1000 Quellen [rund 500000 Belege für] etwa 40000 Ansätze die
in Form oder Bedeutung im klassischen Latein fehlen, davon 13000 hapax
legomena); Glossarium till medeltidslatinet i Sverige, Bd. 1ff. 1973ff.; Blaise,
A., Lexicon Latinitatis medii aevi praesertim ad res ecclesiasticas
investigandas pertinens, 1975 (wertet vor allem DuCange aus); Stotz, P.,
Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Köbler,
G., Liber exquisiti xenii, 1999; Meier(-Staubach), C., Königin der
Hilfswissenschaften? (in) Frühmittelalterliche Studien 35 (2001)1; Compendium
auctorum Latinorum medii aevi (500-1500) hg. v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1 (bis
Bartholomaeus de Forolivio) 2002ff.; Hausmann, F., Das Fach Mittellateinische
Philologie an deutschen Universitäten von 1930 bis 1950, 2010; http://www.koeblergerhard.de/Mittellatein-HP/VorwortMlat-HP.htm
Mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. und 16. Jh. (1200-1600) als der
mittleren deutschen Sprachperiode (zwischen Altsächsisch und
Altniederfränkisch einerseits und Neuniederdeutsch bzw. Plattdeutsch
andererseits) im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland (einschließlich
der Niederlande [bzw. des Gebiets östlich der Ijssel] gesprochene Sprache (z.
B. →Sachsenspiegel 1221-1224, sächsische Weltchronik, Berliner Stadtbuch,
Chronica novella des Hermann Korner, Redentiner Osterspiel, niederdeutsche
Bibel von 1494, Reynke de vos 1498, Bugenhagenbibel 1533/1534, de düdesche
Schlömer 1584, Nikolaus Gryse 1543-1614, Tönnies Fonnes, Handbuch der
russischen Sprache 1607), die im Schriftdeutschen in der frühen Neuzeit (z. B.
in Goslar zwischen 1519 und 1619) allmählich von der hochdeutschen Sprache (z.
B. Juristensprache) verdrängt wird.
Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A.,
Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen
und Schriftsprache in Goslar, 1934; Köbler, Gerhard, Mittelniederdeutsches
Wörterbuch, 2011 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Mittelniederdeutsch-HP/Einfuehrung-Mnd-eD-HP.htm);
Damme, R., Vocabularius Theutonicus, 2011; Wallmeier, N., Sprachliche Muster in
der mittelniederdeutschen Rechtssprache, 2013
Mittelniederländisch ist die in den Niederlanden zwischen dem 12. und dem 16.
Jahrhundert gesprochene, dem Mittelniederdeutschen eng verwandte Sprache, die
an das Altniederfränkische anschließt und dem modernen Niederländischen
vorangeht.
Lit.: Dialog mit den Nachbarn. Mittelniederländische Literatur
zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert, hg. v. Bastert, B. u. a., 2011
Mittermaier,
Carl Joseph Anton (München 5. 8. 1787-Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem erfolgreichen
Abschluss des Rechtsstudiums in Landshut 1807 in München Sekretär →Feuerbachs
und nach dem vertiefenden Studium in Heidelberg (Thibaut, Heise) zwecks freilich
gescheiterter Berufung nach Innsbruck 1811 ordentlicher Professor in Landshut,
1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der
Rechtsvergleichung erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht
ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt
das Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort, schult Binding und veröffentlicht
zwischen 1809 und 1867 fast 1000 größere und kleinere Werke (Lehrbuch des
deutschen Privatrechts 1821, bis 1988 zehn zusätzliche postume Veröffentlichungen)
Seine Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000 Dissertationen und Broschüren
(270 Laufmeter).
Lit.: Köbler,
DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss.
jur. Göttingen 1945/8; Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen
Karl Joseph Anton Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh,
S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton
Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton
Mittermaier (1787-1867), ZRG GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen
Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Malsack, B., Die Stellung der Verteidigung,
1992; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier – Rudolf von Gneist, hg. v.
Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern der badischen Gesetzgebungskommission an
Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D., 2002; Bibliographie der
Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, bearb. v. Nuzzo, L., 2004; Briefwechsel
Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004; Briefe
deutscher Strafrechtler an Karl Kosef Anton Mittermaier, hg. v. Jelowik, L.,
2005; Riemer, L., Das Netzwerk der „Gefängnisfreunde“, 2005; Briefe Hermann
Theodor Goltdammers an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mußgnug, D., 2007;
Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v. Moritz, W. u. a., 2009
(Ausstellungskatalog)
Mitverschulden ist die Außerachtlassung der Sorgfalt in eigenen
Angelegenheiten durch den Beschädigten, die ein ordentlicher und verständiger
Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei konkurrierendem
Verschulden entfällt im gemeinen Recht seit dem Spätmittelalter die
Ersatzpflicht völlig (→Kulpakompensation), während es nach dem deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jeweiligen Verursachung
ankommt.
Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden,
1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187
Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen)
Lit.:
Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform des Rechts der
Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit, ZRG GA
107 (1990), 132
Modena wird
auf römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452
unter der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. →Pillius, im
13. Jh. sind dort andere bekannte Juristen tätig. 1682 erhält M. eine
Universität. 1859 fällt es von Österreich-Este an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia
dell’università di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e
rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker,
R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Modestin (Modestinus),
Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische
römische Rechtskundige. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung
zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. [F.Pl.])
Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.])
Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.])
Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie
verschiedene kleinere Abhandlungen.
Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und
soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259
modius (lat.
[M.]) Scheffel
modus (lat.
[M.]) Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.]
→traditio).
Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre
vom titulus und modus acquirendi, 1873
Moggio
Lit.: Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters Moggio (bis 1250),
1985
Mohammed (Abul
Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) ist der aus
führender Familie (Haschimiden) stammende Stifter des →Islam (20. 9. 622
Hedschra von Mekka nach Medina), der seine Offenbarungserlebnisse im ® Koran niederschreibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956;
Paret, R., Mohammed und der Koran, 1957, 9. A. 2005, 10. A. 2008; Lüling, G.,
Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg. v.
Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000;
Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren
vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002; Der frühe Islam, hg.
v. Ohlig, K., 2007; Jansen, H., Mohammed, 2008; Nagel, T., Mohammed, 2008;
Nagel, T., Mohammed, 2010
Mohl,
Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11. 1875), Konsistorialpräsidentensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut, Zachariae)
1824 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher
Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät, 1847 Professor in
Heidelberg. Seine von klarer Systematisierung, Einbeziehung der Rechtswirklichkeit
und rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das
Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft
nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und
Verwaltungsrecht trotz Trennung aufeinander bezogen werden. 1846 verlangt er
die Regierungsbildung durch die Mehrheit der Volksvertretung.
Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl
1799-1875, 1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518;
Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D.,
2004
Moldawien (Moldau)
ist ein schon mittelalterliches osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses
Pruth, das 1359 von Ungarn unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als
Schutzherren anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch unter dem Einfluss Franz von
Zeillers) und 1862 zusammen mit der Walachei →Rumänien bildet bzw. 1918
von Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942 umgesiedelt, 1945
geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der Sowjetunion im ukrainischen
Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen Sowjetrepublik und dem größten
Teil Bessarabiens 1945 gefomte Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik
verselbständigt sich mit der Auflösung der Sowjetunion 1991.
Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia Zeiller,
1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche
Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom
Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum
Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v.
Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C.,
The Moldovans, 2000
Molina,
Luis de (1535-1600) wird nach kurzem Studium des Rechtes in Salamanca und dem
Studium der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und Naturrechtler in
Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein juristisches
Hauptwerk (De iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt
das (ortsverschiedene und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und
das (das [lat.] ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht
(römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar.
Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des
Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982,
48
Molinaeus →Du
Moulin
Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701 Sitz einer
Universität.
Mommsen,
Theodor (Garding 30. 11. 1817-Charlottenburg 1. 11. 1903, Vater Pfarrer) wird
nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer,
(Auslandsaufenthalt in Frankreich und Italien,) 1848 Journalist, im gleichen
Jahr außerordentlicher Professor des römischen Rechtes in Leipzig (1850 wegen
seiner Beteiligung an der Maierhebung 1849 entlassen), 1852 Professor in
Zürich, 1854 in Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein
berühmtestes Werk ist seine römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902
Literaturnobelpreis). In der Rechtswissenschaft hat er sich durch sein
römisches Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht
(1899, Neudruck 1955, 1961) und seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und
anderer Quellen (Codex Theodosianus u.
s. w.) herausragende Verdienste erworben.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Mommsen, T.,
Römische Geschichte, 9. A. 1902ff., Neudruck 2010; Hartmann, L., Theodor
Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956,
Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen,
Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich
Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen
1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und
römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM); Theodor Mommsen – Gelehrter,
Politiker und Literat, hg. v. Wiesehöfer, J., 2005; Theodor Mommsens langer
Schatten, hg. v. Nippel, W. u. a., 2005; Wickert, L., Theodor Mommsen, 2006;
Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2007; Theodor Mommsen und Friedrich Althoff. Briefwechsel
1882-1903, hg. v. Rebenich, S. u. a., 2011; Theodor Mommsen und die Bedeutung
des römischen Rechts, hg. v. Fargnoli, I. u. a., 2013
mompar (mhd.)
Vormund
Mömpelgard (Montbéliard)
ist die westlich von Basel gelegene reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen
römischen Reiches , die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers
mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983
Monarchie (griech. Einherrschaft) ist die Staatsform, bei der grundsätzlich ein einzelner
Mensch (oft von Gottes Gnaden) (bis zu seinem Tode) als Träger der Staatsgewalt
an der Spitze des Staates steht. Sie ist bereits bei Aristoteles (384 v.
Chr.-322 v. Chr.) neben Aristokratie und Demokratie als eine (gute) Staatsform
bezeugt (Gegensatz Tyrannei). Seit dem Hochmittelalter kann die M. ständisch
beschränkt werden. Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle
Monarchie. Ihr folgt am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England
1834/1835, Deutscher Bund theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich
28. 10. 1918). Am Ende des ersten Weltkriegs werden verschiedene europäische
Monarchien in Republiken umgewandelt.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K.,
Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses
Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976), 367;
Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi
ne meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der
Fürstengesellschaft, 1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992;
Wienfort, M., Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K.,
Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Panitschek, P., Lugal - sarru -
basileus - Formen der Monarchie im alten Vorderasien, 2008; Sellin, V., Gewalt
und Legitimität - Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, 2011;
Fetting, M., Zum Selbstverständnis der letzten deutschen Monarchen, 2013
Monarchisches Prinzip
ist das den Monarchen (trotz Gewährung einer Verfassung) als alleinigen Träger
der Staatsgewalt betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des
Deutschen Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um
1800 (1804/1806) als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten
Anzeigen vom 21. 9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als
Organ der juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip
erstmals die Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip
zurückgedrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E.,
Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P.,
Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die
Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss.
jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967,
115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale
Verfassungspositionen, JuS 2000, 943
Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.)
Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der
Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967
Mönch ist
der Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des
Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten,
Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der
erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts von Nursia.
Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von
Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Laske,
W., Das Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Frank, K.,
Geschichte des christlichen Mönchtums, 1975, 5. A. 1993,, 6. A. 2010; Prinz,
F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und
Kanoniker im Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks,
Nuns and Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v.
Schwaiger, G., 3. A. 1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser,
T., Mönche im Konflikt, 2000; Ohler, N., Mönche und Nonnen im Mittelalter, 2008
Mönchengladbach
Lit.: Brasse, E., Geschichte der
Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff. 1914ff.
Mongole ist
der Angehörige eines zunächst am oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis
Khan (1155-1227) weit nach Westen (Russland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241)
und Süden (China 1211ff.) ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a.
Niederlage in Palästina) zerfällt.
Lit.: Hethum von Korykos, Geschichte der Mongolen (1307),
übers. v. Senoner, R., hg. v. Baum, W., 2006; Die Mongolen in Asien und Europa,
hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der Mongolen,
2004
Monopol ist
die Marktform, bei der Angebot (Angebotsmonopol) oder Nachfrage (Nachfragemonopol)
in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum
Rechtsproblem, mit dem sich die Gesetzgebung des Heiligen römischen Reiches befasst. Der Liberalismus wendet sich gegen
das M.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J.,
Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die
Monopole, 1996
Montanunion ist
die zwecks Kontrolle der Rüstungsindustrie Deutschlands 1951/1952 von
Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg
begründete Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EKGS), in der eine
besondere Form der →Mitbestimmung gilt. Der am 18. 4. 1951
abgeschlossene, am 23. 7. 1952 in Kraft getretene Vertrag ist nach
fünzigjähriger Laufzeit 2002 ausgeläufen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and
the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996;
Anfänge und Auswirkungen der Montanunion auf Europa, hg. v. Rasch, M. u. a.,
2007
Montenegro (Name
seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist das unzugängliche Gebirgsland östlich der
mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als 1389 von Serbien getrennte Einheit
erscheint, bis es 1499 förmlich und 1528 tatsächlich an die Osmanen (Türkei)
fällt. Hier wird es unter einem Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798
erhält es ein Staatsgesetz. Im von Österreich verwalteten Küstengebiet
(Dalmatien) tritt zum 1. 1. 1812 das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft
(bis 1946). 1852 wird M. weltliches Fürstentum. 1878 wird M. auf dem Berliner
Kongress unabhängig (Allgemeines Vermögensgesetzbuch von Montenegro 1888,
1905 Verfassung), 1910 Königreich. 1918 schließt es sich dem Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen (1929 Jugoslawien) an, bei dem es nach 1990 unter
stärkererer Autonomie zunächst verbleibt, bis es sich nach einer Volksabstimmung
zum 3. 6. 2006 (mit 620000 Einwohnern auf 14000 Quadratkilometern) wieder
verselbständigt (19./22. 10. 2007 Verfassung). 2007 wird ein
Familiengesetzbuch, 2008 ein Gesetz über das Erbrecht und 2009 ein Gesetz über
die sachenrechtlichen Verhältnisse angenommen.
Lit.: Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The
Code and the goats, ZNR 1998, 212; Hamza, G., Bemerkungen zur
Privatrechtsentwicklung in Montenegro (in) Spomenica Valtazara Bogisšića,
2011, 315
Montesquieu,
Charles Louis de Secondat Baron de la Brède et de (La Brède 18. 1. 1689-Paris
10. 2. 1755) wird nach dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726
Parlamentspräsident. Seit 1721 kritisiert er in den anonymen persischen Briefen
(Lettres persanes) die politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs.
1748 entwickelt er in seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l’esprit des
lois (Vom Geist der Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen
gegen ein Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der
Dreiteilung der Staatsgewalt (→Gewaltenteilung) in Ausführung (Exekutive),
Gesetzgebung (Legislative) und Rechtsprechung (Judikative). Das an die
Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll
der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden,
für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen (Kodifikation). Weil
Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des
besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in gleicher
Weise geltendes →Naturrecht ab. M. bejaht die Gesetzmäßigkeit der
geschichtlichen Entwicklung. Er bereitet die französische Revolution geistig
vor.
Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R.,
Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff,
E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung im
Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990;
Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S.,
Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996;
Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, (in)
Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus
Strafrechtsliberalismus, 2002; Montesquieu-Traditionen in Deutschland, hg. v.
Mass, E. u. a., 2005; Montesquieu zwischen den Disziplinen, hg. v. Mass, E.,
2010
Montgelas,
Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759-14. 6. 1838), Generalssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister
in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche und zentralisierte
Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808
beseitigt er die ständischen Vorrechte.
Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971ff.; Weis, E., Maximilian
Graf von Montgelas, JuS 2009, 772
Montpellier in
Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen (→Placentinus),
seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier Universitäten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La science du droit dans le midi,
1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy, G., 1984; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 123
Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein ins Leben
gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren) deutsche(n)
Geschichtsquellen (Denkmäler deutscher Geschichte) http://www.mgh.de/dmgh
(retrospektive Digitalisierung)
Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der Monumenta
Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969
Monzambano,
Severinus de (Pseudonym Samuel →Pufendorfs 1667)
Moorleiche ist
die im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche
Erkenntnisquelle in Betracht (→Sittlichkeitsverbrechen). Seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden infolge des Übergangs von der händischen
Torfgewinnung zum Einsatz von Maschinen Moorleichen kaum mehr gefunden.
Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901), 354;
Eckhardt, K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A., Die
europäische Moorleichenfunde, 1965; Brock, T., Moorleichen, 2009
Moosburg
Lit.: Hiereth, S., Mossburg 1950;
Hiereth, S., Moosburg, 1986
mora (lat. [F.])
Verzug
Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler,
DRG 44
Moral (F.)
Gesamtheit der Sitten
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls,
J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend, 1996;
Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Glinka, H., Zur
Genese autonomer Moral, 2012
moralisch (Adj.) sittlich, den Sitten (lat. mores) entsprechend (z. B. moralische
Person Preußen 1784)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Morastein ist
der südöstlich Uppsalas gelegene Ort (Steinring) der Erhebung der
mittelalterlichen Könige in Schweden.
Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937;
Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976
Moratorium (N.)
Zahlungsaufschub
Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom
Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald
1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937
Mord ist
die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter Tötung eines anderen
Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich auch in germanischer Zeit ist M.
die beispielsweise durch Zudecken verheimlichte Tötung. Seit dem
Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise besonders
qualifizierte Tötung (anders Österreich). 1941 werden aus einem Entwurf Karl
Stooß’ (für die Schweiz) besondere Tatbestandsmerkmale in das Strafgesetzbuch
des Deutschen Reiches übernommen. In Österreich ist Mord die Tötung eines
(anderen) Menschen.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76,
Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel, E., 1985; Thomas, S., Geschichte des
Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002;
Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und
Totschlag? 2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003; Linka, K., Mord und Totschlag,
2008; David, A., Die Entwicklung des Mordtatbestands im 19. Jahrhundert, 2009;
Schroeder, F., Der Blitz als Mordinstrument, 2009; Politische Morde in der
Geschichte, hg. v. Schild, G. u. s., 2012
Mordbrand ist
die heimlich verübte →Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel
(1221-1224) das Rädern erscheint.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
More geometrico
(lat.) auf geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672]
erfolgende Rechtswissenschaft) →mos geometricus
Lit.: Köbler, DRG 146
Mores (lat.
[M.Pl.], Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten)
Sitten (der Väter [lat.
maiorum]). Sie beeinflussen vor allem
das altrömische Recht.
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores
maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; El Beheiri, N., Das regimen
morum der Zensoren - Die Konstruktion des römischen Gemeinwesens, 2012
Morganatisch ist
eine von der →Morgengabe abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe
(Ehe zur linken Hand) ist eine zuerst im spätmittelalterlich-oberitalienischen
Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der →Ehe.
Zwischen Mann und Frau tritt (vor allem wegen Standesungleichheit gewollt) keine
Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche
Gewalt über sie hat, nur der Mutter zugerechnet.
Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten-
und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen
des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Morgengabe ist
spätestens seit dem Frühmittelalter eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau
nach der Hochzeitsnacht (z. B. Schmuck, Vieh, Leute, Grundstücke, Geld). Sie
wird vielfach vom Mann verwaltet. Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht
schwindet zuerst in den Städten des hohen Mittelalters (vgl. aber § 1232 ABGB).
Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88,
123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd.
1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich,
1973, 45, 124
Morgensprache (F.) Zunftversammlung
mors (F.) civilis (lat.) →bürgerlicher Tod
Lit.: Borgmann, B., Mors civilis 1969; Borgmann, B., Mors
civilis, Ius commune 4 (1972), 81
Mortgage ist
im mittelalterlichen französischen Recht das zur Fruchtziehung am
Pfandgrundstück berechtigende Pfandrecht.
Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit privé, 1905, 784
mortuarium (lat.
[N.]) Sterbefallabgabe
Mortuus redhibetur
(lat.). Der Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene
Sachgegenstand eines Austauschgeschäfts).
Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz,
1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223,
Digesten 21, 1, 31 § 11)
Morus (More),
Thomas Sir (London 7. 2. 1478-6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium
der alten Sprachen und des Rechtes in London 1501 Rechtsanwalt, 1504
Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529 als erster Laie
Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er, beeinflusst von
der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung eines idealen
Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung Heinrichs VIII. von
Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung Englands von der
katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König Heinrich VIII.
verweigert, wird er 1535 wegen Hochverrats hingerichtet.
Lit.: Chambers, R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir Thomas
Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus, Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of
Thomas More, 1999; Thomas More’s Trial by Jury, hg. v. Kelly, H. u. a., 2011
mos (lat. [M.])
Sitte →mores (M. Pl.) Sitten
Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik, HZ
258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000
mosaisches Recht →biblisches
Recht, jüdisches Recht
Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ 260
(1995), 1
Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241 Siedlung im
Reichssteuerverzeichnis)
Lit.: Mosbacher Urkundenbuch,
bearb. v. Krimm, K., 1986
Moser (von
Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701-30. 9. 1785),
Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher
Professor in Tübingen (1720-1721), dann freier Berater, 1726 Regierungsrat,
1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736
Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745 Berater,
1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet
und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er
hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff.
1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die
Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das
Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.
Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung
des teutschen Reiches, 1735, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J.,
Lebensgeschichte Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob
Mosers, 1868; Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob
Moser, 1869; Leschhorn, A., Johann Jakob Moser und die Eidgenossenschaft, 1965;
Rürup, R., Johann Jacob Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob
Mosers, 1968; Johann Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W.,
1983; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1
1988, 258
Möser,
Justus (Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794), Kanzleidirektorssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena und Göttingen Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744),
Syndikus (1756), Justitiar (1762) und 1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er
wirkt in vielfältiger Weise als aufgeklärter konservativer Schriftsteller.
Sein Hauptwerk sind seine patriotischen Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).
Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U., Justus
Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken
Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J., Sämtliche
Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln
1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser, 1970; Schmidt,
P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schmelzeisen, G., Justus
Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder, J., Justus Möser als
Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Welker, K.,
Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie 1730-1990, hg. v.
Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v.
Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart, ZRG GA 121 (2004),
283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische Ausgabe der
Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004
Mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des
16. Jh.s entstehende, den älteren mos Italicus (italienische Art) ablehnende
gallische (französische) Art der Rechtswissenschaft, welche die römischen
Quellen stärker humanistisch (sprachwissenschaftlich-geschichtlich)
betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere
Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind →Alciatus
(1492-1550), →Budaeus (1467-1540), →Cuiacius (1522-1590), →Donellus
(1527-1591), Dionysius →Gothofredus (1549-1622) und Jacobus Gothofredus
(1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen,
calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598) spätere niederländische
Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die
Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen
Ganzen.
Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Mos (M.) geometricus (lat.) ist die geometrische oder mathematische Art der
Darstellung und Beweisführung in Wissenschaftsfächern der frühen Neuzeit
(Simon Grynaeus 1533). In der Rechtswissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557
und Valentin Forster (1613) diese Frage ansatzweise an. Eine umfassende
Darstellung des Naturrechts →more geometrico erfolgt aber erst durch →Pufendorf
(1672). Dem folgen →Leibniz und vor allem Christian →Wolff in
leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet der m. g. ziemlich unvermittelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und
Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G.,
Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9 (1979), 179
Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus dem Mittelalter
überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter ist die juristische
Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des damit verbundenen
wissenschaftlichen Begründungssystems und Erkenntnissystems zu verstehen.
In ihrem Mittelpunkt stehen Worterklärungen, Herstellung logischer und
systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen, Zusammenstellungen von
Parallelstellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris
civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung von Widersprüchen und Sammlung
von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung. Der m. I. wird seit Beginn
des 16. Jh.s vom →mos Gallicus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und
Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108
Moskau an
der Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun
befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen (1237) wird sie 1263
Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von Russland und wenig
später Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie eine Universität.
Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981;
Crummey, R., The Formation of Muscovy, 1987;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007
mos maiorum (lat. [M.]) Sitte der Vorfahren (als Herkunftsangabe eines Rechtssatzes)
Motivirrtum ist
der unbeachtliche →Irrtum über den Beweggrund für eine Willenserklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mozaraber ist
der unter der Herrschaft der →Araber auf der iberischen Halbinsel lebende
Christ.
Lit.:
Hitchcock, R., Mozarabs in medieval and Early Modern Spain, 2008
Mpalés,
Geórgios (1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925
Professor für Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das griechische
Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst die führende Kommentierung.
Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960
Msida auf
Malta erhält 1572 bzw. 1769 eine Universität.
Mucius Scaevola,
Quintus (um 140-82 v. Chr.), Rechtskundigensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein
bedeutsamer Vertreter der vorklassischen römischen Rechtswissenschaft. Sein
Hauptwerk sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen
er das Recht der römischen Bürger systematisch zusammenfasst. Auf ihn
zurückgeführt werden die (lat.) →cautio (F.) Muciana, die eine unter der
Bedingung, etwas Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwendung absichern
soll, und die (lat.) →praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis
des Gegenteils alles Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf
M. S. greift vor allem →Sabinus wieder zurück.
Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre
im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597
Mühldorf
Lit.: Stahleder, H., Mühldorf,
1976
Mühle ist
die Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von
Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die technisch der einfachen Handmühle überlegene
Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum bekannt und gelangt von dort
nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung
einer M. von einem landesherrlichen Mühlenregal überlagert. Dementsprechend
entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615).
Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem
Spätmittelalter vielfach als unehrlich.
Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne, C.,
Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das Gewerberecht,
1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928),
176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948),
477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA 79 (1962),
195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969;
Kropač, I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The
Mills of Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum
Zweibrücken, 1998; I mulini nell’Europa medievale, hg. v. Galetti, P. u. a.,
2003; Droste, P., Wasserbau und Wassermühlen an der mittleren Rur, 2003;
Langdon, J., Mills in the Medieval Economy, 2004
Mühlhausen (Reichsstadt in Thüringen, 967 Mulinhuson, 11. Jh. Marktsiedlung, 1135
villa regia, Stadtrecht, um 1200 Stadtmauer, 1251 freie Reichsstadt, 1286
Mitglied der Hanse, Erwerb von etwa 60 umliegenden Dörfern, 1524, 1542 und 1557
reformiert, 1802 Mediatisierung in Preußen, 1. 7. 1944 mit dem Regierungsbezirk
Erfurt dem Reichsstatthalter in Thüringen unterstellt, dadurch 1945 zur
sowjetischen Besatzungszone und von 1949 bis 1990 zur Deutschen Demokratischen
Republik und dabei von 1945 bis 1952 und ab 1990 zu Thüringen) s. Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch
Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-1230 oder nach 1231?) in Mühlhausen in
Thüringen von einem unbekannten Verfasser in mittelmitteldeutscher Sprache
hergestellte, in 3 Handschriften überlieferte Stadtrechtsbuch mit zahlreichen
fränkischen Rechtssätzen, das auch Landrecht einbezieht und unterschiedliche
Sachgebiete (Delikte, Verfahren, Gewere, Gericht, Schaden) erfasst. Es wird in
Nordhausen und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit
der zweiten Hälfte des 13. Jh.s Statuten aufgezeichnet (1401 letzte
mittelalterliche Statutenredaktion [erhalten in Abschrift der 1. Hälfte des 16.
Jh.s], 1566 neue Statuten durch Apollo Wiegand) und ist 1351 ein Satzungsbuch
angelegt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Herquet, K.,
Urkundenbuch der Richsstadt Mühlhausen/Th., hg. v. Herquet, K., Neuduruck 2009;
Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A.
1936, Neudruck 1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser
Reichsrechtsbuch, Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T.,
Bürgerunruhen und Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen
in Thüringen, bearb. v. Weber, W., 2003; Thiele, M., Vae victis. Mühlhausen
unter sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953, 2004 (unwiss.); Bühner, P.,
Mühlhausen, Zs. d. Ver. f. thür. Gesch. 61 (2007), 59ff.
Mülhausen im
→Elsass ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 →Reichsstadt
wird. Seit 1515 ist M. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz.
1798 schließt es sich Frankreich an.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de Mulhouse, 1977
Mulefe
Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291
Mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der Kirche.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Apostel Paulus, † 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)
Müll ist
der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19. Jh. ein allgemeines
Verwaltungsproblem wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold (und
seiner Frau) im Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen Erbverpächter (Graf
Schmettau) auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung des Zuflusses durch
einen Oberlieger (Landrat von Gersdorff) klagt und 1778 die Mühle durch
Versteigerung (an Graf Schmettau) verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780
greift König Friedrich der Große von Preußen auf Grund eines Bittgesuchs selbst
in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen Justizkollegiums
verhaften, verurteilt sechs zu Festung, weist den Müller und seine Frau wieder
in die Mühle ein, begnadigt aber die verurteilten Richter bald. Sein Nachfolger
entschädigt die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch
wird nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden, obwohl sich
nicht mehr sicher feststellen lässt, ob der Müller Recht oder Unrecht hat, der
Machtspruch also Recht oder Unrecht schafft. Im 19. Jh. setzt sich die dadurch in
jedem Fall beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E.,
Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers
Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984
München an
der Isar, dessen Name auf eine Beziehung zu einem bisher nicht sicher bekannten
Kloster (Schäftlarn?) deutet und für das sich keine vorstädtische Besiedlung
sicher nachweisen lässt, erhält 1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen einen
Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und
erlangt 1840 von Landshut die ursprünglich in Ingolstadt eingerichtete
Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30.
9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich, Großbritannien, Italien
und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das die deutschsprachigen
Sudetengebiete der Tschechoslowakei (28643 qkm, 3,63 Mill. Menschen) dem
Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze Zeit
bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche Ministerpräsidentenkonferenz
in M. zu keiner Einigung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.;
Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903;
Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner
Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener
Privatrecht im Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte
Münchens im Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, R., Die Rechtsstellung der
städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen von
München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der Münchner
Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969;
Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut -
München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völkerbund und Münchener
Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und
Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R.,
Geschichte Münchens, 2003; Die Universität München im Dritten Reich, hg. v.
Kraus, E., 2006; Hartmann, P., Münchens Weg in die Gegenwart, 2008; Lidman, S.,
Zum Spektakel und Abscheu, 2008; München, Bayern und das Reich im 12. und 13.
Jahrhundert, hg. v. Seibert, H. u. a., 2008; Ludyga, H., Das Oberlandesgericht
München, 2012
Mund ist
der zum Essen, Trinken und Sprechen nötige menschliche Körperteil, der in der
Paarformel Mund und Hand für zusprechende Wörter steht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mündel (Wort vielleicht um 750 belegt) ist der unter Vormundschaft stehende Mensch.
Lit.: Hübner; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mündelgut ist
das Vermögen des →Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch
genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der
Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf
der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit
Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der
Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem
Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehörde verantwortlichen
Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln
kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T.,
Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
mundiburdium →mundoburdium
Mündigkeit (Wort 1369, mündig 1250) ist der
Zustand der Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der
Eintritt der (lat.) pubertas (F.) (Geschlechtsreife)
die volle Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit, bis um 200 v. Chr. eine
(lat.) lex (F.) Laetoria die mündigen, noch nicht 25jährigen gegen
Übervorteilung zu schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst bei Männern von
Fall zu Fall beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit Vollendung des
14. Lebensjahrs anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit Vollendung des
12. Lebensjahrs angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch das germanische
Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M. die Vollendung des
12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahrs genannt. Im Laufe des Mittelalters rückt
die Zahl (auf 18, 20, 21, 24 oder) bei Aufnahme des späteren römischen Rechtes
(der Minderjährigkeit) auf 25 Lebensjahre hinauf. Volle Eigenverantwortlichkeit
erlangen dabei nur die vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit
Abschichtung (bzw. Eheschließung) ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich
die Altersstufen des römischen Rechtes durch. Zwischen sieben und 25 wird der
Mensch im Wesentlichen gleich behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der
Volljährigkeit gleichgesetzt und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders
Ehemündigkeit, Eidesmündigkeit). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs (1811) unterteilt in unmündige Minderjährige (7-14) und mündige
Minderjährige (14-24), wobei die mündigen Minderjährigen über durch Fleiß
erworbenes Einkommen und nach erreichter Mündigkeit zum Gebrauch erhaltene
Sachen frei verfügen dürfen (§ 151 ABGB).
Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler,
DRG 88, 120, 160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG
GA 16 (1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
mundium (lat.-afrk.) →munt
Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im Gegensatz zu Schreiben
und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das gesamte Recht anfangs
der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der Schrift wird die M. aber
zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der Schriftkultur des Altertums
im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben. Im 13. Jh. steigt die
Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird demgegenüber der Versuch
unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder einen festen Platz zu
sichern (z. B. Code de procédure civile 1806, österreichisches Verfahren in
Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in summarischen Sachen 1845,
Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868, österreichisches Verfahren in Rechtsstreitigkeiten
mit geringem Streitwert 1873, Reichszivilprozessordnung des Deutschen Reiches
1877/1879).
Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980; Eichler, F.,
Recht ohne Schrift, 2010
mundoburdium (lat.-afrk. [N.]) Schutzgewalt, Vormundschaft
municipium (lat. [N.]) Stadt
Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36;
Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973;
Galsterer, H., Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976
Münnerstadt
Lit.: Dinklage, K., Fünfzehn
Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1983
Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle der Friesenmission des
Bischofs Liudger und entwickelt sich von hier aus seit dem Hochmittelalter zum
größten geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das am 3. 10. 1571 eine
Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet werden. Das vor den
Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur vereinzelt aufgezeichnet. Es
ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht nur wenig beeinflusstes Recht.
1648 wird in M. ein Friedensvertrag geschlossen, mit dem Spanien und die sieben
vereinigten Niederlande den achtzigjährigen Krieg beenden und Holland, Seeland,
Groningen, Utrecht, Friesland, Gelderland und Overijssel aus dem Heiligen
römischen Reich ausscheiden. 1780 wird in M. eine Universität (bis zur
weitgehenden Schließung zu Gunsten Bonns 1818) eingerichtet. Von 1815 bis 1946
ist M. Hauptstadt der Provinz Westfalen Preußens. 1902 wird wieder eine
juristische Fakultät eröffnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das
Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908;
Meisterernst, B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im
Mittelalter, 1910; Hövel, E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936;
Friemann, H., Die Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von
Hessen, 1937; Hermann, J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W.,
Zur Überlieferung der Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J.,
Mimigernaford – Münster, 1960; Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz,
J., 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert,
1961; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die
hochstift-münsterische Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27;
Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und
Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in
Münster, 1987; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift
Münster, 1988; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster, 1992; Michaelis,
K., Die Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der
münsterische Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999;
Das Bistum Münster, bearb. v. Kohl, W., 1999f.; Westfälische Jurisprudenz, hg.
v. Großfeld, B. u. a., 2000; Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster
in der frühen Neuzeit, 2004; Lutterbach, H., Das Täuferreich von Münster, 2008;
Tatort Domplatz, hg. v. Siekmann, M., 2009; Termeer, M., Münster als Marke,
2010; Bedeutende Juristen aus Münster, hg. v. Hoeren, T., 2013
municipium (lat. [N.]) Stadt (ohne römisches Bürgerrecht bzw. ohne Stellung als
colonia)
Munt (ahd. [F.],
zu lat. manus [F.], Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über
einen anderen Menschen (z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über
Frau, Herr über Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach
der Geburt und endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In
der Neuzeit wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.]
potestas) verdrängt.
Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 160;
Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler, R.,
Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur
Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del
mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956),
323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958;
Hlawitschka, E., Eine oberitalienische Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975
in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K.,
Haus und Herrschaft, 1968
Muntat (F.)
ist im Heiligen römischen Reich vor
allem das Immunitätsgebiet (im engeren Sinn).
Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Muntbrief (M.)
Schutzurkunde
Muntehe ist
im Mittelalter die →Ehe, bei der die Frau in die →munt des Mannes
fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe.
Muntschatz (M.)
Heiratsgut
Münze ist
ein nach Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes
Geldstück, wie es im 1. Jt. v. Chr. (Vorläufer mit einem Punzenbild versehene
Elektronklümpchen 15. Jh. v. Chr. Knossos und Zypern, Münzen 7. Jh. v. Chr.
Westkleinasien, 289 v. Chr. Rom aes grave, As) erscheint. Der Name leitet sich
davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer
Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das
zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit
zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von
300 g (1 Pfund, lat. [F.] libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der
Silberdenar (lat. denarius [M.] argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar
die Goldmünze (lat. [M.] aureus, Konstantin lat. [M.]
solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten.
Um die Mitte oder nach der Mitte des 5. Jh.s entstehen auf römische Prägungen
des 4. Jh.s zurückgehende Brakteaten der Völkerwanderungszeit. Das
Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und
Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer
Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62
Fundstätten frühkarolingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit
jeweils weniger als 100 Denaren, um 900 ist das rechtsrheinische Gebiet des
ostfränkischen Reiches noch ohne Münzprägung, fast alle ostfränkischen Münzen
von 900 bis 1100 gelangen durch den Fernhandel nach Skandinavien, Polen und
Russland). Das Recht zur Münzprägung wird vom König als →Regal in
Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Zwischen 1138 und 1254
lassen sich dabei königliche (staufische) Münzstätten in 52 deutschen Orten
nachweisen (Aachen, Altenburg, Andernach?, Annweiler, Bern, Biberach, Boppard,
Breisach, Buchhorn, Colmar, Donauwörth, Dortmund, Duisburg, Eger, Eschwege,
Essen, Frankfurt am Main, Friedberg, Gelnhausen, Goslar, Hagenau, Hammerstein,
Kaiserslautern, Kaiserswerth, Leutkirch, Lindau, Lübeck, Maastricht, Memmingen,
Mühlhausen, Murrhardt, Nimwegen, Nordhausen, Nürnberg, Offenburg, Oppenheim,
Ravensburg, Rottweil, Saalfeld, Schlettstadt, Schongau, Schwäbisch Hall,
Schweinfurt, Sinsheim, Überlingen, Ulm, Wangen, Würzburg, Weißenburg, Wetzlar
bzw. Kalsmunt, Wien und Worms). Im Hochmittelalter geht das Münzprägerecht
tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend
partikularisierte und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte
Münzwesen auf übereinstimmende Größen umgestellt (Preußen 1821 Taler,
Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich 1871/3 →Mark). Wegen der
andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit
gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen
Geldinstitute (elektronisches Geld) an Bedeutung. Als europäische Währung
erscheinen zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995
rechnerisch bzw. seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro und Cent (in 16 Mitgliedstaaten),
die aber wegen verheimlichter fehlender Haushaltsdisziplin (der meisten Teilnehmerstaaten)
um 2010 in eine Krise geraten..
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße,
Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde
und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte
der Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W.,
Die deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930),
47; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der
Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt,
1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta
regis, 1957, Neudruck 2006; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte,
1955; Völckers, H., Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen);
Der Schatzfund von Corcelles-près-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000
Münzen); Suhle, A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H.,
Hauptlinien der deutschen Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis
1878, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson,
P., Münzen des Mittelalters, 1976; Göbl, R., Antike Numismatik, 1978; Wadle,
E., Münzwesen, HRG, Bd. 3 1981, 770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische
Münzgeschichte, 1983; Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die
Vereinheitlichung des Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte,
1991; Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La
numismatique, 1992; Howgego, C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C.,
Karolingische Münzfunde, 1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Leschhorn, W.,
Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen, 2002ff.; Derschka, H., Die
münzrechtlichen Bestimmungen des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91;
Felder, E., Die Personennamen auf den merowingischen Münzen der Bibliothèque
nationale de France, 2003; Albert, R., Die Münzen der römischen Republik (bis
31 v. Chr.), 2003, 2. A. 2011; Axboe, M., Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit,
2004: Kampmann, U., Die Münzen der römischen Kaiserzeit, 2004, 2. A. 2011; Coinage
and Identity in the Roman Provinces, hg. v. Howgego, C. u. a. 2005; Repertorio
dei ritrovamenti di moneta altomedievale in Italia (489-1002), hg. v. Arslan,
E., 2005 (rund 1000 Funde); Berghaus, P./Mäkeler, H., Münzkabinett der
Universität Uppsala, hg. v. Nilsson, H., 2006; Rizzoli, H., Münzgeschichte des
alttirolischen Raumes im Mittelalter, Bd. 2 2006; Emmerig, H., Bayerns
Müngeschichte im 15. Jahrhundert, 2007; Großer deutscher Münzkatalog von 1800
bis heute, 25. A. 2009, 26. A. 2010, 27. A. 2012, 29. A. 2013; Weltmünzkatalog
19. Jahrhundert 1801-1900, 16. A: 2013; Weltmünzkatalog 20. & 21. Jahrhundert
1900-2013, 4. A. 2009, 39. A. 2010; 40. A. 2012, 42. A. 2013; Die deutschen
Münzen seit 1871, 22. A. 2011, 23. A: 2013; Klüßendorf, N., Münzkunde, hg. v.
Boeselager, E. Frfr. v., 2009 Keilitz, C., Die sächsischen Münzen 1500-1547, 2.
A. 2010; Mäkeler, H., Reichsmünzwesen im späten Mittelalter, Teil 1 Das 14.
Jahrhundert, 2010; Spörer, S., Politische und wirtschaftliche Gestaltung der
deutschen Münzreform 1871-1875, 2010; Schön, G. u. a., Kleiner deutscher
Münzenkatalog von 1871 bis heute, 42. A. 2012, 44. A. 2014; Schön, G.,
Euro-Münzkatalog, 11. A. 2012; Arnold u. a., Großer deutscher Münzkatalog, 27.
A. 2012; Klüßendorf, N., Kleine Münz- und Geldgeschichte von Hessen, 2012
Münzfälschung ist die unerlaubte Verwendung fremder Münzbilder und die Prägung
unterwertiger oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden
Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter
begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh.
Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der
allgemeinen Fälschung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274
Münzregal →Münze
Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münzprivilegien,
1967
Muratori,
Lodovico Antonio (Vignola 21. 10. 1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem
Theologiestudium Bibliothekar in Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen
kritischen Ausgaben italienischer Geschichtsquellen begründet er die neuere
italienische Geschichtswissenschaft.
Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio Muratori, 1955
Murner,
Thomas (Oberehnheim 24. 12. 1475-Heidelberg um 1537) durchzieht als
Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen.
1518 veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli
(M.Pl.) et regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er
die Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das
juristische Lizentiat.
Lit.: Erler, A., Thomas Murner als
Jurist, 1956
Muromcev,
Sergej Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Göttingen
(Ihering) 1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die
Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als
Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und erklärt die
Rechtswissenschaft in Russland zu einer das alltägliche Leben bestimmenden
Wissenschaft.
Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in Russland,
1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980
Murray, Sir
William (1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford
und der Ausbildung in Lincoln’s Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754
Justizminister, 1756 Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield).
In seiner richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten
der Jury, fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das →common law
und unterstützt die Rechtsfortbildung durch Urteile.
Lit.: Fifoot, C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E., Lord
Mansfield, 1979; Oldham, J., The Murray Manuscript, 1993
Murten
Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht
von Murten, 1925
Museum
Lit.:
Waidacher, F., Museologie knapp gefasst, 2004; Vieregg, H., Geschichte des
Museums, 2008; Hartung, O., Kleine deutsche Mueseumsgeschichte, 2010
Muspilli ist
ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das
Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht).
Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler,
G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986
Musteil (Speisevorrat)
ist im mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des
Mannes teilweise behalten darf.
Lit.: Hübner § 95c
Muster
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986
Musterung ist
die Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine
besondere Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung).
Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen
Heeresverwaltung, 1938
Mutschierung ist
im Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf
Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht.
Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f.
RegionalG. 14 (1987), 173
Mutter (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen) ist der weibliche Elter eines Kindes.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mutterrecht ist
die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in der das Gut sich in mütterlicher
Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob →Bachofen
behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen.
Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861;
Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum ältesten
Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927),
198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine
Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980
Mutterschutz ist
der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der
M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (in der Schweiz in Anlehnung an eine
Regelung im Fabrikgesetz von Glarus von 1864 im Jahre 1877 Beschäftigungsverbot
je acht Wochen vor und nach der Geburt eines Kindes, 1920 sechswöchiges
Krankengeld, im Deutschen Reich in Gewerbeordnungsnovelle 1878 dreiwöchiges
Beschäftigungsverbot nach Geburt, 1882/1885 für Fabrikarbeiterinnen
dreiwöchige Wöchnerinnenunterstützung, 1927). In der Schweiz wird zum 1. 7.
2005 eine obligatorische Mutterschaftsversicherung eingeführt.
Lit.: Frank, L., L’assurance maternelle, 1897; Schmitz, E.,
Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992; Hauser, K., Die Anfänge
der Mutterschaftsversicherung, 2004
Mutterstadt ist
im Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird
und die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten der Tochterstadt wieder
befragt wird (z. B. Freiburg im Breisgau, Nürnberg, Frankfurt am Main, Soest, Lübeck,
Magdeburg).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Dusil, S., Die Soester
Stadtrechtsfamilie, 2007
Mutung ist
allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung
des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf
Verleihung des Bergwerkeigentums in einem bestimmten Fall (bis 1980).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten
Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981
Mutuum (lat.
[N.]) ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft
des (auf Tausch gegebenen) →Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht
mit der Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung
zur Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart
werden.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27,
45, 63; Köbler, LAW
Muwatta ([M.]
arab. geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.)
auf der Grundlage des →Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina
geschaffene Rechtsbuch des →Islam.
Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, (in) Enzyklopädie des
Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262
Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514-Großalsleben 3. 5. 1588),
Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius)
1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im Breisgau, 1548 Assessor am Reichskammergericht
und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität
Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht angelegte
kurze Notizen zu Entscheidungen des Reichskammergerichts ([lat.] Singularium
observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.]
quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des Reichskammergerichts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger,
1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein Juristenleben
im 16. Jahrhundert, (in) Mélanges Sturm, F., 1999, 959
N
Nabatäer ist der Angehörige eines vom 4. Jh. v.
Chr. bis 106 n. Chr. das Gebiet zwischen Damaskus und Arabien beherrschenden
Volkes.
Lit.: Hackl, U. u. a., Quellen zur
Geschichte der Nabatäer, 2003; The World of the Nabataeans, hg. v. Politis, K.,
2007
Nabburg
Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg,
1981
Nachbar ist
der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im
römischen Recht entwickelt sich aus der Nachbarschaft ein →Nachbarrecht.
Im Mittelalter haben Nachbarn verschiedentlich ein →Näherrecht
(Nachbarlosung). Im Übrigen kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.
Lit.:Kroeschell,
DRG 1; Kramer, K., Die Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u.
a., 1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983;
Hildebrandt, F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert,
1985; In Europas Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und
bösen Nachbarn, 2002
Nachbarrecht ist
die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten Grundstücken im
Verhältnis zueinander geltenden, aus Gewohnheitsrecht oder Gesetz stammenden
Rechtssätze. Sie betreffen bereits im römischen Recht den Überhang von
Zweigen, den Überfall von Früchten, den Notweg, das Eindringen von Rauch,
Wasser u. s. w., die Ausbuchtung einer
Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden, die Untersagung von Bauführung und die
Feststellung der Grenze. Im nachklassischen römischen Recht wird des öfteren wegen
der vertraglichen Vereinbarkeit der meisten Verpflichtungen fälschlich von
Legalservituten gesprochen. Teils auf einheimischer, teils auf aus dem
römischen Recht übernommener Grundlage findet das N. teils Eingang in das
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum anderen
Teil Landesrecht.
Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Hitz, J.,
Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek, R.,
Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen,
L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980;
Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende
und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte,
Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303
Nacherbe ist
der in der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten
späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe
(Vorerbe) geworden ist. Im römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel
heres semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer Testamentserben
und damit Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei
dem Erbe zwar der erste Nachfolger des Erblassers wird, diesem aber auferlegt
werden kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als Fideikommiss einem weiteren
Nachfolger herauszugeben. Im Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die
Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das
aufgenommene römische Recht.
Lit.:Kaser
§§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner § 11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das
Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613, 629; Eckert, J., Der Kampf um die
Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und
Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120 (2003), 235
Nachklassik des römischen Rechtes (3.-4. Jh. n. Chr.)
Nachlass (Wort Westfalen 1350, Nachlassgegenstand 1847, Nachlassgericht 1866,
Nachlassgläubiger 1879, Nachlasskonkurs 1888, Nachlassverbindlichkeit 1888,
Nachlassverfahren 1891) ist das
Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der
N. (lat. [F.] hereditas, einschließlich der Verbindlichkeiten, aber ohne ususfructus,
fructus, patria potestas, manus, Vormundschaft oder Patronat) eine Einheit
(unkörperliche res, universitas), im mittelalterlichen Recht eine Mehrheit
von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N.
zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person
angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).
Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der
handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg.
v. Schmutz-Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse,
internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung,
1994; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Nachlassverkauf ist im römischen Recht die Versteigerung des erbenlosen (überschuldeten)
Nachlasses zu Gunsten der Gläubiger, die entsprechend der Höhe ihrer Forderung
anteilmäßig am Erlös beteiligt werden (lat. [F.] bonorum venditio).
Lit.:
Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht, 2001
Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechtes durch
vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik).
Lit.: Köbler, DRG 205
Nachrichter ist
eine Bezeichnung für den →Henker.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Nachtwächter
Lit.: Sommer, P., Hört ihr Herrn
und lasst euch sagen, 1968
Nachzensur ist die in Bezug auf einen Veröffentlichungszeitpunkt nachträgliche Zensur.
Nachzettel ist
in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende formlose Schrift. Die
Möglichkeit des Nachzettels wird im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und
in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt.
Nacktheit
Lit.: Duerr, H., Nacktheit und
Scham, 1988; Cordier, P., Nuditès romaines, 2005
Näherrecht oder
Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für
den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn,
Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs
gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter wird das N. zugunsten der
Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es verstärkt
bekämpft und im 19. Jh. im Wesentlichen beseitigt. Vereinbart werden kann aber
ein Vorkaufsrecht.
Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O.,
Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und
Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, (in) Gedächtnisschrift R. Schmidt,
1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in): Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52
Name (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen, Namensrecht 1888) ist die
Bezeichnung einer einzelnen Person oder eines einzelnen Gegenstands (für Orte →Ortsname)
zum Zweck der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung von
anderen Personen und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich am
Beginn der menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges
Wort als Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der Mensch häufig
durch mehrere Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat. praenomen
[N.], nomen gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in Spätantike aber
wieder Tendenz zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren des spätantiken
Gallien tragen von 411 Personen 5 bzw. 8 germanische Namen. Im deutschen
Mittelalter wird angesichts der (wohl auf kaum mehr als 1000) ziemlich
begrenzten Zahl der Namen zwecks mit dem Bevölkerungswachstum und der
zunehmenden Urbanisierung erforderlich werdender Unterscheidung nach ersten
Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.) für den
Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/1170, Frankfurt am
Main Anfang 13. Jh., Esslingen 13. Jh., - in Wien seit 1288 kein Rufname mehr
ohne Beiname -, Friesland 19. Jh.) in etwa vom Süden und Westen nach Norden und
Osten fortschreitend dem Namen (Vornamen) allmählich allgemein ein Zuname
(Familienname) beigefügt, was andernorts erst viel später geschieht (Japan 1875,
Bulgarien 1878, Türkei 1934). Frauen erlangen mit der Heirat den Familiennamen
des Mannes, Kinder mit der Geburt den Familiennamen des Vaters bzw. bei
unehelicher Geburt der Mutter. Durch Verordnungen seit dem 17. Jh. wird bis
zum Ende der frühen Neuzeit die ursprüngliche Freiheit der Namensänderung
beseitigt (Österreich 1776). Seit 14. 6. 1976 kann in der Bundesrepublik
Deutschland auch der Name der Frau Familienname sein, seit 1995 ist kein
gemeinsamer Familienname mehr nötig (1995 auch in Österreich). Im Einzelnen ist
ein detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen grundsätzlich die
Eltern den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines Kindes. Häufigster
der mehr als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen der Gegenwart ist
Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der Welt der chinesische Name Chang
(Zhang) oder Wang.
Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S.
Vorname und Familienname, Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte
lateinischer Eigennamen, 1904; Volckmann, E., Rechtsaltertümer in Straßennamen,
1920; Brechenmacher, J., Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen-
und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen
im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961; Berger, F./Etter, O., Die
Familiennamen der Reichsstadt Esslingen, 1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche
Schutz des Namens, 1985; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des
mittelalterlichen Europa, 1985; Internationales Handbuch der Vornamen, 1986;
Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Hanks, P./Hodges, F., A
Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W., Historisches deutsches
Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler, E. u. a., 1996; Nomen et
gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im
deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E., Name und Recht, ZRG GA 117
(2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A. 2003; Personennamen des
Mittelalters, hg. v. Fabian, C., 2. A. 2000 (13000 Namensformen); Berger, E.,
Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern, M., Staat und
Namensänderung, 2002; Person und Name, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2002;
Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Dictionnaire historique de
l’anthroponymie romane, hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff.;
Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen
Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Deutsches Namenslexikon, 2004; Lochner
von Hüttenbach, F., Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004; Name
und Gesellschaft im Frühmittelalter, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2006; Namen,
hg. v. Krampl, u. u. a., 2009; Onimastica Slavogermanica 25, hg. v. Eichler,
E., 2008; Noth, M., Die israelitischen Personennamen, 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Der
Südwesten im Spiegel der Namen, hg. v. Greule, A. u. a., 2010; Utech, U.,
Rufname und soziale Herkunft, 2011; Methoden der Namenforschung, hg. v.
Ziegler, A., 2011; Debus, F., Namenkunde und Namengeschichte, 2012
Namensehe ist die nur zwecks Erlangung eines Namens geschlossene Ehe (Scheinehe).
Namur
Lit.: Roland, J., Le comté et la
province de Namur, 1959
Nancy in
Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit
Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines
Bischofs.
Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986
Napoleon Bonaparte
(Ajaccio 15. 8. 1769-Longwood/Sankt Helena 5. 5. 1821), niederadliger
Juristensohn, wird nach Offiziersausbildung und militärischen Erfolgen 1796
mit 27 Jahren Oberbefehlshaber der Armee Frankreichs in Italien. 1798 zieht er
mit 56000 Soldaten nach Ägypten, um den mittleren Osten für Frankreich zu
erobern. 1799 wird er unter Sturz der Direktorialregierung erster Konsul, am
18. 5. 1804 erblicher Kaiser der Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810)
lässt er das Recht Frankreichs in fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen
und gestaltet die europäische Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um,
wobei er sich insgesamt 880 Tage im deutschen Sprachraum und 753 Tage im
italienischen Gebiet aufhält. 1813 bei Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er
von Russland, Österreich und Preußen bzw. England und Preußen geschlagen. Er
stirbt nach Abdankung in der Verbannung auf Sankt Helena.
Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et
l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W.,
Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon
in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen
Napoleon 1806-1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am
Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in
Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a., 1995; Kern, B., Die
französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Kleßmann, E., Napoleon,
2000; Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G., Napoleon, 2003; Pelzer, E., Napoleon
Bonaparte, 2003; Bonaparte, la Suisse et l’Europe, hg. v. Dufour, A., 2003;
Ullrich, V., Napoleon, 2004; Willms, J., Napoleon, 2005; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Beßlich, B., Der
deutsche Napoleon-Mythos, 2006; Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein
und Weser, hg. v. Veltzke, V., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen,
hg. v. Hedwig, A. u. a. 2008; Cole, J., Die Schlacht bei den Pyramiden, 2010;
Napoleon und Europa, 2010; Hunecke, V., Napoleon, 2011; Furrer, D.,
Soldatenleben, 2012; Zamoyski, A., 1812. Napoleons Feldzug in Russland. 2012;
Krause, A., Der Kampf um Freiheit, 2013
Nasciturus (lat.
[M.] Geborenwerdender) ist die menschliche →Leibesfrucht im Mutterleib.
Der n. ist in gewisser Weise vom Recht geschützt, wenn er später tatsächlich
lebend geboren wird. Er hat ein Erbrecht und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche
(z. B. gegen Arzneihersteller).
Lit.: Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131;
Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L.
u. a., 1985, 87
Nasciturus pro iam nato habetur (lat.). Das erst noch geboren werdende (gezeugte) Kind
wird als schon geboren behandelt (Fiktion).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 50, 16, 231)
Nassau ist
eine im 12. Jh. an der unteren Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298
den deutschen König stellt und 1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt.
Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814
mit einer Verfassung versehenes Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert
und geht 1945 in Hessen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R., Nassau und die
Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Wiener Kongress,
1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von 1814, 1953; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing, H., Die Mediatisierung der
ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum
Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau 1806-1866, Ausstellungskatalog
(Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische Biographie 1985, 2. A. 1992 (4946
Menschen); Nassau und Oranien, hg. v. Tamse, C., 1985; Gensicke, E.,
Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. A. 1987; Zimmermann, R., Die Bemühungen
um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum Nassau 1806-1866, 1988; Vater,
A., Hexenverfolgungen in nassauischen Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988;
175 Jahre nassauische Verfassung, red. Friedrich, B., 1989; Faber, R., Die
Bemühungen im Herzogtum Nassau um die Einführung von Mündlichkeit und
Öffentlichkeit im Zivilprozessverfahren 1806-1866, 1990; Jäger, W.,
Staatsbildung und Reformpolitik, 1993; Schüler, W., Die nassauische Verfassung
vom 1./2. September 1814, (in) Hessen, 1997, 59; Nassauische Parlamentarier,
hg. v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der Herzogtums Nassau 1803-1814,
bearb. v. Ziegler, 2001; Schüler, W., Das Herzogtum Nassau 1806-1866, 2006;
Menk, G., Das Haus Nassau-Oranien in der Neuzeit, 2009
nasteid (ahd.
[M.]) Eid der frühmittelalterlichen Alemannen auf den Zopf
natio (lat.
[F.]) Geburt, Geschlecht, Landsmannschaft, Volk
Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat,
1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T.,
Patria, 1991
Nation ist
die durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der
politischen Entwicklung zusammengeschlossene Gesamtheit von Menschen.
Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das
Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W.,
1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann,
G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete
Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Aspekte der
Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978; Landwehr, G.,
„Nation“ und „Deutsche Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1; Brinkmüller, E., Nation
Österreich, 1984; Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im
Mittelalter, hg. v. Ehlers, J., 1989; Region, Nation, Europa, hg. v. Lottes,
G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg. v. Klueting, H., 1992; Dann,
O., Nation und Nationalismus, 1993, 3. A. 1996; Die deutsche Nation, hg. v.
Dann, O., 1995; Nationenbildung, hg. v. Münkler, H., 1997; Pollmann, K., Nation
und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus Liebe zum Vaterland, 2000;
Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Behrndt, K., Die
Nationskonzeptionen, 2003; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Schulze, H., Staat und Nation in der
europäischen Geschichte, 2004; Wrede, M., Der Kaiser, das Reich, die deutsche
Nation HZ 280 (2005), 83; Kinze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Helmchen,
A., Die Entstehung der Nationen im Europa der frühen Neuzeit, 2005; Hroch, M.,
Das Europa der Nationen, 2005; Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa,
hg. v. Schmidt, G., 2010
Nationalgesetzbuch ist das die Rechtsordnung einer →Nation
vereinheitlichende →Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s findet im
deutschen Sprachraum ein Streit um ein N. statt (→Kodifikationsstreit).
Das N. löst sowohl das partikulare Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht
ab.
Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die
Nationalgesetzbücher, (in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974, 55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher,
(in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79
Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der studentischen
Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in →Nationen. Es
führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kulturellen beginnenden und
danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten Weltkrieg und
im zweiten Weltkrieg.
Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla
prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und
Nationalismus, 1993, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Echternkamp, J., Der Aufstieg des
deutschen Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna.
Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v.
Bellaberba, M. u. a., 2000; Nationalismus und Nationalbewegung in Europa
1914-1945, hg. v. Timmermann, H., 1999; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus,
Nationalstaat, 2000; Gramley, H., Propheten des deutschen Nationalismus, 2001;
Hirschhausen, U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa, 2001; Wehler, H.,
Nationalismus, 2001; Kohfink, M., Für Freiheit und Vaterland, 2002; Müller, S.,
Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Kunze, R., Nation und
Nationalismus, 2005; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005; Weichlein,
S., Nationalbewegung und Nationalismus in Europa, 2006; Hewitson, M.,
Nationalism in Germany, 2010; Hermand, J., Verlorene Illusionen. Eine
Geschichte des deutschen Nationalismus, 2012; Hirschi, C., THe Origins of
Nationalism, 2012
Nationalität ist die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Volk bzw. einer Nation.
Nationalitätenstaat, N., Vielvölkerstaat (z. B. Österreich-Ungarn mit elf
verschiedenen Nationalitäten und entsprechendem Nationalitätenproblem
ohne wirklich gelungene überzeugende ganzheitliche Lösung, vgl. Ausgleich,
kroatischer Ausgleich, mährischer Ausgleich, Wahlrechtsreformen)
Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, hg. v.
Hugelmann, K., 1934; Kann, R., Das Nationalitätenproblem der
Habsburgermonarchie, 2. A. 1964; Stourzh, G., Die Gleichberechtigung der
Nationalitäten in Verfassung und Verwaltung, 1985
Nationalkirche ist die das Nationale betonende christliche Kirche. In der
frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in Frankreich und in England in
unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966
nationalliberal (national und liberal)
Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft
Lit.:
Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Hansel, R.,
Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006
Nationalrat ist
eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B. Österreich 1920, Vorläufer der
mit Patent vom 5. 3. 1860 geschaffene, vom 31. 5. 1861-27. 9. 1861
zusammentretende verstärkte Reichsrat, vgl. Art. 24 B-VG, Gesetzgebung zusammen
mit dem Bundesrat, der ein Einspruchsrecht hat).
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher
nationalsozial (national und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von
Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und
monarchischem, nationalem Boden verwendet, wobei sich die Entstehung der
nationalistischen deutschen Arbeiterbewegung aus der Verwendung billiger tschechischer
Arbeitskräfte im ursprünglich rein deutsch besiedelten Industriegebiet Nordböhmens
erklären lässt
Nationalsozialismus ist eine vielleicht schon in der fortschrittlichen Ordnung
der französischen Revolution von 1789 angelegte, im frühen 20. Jh. (in Böhmen
1903 und) in Deutschland auf der Grundlage von Nationalismus und Sozialismus
entstandene, unter Adolf →Hitler von 1933 bis 1945 in →Deutschland
die Macht ausübende politische Bewegung (1929 absolute Mehrheit in Coburg). Der
N. weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht
lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die
mit allen Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechtes, verwirklicht
werden müsse. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen
Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein bedeutsames und
wirksames, durchaus an manchen Stellen auch ältere Reformvorstellungen fortführendes
und insofern modernisierendes Kampfinstrument zur Durchsetzung der vom
Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen Weltanschauung in
der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus des ausgehenden 19.
Jh.s alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind die während seiner
Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich. Er braucht
lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbstverständlich mitgedachten
Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und die Macht
nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen außerjuristischen
Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann bei dieser
Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät es, weil
es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer Anwendung.
Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere Fachvertreter des öffentlichen Rechtes
und der deutschen Rechtsgeschichte an den Universitäten Schlüsselbegriffe der
nationalsozialistischen Weltanschauung übernehmen und geschichtlich zu
belegen versuchen. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche Verurteilungen
aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen
Gründen unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit (Unrechtsurteile)
ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8.
1998 aufgehoben.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248; Jung, R., Der nationale
Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom Dritten Reich, 1957;
Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Brodersen, C., Gesetze
des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff. 1968ff.; Rüthers, B.,
Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A. 2012; Matzerath, H.,
Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970; Bracher, K., Die
deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des Nationalsozialismus,
1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff.
1977ff.; NS-Verbrechen vor Gericht, hg. v. Moritz, K., 1978; Anderbrügge, K.,
Völkisches Rechtsdenken, 1978; Mosse, G., Ein Volk, ein Reich, ein Führer,
1979; Hüttenberger P., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 1980;
Wassermann, R., Justiz und Nationalsozialismus, 1983; Recht, Rechtsphilosophie
und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner, H., 1983; Recht, Verwaltung und
Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. Hirsch, M. u. a., 2. unv. A. 1997; Recht
und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Jasper, G., Justiz
und Nationalsozialismus, 1985; Rüping, H., Bibliographie zum Strafrecht im
Nationalsozialismus, 1985; Schmuhl, H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus und
Euthanasie, 1987; Gribbohm, G., Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis, NJW
1988, 2842; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M./Simon,
D., 1989; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; Nationalsozialismus
und Recht - Rechtssetzung und Rechtswissenschaft in Österreich unter der
Herrschaft des Nationalsozialismus, hg. v. Davy, U. u. a., 1990; M. d. R. Die
Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus,
hg. v. Schumacher, M., 1991; Für Führer, Volk und Vaterland. Hamburger Justiz
im Nationalsozialismus, hg. v. d. Justizbehörde Hamburg, 1992; Stübig, R.,
Höxters Weg in den Nationalsozialismus, 1992; Rechtsgeschichte im Nationalsozialiamus,
hg. v. Säcker, F., 1992; Nationalsozialismus und Modernisierung, hg. v. Prinz,
M. u. a., 2. A. 1994; Frassek, R., Weltanschaulich begründete
Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG
GA 111 (1994), 564; Fischer, C., The Rise of the Nazis, 1995; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Rückert,
J./Willoweit, D., 1995; Die braune Elite, hg. v. Smelser, R. u. a., Bd. 1 4. A.
1999, Bd. 2 2. A. 1999; Münchner rechtshistorische Studien zum
Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1996; Hehl, U. v.,
Nationalsozialistische Herrschaft, 1996; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum
in der NS-Diktatur bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, 1996; Wilhelm, F., Die
Polizei im NS-Staat, 1997; Friedländer, H., Der Weg zum NS-Genozid, 1997;
Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates, bearb. v. Boberach, H. u. a.,
1997; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A. 1997; Rees, L., Die Nazis, 1997;
Nation und Nationalsozialismus in wissenschaftlichen Standardwerken
Österreich-Ungarns, hg. v. Kiss, E., 1997; Die westdeutschen Strafverfahren
wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1997, hg. v. Rüter,
C./Mildt, D. de, 1998; Nationalsozialistische Vernichtungspolitik, hg. v. Herbert,
U., 1998; Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff 1998ff.;
Eck, C., Die Wiedergutmachung zwischen 1945 und 1989, 1997; Wessel, M.,
NS-Justizverbrechen und Nachkriegsrechtsprechung, 1998; Hammerschmidt, P.,
Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Reiter, R., 30 Jahre Justiz und NS-Verbrechen, 1998; Recht
und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Meyer-Seitz, C., Die
Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, 1998;
Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, hg. v. Barwig, K. u. a., 1998; Deutsche
Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a. 1999; Burleigh,
M., Die Zeit des Nationalsozialismus, 2000; Luntowski, G., Hitler und die
Herren an der Ruhr, 2000; Ruck, M., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 2000
(37077 Titel); Hartl, B., Das nationalsozialistische Willensstrafrecht, 2000;
Wiggershaus-Müller, U., Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft, 2. A.
2000; Süß-Hoffmann, E., Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im
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Anwälte 1933-1945, 2001; Gailus, M., Protestantismus und Nationalsozialismus,
2001; Wietog, J., Volkszählungen unter dem Nationalsozialismus, 2001; Döring,
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rechtspolitische Umgang mit den NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren,
2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Meusch, M., Von der Diktatur
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Freudiger, K., Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002; Gellately,
R., Hingeschaut und weggesehen, 2002; Prollius, M. v., Das Wirtschaftssystem
der Nationalsozialisten 1933-1939, 2002; Shuk, A., Das nationalsozialistische
Weltbild in der Bildungsarbeit von Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel, 2002;
Essner, C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Weinke, A., Die Verfolgung von
NS-Tätern, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Wagner,
P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Vieregge, B., Die Gerichtsbarkeit einer Elite,
2002; Sachsen in der NS-Zeit, hg. v. Vollnhals, C., 2002; Moritz, D., Grüß Gott
und Heil Hitler!, 2002; Wildt, M., Generation des Unbedingten, 2002; Overy, R.,
Verhöre, 2002; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie
im Nationalsozialismus, 2002; Majer, D., Nationalsozialismus im Lichte der
juristischen Zeitgeschichte, 2002; Gelhaus, D./Hülter, J., Die Ausleseschulen
als Grundpfeiler des NS-Regimes, 2003; Süß, W., Der Volkskörper im Krieg, 2003;
Volkmann, H., Ökonomie und Expansion, 2003; Prollius, M., Das Wirtschaftssystem
der Nationalsozialisten 1933-1939, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung
des Nationalsozialismus, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G., 2003; Die NS-Strafjustiz
und ihre Nachwirkungen, hg. v. Ostendorf, H., 2003; Schröder, A., Vom
Nationalismus zum Nationalsozialismus, 2003; Englert, T., Deutsche und
italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Schauer, R., Die
Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Tarnung – Leistung – Werbung,
hg. v. Greule, A. u. a., 2004; Grüttner, M., Biographisches Lexikon zur
nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, 2004; Karrieren der Gewalt, hg.
v. Mallmann, K. u. a., 2004; Brechtken, M., Die nationalsozialistische
Herrschaft 1933-1939, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im
Nationalsozialismus, 2004; Albert, M., Die Benediktinerabtei Maria Laach und
der Nationalsozialismus, 2004; Löffler, U., Instrumentalisierte
Vergangenheit?, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004;
Dreyer, M., Die zivilgerichtliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf, 2004; Gruber, H., Nationalsozialistisches Regime und katholische
Kirche, 2004; Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, hg. v.
Lehmann, H. u. a., 2004; Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg.
v. Frewer, A. u. a., 2004; Keim, W., Erziehung unter der Nazi-Diktatur, 2005;
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v.
Gosewinkel, D., 2004; Wagner, A., Machtergreifung in Sachsen, 2004; Bleckmann,
M., Barrieren gegen den Unrechtsstaat?, 2004; Miquel, M. v., Ahnden oder
amnestieren?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Goschler, C.,
Schuld und Schulden, 2005; Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemeinschaft,
2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Scheuren-Brandes, C.,
Der Weg von nationalsozialistischen Rechtslehren zur radbruchschen Formel,
2005; Diehl, M., Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen
Kriegswirtschaft, 2005; Albrecht, J., Die Avantgarde des Dritten Reiches,
2005; Stadtverwaltung im Nationalsozialismus, hg. v. Mecking, S. u. a., 2005;
Wladika, M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Hochstetter, D., Motorisierung und
Volksgemeinschaft, 2005; Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus,
hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik,
2006; Bollmus, R., Das Amt Rosenberg und seine Gegner, 2006; Kahn, D., Die
Steuerung der Wirtschaft durch Recht im Nationalsozialismus, 2006; Buchheim,
C., Unternehmen in Deutschland und NS-Regime 1933-1945, HZ 282 (2006), 351;
Gruber, H., Katholische Kirche und Nationalsozialismus, 2006; Gotto, B.,
Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Wachsmann, N., Gefangen unter
Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat, 2006; Koop, V., Dem Führer
ein Kind schenken, 2007; Weeber, E., Das Hakenkreuz, 2007; Adel und
Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a.,
2007; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle, 2007; Verfolgte Kindheit, hg.
v. Berger, E., 2007; Eitz, T. u. a., Wörterbuch der Vergangenheitsbewältigung,
2007; Martin Broszat, der Staat Hitlers und die Historisierung des
Nationalsozialismus, hg. v. Frei, N., 2007; Urban, M., Die Konsensfabrik, 2007;
Loose, I., Kredite für NS-Verbrechen, 2007; Moses, A., German Intellectuals
and the Nazi Past, 2007; Bauer, K., Nationalsozialismus, 2008; Schaedler, S.,
„Justizkrise“ und „Justizreform“ im Nationalsozialismus, 2008; Steinacher,
G., Nazis auf der Flucht, 2008; Düwell, N., Die Standesgerichtsbarkeit der
Presse im Nationalsozialismus, 2008; Wittreck, F., Nationalsozialistische
Rechtslehre und Naturrecht, 2008; NS-Raubgut in Bibliotheken, hg. v. Dehnel,
R., 2008; Schmitzberger, J., Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933
bis 1945, 2008; Sie waren dabei - Mitläuferinnen, Nutznießerinnen, Täterinnen,
hg. v. Krauss, M., 2008; Glienke, S., Die Ausstellung ungesühnte Nazijustiz,
2008; Kompisch, K., Täterinnen, 2008; Herlemann, H., Das Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG), ZRG GA 126
(2009), 296; Vom Recht zur Geschichte, hg. v. Finger, J. u. a., 2009; Mertens,
B., Rechtsetzung im Nationalsozialismus, 2009; Roth, M., Herrenmenschen, 2009;
Baumann, S., Menschenversuche und Wiedergutmachung, 2009; Frech, S., Wegbereiter
Hitlers? Theodor Reismann-Grone (1863-1949), 2009; Maier. R., NS-Kriminalität
vor Gericht, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Ruault, F.,
Tödliche Maskeraden - Julius Streicher, 2009; Laudenklos, F., Die Autonomie des
Rechts im Nationalsozialismus, 2009; Siemens, D., Horst Wessel, 2009; Bruns,
F., Medizinethik im Nationalsozialismus, 2009; Das Jahr 1933, hg. v. Wirsching,
A., 2009; Lüdicke, L., Griff nach der Weltherrschaft, 2009; Clavert, F.,
Hjalmar Schacht, 2009; Küpper, R., Karl Hermann Frank (1898-1946), 2010;
Rüstung, Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, hg. v. Heusler,
A. u. a., 2010; Fackelträger der Nation, hg. v. Vogelsang Ip, 2010; Löhnig, M.,
Die Justiz als Gesetzgeber, 2010; Wettern, M. u. a., Opfer
nationalsozialistischer Verfolgung an der Technischen Hochschule Braunschweig
1930 bis 1945, 2010 (mehr als ein Drittel); Wornien, S., Das Verhältnis von
materiellem und formellem Strafrecht während des Nationalsozialismus, 2010;
Winter, R., Täter im Geheimen, 2010; Alisch, M., Heinrich Himmler, 2010;
Harvey, E., Der Osten braucht Dich!, 2010; Schneider, S., Verbotener Umgang.
Ausländer und Deutsche im Nationalsozialismus, 2010; Richter, S., Joseph
Goebbels, 2010; Longerich, P., Goebbels -Biographie, 2010; Propaganda, hg. v.
Sösemann, B., 2011; Refugees from Nazi Germany, hg. v. Caestecker, F. u. a.,
2010; Gedenkstätten des NS-Unrechts und Bundeswehr, hg. v. Wrochem, O, v. u.
a., 2010; Epstein, C., Model Nazi. Arthur Greiser, 2010; ,Ullrich, C., „Ich
fühl’ mich nicht als Mörder“, 2011; Strippel, A., NS-Volkstumspolitik, 2011;
Nationalsozialismus und erster Weltkrieg, hg. v. Krumeich, G., 2010; Rottleuthner,
H., Karrieren und Kontinuitäten deutscher Justizjuristen vor und nach 1945,
2010; Gribbohm, G., „Geführte“ Strafjustiz, 2010; Strupp, C., Nahverkehr und
Nationalsozialismus, 2020; Wilke, K., Die Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit
(HIAG) 1950-1990, 2011; Arendes, C., Zwischen Justiz und Tagespresse, 2011; Der
prekäre Staat, hg. v. Reichardt, S. u. a., 2011; Trümpi, F., Politisierte
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im Nationalsozialismus-HP/RechtswissenschaftimNationalsozialismus-Einfuehrung.doc; Weiss, S., The Nazi Symbiosis, 2010;
Kershaw, I., Das Ende, 2011; Waibel, H., Diener vieler Herren, 2011; Bootz, M.,
Die Hamburger Rechtsprechung zum Arbeitsrecht im Nationalsozialismus, 2011; Hermann,
A., Der Weg in den Krieg 1938/29, 2011; Axer, C., DIe AUrarbeitung der
NS-Vergangenheit. Deutschland und Österreich, 2011; Gerwarth, R., Reinhard
Heydrich, 2011; Jütte, R., Medizin und Nationalsozialismus, 2011; Kellner, F.,
Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne - Tagebücher 1939-1945, hg. v. Feuchert,
S. u. a., 2011; Keller, R., Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich
1941/42, 2011 (etwa 500000); Nationalsozialistisches Migrationsregime und „Volksgemeinschaft“,
hg. v. Oltmer, J., 2012; Stoll,
K., Die Herstellung der Wahrheit,
2012; Schäfers, B., Freispruch in Nürnberg, 2012; Brakelmann, G., Peter Yorck
von Wartenburg 1904-1944, 2012; Löffelsender, M., Strafjustiz an der
Heimatfront, 2012; Schäfers, B., Freispruch in Nürnberg, 2012; Volk, R., Das
letzte Urteil, 2012; Die Verfolgten der politischen NS-Strafjustiz in Hessen,
hg. v. Form, W. u. a. 2012; Brettl, H., Nationalsozialismus im Burgenland,
2012; Pichler, M., Nationalsozialismus in Vorarlberg, 2012; Schreiber, H.,
Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol, 2012; Kaltenbrunner,
M., Flucht aus dem Todesblock, 2012; Eichmüller, A., Keine Generalamnestie,
2012; Brandes, D., Umvolkung, Umsiedlung, rassische Bestandsaufnahme, 2012;
Möhring, A., Richter im Nationalsozialismus -Personalentwicklung und
Personalpolitik am OLG Naumburg 1933-1945, 2012; Ritz, C., Schreibtischtäter
vor Gericht, 2012; Schreiber, H. Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol
und Südtirol, 2012; Brettl, H., Nationalsozialismus im Burgenland, 2012;
Pichler, M., Nationalsozialismus in Vorarlberg, 2012; Wolf, G., Ideologie und
Herrschaftsrationalität, 2012; Volksgemeinschaft, hg. v. Schmiechen-Ackermann,
D., 2012; Kuller, C., Bürokratie und Verbrechen, 2013; Raim, E., Justiz
zwischen Diktatur und Demokratie, 2013; The Law in Nazi Germany, hg. v.
Steinweis, A. u. a., 2013; Hoffmann, V., Die Strafverfolgung der
NS-Kriminalität am Landgericht Darmstadt, 2013 (e-book), Vossius, O., Auf den
Spuren des Bösen, 2013; Gallas, E., Das Leichenhaus der Bücher, 2013; Siegl,
G., Bergbauern im Nationalsozialismus, 2013; Nationalsozialismus und Recht hg.
v. Ramm, T. u. a., 2013; Finger, J. u. a.. Dr. Oetker und der
Nationalsozialismus, 2013; Reudenbach, B. u. a., Mittelalterbilder im
Nationalsozialismus, 2013; Sennholz, M., Johann von Leers, 2013; Schwarzmeier,
L., Der NS-verfolgungsbedingte Entzug von Kunstwerken und deren Restitution,
2013; Strasser-Gackenheimer, C., Die staatsrechtliche Kontinuität des Deutschen
Reichs von der „Machtergreifung“ bis zum Tod Hitlers, 2013; Vondung, K.,
Deutsche Wege tzr Erlösung, 2013; Frank, N., Bruder Norman!, 2013Otterbeck, A.,
Das Finanzamt Bonn im Natio; nalsozialismus, 2014; Die Vereinigte Stahlwerke AG
im Nationalsozialismus, 2014; Ideologie und Moral im Nationalsozialismus, hg.
v. Bialas, W. u. a., 2014; Sachsen und der Nationalsozialismus, hg. v.
Heydemann, G. u. a., 2014
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ist die am 5. 1. 1919 als Deutsche Arbeiterpartei
gegründete Partei, die nach dem Eintritt des berufslosen Gefreiten Adolf →Hitler
im September 1919 am 24. 2. 1920 in 25 Punkten ihr politisches Programm
veröffentlicht. Im Juli 1921 wird Adolf Hitler Vorsitzender. 1922 wird die
Partei in einzelnen deutschen Ländern, am 23. 11. 1923 im ganzen deutschen
Reich verboten, am 27. 2. 1925 aber wieder zugelassen. Ihre Mitglieder vor 1933
sind vor allem männlich, protestantisch und zwischen 21 und 40 Jahren alt. Die
Partei bestimmt, gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und
Gaue, nach wesentlichen Wahlerfolgen das politische Geschehen im Deutschen
Reich von 1933 bis 1945. Am 19. 4. 1933 wird die Aufnahme neuer
Parteimitglieder ausgeschlossen (Aufnahmestopp). Dies wird am 20. 4. 1937
stark gelockert und am 10. 5. 1939 aufgehoben. Am 10. 10. 1945 wird die Partei,
die bis zu 10 Millionen Mitglieder zählt, durch das Gesetz Nr. 2 des →Alliierten
Kontrollrats aufgelöst. →Nationalsozialismus
Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980;
Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit
der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das
Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945, 2002; Madden,
P./Mühlberger, D., The Nazi Party, 2007; Beck, H., Konflikte zwischen
Deutschnationalen und Nationalsozialisten während der Machtergreifungszeit, HZ
292 (2011), 645; Humann, D., Arbeitsschlacht, 2011; Priamus, H., Meyer.
Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft, 2011; Mobilisierung im Nationalsozialismus,
hg. v. Werner, O., 2013; Würz, M., Kampfzeit unter französischen Bajonetten,
2012; Und sie werden nicht mehr frei sein ihr ganzes Leben, hg. v. Becker, S.
u. a., 2012; Herwig, M., Die Flakhelfer. Wie aus Hitlers jüngsten
Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden, 2013
Nationalsozialistisches Recht ist das vom →Nationalsozialismus geprägte bzw. geschaffene
bzw. angewandte Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das
Verfassungsrecht, welches das parlamentarische System in eine →Diktatur
verwandelt. Durch Verordnungen des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2.
1933 werden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das →Ermächtigungsgesetz
vom 24. 3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die
Reichsregierung. Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente
mit dem Reich (31. 3. 1933) überlässt den Landesregierungen
Gesetzgebungszuständigkeit und setzt die Länderparlamente entsprechend der
Sitzverteilung des Reichstages zusammen. Das unmittelbar anschließende Gesetz
zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze
der nichtpreußischen Länder einen Reichsstatthalter, der die Landesregierung
ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien verboten oder aufgelöst.
Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden die Landesparlamente aufgehoben und die
Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der →Reichsrat
aufgelöst. Nach dem Tod des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt Adolf →Hitler
dessen Amt. Daneben werden Minderheiten, vor allem die →Juden, entrechtet
(Nürnberger Gesetze). Rechtsstaatliche Verfahrensregeln werden
eingeschränkt. Rechtsquellen sind Reichstagsgesetze, Reichsregierungsgesetze,
Führerverordnungen, Ministerialverordnungen, Führererlässe, Verwaltungsverordnungen
und Gewohnheitsrecht. Bedeutendere Einzelgesetze sind im Übrigen selten und
führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz, Testamentsgesetz,
Reichserbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung). Der Versuch einer völligen
Neugestaltung des bürgerlichen Rechtes in einem →Volksgesetzbuch misslingt.
Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, wird ihre Anwendung durch
„unbegrenzte Auslegung“ verändert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C.,
Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der
SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung
des Nationalsozialismus, 1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen
Staat, 1970; Jäger, H., Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967; Justiz
und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1986; Bucheit, G., Richter
in roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Meinck, J.,
Weimarer Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978;
Nationalsozialistisches Recht in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer,
H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981;
Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G.,
Justiz im nationalsozialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das
nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986;
Majer, D., Die Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987;
Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987;
Werle, G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers,
B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im
Unrecht, 1994; Reiter, R., Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R.,
Stückwerk und Verdrängung, 1997; Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht,
1998; Dörner, B., „Heimtücke“, 1998; Friedrich, J., Freispruch für die
Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000;
Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus
(1997) CD-ROM, hg. v. Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die
deutsche Versicherungswirtschaft, 2001
Nationalstaat ist der die Einheit der →Nation und die Abgrenzung gegenüber
anderen Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich),
verstärkt seit 1918.
Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und
Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat,
1965; Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985),
455; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat,
ZRG GA 107 (1990), 19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat,
2000
Nationalversammlung ist eine die →Nation vertretende Versammlung von
Abgeordneten. In Frankreich ist N. eine Kammer im Parlament. Im Deutschen Bund
bereitet die deutsche N. die Verfassung vor. Auf Grund von Wahlen in den
Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der Frankfurter Paulskirche eröffnet
und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns der politischen Bewegung aufgelöst.
Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6. 2. 1919 wird in Weimar eine
verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf einer Reichsverfassung am 31.
7. 1919 verabschiedet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256;
Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter
Nationalversammlung aus dem Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner,
R., 1924; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen
constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F.,
Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen
Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die
deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Nationalversammlung
im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der
Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980;
Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar
Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984,
317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozialpolitischen Handelns
in der Frankfurter Nationalversammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter
Nationalversammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989
Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz eines Schadens in Natur.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217
Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau
festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft.
Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit,
Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte
des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R.,
Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Stiller, M., Eine Völkerrechtsgeschichte
der Staatenlosigkeit, 2011
Naturalis obligatio
(lat. [F.], Naturalobligation 1847) ist im römischen Recht die natürliche,
unvollkommene →Verbindlichkeit (z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven
oder Hauskinds). Sie kann freiwillig erfüllt werden, ihre Erfüllung kann aber
nicht erzwungen werden. In der Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn
als nicht erzwingbare Verbindlichkeiten.
Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a,
60 II 3c; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt, P.,
Naturalis obligatio and bare social duty, 2000; Schulze,
G., Die Naturalobligation, 2008
Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht
ist der Inhalt des Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung
grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an
sich geschuldete Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittelalter sind
Leistungen weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das
römische Recht aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H.,
Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378
Naturalobligation (1847) ist die nicht erzwingbare
Obligation, die als (lat. [F.]) →naturalis obligatio
bereits dem römischen Recht bekannt ist. Der dennoch leistende Schuldner hat
keinen Rückforderungsklaganspruch (lat. [F.] condictio).
Lit.: Schulze, G., Die
Naturalobligation, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Naturalrestitution (Savigny 1841) →Naturalersatz,
Naturalleistung, Wiederherstellung in Natur
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld
völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen,
Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen.
Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und
Geldwirtschaft, 1930
Natur der Sache
ist das Wesen eines Gegenstands. Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die
klassischen römischen Rechtskundigen eine Schranke rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des 18.
Jh.s bei →Pütter (1725-1807) und →Runde (1741-1807) als
Rechtsquelle (des gesamten →deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem
Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur
der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der
Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der
Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger,
G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in
der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Natürliche Grenze
ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten
gebildete →Grenze eines Gebiets. Sie verliert im Laufe der menschlichen
Geschichte an Bedeutung gegenüber der künstlichen Grenze.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Naturrecht ist
die Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnotwendigen
und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der
griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom
Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von
Natur aus rechtens, was überall und schon unabhängig von menschlicher
Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der (lat.) naturalis
ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann
und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite
gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom
Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber
sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und stellen die Frage
nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen
spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Domingo de
Soto 1494-1560, Fernando Vasquez 1512-1569, Luis de Molina 1535-1600) und
deutsche Reformierte (z. B. Johann Oldendorp 1486-1567, Johannes Althusius
1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des Naturrechts. Der in Leiden und
Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer Hugo →Grotius
(1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-1608) und in (lat.) De
iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die
Naturrechtslehren aus der Moraltheologie in die Rechtswissenschaft. Ihm
folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf (1632-1694, [lat.] De iure
naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur- und Völkerrecht, 1672), der
in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der juristischen Fakultät) den ersten
Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt besonders auf die Vernunft abstellt,
bezeichnet man es auch als →Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des
deutschen Vernunftrechts ist der im Wesentlichen mit der Reformuniversität →Halle
verbundene Christian →Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.]
iuris naturae et gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der
das Recht endgültig von Theologie und Moral befreit. Sein Schüler Christian →Wolff
(1679-1754) schließlich stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus
pandectarum verwendete gemeine Recht seiner Zeit ([lat.] more geometrico) ein
geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf ([lat.] Ius [N.]
naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749, Naturrecht wissenschaftlich
durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa
für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu 300 Obersätze voraussetzt,
zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England sowie im
positivistisch-historisch bestimmten Kirchenrecht der frühen Neuzeit fremd
bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar
einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen in die
Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits
in der Dogmatik des geltenden Rechtes auf. Immanuel Kant steht dem N. kritisch
gegenüber. Auch Savigny und die von ihm begründete historische Rechtsschule lehnen
das N. als ungeschichtlich ab. Nach 1945 werden kurzfristig naturrechtliche
Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen, weil es mit
bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit herantritt und
aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.
Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins
Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther,
1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202;
Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2.
A. 1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur.
Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des
Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des
Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale
Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der
Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und
Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius,
1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968;
Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969),
1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970;
Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard
Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur
Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der
Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976;
Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del
derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G.,
Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche
Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das positive
Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung
des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Christian
Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht als
politische Theorie, (in) Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H. u. a.
1987, 267; Christian Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989; Bühler,
C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe, N.,
Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H., Politische
Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht - Spätaufklärung
- Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss des Naturrechts
auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, D.,
1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F. u. a., 1997;
Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und
Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998;
Landau, P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit zwischen
Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die
Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten,
(in) Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das
Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als
utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die hallesche Schule des Naturrechts, hg.
v. Rüping, H., 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C., Eigentum
und Naturrecht, 2003; Otte, G., Die Naturrechtsrechtsprechung der
Nachkriegszeit, 2004; Naturrecht und Staat, hg. v. Klippel, D., 2006; Das
Naturrecht und Europa, hg. v. Guz, T., 2007; Wittreck, F., Nationalsozialistische
Rechtslehre und Naturrecht, 2008; Natgural Law and Laws of Nature, hg. v.
Daston, L./Stolleis, M., 2008; Kullmann, W., Naturgesetz in der Vorstellung der
Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung, 2010; Klippel, D.,
Naturrecht und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert - Eine Bibliographie - Band
1 1780 bis 1850, 2012; The Threads of Natural Law, hg. v. Contreras, F., 2012;
Naturrecht und Staat in der Neuzeit, hg. v. Eisfeld, J. u. a., 2013
Naturrechtler ist der Vertreter des →Naturrechts.
Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten
Jahrhunderts, 1982
Naturrechtskodifikation ist die auf →Naturrecht gegründete →Kodifikation
an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch 1811/1812)
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967
Naturschutz ist
der Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht
im 20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz
eingeschlossen.
Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M.,
Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der
europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999;
Naturschutz und Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Schmoll,
F., Erinnerung an die Natur, 2004; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v.
Brüggemeier, G. u. a., 2005; Nellessen, K., Umweltschutz als kommunale Aufgabe,
2007; Lorenzen, J., Das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976, 2012;
Dirscherl, S., Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus, 2012
Naturwissenschaft ist die auf die Natur im Gegensatz zum menschlichen Geist und die
menschliche Gesellschaft oder insgesamt den Menschen bezogene Wissenschaft. Sie
beginnt bereits bei den Griechen und gewinnt seit dem 19. Jh. überragende
Bedeutung.
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Navarra ist
das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt
wird. 905 wird es Königreich, fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und
gerät seit 1234 unter den Einfluss Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne,
1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird
1512 von Aragonien erobert und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt
1589 zu Frankreich.
Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512), ZRG
GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251; Segura
Urra, F., Fazer justicia, 2005
Naziregime →Nationalsozialismus
Neandertaler ist der nach Funden von 1856 in dem
durch industriellen Kalkabbau zerstörten Neandertal bei Mettmann, aus der
europäischen Variante (homo Heidelbergensis) des Frühmenschen (homo erectus)
hervorgegangene, Kleidung und Schmuck kennende, aber vielleicht vor etwa 30000
Jahren von dem in Afrika entstandenen modernen Menschen verdrängte Hominide.
Lit.: Schrenk, F./Müller, S., Die
Neandertaler, 2005
Neapel beruht
auf einer im 8./7. Jh. v. Chr. von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der
im 5. Jh. eine Neustadt (griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer
gelangt es 1057 bzw. 1139 an die Normannen (→Sizilien). 1224 wird es
durch Kaiser Friedrich II. Sitz einer Universität. Über Anjou (1266/1268),
Aragonien (1435), Piemont (1713), Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt
N. 1860 an Sardinien-Piemont und danach 1861 zu Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel, 1964;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233,
3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der Regierung
König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999
Nebenabrede ist die auf Grund der allgemeinen Vertragsfreiheit neben dem notwendigen
Inhalt eines Vertrags stehende zusätzliche, den gewöhnlichen Inhalt ergänzende
oder sonst abändernde Abrede (lat. [N.] pactum adiectum, z. B. im römischen
Recht [lat.] lex commissoria, Wiederkaufsabrede, Bessergebotsabrede).
Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache)
Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des
Grundsatzes „ne bis in idem“, Diss. jur. Zürich 1970
Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)
Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der
Parteien hinausgehen.
Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Neglegentia (lat.
[F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen Schuldrecht (Außerachtlassung
der pflichtgemäßen Sorgfalt, Gegenteil der lat. [F.] diligentia).
Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg. v. Schrage, E., 2001
Negotiorum gestio
(lat. [F.]) oder negotium gestum ist die bereits dem klassischen römischen
Schuldrecht bekannte, vielleicht aus der Verfahrensführung eines (lat. [M.])
procurator und der Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator entstandene →Geschäftsführung
ohne Auftrag, die als kontraktähnliches Verhältnis für den Geschäftsherrn
einen Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen
den Geschäftsführer und umgekehrt möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch
des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn begründet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG
47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
negotium (N.) claudicans (lat.) hinkendes Geschäft (z. B. des beschränkt geschäftsfähigen
Minderjährigen)
negotium (N.) per aes et libram (lat.) Libralgeschäft mit Erz und Waage
Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720 Professor,
1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in Lund und
hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom
römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts
Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem, Einleitung in
die schwedische Ziviljurisprudenz). Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen
Gesetzbuch.
Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman-Ehrenstrale,
Inledning., 1979, 26
Neidingswerk ist
im mittelalterlichen nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche
Handlung. Voraussetzung und Folgen sind unterschiedlich.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen
Recht, 1965
Nekrolog
(M. bzw. N.) Totenbuch
Lit.:
Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004;
Leng, R., Ein Würzburger Necrolog aus dem 9. Jahrhundert, DA 63 (2007), 1; Der
älteste „Necrolog“ des Klosters St. Maximin vor Trier, hg. v. Roberg, F., 2009;
Das Nekrolog des Klosters Ochsenhausen von 1494, red. v. Bigott, B., 2010;
Schmenk, N., Totengedenken in der Abtei Brauweiler, 2012 (Nekrolog von 1476)
Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534)
Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (D.
50. 17. 54)
Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam
ipse habet (lat.). Niemand kann mehr
Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst hat.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)
Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich Kläger und Richter sein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16, 15)
Neoabsolutismus ist der der Verfassungsbewegung des frühen 19. Jh.s. und
besonders des Jahres 1848 folgende, in Österreich durch die gewaltsame
Auflösung des Reichstags am 7. 3. 1849 und durch mehrere Erlasse Kaiser Franz
Josephs vom 20. 8. 1851 (Augusterlässe) eingeleitete Abschnitt des →Absolutismus
(in Österreich besonders 1851 [Silvesterpatent] – 1860 [Oktoberdiplom] bzw.
1861 [Februarpatent] bzw. 1867 [Dezemberverfassung]). Im N. werden die Geschworenengerichte,
der liberale Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und
Gemeinderecht wieder aufgegeben. Es werden aber auch zukunftweisende Entwicklungen
eingeleitet.
Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der
österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1978; Rumpler, H., Eine Chance für
Mitteleuropa, 1997
Nepotismus ist
die Begünstigung von nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der
katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s.
Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145; Die
Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001
Neratius (Saepinum
55/60-nach 133) wird nach langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser
Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender
Vertreter der →Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.])
membranae, in denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklärungen
erörtert werden.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410; Maifeld, J., Die
aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991
Nerva filius
(1. Jh. n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er
ist →Prokulianer. Von ihm ist der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de
usucapionibus (Bücher über Ersitzungen) überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
Nerva pater
(-33 n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist
Haupt der →Prokulianer. Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten
Schriften sind nicht bekannt.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120
Nettelbladt,
Daniel (Rostock 14. 1. 1719-Halle 4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem
Studium (der Theologie und) des Rechtes in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle
1746 Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine Übersicht über das
Naturrecht ([lat.] Systema [N.] elementare universae iurisprudentiae naturalis,
Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht
([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der
gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten
betreffenden Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft) unter Bildung allgemeiner
Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das →Naturrecht in gewisser
Weise in der Dogmatik des positiven Rechtes auf. Als Einzelheit erwähnenswert
ist die Entwicklung des allgemeinen prozessrechtswissenschaftlichen
Begriffs der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer,
Svarez und Klein, die das preußische Allgemeine Landrecht (1794) maßgeblich
prägen.
Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde
Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52
Neubruch (lat.
[N.] novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein
→Zehnt gefordert.
Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3
Neuenburg (Neuchâtel)
erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die
1032/1033 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21.
Kanton der →Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die Behördenorganisation von
Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,455, 3,2,1879;
Bachmann, A., Die preußische Sukzession in Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die
Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998
Neuhegelianismus ist die Fortführung der Gedanken →Hegels im späten
19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neukantianismus ist die Fortführung der Gedanken Kants im späten 19. und
frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ziemann, S., Neukantianisches
Strafrechtsdenken, 2009
Neumarkt in der Oberpfalz
Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967
Neumarkter Rechtsbuch
ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten deutschen Fassung des
Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl
in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/1335) hergestellte, in einer
unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?) des 14. Jh.s überlieferte
Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist in zahlreichen Orten
Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer
Recht an.
Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906;
Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das
älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das
Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische
Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003)
61
Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete
Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein.
Lit.: Seestern-Pauly, F., Die neumünsterschen
Kirchspielgebräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche, 1824; Sievers, H.,
Die neumünsterschen Kirchspielbräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche,
Diss. jur. Kiel 1956
Neun Bücher des Magdeburger Rechtes sind
das zwischen 1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber
nachweisbaren Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung der →Magdeburger
Fragen, dem alten →Kulm, dem glossierten →Sachsenspiegel, dem
Magdeburger Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und dem →Meißner
Rechtsbuch zusammengestellte Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des
Magdeburger Rechtes unter Verwendung des Richtsteig Landrechts und des
Schwabenspiegels auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar
Albert →Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 51
Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den Teilungen →Polens 1793/1795 erlangtes
Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius,
C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960
Neuß
Lit.: Entner, G., Neuß, 1926
Neustadt an der Waldnaab
Lit.: Sturm, H., Neustadt an der
Waldnaab, 1978
Neustadt an der Weinstraße
Lit.: Spieß, P., Die Stadtordnung
Philipps des Aufrichtigen für Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt. d. hist. Ver.
d. Pfalz 66 (1968), 197; Der Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße 1, hg. v.
Erler, A., 1968; Spieß, P., Verfassungsentwicklung der Stadt Neustadt, 1970
(Diss.)
Neuständisch beschränkte Monarchie ist die mit dem Oktoberdiplom (1860) verwirklichte, im Ergebnis aber
dem Konstitutionalismus unterlegene Bindung des Kaisers Österreichs an die
Mitwirkung von Ständevertretungen (neuer Art).
Lit.: Wagner,
S., Der politische Kodex, 2004
Neustrien (Westgebiet?)
ist ein Teil des fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600?) bis zum 8. Jh.
Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria,
Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im
Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989
Neutralität ist
die Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen Auseinandersetzung.
Sie findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit dem
späten 18. Jh. 1856 begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne
Neutralitätsrecht. Die Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N.
(26. 10. 1955 Neutralitätsgesetz, 2001 Allianzfreiheit).
Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta,
S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007; Chevallez, G., Die Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen,
F., Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of
neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der Neutralität, 2004
Neuwied
Lit.: Stupp, H., Die
rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959
Neuzeit ist
der dem Mittelalter folgende, durch zahlreiche Neuerungen (z. B. Entdeckung
Amerikas 1492, neues heliozentrisches Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue
Beziehung zum Altertum u. s. w.)
gekennzeichnete Abschnitt der menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius
[Keller] [1634-1707], Historia tripartita).
Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen
Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der
Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982;
Spezialforschung und „Gesamtgeschichte“, hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982;
Handbook of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994;
Leimgruber, N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die
Neuzeit, 2003; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004ff.
(4000 Artikel für die Zeit von 1450 bis 1850); Emich, B., Frühe Neuzeit, 2006; Frühe
Neuzeit, hg. v. Völker-Rasor, A., 2. A. 2006; Erbe, M., Frühe Neuzeit, 2007;
Die innovative Kraft der Tradition in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R.
v. u. a., 2007; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009;
Vocelka, K., Geschichte der Neuzeit, 2009; Die frühe Neuzeit als Epoche, hg. v.
Neuhaus, H., 2009; Frühe Neuzeit Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v.
Völker-Rasor A., 2009, 3. A. 2010; Frühe Neuzeit in Deutschland -
Literaturwissenschaftliches Verfasserlexikon, hg. v. Kühlmann, W. u. a., Bd.
1ff. 2011ff.; Schmale, W., Das 18. Jahrhundert, 2012
Nevolin,
Konstantin Alekseevic (1806-1855) wird nach dem Rechtsstudium in Sankt
Petersburg und Berlin (Savigny) Professor in Kiew und seit 1843 in Sankt
Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des →Svod Zakonov mit. In seiner
Geschichte der juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die Übernahme der
Gedanken der →historischen Rechtsschule in →Russland ein.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961; Wortman, R., The Development of a Russian legal Consciousness,
1976
Nexti canthichio
ist eine salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) →thunginus des frühen 6.
Jh.s (ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?).
Lit.: Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 285
Nexum (lat.
[N.] Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr.
verbotenes Haftungsgeschäft des altrömischen Rechtes, bei dem durch Erz und
Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem
anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzahlung
einräumt.
Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b, 4c, 39 I 1; Söllner §
8; Köbler, DRG 27
Nicaea (bei Komstantinopel) ist 325 n. Chr. Ort eines von Kaiser Konstantin einberufenen Konzils mit
rund 2000 Teilnehmern (davon 318 Bischöfe, Formulierung des nicänischen
Glaubensbekenntnisses, Bejahung der Wesensgleichheit Jesu mit Gott).
Nichtanzeige geplanter Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in Deutschland seit dem 20. Jh.
hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine eigenständige Straftat.
Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige
geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten,
2002
Nichtberechtigter (1896) ist die Person, der ein
Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach
dem römischen Recht kann von einem Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erworben
werden (lat. →nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen
eröffnet das mittelalterliche Recht den →gutgläubigen Erwerb vom
Nichtberechtigten.
Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in
romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtehe ist die absolut nichtige, einer Vernichtung nicht bedürftge oder
zugängliche Ehe (z. B. bei Nichtmitwirkung des Standesbeamten oder [bislang]
der Geschlechtsgleichheit der Eheschließenden).
Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensgemeinschaft
eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als →Konkubinat
oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch.
Für sie gelten im Wesentlichen die allgemeinen Regeln, nicht dagegen die besonderen
Bestimmungen über die eheliche Lebensgemeinschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungsrecht
und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft,
1995
Nichteheliches Kind ist
in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das uneheliche Kind. Dieses
ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem früheren Recht ist sein
Unterhaltsanspruch erweitert und durch die Regelunterhaltsverordnung (27. 6.
1970) präzisiert. Dennoch bestehen nach 1969 weiter Unterschiede zum ehelichen
Kind (Feststellung der Vaterschaft, Name, elterliche Sorge, Unterhalt,
Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern
eines nichtehelichen Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird
in Deutschland die Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen
Kindern beseitigt und damit auch die gesetzliche Amtspflegschaft für das
nichteheliche Kind aufgegeben (Spanien 1979/1981).
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung
des nichtehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer
Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und Ehescheidungsrechts,
1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 214; Heinrich,
T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W., Nichteheliche Kinder
und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Arends Olsen, L., La
femme et l’enfant, 1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen
Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des Nichtehelichenrechts
(1961-1969), hg. v. Schubert, W., 2003; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht,
2004; Klose, B., Das Verblassen eines Makels, 2013
Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier
kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert
bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem
Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich das
Leistungsstörungsrecht für →Verzug, →Unmöglichkeit und sonstige
Pflichtverletzung (→positive Forderungsverletzung). Die Einrede des
nichterfüllten Vertrags entsteht dabei aus römischem Recht und kirchlichem
Recht im 15./16. Jh.
Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen
Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000; Roos, C., Die
Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des
nichterfüllten Vertrags, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen
Erfüllung, 2004
Nichtigerklärung (nichtig 1450) ist die ausdrückliche Erklärung der Nichtigkeit einer Handlung durch die
zuständige Stelle (z. B. der Ehe durch Gericht nach AGBG bei bestehendem
Eheband, Irrtum oder Zwang bei der Eheschließung bzw. nach den §§ 21ff. EheG).
Lit.: Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtigkeit (1294) ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht
billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht
bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im
Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen
römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit
von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas
bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und
Gesamtnichtigkeit, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39;
Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine
gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit
dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla)
allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie
im Heiligen Römischen Reich in unklarer
Abgrenzung zur →Appellation aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine
Nichtigkeit nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der →Wiederaufnahme
des Verfahrens geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren
des Nationalsozialismus kann ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt
mit der N. angegriffen werden. In Österreich können rechtliche Fehler eines
Schöffengerichts oder Geschworenengerichts zur Wahrung des Gesetzes vor dem
obersten Gerichtshof angefochten werden. →Nichtigkeitsklage
Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A.,
Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976, 46
Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im
römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen
zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde
ist unscharf. Seit 1877/1879 kann eine N. nur in den gesetzlich fest umrissenen
Fällen der →Wiederaufnahme des Verfahrens erhoben werden. Eine besondere
Ehenichtigkeitsklage ist in Deutschland seit 1. 7. 1998 nicht mehr vorgesehen.
→Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht,
1868, Neudruck 1969, 937
Nichtschuld ist
das Fehlen einer Verbindlichkeit. Bereits das klassische römische Recht
gewährt bei Leistung auf eine N. einen Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.]
indebiti). Dieser wird seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich aufgenommen (Worms 1499). →Bereicherung
Lit.: Köbler, DRG 47, 166
Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel 1763-1836),
Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in Limburg, danach
Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und seit 1820
Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von →Napoleon (1811)
eingeführte französische →Code civil die Grundlage der Beratung für das
erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der →Niederlande wird und
damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830
verselbständigte →Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsgesetzbuch
erst gar nicht erfasst wird.
Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23
Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn,
wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in
Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die „Römische Geschichte“ (Bd.
1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek
des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen des →Gaius
(Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).
Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii
quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr,
1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979
Niederdeutsch ist das nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste,
räumlich den niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch,
altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. →Sachsenspiegel]), das in der
Neuzeit schriftsprachlich dem Hochdeutschen unterliegt und nur noch
umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch).
Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche
Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004; Bölsing, F.,
Niederdeutsche Sprachlehre - Plattdeutsch im Kirchspiel Lindhorst
Schaumburg-Lippe, 2011
Niederer Adel ist
in neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der
Unfreiheit aufgestiegene →Adel im Gegensatz vor allem zum
Landesherrschaft habenden Adel.
Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen
Adels, 1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel,
V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979
Niedere Vogtei
ist im deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht
hervorgegangenes Bündel grundherrschaftlicher und gerichtsherrlicher Rechte
(des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?).
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975, 78, 198
Niedergericht ist das für Klagen um →Schuld und bewegliche →Sachen sowie
für leichtere Straffälle zuständige →Gericht im Gegensatz zum →Hochgericht
und Blutgericht. N. ist etwa das Zentgericht, Gogericht, Schulzengericht,
Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder teilweise auch das
Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung einfacher Sachen
aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh. steht das N.
allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die Grundherren
über (Patrimonialgericht). Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt
zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig. Vom N. kann zunehmend an ein Obergericht
appelliert werden.
Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche Niedergericht
auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das tägliche Gericht,
1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt im badischen
Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958, 50;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche
Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter,
M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern,
2000
Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die
Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise
im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg
erlangt. Es endet im Liberalismus des 18./19. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823,
Köln 1831).
Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht,
1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, (in) Scripta
mercaturae, Bd. 2 1970, 41
Niederlande sind
der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene nordwestmitteleuropäische
Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen
besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt im Spätmittelalter
allmählich an den Herzog von Burgund und nach dem Aussterben der für die N.
1473 in Mecheln einen obersten Gerichtshof errichtenden Herzöge von Burgund
(1477) an die →Habsburger, die es 1521 an ihre spanische Linie geben bzw.
1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N.
(frz. Pays d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben.
Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus
bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der
habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das
Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen Verlauf
am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien zum
königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795 statthalterlos).
1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog. Generalstaaten (Republik
der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit 1635 mit Frankreich verbündeten
Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster Staat (Republik) (von Spanien)
anerkannt. In ihm wählen die Stände den Statthalter, dessen Amt im Hause
Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt. Zugleich erwerben die N. umfangreiche
Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der Herrschaft Frankreichs (1795) in der
daraufhin gebildeten Batavischen Republik die Vereinheitlichung des bis dahin
sehr zersplitterten (z. B. friesischen, holländischen, seeländischen,
geldrischen), subsidiär gemeinrechtlich orientierten Rechtes (1. 5. 1798
Staatsregelung für das batavische Volk [Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung
und Kriminalprozessordnung, 1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs,
ab 1806/1807 Arbeiten an einem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806
wandelt Napoleon die Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte
1806-1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch
für das Königreich Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code
Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch) für das Königreich Holland in Kraft
gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird Holland mit Frankreich vereinigt. 1811 wird das
Recht Frankreichs im ehemaligen Holland eingeführt. Mit Napoleons Niederlage in
der Völkerschlacht bei Leipzig lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von
Frankreich. Im März 1814 wird eine Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten
Niederlande) verkündet. Zur gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die
1713/1714 nach dem spanischen Erbfolgekrieg von Spanien an Österreich
gelangen, und das Hochstift Lüttich dem aus dem Fürstentum sich bildenden
Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830 lösen sich diese teilweise frankophonen
Gebiete im selbständig werdenden →Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10.
1838 erhalten die N. nach dem Vorbild des →Code civil ein Bürgerliches
Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handelsgesetzbuch, eine Zivilprozessordnung
und eine Strafprozessordnung (1926 erneuert), 1881/1886 ein Strafgesetzbuch.
Ab 1951 wirkrn die N. an der Bildung der europäischen Gemeinschaften (1993
Europäische Union) mit.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht
van oud-nederlandsche Rechtsbronnen, 1881; Gratama, M., Het onuitgegeven
Landrecht van Drenthe, 1883; Westerkamp, J., Das Bundesrecht der Republik der
vereinigten Niederlande, 1890; Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der
Niederlande zum deutschen Reich, 1903; Andreae, F., Über den Ursprung der
niederländischen Rechte, ZRG GA 30 (1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des
Leistungsverzuges, 1913; Gossen, J., De rechterlijke Organisatie van Zeeland,
1917; Müller, E., Eine niederländische Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 38
(1917), 305; Van Apeldoorn, Geschiedenis van het nederlandische huwelijksrecht
voor de invoering van de fransche wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip
van het oud-vaderlandsch burgerlijk Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit
Bewijsstukken, 1924, 1926), 6. A. 1950; Bijnkershoek, C. van, Observationes
tumultuariae, hg. v. Meijers, E. u. a., Bd. 1f. 1926ff.; Gosses, J.,
Welgeboren en Huislieden, 1926; Schaap, H., Philips Wielant en diens Corte
Instructie, 1927; Monté ver Loren, J. de, De historische ontwikkeling van de
begripen bezit en eigendom, 1929 (Diss. jur. Utrecht); Fischer, H., De
geschiedenis van de reëlle executie bij koop, 1934; Pitlo, R., De ontwikkeling
der esecuteele, 1941; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Huizinga,
J., Herbst des Mittelalters, 1945; Overdiep, G./Tjessinga, J. C., De
Rechtsomgang van Franekeradeel 1406-1438, 1950; Aubin, H./Menzel, E., Die
niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung, 1951; Feenstra, R., A quelle
époque les Provinces-Unies sont-elles devenues indépentes, TRG 20 (1952), 30,
182; Vries, K. de, Bijdrage tot de kennis van het strafprocesrecht in de
Nederlandse steden, (1956); Lademacher, H., Die Stellung des Prinzen von
Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572 bis 1584, 1958; Schneppen,
H., Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, 1960; Westerink,
G., Doornspijk en Elburg, 1961; Andreae, F., De Nederlandse staat, 1961;
Costumen van’s-Gravenhage 1451-1609, hg. v. Hart, G. t’ u. a., 1963; Petri, F.,
Die Kultur der Niederlande, Handbuch der Kulturgeschichte, Lieferungen 68-72,
80-84, 1964; Wedekind, W., Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de
procesgang in civiele zaken, 1971; Bibliografie Nederlandse rechtsgeschiedenis,
hg. v. Nederlands centrum voor rechtshistorische documentatie, Bd. 1ff.
1971ff; Hardenberg, L., Der dreizehnte Pfennig, ZRG GA 90 (1973), 185; Simons,
C., Marine justitie, 1974; Gerbenzon, P./Algra, N., Voortgangh des rechtes, 5.
A. 1979; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,58,522,973, 2,2,744,1399, 3,1,1191,
3,2,2603, 3,3,3402,3732,3801,3901,3979,4099; Spruit, J., Niederländische
rechtsgeschichtliche Literatur aus den Jahren 1945-1975, ZRG GA 92 (1975),
371; Huusen, A., De codificatie van het Nederlandse huwelijksrecht 1795-1838,
1975 (Eherecht); Consilium Magnum 1473-1973, 1977; Vrugt, M. van den, De
Crimenele Ordonnantiën van 1570, 1978; Herwaarden, J. van, Opgelegde
Bedevaarten, 1978; Groenveld, S. u. a., De Kogel door de Kerk?, 1979; Jappe
Alberts, W., Het middeleeuws keurboek van de stad Doetinchem, 1979; Gall, H.,
Bronnen van de Nederlandse Codificatie, Personen- en Familienrecht 1798-1820,
1981; De Ontwerpen lijfstraffelijk wetboek 1801 en 1804, hg. v. Moorman van
Kappen, O. u. a., 1982; Brokken, H., Het ontstaan van de hoekse en kabeljauwse
twisten, 1982; Faber, S., Strafrechtspleging en criminaliteit te Amsterdam
1680-1811, 1983; Lademacher, H., Geschichte der Niederlande, 1983; Prevenier,
W./Blockmans, W., Die burgundischen Niederlande, 1986; Schepper, H., de,
Belgium Nostrum, 1987; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas
méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Schilling,
J./Täubrich, R., Niederlande, 1988; Moormann van Kappen, O., Ein Rückblick anlässlich
der Hundertjahrfeier des niederländischen Strafgesetzbuches, ZRG GA 105
(1988), 256; Godding, P., Le droit privé, 1993; Lademacher, H., Die
Niederlande, 1993; Holthöfer, E., Beiträge zur Justizgeschichte der
Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20. Jahrhundert, 1993; Israel,
J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur politischen und
verfassungsrechtlichen Bedeutung der batavischen Umwälzung, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; North, M., Geschichte der Niederlande, 1997;
Mörke, O., Stadtholder oder Staetholder?, 1997; Arndt, J., Das Heilige Römische
Reich und die Niederlande, 1998; Moorman van Kappen, O., Zwei Jahrhunderte
niederländische Kodifikationsgeschichte (1797-1997), (in) Kodifikation und
Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1997, 137; Honoris causa, hg. v.
Coppens, E., 1999; Gallin, I., Rechtsetzung ist Machtsetzung, 1999; De Monté
ver Loren, J., Hoofdlijnen uit de ontwikkeling der rechterlijke organisatie in
de Noordelijke Nederlanden, 7. Druck 2000; Sap, J., The Netherlands
Constitution, 2000; Milton, G., Muskatnuss und Musketen, 2001; Koenigsberger,
H., Monarchies, States generals and Parliaments, 2001; Weis, M., Les pays-bas
espagnols, 2003; Hogenstijn, C., Het algemeen welzijn van het volk, 2004;
North, M., Geschichte der Niederlande, 2. A. 2005; Cumulatieve editie van het
Burgerlijk Wetboek, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; Mörke, O., Wilhelm von
Oranien (1533-1584). Fürst und Vater der Republik, 2005; Kok, G., In dienst van het recht – uit de geschiedenis
van het Gerichtshof ‘s-Gravenhage en de daaraan vooraf gegane hoven
(1428-heden), 2005; Wassink, J., Van stad en bitenie, 2005; Becker, H., De
Etstoel van Drenthe, 2005; Eggens, A., Van daad tot vonnis, 2005; Bosch, A., De
ontwikkeling van het strafrecht in Nederland van 1795 tot heden, 4. A. 2005, 5.
A. 2008; Maczkiewitz, D., Der niederländische Aufstand gegen Spanien
(1568-1609), 2005; Roes, H., Het naaste bloed erfde het goed, 2006; Nederland
in Franse schaduw, red. v. Sirks, A. u. a., 2006; Leenknegt, G. u. a., Opstand
en Eenwording, 2006; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Braake, S.
ter, Met recht en rekenschap - de amtenaren bij het Hof van Holland, 2007;
Trillo, A., Geschichte des Aufstandes und der Kriege in den Niederlanden, hg.
v. Bacigalupe, M. u. a., 2008; Onder de huidige omstandigheden. De Hoge Raad en
het Toetsingsarrest 1943, hg. v. Venema, D. u. a., 2008; The Old Library of the
Supreme Court of the Netherlands, hg. v. Pikkemat, J., 2008; Verfassungsdokumente
Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg. v. Stevens, F., 2008; Van
Hofstraeten, B., Juridisch Humanisme en costumiere acculturatie, 2008; Seggern,
H. v., Geschichte der burgundischen Niederlande, 2009; Van der Velden, B., Van
Praktizijnsobleiding tot juridische Faculteit, 2009; Tweehonderd jaren
codificatie van het privaatrecht in Nederland, hg. v. Lokin, J. u. a., 2010; Parthesius, R., Dutch Ships in Tropical Waqters, 2010; Van
der Velden, B., Ick lach met Grotius, 2011; Kubben, R., Regeneration and
Hegemony - Franco-Batavien Relations in the Revolutionary Era, 1795-1803, 2011;
Tweehonderd jaar rechters, hg. v. Van Boven, M. u. a., 2011; Van Hall, H.,
Eijsden, 2011; Soen, V., Vredehandel, 2012; Berkvens, A. u. a., Het Franse Nederland, 2012Stegemann,
J., Handbuch Niederländisch, 2013
Niederösterreich ist das unter (östlich) der Enns gelegene Land →Österreichs
(bis 1918 amtlich Österreich unter der Enns). Es steht am Beginn der Geschichte
von (ahd.) ostarrihhi (996). Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N.
(mit Oberösterreich). 1542 und 1552 werden Polizeiordnungen der niederösterreichischen
Ländergruppe erlassen. Ausgearbeitete Landrechte bleiben Entwürfe (Institutum
Ferdinandi 1526, Entwurf Wolfang Püdlers 1573, Entwurf Strein-Linsmayr 1595,
Entwurf der vier Doktoren 1654 [teilweise als Einzelgesetz in Kraft gesetzt
Vormundschaftsordnung 1669, Tractatus de iuribus incorporalibus 13. 3. 1679
und neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament 28. 5. 1720]). 1650
wird eine Landesordnung für Österreich unter der Enns geplant, 1656 nach dem
Vorbild der Constitutio Criminalis Carolina (1532) eine Strafzumessung und
Konkurrenzen ausführlicher behandelnde peinliche Landgerichtsordnung
erlassen (Ferdinandea, verwertet in der peinlichen Halsgerichtsordnung
Josephs I. von 1707 und der Constitutio Crimininalis Theresiana von 1768). Bis
1806 ist N. mit Oberösterreich ein einziges Reichslehen. Von 1804 bis 1918 ist
es ein Kronland, ab 1918 ein Land Deutschösterreichs bzw. Österreichs
(1939-1945 mit nördlichem Burgenland Reichsgau Niederdonau). Nach der Herausnahme
Wiens aus N. als eigenes Bundesland (1921/1. 1. 1922) gibt sich N. 1997 eine
eigene Hauptstadt in Sankt Pölten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T., Bericht
des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21 (1900),
235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag, bearb. v.
Frieß, E. u. a., 1957; Gutkas, K., Geschichte des Landes Niederösterreich,
1958, 6. A. 1983; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964;
Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969; Feigl, H., Der
niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder, W., Zur
Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, FS H. Demelius,
1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H., 1975;
Wesener, G., Das Verfahren vor der niederösterreichischen und innerösterreichischen
Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27
(1979), 181; Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Reformen auf
die Landwirtschaft, hg. v. Feigl, H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des
Parlamentarismus in Niederösterreich, 1985; Feigl, H., Recht und
Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Wesener, G., Einflüsse und Geltung
des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Kohl,
G., Die Anfänge der modernen Gerichtsorganisation in Niederösterreich, 2000;
Niederösterreichisches Urkundenbuch, Bd. 1f., hg. v. Weltin, M. u. a., 2008ff.;
Im Schnittpunkt frühmittelalterlicher Kulturen, hg. v. Zehetmayer, R., 2008;
Urkunde und Geschichte, 2008
Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in die See
nahen Verlauf samt dem umliegenden Gebiet, Gegensatz Oberrhein zwischen Baden
und Elsass)
Lit.: Becker, N., Das Land am
unteren Niederrhein, 1992; Opitz-vonBardeleben, P., Das Generalgouvernement
Niederrhein, 2013
Niedersachsen ist das durch die Verordnung Nr. 55 der britischen Militärregierung am
1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover Preußens, Braunschweig, Oldenburg
und Schaumburg-Lippe gebildete deutsche Bundesland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die
Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft
Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v.
Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und
Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in
der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952;
Schnath, G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA
81 (1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A.
1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1
1988; Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und
Neubeginn, hg. v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert,
J. u. a., 2003; Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte,
hg. v. Wieden, B. bei der, Bd. 1 2004; Kroeschell, K., recht unde unrecht der
Sassen, 2005; Appenzeller, G., Das Niedersächsische Wörterbuch, 2011; 100mal
Niedersachsen, hg. v. Otte, H. u. a., 2011; Ipsen, J., Niedersächsische
Verfassung, 2011; Niedersächsisches Klosterbuch, hg. v. Dolle, J., Bd. 1ff.
2012; Die Kabinettsprotokolle der hannoverschen und niedersächsischen Landesregierung
1946-1951, bearb. v. Nentwig, T., 2012; Bei der Wieden, B., Handbuch der
niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, 2013; Nentwig, T., Hinrich
Wilhelm Kopf (1893-1961), 2013
Niederschlesien →Schlesien
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Niemand kann zwei Herren dienen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg.
von R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)
Nießbrauch (1496,
lat. [F.] ususfructus) ist die Belastung einer fremden (unverbrauchbaren) Sache
in der Weise, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt
ist, die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen (höchstpersönliche Personalsrevitut,
beschränktes dingliches Recht). Der N. entwickelt sich in Rom wohl seit dem 3.
Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem entspricht auch das
deutsche Recht (→Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter wird das
römische Recht aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt. Vgl. §§ 509ff.
ABGB.
Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis
zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der
Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Niftelgerade →Gerade
Nihil obstat
(lat.). Es steht nichts entgegen.
Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386-Palermo 1445 [deswegen Panormitanus]) wird
nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna 1412 Professor in Bologna, danach
in Parma und Siena, 1434 Erzbischof von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des
Konzils von Basel tätig (1432-1433, 1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst
er die (lat.) Commentaria (N.Pl.) in quinque decretalium libros (Kommentare in
die fünf Bücher Dekretalen). In dieser bedeutendsten Leistung der Kirchenrechtswissenschaft
des 15. Jh.s übernimmt er bereits in Bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe
Vorstellungen aus dem weltlichen Recht der Kommentatoren (→Bartolus).
Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de
Tudeschis, 1964
Nikolaus von Kues
(Kues 1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs),
wird nach dem Studium der freien Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in
Padua Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von
Brixen. Er ist in Abkehr von der →Scholastik einer der ersten Humanisten
Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte ist seine (lat.) Concordantia (F.)
catholica (1433, Katholische Konkordanz) von großer Bedeutung, in der er aus
dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für
das Reich vorschlägt.
Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von Cues
und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa opera,
hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N.,
1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen, E.,
Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch, K.,
Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001;
Hensel-Grohe, M., Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Nicolai de Cusa
opera omnia - Symposium zum Abschluss der Heidelberger Akademie-Ausgabe, hg.
v. Beierwaltes, W., 2006
Nimwegen (Nijmegen)
am südlichen Waalufer erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n.
Chr. als römisches Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus
(Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird N. Reichsstadt. 1577 gelangt es an die
Niederlande. 1923 erhält es (nach einem frühneuzeitlichen Vorläufer) eine
(katholische) Universität (2004 Radboud-Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B.,
Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990
nobilis (lat.)
adelig →Adel
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie,
ZRG GA 19 (1898), 76; Hölkeskamp, K.,
Die Entstehung der Nobilität, 1987, 2. A. 2011; Stadtadel und Bürgertum, hg. v.
Elze, R. u. a., 1991; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997
Noblesse de robe
ist eine Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung
der Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt
Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris stellt bereits →Bartolus
im 14. Jh. dem Adligen gleich.
Lit.: Bluche, F./ Durye, P., L’anoblissement par charges
avant 1789, Bd. 1f. 1962
nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) →landschädliche Leute
Lit.: Köbler, DRG 117
nominatio (lat.
[F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt)
nomos (griech.
[M.]) Gesetz
Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995
Nona (lat.
[F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig bestehende Abgabe des
Zehntels der Erträge neben dem →Zehent.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss
des Alten Testaments, 2. A. 1970, 57
Nonne (F.)
Ordensangehörige
Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921; Parisse,
M., Les nonnes, 1983; Medieval religious Women, 1984ff.; Nonnen, Kanonissen und
Mystikerinnen, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2008
Noodt,
Gerard (Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem Rechtsstudium im Nijmegen,
Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in Nijmegen, 1679 in Franeker,
1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist kleineren Schriften weisen ihn
als antiquarischen Humanisten aus, der durch seine kritisch-vernünftige
Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.
Lit.: Bergh, G. van den, The Life and Work of Gerard Noodt,
1988
Nordatlantische Verteidigungsorganisation (North
Atlantic Treaty Organization, NATO, 4. 4. 1949 Vereinigte Staaten von Amerika,
Kanada, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark,
Island, Italien, Norwegen, Portugal, bis 2009 28 Mitglieder)
Lit.: Masala, C., Den Blick nach
Süden?, 2003; Hauser, G., Die NATO, 2008; Varwick, J., Die Nato, 2008; Gersdorff,
G. v., Die Gründung der Nordatlantischen Allianz, 2009
Norddeutscher Bund ist
der auf Vorschlag →Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten →Deutschen
Bundes tretender Bundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit
Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen,
17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1.
7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem
Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundesoberhandelsgericht in
Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich
treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg
(25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum →Deutschen Reich umgeformten
Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die
Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3.
6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870)
und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).
Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell,
20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867; Binding,
K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889, Neudruck 2013; Wilhelm R., Das
Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W.,
Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983,
149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985
Norddeutscher Reichsbund
ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens am 9. 7. 1807
verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium des Kaisertums
Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen.
Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund,
(in) Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50
Nordeuropa →Skandinavien
Lit.: Dethlefsen, O., Die
nordische Einheitsbewegung, 1941; Nicholas, D.,
The Northern Lands. Germanic Europe c- 1270-c. 1500, 2009; Scheel, R.,
Lateineuropa und der Norden, 2012
Nordhausen
Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen
der Reichsstadt Nordhausen, 1939
Nordhorn
Lit.: Specht, H., Stadt- und
Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941
Nordisches Recht
ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen (altnorwegisch-isländischen,
altschwedischen und altdänischen) Rechtes. Es ist seit dem 12. Jh. in
zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens ([ostnorwegisch]
Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frostathingsbok, Gulathingsbok,
Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118, Gragas 1258/1271),
Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um 1300, Gutalagh
1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330, Helsingelagh
1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210, Liber legis
Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov 1241)
überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten. Dazu
kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König →Magnus
Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida
(1271/1273), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus
Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die
Isländersagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische
Königsspiegel (1260/1265) erkennen. →Dänemark, →Finnland, →Island,
→Norwegen, →Schweden
Lit.: Grenander, B., Ur förhandlingsprincipens historia,
1879; Amira, K. v., Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.;
Brandt, F., Forelæsninger over den norske Retshistorie, 1883; Lehmann, K.,
Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 7
(1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8 (1887), 165; Lehmann, K.,
Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K., Verzeichnis der von 1887
bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889), 246; Vleuten, M. van, Die
Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Maurer, K.,
Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Motzfeldt, U.,
Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911, Neudruck 2013; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs- und
Beuterecht, 1913; Østberg, K., Norsk Bonderet 1f., 1914ff.; Pappenheim, M.,
Rasengang und Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922);
Taranger, A., Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des
alternden Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt,
W., Fluch, Eid, Götter – altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C.
Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939
(SB Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der
Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler,
A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt,
B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K. v., Altnordische Rechtswörter,
1964; Nordisk rättshistorisk litteratur 1956-1965, zusammengestellt v.
Carlsson, S., 1972; Forssell, H., Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt,
H., Der Stabreim in altnordischen Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische
rechtshistorische Literatur, ZNR 1 (1979); Nordisk rättshistorisk litteratur
1966-1975, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische
Rechtssysteme, 1987; Dübeck, I., De nordiske lovböger, (in) Rättshistoriska
studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte und theoretische Dimension, red. v.
Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk Rättskällelära, 1991; Grönberg, L.,
Nordisk rättshistorisk litteratur 1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat
nach altwestnordischen Quellen, 1993; Björne, L., Patrioter och institutionalister,
Den nordiska rättsvetenskapens historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L.,
Brytningstiden, Den nordiska rättsvetenskapens historia del II 1998 (1815-1870);
Björne, L., Den konstruktiva
riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens historia del III (1871-1910), 2002;
Tamm, D., Justizforschung, germanisches Recht und nordische Rechtsgeschichte,
ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land och fæ, 2003; Sandström, M.,
Rättsvetenskapens Princip, 2004; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval
Nordic Legislation, 2010; Björne, L., Die nordische Rechtswissenschaft, ZRG GA
127 (2010), 262; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011;
Lassen, A., Odin, 2011; Letto-Vanamo, P., Nordische Rechtsgeschichte - eine
europäische Variante? (in) ZNR 2013 112
Nördlingen
Lit.: Nördlinger Stadtrechte des
Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933; Kudorfer, D., Nördlingen, 1974
Nordrhein-Westfalen ist das vor allem aus Teilen
Preußens am 23. 8. 1946 gebildete deutsche Land im Nordwesten des Deutschen
Reiches bzw. später der Bundesrepublik Deutschland..
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre
Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine
Verwaltungsgeschichte Nordrhein-Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der
Gemeindeverfassung, 1998; Haunfelder, B., Nordrhein-Westfalen, 2006; Düding,
D., Parlamentarismus in Nordrhein-Westfaeln 1946-1980, 2008; Hitze, G.,
Verlorene Jahre? Die nordrhein-westfälische CDU, 2010; 60 Jahre Justizministerium
Nordrhein-Westfalen, 2010; Weißer, A., Die innere Landesgründung von
Nordrhein-Westfalen, 2012; Mecking, S., Bürgerwille und Gebietsreform, 2012
Nordsee
Lit.: Aubin, H.,
Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Norseeraum, ZRG GA 72 (1955), 1
Noricum ist
die nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den Römern unterworfenen,
vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich (um 200 v. Chr.)
benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.) in den Alpen. In der Folge wird
bis in das 15. Jh. auch Bayern als N. bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I.,
Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum, 1974
Norm ist
eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene Bezeichnung für Regel,
Vorschrift oder Rechtssatz.
Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex
Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die privatrechtlichen
Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages,
1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997; Norm und Tradition,
1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und Normativität in der Zeit
der Renaissance, 2001; Dilcher, G., Normen zwischen Oralität und Schriftkultur,
2008; Von der Ordnung zur Norm, hg. v. Drossbach, G., 2010; Busch, L.,
Standards, 2011
Normaljahr ist
ein für eine rechtliche Folge als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für
den Bekenntnisstand im Westfälischen Frieden von 1648).
Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973
Normandie ist
die östlich an den Kanal zwischen dem europäischen Festland und England
angrenzende, im 9. Jh. von den →Normannen eroberte Landschaft. Von hier
aus wird 1066 der Herzog der N. durch Eroberung König von →England. Über
Heinrichs I. von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw.
Plantagenets (1144/1150), die auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England
(1154) beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach
ihrer Wiedergewinnung durch England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an
Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Très ancien →coutumier
de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa
[F.] de legibus Normannie).
Lit.: Le très ancien coutumier de Normandie, hg. v. Tardif,
E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia laicali, hg. v. Tardif, E.,
1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E., 1910; Pissard, H., La
clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions et ensaignements, hg.
v. Besnier, G. u. a., 1912; Atiremens et jugiés d’échiquiers, hg. v. Génestal,
R. u. a., 1921; Plaids de la sergenterie de Mortemer 1320-1321, hg. v.
Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le très ancien droit normand,
1926; Yver, J., L’interdiction de la guerre privée, (in) Travaux de la semainde
d’histoire du droit Normand 1927, 1928; Besnier, R., La représentation
successorale, 1929; Index des termes juridiques et économiques contenus dans le
recueil des jugements de l’echiquier de Normandie au 13e siècle v.
Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal, R., Études de droit privé normand, 1
La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L’office héréditaire du Focarius regis Angliae,
1931; Besnier, R., La Coutume de Normandie, 1935; Besnier, R., Les donations
entre époux, RHDFE 1936, 701; Histoire de la Normandie, 1970; Le Patourel, J.,
The Norman Empire, 1976; England and Normandy, hg. v. Bates, D. u. a., 1994;
Musset, J., Le régime des biens entreépoux, 1997; Neveux, F., La Normandie,
1998; 1204. La Normanide entre Plantagenêts et Capétiens, hg. v. Flambard
Héricher, A. u. a., 2007
Normanne (Nordmann)
ist der in Nordfrankreich (Normandie) im 9./10. Jh. sesshaft werdende →Wikinger.
Von dem 911 an der unteren Seine auf überlassenen Land gegründeten Fürstentum
(nach 987 Herzogtum) aus greifen die bald christianisierten und romanisierten
Normannen 1066 nach England aus. Die seit 1016 in Unteritalien als Söldner
verwendeten Normannen erhalten von Kaiser Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa
und erobern zwischen 1057 und 1085 die Güter Byzanz‘ und langobardischer
Fürsten sowie 1061-1091 von den Arabern (Sarazenen) →Sizilien. 1130 wird
Roger II. König von Sizilien und verbindet normannisch-romanische Gegebenheiten
mit griechischen und arabischen. Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der
unterworfenen Bevölkerung auf.
Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Kehr,
P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste
(1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le
Conquérant, hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen in Sizilien,
2. A. 1973; Jäschke, K., Wilhelm der Eroberer, 1977; Jäschke, K., Die
Anglo-Normannen, 1981; Jahn, W., Untersuchungen zur normannischen Herrschaft
in Sizilien, 1989; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of
Sicily, 1993; Heller, K., Die Normannen in Osteuropa, 1993; Chibnall, M., The
Debate on the Norman Conquest, 1999; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens
zum systematisierten Konflikt, 2002; Plassmann, A., Die Normannen, 2008; Becker,
J., Graf Roger I. von Sizilien, 2008; Houben, H., Roger II., 2. A. 2010
Normativbestimmung ist die durch eine →Norm aufgestellte oder wie eine
Norm wirkende Bestimmung. Im 19. Jh. wird für juristische Personen das
Oktroisystem durch das System der Normativbestimmungen ersetzt, nach dem eine
juristische Person entstehen darf, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllt sind.
Lit.: Köbler, DRG 207
Normenkontrolle ist die Überprüfung einer →Norm durch ein Gericht auf
ihre Rechtmäßigkeit. Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im
Heiligen römischen Reich (bzw. 1803 in den Vereinigten Staaten von Amerika in
der Entscheidung Marbury vs. Madison), jedenfalls im 19. Jh., während die N. in
Frankreich weitgehend fehlt. Im Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das
Obergericht Danzig ab 1923. Für die N. des bundesdeutschen Rechtes ist
hauptsächlich das →Bundesverfassungsgericht zuständig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung und
deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wellenreuther, H. u. a., 1987;
Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle
im modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das Ringen um die
verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck, F., Die
Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA
121 (2004), 415
Normtrias ist eine Lehre von der Dreistufigkeit
des Rechtes (z. B. [lat. F.] lex aeterna [Weltgesetz], lex naturalis
[Naturgesetz] und lex humana [Menschengesetz]).
Northeim
Lit.: Lange, K., Der
Herrschaftsbereich der Grafen von Northeim 950-1144, 1969; Borchert, S., Herzog
Otto von Northeim (um 1025-1083), 2005
Norwegen ist
der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 (872)
überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die
Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagabœtir ein Landrecht (landslög)
in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319
(Aussterben des Königshauses im Mannesstamm) bis 1355 (Magnus VII. Eriksson,
1343 Hakon VI.) und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson, 1397 Kalmarer Union von
Norwegen, Dänemark und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist N. (auch) mit Schweden
verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark König von N. Seit 1536
ist N. überhaupt Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der König von Schweden
nach der Loslösung Norwegens von Dänemark König von Norwegen. 1905 wird ein
dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung von Schweden
verselbständigten N. gewählt.
Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387) 1846ff.,
2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Diplomatarium Norvegicum, Bd. 1ff. 1847ff.; Boden,
F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Aubert, L., Grund
bøgernes Historie i Norge Danmark og tildels Tyskland, 1892; Bugge, A., Studier
over de norske byers selvstyre, 1899; Boden, Das altnorwegische
Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff, K., Volksgericht und
Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464; Rynning, L.,
Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens Forfatningshistorie, 1929; Vogt,
W., Zum altnorwegischen Königsfrieden, ZRG GA 52 (1932), 1; Norwegisches
Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v. Meißner, R., 1935; Vogt, W.,
Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur, 1936; Meißner, R., Das
norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Hirðskrá, hg. v. Meißner, R., 1938;
Frost, J., Das norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen, O., Norwegische
Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des norwegischen
Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher des
Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom, G.,
Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gurevič, A., (Die
freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer
Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517,
4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie,
1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir,
ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987;
Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F.,
Norsk historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.;
Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn,
R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im
Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a.,
2003; Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Barton, H., Sweden and
Visions of Norway, 2003; Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen
Norwegen, 2004; Orning, H., Unpredictibility and Presende - Norwegian Kingship
in the High Middle Ages, 2008; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht
bis 1500, 2011; Bagge, S., From Viking Stronghold to Christian Kingdom, 2010
Not (Zwangslage)
→echte Not
Lit.:
Koller, M., Not kennt kein Gebot, 2009
Notar ist
das (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter Rechtspflegeaufgaben (z. B.
Verfertigen vollbeweiskräftiger und vollstreckbarer Urkunden) bestellte
unabhängige Organ der Rechtspflege. Der N. entwickelt sich aus dem spätantiken
Schreiber (Schnellschreiber) bzw. Tabellionar. Er erscheint am Beginn des
Hochmittalters (10./11. Jh.) in Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio
statt notarius, in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität
des Kaisers oder der Kommune, 1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059
Namen, im 13. Jh. werden in Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner]
vielleicht 1000000 Urkunden ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind),
im frühen 13. Jh. in Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist
zunächst kein ausschließlicher Beruf. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186,
1191), Papst oder Hofpfalzgrafen ernannt. 1512 erlässt das Reich eine
Reichsnotariatsordnung. In Österreich kann sich das kaiserliche Notariat nicht
behaupten. Seit 1701 versucht Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet
fern zu halten und verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium
in Preußen. 1771 verzichtet es auf ein kaiserliches Notariatsdiplom als
Voraussetzung für die Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten
Advokaten, für die keine Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später
entwickeln sich Gebiete des Nurnotariats (z. B. Bayern, Österreich) neben
Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariats
(Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten wahrnehmenden
Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das Anwaltsnotariat. In
Österreich wird nach 1848 das in Frankreich modernisierte Notariat Grundlage
der Notariatsordnungen von 1850 und 1871. 1934 erhalten die Notare in Preußen
die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Mit der Reichsnotarordnung vom
13. Februar 1937 versucht das Deutsche Reich auf der Grundlage eines bereits
vor 1933 erstellten Entwurfs des jüdischen Rechtsanwalts und Notars Obenau eine
nicht vollständig gelungene Vereinheitlichung. Ihr Inhalt wird im Wesentlichen
in die Bundesnotariatsordnung vom 24. Februar 1961 übernommen. Seit 28. 8.
1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkundung allgemein den
Notaren vorbehalten. In Baden-Württemberg soll nach einem Beschluss der
Regierungsfraktionen von 2007 das beamtete Notariat bis 2018 in ein
freiberufliches Nurnotariat übergeführt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
117, 270; Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914;
Petrucci, A., Notarii, 1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962;
Gerig, H., Los signos notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley
del notariado 4, 2, 2 (1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini
del notariato italiano, 1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen,
P., 1977; Krause, H., Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation
öffentlicher Notare in der Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die
ersten Notare im Berngebiet, Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die
Notare Südwestdeutschlands, 1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R.,
Chartes, sceaux et chancelleries, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra,
1991; Frischen, H., Die 44. Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets
van een geschiedenis van het notarisambt, 1995; Neschwara, C., Geschichte des
österreichischen Notariats, 1996; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d.
rheinischen Notarkammer, 1998; Schüler, H., Die Entstehungsgeschichte der
Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961; Wiedemann, A., Preußische
Justizreformen, 2003; Hoffmann, H., Notare, Kanzler und Bischöfe am ottonischen
Hof, DA 61 (2005), 435; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005¸ Bartoli Langelli, A., Notai, 2006;Nussdorfer, L., Brokers of Public
Trost, 2009: Zehetmayr, R., Urkunde und Adel, 2010;
Gsänger, J., Das Berufsrecht der Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937, 2010;
Scharnhop, C., Das Lüneburger Notariat im 19. Jahrhundert, 2011; Tremp, U., Fiat
littera ad dictamen sapientum, 2012; Komusiewiewicz, M., Die Diskussion um das
Verhältnis von Rechtsanwaltschaft und Notariat, 2012; Vossius, O., Auf den
Spuren des Bösen, 2013; Woschnak, K., Treffpunkt Europa Mitte - Die
Notariatsreform der Jahre 1989 bis 1994 in Mitteleuropa, 2013; 150 Jahre
bayerisches Notaiiat, 2013; Wirbelauer, W., Der Antrag der Landtagsabgeordneten
Best und Genossen von 1928 auf Beschränkung des hessischen Notariats, 2013
Notariat ist
das Amt und der Amtsraum eines →Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley,
F., Das deutsche Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur
Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über
die Anfänge des Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde
und Notariat in Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die
geschichtlichen Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche
Notarzs. 55 (1960), 3; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen
Notariats, 1961, 2. A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat
in het octrooigebied van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das
Notariat im Fürstbistum Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114
(1964), 1; Meyer, A., Die Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske,
W., Das österreichische Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA
92 (1975), 132; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato
italiano, 1975; Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976;
Carlen, L., Notariatsrecht in der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des
mittelalterlichen Notariats, ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des
Zürcher Notariats, 1983; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der
Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen,
Diss. phil. Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats,
1996; Notar und Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius,
2001; Neschwara, C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000;
Het notariaat in de Lage Landen (± 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005; Osterburg,
D., Das Notariat in der DDR, 2004; Bartoli
Langelli, A., Notai, 2006; Bibliographie zur Geschichte des
deutschen Notariats, hg. v. d. Bundesnotarkammer, 2007; www.notariatsgeschichte.de;
Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der Reichsnotariatsordnung
von 1512, hg. v. Schmoeckel, M/Schubert, W., 2012; Das Bild des Notariats seit
der frühen Neuzeit, hg. v. Schmoeckel, M., 2012; Festschrift 150 Jahre
Bayerisches Notariat, 2013 (mit Kurzbiographien der 325 in den Jahren 1862/1863
ernannten ersten Notare und Besetzung der Notarstellen zwischen 1862 und 1937)
Notariatsimbreviatur →Notariat, Imbreviatur
Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom →Notar ausgestellte →Urkunde.
In Bologna erscheint die erste als →instrumentum bezeichnete Urkunde
1041. Um die Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150
überlieferter Zeugnisse die Unterschriften von Ausstellern und Zeugen, als es
dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa
1114/1115 erscheint römische Rechtsterminologie in den Texten (u. a.
Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten
Hälfte des 12. Jh.s durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus
notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur, 2003
Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871, Hannover 1850) →Notar, Notariat,
Ordnung
Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995
notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar
Notarsignet ist
das persönliche, anfangs frei gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars,
das der öffentliche (kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine
Unterschrift setzt. Das erste bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1.
1274 (Roger von Lüttich). Nicht sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht
ein Siegel, sondern das N. verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern
seit 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete,
1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15
(1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P.,
Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und
Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H., Notariatszeichen
in reußischen Archiven (1518-1757), 2004
Notbede →Not,
Bede
Notenbank ist
die Papiergeldstücke (Banknoten, engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank.
Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken,
1992
Noterbe (Noterbenrecht 1831) ist der
Erbe, der wegen Enterbung nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N.
entwickelt sich im römischen Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der
(lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament ungültig werden (formelles
Noterbrecht) oder den Übergangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. etwa seit
der Zeitenwende die materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.)
inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) gewährt
(materielles Noterbrecht). Die nachklassische Praxis lässt bei teilweiser
Zuwendung (nur) die Klage auf Pflichtteilsergänzung zu. Justinian verbindet formelles
Noterbrecht und materielles Noterbrecht 542 miteinander. Seit dem
Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten
(Noterben) und der Umfang des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt.
Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Notgeld ist das bei Mangel an
Zahlungsmitteln in Krisenzeiten behelfsmäßig ausgegebene →Geld. Es
findet sich bereits im 15. Jh. Bedeutung erlangt es vor allem nach dem ersten
Weltkrieg.
Lit.: Deutsches
Notgeld 12, 2011
Nötigung ist
das Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen
Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber
verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner Straftatbestand erst
spät erfasst.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der
Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das
Recht – Der Streit um die Nachrüstung, 2005
Notitia (lat.
[F.] Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich
Brunner angeblich im Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.)
carta (F.) nur beweisbedeutsame Urkunde.
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur
rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131
Notker (der
Deutsche) von St. Gallen (um 950-Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste
Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutschlateinischer Mischprosa
übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem
Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grundfiguren (z. B. in der
Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in
Deutschland auf.
Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner
Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die
Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der
Deutsche, 2000
Notorietät (F.)
Offenkundigkeit
Notstand ist
der Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, dessen
Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen möglich ist. Schon im römischen
Recht befreit der N. in Einzelfällen von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter.
Danach befasst sich Art. 166 der Constitutio Criminalis Carolina (1532) mit dem
Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N. strafrechtlich schärfer
erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische Recht einzelne Handlungen
von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird dies wissenschaftlich
verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichsgericht
Deutschlands für den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch
anerkannt. Staatsrechtlich wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968
gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch Deutschlands (aus
utilitaristischen Erwägungen) eine Vorschrift über den rechtfertigenden
Notstand.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die
Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961,
653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck 1970;
Würzburger, J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der
strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss.
jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das
Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung,
10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchungen zum
spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von
Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M.,
Der rechtfertigende Notstand, 2002
Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in
Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes geschaffenen
einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungsgesetz,
Schutzbaugesetz, Abhörgesetz).
Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968
Nottestament ist
ein in besonderer Gefahrensituation (z. B. Krieg, Krankheit) in vereinfachter
Form zu errichtendes →Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird. In
Österreich wird 2004 das N. vereinheitlicht.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nottingham am
Trent erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt.
1881/1948 erhält es eine Universität.
Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham,
1969
Notverordnung ist die (für Notfälle gedachte, die Gewaltenteilung durchbrechende) →Verordnung
mit Gesetzeskraft. Sie findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh. (England
1766, Baden 1818, Württemberg 1819, Österreich Kremsierer Entwurf 1849.
Märzverfassung 1849, Februarverfassung 1861, Dezemberverfassung 1867 Notverordnungsrecht
des Kaisers, 1914/1917 auch der Regierung, 1929 des Bundespräsidenten), danach
sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungsgesetzes vom
4. 8. 1914 in der Zeit des ersten Weltkriegs und auf Grund des Art. 48 II der
Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60 Notverordnungen).
Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.;
Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und
Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, H., Das Notstandsrecht,
Diss. jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985;
Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004
Notweg ist
die Verpflichtung eines Eigentümers eines Grundstücks, die Benutzung seines
Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten durch den Eigentümer
eines anderen Grundstücks, dem ohne Verschulden seines Eigentümers die zur
ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg
fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als nachbarrechtliche
Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen Recht bekannt. Er findet sich auch
im Mittelalter und in der Neuzeit.
Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der Notweg,
1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192;
Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000
Notwehr (Wort um 1150) ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen
gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren.
Bereits im römischen Recht ist es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im
Frühmittelalter erscheint die N. ansatzweise, im Hochmittelalter und
Spätmittelalter häufiger (→Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des
18. Jh.s wird die N. von der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes
Rechtsgut ausgedehnt (Preußen 1794).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87,
119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch,
B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Notzivilehe ist
die bei Verweigerung der Eheschließung wegen eines kirchenrechtlichen
Ehehindernisses mögliche weltliche Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5.
1868 Eherechtsgesetz, 1870 relative N. für keiner anerkannten Kirche
angehörende Menschen).
Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
5. A., 2005; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A.
1996
Notzucht ist
eine ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992
aufgegebene Bezeichnung für die Vergewaltigung einer Frau (lat. oppressio
[F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.)
notnumft verdrängt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9 (1907),
7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150;
Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht –
Notzucht – Vergewaltigung, 2003
novale (lat.
[N.]) Neubruch
Novatio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die →Novation,
Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung.
Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der Novation
im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968
Novation (lat.
[F.] →novatio) ist bereits im klassischen römischen Recht die
Schulderneuerung, bei der infolge einer →Stipulation die alte Schuld
(Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine neue Schuld
(Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder Schuldners,
eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem
Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird
sie nicht mehr erwähnt.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215; Apathy,
P., Animus novandi, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 432,
449, 530
Novel disseisin
ist im englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-1189) eingeführte
Klage des widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen (disseised).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Sutherland, D., The Assize of Novel
Disseisin, 1973
Novelle (lat.
[F.] novella [lex]) ist das ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder
abändernde neue Gesetz. Insbesondere werden die nach dem →Codex des
Jahres 534 von →Justinian erlassenen (neuen), durch drei verschiedene
Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert z. B. als Nov. 99,2)
bezeichnet.
Lit.: Söllner §§
22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 54; Noailles, P., Les
collections de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d., Manuale novellarum,
1964; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975; Dölemeyer, B., Die
Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6 (1977), 274;
Novella Constitutio, hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997
Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen Reich und in
Österreich-Ungarn im November 1918, durch welche die Monarchien in Republiken
umgewandelt werden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der
Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918,
Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R.,
Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Das waren Wintermonate voller
Arbeit, Hoffen und Glück, hg. v. Beutin, H. u. a., 2010
Nowgorod
Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v.
Angermann, N./Friedland, K., 2002
Noxae datio
(lat. [F.], auch noxae deditio) ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe
des Schädigers (z. B. Hauskind, Sklave, Tier), durch die sich der Hausvater
(außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich bestehenden Haftung für einen
auf deren Verhalten beruhenden Erfolg befreien kann (Noxalhaftung). Sie wird
in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven eingeschränkt, im Hochmittelalter
nicht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V, 50 II 4a; Söllner §
8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972
NS (Nationalsozialismus)
NSDAP (Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei)
Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N.,
Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002
nuda proprietas
(lat. [F.]) bloßes Eigentum
Lit.: Köbler, DRG 124
nudum pactum
(lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne besondere Formen)
Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Nulla poena (F.) sine lege, nullum crimen sine lege (lat.) ist der strafrechtliche
Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn nicht zuvor ein Gesetz
Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe bedroht hat. Das Verbot der
Rückwirkung von neuen oder veränderten Strafgesetzen zum Nachteil des Täters
ist dabei bereits ansatzweise dem klassischen römischen Recht bekannt und wird
in der Spätantike durch kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschränkungen sogar
ausgesprochen. Dem folgen an sich auch das Mittelalter und die →Constitutio
Criminalis Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum
ausgehenden 18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der
Grundsatz in voller Gestalt des Rückwirkungsverbots, des Analogieverbots und
des Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich,
Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, →Grundgesetz 1949), wobei die
Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die
Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16,
131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des
strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und
Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J.
A. Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene Sache.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26
nullum crimen sine lege →nulla poena sine lege
Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Numerius Negidius
(N. N.) ist der abstrakte Beklagte des römischen Verfahrensrechts.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33
numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder
der zulässigen Sachenrechte [im römischen Recht Eigentum, Servituten,
Pfandrecht, Erbpacht und Erbbaurecht], im römischen Schuldrecht sind nur
contractus mit Klagbarkeit versehen, Typengebundenheit, aber Möglichkeit der Stipulation])
Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Numismatik (Münzkunde)
→Münze
Lit.: Göbl, R., Numismatik, 1987; Morrisson, C., La
numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R.
u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000;
Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Kluge, B.,
Numismatik des Mittelalters, 2007; Kampmann, U., Numismatisches Wörterbuch,
2012
nummo uno
(lat.) mit einer →Münze
Lit.: Köbler, DRG 25
nuncupatio (lat.
[F.]) Verkündung
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner § 8; Köbler, DRG 38
Nuntius (zu
lat. [M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige
Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen Staat.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur
Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les
nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen
Gesandtschaftswesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles,
1975
Nürnberg ist
die um eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend vorsalische Grundlagen
aufweisende Reichsburg auf ursprünglich bayerischem Siedlungsboden an der
Pegnitz erwachsende Reichsstadt. In der →Goldenen Bulle von 1356 belohnt
Kaiser Karl IV. die Treue der Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten
Königs, seinen ersten Reichstag in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9.
1423) bis 1796 und von August 1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N.
Aufbewahrungsort der Reichskleinodien (Reichserzschatzkästlein). 1479/1484
erneuert N. durch die römisches Recht gemäßigt aufnehmende (Neue) →Reformation
sein Stadtrecht. Im Dritten Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage
ab. 1935 werden in N. auf dem Reichsparteitag vom nach Nürnberg einberufenen
Reichstag die gegen die Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet
(Reichsbürgergesetz vom 15. 9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes
und der deutschen Ehre vom 15. 9. 1935) (und am folgenden Tag im
Reichsgesetzblatt verkündet). Vom 18. 10./14. 11. 1945-1. 10. 1946 finden in N.
die Prozesse gegen (24 bzw.) 22 nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher wegen
Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation statt ([12]
Todesurteile durch Hängen für Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm
Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick,
Julius Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart, Martin
Bormann]), denen bis 11. 4. 1949 12 weitere Verfahren in N. gegen 182 Angeklagte
folgen (24 Todesurteile).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das
Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger
Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über
Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der
Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930;
Nordmann, C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984;
Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica,
Heraldica, Juridica, 1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die
Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen
Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.;
Schultheiß, W., Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das
Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Gilbert, G., Nürnberger Tagebuch, 1962, 14. A.
2012; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v. Schultheiß, W., 1963; Kunstmann, H.,
Zauberwahn und Hexenprozess in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte
Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v. Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die
Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg – historische Entwicklung einer deutschen
Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971; Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971; Hirschmann,
G., Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Wachauf, Helmut,
Nürnbergs Bürger als Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene Juristen);
Schmid, Hans-Dieter, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Die Nürnberger
Bürgerbücher 1 (1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz, K.,
Heischurteile, 1977; Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt
Nürnberg), Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67 (1980);
Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg - Kaiser und
reich (Ausstellung), 1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung des
Verbrechens in Nürnberg im Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991), 117;
Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R.,
Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405;
Rethmeier, A., „Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und
Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, T., Die Nürnberger
Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den
Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze,
2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A.,
Der Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v.
Konstantinou, E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger,
T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger
Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648; Kastner, K., Die Völker
klagen an, 2005; Meyer, C., Die Stadt als Thema, 2009; Heller, K., The
Nurenberg Military Tribunals and the Origins of International Criminal Law,
2012; Die Nürnberger Militärtribunale, hg. v. Priemel, K. u. a., 2013
Nutzpfand oder
Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem
der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat
und die Nutzungen aus ihr ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire
du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936
Nutzung (1261) ist die Frucht einer Sache
oder eines Rechtes sowie der Vorteil, den der Gebrauch der Sache oder des
Rechtes gewährt.
Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nutzungspfand →Nutzpfand
Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits im
altrömischen Recht und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen
Gestalten. Insbesondere bestehen in der Grundherrschaft unzählige
Nutzungsrechte an Grundstücken. →Nießbrauch
Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26,
125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
O
Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof
eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien
nicht mehr zuständige Reichsgericht (→Reichskammergericht). Es
entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
nichtprivilegierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen.
1877/1879 wird das O. allgemein (durch das →Oberlandesgericht)
beseitigt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb,
H., Die Verfassung des Oberappellationsgerichts der vier freien Städte
Deutschlands zu Lübeck, Diss. jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um
die Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des
Reichskammergerichts, 1986; Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes
der vier Freien Städte Deutschlands, hg. v. Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd.
1ff. 1996ff.; Polgar, K., Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte
Deutschlands (1820-1879), 2006
Oberbayerisches Landrecht
ist das in mehr als 100 Handschriften (rund 160 vollständig oder fragmentarisch
erhaltene, bisher festgestellte Handschriften) des 14. und 15. Jh.s
überlieferte Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene,
durch Urkunden (nach des rechtsbuechs sag) ab Spätherbst 1336 mittelbar
bezeugte Fassung von etwa 1335 (vor Ende 1536) voraus. Veranlasst ist es
vermutlich von Kaiser Ludwig dem Bayern. Es ist ein in 28 Titel mit 350
Artikeln gegliedertes sehr frühes förmliches amtliches Gesetzeswerk. Im Mittelpunkt
stehen Privatrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen
sind nicht erkennbar, doch bestehen Bezüge zum Schwabenspiegel, Freisinger
Rechtsbuch, dem Stadtrechtsprivileg für München von 1294 und dem oberbayerischen
und niederbayerischen Landfrieden von 1300. Römischrechtliche oder kirchenrechtliche
Einflüsse sind in zahlreichen Artikeln erkennbar, doch wird im Wesentlichen
das einheimische Gewohnheitsrecht wiedergegeben. 1518 wird das Landrecht
reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern ein gemeinsames Landrecht
geschaffen.
Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern,
1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schlosser,
H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346,
2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002; Schwab,
I., Die Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326; Volkert, W., Das
Rechtsbuch Kaiser Ludwigs von 1346, 2010
Obereigentum (lat.
dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19.
Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im
geteilten →Eigentum stehenden Gegenstands (z. B. Lehen). Es wird in
verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über einen
Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen der
Rechtswirklichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines
allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.
Oberhaus →House
of Lords
Oberhof ist
seit dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gerichte
und Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem
Land. Ihre Ausbildung beruht anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der
längerdauernden Übung der Erteilung von Auskünften entwickelt sich ein
gewisses Abhängigkeitsverhältnis. Allmählich dringt Schriftlichkeit in das
Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa Magdeburg, Lübeck, Krakau, Iglau,
Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am Main, Ingelheim, Neustadt an der
Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder Nürnberg. Mit dem Vordringen des römischen
Rechtes und der Ausbildung des Instanzenzugs in der erstarkenden landesherrlichen
Verwaltung verschwindet der O. vom 16. bis in das 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof
Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu Eltville,
ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J.,
Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938;
Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff.
1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954;
Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof
und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und
Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger
Oberhofurteile, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 390; Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer
Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof,
Zs. d. V. f. hess. Geschichte 110 (2005), 21
Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige preußische Landesjustizkollegium
und danach das 1877/1879 geschaffene, zwischen Reichsgericht bzw.
Bundesgerichtshof und Landgericht (bzw. oberstem Gerichtshof und Landesgericht
in Österreich seit 1852) stehende Gericht (1893 im Deutschen Reich 28
Oberlandesgerichte mit 548 Richtern). →Oberappellationsgericht
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht
Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg,
1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main,
1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle,
1986; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht
und Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das
Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer,
R., Das badische Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek,
I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in
Staatsschutzstrafsachen, 2003
Obermärker ist
der Leiter der →Markgenossenschaft.
Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von
ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns gelegene, aus dem früher
steirischen Traungau mit der Riedmark unter Trennung von Niederösterreich
gebildete, bis 1918 amtlich als Österrreich ob der Enns (und von 1939 bis 1945
im Deutschen Reich als Reichsgau Oberdonau) bezeichnete Land (Bundesland) →Österreich(s).
Zwischen 1616 und 1629 erstellt Abraham Schwarz einen Entwurf eines Landrechts.
Als oberösterreichische Länder werden auch Tirol, Vorarlberg und Vorderösterreich
(eigene Linien 1457-1493, 1564-1665) bezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt,
F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Hoffmann, A.,
Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A., Wirtschaftsgeschichte
des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob der Enns, 1958;
Grüll, G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme der Entstehung
des Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 7
(1960), 125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Sturmberger, H.,
Der Weg zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und
Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Sturmberger, H., Adam Graf Herberstorff,
1976; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs im Spiegel
der Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in
Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz
Joseph, 1982; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Haider, S.,
Geschichte Oberösterreichs, 1987; Lohner, J. Das landeshauptmannschaftliche
Gericht in Oberösterreich, 1988; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der
Enns, Bd. 1 hg. v. Strätz, W., 1990
Oberpfalz ist
der um Neumarkt gelegene (obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), die
durch Erbteilung im Hause Wittelsbach zeitweise vom übrigen →Bayern
abgeteilt wird. Für die O. wird 1657/1659 ein →Landrecht geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das
kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch
der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die
Entstehung des oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482
Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung (zwischen 4 und
12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen
Funktionen.
Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung
des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die preußischen
Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985
Oberrechnungskammer (1802) ist die sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde
des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird
1869 zum →Rechnungshof des Norddeutschen Bundes.
Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v.
Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90
Oberschlesien →Schlesien
Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende,
am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten,
Vizepräsidenten, Senaten und Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in
Justizsachen und oberste Justizverwaltungsbehörde), das 1848 zum Justizministerium
einerseits und zum Obersten Gerichtshof andererseits wird. Die o. J. wendet
subsidiär gemeines Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung
in der obersten Instanz ausgesondert
Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste
Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G., Höchstgerichtsbarkeit
und Privatrechtskodifikation, 1979; Maasburg, F. v., Geschichte der obersten
Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle Oberste Justizstelle
Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v. Faistenberger, C., red. v.
Niedermayer, M., 2003
Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die britische
Besatzungszone des Deutschen Reiches eingerichtete oberste Gerichtshof.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste
Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158; Oberster Gerichtshof für
die Britische Zone (1948-1950) Nachschlagewerk, hg. v. Schubert, W., 2010
Oberster Gerichtshof ist seit 21. 8. 1848 das der obersten Justizstelle folgende oberste
Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit Österreichs (1850 oberster Gerichts-
und Kassationshof, 1918 oberster Gerichtshof, 1938 aufgelöst, 1945 wiedererrichtet).
Lit.: Festschrift
zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofs 1850-1950,
1950
Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist das 1877/1879 aus dem 1808 in Bayern
eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitete Gericht, dem die Verhandlung
und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem Reichsgericht zustehenden
Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und die
weitere Beschwerde der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine
Aufgaben werden bei seiner Auflösung zum 31. 12. 2004 den drei
Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg) übertragen.
Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v.
Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15
Oberstes Gericht ist
das Höchstgericht der →Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR,
1989
Obertribunal (1772)
ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer Landesteile geschaffene,
im 19. Jh. zum höchsten Gericht Preußens aufsteigende Gericht, das 1877/1879
weitgehend im Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen
Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals im Juni 1879, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 419
Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit
seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch Verwaltungsgerichtshof
genannt wird.
Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der
Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933,
1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen
Oberverwaltungsgerichts, hg. v. Reich, S., 2002; Ackermann, C., Die Bedeutung
der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts, 2012
Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche
über den →Vormund, wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt
und im Vormundschaftsgericht endet.
Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
oblatio (lat.
[F.]) Gabe, Opfer, Spende (z. B. auch von Kindern in ein Kloster)
Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von
Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973
Obligatio (lat.
[F.]) ist seit dem altrömischen Recht die schuldrechtliche Verpflichtung zwischen
zwei Beteiligten (bzw. das Schuldverhältnis) mit den Inhalten (lat.) dare
(geben), facere (tun einschließlich unterlassen) oder praestare (einstehen). Die
o. geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen (später sog. [lat.]
delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig bestehende
Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im Interesse der
Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von Vermögensgegenständen
(Sühneleistung) einverständlich abgelöst. Sobald eine Leistung durch den
Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im Rahmen eines
vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Katalogs von Vergleichssätzen
(fester Metallwert oder vielfacher Sachwert) verbindlich wird, dient der
Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der unmittelbaren
Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine
Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs
nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung durch
Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine
Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und
mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft möglich,
durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung bald
wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche
verschiedene Obligationen entwickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Watson, A., The Law of Obligations,
1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The
Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999
obligatio alternativa (lat. [F.]) Wahlöschuld
Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.)
civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis (Zivilklaganspruch) ausgestattete
→obligatio.
Lit.: Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of
Obligations, 1992
obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag
Lit.: Kaser § 38 I
obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt
Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I
obligatio (F.) ex variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit aus verschiedenen Gründen
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62
Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder
Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 33 I
Obligation (1300) ist die aus der in Rom als
unkörperliche (lat.) res (Gegenstand, Sache) verstandenen, römischen (lat.) →obligatio
(F.) entwickelte Verbindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im
Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen
Schuldverhältnissen verbunden. Seit dem 19. Jh. wird das Lehnwort O. verdrängt.
Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J., Die Obligation,
1856; Roussier, J., Le fondement de l’obligation, Thèse Paris 1933; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte,
1998, 2. A. 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Obligationenrecht (Wort 1807) ist das im 19. Jh. innerhalb
der (lat.) res ([F. Pl.) Gegenstände bzw. Sachen) zunehmend als besonderes
Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht (z. B. Savigny 1851ff.). 1866 scheitert
innerhalb des Deutschen Bundes der Versuch seiner einheitlichen gesetzlichen
Gestaltung (Dresdener Entwurf) am Zerbrechen des Bundes auf Grund politischer
Gegensätze zwischen Österreich und Preußen. In der →Schweiz ist (nach
dem Scheidern des Dresdener Entwurfs) das O. mit Einschluss der Gesellschaften
und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz vom 14. 6. 1881 (Inkrafttreten
am 1. 1. 1883) bzw. nach Neufassung vom 30. 3. 1911 (Inkrafttreten am 1. 1.
1912), das den fünften Teil des Zivilgesetzbuchs bildet, geregelt. In Sachsen
(1863) und im Deutschen Reich (1896/1900) ist das Schuldrecht eines der fünf
Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Kaser §§
32ff.; Köbler, DRG 182, 184, 229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd.
1f. 1851ff.; Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H.
u. a., 1982; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984;
Anhäuser, V., Das internationale Obligationenrecht in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 1986; Handels- und
obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F.,
Europäisches Obligationenrecht, 2. A. 2004, 3. A. 2009; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; The Law of Obligations
in Europe, hg. v. Schulze, R. u. a., 2013
obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus vertragsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62
obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62
Obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu contracta (lat.) ist die römische Bezeichnung für eine
Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsensualvertrag,
wobei das beurkundete Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.)
obligatio (F.) re et verbis aufgefasst wird.
Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2
obligatorisch (Adj.) verpflichtend
Obrigkeit ist
die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für den Träger von
Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht
zu, durch Gebote die gute →Polizei bzw. →Ordnung zu sichern.
Lit.: Naujoks,
E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit,
D., Gesetzgebung und Recht, (in) Zum römischen und neuzeitlichen
Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v.,
Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997
obsequium (lat.
[N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Observanz ist
das örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht.
Lit.: Petersen,
R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der
consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337
obstagium (lat.
[N.]) →Einlager
Occupatio (lat.
[F.]) ist die schon dem altrömischen Recht bekannte →Aneignung einer von
Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache (z. B. eines Tieres
durch den Jäger).
Lit.: Kaser § 26
I; Köbler, DRG 24, 40
Ochlokratie (F.) Herrschaft des Pöbels als Entartung der Demokratie
Ochsenfurt
Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt,
1972
Ockham,
Wilhelm (von) (Occam/Surrey 1280/1285-München 9./10. April 1347 [Sterbedatum
ungewiss]) wird nach dem Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig
und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl
um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali
(Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers.
Lit.: Köbler,
DRG 107; Heinen, E., Reich und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn
1955; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur
Sozialphilosophie, 1969; Wilhelm von Ockham, Texte zur politischen Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1995; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003
odal (an.)
Erbgut, Gut, Heimat
Lit.: Behaghel,
O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W.,
Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie,
1991, 49
Ödenburg (ungar. Sopron)
Lit.: Gerichtsbuch 1423-1531, hg.
v. Házi, J. u. a., 2005; Gedenkbuch 1492-1543, hg. v. Mollay, K. u. a., 2005
Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12. 1265 oder 1264) wird nach dem Rechtsstudium in
Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst
Glossen, Summen (z. B. summa feudorum), Quaestiones, Consilia bzw. Gutachten
und Monographien.
Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, (in) Atti e
memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di Costanza
1183, 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 322
Odowakar (um
433-493) ist der germanische (skirische) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der
Absetzung des Romulus Augustulus das weströmische Reich beendet.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50, 67; Chastagnol, A., Le
senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das Ende des Kaisertums,
1967, 149
Oesfeld →Hermann von Oesfeld
Oettingen (Grafschaft) s. Öttingen
Ofen (Buda)
an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in deutscher Sprache verfasstes,
in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch wird vermutlich zwischen 1403
und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes Siebenlinder verfasst. Es
gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln (Stadtverfassung, Kaufleuterecht).
Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum Magdeburger, Iglauer und Wiener
Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche Städte in Ungarn verliehen.
Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959;
Kubinyi, A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi,
K., Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der
Stadt Ofen), hg. v. Blazovich, L. u. a., 2001
Offene Gesewllschaft s. offene Handelsgesellschaft
Offene Handelsgesellschaft ist die Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung
aller Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Sie erscheint in
der hochmittelalterlichen Stadt und bildet sich in der frühen Neuzeit stärker
durch (1861 ADHGB). In Österreich wird die 1990 zusätzlich für nichtvollkaufmännische
Zwecke gebildete offene Erwerbsgesellschaft mit der offenen Handelsgesellschaft
2007 zur offenen Gesellschaft (OG) verschmolzen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme,
P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler
Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die
Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984;
Zur Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003
Offenes Haus ist
das einem anderen zur (kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. →Öffnungsrecht
Lit.: Pfeiffer,
G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153
öffentlich (Adj.) offen, offen zugänglich, allgemein, staatlich
Öffentlicher Dienst
ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst.
Lit.: Hattenhauer,
H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und
Rechtstechniken totalitärer Herrschaft, 1988
Öffentlicher Glaube (1884)
ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B.
Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweisvorteil
im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie
allmählich den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870).
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd.
II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz
und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbes,
1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobilienrecht, 1978; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Öffentliches Recht
sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter
ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat, Gemeinde) in seiner
Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen etwa Verfassungsrecht,
Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen Ausgang nimmt die
Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches Recht im römischen
Altertum, in dem nach einer →Ulpian zugeschriebenen Wendung ö. R. ist,
was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft (lat. ad statum rei
Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter bekannt, hat dort
aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600 findet sich das
öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) unter starker Beteiligung protestantischer
Juristen wie Georg Obrecht, Hermann Vultejus, Matthias Stephani, Joachim
Stephani, Tobias Paurmeister von Kochstedt, Arnold Engelbrecht, Dominicus Arumäus
und Jacob Lampadius als besonderes Sachfach an der Universität (Staatsrecht).
Die ersten bekannten Vertreter des selbständigen Staatsrechts (Reichsstaatsrechts)
sind (→Bodin [1530-1596],) →Limnaeus (1592-1663) und →Pufendorf
(1632-1694). In Frankreich wird von Ludwig XIV. ein Lehrstuhl für ö. R. am
Collège de France eingerichtet, in Besançon im 18. Jh., in Italien 1726 in Pisa
und 1742 in Padua. Seit Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche
dogmatische Trennung von öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen
Fürstentums) und privatem Recht (Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich.
Innerhalb des öffentlichen Rechtes (Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht,
Verfahrensrecht, Strafrecht) entwickelt sich im 19. Jh. das →Verwaltungsrecht
(Otto →Mayer).
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852;
Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958;
Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A.
1970; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger,
M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche
Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre
des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung,
(in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus
publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff., Bd. 1. 2. A. 2012; Pauly, W., Der Methodenwandel
im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und
Intervention, 2001; Wahl, R., Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche
Recht der letzten fünf Jahrzehnte, 2006; Leisner, W., Privatisierung des
öffentlichen Rechts, 2007; Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gli inizi del
diritto pubblico. Gesetzgebung im Zeitaalter Friedrich Barbarossas, hg. v.
Dilcher, G. u. a., Bd. 1ff. 2008ff.; Science politique et droit public dans les
facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Zeilner, F.,
Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich
bis 1848, 2008; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2008; Kley, A., Geschichte
des öffentlichen Rechts der Schweiz, 2011; Stolleis, M., Einführung in die
Geschichte des öffentlichen Rechts 16.-21. Jahrhundert, 2014
Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl
und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im
Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitionsverfahren seit dem
Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö.
zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen
Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaaten ab 1848).
Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der
Allgemeinheit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der
Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um
Gerichtsöffentlichkeit, 1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber,
G., Strafgerichtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der
französischen Aufklärung, 1979; Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher
Staaten, 1983; Körber, E., Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel,
J., Gerichtsöffentlichkeit, (in) Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998,
71; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a.,
1998; Zwischen Gotteshaus und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v.,
Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004; Liesegang, T., Öffentlichkeit und
öffentliche Meinung, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in
Preußen, 2007; Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Kernbauer, E., Der Platz des
Publikums, 2010; Oldenburg, S., Die Öffentlichkeit von Rechtsnormen, 2009
Öffentlichkeitsgrundsatz →Öffentlichkeit
Öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem
Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen Rechtes. Er wird im 20.
Jh. anerkannt.
Lit.: Köbler,
DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
officier (M.) civil
(franz.) (1787/92) →Standesbeamter
officium (lat.
[N.]) Amt, Pflicht
officium (N.) pietatis (lat.) sittliche Pflicht
Lit.: Köbler, DRG 38
Offizial ist
im katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der
bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger
Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330, Naumburg-Zeitz
1340). In Frankreich wird seit 1236 ein mindestens dreijähriges Studium des Rechtes
als Voraussetzung gefordert, in Trier 1427 der Grad eines Lizentiaten. Später
ist O. ein einfacher Beamtentitel.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial,
Diss. jur. Bonn 1972; Theisen, K., Die Offiziale im alten Erzbistum Trier an
der Kurie in Trier und in Koblenz (1195-1802). ZRG KA 127 (2010), 257
Offizialat ist
im katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. →Offizial
Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die
gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, (in) Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973,
476; Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates,
1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil.
Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht,
1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001
Offizialmaxime ist im Prozessrecht das Amtsprinzip, nach dem die
Allgemeinheit bzw. der Staat durch Organe von sich aus tätig wird. Die O.
erscheint in den hochmittelalterlichen Städten, in denen der Richter zur
Unrechtsverfolgung verpflichtet wird. Sie gilt im →Inquisitionsprozess.
Lit.: Köbler, DRG 117, 156
Offizier ist
der Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom
bekannt. Danach erscheint er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird
er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz
allmählich durch Bürger zurückgedrängt. Voraussetzungen werden ein höherer
Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer
Prüfung.
Lit.: Sossidi, E., Die
staatsrechtliche Stellung der Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des
deutschen Offiziers, 1964; Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A.
1965; Untersuchungen des Offizierskorps, 1962
Öffnung ist
eine frühneuzeitliche Bezeichnung für ein →Weistum.
Öffnungsrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines
befestigten Ortes die Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen.
Träger des Öffnungsrechts ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. →offenes
Haus
Lit.: Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss.
phil. Tübingen 1967
Ofner,
Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien
Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung
des Rechtes ein.
Lit.: Brauneder, W., Leseverein und
Rechtskultur, 1992
OGH →Oberster
Gerichtshof
Okkupation (F.)
Besetzung
Lit.: Latour, C./Vogelsang, T.,
Okkupation und Wiederaufbau, 1973
Ökologie (F.) Umweltkunde
Lit.: Radkau, J., Die Ära der Ökologie, 2011
Ökonomie (F.)
Wirtschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx,
K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die Geschichte des
ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999; Schefold, B.,
Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004
Ökonomische Analyse
des Rechtes ist die von den Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh.
(1975ff.) übernommene Betrachtungsweise des Rechtes, die über die Einbeziehung
der Wirklichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grundlage der
Rechtsordnung zu verändern versucht.
Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen
Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic
Analysis of Law, 1977; Assmann, H. u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993;
Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A.
1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998
Oktoberdiplom ist das nach der Niederlage Österreichs gegen die italienische
Einigungsbewegung und Frankreich (in der Schlacht bei Solferino) am 20. 10.
1860 gewährte (oktroyierte, auferlegte) neue Staatsgrundgesetz in →Österreich,
demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrats
ausgeübt werden soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung
eines allgemeinen Parlaments umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es
findet aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am
26. 2. 1861 das →Februarpatent.
Lit.:
Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Oktroi (franz. [M.] octroi Bewilligung, Zugeständnis) ist die
Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine Möglichkeit
der Verfassungsgewährung (Verfassungsoktroi z. B. Bayern 1808/1818, Nassau
1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen 1815/1816, Baden 1818,
Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829, Preußen
1848, Österreich 4. 3. 1849).
Lit.: Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Oktroisystem ist
das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der Verleihung von Rechten
durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung
juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh. durch das System der Konzession
und danach der Normativbestimmungen (1870) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217
oktroyierte Verfassung
→Oktroi, Verfassung
Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493?-Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem
Theologiestudium in Wittenberg (Melanchthon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524
Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533)
Kanzler. Er verfasst (43) bedeutende Richterregeln (domarereglerna) (mit 21
Rechtssprichwörtern).
Lit.: Schmidt,
G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966
Oligarchie (F.) Herrschaft einiger
Oldenburg ist
seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der Hunte benannte
Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946 in →Niedersachsen
aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das
Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H.,
Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955
(masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur
Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts
von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen
Anwaltschaft, 1977; Parteien und Wahlen in Oldenburg, hg. v. Günther, W., 1984;
Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte
des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre
Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; Friedl, H. u. a., Biographisches Handbuch
zur Geschichte des Landes Oldenburg, 1992; Harms, H., Oldenburgische
Kartographie, 2004; Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150
Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008; Steinwascher, G.,
Das Haus Oldenburg, 2010; Steinwascher, G., Die Oldenburger, 2. A. 2012
Oldenburger Bilderhandschrift →Bilderhandschrift
Oldendorp,
Johannes (Hamburg um 1488-Marburg 3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach
dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten Rechtsstudium in Rostock und
Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in Frankfurt an der Oder, 1521
Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in Köln und 1543 in Marburg.
Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur Ausbildung, in denen er früh
naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam ist auch sein Einsatz
zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.
Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große
Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des
Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966
Oldradus de Ponte ist ein in Lodi geborener, in
Bologna ausgebildeter, 1297 in der Nähe zweier Kardinäle bezeugter, seit 1310
am päpstlichen Hof in Avignon tätiger, vielleicht nach 1335 verstorbener Jurist
(consilia, kleine exegetische Schriften, Glossen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 602
Oléron ist
die vor der französischen Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat
aufgezeichneten, durch 30 Handschriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles
d’Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht
stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuropäischen
Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz
vor 1286 geschaffene Original der Aufzeichnung aufbewahrt wurde. Das Seerecht
gliedert sich in 24 Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft,
Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d’Oléron an
vielen Orten aus ( →Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische
Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby,
Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681).
Lit.: Das
Seerecht von Oléron nach der Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H., 1906;
Perels, L., Das Seerecht von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K.,
Ursprung und Wurzeln der Rôles d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles
d’Oléron, 1985
Oligarchie (F.)
Herrschaft weniger
Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000
Olmütz an
der March westlich des sog. niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl
Kaiser Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt
und wird 1352 als →Oberhof für alle mährischen Orte
sächsisch-magdeburgischen Rechtes bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers
Johann, ab 1430 Stadtbuch des Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30
Städte und 80 kleinere Orte wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705
aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird nach dem Vorbild Breslaus von dem
Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polansdorf) die Olmützer Gerichtsordnung
schriftlich niedergelegt, die Vogt und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess
nur geringfügig beeinflusst ist. 1569/1576 erhält O. eine Universität (bis
1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet →Preußen im Streit um Kurhessen angesichts
der Überlegenheit Russlands in der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer
Punktation auf die Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung.
Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855; Fischel,
A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als Oberhof
mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25; Schüßler,
M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148;
Spáčilová, L./Spáčil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava z
Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004
Olympia
Lit.:
Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in der Antike, 2004; Sinn, U., Das antike
Olympia, 2004; Swaddling, J., Die olympischen Spiele in Athen, 2004
Ombudsmann ist
der Mensch, der als Verfassungsorgan den Einzelnen gegen staatlich-behördliche
Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des
Königs →Magnus Hakonarson (1263-1280) für Bergen als Bevollmächtigter des
Königs. Am 6. 6. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit
dem 20. Jh. wird er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die
Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volksanwalt,
Wehrbeauftragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957,
Dänemark 1962, Großbritannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978).
Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972;
Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat, D.,
The Ombudsmann plan, 1973
Opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte
öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern,
Straßenkehren).
Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275;
Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen, teilweise später aufgenommenen
Recht die Untersagung fremder Bauführung durch einen Beeinträchtigten.
Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell, DRG
2
Opfer ist
zunächst die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung eines Übels und
schließlich der dadurch Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche
Strafrecht hauptsächlich mit dem Täter und seiner Bestrafung beschäftigt,
gewinnt in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch das O. an Bedeutung
(Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz in Deutschland den Staat zur
Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein
Täter-Opfer-Ausgleich im Strafverfahren angestrebt.
Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der
Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995
Oppidum (lat.
[N.]) Siedlung, Stadt, im Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert
sind die (etwa 170 bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten (der Zeitenwende) (z.
B. Manching bei Ingolstadt).
Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen
oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die
Ausgrabungen in Manching, 1970
Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßigkeitsgrundsatz des staatlichen
Handelns. Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft
darf nach Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s
(Preußen 3. 1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.)
seit 1877/1879 (§ 152 StPO) nur in bestimmten Grenzen das O. anwenden (anders
z. B. Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).
Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip
und Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters 1974, 411; Dettmar, J., Legalität
und Opportunität, 2008
Opposition ist
die Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die
in der ersten Hälfte des 18. Jh.s in England entwickelte O. ist wesentlicher
Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469;
Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P.,
Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und
Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im
Karolingerreich, 1979
oral (Adj.) mündlich
Lit.:
Oral History, hg. v. Obertreis, J., 2011
Oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für ein an Vormünder gerichtetes Verbot des
römischen Kaisers Septimius Severus des Jahres 195 n. Chr., ländliche oder
stadtnahe Grundstücke eines →Mündels zu veräußern oder zu verpfänden.
Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15
Ordal ist
die dem vom Altfränkischen beeinflussten Altenglischen entnommene
wissenschaftliche Bezeichnung für das frühmittelalterliche →Gottesurteil
seit dem 19. Jh.
Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten Wassers
vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; Žontar, J., Ein
Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975),
194
Orden ist
die dem römischen Gesellschaftswesen nachgebildete christliche
Menschengemeinschaft und seit dem 17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von
Mönchsorden lässt sich dabei entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen
816) oder seit dem 12. Jh. (→Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen
geistliche Ritterorden (1190 →Deutscher Orden) und weltliche Ritterorden
(Kastilien 1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische
Verdienstorden in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen
und zu stiften ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche
Regelung erfährt. Der Orden pour le mérite für Wissenschaften und Künste stammt
von 1842.
Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und Verdienstorden,
1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und Kongregationen der
katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon, L., British orders
and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und Rittergesellschaften, Diss.
phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 80; Werlech, R., Orders and
decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 1981; Orden pour le
mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994;
Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v. Dinzelbacher, P., 1997;
Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 1997; Nimmergut, J.,
Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000, 8. A. 2011, 9. A. 2014; Die
Bettelorden im Aufbau, hg. v. Melville, G. u. a., 1999; Ballweg, J., Konziliare
oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden
(1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002; Orden und
Klöster, hg. v. Jürgensmeier, F. u. a., 2005; Gleba, G., Klöster und Orden im
Mittelalter, 2. A. 2006, 3. A. 2010; Scharfenberg, G./Thiede, G., Lexikon der
Ordenskunde, 2010; Deutsch, A., Ein Geheimbund zum Töten, 2010; Henning, E. u.
a., Orden und Ehrenzeichen, 2010
Ordenaçoes Afonsinas ist
die nach König Alfons V. von Portugal benannte, 1446 bzw. 1448 bzw. 1454
fertiggestellte Sammlung von Rechtsquellen (königliche Regierung und Verwaltung
62 Titel, Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel, Zivilverfahren 128
Titel, Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel).
Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia do
Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 195;
Domingues, J., As ordenaçoes afonsinas, 2008
Ordenaçoes Filipinas
ist die Sammlung des portugiesischen Rechtes von 1603.
Ordenaçoes Manuelinas
ist die Überarbeitung der →Ordenaçoes Afonsinas unter König Manuel I.
von 1521.
Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196
Ordensregel ist
die die Verhältnisse in einem →Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter
stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem
4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, die Augustinus und Benedikt von Nursia
bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab,
weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln
auf die Regeln der heiligen Basilius, Augustinus, Benedikt und Franziskus
begrenzt.
Lit.: Holste, L., Codex regularum monasticarum et
canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen Ordensregeln, 2. A.
1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Handbuch des
katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476
Ordensschule ist
vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw. von einem →Orden
geführte →Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner u. s. w.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Orderpapier ist
das Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich bezeichnete Person als
berechtigt benennt, aber den Aussteller auch verpflichtet, an eine vom
Benannten durch →Indossament bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere
finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere Art der Wertpapiere
aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere
der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900), Namensaktie und
Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel erscheint im 12. Jh.
und gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. in das Heilige römische
Reich.
Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG
GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A.
1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, 385ff.,
Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen Orderpapiere, Diss. jur. Berlin
1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts,
1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher
Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645
Ordinancie (unde
insettinge) ist die Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im
Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die →Vonnisse
von Damme und damit mittelbar die →Rôles d’Oléron zugrunde.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Ordinarius (lat.
[M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o.
anscheinend der Vorsitzende des Spruchkollegiums einer Fakultät. Auch nach
Abschaffung dieser Einrichtung (1877/1879) bleibt der Name für den berufenen
und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten, tritt aber in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s im Kampf vieler gegen die Ordinarienuniversität
(1968, „Hinter den Talaren steckt der Muff von 1000 Jahren“) zurück und wird im
Zuge der Demokratisierung der Universität als amtliche Bezeichnung
einschließlich der damit verbundenen Emeritierung (Entpflichtung ohne
Entrechtung) mehr und mehr aufgegeben (derzeit noch Bestandsschutz in
Österreich).
Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F.
v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck
1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896,
Neudruck 1958, 210
Ordinatio (F.) de inquisitione consuetudinem facienda ist das französische Gesetz von 1270, das königliches
Verfahrensrecht auch im örtlichen Gericht anwendbar macht und das mündliche
Verfahren teilweise in ein schriftliches Verfahren umwandelt.
Ordnung ist
der geregelte Zustand oder Ablauf. Von Vorstellungen des Altertums und der
Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im
Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdiensts oder auch der Krönung.
Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf
das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz
allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften
für den guten Zustand (→Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll
(Polizeiordnung, Landesordnung). Von daher wird die Polizei zur Wahrung von
Sicherheit und O. bestimmt. Die im Text streng gefasste Ordnungsvorschrift wird
in der Wirklichkeit unterschiedlich angewendet. Dabei besteht ein Bewusstsein,
dass das Erlassen von Vorschriften allein noch keine Veränderung bewirkt,
sondern auch die Durchsetzung erforderlich ist. In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass besondere Ordnungsbehörden
entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung
und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche
Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971,
13. A. 2001; Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W., Deutschlands
Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766,
hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses,
1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg. v. Fögen, T., 1995; Köbler, G.,
Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a.,
1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen, Ius commune
24 (1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die
Prozessordnung entstand, (in) Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003; Meyer, C.,
Ordnung durch Ordnen, (in) Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v.
Schneidmüller, B. u. a., 2006, 304; Von der Ordnung zur Norm, hg. v. Drossbach,
G., 2010; Jansen, N., Methoden, Institutionen, Texte, ZRG GA 128 (2011), 1
Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der Entpolizeilichung der Verwaltung in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Gesamtheit der die öffentliche →Ordnung
betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Götz, V.,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001
ordo (lat.
[M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge, Ordnung
Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die
Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion
und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein unbekannter
Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen Normannenreich, DA 60
(2004), 54
Ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der Gemeinderat.
Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58
ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer)
Lit.: Köbler,
DRG 32
ordo (M.) iudiciarius (lat.) →ordo (M.) iudicii (lat.)
Ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten
Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s], Imperator
Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis [Norditalien?,
drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem 12. Jh. unter
verschiedenen Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung
(vgl. noch →Zivilprozessordnung, →Strafprozessordnung).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form,
1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski.
W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der
Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in)
Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003
Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist die Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s, die in der →Maiestas
Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung findet.
Lit.: Werunsky,
E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98
Ordonnance (lat.
[F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder
fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich
allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in dem
1144 die Verbannung getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden
angeordnet wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der ordonnances, die der König
allein erlassen kann, mit der starken Vermehrung des Königsguts (Krondomäne)
zu. In der Folge ergehen zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei
die Stände im Absolutismus von der Mitwirkung an allen ordonnances ausgeschlossen.
Fürstliche ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für Normandie, Anjou,
Bretagne, Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern. In der Gegenwart ist o. die
gesetzesvertretende Verordnung oder der Beschluss
Lit.: Recueil général des anciennes lois françaises, hg. v.
Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir législatif en France, 1891;
Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Olivier-Martin, F.,
Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in)
Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93
Ordonnance civile touchant la réformation de la justice ist das französische Gesetz von 1667 über die
Gerichtsverfassung.
Ordonnance criminelle
ist das französische Gesetz von 1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets
zu Lasten des Angeklagten abändert.
Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des Jahres 1681, das in fünf
Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.;
Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996
Ordonnance de Montils-les-Tours ist das französische Gesetz von 1454, das die Sammlung,
Aufzeichnung und Überprüfung der →coutumes anordnet.
Ordonnance de Orléans
ist das französische Gesetz von 1439, das dem König ein stehendes Heer
zugesteht und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht.
Ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de la
justice ist das französische Gesetz von
1539, welches das Verfahren beschleunigt, weltliche Gerichtsbarkeit und kirchliche
Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister vorsieht, den Staatsanwalt zur
Partei des Strafverfahrens macht und Schriftlichkeit und Vertraulichkeit
regelt.
Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von 1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte
und Handelsgerichte.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les donations ist das französische Gesetz von 1731 über Schenkungen.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les testaments ist das französische Gesetz von 1735 über das
Testamentsrecht.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les substitutions ist das französische Gesetz von 1747/1748 über die
Einsetzung eines Ersatzerben.
Lit.: Regnault,
H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance von Paris
(Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil) ist das französische
Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König
die Möglichkeit der Änderung vorbehält.
Ordre public
(frz.) ist die Gesamtheit der die öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens
bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem französischen Recht
als Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im internationalen
Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer Rechtssatz nicht
anwendbar.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960
Organ ist
(in menschliche Gegebenheit auf juristische Kunstfiguren übertragender
Betrachtungsweise) der für eine als solche nicht handlungsfähige juristische
Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnde Mensch (z. B. handelt der
Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein Organ).
Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 519
Organisation für europäische wirtschaftliche
Zusammenarbeit (OEEC) Organization for European
Economic Cooperation
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) Organization for
Economic Cooperation and Development
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE)
Lit.:
Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,
1999
Organklage ist
die →Klage eines →Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten
Rechte gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der
jüngeren Vergangenheit.
Organschaft ist
die Stellung und Tätigkeit als →Organ.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I
Oriflamme (F.)
ist die Kirchenfahne der Abtei Saint Denis bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11.
bis 15. Jh.
Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de lis et oriflamme, 1991
originär (ursprünglich)
Orléans an
der Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum
civitas wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230
erscheint die Möglichkeit eines Rechtsunterrichts in O. (Jacques de Revigny,
Pierre de Belleperche). 1306/1312 erhält es eine bis 1792 bestehende
Universität.
Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation
Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d’Orléans,
hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 130; Duynstee, M., L’enseignement du droit civil à
l’université d’Orléansx, 2013
Orléans →Kapetinger
Ornat (M.)
Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane, Talar
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.;
Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963
orphanus (lat.
[M.]) Waise
Örsted,
Anders Sandoe (Langeland 1778-Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, der in Kenntnis
deutscher Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner) die Rechtswissenschaft
in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske
Lovkyndighed, 1818ff.).
Lit.: Dahl, F., L’œuvre juridique d’ A. S. Örsted, 1934;
Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders Sandoe
Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978
Ort (M.) Spitze,
Platz, Ortschaft
Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957
orthodox, Adj., rechtgläubig (z. B. orthodoxe christliche Kirche in Osteuropa
Ortsname ist
der →Name einer Siedlung oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen
reichen vielfach in die älteste Überlieferung oder erkennbare Grundlage zurück
(, rund 4600 Namen für 295 Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie
können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln. Für Deutschland verzeichnet
Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reiches (6. A. 1935) schätzungsweise
56250 Ortsnamen, Müllers Großes Deutsches Ortsbuch (vollständiges
Gemeindelexikon für die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche
Demokratische Republik, 11. A. 1956) mehr als 120000 Orte. →http://www.koeblergerhard.de/GOLD-HP/Einfuehrung.doc
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A.
1913, Neudruck 1983; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G.,
Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil.
Heidelberg 1950; Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann,
E., Von Gaudingstatt und Hundo (Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E.,
Flurnamen zwischen Rhein und Saar, 1965; Reitzenstein, W. Frhr. v., Lexikon
bayerischer Ortsnamen, 1986, 2. A: 1991; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg.
v. Schützeichel, R., 1988; Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993,
2. A. 1999; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a.,
2001; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen
des Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir,
K./Ohainski, U./Udolph, J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003;
Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001;
Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005;
Brandenburgisches Namenbuch, Bd. 1-12, 1967ff. (Zauche, Belzig, Teltow,
Havelland, Barnim u. a.); Index zur Reihe Hydronymia Germaniae, bearb. v.
Eggers, E., 2005 (mit CD-ROM); Casemir, K./Menzel, F./Ohainski, U., Die
Ortsnamen des Landkreises Northeim, 2005; Siedlungsnamen im oberfränkischen
Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2006; Große Flüsse auf dem Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland, bearb. v. Borchers, U., 2006; Reitzenstein, W.
Frhr. v., Lexikon bayerischer Ortsnamen der Regierungsbezirke Oberbayern,
Niederbayern und Oberpfalz, 2006; Casemir, K./Ohainski, U., Die Ortsnamen des
Landkreises Holzminden, 2007; Foster, E. u. a., Ortsnamen und
Siedlungsentwicklung - Das nördliche Mecklenburg, 2007 (rund 1300 Ortsnamen,
davon zwei Drittel altpolabisch); Husmeier, G., Geschichtliches Ortsverzeichnis
für Schaumburg, 2008; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten,
2008; Westfälisches Ortsnamenbuch, Bd. 1ff. 2009ff.; Reitzenstein, W. Frhr. v.,
Lexikon fränkischer Ortsnamen, 2009; Vogelfänger, T., Nordrheinische Flurnamen
und digitale Sprachgeographie, 2010; Meineke, B., Die Ortsnamen des Kreises
Lippe, 2010; Casemir, K. u. a., Die Ortsnamen des Landkreises Helmstedt und der
Stadt Wolfsburg, 2011; Korsmeier, C., Die Ortsnamen der Stadt Münster und des
Kreises Warendorf, 2011; Meineke, B., Die Ortsnamen des Kreises Herford, 2011;
Scheuermann, U., Flurnamensammlung und Flurnamenforschung in Niedersachsen,
2011; Altdeutsches Namenbuch , hg. v. Hausner, I.
u. a. www.austriaca.at/altdeutsches_namenbuch;
Deutsches Ortsnamenbuch, hg. v. Niemeyer, M., 2012; Meineke, B., Die Ortsnamen
der Stadt Bielefeld, 2013; Flöer, M., Die Ortsnamen des Hochsauerlandkreises,
2013; Haefs, H., Ostfriesland, 2013 (Ortsnamen); Hackl, S., Ortsnamenbuch des
Enzkreises und des Stadtkreises Pforzheim, 2013 (76); Die regio Basiliensis von
der Antike zum Mittelalter - Land am Rheinknie im Spiegel seiner Namen, 2013
Osenbrüggen,
Eduard (Uetersen 24. 12. 1809-Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der
Philologie in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen
Novellen durch Albert Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechtsgeschichte
und juristische Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im
Anschluss an Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863
das Strafrecht der Langobarden.
Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV
22 (1880), 321
Oslo am
Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von Norwegen angelegt.
1066/1093 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von König Christian IV. von
Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu aufgebaut. 1811 erhält es
eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt des zu dieser Zeit wieder
verselbständigten Norwegen.
Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1
1991
Osmane ist
der Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen
Dynastie, deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei
(Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen (1453 Eroberung Konstantinopels,
17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an Bedeutung verliert.
Lit.: Matuz, J.,
Das osmanische Reich, 1985, 3. A. 1994, 4. A. 2004; Palmer, A., Verfall und
Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B., Österreich und das
osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des osmanischen Reichs, 2000;
Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den Spuren der Osmanen in der
österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T.,
Heiliger Kampf oder Landesverteidigung?, 2004; Müller, R., Franken im Osten,
2005; Reinkowski, M., Die Dinge der Ordnung, 2005; Das osmanische Reich und die
Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M. u. a., 2005; Berchtold, J., Recht und
Gerechtigkeit in der Konsulargerichtsbarkeit, 2009
Osnabrück an
der Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt
eines eigenen Bistums. 1630 (bis 1633 und 1974) erhält es eine Universität.
1648 wird in O. der Friedensvertrag zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges
zwischen Kaiser, Heiligem römischem Reich und Schweden geschlossen.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums
Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht und Verfassung der Stadt Osnabrück, Osnabrücker
Mitteilungen 65 (1952), 96; Renger, R., Landesherr und Landstände, 1968;
Hirschfelder, H., Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die
Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den,
Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück,
1989; Mercatum et monetam, hg. v. Schlüter, W., 2002; Beinke, L., Die Familie
Twente, 2010; Heuvel, G. van den, Adelige Herrschaft, bäuerlicher Widerstand
und territorialstaatliche Souveränität, 2011
Osse,
Melchior von (Ossa 1506/1507-Frauenfels 1557), aus niederem Adel, wird nach dem
Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und Rat, 1542 bis 1543
ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und von 1549 bis 1554
Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In seinem „politischen
Testament“ beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner Zeit
und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a. [lat.] →mos
[M.] Italicus) ein.
Lit.: Langenn,
F. v., Dr. Melchior von Ossa, 1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v.
Hecker, O., 1922, Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten,
Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H., Politisches Ständetum und landschaftliche
Selbstverwaltung, 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113
Ostarstoufa (ahd.
[F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-850), zu Ostern fällige Abgabe.
Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister,
E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946;
Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994
Ostblock ist
die Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion
angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen Staaten (Warschauer
Vertragsorganisation 14. Mai 1955-1. Juli 1991 als Gegenbündnis zur
Nordatlantischen Verteidigungsorganisation, Albanien bis 13. 9. 1968, Bulgarien,
Deutsche Demokratische Republik bis 3. 10. 1990, Polen, Rumänien, Sowjetunion,
Tschechoslowakei, Ungarn).
Lit.: Hacker, J., Der Ostblock, 1983; Umbach, F., Das rote Bündnis.
Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, 2005
Ostern
Lit.: Udolph,
J., Ostern - Geschichte eines Wortes, 1999, 2. A. 2011 (nicht zueiner Göttin Ostara,
nicht zu Osten, sondern zu ausa, an., Sb., Wasser, auf die Taufe bezogen)
Osterode
Lit.: Die
Ortsnamen des Landkreises Osterode, 2000; Urkundenbuch des Klosters Osterode,
bearb. v. Boetticher, M. v. u. a., 2012
Österreich ist der aus dem
südöstlichen Teil des Herzogtums der →Bayern erwachsene, seit 1806
verselbständigte, von 1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im →Deutschen
Bund vereinte, 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom
→Anschluss an das Deutsche Reich ferngehaltene, von 1938 bis 1945 dennoch
an das Deutsche Reich (Adolf Hitlers) angeschlossene Staat. Das Gebiet
zwischen mittlerer Donau und Alpen wird im letzten vorchristlichen Jahrtausend von
Kelten und anderen Völkern, seit 29/15 v. Chr. von Römern (Noricum, Raetia),
seit etwa dem Ende des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) von Germanen, mit
deren Abzug im Osten teilweise von Slawen, dann von den im 6. Jh. sichtbaren
Bayern und spätestens seit 788 (Absetzung Herzog Tassilos durch Karl den Großen)
von den Franken beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der Donau eine
eigene Mark. 976 wird diese Mark an die Familie der →Babenberger (aus
Bamberg?) zu Lehen gegeben. In einer Urkunde Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996
für das Hochstift Freising wird die seit dem 9. Jh. belegte Bezeichnung
ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um Neuhofen an der Ybbs verwendet
(Ersterwähnung des hinsichtlich seines Umfangs und seiner Lage nicht näher
bekannten Ö.). 1139 gibt der neue König Konrad III. aus dem Geschlecht der
Staufer zwecks Schwächung der mächtigen, von Vorgängern mit Bayern (1070) und
Sachsen (1137) belehnten Familie der Welfen das Herzogtum Bayern mit Ö. an die verwandten
Babenberger, doch entzieht 1156 der um Ausgleich bemühte staufische Nachfolger Friedrich
I. Barbarossa den Babenbergern Bayern wieder, gibt es dem Welfen Heinrich dem
Löwen zu Sachsen zurück, löst dabei aber im →so genannten (lat.) privilegium
(N.) minus (kleineren Privileg) Ö. aus Bayern heraus und erhebt es zum eigenen territorialen
Herzogtum der Babenberger, denen 1192 als Folge der Georgenberger Handfeste
von 1186 auch die →Steiermark anfällt. Im 13. Jh. finden sich in Ö. zwei
Landrechte. (1237/1298?, um 1230/um 1298?,
1278/1298?). 1246 sterben die Babenberger in männlicher Linie aus. Das
etwa zu dieser Zeit sich in Österreich ob (westlich) der Enns (Oberösterreich)
und Österreich (nid bzw.) unter (östlich) der Enns (Niederösterreich)
gliedernde Ö. gelangt über die Erbtochter der Babenberger an König Ottokar von
Böhmen. Nach dem Sieg über Ottokar von Böhmen (1278) belehnt König Rudolf von →Habsburg
1282 seine Söhne mit dem an das Reich heimgefallenen Lehen Ö. sowie mit Steiermark
und Krain (Haus Österreich). 1335 fällt Kärnten an. Im 1358/1359 von dem
Habsburger Herzog Rudolf IV. von Österreich veranlassten, gefälschten so genannten
→privilegium maius (größeren Privileg) ist Ö. zum Pfalzerzherzogtum
erhoben. 1363 fällt Tirol, 1368 der Breisgau (Teil des später so genanntes
Vorderösterreich) an die Habsburger. Ab 1512 werden die österreichischen,
von Habsburgern beherrschten Länder bis 1806 im österreichischen Reichskreis
zusammengefasst (niederösterreichische Länder, oberösterreichische Länder,
innerösterreichische Länder). 1516 erbt der Habsburger Karl V. das
Königreich Spanien und wird 1519 zum König des Heiligen römischen Reiches
gewählt. 1521 wird in eine österreichische Linie (Ferdinand) und eine spanische
Linie geteilt. 1526 kommen nach dem Tod König Ludwigs von Böhmen und Ungarn auf
Grund der Heirat Ferdinands mit einer Erbtochter Böhmen und Ungarn zur
Herrschaft der Habsburger hinzu. 1620 wird aus der Reichshofkanzlei eine besondere
österreichische, für Justizangelegenheiten, Verwaltungsangelegenheiten
und auswärtige Angelegenheiten zuständige Hofkanzlei abgetrennt. 1713 erlangen
die Habsburger im nach dem Aussterben ihrer spanischen Linie (1700) ausgetragenen
spanischen Erbfolgekrieg italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola,
kurzzeitig Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana). Zur
Sicherung der künftigen Erbfolge in der Familie der Habsburger wird am 19. 4.
1713 die Pragmatische Sanktion (Sanctio Pragmatica) geschaffen (1720/1732 von
den Ständen und dem Reichstag gebilligt). 1740 wirkt sich beim Tode Karls VI.
das privilegium minus bzw. das darauf gegründete privilegium maius bzw. die Pragmatische
Sanktion zu Gunsten der Erbtochter Maria Theresia (1717-1780) aus. Im
gleichwohl entstehenden österreichischen Erbfolgekrieg verliert Habsburg 1745
den größten Teil Schlesiens an Preußen und 1748 Fürstentümer in Oberitalien. Maria
Theresia (Landesherrin von 1740 bis 1780) wandelt die österreichische Hofkanzlei
1749 in das [lat.] Directorium in publicis et cameralibus um. 1753 setzt sie
für ein einheitliches österreichisches Gesetzbuch (Zivilrecht, Zivilprozessrecht,
ohne Strafrecht) eine Kompilationskommission ein, aus deren Arbeit bis 1766
ein Codex Theresianus mit mehr als 8000 Bestimmungen entsteht, der wegen seiner
Dickleibigkeit aber abgelehnt wird. Am 31. 12. 1768 wird zum 1. 7. 1770 eine
Constitutio Criminalis Theresiana (Strafgesetzbuch) erlassen. Danach gewinnt
Habsburg aus drei Teilungen Polens von 1772, 1793 und 1797 vor allem polnische
und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien 1772, Bukowina 1775, Westgalizien
1795) sowie 1779 das Innviertel. 1786 erlässt Joseph II. auf Grund der
Weiterbearbeitung des Codex Theresianus über den Entwurf Horten (1776) ein
Josephinisches Gesetzbuch (Personenrecht, in Kraft ab 1. 1. 1787), 1787 ein
(Josephinisches) Strafgesetzbuch. 1797 kommt Venedig zu den habsburgischen
Ländern hinzu. Für Westgalizien wird 1797 in Weiterbearbeitung des Codex
Theresianus ein umfassendes Westgalizisches Gesetzbuch erlassen. 1803 wird ein
Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizei-Übertretungen geschaffen. 1804
erhebt (Erzherzog bzw. Kaiser) Franz II. Ö. nach dem Vorbild Napoleons in Frankreich
innerhalb des Heiligen römischen Reiches zum Kaiserreich (Kaisertum Ö., Franz
I. 1804-1835, Ferdinand I. 1835-1848). Im Frieden von Pressburg von 1805
verliert Ö. Venedig an Frankreich, Tirol und Vorarlberg (an Bayern) sowie
Vorderösterreich, erlangt aber durch Säkularisation das Erzstift Salzburg. In
einem geheimen Zusatzartikel zum Frieden von Pressburg verzichtet Habsburg auf
den Titel römisch-deutscher Kaiser. Am 6. 8. 1806 legt Franz II. nach dem
Austritt von 16 Rheinbundstaaten aus dem Heiligen römischen Reich auf Druck
Napoleons die Kone des Heiligen römischen Reiches nieder. Damit wird Ö. wie
alle anderen Länder des Reiches selbständig, was auch eine allmähliche
Austrifizierung der Rechtswissenschaft zur Folge hat. Im Frieden von Schönbrunn
verliert Ö. am 14. 10. 1809 an Bayern Salzburg, Berchtesgaden und Gebiete am
Inn, an den Herzog von Warschau Krakau, an Russland Tarnopol und an Frankreich
das Küstenland, Krain, Teile Kroatiens und Kärnten (Illyrien). Am 1. 6. 1811
gibt es sich zum 1. 1. 1812 das dem Codex Theresianus, einem Entwurf Hortens,
dem Josephinischen Gesetzbuch, dem Westgalizischen Gesetzbuch und einem Entwurf
Martinis folgende →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben seit
1780 geplanter politischer Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph von
Sonnenfels’ Grundsätzen der Polizey, Handlung und Finanz) scheitert dagegen (endgültig
1818). 1815 wird Österreich weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797
restituiert (ohne Vorderösterreich, aber mit Venedig). Im Deutschen Bund
(1815-1866) ist Ö. Präsidialmacht. 1823 wird Metternich Staatskanzler, 1835
Ferdinand I. Kaiser. Am 13. 3. 1848 werden bei dem Versuch einiger Studenten,
den versammelten Ständen im niederösterreichischen Landtag in der Herrengasse
in Wien eine Petition zur schlechten Lage der Bauern und Arbeitenden zu
überreichen, durch Soldaten fünf Menschen getötet. Daraufhin entlässt der epilepsiekranke
Kaiser Ferdinand I. Kanzler Graf Metternich und gibt am 15. 3. 1848 eine Verfassungszusage.
Es erfolgt ein Übergang zum Ministersystem. Vom 10. bis 17. 4. 1848 beraten
Vertreter vorwiegend deutschsprachiger Länder Österreichs in Wien in einem
ständischen Zentralausschuss über eine Verfassung, ein allgemeines Landesverfassungsstatut,
eine Gemeindeordnung und die Grundentlastung. Am 25. 4. 1848 erteilt Kaiser
Ferdinand I. eine vom Innenminister Franz Xaver von →Pillersdorff
geformte Verfassung (oktroyierte Aprilverfassung, Pillersdorffsche Verfassung,
erste formelle Verfassung Österreichs) mit Gewaltenteilung, Reichstag und
Grundrechten, die aber nach Krtitik nach dem 15. 5. 1848 zurückgezogen wird.
Danach wird von Erzherzog Johann als Regenten am 22. 7. 1848 ein Reichstag
eröffnet, der jedoch im Oktober 1848 nach Unruhen nach Kremsier (Mähren)
verlegt werden muss, wo er einen Entwurf einer Verfassung erarbeitet
(Kremsierer Entwurf). Durch Artilleriebeschuss werden die Unruhen am 31. 10.
1848 gewaltsam beendet (rund 4000 Tote, danach 25 Todesurteile). Am 2. 12. 1848
dankt Kaiser Ferdinand zu Gunsten Kaiser Franz Josephs (1848-1916[, 1867 König
Ungarns]) ab. Der Nachfolger oktroyiert eine Verfassung vom 4. 3. 1849
(Märzverfassung) und gewährt ein Grundrechtspatent, doch wird diese
Verfassung ebenfalls abgelehnt. 1850 wird eine Strafprozessordnung erlassen. Am
31. 12. 1851 hebt der Kaiser durch zwei Urkunden (Silvesterpatent) die von ihm
am 4. 3. 1849 gewährte →Verfassung als unangemessen und unausführbar auf
und beseitigt das Grundrechtspatent des Jahres 1849. Damit beginnt in Ö. der →Neoabsolutismus
(u. a. durch ein Kabinettsschreiben auch Geschworenengerichte abgeschafft,
Trennung von Verwaltung und Justiz aufgegeben). Zu dieser Zeit (1851) beträgt
die Zahl der Deutschen innerhalb der Habsburgermonarchie 7870719 Menschen
(21,6 Prozent [davon 3,41 % israelitischer Konfession] der Gesamtbevölkerung,
1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1852 wird ein Strafgesetzbuch erlassen, 1853 eine
Strafprozessordnung. 1855 wird unter Leo Graf Thun-Hohenstein das
geschichtsfeindliche Studiensystem der Zeit vor 1848 nach dem Vorbild der
historischen Rechtsschule in anderen deutschen Staaten auf eine geschichtliche
Grundlage gestellt (Thunsche Studienreform mit Studien- und Staatsprüfungsordnung
für Juristen). Durch die Neutralität im Krimkrieg zwischen Russland und dem
Osmanischen Reich, England, Frankreich sowie Piemont-Sardinien isoliert sich
Ö. außenpolitisch. 1859 gehen nach der Niederlage von Solferino gegen Piemont/Sardinien
und Frankreich Gebiete in Italien (Lombardei) verloren. Unter dem politischen
Druck dieser Niederlage gewährt der Kaiser am 20. 10. 1860 ein (oktroyiertes,
auferlegtes) Staatsgrundgesetz, demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung
der Landtage oder des Reichsrats ausgeübt werden soll. Dieses Oktoberdiplom
will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen
Parlaments umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in
Ungarn noch in Böhmen Billigung. Ihm folgt am 26. 2. 1861 das →Februarpatent, das als Verfassung (Februarverfassung) des
österreichischen Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische
Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung,
Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die
cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern
(Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den
Landtagen zu entsenden sind). Durch Patent vom 20. 9. 1865 (Sistierungspatent)
wird die Wirksamkeit des mit der Februarverfassung kundgemachten Staatsgrundgesetzes
über die Reichsvertretung sistiert, um es zusammen mit dem Oktoberdiplom den
Landtagen der Länder der ungarischen Krone zur Annahme vorzulegen und damit die
als unwiderruflich erklärte oktroyierte Verfassung von 1860/1861 zum Entwurf zurückgestuft,
um einen Verfassungsvertrag zu erreichen. 1866 löst sich der Deutsche Bund
nach seiner Niederlage in der Bundesexekution gegen Preußen auf. Venedig geht
Ö. zu Gunsten Italiens verloren. 1867 erreicht Ungarn im sog. Ausgleich eine
gewisse Eigenständigkeit (Transleithanien, [jenseits bzw. östlich der Leitha
gelegene] Länder der Stephanskrone im Gegensatz zu Cisleithanien als den [diesseits
oder westlich der Leitha gelegenen] im Reichsrat vertretenen Königreichen und
Ländern). Am 21. 12. 1867 schließt die Dezemberverfassung den 20 Jahre
währenden Verfassungsgebungsvorgang in Ö. vorläufig ab. Sie ist eine
Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die
Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung
des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus,
kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungsrecht], Staatsgrundgesetz über die
allgemeinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der
persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862],
Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche
und verwaltungsgerichtliche Zuständigkeiten des Reichsgerichts]),
Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und
Verwaltung, Unabhängigkeit des Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren,
Geschworenengerichte, Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs],
Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z.
B. Bindung an die Gesetze], Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen
der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum
gemeinsamen Monarchen), die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus,
Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof,
Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen. Mit Handschreiben vom 14.
11. 1868 wird der Staatsname in Österreichisch-ungarische Monarchie geändert. Dem
1871 unter Führung Preußens aus dem Norddeutschen Bund (1867) geschaffenen
(zweiten) Deutschen Reich (Bismarcks) gehört Ö. nicht an (kleindeutsche
Lösung). 1873 wird die Beschickung des Abgeordnetenhauses durch die Landtage
durch die Direktwahl nach Kurienzensuswahlrecht abgelöst. Im gleichen Jahr
wird eine neue Strafprozessordnung erlassen. 1878 okkupiert Ö. Bosnien und die
Herzegowina. 1882 wird unter Ministerpräsident und Innenminister Eduard Graf
Taaffe durch Senkung des Steuerzensus das Wahlrecht um eine Drittel bzw.
Viertel ausgedehnt. 1889 werden die Abkürzungen k. u. k. (kaiserlich und
königlich) für gemeinsame Ämter der cisleithanischen und der
transleithanischen Gebiete, k. k. für cisleithanische Ämter und k. für transleithanische
Ämter eingeführt. 1895 verabschiedet Ö. eine 1898 in Kraft tretende (, auch in
Böhmen, Dalmatien, Galizien, Lodomerien, Bukowina, Krain, Schlesien, Mähren
Görz und Gradisca, Triest und Istrien geltende) Zivilprozessordnung mit Jurisdiktionsnorm.
1896 erfolgt unter Innenminister Kasimir Graf Badeni eine Reform des
Wahlrechts (allgemeines Wahlrecht aller mindestens 24jährigen Männer in einer
fünften allgemeinen Wählerklasse innerhalb des bestehenden
Zensuswahlrechts), 1907 unter Ministerpräsident und Innenminister Max Wladimir
Freiherr von Beck die Beseitigung des Kurienwahlrechts und des Zensuswahlrechts
(ohne Frauen und unter Bevorzugung der deutschsprachigen Gebiete durch kleinere
Wahlkreise pro Abgeordneten). 1908 annektiert Ö. Bosnien und die Herzegowina.
Nach der der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und
seiner Frau (durch Gavrilo Princip) in Sarajewo am 28. 6. 1914 (unter
Verwickelung Serbiens) folgenden Kriegserklärung an Serbien (28. 7. 1914,
Beginn der Führung eines Kriegstagebuchs durch den k. u. k. Generalstab am 23.
07. 1914)) verliert das auf diesen lokalen Krieg unter Inkaufnahme eines
Kontinentalkriegs unter einem greisen Kaiser bewusst hinarbeitende, trotz
einer unübersehbar desolaten Lage im Inneren den ersten Weltkrieg entfesselnde,
dabei chaotisch aufmarschierende, die allmähliche Einschränkung des Namens Ö.
auf Cisleithanien 1915 anerkennende Ö. (seit 1916 unter Kaiser Karl I.) am
Ende des ersten Weltkriegs die Gebiete der →Tschechoslowakei, →Ungarns,
→Jugoslawiens und →Südtirols) und wird dadurch von einer
Großmacht zu einem Kleinstaat. Dabei treten am 17. 10. 1918 die 208
Abgeordneten der deutschen Parteien des Reichsrats zu einer provisorischen
Nationalversammlung zusammen und fassen am 30. 10. 1918 einen Staatsbegründungsbeschluss
(Staatsgründungsbeschluss, revolutionär). Am 12. 11. 1918 beschließen sie
das Gesetz über die Staats- und Regierungsform (zunächst drei Präsidenten,
Gesetzesinitiative bei Abgeordneten und Staatsrat, absolute Stimmenmehrheit
der mindestens 50 Anwesenden, [nach Wahlordnung vom 18. 12. 1918 mit Wahlrecht
für Frauen, Verhältniswahlrecht und Senkung des Wahlalters auf 20 bzw. 29
Jahre) Wahl der konstituierenden Nationalversammlung am 16. 2. 1919,
Zusammentritt 4. 3. 1919, Ende am 17. 10. 1920). Dementsprechend wandelt sich
Ö. am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht am 12. November 1918
von der Monarchie zur Republik („Deutschösterreich“). Ihr verwehren die
alliierten Siegermächte den angestrebten Anschluss an das Deutsche Reich. Auf
Grund des Friedensvertrags von Saint Germain wird der Name Deutschösterreich
1919 in Republik Österreich umgewandelt. Die Familie Habsburg wird am 4. 3.
1919 durch das Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des
Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen des Landes verwiesen und enteignet. Durch
Bundesverfassungsgesetz (B-VG) vom 1. 10. 1920 (Entwurf beeinflusst durch
Hans Kelsen) wird die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet
(Staatsgesetzblatt 450, BGBl. 1920, 1, wiederverlautbart als Bundes-Verfassungsgesetz
in der Fasssung von 1929 im Bundesgesetzblatt 1930, Wahlordnungen von 1920 und
1923). Durch das Bundesverfassungsgesetz vom 30. 7. 1925 wird die
Doppelgleisigkeit der Verwaltung in den Bundesländern durch Schaffung eines einheitlichen
Amtes der Landesregierung beseitigt (mittelbare Bundesverwaltung), werden
Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit und Befugnisse
des Rechnungshofs erweitert und werden in einem weiteren Gesetz die Zuständigkeiten
zu Gunsten des Bundes vermehrt. Am 15. 7. 1927 wird aus Empörung über ein
Urteil der Justizpalast in Wien in Brand gesteckt. Durch das Bundesverfassungsgesetz
vom 7. 12. 1929 wird das parlamentarische System durch ein abgeschwächtes präsidiales
System ersetzt (direkte Volkswahl des Bundespräsidenten auf sechs Jahre, Notverordnungsrecht,
Oberbefehl, Einberufung und Auflösung des Nationalrats und der Landtage, Ernennung
und Entlassung der Bundesregierung). Am 19. 3. 1931 vereinbaren Ö. und
Deutschland ein Handelsabkommen über die Schaffung einer Zollunion, die aber
wegen des Widerstands Frankreichs und andererer europäischer Staten nicht
verwirklicht werden kann. Am 4. 3. 1933 wird unter Bundeskanzler und Außenminister
Engelbert Dollfuß (Texing/Niederösterreich 4. 10. 1892-Wien 25. 7. 1934,
Christlichsoziale Partei, 21. 5. 1933 vaterländische Front [mit Kruckenkreuz]
als Sammelbecken gegen Parlamentarismus, Marxismus und Nationalsozialismus,
1933 Verbot des sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbunds, 11. 9.
1933 Wien Trabrennplatzrede gegen Parlamentarismus, Kapitalismus, Liberalismus,
Marxismus und Nationalsozialismus) während einer Abstimmung wegen eines
Eisenbahnerstreiks (durch Rücklegung der Präsidentenämter der drei Nationalratspräsidenten
Karl Renner, Rudolf Ramek und Sepp Straffner zwecks Möglichkeit der Abgabe
ihrer Stimme als Abgeordnete) der Nationalrat ausgeschaltet (nach Ansicht der
Bundesregierung Selbstausschaltung des Nationalrats mit daraus folgendem
Verbot der Neueinberufung), werden die Kommunistische Partei und die Nationalsozialistische
Deutsche Arbeiterpartei verboten (Vaterländische Front als Trägerin des österreichischen
Staatsgedankens). Vom 12. bis 15. 2. 1934 finden von Linz ausgehend Kämpfe
(Februarkämpfe) zwischen (bürgerlicher) Heimwehr (Heimatschutz, Heimatwehr,
1936 aufgelöst, vaterländische Union) und (sozialdemokratischen)
Schutzbündlern statt, nach denen alle sozialdemokratischen Organisationen verboten
und zerschlagen werden. Das praktizierte autoritäre Prinzip (Austrofaschismus,
autoritärer Ständestaat) mit Machtkonzentration in der Hand der Regierung wird
in der sowohl mit einer Verordnung der Regierung wie auch auf Grund eines
Ermächtigungsbeschlusses des Parlaments erlassenen, scheinparlamentarischen,
nur schrittweise und teilweise in Kraft tretenden, die Kanzlerdiktatur verhüllenden
Maiverfassung vom 1. Mai 1934 abgesichert. Dem am 25. Juli 1934 bei einem missglückten
nationalsozialistischen Putsch (mit vielen Toten und Verletzten sowie 13
Hinrichtungen und rund 4000 Einweisungen in Anhaltelager) erschossenen Dollfuß
folgt Kurt Schuschnigg als Bundeskanzler. Am 11. 7. 1936 verspricht in einem
Abkommen der aus Ö. (Braunau) kommende deutsche Reichskanzler Adolf Hitler, die
Souveränität Österreichs zu achten, während Österreich sich an der Tatsache
ausrichten will, dass es sich als deutscher Staat bekennt (geheime Amnestierung
von Nationalsozialisten, Heranziehung von Vertretern der nationalen
Opposition zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung). Am 11. 3. 1938
schließt sich Ö. auf Druck Adolf →Hitlers dessenungeachtet dem Deutschen
Reich an (Anschluss) und wird durch Gesetz vom 14. 4. 1939 in sieben Reichsgaue
mit Reichsstatthaltern eingeteilt (z. B. Oberdonau, Niederdonau). Während des
zweiten Weltkriegs beschließen auf Anregung Großbritanniens die Außenminister
Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika in
Moskau am 30. 10. 1943, dass Österreich von der deutschen Herrschaft befreit
werden soll und dass der Anschluss an das Deutsche Reich null und nichtig sein
soll. Am 27. 4. 1945 erklären die Vorstände der Sozialistischen Partei Österreichs,
der Volkspartei Österreichs und der Kommunistischen Partei Österreichs die Wiederherstellung
der demokratischen Republik Österreich. Weiter sehen sie den Anschluss des
Jahres 1938 an das Deutsche Reich für nichtig an und betrauen eine
provisorische Staatsregierung (unter Karl Renner) mit der Gesetzgebungsgewalt
und der Vollzugsgewalt. Am 1. 5. 1945 kehrt Ö., besetzt von den Alliierten
(Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich), zur
Selbständigkeit zurück (str. ob Okkupation mit bloßem Verlust der Handlungsfähigkeit
und Wiederaufleben oder Annexion mit Notwendigkeit der Neugründung). Am 15. 5.
1945 erlässt die provisorische Staatsregierung ein auf den 1. 5. 1945
rückdatiertes Verfassungsüberleitungsgesetz (Wiederinkraftsetzung des
Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Fassung von 1929, Aufhebung der
Maiverfassung vom 1. 5. 1934 und des nationalsozialistischen Verfassungsrechts,
vorläufige Verfassung 1945, Verfassungsgesetz über die vorläufige
Einrichtung der Republik Österreich) und ein Rechtsüberleitungsgesetz. Das
Behördenüberleitungsgesetz vom 20. 7. 1945 stellt im Wesentlichen die
Behördenorganisation vom 13. 3. 1938 wieder her. Nach Durchführung von
Wahlen für den Nationalrat und Landtage tritt nach dem zweiten
Verfassungsüberleitungsgesetz vom 13. 12. 1945 mit Zusammentritt des
Nationalrats am 19. 12. 1945 das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung
des Jahres 1929 wieder in volle Wirksamkeit. Die Besatzung endet mit dem
Abschluss eines zur →Neutralität verpflichtenden Staatsvertrags (15. 5.
1955). Zur gleichen Zeit tritt Ö. den Vereinten Nationen bei. 1974 reformiert
Ö. das Strafgesetzbuch (mit einheitlicher Freiheitsstrafe), 1975 die
Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied des Europäischen
Wirtschaftsraums, zum 1. 1. 1995 Mitglied der →Europäischen Union. 1999
erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Jörg
Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zum
1. 1. 2004 erhalten die Universitäten eigene Rechtspersönlichkeit (sui
generis) und alle neue eintretenden Mitarbeiter werden nicht mehr Beamte,
sondern Angestellte auf Grund eines Kollektivvertrags (auch Rektor, Professor
u. s. w.). Zum 1. 1. 2007 ersetzt ein Unternehmensgesetzbuch das bisherige
Handelsgesetzbuch. Zum 1. 1. 2010 tritt das Familienrechts-Änderungsgesetz
2009 in Kraft, das fast alle Gebiete des Familienrechts in Einzelfragen umgestaltet
(Patchwork-Familie, Gleichstellung von Lebensgefährten, Anerkennung
ausländischer Adoptionen, Verfahren bei Kindesentführungen, Unterhaltsvorschuss,
Ehegüterrecht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,969, 2,2,419, 3,2,1775,2699, 3,3,3042,3602,3716,3821,3866,4037,4172;
Piccolomini, A. de, Historia Austrialis (zwischen 1453 und 1458 entstanden),
hg. v. Sarnowsky, J., 2005;;Der kayserliche und königliche ... Staats- und
Stands-Calender, 1702ff.; Beck, C., Specimen primum iuris publici Austriaci,
1750; Schrötter, F. v., Grundriss des österreichischen Staatswrechts, 1775; Hof-
und Staatsschematismus ..., 1776ff.; Bidermann, H., Geschichte der österreichischen
Gesamtstaatsidee, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1972; Dopsch, A., Entstehung und
Charakter des österreichischen Landrechtes, Archiv f. österreichische
Geschichte 69 (1892); Menzel, A., Die Arbeiterversicherung nach
österreichischem Rechte, 1893 Neudruck 201c3; hwind, E. v./Dopsch, A.,
Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen
Erblande im Mittelalter, 1895; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen
Staatsverwaltung, 1898; Huber, A., Österreichische Reichsgeschichte, 1895, 2.
A. 1901; Srbik, H. Ritter von, Die Beziehungen von Staat und Kirche in
Österreich während des Mittelalters, 1904; Dopsch, A., Steuerpflicht und
Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Die
landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Hoegel,
H., Geschichte des österreichischen Strafrechts, Bd. 1f. 1904f., Fischel, A.,
Studien zur österreichischen Reichsgeschichte, 1906; Historischer Atlas der
österreichischen Alpenländer, hg. v. d. kais. Ak. d. Wiss. 1906ff. (mit
Erläuterungen); Stieber, M., Das österreichische Landrecht und die böhmischen
Einwirkungen auf die Reformen König Ottokars in Österreich, 1905; Pribram, K.,
Geschichte der österreichischen Gewerbepolitik, 1907; Bernatzik, E., Die österreichischen
Verfassungsgesetze, 2. A. 1911; Adler, S., Das adelige Landrecht in Nieder- und
Oberösterreich, 1912; Luschin von Ebengreuth, A., Österreichische
Reichsgeschichte des Mittelalters, 2. A. 1914; Steinacker, H., Über die
Entstehung der beiden Fassungen des österreichischen Landrechts, Jahrbuch des
Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 1916/1917, 230; Adler, S., Die
Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II., 1917; Dopsch, A., Neue Forschungen
über das österreichische Landrecht, Archiv für österreichische Geschichte 106
(1918); Luschin von Ebengreuth, A., Grundriss der österreichischen
Reichsgeschichte, 2. A. 1918; Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, hg. v.
Kelsen, H. u. a., 1922, Neudruck 2010; Österreichischer Amtskalender, 1922, 80.
A. 2012; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen Landrechts, MIÖG 39
(1922); Stowasser, O., Zwei Studien zur österreichischen
Verfassungsgeschichte, ZRG GA 44 (1924), 114; Werunsky, E., Kritische
Bemerkungen zur österreichischen Landrechtsfrage, Archiv für österreichische
Geschichte 110 (1924); Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und
Österreich, 1925; Hoffmann, A., Die oberösterreichischen Städte und Märkte,
Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereins 84 (1932); Ganahl, H., Versuch
einer Geschichte des österreichischen Landrechts im 13. Jahrhundert, MIÖG
Erg.bd. 13, 1935, 231; Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs,
hg. v. Bittner, L., Bd. 1ff. 1935ff.; Lechner, K., Besiedlungs- und
Herrschaftsgeschichte des Waldviertels, Das Waldviertel 7 (1937); Österreichisches
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(1951); Österreichische Rechts- und Staatswissenschaft in Selbstdarstellungen,
1952; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen
(1804-1918), 1955; Ebner, H., Von den Edlingern in Innerösterreich, 1956;
Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956;
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Thun im Vormärz, 1967; Ebert, K., Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, ZRG GA
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sociální správy (Die Entstehungsgründe der zisleithanischen sozialen
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v. Jambor, W., 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis
zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Floßmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89
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1975; Strakosch, H., Privatrechtskodifikation und Staatsbildung in Österreich,
1976; Holl, B., Hofkammerpräsident Gundaker Thomas Graf Starhemberg und die
österreichische Finanzpolitik der Barockzeit, 1976; Hasiba, G., Die zweite
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vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981; Goldinger, W./Binder, D.,
Geschichte der Republik Österreich 1918-1938, 1992; Österreichischer
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W., Österreich und die deutsche Frage, 1982; Die Rechtsquellen der Freistadt
Rust, hg. v. Berger, M., 1983; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
1983, 2. A. 1992, 3. A. 1996, 4. A. 2001, 5. A. 2001, 6. A. 2007; Zöllner, E.,
Geschichte Österreichs, 8. A. 1990; Bibliographie zur Geschichte der Städte
Österreichs, hg. v. Rausch, W., 1984; Österreich 1934-1984, hg. v. Desput, J.,
1984; Walter, R., Die Entstehung des Bundesverfassungsgesetzes 1920, 1984; Der
4. März 1933, hg. v. Fröschl, E. u. a., 1984; Österreich im Europa der
Aufklärung, red. v. Plaschka, R. u. a. 1985; Megner, K., Beamte, 1985;
Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Buzás, J., Zur
Geschichte des österreichisch-ungarischen öffentlich-rechtlichen Verhältnisses,
ZRG GA 102 (1985), 269; Baltl, H., Dr. August Chabert und die österreichische
Rechtsgeschichte, ZRG GA 103 (1986), 276; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen
Zivilverfahrensrechts, 1987; Owerdieck, R., Parteien und Verfassungsfrage in
Österreich, 1987; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987; Lehner, O.,
Familie—Recht - Politik. Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts
im 19. und 20. Jahrhundert, 1987; Die bevormundete Nation. Österreich und die
Alliierten 1945-1949, hg. v. Bischof, G. u. a., 1988; Lewisch, P., Der Wandel
von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia
bis zum ABGB, 1988; Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988; Wesener, G.,
Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Bielefeldt, S., Die deutsch-österreichische Rechtsvereinheitlichung,
Diss. jur. Kiel 1989; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns,
bearb. v. Strätz, H., Bd. 1 1990; Österreichs Integration in Europa, hg. v.
Hummer, W., 1990; Langer, A., Männer um die österreichische Zivilprozessordnung
1895, 1990; Nationalsozialismus und Recht - Rechtssetzung und Rechtswissenschaft
in Österreich unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, hg. v. Davy, U.
u. a., 1990; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Die österreichische
Rechtsgeschichte, 1991; Rauchensteiner, M., Der erste Weltkrieg und der
Zusammenbruch des alten Österreich, 1991; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des
österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992;
Winkelbauer, T., Und sollen sich die Parteien gütlich miteinander vertragen,
ZRG GA 109 (1992), 129; Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten
Republik - Die Gesetzgebung im Verfassungs- und Strafrecht von 1918-1933, 1992;
Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1996;
Lehner, O., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1992;
Quellensammlung zur österreichischen und deutschen Rechtsgeschichte, hg. v.
Hoke, R. u. a., 1993; Hispania – Austria, hg. v. Kohler, A. u. a., 1993;
Wohnout, H., Regierungssdiktatur oder Ständeparlament?, 1993; Hanisch, E.,
Österreichische Geschichte 1890-1990, 1994; Roessler, P., Entwicklungstendenzen
der österreichischen Rechtssprache seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert,
1994; Was heißt Österreich?, hg. v. Plaschka, R. u. a., 2. A. 1995;
Österreichische Geschichte, hg. v. Wolfram, H., Bd. 1ff. 1994ff.; Wagner, W.,
Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs, 1995; Schausberger, F., Ins
Parlament, um es zu zerstören, 1995, 2. A. 2012; 75 Jahre Bundesverfassung,
red. v. Schefbeck, G., 1995; Gottsmann, A., Der Reichstag von Kremsier, 1995; Schausberger,
F., Ins Parlament, um es zu zerstören, 1995, 2. A. 2012; Hellbling, E.,
Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter,
I., 1996; Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I, hg. v. Brauneder, W.,
1996; Bielefeldt, S., Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die
österreich-ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Mathé, G. u. a.,
1996; Steininger, R./Gehler, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 1997; Geschichte
der österreichischen Bundesländer, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., Bd. 1f. 1997;
Stimmer, G., Eliten in Österreich, Bd. 1f. 1997; Handbuch des politischen
Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H., 3. A. 1997; Österreichisches Recht in
seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny, E., 1997; Texte zur österreichischen
Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I., 1997; Haider, B., Die Protokolle des
Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 1997; Kocher, G.,
Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Melik, V., Wahlen im alten
Österreich, 1997; Rumpler, H., Eine Chance für Mitteleuropa, 1997; Stourzh, G.,
Um Einheit und Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte der
Republik Österreich, 1998; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in
Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter
Maximilians I., 1999; Engel, R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz,
1999; Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u.
a., 1999; Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W.,
England als Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19.
Jahrhunderts, FS Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich
1918, 2000; Grenze und Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und
Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie 1750-1867, hg. v.
Heindl, W. u. a. 2000; Kolm, E., Die Ambitionen Österreich-Ungarns im Zeitalter
des Hochimperialismus, 2001; Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001; Olechowski-Hrdlicka, K., Die
gemeinsamen Angelegenheiten der österreichischen Monarchie, 2001; Felder, N.,
Die historische Identität der österreichischen Bundesländer, 2002; Lackner, C.,
Hof und Herrschaft, 2002; Gehler, M., Der lange Weg nach Europa, Bd. 1f. 2002;
Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C.
u. a., 2003; Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003; Kronenbitter, G.,
Krieg im Frieden, 2003; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2003; Winkelbauer,
T., Österreichische Geschichte 1522-1699, 2003; Krämer, K., Die Bestrebungen
für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland, Diss. phil.
Hannover 2003; Meissel, F./Olechowski, T./Gnant, C., Untersuchungen zur Praxis
der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen, 2004; Selles-Ferrando, X.,
Spanisches Österreich, 2004;
Fritsche, M., Entziehungen, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W.
u. a., 2004; Wagner, S., Der politische Kodex, 2004; Wagner, W., Bildatlas der
österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Anzenberger, W./Polaschek, M.,
Widerstand für eine Demokratie, 2004; Quellenkunde der Habsburgermonarchie
(16.-18. Jahrhundert), hg. v. Pauser, J. u. a., 2004; Vocelka, K., Geschichte
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(2005), 367; Kulenkampff, A., Österreich und das alte Reich, 2005; Mueller, W.,
Die sowjetische Besatzung in Österreich, 2005; Scheich, M., Tabubruch.
Österreichs Entscheidung für die Europäische Union, 2005; Stourzh, G., Um
Einheit und Freiheit, 5. A. 2005; Strohmeyer, A., Konfessionskonflikt und Herschaftsordnung,
2006; Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch
und Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006),
310; Wesener, G., Zum juridisch-politischen Studium an österreichischen Lyzeen
und Universitäten, FS Herbert Hausmaninger 2006, 305; Johnston, W.,
Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 4. A. 2006; Telesko, W.,
Geschichtsraum Österreich, 2006; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v.
Ammerer, G., 2006; Fischer, R., Österreich im nahen Osten, 2006; Hartmann, G.,
Für Gott und Vaterland, 2006; NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich
1938-1945, hg. v. Form, W. u. a., 2006; Krawarik, H., Siedlungsgeschichte
Österreichs, 2006; Niederstätter, A., Geschichte Österreichs, 2007; Beller, S.,
Geschichte Österreichs, 2007;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2
2007, 976; Reingrabner, G., Um Glaube und Freiheit. Eine kleine
Rechtsgeschichte der Evangelischen in Österreich und ihrer Kirche, 2007; http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DOKU/LANGER_GESAMT_ÜBERARBEITET.PDF
(elektronisch gespeicherte Gesetzgebungsmaterialien); http://ris1.bka.gv.at/bkaris/hilfe/bgblpdf/Fundstellennachweis.pdf; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum
ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Die Geburt Österreichs, hg. v.
Schmid, P. u. a., 2007; Stoy, M., Das österreichische Institut für
Geschichtsforschung 1929-1945, 2007; Holzinger, G. u. a, Verfassung kompakt,
2007, 2. A: 2013; Lebenszeugnisse
österreichischer Vizekanzler, hg. v. Mantl, W., 2008; Habsburg und die Slavia,
hg. v. Kohler, G., 2008; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W.,
2008; Österreichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., Bd. 1f. 2008ff.; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u.
a., 2008; Zeilner, F., Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen
Rechts in Österreich bis 1848, 2008; Paar, M., Die Gesetzgebung der
österreichischen Monarchie, 2009; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009; Stalins
letzte Opfer, hg. v. Karner, S. u. a., 2009; Strejcek, G., Das Wahlrecht der
Ersten Republik, 2009; Hundert Jahre allgemeines und gleiches Wahlrecht in
Österreich, hg. v. Simon, T., 2010; Chvoika, M., Josef Graf Sedlnitzky als
Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle in Wien (1817-1848), 2010;
Grundlagen der österreichischen Rechtskultur Festschrift für Werner Ogris, hg.
v. Olechowski, T., 2010; Schafranek, H., Söldner für den Anschluss, 2010: Chcojka,
M., Josef Graf Sedlnitzky als Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle in
Wien (1817-1848), 2010; Butschek, F., Österreichische Wirtschaftsgeschichte,
2011; Kuch, K., Land der Diebe, 2011; Von der Doppelmonarchie zur Europäischen
Union, hg. v. Béhar, P. u. a., 2011; Wirth, M., Christian Broda, 2011;Rechts-
und Verfassungsgeschicht, hg. v. Wiener Arbeitsgemeinschaft Rechtsgeschichte,
2011, 2. A. hg. v. Arbeitsgemeinschaft Österreichische Rechtsgeschichte, 2012;
Geschichte der politischen Bildung in Österreich, 2011; Die Entwicklung des
Zivilprozessrechts in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W.,
2011; Schennach, M., Der „Österreicher“ als Rechtskonstrukt? (in) ZNR 2011, 152;
Das Dollfuss/Schuschnigg-Regime 1933-1938, hg. v. Wenninger, F. u. a., 2012; Rebhan,
H., Österreich wird Verfassungsstaat, 2012; Österreichischer Juristentag
(18.) 200 Jahre ABGB. 2012; Stelzl-Marx, B., Stalins Soldaten in Österreich,
2012; Österreich 1933-1938, hg. v. Reiter-Zatloukal, I. u. a., 2012; Österreich
auf dem Weg zur Demokratie, hg. v. Noll, A. u. a., 2012; Zeyringer, K. u. a.,
Eine Literaturgeschichte Österreich seit 1650, 2012; Pirker, P., Subversion
deutscher Herrschaft, 2012; Kotulla, M., Österreichische Verfassungsgeschichte,
2013; Brauneder, W., Quellenbuch zur österreichischen Verfassungsgeschichte,
2012; Zeyringer, K. u. a., Eine Literaturgeschichte - Österreich seit 1650,
2012; Wolfinger, L., Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs IV. von Österreich,
2012; Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945, 2013;
Constitutional Developments of the Habsburg Empire in the Last Decades before
its Fall, hg. v. Baran, K., 2013; Dornik, W., Des Kaisers Falke, 2013;
Holzinger, G., Verfassung kompakt, 2013; Die Stimme der ewigen Verlierer?, hg.
v. Rausher, P., 2013; Strejcek, G., Erlerntes Recht - Universitäten und
Juristenausbildung in Österreich 1365-2013, 2014
Österreichisches Landre,ht
ist das in einigen Handschriften des 15. Jh.s überlieferte, in zwei Fassungen
mit 70 bzw. 92 Artikel gegliederte Landrecht des Herzogtums →Österreich
aus dem 13. Jh. (1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?). Erfasst werden
Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht,
Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht.
Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und
14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen
Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur österreichischen
Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110 (1924); Ganahl, K.,
Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935; Weltin, M., Das
österreichische Landrecht, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v.
Classen, P., 1977, 381
Österreich-Ungarn (1868-1918
Bezeichnung des seit 1867 in die beiden abgesehen von dem gemeinsamen Monarchen,
den pragmatischen Angelegenheiten und den dualistischen Angelegenheiten
selbständigen Reichsteile der im Reichsrat vertretenen Königreiche und
Länder [Cisleithanien diesseits bzw. westlich der Leitha] und die Länder der
Stephanskrone [Transleithanien östlich der Leitha] gegliederten, nach
längerem Streit als Realunion eingeordneten Gesamtreichs der Habsburger) →Österreich,
Ungarn
Osteuropa ist
die Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas (z. B. Polen, Russland,
Weißrussland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien).
Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die
Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka
Germanie Klaudia Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H.,
Vorstufen und Entstehung des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v.,
Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und
Osteuropa, 1991; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992;
Conze, W., Ostmitteleuropa, 2. A. 1993; Geyer,
D., Osteuropäische Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der
Riese erwacht, hg. v. Olt, R., 1996; Neue Regierungssysteme in Osteuropa und
der GUS, hg. v. Luchterhandt, O., 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1997; Der Osten Europas
im Prozess der Differenzierung, hg. v. Bundesinstitut für ostwissenschaftliche
und internationale Studien, 1997; Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten
Europas, 1998; Entwicklung des Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen
Fakultät der Universität Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg.
v. Roth, H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000;
Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v.
Löwe, H., 2000; Transformation und historisches Erbe in den Staaten des
europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im
Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg,
Rechtsgeschichte 2 (2003); Lübke, C., Das östliche Europa, 2004; Schorkowitz,
D., Clio und Natio im östlichen Europa, HZ 279 (2004), 1; Der EU-Beitritt der
Länder Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a., 2004; Küpper, H., Einführung
in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Mühle, E., Für Volk und deutschen
Osten – Der Historiker Hermann Aubin, 2005; Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien
– Rechtsbewusstsein, hg. v. Krawietz, W. u. a., 2005; Modernisierung durch
Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg. v. Giaro, T., 2006; Osteuropa
in den Revolutionen von 1848, hg. v. Lambrecht, L., 2006; Städte im östlichen
Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2006; Modernisierung durch Transfer zwischen
den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007; Wippermann, W., Die Deutschen und der
Osten, 2007; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v.
Pokrovac, Z., 2007; Zwangsumsiedlung und neue Gesellschaft in Ostmitteleuropa
nach 1945, hg. v. Arburg, A. v. u. a., 2008; Font, M., Im Spannungsfeld der
christlichen Großmächte, 2008; Puttkamer, J. v., Ostmitteleuropa im 19. und
20. Jahrhundert, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z.,
2010; Aufbruch und Krise, hg. v. Störtkuhl, N. u. a., 2010; Puttkammer, J. v.,
Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert, 2010; Aufbruch und Krise, hg. v.
Störtkuhl, B. u. a., 2010; Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mittel-
und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W., 2011; Bewusstes Erinnern und
bewusstes Vergessen, hg. v. Nußberger, A. u. a., 2011; 50 Jahre Institut für
osteuropäisches Recht der Christian-Albrechts-Universität zu KIel, 2011; Rechtskulturen
des modernen Osteuropa. Traditionen und Transfers/Rechtsprechung un Osteuropa.
Studien zum 19. und frühen 20. Jahrhhundert, 2012
Ostfalen ist
im Mittelalter (im Gegensatz zu Westfalen und Engern) der östliche Teil des
Siedlungsgebiets der Sachsen (im 11. Jh. die Gegend um Hildesheim bis Magdeburg).
Ihm entstammt der →Sachsenspiegel.
Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912;
Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Ostfalen, hg.
v. Stellmacher, D., 2005
Ostfriesland
Lit.: His, R., Untersuchungen zu
den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Agena, G.,
Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Engelberg, G.,
Ständerechte im Verfassungsstaat, 1979; Wiemann, H., Materialien zur Geschichte
der ostfriesischen Landschaft, 1982; Kappelhoff, A., Die Münzen Ostfrieslands,
1982; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft ?, 1982;
Haefs, H., Ostfriesland, 2013 (Ortsnamen)
Ostgalizien →Galizien
Ostgötalagh ist
das Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechtes der schwedischen Landschaft
Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei
vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen Bruchstücken
überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303 aufgezeichnet. Es
beginnt mit dem Christenrecht, dem Landfriedensrecht, Eherecht, Erbrecht,
Verkehrsrecht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die Gesetzgebungstätigkeit
des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet. In der Mitte des 14.
Jh.s wird das O. in →Magnus Erikssons Landrecht (1347) verwertet.
Lit.: Westman,
K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch, D., Das Ostgötenrecht,
1971
Ostgote ist
der Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung beteiligten germanischen
Volkes der →Goten. Vermutlich überliefert das (lat.) vielleicht nach
König Theoderich dem Großen (493-526) benannte →Edictum (N.) Theoderici
(um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. bis
555 vom oströmischen Kaiser Justinian (527-565) weitgehend aufgerieben.
Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die
Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici,
1967, (in) Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der
civilitas im Ostgotenreich, 1995; Vitiello, M., Momenti di Roma ostrogota,
2005
Ostgötenrecht →Ostgötalagh
Ostkolonisation →Ostsiedlung
Ostmark ist
zu verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im
Osten.
Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die Ostmark, 1941
Ostpreußen ist
das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen
Weichselmündung und Memelmündung und Ostsee. Über den die Ostsiedlung
betreibenden →Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion an
Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten von →Brandenburg
zur Keimzelle des Königreichs →Preußen, indem der Kurfürst sich selbst
zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet zur
Abgrenzung vom von Polen erlangten Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990
kommt O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in
Ostpreußen, 1956; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost-
und Westpreußen, bearb. v. Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz
Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v. d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R.,
Ostpreußens Schicksalsjahre 1944-1948, 2000; Kossert, A., Ostpreußen, 2005
Ostrakismus (M.)
oder Scherbengericht ist die (vor allem) in Athen seit dem 5. vorchristlichen
Jh. (ca. 486 v. Chr.) nachweisbare Abstimmung der Bürger auf Tonscherben über
die zehnjährige Verbannung eines die politische Ordnung gefährdenden Bürgers
(durch einfache Mehrheit bei mindestens 6000 Beteiligten).
Lit.: Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u. a.,
2002
Ostrom ist
die Bezeichung für die östliche Hälfte des römischen Reiches (293/395) mit der
Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. →Byzanz. 1453 wird das stetig
verkleinerte oströmische Reich von den Türken (→Osmanen) erobert und als
im osmanischen Reich aufgegangen betrachtet, wobei der Sultan erst 1606 zur
Anerkennung des westlichen Kaisertums und nur unter dem Vorbehalt des Vorrangs
Byzanzs bereit ist.
Lit.: Köbler,
DRG 50, 76, 95; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von
565-1453, bearb. v. Dölger, F., Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem
Großen zum Frieden von Zsitva Torok, HZ 279 (2004), 289; Identität und Zugehörigkeit
im Osten der griechisch-römischen Welt, hg. v. Coşkun, A. u. a., 2009
Ostrowski,
Teodor (1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in Warschau Geschichts-
und Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein
eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der polnischen Nation, legt 1786 eine
Übersetzung der strafrechtlichen Teile von →Blackstones Commentaries on
the Law of England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen zu einem
Gesetzbuch →Polens.
Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor Ostrowski, 1956
Ostsee ist das zwischen Deutschland, Polen, Russland, den
baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten liegende, im Mittelalter vor
allem von der Hanse beherrschte Meer.
Lit.: Mare
Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992; Geschichte und Perspektiven des Rechts
im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002; Witt, J., Die Ostsee, 2009
Ostsiedlung oder
Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen
zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000
Menschen in die nach der Völkerwanderung von Slawen besetzten Gebiete. Mit nach
Osten genommen wird das deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht.
Eine wirtschaftliche Folge der O. ist die Entstehung der →Gutsherrschaft.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 93; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im
Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der
ostdeutschen Kolonisation, 1937; Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen
Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und
Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die Weichsel, 1942; Conrad, H., Die
mittelalterliche Besiedlung des deutschen Ostens und das deutsche Recht,
(1955); Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v.
Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem
der europäischen Geschichte, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die
deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa,
1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im Mittelalter, 2003;
Ludwig, C., Die nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung in der Weimarer
Republik, 2004; Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in
Nordostdeutschland, hg. v. Biermann, F. u. a., 2005; Ostsiedlung und
Landesausbau in Sachsen, hg. v. Bünz, E., 2008
Ostverträge sind
die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland
mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge
(12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der →Sowjetunion, 7. 12.
1970 Warschauer Vertrag mit →Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973
Grundlagenvertrag mit der →Deutschen Demokratischen Republik, 1974
Vertrag mit der →Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976
Rentenvereinbarung mit →Polen).
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 246
Öttingen (Grafschaft)
Lit.: Das
älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, Einleitung v. Grünenwald, E., 1975;
Das älsteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, hg. v. Grünenwald, E., 1976 (76
Vasallenfamilien); Die ländlichen Rechtsquellen der Grafschaft Oettingen, hg.
v. Kiessling, R. u. a., 2005
Otto I. →Ottone
Otto Papiensis ist ein in der zweiten Hälfte des
13. Jh.s in Bologna als Schüler des Placentinus und Lehrer des Karolus de Tocco
wirkender Glossator (Glossen, Distinktionen, vielleicht Brocardica, Olim quidam
edebatur).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 238
Otto IV.
Lit.:
Otto IV. Traum vom welfischen Kaisertum, hg. v. Hucker, B. u. a., 2009
Ottobeuren
Lit.: Die Urkunden des
Reichsstiftes Ottobeuren 764-1460, bearb. v. Hoffmann, H., 1991
Ottone (Liudolfinger) ist der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen
kommenden deutschen Herrschergeschlechts (919-1024, Heinrich I. 919-936, Otto
I. 936-973, Otto II. 961-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II. 1002-1024). Sein
bedeutendster Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973, König
936). Mit ihm verbindet sich das wohl bereits ältere, karolingische
Vorstellungen fortführende, ottonische (ottonisch-Salische) →Reichskirchensystem,
nach dem der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter
für die Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur
Ausführung weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen
mit Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren
Angelegenheiten der Kirche eingreift.
Lit.: Köbler,
DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns
von Querfurt, 1956; Wolf, G., Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von
Schwaben, ZRG GA 80 (1963), 315; Santifaller, L., Zur Geschichte des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die
Thronfolge Ottos des Großen, ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae
regum, 1968; Otto der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die Ottonen,
5. A. 2000; Fried, J., Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989; Hlawitschka, E.,
Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149;
Görich, K., Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993; Althoff, G., Otto
III., 1996; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff,
G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die Ottonen,
2000, 2. A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de
Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2000;
Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001, 2. A. 2009;
Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H.,
Ottonische Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002, 2.
A. 2008, 3. A. 2010, 4. A. 2014; Giese, W., Heinrich I., 2008; Keller,
H./Althoff, G., Die Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008;
Becher, M., Otto der Große, 2012; Otto der Große und das römische Rech, hg. v.
Puhle, M. u. a., 2012
OVG →Oberverwaltungsgericht
Oxford an
der Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem
12. Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der
Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das
Christ Church College am größten.
Lit.: Köbler,
DRG 100; Leef, G., Paris und Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English
Universities, 1988; The History of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.;
Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 156
P
Paarformel ist
die zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte Sprachformel, die durch
Stabreim, Endreim, Rhythmus und andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann
(z. B. Haus und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm). Nach Jakob →Grimm
gehört die P. zu den ältesten Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen
Rechtssprache. Dies lässt sich bei genauerer Untersuchung nicht als zutreffend
erweisen. Vielmehr sind viele Paarformeln erst spät und nicht häufig belegt und
nicht besonders bedeutsam. Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr
unterschiedlicher Herkunft. In der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P.
selten.
Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für
geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961;
Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972;
Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986
Pacht (Wort 867 belegt, Pachtvertrag 1784/1794, zu
lat. pactum [N.] Vereinbarung) ist der
gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem
anderen Teil (Pächter) den Gebrauch des gepachteten Gegenstands und den Genuss
der Früchte, soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als
Ertrag anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil
sich verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern
als Fall der (lat.) locatio (F.) conductio rei bekannt. Ihr entsprechen im
Frühmittelalter im Ergebnis die verschiedenen Formen der (bäuerlichen) →Leihe
von Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie
Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme
des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen.
Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann
die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und
Jagdpacht.
Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582; Kroeschell,
DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete und Pacht,
ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS J. Bärmann,
Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts,
ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern,
2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Pacta (N.Pl.) sunt servanda (lat.) ist der im mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte
Rechtssatz, nach dem Verträge grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht
das römische Recht anfangs davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag
grundsätzlich nicht geklagt werden kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur,
aus einer bloßen Vereinbarung entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren
sich bereits im Altertum die hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht
dagegen schon früh den Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter
besonderen Voraussetzungen nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man
auch aus einem einfachen Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen
Neuzeit setzt sich der kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz
durch. Dem pflichten auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei.
Lit.: Söllner §
9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7.
A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um
1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius
canonicum in iure civili, 1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980
pactio (lat.
[F.]) Abrede, Vereinbarung
Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio
und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117
Pactum (lat.
[N.]) ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung für die formlose, keinem
anerkannten Typ entsprechende und deswegen als solche nicht einklagbare, aber
gegebenenfalls einredeweise geltend machbare Vereinbarung (pactum nudum, bloße
Vereinbarung), für die allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. Pactum
adiectum ist die (formlose) Nebenvereinbarung. →pacta sunt servanda
Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§
8, 9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das
Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996;
Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede
Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38
pactum (N.) de non petendo (lat.) (formloser)
Erlass
Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§
9, 18
pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede, welche die
Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäfts einschränkt
Lit.: Kaser § 24 II 2, 31
Pactum (N.) legitimum ist die jüngere Bezeichnung
für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte unentgeltliche Leistungsversprechen
(Mitgift, Schenkung).
Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59
pactus (lat.
[M.] Nebenform zu pactum) Vereinbarung
Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist die
bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts (Vereinbarung
der Alemannen) von etwa 600 n. Chr., dem zu Beginn des 8. Jh.s die (lat.) Lex
(F.) Alamannorum nachfolgt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4.
A. 1960
Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des salfränkischen Rechtes) ist die älteste,
65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica (507/511?).
Lit.: Köbler,
DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960;
Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979
Pactus (M.) pro tenore pacis (Vereinbarung über den
Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica angefügte merowingische
Kapitular vermutlich der merowingischen Könige Childebert I. und Chlothar I.
betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen.
Lit.: Capitularia
regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro
tenore pacis, ZRG GA 27 (1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica
und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Paderborn an
den Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs. Von 1614
bis 1819 ist es Sitz einer Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die
Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von
der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und
Bauernuntertänigkeit, 1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325
(Westfälisches Urkundenbuch 9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den
Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur
Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u.
a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J.,
1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999; Brandt, H. u. a.,
Das Bistum Paderborn im Mittelalter, 2001; Archäologie als Quelle der
Stadtgeschichte, hg. v. Kroker, M. u. a., 2009
Padua westlich
von Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna
abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an →Österreich
und 1866 an →Italien.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel secolo
XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33; Tjarks, S.,
Das venezianische Stadtrecht Paduas von 1420, 2012
Paenitentia (F.) Reue
Lit.: Riechelmann, A.,
Paenitentia, 2005
Paenitentiale (N.) Cummeani ist die in Irland
vielleicht in der ersten Hälfte des 7. Jh.s von Cummean verfasste Sammlung von
Bußsätzen.
Lit.: Kottje, R., Das älteste
Zeugnis für das Paenitentiale Cummeani, DA 61 (2005), 585
Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist die in
verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien
geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird.
Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen
Bußbücher, (in) Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex
and the Penitentials, 1984
pagus (lat.
[M.]) Gau
Pairsgericht (lat.
iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das →Ebenbürtigkeit
voraussetzende Gericht der Standesgenossen. →Magna Charta libertatum
Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die Entstehung der
Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376
Paläographie (F.)
Wissenschaft der älteren Handschriften
Lit.: Bischoff, B.,
Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters,
1979, 4. A. 2009; Prou, M., Manuel de paléographie latine et française, 1890;
Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard
Bischoff und die Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549;
Schneider, K., Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999;
Foerster, H., Abriss der lateinischen Paläographie, 3. A. 2004; Eckhardt, H. u.
a., Paläographie - Aktenkunde - Archivalische Textsorten, 2005Palatinus ist der Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps
Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. →Pfalz
Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C.,
Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.
palatium (lat. [N.]) Palast, Pfalz
Lit.: Brühl, C., Palatium und
civitas, 1975
Palermo in
Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es
an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen
erhält es 1781 eine Universität. 1861 kommt P. zu Italien. →Panormitanus
Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und erneut
beschriebenes Pergament)
Lit.: Hoeflich, M., Law beyond
Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261; Early Medieval Palimpsests, hg. v. Declercq,
G., 2007
Pandekten ([F.Pl.]
Allesumfassendes) ist der griechische Name der →Digesten.
Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück,
C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die
Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen
Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des
Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri Pandectarum,
Bd. 1 2005; Troje, H., Crisis digestorum. Studien zur historia pandectarum,
2011
Pandektensystem ist die systematische Gliederung des Privatrechts (der römischen,
[aber] naturrechtlich geordneten Pandekten) in grundsätzlich fünf Teile. Das
P. geht vom Institutionensystem (Personen, Sachen, Klagansprüche) aus, fasst
bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht zu einem allgemeinen Teil
zusammen und verselbständigt die schlecht einzugliedernden Materien des
Familienrechts und des Erbrechts. Es wird auf Grund des naturrechtlichen
Systemdenkens (→Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) von Gustav →Hugo
(Institutionen des heutigen römischen Rechtes, 1789) angeregt, von Georg
Arnold Heise in seinem Grundriss des Systems des gemeinen Zivilrechts zum
Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt, durch →Savigny, der
ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein verbreitet und als erstem
Gesetz im privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1853ff. und
danach im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42
(1921), 578
Pandektenwissenschaft →Pandektistik
Pandektistik (Pandektenwissenschaft)
ist die Wissenschaft vom den Pandekten entnommenen römischen Privatrecht im
19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei →Savigny (Privatautonomie
[Kant], Grundsätze, widerspruchsfreies System, Vorrang der Wissenschaft). Das
Hauptwerk stammt von Georg Friedrich →Puchta (1798-1846), der darin eine
zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der
Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht
angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung
des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung. Die P. wirkt
sich auch auf die Schweiz, Österreich und England aus. Mit dem Inkrafttreten
des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reichs (1900) verliert sie an
Bedeutung gegenüber Gesetzespositivismus und Zweckjurisprudenz.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 186, 188, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974; Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd.
1ff. 1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen
Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung,
Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W.,
Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die
politische Pandektistik, 1985
Paneuropa (Ganzeuropa) ist der Name einer in Wien 1923 von Richard Coudenhove-Kalergi
begründeten Bewegung zur friedlichen Vereinigung aller europäischen
Demokratien. Sie nimmt gedanklich die europäischen Gemeinschaften in gewisser
Weise voraus.
Lit.: Coudenhove-Kalergi,
Paneuropa, 1923; Ziegerhofer-Pretterthaler, A., Botschafter Europas, 2004
Panisbrief ist
das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser
des Heiligen römischen Reiches einem
Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit
Unterhaltsleistungen versorgt zu werden.
Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der
Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973
Pankarte (lat.
[F.] pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die
frühmittelalterliche Urkunde, mit der nach Verlust von Urkunden allgemein der
bisherige Besitzstand bestätigt wird.
Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im
fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89
Pannonien ist
das zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern
unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst von germanischen
Stämmen, danach von Awaren bzw. →Ungarn erobert wird.
Panormitanus (lat.
[Adj.]) von Palermo, →Nikolaus de Tudeschis
Papianus ist
die ältere, auf einem Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von
Handschriften beruhende Bezeichnung der →Lex Romana Burgundionum.
Papinianus,
Aemilius (Afrika ? um 150-Rom 212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat.
advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng
befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der
Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat. magister [M.]
libellorum) und (203-212) Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als Assessoren).
Seine bedeutendsten Werke sind 37 Bücher (lat.) quaestionum (Fragen, vor 208)
und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten, 204-212), die durch Kürze,
Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausgezeichnet sind. 212 wird P. von
Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Brudermord lasse sich leichter
begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz von 426
soll bei Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In
den Digesten stehen (mehr als 600) Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie
den Studierenden des dritten Jahrgangs treffen.
Lit.: Söllner §§
5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 224; Argumenta Papiniani, hg. v. Harke, J.,
2013
Papirius ist
der römische Oberpriester (lat. [M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s
zweifelhafte Königsgesetze als (lat.) ius (N.) Papirianum (Recht des
Papirius) veröffentlicht haben soll, von dem aber sonst nichts bekannt ist.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Papirius,
Iustus, ist der römische Jurist der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der
Entscheidungen, Antworten, Dienstanweisungen und Festsetzungen
(Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll, von denen 18
Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden.
Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K.
u. a., Bd. 4 1975, 493
Papst ist
im katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz
im Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P. (lat. papa) ist seit der
zweiten Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als den Nachfolger des
Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten.
1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.) →Dictatus (M.) papae, dass der
Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe. Als oberster Hirte der Kirche ist der
P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht der P. sich als eine der
beiden nebeneinander stehenden Gewalten. 751 verbindet sich der karolingische
König mit ihm. Die Kanzlei des Papstes ist der bedeutendste Urkundenaussteller
des europäischen Mittelalters (aus der Zeit zwischen 753 und 1197 etwa 25000
Papsturkunden [etwa 50 pro Jahr] überliefert, aus der Zeit zwischen 1197 und
1250 etwa 28000 [etwa 500 pro Jahr]). Zwischen 1046 und 1058 werden vier
deutsche Reichsbischöfe und der aus dem deutschen Reichsteil stammende Abt
Friedrich von Montecassino nacheinander Papst. 1054 trennt sich der Patriarch
von Konstantinopel mit der griechisch-orthodoxen Ostkirche von der Herrschaft
des Papstes in Rom. Infolge der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik und
kirchlicher Reformüberlegungen kommt es seit 1073/1075 zum →Investiturstreit
und weiteren Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und P. Der in deren
Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P. von 1309
bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Martin Luther die Spaltung der Kirche in
Katholiken und Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der →Gegenreformation
reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung und
Liberalismus stellt der P. 1869/1870 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die
Aufhebung des Kirchenstaats (am 20. 9. 1870) durch das Königreich
→Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten. Die Leitungsgewalt
des Papstes ist eine Höchstgewalt und eine unmittelbare universale Vollgewalt.
Gewählt wird der P. im sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die
das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder
katholische Christ. Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit
(bis zum 28. Wahlgang). Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P.
(Johannes Paul II.) und der 270. Papst (Benedikt XVI.) sind seit langem die
ersten Nichtitaliener.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Weyl,
R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und Kirchenrecht
unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter über die
deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Becker, A., Papst Urban II. (1088-1099), Bd. 1ff. 1964ff.; Päpste
und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.; Fritze, W., Papst und
Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen
Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen und deutschen Herrscher
mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul II., 2. A.
1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger, C.,
Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Schatz, K., Der päpstliche Primat, 2000;
Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A.
1996; Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste,
2. A. 1988; Wucher, A., Von Petrus zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier
Frauen des Papstes, 1997; Fuhrmann, H., Die Päpste, 1998; Papstregesten, 1, 2,
5, hg. v. Zimmermann, K., 1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und
europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C.,
Genealogien zur Papstgeschichte, 1999; Miethke, J., De potestate papae, 2000;
Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141-1159),
2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the Early Middle Ages, 2001;
Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002;
Hundert Jahre Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H.,
Die Päpste, 2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der
päpstlichen Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon
der Päpste, 2005; Reinhardt, V., Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia
(1431-1503), 2005; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005; Böhmer,
J., Regesta imperii. Papstregesten, 2006ff.; Frühe Papsturkunden (891-1054),
hg. v. Fees, I. u. a., 2006; Scholz, S., Politik – Selbstverständnis –
Selbstdarstellung. Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, 2006; Papsturkunden
der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, hg. v. Fees, I., 2007; Erdmann, J.,
Quod non est in actis, 2007; Hack, A., Codex Carolinus, 2006f.; Gresser, G.,
Clemens II., 2007; Eigenbild im Konflikt, hg. v. Matheus, M. u. a., 2008; Hägermann,
D., Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits, 2008; Schrör, M.,
Metropolitangewalt und papstgeschichtliche Wende, 2009; Papsturkunden des
frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale - Konservierung - Restaurierung,
hg. v. Fees, I. u. a., 2009; Goez, E., Papsttum und Kaisertum im Mittelalter,
2009; Mierau, H., Kaiser und Papst, 2010; Frenz, T., Das Papsttum im
Mittelalter, 2010; Esch, A., Wahre Geschichten aus dem Mittelalter, 2010;
Kerner, M./Herbers, K., Die Päpstin Johanna, 2010; Papsturkunden des 12.
Jahrhunderts - Feierliche Privilegien, hg. v. Fees, I. u. a., 2010;
Papsturkunden des 12. Jahrhunderts - Einfache Privlegeien und Litterae, hg. v.
Fees, I. u. a., 2010; Reinke, S., Kurie - Kammer - Kollektoren, 2011; Papsturkunden
des frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Fees, I., 2011; Schima, S., Papsttum
und Nachfolgerbestellung, 2011; Gegenpäpste, hg. v. Müller, H. u. a., 2012;
Ganzer, K., Der päpstliche Primat und das römische Kaiserrecht, 2012; Laudqage,
C., Kampf um den Stuhl Petri, 2012
Papstwahldekret ist das Dekret Papst Nikolaus’ II. von 1059, nach dem
Päpste nur durch Kardinalbischöfe zu wählen sind.
Lit.: Schima, S., Papsttum und Nachfolgebeeinflussung, 2011
Papyrus ist
der aus dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte
beschreibbare Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v.
Chr. Vom 4. Jh. (332) v. Chr. bis zum 7. Jh. (641) n. Chr. werden in Ägypten
zahlreiche, seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende
Papyrusurkunden hergestellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als
Beschreibstoff von dem auch bei höherer Luftfeuchtigkeit dauerhaften Pergament
und seit dem 11. Jh. n. Chr. von dem billigeren und leichteren Papier
verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur wenig mehr als 100 Papyrusurkunden
erhalten.
Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen
Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2.
A. 1962; Seider, R., Paläographie der griechischen Papyri, Bd. 1ff. 1967ff.;
Seider, R., Paläographie der lateinischen Papyri, Bd. 1ff. 1972ff.; Rupprecht,
A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Wolff, H., Vorlesungen über juristische Papyrusurkunde, hg.
v. Wolf, J., 1998
Paradies ist nach biblischer Ansicht der Lebensraum
des Menschen zwischen Schöpfung und Sündenfall, in dem das Recht noch keine
tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht bricht.
Lit.:
Krauss, H., Das Paradies, 2004
Paragraph (§)
ist (das Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die
Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.]
bzw. capitulum capituli?).
Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W.,
Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22
(1966), 2041; Harder, M., Der Paragraph, (in) Tradition und Fortentwicklung im
Recht, hg. v. Slapnicar, K., 1991
Parangaria (lat.
[F.]) ist eine mittelalterliche Abgabe.
Parapherna (lat.)
sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände.
Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58
Paraveredus (lat.
[M.]) (Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche Leistungsverpflichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus -
Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55
Parentel (1496) ist die von einem Stammelternpaar
und deren Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. (Linie)
vom Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern u. s. w. Jede vorgehende P. schließt die
nachfolgende aus. Innerhalb einer P. entscheidet die Nähe des Verwandtschaftsgrads,
doch ist das Eintrittsrecht anerkannt. Nach einer Ansicht ist das Denken in
Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die Uneinheitlichkeit
der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch entwickelt sind die
Parentelen 1740 von →Darjes (1717-1791). In Ablehnung anderer
erbrechtlicher Vorstellungen (Vierklassensystem Justinians, Dreiliniensystem
u. a.) nimmt Joseph II. das Parentelensystem (Linealgradualordnung) mit 6
Parentelen bezüglich des freivererblichen Vermögens in sein Erbfolgepatent von
1786 auf und bewirken Martini und Horten die Aufnahme der P. in das
österreichische →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812 (1914
Grenze bei Urgroßeltern). Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (18961900)
und das Schweizer Zivilgesetzbuch (1907/1911) entscheiden sich für die P. Dem
entspricht im Ergebnis auch der amerikanische Uniform Probate Code von
1969/1975.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones
jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41;
Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973),
149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Parentelensystem →Parentel
Paris an
der Seine, 54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der
keltischen Parisier, den die merowingischen Herrscher der →Franken
übernehmen (u. a. 614 Edikt von P. Chlothars II.). Mit der Durchsetzung der
Grafen von P. 987 als Könige des westfränkischen Reichs wird der Grund für P.
als Hauptstadt Frankreichs gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor im frühen 12.
Jahrhundert (Ludwig VI. 1108-1137)aufgenommene Studium des Rechtes in P. vom
Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris als Obergericht des
Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere Bedeutung. Mit dem
Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die französische Revolution. 1814 und
1815 werden nach den Niederlagen Napoleons Friedensverträge von P. geschlossen.
1871 versucht die Pariser Kommune erfolglos die Beseitigung des zentralistischen
bürgerlichen Staates. Nach dem ersten Weltkrieg werden in den Vororten von P. 1919
und 1920 Friedensverträge abgeschlossen (Versailles 28. 6. 1919 mit
Deutschland, Saint Germain 10. 9. 1919 mit Österreich u. a.).
Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la
France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, E., Le parlement de Paris, 1901;
Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire de la
coutume de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O., La
coutume de Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la région
Parisienne, 1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Hartig, I., Die Pariser Kommune,
1871; Nève, P., Recent work on the superior courts, The Irish Jurist, 23 (1988),
129; Paris, Genèse d’un paysage, 1989; Geschichte der Universitäten in Europa,
hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004; Carbonniéres, L.
de, La procédure devant la chambre criminelle du Parlement de Paris au XIVe
siècle, 2004; Kouamé, T., Le collège de Dormans-Beauvais, 2005; Sohn, A., Von
der Tesidenz zur Hauptstadt, 2012
Pariser Edikt
ist das unter dem fränkischen König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614
entstandene Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes.
Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von
614, 1976
Pariser Übereinkunft ist die völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des
gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.
Parität (F.)
Gleichheit (der Konfessionen)
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963),
261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1973
Parlament ist
das dem Besprechen von Angelegenheiten dienende Beratungsgremium, insbesondere
die zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in
Anfängen seit (924 bzw.) 1100, in entwickelter Form seit 1295 (bzw. 1327,
parlamentarisch legitimierte Absetzung Edurds II.), in Italien und Spanien seit
der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse →Stände
an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen
und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch
Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch
Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten
Volkes (→Volkssouveränität) zum Zweck der →Gesetzgebung bzw.
umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die
Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung
gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird
auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch →Ermächtigungsgesetz
kann das P. ausgeschaltet werden.
Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de
Saint-Laurent-lès-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A.,
Medieval Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts,
1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974;
Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H.,
Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der
Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum
Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A.,
Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte
der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the
Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch, M.,
Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L’istituzione parlamentare nel
XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung und
parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der
Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali
europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den konstitutionellen
Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Manca, A.,
Öffentlichkeit und Organisation der Parlamentsarbeit im konstitutionellen
Deutschland, ZNR 2007, 215
parlamentarisch, Adj., das Parlament betreffend, z. B. parlamentarische Demokratie
(Demokratie mit dem Parlament als politischem Mittelpunkt z. B. Schweiz),
parlamentarische Monarchie (Monarchie mit dem Parlament als politischem Mittelpunkt
z. B. Großbritannien)
Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen Besatzungszonen
des →Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65 Abgeordneten
(Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Ludwig Bergsträßer, Paul Binder, Adolf
Blomeyer, Heinrich von Brentano, Johannes Brockmann, Paul de Chapeaurouge,
Thomas Dehler, Georg Diederichs, Fritz Eberhard, Adolf Ehlers, Hermann Fecht,
Albert Finck, Andreas Gayk, Otto Heinrich Greve, Rudolf Heiland, Wilhelm Heile,
Hubert Hermans, Theodor Heuss, Anton Hilbert, Fritz Hoch, Hermann Höpker
Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf Katz, Theophil Kaufmann, Gerhard Kroll,
Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet, Robert Lehr, Lambert Lensing, Fritz
Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von Mangoldt, Karl Sigmund Mayr, Walter
Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Hugo Paul, Anton
Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner, Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter,
Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph
Schönfelder, Josef Schrage, Carl Schröter, Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm,
Kaspar Seibold, Josef Seifried, Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß,
Adolf Süsterhenn, Friedrich Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene
Wessel, Ernst Wirmer, Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann,
Georg August Zinn, beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter,
Otto Suhr, biographische Daten z. B. bei Feldkamp 2008), das den vom Herrenchiemseer
Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland (→Grundgesetz)
seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8.
5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der
Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in
den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde des Menschen ist
unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des parlamentarischen
Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange, E., Gestalter des
Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle
hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff.; Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat,
2008; Bauer, J., Der Beitrag der FDP-Fraktion im Parlamentarischen Rat, 2013
Parlamentarisches System ist die politische Gestaltung, bei der die Regierung vom
Vertrauen des →Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich
in England 1834/1835, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28.
10. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English
Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen
Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A.
1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie,
HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G.,
Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976;
Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne
Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im
Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a.,
1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988;
Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge
des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997
Parlamentarismus →parlamentarisches System
Lit.: Christern, H., Deutscher
Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus
und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977;
Obenaus, H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann,
K., Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus
in Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg
1819-1870, 1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001;
Parlamentarismus in Europa, hg. v. Recker, M. u. a., 2004; Braun, M., Der
badische Parlamentarismus, 2009
Parlament de Paris
→Parlament, Paris
Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of Paris,
1995
Parma am
Nordfuß des Apennins kommt über Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken.
Im 12. Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den
päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von Papst Paul III.
geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das 1860 Sardinien-Piemont und 1861
damit →Italien eingegliedert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di
Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361
Parömie (F.) Sprichwort, Regel
parricidium (lat.
[N.]) arge Tötung
Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35
pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer Abstimmung), →Mehrheit
Parsberg
Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981
Partei ist
im Verfassungsrecht die Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere
Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische
Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Parlament
teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine
ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im
Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht
ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der
P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im
Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang an
gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen im
Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties, in
Deutschland 1784. Die politische P., der seit dem 17. Jh. parteiähnliche
Vorläufer (Vereine, z. B. Sprachgesellschaften, verstärkt seit der Mitte des
18. Jh.s z. B. patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde
wie die Illuminaten, Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise
wie die Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783 oder studentische Reformbewegungen)
vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben
(England Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865, im
Deutschen Bund örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits
vor 1848, fraktionsähnlliche Clubs erst in der Frankfurter
Paulskirchenversammlung von 1848, Österreich Ende 19. Jh.s [nach dem
Vereinsgesetz vom 15. 11. 1867]). Ab etwa 1860 werden die von 1832 bis 1848
verbotenen, 1848/1849 eine Zahl von 2000 mit vielleicht 800000 Mitgliedern
erreichenden, danach aber für einige Zeit wieder zurücktretenden politischen
Vereine als P. bezeichnet. Im Deutschen Reich sehen die Parteien bis 1890
Politik als Suche eines persönlichen Zugangs zu Otto von Bismarck, während sie
später politische Vorhaben mittels Bündnissen und Kompromissen zu erreichen
versuchen. Die wichtigsten politischen Parteien vertreten liberale,
konservative, sozialdemokratische, kommunistische oder am Ende des 20. Jh.s ökologische
Zielsetzungen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV;
Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K.,
Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff.
1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche
Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer,
L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A.
1965; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971;
Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die
politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im
Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, (in) Recht, Gericht,
Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche,
P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L.,
Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Fenske, H., Deutsche
Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996;
Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25.
A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen
Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die
freikonservative Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v.
Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933, 2002;
Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2005; Deutsch, A., Lizenz zum Töten, 2010; Mende, S.,
Nicht rechts, nicht links, sondern vorn. Eine Geschichte der Gründungsgrünen,
2010; Heidemeyer, H., (Grüne) Bewegung im Parlament, HZ 291(2010), 71; Mende,
S., Nicht rechts, nicht links, 2011; Populismus in der modernen Demokratie, hg.
v. Wielenga, F. u. a., 2011; Reibel, C., Bündnis und Kompromiss, HZ 293 (2011),
69
Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens durch eine →Partei. Der
Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang an.
Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend
verdrängt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Parteieid ist
der von der →Partei zu leistende Eid. Er ist ein problematisches
Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im römischen Recht
wie auch im deutschen Recht. →Reinigungseid
Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, M., La
testimonianza della parte, 1962; Münks, A., Vom Parteieid zur Parteivernehmung,
1991
Parteivernehmung ist
das seit 27. 10. 1933 zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im
deutschen Zivilprozess.
Partenreederei ist die →Reederei, bei der das einzelne Schiff im
anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als
(lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet.
Das →Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich.
Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft
betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen
ein Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen
und grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist
regelmäßig Außengesellschaft.
Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei,
1973
partilular, Adj., einen Teil (lat. [F.] pars) betreffend
Partikularismus ist der Zustand, in dem innerhalb
eines Ganzen stets der kleineren Einheit der Vorzug gegeben wird.
Lit.: Rörig, F., Ursachen und
Auswirkungen des deutschen Partikularismus, 1937
Partikularrecht (Wort 18. Jh.) ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im
Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im
fränkischen Reich die verschiedenen Volksrechte (Franken, Sachsen, Alemannen,
Bayern, Thüringer, Friesen, Langobarden u. s. w.) nebeneinander. Seit dem
Hochmittelalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte
und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den
(einheitlichen) gemeinen Rechten des Reiches die (grundsätzlich vorrangigen,
aber beweisbedürftigen, unterschiedlichen) redlichen, ehrbaren und leidlichen
Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürstentümer, Herrschaften
und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das
einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen,
das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen)
Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen
Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine
Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5
Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen
sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P.
im Bereich des bürgerlichen Rechtes bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen
Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht),
doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort.
Lit.: Köbler,
DRG 137; Nahmer, W. v. d., Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff.
1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 1847,
2. A: 1854, 3. A. 1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck
1996; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958,
Neudruck 1988; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967, 189; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K.,
Universales und partikulares Recht, (in) Vom nationalen zum transnationalen
Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor
Gericht, 2002
Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame
Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z. B. Rechtsanwälte).
Lit.: Seibert, U., Die Partnerschaft,
1994
Partnership Act
(1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechtes.
Partsch,
Joseph (Breslau 2. 9. 1882-Berlin 30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird
nach dem Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal)
1906 außerordentlicher Professor in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in
Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin.
Wissenschaftlich widmet er sich unterschiedlichen Gegenständen der
Rechtsgeschichte des Altertums.
Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA 45 (1925), V
pascuarium (lat.
[N.]) Weideabgabe
Pass ist
die zum Ausweis eines Menschen bei Einreise, Ausreise und Aufenthalt im Ausland
grundsätzlich erforderliche öffentliche Urkunde. Der P. ist dem Altertum und
dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746 König Ratchis der Langobarden mit
persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit dem Hochmittelalter gewinnt er
mit der Territorialisierung des Rechtes an Bedeutung. Besonders gefördert wird
der P. in Frankreich (1464 passeport für Briefboten, später auch Soldaten), wo
er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang versehen wird. Seit 1815 ist auch im
Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu England der P. rechtstatsächlich nahezu
unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt
die europäische Einigungsbewegung erneut auf Beseitigung der damit
verursachten Einschränkungen hin (u. a. Abkommen von Schengen). Der Inhaber
eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem und konsularischem Schutz.
Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge.
Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur
Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche
Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A.
1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und
Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004; Reisen, A., Der Passexpedient, 2012
Passau
Lit.: Maidhof, A., Das Passauer
Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen
Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit, L., Passau. Das Hochstift, 1978;
Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992; Passau in der Zeit des
Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999; Passau – Quellen zur
Stadtgeschichte, hg. v. Boshof, W. u. a., 2004; Knorring, M. v., Die
Hochstiftspolitik des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm, 2006; Erkens, F.,
Die Fälschungen Pilgrims von Passau, 2011
Pasukanis,
Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer der sowjetischen
Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die
Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe.
Bereits 1931 muss er sich wegen der tatsächlichen Notwendigkeit von Gesetzen
auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling
beseitigt.
Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N.,
Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194
Pataria ist
eine in Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s
bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende
Reformbewegung.
Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955;
Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321;
Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der
europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse
Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Pate ist
der den kindlichen Täufling der christlichen Kirche vertretende, neben den
Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen wird er seit dem 3.
Jh. bedeutsam.
Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63
(1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und
Adoption, 1991
Patent (1563, Patentrecht 1855) ist
allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das einem Erfinder bzw. dem für
ihn wirtschaftlich tätigen Verwerter (z. B. Verleger) (durch eine solche
Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte
Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu
erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England [1327-1377]
zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen
Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig begegnet bereits
1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen Zustands das erste
Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung
voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung
gewährt. 1623/1624 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich
befristete Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In
Frankreich wird nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom →geistigen
Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen
Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Im Deutschen
Reich wird 1877 ein erstes Patengesetz und 1891 ein verbessertes Patentgesetz
geschaffen. Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das
Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische
Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren
Grundlage in München 1977 ein europäisches Patentamt errichtet wird.
Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte
des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das
älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M., Erfindungsschutz
und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum
deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Beier, F.,
Gewerbefreiheit und Patentschutz, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das Bergrecht als Ursprung
des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977; Wadle, E., Gewerbliche
Schutzrechte und Unternehmensorganisation, (in) Recht und Entwicklung der Großunternehmen,
hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft, 1998;
Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein Einfluss
auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R., 1999;
Gehm, M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216;
Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004;
Seckelmann, M., Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im
deutschen Reich 1871-1914, 2006; Heppe, R. v., Patentverletzungen, 2007; Köbler,
G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008;
Mächtel, F., Das Patentrecht im Krieg, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Arapostathis, S. u. a.,
Patently Contestable, 2013
pater (lat. [M.]) Vater (im
römischen Recht grundsätzlich der, den
die Ehe mit der Mutter als solchen ausweist)
Pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das
eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes u. s. w., die Frau und den aufgenommenen
gewaltfreien Hausfremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat.
potestas [F.]) hat.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60; Söllner §§ 4, 5, 8, 12;
Köbler, DRG 21
Paternalismus (M.) auf das Wohl eines anderen auch
gegen dessen Willen gerichtetes Verhalten
Lit.: Gutmann, T., Paternalismus –
eine Tradition deutschen Rechtssenkens?, ZRG GA 122 (2005), 150; Grenzen des
Paternalismus, hg. v. Fateh-Moghadeam, B., 2008
Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiss. →mater semper
certa est
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Patria potestas
(lat. [F.]) ist die im altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des
(lat.) →pater (M.) familias über Kinder und Frau ([lat.] in manu), die
einer Frau nicht zugänglich ist Die der p. p. unterstehenden Menschen sind
vermögensunfähig und erwerben Besitz und Eigentum für den pater familias, der
seinerseits für rechtsgeschäftliche und deliktische Verpflichtungen haftet (z.
B. Noxalhaftung). Die p. p. ist rechtlich weitgehend uneingeschränkt,
unterliegt aber der Aufsicht der Zensoren. Die p. p. schwächt sich allmählich
ab. Seit dem Spätmittelalter wird sie in dieser veränderten Form im Heiligen
Römischen Reich aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden
Eltern die elterliche Gewalt zu.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die
Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern
und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“, FamRZ 27
(1980), 205
Patriarchat ist
die von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern
bzw. Männern im Familienrecht im Gegensatz zum →Matriarchat und der
partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein
kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia,
Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel, Rom).
Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur
Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991;
Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991
Patricius (lat.
[M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer
Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet.
Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische
Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil,
W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang-
und Ämterstruktur, 1985
Patrimonialgerichtsbarkeit (Bezeichnung 18. Jh.) ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde,
dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber
Eingesessenen ermöglichende Gerichtsbarkeit des →Grundherrn (in
bürgerlichen Angelegenheiten, einfacheren Straffällen, Polizeiangelegenheiten
und Steuerangelegenheiten, die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens
der Landesherrn zustande kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597
Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der
Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimonialgerichten tätige Juristen, 1849
Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer (geringfügigen) Kostengünstigkeit
der politische Liberalismus des 19. Jh.s. Nach zahlreichen kleineren Veränderungen
(Einführung obergerichtlicher Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer
Unkündbarkeit, Besoldung mit festem Gehalt, Abschaffung der Kammerjustiz,
Eingliederung in den Instanzenzug, Zunahme der Visitationen) verschwindet
sie seit 1848 ganz (Österreich 1848, Preußen 2. 1. 1849 bzw. 1851, zuletzt 1879
in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft Schönburg in Sachsen).
Lit.: Wachsmuth,
C., Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung,
1808; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hofmann, H., Adelige
Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und
Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit,
1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001;
Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001
patrimonium (lat.
[N.]) Erbgut, Gut
Lit.: Kaser §§
18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36; Köbler, LAW
Patriziat ist
die Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der mittelalterlich-städtischen
Oberschicht.
Lit.: Roth v.
Schreckenstein, K. Frhr. v., Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856,
Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat und Geschlechterherrschaft in der
Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Klocke,
F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, 1965; Deutsches
Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers, J., La ville au Moyen Age,
1990; Lehner, S., Das Patriziat im Wandel, 2009; Hecht, M., Patriziatsbildung
als kommunikativer Prozess, 2010
Patrizier ist
im altrömischen Recht der Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen
gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht
man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen)
Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus
Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus
aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das →Patriziat
weitgehend abgeschlossen. In verschiedenen Städten wie z. B. Frankfurt am Main
sondert es sich vom Handel ab und nähert sich dem Adel auf dem Land an. Es
vermag sich seine Vorrechte bis in das 19. Jh. zu erhalten.
Lit.: Söllner §§
4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in
Nürnberg, 1956; Dreher, A., Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966;
Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches
Patriziat, hg. v. Rössler, H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat,
1981; Körner, H., Frankfurter Patrizier, 2003
patrocinium (lat.
[N.]) Schutzpflicht z. B. des früheren Herrn gegenüber einem früheren Sklaven
oder eines Heiligen gegenüber einer Kirche
Lit.:
Beck, M., Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau,
1933
Patron (lat.
[M.] patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem
gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die
Kirche schützende Heilige.
Lit.: Kaser § 4
1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991
Patronat ist
die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen
Grund und Boden gebauten mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf
diese. Das P. entsteht im 12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an
Kirchen in der kirchlichen Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die
Fürsorge für die Kirche entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für
das vom Bischof verliehene geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der
Kirchenbaulast bis in die Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris
canonici (1917) können neue Patronate nicht mehr entstehen.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Wahrmund, L., Das Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Stutz, U.,
Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, 3. A. 1972; Gilgen, H. zur,
Das Patronatsrecht im Kanton Luzern, 1923; Landau, P., Jus patronatus, 1975;
Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie,
Bd. 26 1996, 106; Danzer, C., Historische Analyse zur Entwicklung der
Patronatserklärung, 2012
Patrozinium ist
im Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. →Martin)
zu einer einzelnen, später meist nach ihm benannten Kirche. Das P. lässt für
quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Zeit oder auf andere Umstände der
Entstehung einer Kirche zu.
Lit.: Deinhardt,
W., Patrozinienkunde, Hist. Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75
Paulskirche in
Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen, aus Wahlen hervorgegangenen Nationalversammlung
von 1848/9 (18. 5. 1848-28. 4. bzw. 31. 5. 1849). Hier wird eine formelle →Verfassung
beschlossen, die aber nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt zu werden
vermag.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 171; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die
Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Die Grundrechtsdiskussion in der
Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das „Großdeutschland“
der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche,
1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Bert,
H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten, 1996; Jansen, C.,
Einheit, Macht und Freiheit, 1999; Hildebrandt, G., Friedrich Gottlieb Becker,
2013
Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden
verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält
einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte
(Reichsbürgerrecht, Unverletzlichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit,
Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit,
Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentumsschutz, Wohnungsschutz,
Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen
Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser (am 3. 4. 1849 Annahme vom König von
Preußen abgelehnt) und einen Reichtstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor.
Lit.: Köbler,
DRG 194; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Die
finanz- und steuerverfassungsrechtlichen Vorschriften der
Paulskirchenverfassung, hg. v. Kempny, S., 2010; Kempny, S., Auf dem Weg zum
deutschen Bundesstaat, ZRG GA 129 (2012), 391
Paulus,
Iulius (3. Jh. [† 222-235]), ein Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint
zuerst als Advokat, dann (neben →Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten →Papinianus
und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des kaiserlichen Rates.
Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich darstellenden, oft eigene
Ansichten äußernden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 bzw. 320 Büchern
zugeschrieben, von denen Kommentare zum prätorischen Edikt (80 Bücher), zu den
drei Büchern Zivilrecht des Sabinus (16 Bücher), Responsen (23 Bücher) und
Quaestionen (26 Bücher) die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen die sog. →Paulussentenzen.
P. ist einer der fünf Zitierjuristen des Zitiergesetzes (426). Die →Digesten
bestehen zu einem Sechstel aus (mehr als 2000) Auszügen aus seinen Werken.
Lit.: Söllner §§
15, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft,
1961; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott,
J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000
Paulus de Castro
(Castro westlich des Lago de Bolsena 1360/1362-20. 7. 1441) wird nach dem
Rechtsstudium in Perugia (Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena,
Florenz, Bologna und Padua. Von ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex
Justinians sowie viele Gutachten.
Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de
Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza
consulente e Paolo di Castro, (in) Rivista di storia del diritto italiano 61
(1988), 141; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 813
Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh. oder
im 4. Jh. entstandene, dem Juristen →Paulus fälschlich zugeschriebene,
aber aus seinen Werken hervorgehende einflussreiche frühnachklassische Juristenschrift
in fünf Büchern, von der Bruchstücke vor allem in den →Digesten
Justinians und in der (lat.) →Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.
Lit.: Kaser § 2
II 5a; Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser,
M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956
pauperies (lat. [F.]) Armut, der von einem vierfüßigen Tier verursachte Schaden
Pauperismus ist
die Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungswachstum bei
stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer
Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Lit.: Köbler,
DRG 135; Matz, K., Pauperismus und Bevölkerung, 1980; Labande, E., Pauper et
peregrinus, 2004
Pavia am
Tessin wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den Langobarden erobert und
allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus
einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte
Rechtsschule, in der (lat.) →Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) →Lombarda
(Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio (F.) ad librum papiensem (Erläuterung zum
Pavianer Buch) um 1100) entstehen, die aber die rechtswissenschaftliche
Tätigkeit in →Bologna kaum beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361
wird eine Universität errichtet. 1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta
(N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis (Statuten der Herrschaft in Pavia) aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 102; Storia della Università di Pavia, 1925; Vaccari, P.,
Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della università di Pavia, 2. A. 1957;
Zorzoli, M., Le tesi legali all’ università di Pavia, 1980; Storia di Pavia,
1987ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34
pax (lat.
[F.]) Friede, →Gottesfriede, Landfriede
pax (F.) Dei
(lat.) Friede Gottes
pecia (lat.
[F.]) Handschriftenteil als Schreibvorlage im 12.-14. Jh.
Lit.: Destrez,
J., La pecia, 1935; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153
Peculium (lat.
[N.], Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines
Sklaven diesem zur tatsächlichen Bewirtschaftung überlassene oder vom
Gewaltunterworfenen selbst gewonnene Sondergut. Der Gewalthaber kann Besitz
ohne eigenen Besitzwillen begründen und haftet für Geschäftsschulden bis zum
Wert des p.
Lit.: Kaser §§
11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 21; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut,
(in) Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393
pecunia (lat.
[F.]) Geld
Lit.: Kaser § 32
II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983
peer (engl.,
zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)
peinlich (zu
lat. [F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend, z.
B. peinliche Frage im Inquisitionsverfahren
Lit.: Köbler,
DRG 115, 119; Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden
peinlichen Rechts, 1800; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von
Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und
peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273
Peinliche Gerichtsordnung Karls V. →Constitutio Criminalis Carolina
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 138, 156, 158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen
Gerichtsordnung Kaiser Karls V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288
Peira, Pira
(griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s
entstandenes, aus 75 unsystematischen Titeln gebildetes praktisches Lehrbuch
des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen
und Abhandlungen des Richters am byzantinischen Hofgericht Eustathios
Rhomaios, die sein Sekretär verarbeitet (lat. Practica [F.] ex actis Eustathii
Romani, Praktisches aus den Akten des Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14.
Jh. (→Harmenopulos) bekannt.
Lit.: Oikonomides,
N., The Peira of Eustathios Rhomaios, (in) Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7
1986, 169; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Peloponnes ist
die griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth. In griechischer
Zeit sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395 n. Chr. wird der
P. Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die
Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. →Griechenland
Pene →lat.
(F.) poena
Pension (F.)
Ruhegehalt des Beamten, Unterkunft
L.: Birnbaum, C., Die Pensionslüge, 2012
Pepo (2.
Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter Vorläufer des Irnerius in
Bologna.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997, 151
per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage, →Manzipation,
mancipatio
Lit.: Kaser § 7
I 3; Söllner § 8
Perduellio (lat.
[M.]), arger Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe
belegte Landesverrat bzw. Volksverrat.
Lit.: Köbler,
DRG 20, 31; Söllner § 8
peregrinus (lat. [M.]) Fremder, Peregrine, Nichtrömer, nicht römischer Bürger,
bedeutngslos ab 212 n. Chr.
Perestroika (russ.)
Umbau (1985-1990 in der Sowjetunion)
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika, 1998
Pergament ist
die abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen
Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt
seit dem Frühmittelalter den Papyrus und unterliegt seinerseits seit dem 11.
Jh. dem Papier.
Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991
Periculum (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung eines Verlustes.
Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs der
Kaufsache nach Vertragsabschluss (bzw. Perfektion), so dass er zahlen muss,
auch wenn er nichts erhält.
Lit.: Kaser §§
34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV 4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum
emptoris, 1998
Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer.
Lit.: Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8,
pr.)
Perneder,
Andreas (Ried um 1499-München 1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt
Richter und Rat in München. Sein Versuch eines großen praktischen Handbuchs des
geltenden Rechtes ist nicht ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.)
Institutiones (unter Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechtes, des
bayerischen Landrechts und der Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms
und Freiburg im Breisgau), Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und
Peen und schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis
notariae des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt.
Dennoch unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur.
Lit.: Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die
Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, (in) Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 1 1977, 556; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977, 167
Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch von den Juristen des ersten
Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Untergangs
der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis
contestatio (F.).
Lit.: Kaser § 37
I, II
Perser ist der Angehörige des persisch sprechenden, aus
den Indogermanen hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen Volkes.
Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom
und das Perserreich. 2001; Klinkott, H., Der Satrap, 2005; Baykal, H., Vom
Perserreich zum Iran, 2007
Person (Wort 1170 belegt) ist, wer
Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch
weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P.
zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen P. wie auch der
juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer
(lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.]) →universitas,
die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht aus lateinisch
persona der allgemeine Begriff der P.
Lit.: Kaser § 13
I; Hübner; Köbler, DRG 121; Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems,
1962; Watson, A., The Law of Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der
juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v.
Füchtner, H., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person
und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung
der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die
Entdeckung der Person, 1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Palm, U., Person im
Ertragsteuerrecht, 2013; Person und Milieu, hg. v. Westermann, A. u. a., 2013
persona (lat. [F.]) Person
Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen
Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall
des →Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit
dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der
Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermögen
gefährdet wird.
Lit.: Planitz,
H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922, 25
Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers,
deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte gemeinschaftliche
Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der Grundbuchführung (→[
Realfolium) die Ausnahme.
Lit.: Hübner 235
Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise
zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen
Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden,
zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen
unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.)
gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im
Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der →Volksrechte). Seit dem
12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der →Landrechte)
abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des internationalen Privatrechts
fort.
Lit.: Kaser § 3
III 2a; Söllner §§ 18, 25; Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., Ètude sur le principe
de la personnalité des lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum
Personalitätsprinzip im antiken Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U.,
La fine della personalità della legge nel cremonese, Bollettino storico cremonese
2, 1, (1931), 94; Gutermann, S., The Principle of the Personality of Law,
University of Miami Law Review 21 (1966), 259; Köbler, G., Land und Landrecht
im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2, 30; Guterman, S., The Principle of the
Personality of Law, 1990
Personalkredit ist das personal gesicherte Darlehen. Die Sicherung durch
einen →Bürgen oder durch →Einlager reicht dabei weit zurück. Eine
starke Belebung erfährt der P. seit dem 19. Jh.
Lit.: Les
suretés personelles, Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff.
personal property
(N.) Fahrnis, bewegliche Sache
Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche,
mit dem Tod des Berechtigten endende →Dienstbarkeit (beschränktes
dingliches Recht z. B. Gebrauch [usus], Wohnung [habitatio] oder Gebrauch und
Fruchtziehung [ususfructus] im Gegensatz zum Realservitut (Grunddienstbarkeit).
Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) wird auch die unregelmäßige
persönliche Dienstbarkeit anerkannt (§ 479 ABGB), im Bürgerlichen Gesetzbuch
des Deutschen Reiches (1900) die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§
1090ff. BGB).
Lit.: Kaser §§
28 I 1, 29 I
Personalunion ist die (rechtlich zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte)
politische Verbindung zweier oder mehrerer monarchischer, rechtlich von
einander unabhängiger selbständiger →Staaten unter einem Herrscher (z. B.
Spanien/Heiliges römisches Reich 1519-1556, Sachsen/Polen 1697-1763, Großbritannien/Hannover
1714-1837, Niederlande/Luxemburg 1815-1890, Preußen/Neuenburg 1707-1857). →Staatslehre
Lit.: Jellinek,
G., Allgemeine Staatslehre, 1900, 2. A. 1905, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759;
Lewy, H., Personalunion und Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H.,
Neuenburgs Union mit Preußen, 1932
Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie
ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) →legisactio (F.) per manus
iniectionem möglich (Verkauf über den Tiber). Tatsächlich findet auch Schuldknechtschaft
zwecks Abarbeitung einer Schuld statt. Gegen die Zeitenwende wird die P. durch
die Vermögensvollstreckung zurückgedrängt. Die P. findet sich auch im
Mittelalter. Erst 1868 wird die Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen
Bund und in Österreich beseitigt.
Lit.: Kaser §§
81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff
auf den Schuldner, 2004
Personenname ist
der →Name einer →Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen.
Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie
werden meistens durch die Eltern gegeben. Seit dem 3. Jh. v. Chr. werden in Rom
drei Namen üblich (Vorname, Name, Geschlechtsname). Im deutschen Bereich
tritt zwecks Unterscheidung der mit den verhältnismäßig wenigen Namen („Vornamen“)
gekennzeichneten Menschen seit dem Hochmittelalter zum Namen („Vornamen“) ein
Beiname oder Zuname (oder Familienname) hinzu. In Österreich wird 1776 die
freie Namensänderung ausgeschlossen. Am Ende des 19. Jh.s wird in Deutschland
das Namensrecht als Persönlichkeitsrecht erkannt. Der P. kann rechtlich
bedeutsame Aufschlüsse bieten.
Lit.: Förstemann,
E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A.,
Mittelhochdeutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch
der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht
in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Familiennamen und
Rechtsgeschichte, 1934; Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A.
1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H.,
Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen
der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien
in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der
altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer
Personennamengebung, (in) Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1;
Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A.
2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Berger, E., Erwerb
und Änderung des Familiennamens, 2002; Dictionnaire historique de
l’anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u. a.,
Bd. 1ff. 2003ff.
Personenrecht (1691) ist das die →Person
betreffende Recht im Gegensatz etwa zum →Sachenrecht (oder zum →Schuldrecht).
Auf der Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische
Recht nach Quintus Mucius Scaevola vor allem →Gaius (um 160 n. Chr.)
zwischen (lat.) personae (F.Pl., Personen) und res (F.Pl., Sachen) sowie
actiones (F.Pl., Klagansprüchen). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen
Rechtes im Spätmittelalter zunehmend. In Preußen trennt das letztlich wohl am
missglückten Postversand gescheiterte Project
des Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen, durch Cocceji das
materielle Recht des Landes durch Gesetz zu vereinheitlichen, in Personenrecht
1749, Sachenrecht 1751, und Obligationenrecht 1753. Der Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis von 1756 behandelt die Personen neben Anderem im ersten
seiner vier Teile (Teil 2 Hab und Gut, Teil 3 Erbe, Teil 4 Verträge). Das
Josephinische Gesetzbuch (1787) erreicht nur die Vollendung des Personenrechts.
Das Westgaliziische Gesetzbuch (1797) überschreibt das zweite seiner 19
Hauptstücke mit den Worten von den Rechten der Personen. Erst im →Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. (Von dem
Personenrechte) aber ausdrücklich einer der drei Teile der Kodifikation.
Lit.: Mühlpfort,
W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des
Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte
und Widerstandsrecht, 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Personenstand (Wort 1818) ist der rechtliche Stand der (natürlichen) Person.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche
Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen
Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur
Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43
Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen.
Der P. findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Er bildet eine
Vorform der →juristischen Person.
Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266
Persönlichkeit (Wort 1300)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Dillmann, N., Der Schutz der Privatsphäre gegenüber Medien, 2012
Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) →iniuria
erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 27
Persönlichkeitsrecht (1895) ist das Recht des
Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung seiner Menschenwürde und auf
Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte
werden das Recht am Namen seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit
kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett
1898) geschützt. 1954 anerkennt der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik
Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13, 334). Als seine geschichtlichen Vorläufer
können dabei Hugo Donellus (1590), die Naturrechtler und eine Mindermeinung
des 19. Jh.s (Puchta, Gierke, Windscheid) angesehen werden. Seit 1999
anerkennt der Bundesgerichtshof Deutschlands die Vererblichkeit der vermögenswerten
Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (postmortales Persönichkeitsrecht z.
B. nach Marlene Dietrich).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271;
Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60),
503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht,
K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965;
Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom
persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J.,
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und
Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der
Persönlichkeitsrechte, (in) Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert,
F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel,
D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur
Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002;
Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Fischer, A., Die
Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004; Martin, K., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2007;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Engel, C., Der Schutz von Privatpersonen vor Presseveröffentlichungen
durch das Reichspressegesetz im Kaisserreich und in der Weimarer Republik,
Diss. jur. Bonn 2011
pertinentiae (lat.
[F.Pl.]) Zubehörstücke
Perugia am
oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den
Kirchenstaat, mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität.
Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A.
1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft
durch Verflechtung, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 33; Le più antiche carte della cattedrale di San
Lorenzo di Perugia (1010-1300), hg. v. Maiarelli, A., 2006
Peter von Andlau
(Andlau? um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.])
artes in Heidelberg (1439) und des Rechtes in Pavia (1443) nach der Promotion
1444 Kaplan in Basel und Leiter juristischer Disputationen (1450) sowie 1460
Professor (1471 Rektor). Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea
monarchia (De imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über
das römische Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende
Darstellung des deutschen Staatsrechts (Entstehung und Funktion von
Herrschaft und Regierung, Reiche des Altertums, Übergang der Herrschaft, Kurfürsten,
Adel, Reichstag, Kriegswesen, Pflichten des Kaisers, Pflichten gegenüber dem
Kaiser, Ende des römischen Reiches). Auf der Grundlage der Bibel, des
gelehrten Rechtes, der Schriften Jordanus von Osnabrücks, Thomas von Aquins,
Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt
er Aufnahme des römischen Rechtes durch engen Anschluss der Fürsten an den
Kaiser und durch gelehrte Richter vor.
Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de Caesarea
monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von
Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“, ZRG
GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955;
Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und
Reich, hg. v. Müller, R., 1998
Peterspfennig ist die aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem Nachfolger des
Petrus geleistete Abgabe (Pfennig), die im Hochmittelalter und im
Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn
entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer.
Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der
Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980
Petition ist
seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu
einer P. ist zunächst ein Recht des Parlaments gegenüber dem Fürsten (Bayern
1818). Daneben erscheinen in England seit 1272 private Petitionen an das
Parlament (rund 170000 erhalten, zunächst anglonormannisch, ab 1440
mittelenglisch) und kommt seit 1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich
mit einer P. an den König, die Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde
zu wenden, ohne dadurch Nachteile befürchten zu müssen. Hieraus wird im frühen
19. Jh. ein Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das
die Reaktion seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine
Petititionsrecht verfassungsmäßig durchgesetzt.
Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und
Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht
in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur.
Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D.,
Das Petitionsrecht, 1992; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Medieval
Petitions, hg. v. Ormrod, W. u. a., 2009
petitorisch (begehrend
[aus dem Eigentum])
Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995
Petrus Crassus
(2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.)
Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen Rechtes gegen die
Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse.
Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites,
Diss. phil. München 1934, 905
Petrus de Bellapertica (Pierre de Belleperche)
(um 1250 geboren-Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird nach dem Rechtsstudium in
Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter (lat. clericus) des Königs und
1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler Frankreichs. Überliefert sind von ihm
vor allem Vorlesungen (lecturae), Repetitionen und Distinktionen.
Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 546
Petrus de Vinea
(Capua vor 1190-San Miniato April 1249), Richterssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter Friedrichs II. Von ihm
stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen
Amtsmissbrauchs wird er im März 1249 geblendet.
Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de
Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de
Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des
Petrus de Vinea, 2002
Petschaft (N.)
Siegel
Pfaffenkind ist das von einem zur Ehelosigkeit verpflichteten Geistlichen erzeugte uneheliche
Kind.
Pfahl ist
der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher
Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z.
B. CCC Art. 131 für Kindestötung).
Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des
Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige
Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938),
42
Pfahlbürger ist
der außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle einer
Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt
(1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach
Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die
P. wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z.
f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger,
Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E.,
Pfahlbürger, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980
Pfählen ist eine mittels Durchbohrens des
menschlichen Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constiutito Criminals Carolina
von 1532) sichtbare Art der Todesstrafe.
Lit.: Brunner, H., Über die Strafe
des Pfählens im älteren deutschen Recht, ZRG GA 26 (1905), 258
Pfalz ist
der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem
Hügel Palatinus, auf dem in Rom das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr.-14
n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw.
deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P.
Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation des
palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schaller-Fischer, M., Pfalz und
Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen
Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.;
Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers,
C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002
Pfalz ist
das aus dem Herrschaftsgebiet des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der
Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser Friedrich I. (1155/1156) entstehende
Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt
1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P.
hinzu. 1945 wird die linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen
Gebieten zu →Rheinland-Pfalz vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Häusser, L., Geschichte
der rheinischen Pfalz, 1845; Lossen, R., Staat und Kirche in der Pfalz, 1907;
Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz,
1937; Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T., Das
kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The government of
the Rhine Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst
Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Press, V., Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft
in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K.,
Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Kern, B.,
Das Pfälzer Landrecht und die Landesordnung von 1582, ZRG GA 100 (1983), 274;
Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P.,
Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte
der Kurpfalz, 1988; Lenz, R., Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M.,
Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994;
Kurpfalz, hg. v. Schweickert, A., 1997; Kohnle, A., Kleine Geschichte der
Kurpfalz, 2005; Martin, M., Pfalz und Frankreich, 2008; Reinhardt, C.,
Fürstliche Autorität versus städtische Autonomie, 2013
Pfalzgraf ist
ein Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit.
Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577,
587, Diplom Chlodwigs II. vom 22. 6. 654), der vermutlich den Hof des Königs
leitet, aber bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König
aufsteigt, wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und
vertritt vor allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein
(vom König eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme (z. B. Sachsen,
Bayern u. s. w.), aus dem sich der P. bei Rhein (als P. des Herzogtums
Lothringen) zum Landesherrn (der →Pfalz) und Kurfürsten (Reichsvikar,
Vorsitz im Fürstengericht) entwickelt, während die Stellung und die Rechte der
anderen Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend verlorengehen. Im Reich
bleibt lange der →Hofpfalzgraf.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H. E.,
Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Litzel,
M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929), 233;
Gerstner, R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen
Pfalzgrafschaft, 1942; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.;
Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des
Pfalzgrafen, 1995; Paulus, C., Das Pfalzgrafenamt in Bayern im frühen und hohen
Mittelalter, 2007; Peltzer, J., Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein, 2013
Pfalzgrafen bei
Rhein →Pfalzgraf, Pfalz
Pfand (Wort
bereits für das Germanische zu erschließen, lat. [N.] pignus) ist schon im
römischen Recht die zur Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an
ihr bestehende Recht. Im engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an
unbeweglichen Sachen) ausgeschieden. Am P. besteht das →Pfandrecht.
Möglich ist in Rom neben der durch das Erlöschen eines bestehenden Pfandrechts
bedingten Verpfändung seit der Hochklassik auch die Verpfändung derselben Sache
für Forderungen mehrerer Gläubiger, wobei das Prioritätsprinzip bedeutsam ist.
das aber durch verschiedene Rangprivilegien durchbrochen ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74,
91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971;
Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim, Gauodernheim,
Ingelheim 1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Krämer, G., Das besitzlose Pfandrecht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pfandbrief ist
eine festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstituts
(Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es
unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer
Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des
19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes
nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild
dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstituts
gewährt.
Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe,
1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte
des Pfandbriefes, (in) Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die
Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur.
Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Pfandlehen ist
das seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines
Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht nur als Pfand, sondern
zugleich als Lehen erhält.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung,
1978, 230
Pfandleihunternehmer ist der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen
Verpfändung beweglicher Gebrauchsgegenstände gibt. Im Mittelalter betreiben
die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken
(Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh. gesetzlich
geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der
Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank).
Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe,
1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen
1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929
Pfandrecht (Wort 1185) ist objektiv die
Gesamtheit der für das →Pfand geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur
Sicherung einer Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens) bestimmte
dingliche Recht an einem Gegenstand, kraft dessen der Gläubiger berechtigt
ist, sich aus dem belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrömischen
Recht ist (bei handgreifbaren Sachen) die (lat. [F.]) →mancipatio oder →in
iure cessio (F.) unter der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere
Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung
des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später entbehrliche Sachhingabe nötig
bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim
Schuldner, wird das P. vom Bestand der Forderung abhängig und entstehen
Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzelanordnung. Voraussetzungen
eines Pfandrechts sind Eigentum des Pfandbestellers, formlose Vereinbarung
der Pfandbestellung und Bestehen einer zu sichernden Forderung. Pfandgegenstand
kann auch eine Forderung sein. Vermutlich gibt es auch bei den Germanen ein P.
zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur
Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache (Sachhaftung). Im
Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden.
Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanzpfand sein,
wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den
Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die
Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden
die nach der tatsächlichen Übertragung gezogenen Nutzungen nicht auf die
Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand ist meist Faustpfand, wobei die
Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch
(evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig
Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechtes (Hypothek) seit dem
Spätmittelalter entwertet das P., so dass zur Sicherung für das Grundpfand
besondere →Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen
1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und Eintragung
bzw. Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld,
das Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose Pfandrechte
immer mehr die Oberhand gewinnen. Rechtstatsächlich tritt im 20. Jh. das
Pfandrecht hinter der den Besitz beim Schuldner belassenden Sicherungsübereignung
zurück.
Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom,
V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche Forschungen,
1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Kapras, J., Das
Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die gesetzlichen Pfandrechte,
Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die Entwicklung des
Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des Pfandrechts, FS H.
Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, Diss. jur.
Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorie im 19.
Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und
Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Mincke, W., Die
Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von
Pfandrechten, 1987; Repgen, T., Das Vermieterpfandrecht im Kaiserreich, (in)
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231; Krämer, G., Das
besitzlose Pfandrecht -_ Entwicklungen in der römischen Republik, 2007;
Krieger, W., Die Akzessorietät des römischen Pfandrechts, Diss. jur. Köln
2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Pfandsatzung →verpfänden,
Pfandrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Pfandschaft ist
im Hochmittelalter, Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung
von Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der
Landesherren 1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der
Landesherren bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000
Fällen Reichsgut (Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte,
Städte, Dörfer, Höfe u. s. w.). Die P.
gewährt dem Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den
Schuldner oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach
zur Auslösung nicht in der Lage.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als
verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L.,
Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987
Pfändung ist
die in der Gegenwart grundsätzlich dem Staat vorbehaltene Beschlagnahme eines
Gegenstands zwecks Sicherung oder Befriedigung eines Gläubigers wegen einer
Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die außergerichtlich, aber förmlich
vollzogene private Pfändung (lat. legis actio [F.] per pignoris capionem) als
Ausnahme neben der allgemeinen Personalvollstreckung möglich. Im
Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden Gegenstände gepfändet und
versteigert. Im Frühmittelalter ist die außergerichtliche P. beweglicher Sachen
in den Volksrechten erkennbar. Die P. zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des
Urteils wird aber bald von der Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt
Amtsträgern überlassen. Die Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur
Folge. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt
die Vollstreckung durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von
beweglichen Sachen und Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung
durch einen Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung
sehr unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des
gelehrten Rechtes stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im
Deutschen Reich vereinheitlicht wird.
Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867;
Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876; Bayer,
W., Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin 1899;
Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M., Das Pfändungsrecht
der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987; Schildt, B., Die Pfändung
um Schaden und Schuld, (in) Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen
Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im
römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz für Lohneinkommen, 2001;
Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer
Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351
Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene
Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner
ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der
Unterwerfung unter die sofortige →Zwangsvollstreckung auf.
Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41
Pfandverfall ist
die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum)
bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter
dem Pfandverkauf zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das
deutsche Pfandrecht, 1867, 248
Pfandvertrag ist der Vertrag über die Bestellung eines Pfandes oder Pfandrechts durch
den Schuldner für den Gläubiger oder Pfandgläubiger. Er ist im römischen Recht (lat.
[N.] pignus, Pfand) Realvertrag. Er entsteht mit der Gabe der Pfandsache an den
Pfandgläubiger.
Pfarrei →Pfarrer,
Pfarrgemeinde
Lit.:
Pfarreien im Mittelalter, hg. v. Kruppa, N., 2008; Die Pfarrei im späten
Mittelalter, hg. v. Bünz, E. u. a. 2013
Pfarrer ist
der Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von
Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des
Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie dar und erteilt das
Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu
leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des Pfarrers rechtlich
genauer festgelegt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935;
Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Arend, S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003
Pfarrgemeinde ist die von einem →Pfarrer zu betreuende christliche Gemeinde.
Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die Verpflichtung
der P., an den höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die
Zugehörigkeit zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit
genau festgelegt.
Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und Tirol
als Markgenossenschaften und Siedlungsverbände, ZRG GA 65 (1947), 234;
Grass, F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A., 1995
Pfarrkirche ist
die planmäßig mit einem →Pfarrer zu besetzende Kirche einer
Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron
und Pfarrgemeinde zuständig.
Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993; Reitemeier, A., Pfarrkirchen
in der Stadt des späten Mittelalters, 2005
Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeitsgebiet eines Pfarrers. Der P. entsteht
noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter bilden sich
zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und verfestigt sich die
Einteilung.
Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens,
1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfeffinger,
Johann Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667-Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der
Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von Vitrarius, P.,
Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des öffentlichen Rechtes) ein
nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen, Rechte) gegliedertes Handbuch
des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches .
Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen
Ritterakademien, 1977
Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf
Zollfreiheit (in Frankfurt am Main) seitens des Heiligen Römischen Reiches .
Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum Frankfurter
Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und
Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)
Pfennig (lat.
[M.] denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro
Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh.
320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige
pro Mark), die 2002 dem (europäischen) Cent weicht.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck
1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Pferd ist das wohl seit dem 3. Jt. v. Chr. zum Reiten und später
auch zum Ziehen benutzte Haustier des Menschn.
Lit.: Weigand, M., Die Pferde der Wikingerzeit, 2008
Pflanzenschutz ist der
Schutz der Pflanzen vor Gefahren. Er ist in einem besonderen
Pflanzenschutzgesetz (1937) geregelt.
Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für Land-
und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen
Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999; Birkhan, H., Pflanzen im Mittelalter,
2012
Pflege (Wort bereits für das Germanische zu erschließen)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflegekind ist
das auf Grund einer Erlaubnis (des Jugendamts) von einer Pflegeperson in
Familienpflege aufgenommene Kind. Die Rechtsverhältnisse der bereits dem
römischen Recht bekannten Pflegekinder sind erst in der jüngeren Vergangenheit
stärker verrechtlicht.
Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der Rechtsgeschichte,
1996
Pfleger (lat.
[M.] curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden
beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird (lat.) →curator
(M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht zu begründendes
Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen
(Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit.
Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975
Pflegeversicherung ist die in Deutschland durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1.
1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für den Pflegefall.
Pfleghafter ist
der Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur
selten (1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von
abgabepflichtigen Freien.
Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435;
Molitor, E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften,
ZRG GA 35 (1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916;
Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die
Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111
Pflegschaft (Wort 1370, lat. [F.] cura) ist die fürsorgliche Besorgung einer Angelegenheit
eines dieser Fürsorge Bedürftigen (Pfleglings) durch einen Pfleger (lat. curator).
Im römischen Recht kennen bereits die Zwölftafelgesetze von 451/450 v. Chr. die
Pflegschaft eines Geisteskranken (lat. cura furiosi) und die Pflegschaft eines
Verschwenders (lat. cura prodigi). Sie steht dem nächsten Agnaten, hilfsweise
den Gentilen, notfalls einem vom Magistrat bestellten curator (Pfleger) zu.
Später kann auch der durch die (lat.) lex Laetoria von etwa 200 v. Chr. geschützte
Minderjährige (lat. minor XXV annis) für ein einzelnes
Geschäft, ab Marc Aurel (2. Jh. n. Chr.) auch für die gesamte Geschäftsführung
einen curator erbitten, dessen vorherige Einwilligung oder nachträgliche
Genehmigung das Fehlen einer Übervorteilung bei dem Geschäft durch den Gegner sichert.
Möglich ist auch eine (lat.) cura für einen Stummen, einen Tauben, einen
Gebrechlichen oder eine Leibesfrucht (lat. nasciturus). Seit dem
Spätmittelalter wird die P. im Heiligen römischen Reich aufgenommen, aber vielfach
nicht eindeutig von der Vormundschaft abgegrenzt. →Pfleger
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflicht (Wort um 1000 belegt, Pflichtverletzung 1774) ist die Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist
das Gegenstück zu einem (subjektiven) →Recht und vielfach die Auswirkung
von (objektivem) Recht.
Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der
Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der
Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973;
Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986;
Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungsproblem, 1988; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflichtteil (Wort um 1350 belegt, Pflichtteilsanspruch 1888, Pflichtteilsberechtigter
1814) ist der unentziehbare Mindestanteil
naher Angehöriger am Nachlass eines Erblassers. Bereits im klassischen
römischen Recht engt im 1. Jh. v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.)
inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) die Freiheit
des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister eines frei geborenen Erblassers
können nämlich ein Testament anfechten, wenn es gegen die sittliche Pflicht
verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher
Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken römischen Recht muss
nahen Angehörigen (seit Konstantin [306-337] Abkömmlinge, Vorfahren und durch
den Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des gesetzlichen
Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen, kann er das
Testament angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das ihm zustehende
Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier Kindern auf die
Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später das Pflichtteilsrecht
umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch vielerorts der P. des
römischen Rechtes aufgenommen (anders z. B. Tirol bis 1811), wobei im
Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900), im Zivilgesetzbuch
der Schweiz (1907/1911) und seit 15. 6. 1978 auch im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Österreichs (neben nahen Abkömmlingen [Hälfte] und nahen Vorfahren
[ein Drittel]) der überlebende Ehegatte in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten
einbezogen wird und die deutschen und österreichischen Gesetzbücher dem
Pflichtteilsberechtigten nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den
Erben gewähren. Das französische und spanische Recht lassen nur eine
beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht gewährt bedürftigen
Angehörigen einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Nachlass.
Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38;
Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur.
Leipzig 1912; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Mertens,
H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge und
das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der lex Falcidia,
FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch,
FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing, H., Zur Entwicklung
des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 25; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug,
2002; Bauer, A., Die innere Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts, 2008: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflugschar ist
der zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9)
glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des →Gottesurteils.
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956
Pfründe ist
die einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den
Erträgnissen eines Vermögens. Die Verdinglichung des Unterhaltsanspruchs
erfolgt dabei nach Ansätzen im Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des
Mittelalters wird die P. zu einer eigenen (Vorform der) →juristischen
Person (ausgestattetes Kirchenamt).
Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U.,
Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002; Philipsen, C., Pfründen und geistliche
Steuern, 2010; Berger, D., Stift und Pfünde, 2011
Pfund (lat.
[F.] libra) ist im Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch
als Rechnungsmünze (264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet und in der Lira
Italiens (bis 2002) und dem Pfund Großbritanniens fortlebt.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988
Phaleristik, F., Ordenskunde
Lit.:
Nimmergut, J., Bibliographie der deutschen Phaleristik, 2010
Philipp von Leyden
(Leiden 1326/7?-9. 6. 1382) wird nach dem Studium der freien Künste, Theologie
und (1339/4) des Rechtes in Orléans 1351/1352 Kanzleimitarbeiter der Grafen von
Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In
seinem Hauptwerk ([85 „casus“ in] De cura reipublicae, Von der Pflege des
Staates) verwendet er das römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von
Holland.
Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952,
249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of Leyden,
1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en
zijn bibliotheek, 1994
Philipp von Schwaben
Lit.: Philipp von Schwaben, hg. v. Rzihacek, A. u. a., 2010
Phillipe de Beaumanoir →Beaumanoir
Phillips,
George (Königsberg 6. 1. 1804-Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872),
englisch-schottischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny)
und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin, 1834
Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er veröffentlicht
eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines deutsches
Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein
siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.).
Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160
Philosophie ist
die gedankliche Beschäftigung des Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung
um Orientierung durch Theorie wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales,
Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon,
Empedokles, Anaxagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der
Neuzeit verselbständigen sich aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19.
Jahrhundert steigt die Zahl der Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht
aufgebrauchten Bedeutung neu verstehender und damit hermeneutisierender
Philosophiegeschichte sehr stark an und sinkt dementsprechend in Ethik und
Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die →Rechtsphilosophie.
Lit.: Zeller, E., Die Philosophie der Griechen, Bd. 1ff.
1844ff.; Philosophisches Wörterbuch, hg. v. Schmidt, H., 7. A: 1922, hg. v.
Gessmann, M.,23. A. 2010; Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. v.
Gründer, K. u. a., Bd. 1ff. 1971ff.; Maurach, G., Geschichte der römischen
Philosophie, 2. A. 1997; Philosophische Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998;
The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u.
a., 1998; Schneider, U., Philosophie und Universität, 1999; Solomon,
R./Higgins, K., Eine kurze Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine
Geschichte der Philosophie, 2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen
Philosophierens. Heraklit – Parmenides – Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe
griechische Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen
und Rezeptionen von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg.
v. Kervégan, J. u. a., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A.
2001; Hirschberger, J., Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken
im Mittelalter, 2003; Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd.
1ff. 2003; Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der
Antike, 2005; Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen
Philosophie, 2005; Philosophie, hg. v. Papineau, D., 2006; Albert, K., Platons
Erbe, 2008; Demandt, A., Philosophie der Geschichte, 2011
Phönizier ist
der Angehörige eines zwischen 1500 v. Chr. und 300 v. Chr. am östlichen
Mittelmeerufer sichtbaren Volkes. Vermutlich entwickeln die P. die
Buchstabenschrift. Handeltreibend erreichen sie wohl England und umschiffen
vielleicht Afrika. Als Punier erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie
von den Römern in den punischen Kriegen (Hannibal) besiegt und eingegliedert
werden.
Lit.: Markoe, G., Die Phönizier, 2003; Jongeling, K.,
Handbook of Neo-Punic Inscriptions, 2008; Kerr, R., Latino-Punic Epigraphy,
2010; A Companion to the Punic Wars, hg. v. Hoyos, D., 2011
Physiokrat →Physiokratismus
Physiokratismus ist die wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s
(François Quesnay 1694-1774), die den Boden als eigentliche Quelle des
Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten Berufszweig erklärt, zur
Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am bewirtschafteten Land
befürwortet und sich später gegen die zunehmenden Eingriffe des Staates, die
eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der allgemeinen Versorgung und
dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtgesellschaft anstreben,
wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet, bewirkt er
kaum praktische Veränderungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133,
134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An
inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François
Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984),
205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994
Piacenza →Parma
Lit.: Zumhagen, O., Religiöse
Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Piast ist
der Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückführenden,
geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nachweisbaren Familie, die unter Boleslaw I.
Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische,
seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die
herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die schlesische 1625/1675.
Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow, 1895; Jasinski, K.,
Rodowod pierwszych Piastow, 1992
Picard,
Edmond-Désiré (Brüssel 1836-1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände
umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf
von →Ihering.
Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré
Picard, 1945 ; Ringelheim, F., Un jurisconsulte de Race, 1999, 2. A. 2012
Piccolomini, Enea
Silvio
Lit. : Meusel, A., Enea Silvio als Publizist, 1905;
Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco Patrizi, 1936; Kallen, G.,
Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939; Kisch, G., Enea Silvio
Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967 ; König und Kanzlist, Kaiser und
Papst, hg. v. Fuchs, F. u. a., 2013
Piemont („Bergfuß“) ist das Gebiet der
westlichen Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden
und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem frühen 18. Jh.
benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm entwickelt sich
1859/1861 das Königreich Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le
costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il
medioevo in Piemonte, 1986; Tabacco, G., Piemonte medievale, 1985
pietas (lat.
[F.]) richtiges Verhalten, Frömmigkeit
Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff,
Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958; Frömmigkeit im
Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002; Geschichte des Pietismus, hg. v.
Brecht, M. u. a., 2004
Pignus (lat.
[N.]) ist schon im altrömischen Recht das →Pfand. Die Hingabe einer Sache
zur Sicherung einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat.
[F.]) →mancipatio oder (lat. [F.]) →in iure cessio unter der
Bestimmung, dass die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzuübertragen
ist. Bei nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung
eines Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich.
Unterbleibt die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im
klassischen römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache
hingegeben wird unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand
besitzen und je nach dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben
soll. Pignus tacitum ist das stillschweigende, möglichen neuen Gläubigern
unbekannte P.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG
26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum,
ZRG RA 114 (1997), 233; Braukmann, M., Pignus, 2008
Pilius (da
Medicina), Pillius (Medicina bei Bologna um 1150-nach 1207) ist um 1180
Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI.
Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.]
bzw. Liber feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen,
Distinktionen, Einzeluntersuchungen).
Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974;
Santini, G., Università e società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri
Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 226
Pillersdorf (Pillersdorff),
Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister →Österreichs. Nach ihm
wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete (gescheiterte) österreichische
Verfassung benannt.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193
Pillersdorfsche Verfassung
(Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, nach
Unruhen am 15. 3. 1848 angekündigte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von
→Österreich für die nichtungarischen Länder ausgenommen auch
Lombardo-Venetien) gewährte (oktroyierte) Verfassung. Sie kennt Gewaltenteilung,
Gegenzeichnung der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen
Minister, Reichstag (Parlament) bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer bei
absolutem Vetrorecht des Kaisers sowie einen Grundrechtskatalog. Auf
Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne
Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich
entspricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in
Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende →Kremsierer
Entwurf. Mit der Märzverfassung wird sie am 4. 3. 1849 aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193
Pillius →Pilius
pincerna (lat.
[M.]) Schenk
Lit.: Köbler, DRG 83
pipe roll (engl.) Schatzkammerrolle des Königs (seit 1130)
Pippin ist
der Leitname der austrasischen Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der
karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren (714/715-24. 9. 768) ist die
pippinische Schenkung benannt.
Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992, 50
Pippinische Schenkung
ist die an die päpstliche Salbung (751?, 754) anschließende „Gabe“ (Rückgabe)
des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754
(756). Sie umfasst das (von den Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma,
Reggio und Mantua bis Monselice, den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien,
Benevent und Spoleto. Die Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils
unklar. Die p. S. legt, auch wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den
Grundstein für die Entstehung des →Kirchenstaats (Vatikan).
Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der
Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des
Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v.
Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J.,
Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984
Pirat, M., Seeräuber
Lit.: Bono, S., Piraten und Korsaren im Mittelmeer, 2009; Piraterie
von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Grieb, V./Todt, S., 2012; Seeraub im
Mittelmeerraum, hg. v. Jaspert, N. u. a., 2013
Pirckheimer,
Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470-Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem
Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529 befürwortet er
für die Ausgabe der →Digesten durch Haloander einen Zuschuss Nürnbergs.
Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris,
Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N.,
Willibald Pirckheimer, 1981
Pisa am
unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die Römer. Im 4. Jh. wird
es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, fällt aber 1406 an
Florenz und 1860/1861 an Italien. Seine Universität wird um 1395 gegründet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa,
1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33
Pisanelli,
Giuseppe (1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in
Neapel und später einer der führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst
die 1865 veröffentlichten italienischen Gesetzbücher für Privatrecht und
Zivilprozessrecht maßgeblich.
Lit.: Lettere inedite di Giuseppe Pisanelli, hg. v.
Confessore, O., 1979
Pithou (Pithoeus),
Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas)
Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582
Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht unterschiedliche Quellen
(Edictum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae
Romanae, 1609).
Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou,
Bd. 1f. 1756
Placentinus (Piacenza
1130?-Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer
des weltlichen Recht in Mantua, Montpellier (1163-1184/1185, 1190/1191-1192),
Bologna und Piacenza. Er verfasst Summen (z. B. Cum essem Mantua/Libellus de
actionum varietatibus, Summa codicis, Summa institutionum, Summa trium
librorum unvollendet), Distinktionen, Disputationen, Glossen, Monographien
und Kommentierungen.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes, 2. A.
1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus,
1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 207
Placitum (lat.
[N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die ihn fassende Versammlung
(Ding), wobei herrscherliche placita bereits am Beginn des 9. Jh.s mit dem
Ausscheiden des Königs aus dem Kreis eines hochadeligen Urteilergremiums
verschwinden..
Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I placiti del Regnum
Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Stieldorf, A., Zum „Verschwinden“ der
herrscherlichen Placita am Beginn des 9. Jahrhunderts, A. f. D. 53 (2007), 1
Plädoyer (N.)
Schlussvortrag im Strafprozess
plagium (lat.
[N.]) Anmaßung des Herrenrechts
Lit.: Köbler, DRG 35; Rieble, V., Das
Wissenschaftsplagiat, 2010
Planck,
Gottlieb (Göttingen 24. 6. 1824-20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der
Auflösung des Obergerichts Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und
Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er von 1874 an den ersten
Teilentwurf des Familienrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900).
Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor in Göttingen.
Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck,
1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des
BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299;
Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046; Meder, S., Gottlieb Planck und
die Kunst der Gesetzgebung, 2010
Planiol,
Marcel (1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880),
Rennes (1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité
élémentaire de droit civil (Grundriss des bürgerlichen Rechtes), durch den er
den →Code civil erfolgreich in die gesamtfranzösische Entwicklung
einbindet.
Lit.: Marcel Planiol, hg. v. Berhélemy, H. u. a., 1931
Planitz,
Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882-Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach
dem Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909
außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel,
1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten
betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die
Stadtgeschichte.
Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126
Plantagenet ist
die in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als
Helmzier (oder zum Sichtschutz bei der Jagd) benannte Familie (Grafen von →Anjou,
Maine und Tourraine), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs von
England (1128) 1144 das Herzogtum der →Normandie und 1154 in Verfolgung
eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das Königtum in →England
erreicht und einschließlich der Nebenlinien Lancaster und York bis 1485
herrscht (offizieller Beiname Plantaginet seit 1460 durch Herzog Richard von
York).
Lit.: Fowler, K., The Age of Plantagenet and Valois, 1967;
Lauffray, C./Lauffray, P., Die Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt, hg. v.
Aurell, M., 2000; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; Favier, J., Les
Plantagenêts, 2004; Plantagenêts et Capétiens, hg. v. Aurell, M. u. a., 2006.
Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform (z. B.
im römischen Weltreich, in den neuzeitlichen Kolonien).
Lit.: Köbler, DRG 28
Planwirtschaft ist die vom (zentralstaatlichen) Plan bestimmte Wirtschaft
(z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, ab 1945 in der sowjetischen Besatzungszone
bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die Entscheidungsfreiheit von
Unternehmern entfällt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik
Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977;
Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur
Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der
Planwirtschaft, 2002
Plea rolls
(engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre 1194 fast lückenlos erhaltenen
Prozessrollen des →englischen Rechtes.
Lit.: Select
pleas in manorial and other seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker,
J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4.
A. 2002
Plebejer ist
im altrömischen Recht der Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes.
Die anfänglichen Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und
verschwinden durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze. Danach bezeichnet P.
untechnisch den Angehörigen des einfachen Volkes.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8
Plebiscitum (lat.
[N.]) ist seit dem altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung (lat.
concilium) der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt bzw. den
Beschlüssen der allgemeinen Volksversammlung (Gesetzen) gleichgestellt wird
(287 v. Chr. lex Hortensia). Danach werden die meisten Gesetze auf dem
einfacheren Weg des p. beschlossen (z. B. lex Aquilia de damnis). →Plebiszit
Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler,
DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Plebiszit ist
in der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. →plebiscitum
Lit.:
Mittenberger-Huber, A., Das Plebiszit in Bayern, 2000
plebs (lat.
[F.]) Volk
Plenipotenz (F.)
Gewaltenfülle (z. B. des Papstes)
Lit.: Wyduckel, D., Princeps legibus solutus 1979, 88
plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle →Plenipotenz
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Pluralismus ist
die Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von
einer einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P.
des ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen
Tradition in der abendländischen Kultur.
Lit.: Köbler, DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v.
Gilissen, J., 1972; Bast, J., Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of
Religious Pluralism in Early Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000
Pluris petitio
(lat. [F.]) ist die (nach Gaius in vier Weisen mögliche) Zuvielforderung des
Klägers im römischen Recht, die zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter
Verfahrensführung, im Übrigen die Abweisung der Klage und den Verlust des
Klaganspruchs nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87 I, II; Köbler, DRG
62
Podestà (M.)
(meist auswärtiger, adliger oder gelehrter, aus Misstrauen auf Zeit bestimmter,
danach im Syndikatsprozess überprüfter) Machtinhaber der hochmittelalterlichen
Stadt Italiens
Poena (lat.
[F.]) ist im altrömischen Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem
Unrechtserfolg das Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft
abgelöst werden kann. Dabei soll, wer einem anderen (nur?) ein Bein bricht,
(nur) die feste und daher bei Währungsverfall gefährdete Summe (Buße) von 300
Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem
Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens
dienende Leistung (lat.) p., damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen
bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den Ausgleich eines Unrechtserfolgs durch
Pferde und Rinder bei den Germanen auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p.
die peinliche Strafe an Leben oder Leib.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I; Köbler, DRG 26, 27, 65,
74, 119; Köbler, LAW
Poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze
(Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.) →Constitutio
(F.) Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch außerordentliche
Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus
findet sie Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden
vom Galgen) und bei Sonderfällen geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung
wird die p. a. zurückgedrängt (z. B. Josephinisches Gesetzbuch 1787).
Lit.: Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft,
1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Poena (F.) dupli
(lat.) ist im römischen Recht die in bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung
einer Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich
greift späteres Recht hierauf zurück.
Lit.: Köbler, DRG 27
poena (F.) extraordinaria (lat.) außerordentliche Strafe →poena arbitraria
Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3
poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Pönalklage ist die auf Ausgleich eines Unrechts durch Verurteilung des Täters zu
einer Buße gerichtete Klage des römischen Rechtes. Sie ist auf der Seite des
Beklagten bis zur (lat.) litis contestatio (F., Streitbefestigung)
unvererblich, auf der Seite des Klägers bei vor allem gegen die Person
gerichtetem Unrecht (z. B. lat. iniuria). Sie ist im (lat.) ius civile
(Zivilrecht) unbefristet, im (lat.) ius honorarium (Amtsrecht) auf ein Jahr
befristet, wird aber mit Streitbefestigung stets vererblich und unbefristet.
Poenitentiale →Paenitentiale
Pogrom (russ., N.) Zerstörung, Verfolgung (z. B. in Russland im 19. und 20. Jh.
gegenüber Juden, danach auch in anderen Ländern z. B. Deutsches Reich 1938)
Polen ist
der mitteleuropäische, von Slawen gebildete Staat zwischen Karpaten und Ostsee,
dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor
1200 nur wenige Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in
mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen
(Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen,
während Schlesien sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526
selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386
folgt im Königtum der Familie der →Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (→Litauen).
1772, 1793 und 1795 wird P. zwischen →Russland, →Preußen und →Österreich
aufgeteilt, im 19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus
preußischen Gebieten durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als
Kongresspolen mit Russland in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen
Preußens, Republik Krakau) aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918
wird das seine Unabhängigkeit ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921
gewinnt es Westpreußen, Posen, Westgalizien und russische Gebiete im Osten, bis
1923 das Wilnagebiet und Ostgalizien. 1930/1933 erhält P. eine
vereinheitlichende Zivilprozessordnung. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen
Reich und der Sowjetunion geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen
(1990 Oder/Neiße) und Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen
Mitgliedstaat der Europäischen Union.→polnisches Recht
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246;
Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Bernhard, L., Die Polenfrage, 1907,
Neudruck 2013, 2. A. 1910, 3. A. 1920; Lord, H., The Second Partition of
Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte,
1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wiślica in polnischer Fassung, 1925;
Ptašnik, J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder,
H., Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386,
1937; Wojciechowski, Z., L’état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das
älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969;
Luciński, J., (Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E.,
Grundzüge der Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im
Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745; Rhode, G., Geschichte
Polens, 3. A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of
Poland 1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher
Städte im spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des
deutschen und des österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche
in Polen, 4. A. 2000; Lityński, A., Der
polnische Reformgedanke in den Jahren des vierjährigen Reichstages (1788-1792),
ZRG GA 108 (1991), 389; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; Schmidt-Roesler,
A., Polen, 1996; Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik Polen, 1996;
Schreiner, P., Königin Richeza, Polen und das Rheinland, 1996; Lerski, G.,
Historical Dictionary of Poland, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3 1997; Kempen, B., Die deutsch-polnische
Grenze, 1997; Urban, T., Polen, 2. A. 2003; Bingen, D., Die Polenpolitik der
Bonner Republik, 1998; Krzeminski, A., Polen im 20. Jahrhundert, 1998; Hoensch,
J., Geschichte Polens, 3. A. 1999; Kuehn, H., Das Jahrzehnt der Solidarnosc,
1999; Donnert, E., Die Adelsrepublik Polen, (in) Republikbegriff und
Republiken, 2000, 47; Davies, N., Im Herzen Europas, 2000, 3. A. 2002; Adamska,
A., From memory to written record in the periphery of medieval latinitas - The
case of Poland in the eleventh and twelfth centuries, (in) Charters and the Use
of the Written Word in Medieval Society, hg. v. Heidecker, K., 2000; Köbler,
G., Rechtspolnisch, 2001; Glatz, W.,
Die Entwicklung des polnischen Zivilrechts. Darstellung und Bewertung unter dem
Aspekt wirtschaftlichen Wandels, 2001; Wyczanski, A., Polen als Adelsrepublik,
2001; Fried, J., Otto III. und Boleslaw Chrobry, 2. A. 2001; Deutsch-polnische
Beziehungen in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u. a., Bd. 1f. 2000;
Gehrke, R., Der polnische Westgedanke, 2001; Madajczyk, P., Niemcy
polscy 1944-1989, 2001; Alexander, M., Kleine Geschichte Polens, 2003; Die
polnische Heimatarmee, hg. v. Chiari, B., 2003; Das Reich und Polen, hg. v.
Wünsch, T., 2003; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung
aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Redecker, N. v., Die polnischen Vertreibungsdekrete,
2003, 2. A. 2004; Landgrebe, A., Wenn es Polen nicht gäbe, 2003; Stachura, P.,
Poland, 1918-1945, 2004; Deutsches Sachenrecht in polnischer Gerichtspraxis,
hg. v. Dajczak, W. u. a., 2005; Polen und der Osten, hg. v. Chwalba, A., 2005;
Gulczynski, A., Das napoleonische Gesetzbuch (Code civil) und sein Einfluss auf
die Stabilisierung des Familiennamens in den polnischen Gebieten, ZNR 27
(2005), 49; Heyde, J., Geschichte Polens, 2006; Umsiedlung der Polen aus den
ehemaligen Ostgebieten nach Polen in den Jahren 1944-1947, hg. v. Ciesielski,
S., 2006; Aleksic, A., Die altpolnische Rechtsterminologie
am Beispiel von Ortyle Magdeburskie, 2006 (Magisterarbeit); Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 980;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Nagórko, A., Lexikologie des Polnischen, 2007; Fiedorczyk, P.,
Reconciliation with the Communist Past, ZRG GA 125 (2008), 295; Mallmann, K. u.
a., Einsatzgruppen in Polen, 2008; Brüning, A., Unio non est unitas, 2008;
Polkowski, A., Die polnische Zivilprozessordnung von 1930/33, 2009; Bergius,
D., Die offene Frage des Privateigentums, 2009; Schicksal und Bewältigung der
Flucht und Vertreibung von Deutschen und Polen, hg. v. Schulz, E., 2009; Rechtswissenschaft
in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Zloch, S., Polnischer Nationalismus,
2010; Bues, A., Die Jagiellonen, 2010; Hecker, H., Geschichte Polens, 2011; Der
Warschauer Aufstand 1944, hg. v. Bömelburg, H. u. a., 2011; Rechtsstadtgründungen
im mittelalterlichen Polen, hg. v. Mühle, E., 2011; Deutsch-polnische
Erinnerungsorte, hg. v. Hahn, H. u. a., Bd. 1ff. 2012; Wolf, G., Ideologie und
Herrschaftsrationalität,. 2012; Deutschland und Polen in der europäischen
Rechtsgemeinschaft, hg. v. Bar, C. v., 2012; Bily, I. u. a.,
Sächsisch-magdeburgisches Recht in Polen, 2011; Kornat, M., Polen zwischen
Hitler und Stalin, 2012; Between Worlds - The Age of the Jagiellonians, hg. v.
Ardeleasn, F. u. a. , 2013
Policey s. Polizei
polis ([F.]
griech.) Stadt, Staat →Polizei
Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u. a.,
1993; Beck, H., Polis und Koinon, 1997; The Polis, hg. v. Hansen, M., 1997; Welwei,
K., Die griechische Polis, 2. A. 1998; Leppin, H., Thukydides und die
Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u.
a.; Blok, J., Recht und Ritus der Polis, HZ 278 (2004), 1; Hansen, M., Polis,
2006; The Return of the Polis, hg. v. Hansen, M., 2007
Politbüro (politisches
Büro) ist das oberste Führungsorgan kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B.
Sowjetunion seit 1917).
Politik ist
das auf die Gestaltung des (öffentlichen) Lebens gerichtete Verhalten. Zunächst
vor allem Gesellschaftslehre (Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P.
seit der frühen Neuzeit (Machiavelli) zur Machttechnik.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789; Groß,
L., Die Reichspolitik der Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937); Schmidt,
E., Die Justizpolitik Friedrichs des Großen, 1962; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der
DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Classen, C., Recht – Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik
Kaiser Josephs II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland,
1989; Eisfeld, R., Ausgebürgert und doch angebräunt, 1991, 2. A: 2013; Lexikon
der Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Angermeier, H.,
Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG GA 110 (1993),
249; Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v. Miethke, J.,
1992; Althoff, G., Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Henning, O.,
Geschichte des politischen Denkens, 1998; Klassiker des politischen Denkens,
hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W., Geschichte der
Politikwissenschaft in Deutschland, 2001; Berg-Schlosser, D./Stammen, T.,
Einführung in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003; Pfetsch, F., Theoretiker
der Politik, 2003, 2012; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen
Publizistik, 2004; Geschichte des politischen Denkens, 2004; Ottmann, H.,
Geschichte des politischen Denkens, Bd. 2, Teilbd. 2 Das Mittelalter, 2004;
Porträtgalerie der politischen Denker, hg. v. Mayer-Tasch, P. u. a., 2004;
Biographisches Handbuch der deutschen Politik, hg. v. Jahn, B., 2004; Botsch,
G., Politische Wissenschaft im zweiten Weltkrieg, 2005;;Schorn-Schütte, L.,
Historische Politikforschung, 2006; Miethke, J., Mittelalterliche Politiktheorie,
2007; Politik und Sprache im fühneuzeitlichen Europa, hg. v. Nicklas, T. u.
a., 2007; Miethke, J., Politiktheorie im Mittelalter, 2008; Science politique
et droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u.
a., 2008; Das Politische, hg. v. Gangl, M., 2008; Hölkeskamp, K., Mythos und
Politik, HZ 288 (2009), 1; Studien zur politischen Kultur Alteuropas, hg. v.
Gotthard, A. u. a., 2009; Politik und Kommmikation, hg. v. Bulst, N., 2009; Ladwig-Winters,
S., Ernst Fraenkel, 2010; Dietz, A., Das Primat der Politik, 2011; Pfennig, W.,
Definitionen. Moderne Politikwissenschaft, 2011; Henkel, M., Hermann Hellers
Theorie der Politik und des Staates, 2011; Hefty, G., Das deutsche
Politikroulette, 2013; Politics, Law, Society, History and Religion in the
Politica (1590s-1650s, hg. v. Friedeburg, R. v., 2013
politisch, Adj. die Allgemeinheit und die in ihr vertretenen Zielsetzungen
betreffend
Politische Justiz
ist allgemein die nach politischen Gesichtspunkten handelnde, parteipolitsch
abhängige →Justiz, im engeren Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken
missbrauchende Justiz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hannover,
H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische Strafjustiz
1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998;
Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000
Politische Klausel
ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder Kirchenvertrag, die es dem
Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen gegen einen von der Kirche für
ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu erheben.
Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten,
1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983, 105
Politische Partei
ist die auf Teilhabe an der →Politik ausgerichtete →Partei. Sie
tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club
1836, Complete Suffrage Union 1865). Im →Deutschen Bund erscheinen
örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor 1848, doch
zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter Paulskirchenversammlung
von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte, Konservative).
Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der
politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen
Parteien, 1975
Politischer Prozess
ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr
früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19. Jh.
Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz
1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.;
Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980
Polizei,
Policey, ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und
Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten
Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die Gesamtheit der durch die im
Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte ausgeführten Staatstätigkeiten. Um
1500 (1464) wird P. (Policey) als zu (griech. [F.]) politeia gebildetes Lehnwort
(aus Frankreich [14. Jh., Übersetzung Aristoteles’ durch Nicolas Oresme 1371],
unmittelbare Übernahme in ordonnances des Königs, rezipiert) über die
burgundische Kanzlei (?) in die deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten
Ordnung und P. ist dabei alle auf die Wahrung und Förderung des geordneten Zustands
des Gemeinwesens gerichtete, sich im Absolutismus erheblich verdichtende,
durchaus auch von unten her angeregte Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter
können die verschiedensten Angelegenheiten vereinigt werden (Fluchen und
Schwören, Sittlichkeit und Ehe, Luxus, Spiel, Wirtshaus, Gesundheit, Markt,
Preis, Straßenbau). Allerdings engt sich bereits im 18. Jh. dieser
Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss der Gewaltenteilungslehre, des Physiokratismus
und anschließend des Liberalismus sachlich auf einen Teilbereich der
Verwaltung (Gefahrenabwehr) und institutionell auf eine Behörde und deren
Mitglieder ein. Johann Stephan →Pütter (1725-1807) beschränkt die
Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische
Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff
wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern
(1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechtsstaatlich geprägte
Polizeistrafgesetzbücher. In Österreich wird die Polizei unter Maria Theresia
(1740-1780) gegründet, unter ihrem Sohn Joseph II. ausgebaut und 1848 um die
Gendarmerie (bis 2006) ergänzt, die an Stelle der Grundherrschaften für die
öffentliche Sicherheit zuständig ist und zur Unterstützung der Justiz
Recherchen unmittelbar übernehmen soll. In Preußen spricht das
Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. →Kreuzbergurteil der P. die
Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern nicht eine spezielle
rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem Polizeibeamtengesetz (1927), dem
Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über die Aufhebung veralteter
Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am 31. 1. 1932 mit seinem
Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen modernen Baustein für ein
deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung
totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten
Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ordnungsbehörden
übertragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203,
233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N., Traité
de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784, 358; Berg,
H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Mayer, H.,
Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen im
Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F., Polizeibegriffe,
Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die Anfänge der
Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines Polizei-
und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung,
1978; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H.,
Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98, 4. A. 2009;
Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982;
Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P.,
Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983; Der „Polizeiverein“ deutscher
Staaten, hg. v. Siemann, W., 1983; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit
und Ordnung. Die Anfänge der politischen Polizei 1806-1866, 1985; Gessner, K.,
Geheime Feldpolizei, 1986; Harnischmacher, R./Semerak, A., Deutsche
Polizeigeschichte, 1986; Naucke, W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im
Recht, FS A. Erler, 1986, 177; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A.
Erler, 1986, 199; Leßmann, P., Die preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S.,
Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg
1990; Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius
commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992;
Philipp, M., Das Regentenbuch des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996
(erste umfassende Lehre der guten policey); Policey in Europa, hg. v. Stolleis,
M., 1996; Die deutsche Polizei und ihre Geschichte, hg. v. Nitschke, P., 1996;
Durand, B., La notion de police en France, 1996; Wilhelm F., Die Polizei im
NS-Staat, 1997; Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei in Köln, 1997;
Knöbl, W., Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess, 1998; Banach, J.,
Heydrichs Elite, 3. A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei, 1998; Kissling, P.,
„Gute Policey“ im Berchtesgadener Land, 1999; Jäger, J., Die informelle
Vernetzung politischer Polizei nach 1848, ZRG GA 116 (1999), 266; Matsumoto,
N., Polizeibegriff im Umbruch, 1999; Wilhelm, F., Die Polizei im NS-Staat, 2.
A. 1999; Stahlschmidt, J., Policey und Fürstenstaat, Diss. jur. Bochum 1999;
Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116 (1999), 266;
Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000; Landwehr,
A., Policey im Alltag, 2000; Wüst, W., Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd.
1ff. 2001ff.; Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal
in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19.
Jahrhundert, hg. v. Holenstein, A. u.
a., 2002; Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute Policey als Politik im
16. Jahrhundert, hg. v. Blickle, P. u. a., 2003; Naas, S., Die Entstehung des
preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003; Lindenberger, T.,
Volkspolizei, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003;
Iseli, A., Bonne police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher Schild,
2003; Napoli, P., La naissance de la police moderne, 2003; Weinhauer, K.,
Schutzpolizei in der Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004;
Eibich, S., Polizei, „Gemeinwohl“ und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und
soziale Ordnung in Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des
Rechtswegestaates, 2004; Curilla, W., Die deutsche Ordnungspolizei und der
Holocaust im Baltikum und in Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey
und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im
NS-Staat, 2005; Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Polizei, Recht und
Geschichte, hg. v. Gebhardt, H, 2006; Die lokale Policey, hg. v. Wüst, W.,
2008; Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Iseli,
A., Gute Policey, 2009; Brunner, H., Polizeigesetzgebung im Herzogtum Bayern
1508-1598, 2009; Selowski, H., Die Berliner Kriminalpolizei zwischen 1811 und
1885, 2011
Polizeigesetzgebung →Polizei, Polizeiordnung
Polizeiordnung ist die in der frühen Neuzeit zur Wahrung und Schaffung der
guten →Polizei erlassene →Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen
bereits in der spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt
die Obrigkeit für gute →Ordnung und →Polizei, sei es bewahrend, sei
es gestaltend. Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote. Im
Laufe der frühen Neuzeit verlagert sich das Schwergewicht vom
religiös-moralischen zum wirtschaftlich-rationalen Bereich. In Bayern werden
vom Herzog zwischen 1478 und 1598 nahezu 1000 Landgebote erlassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; Segall,
J., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen
1914; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur
neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen,
hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und Instruction für die
Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke, G., 1971; Brauneder,
W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz, W.,
Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung und
Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.;
Rigaudière, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die schlesischen
Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte
Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung verpflichtet,
2000; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002;
Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg vom
6. Oktober 1618, 2003; Brunner, H., Polizeigesetzgebung im Herzogtum Bayern
1508-1598, 2010; Berkvens, A., Plakkaten, Ordonnanties en Circulaires voor
Pruisisch Gelre 1713-1798, 2012
Polizeirecht ist
das die →Polizei betreffende →Recht.
Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen
Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert,
FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987;
Hartleif, W., Das Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S.,
Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg
1990; Popp, R., Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995;
Handbuch des Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M.,
Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J.,
Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000;
Bastian, D., Westdeutsches Polizeirecht unter alliiertser Besatzung
(1945-1955), 2010
Polizeistaat ist
in jeweils verschiedenem Sinn der von der →Polizei geprägte Staat des
aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der totalitären Diktatur
(Unrechtsstaat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und
Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner,
U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005), 150
Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft
von der →Polizei (bzw. Verwaltung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche
Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965;
Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die
ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)
Pollock,
Sir Frederick (1845-1937), wird nach dem Studium in Cambridge und der
Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871 Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.)
Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883 bis 1903 ist er
Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of Court und in
Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von →Maitlands History of English
Law.
Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common
Law, 1984, 421
Polnisches Recht
ist das in →Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit ein niemals
vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht (Landrecht), zu dem nur wenige
privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523,
Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare
Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische Korrektur
1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die
Frage des Einflusses des →deutschen Rechtes. Jedenfalls in den Städten
ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker
Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem
heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale
Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) →Constitutio
(F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen geteilt. Am 3. 5.
1791 gibt sich Polen erstmals ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber
1793 und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt. Von 1807
bis 1815 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene
Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das
gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch
erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird nach der
Erneuerung Polens (1918) durch ein Strafprozessgesetzbuch, 1930 durch ein
Zivilprozessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933 durch ein
Obligationengesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch das Recht vereinheitlicht
und neu gestaltet. 1945/1946 wird das Privatrecht vereinheitlicht und 1964 in
einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch neu
gefasst.
Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der Quellen des alten
polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy średniowiecznego prawa spadkowego (=
Die Grundlagen des mittelalterlichen Erbrechts), 1930; Wojciechowski, Z., Das
Ritterrecht in Polen, 1930; Matuszewski, J., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch,
1959 (mitteldeutsch um 1300?); (Urteile der Obergerichte großpolnischer Städte
aus dem 15. und 16. Jahrhundert), hg. v. Maisel, W., 1959; Bardach, J.,
Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964; Polish Law throughout the Ages,
hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982;
Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa polskiego, 1976; Sporn T., Die
Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit,
D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski (Polnische
Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der Franziskana auf das
erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100 (1983), 284; Kren, J.,
Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse
des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Ebel, F., Poloniae
historia iuris – Neuere Literatur zur polnischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 105
(1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der Adelserschleichung Überführter), 1991;
Lityński, A., Die Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am
Strafgesetzbuch der zweiten polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382;
Najstarszy zwod prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die
polnische Verfassung vom 3. Mai 1791, hg. v. Reinalter, H., 1997;
Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1997
Polygamie (griech.) ist die Mehrehe oder Vielehe. Sie ist bei den Germanen
zulässig. Das Christentum schließt sie aus. Das Naturrecht hält sie für möglich,
doch setzt sich dies in den naturrechtlichen Kodifikationen nicht durch.
Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2.
A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934;
Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und
Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987
Polyptychon (N.)
vielfältiges (Verzeichnis z. B. St. Germain-des-Prés 825/828)
Lit.:
Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg. v. Hägermann, D., 1993;
Elmshäuser, K./Hedwig, A, Studien zum Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés,
1993
Pommerellen
Lit.: Kasiske, K., Das deutsche
Siedelwerk des Mittelalters in Pommerellen, 1938
Pommern ist
das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P.
benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7. Jh. von →Slawen besiedelt
wird und in dem die Herrschaft der →Greifen 1181 als Herzogtum des
deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg,
1945/1990 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dementsprechend
nacheinander lübisches, gemeines und preußisches Recht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke,
L., Die pommerschen Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald
1935, Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.;
Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W.,
1975f.; Benl, R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986;
Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v.
Lucht, D., 1995; Pommersches Wörterbuch, hg. v. Hermann-Winter, R. u. a., Bd.
1f. 1997ff.; Pommern, hg. v. Buchholz,
W., 1999; Justitia in Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2004; Schmidt, R.,
Das historische Pommern, 2006; Kurzer Abriss der
mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn,
H., 2007; Die Herzöge von Pommern. Zeugnisse der Herrschaft des Greifenhauses,
hg. v. Buske, N., 2012;
Biographisches Lexikon für Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1ff. 2012
(60 Menschen); Die historische Kommission für Pommern 1911-2011, hg. v. Jörn,
N., 2012; Biographisches Lexikon für Pommern, hg. v. Alvermann, D., Bd. 2013
Pomponius,
Sextus (Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher
hinaus kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen
Rechtes durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch →Sabinus (35 bzw. 36
Bücher) und das →Edikt. In dem auszugsweise in den →Digesten überlieferten
Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die Geschichte der römischen
Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen Ämter und die römischen
Juristen bis Julian dar.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203; Harke, J., Argumenta
Pomponiana, 2014
Pönalklage ist die auf Sühne gerichtete Klage.
Pönformel ist
eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel, die nach antikem Vorbild
einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist Geldsumme) für den Fall des
Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt.
Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG
Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der
mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 252
Pontes de Miranda,
Francisco C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien
Richter in Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado de Direito Privado
(1954ff.) stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte
Recht Brasiliens dar.
Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica do direito de Pontes
de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988
pontifex (lat.
[M.]) Brückenbauer, Priester (z. B. pontifex maximus, Leiter der bedeutsamsten
römischen, anfangs auch für die Pflege des Rechtes zuständigen Priesterschaft,
im Prinzpat der Prinzeps, seit dem 5. Jh. n. Chr. der Papst)
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der
Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300
Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik,
Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14. Jh. im Wesentlichen
fest. Ihr Gebrauch ist sorgfälig geregelt.
Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der
Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956
Pontifikaljurisprudenz ist im altrömischen Recht die Rechtskunde der (lat. [M. Pl.])
pontifices des 5.-3. Jh.s v. Chr. (z. B. für Klageformeln und Geschäftsgestaltung),
aus der sich allmählich eine weltliche Jurisprudenz entwickelt.
Pontius de Ilerda ist ein aus Lerida in Katalonien
stammender, zwischen 1170 und 1180 geborener, in Bologna ausgebildeter Jurist,
von dem eine Summa arboris actionum und die Schrift Quoniam nonnulli stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 303
Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem
Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B. Übersetzungen der
Institutionen Justinians [→Murner 1519, Fuchsberger 1536, →Perneder
1544, Gobler →1551], Formelbücher oder Prozessschriften [→Klagspiegel
1436?, →Laienspiegel 1495/1509]).
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9
populus (lat.
[M.]) Volk
Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998
Pornographie ist die aufreizende Darstellung geschlechtlicher
Erscheinungen.
Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der
österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999
Portalis,
Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem Rechtsstudium Advokat in
Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der französischen Revolution (1789)
in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des →Code civil
berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen
Rechtes ein.
Lit.: Portalis,
J., De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique, 1820; Lavollée, R.,
Portalis, 1869; Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser, M., Jean Etienne
Marie Portalis und der Code civil, 1997
Portugal (benannt nach dem porto [Hafen] von Cale) ist der
südwesteuropäische Staat, dessen Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern
(139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz
[lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird.
Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des
11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von Leon und →Kastilien. 1139
nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an.
Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die christliche Rückeroberung (1147 Lissabon)
weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh.
wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechtes begonnen
(Livro das Leis e Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações Afonsinas [um
1454 bzw. 1446/1447], Ordenações Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521). Seit dem 15.
Jh. wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die Interessensphären
mit →Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P. dann an Spanien
(1580/1581-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenações Filipinas) werden Gesetze
erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razão aktualisiert. Im 19. Jh. wird
unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código comercial/Handelsgesetzbuch
1833 bzw. 1888, Código civil/Bürgerliches Gesetzbuch 1867, Código do processo
civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do processo comercial 1896, Código de
fallências 1897). 1910 wird Portugal Republik, steht aber lange Jahre unter
diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der (port.) Código do processo civil
(Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945 gehen die Kolonien verloren. 1965
wird ein neuer Código civil mit einem allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild
geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P. Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en)
bzw. der Europäischen Union (1993).
Lit.: Cabral de Moncada, L., A reserva
hereditária, 1916f.; Cabral de Moncada, L., A „traditio“ e a transferência da
propriedade imobiliária, 1921; Merêa, M., O mais antigo morado de Portugal?
1921; Merêa, P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal,
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 40 (1923), 339; Mayer, E.,
Historia de las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd.
1f. 1925f.; Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriçåo, 1929;
Merêa, P., Novos estudos de história do direito, 1937; Merêa, P., Sôbre a
palavra angueira, Biblos 16, 2 (1940); Merêa, P., Sôbre as origens da terça,
(um 1943); Merêa, P./Girão, A., Territorios portugueses no século 11, ( um
1950); Almeida Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J.,
Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen
Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687,
3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito
subsidiário na história do direito português, Revista Portuguesa de História 14
(1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das
Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen,
A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de
Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M.
de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de
Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A.,
Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993;
Sänger, R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen
und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994;
Auf dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a.,
1997; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira
Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2001; Rechtsentwicklungen in Portugal,
Brasilien und Mácau, hg. v. Jayme, E. u. a., 2002; Cerqueira, A/Seelaender, L.,
Polizei, Ökonomie und Gesetzgebungslehre – Ein Beitrag zur Analyse der
portugiesischen Rechtswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, 2003;
Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 952; Franquismus und Salazarismus, hg. v.
Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008; Bernecker, W. u. a., Geschichte
Portugals, 2010; Medeiros Nóbrega, J.
de, Die Entwicklung des portugieisischen Sachenrechts, 2014
Posen an
der mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht. Zwischen 1389 und 1419
verfasst der Stadtschreiber Heinrich von Peisern auf deutsch das in einer
einzigen Handschrift überlieferte, in vier Bücher (Verfassung und Verfahren,
Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½ Kapiteln bzw. fünf Bücher geteilte
Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht. 1793 kommt P. an Preußen. Seit dem
Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer Universität.
Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde
von Posen, ZRG GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im
Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Ereciński, T., Das
Gewerberecht der Stadt Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das
Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger
Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., Sądownictwo miasta Poznania do końca XVI wieku
(Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1961.
413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznańskie prawo
karne do końca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des 16.
Jahrhunderts), 1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315-318); Poznańska
księga prawa Magdeburskiego i Miśnieńskiego (Das Posener Buch
des Magdeburger und Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Wilkierze
Poznańskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53; Serrier, T., Provinz Posen,
2005.
positio (lat.
[F.]) Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten Prozess)
Lit.: Köbler, DRG 117, 155
Positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige
Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere
Leistungsstörung anerkannt.
Lit.: Kaser §§
33 III IV 3, 37 I, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die
positiven Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die
historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der
positiven Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die
positive Vertragsverletzung, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 155
Positives Recht
ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum →Naturrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Positivismus ist
die geistesgeschichtliche Strömung, welche die übernatürliche Erklärung der
Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend hält wie die philosophische
Erklärung mit Hilfe von abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste
Comte (1798-1857, Discours sur l’esprit positif, 1844) begründeten Sicht die
wissenschaftliche Zusammenfassung der tatsächlichen Erscheinungen (des durch
Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen, Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen,
durch die der Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies
wirkt sich im Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer,
positiver und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte)
gelöster Begriffe aus, die im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus
abgelöst wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v.,
Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der
rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der Einfluss
des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus,
1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und Nationalsozialismus, (in) Recht
und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss des naturwissenschaftlichen,
philosophischen und historischen Positivismus auf die deutsche Rechtslehre im
19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste Comte, 1998; Repplinger, R.,
Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie, 1999
Possessio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass
jemand ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen
übernimmt. Seine Stellung wird durch →Interdikte des Magistrats gesichert.
Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M.,
Possession, possessio und das Schicksal des Common Law, 2003; Vandendriessche,
S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach
zivilem Recht, der seinen Ausgang von der tatsächlichen Herrschaft über eine
Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des
Gegners vorausgesetzt wird.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG
39
Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche
Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat.
Lit.: Kaser § 19 VI
Possessio (F.) iuris
(lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat.
[M.]) →ususfructus oder eine Prädialservitut tatsächlich ausübt.
Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5
Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer
Sache.
Pößneck
Lit.: Die Schöffenspruchsammlung
der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff.
Post ist
die schriftliche Nachricht, die Beförderung von Menschen und Sachen sowie die
dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon dem Altertum bekannt, wenn auch
nicht jedermann eröffnet. Erst im Spätmittelalter aber entwickelt sich über
Stafetten in Oberitalien die P. im modernen Sinn, wobei das Wort im deutschen Sprachraum
erstmals unter dem 8. 12. 1490 belegt ist. Die erste feste Route (1490)
betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln, 1507 45
Postbedienstete im Heiligen römischen Reich). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser
Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine allgemein zugängliche P. Als
Beförderungsgeschwindigkeit wird mit 7,5 Kilometern pro Stunde gerechnet. 1534
beginnt die Periodizität des Postverkehrs. Seit dem Ende des 16. Jh.s (1597)
beansprucht der Kaiser die P. als →Regal (1615 Erblehen), ohne dieses
Ziel vollständig durchsetzen zu können. Der Personenverkehr im
Linientransport beginnt in Frankreich um 1625. Durch technische Verbesserungen
erhöht sich die Beförderungsgeschwindigkeit zunehmend. Seit 1712 beginnt im
Heiligen römischen Reich der Bau von Chausseen. 1756 kommen in Nürnberg täglich
138 Posten an. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum systematischen
Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Im 19. Jh. ist die P. nicht
einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das
Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der Verfassung des Deutschen
Reiches grundsätzlich geregelt. Am Ende des 20. Jh.s (1989ff.) wird die Post
(und Telekommunikation) unter dem Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika
privatisiert.
Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des
römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens und
die Taxis, 1909; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W.,
Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg
1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987;
Wyss, A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen
âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche
Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945,
1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001;
Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im Netz der Kommunikation,
2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945 - ausgewählte Dokumente, bearb. v.
Lotz, W., 2002; Behringer, W., Im Zeichen des Merkur, 2003; Lotz, W., Die
deutsche Post von der Postreform bis zum Börsengang 1989-2000, 2007; Benz, A.,
Integration von Infrastrukturen in Europa - Post, 2013
Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht der in der →Post
enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon
früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich
garantiert. 1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen. 1919 wird dies
durch die Weimarer Reichsverfassung wiederholt.
Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen-
und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die
Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer,
W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971
Postglossator ist der dem →Glossator zeitlich (ab etwa 1230) folgende spätmittelalterliche
Jurist vor allem Italiens. →Konsiliator, Kommentator
Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.;
Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 2013,
Neudruck 1965, 2013; Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und
Postglossatoren, ZHR 66 (1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der
Postglossatorenzeit, 1928
Postliminium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach
Ende der Kriegsgefangenschaft.
Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII
1b
Postregal →Post
Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien,
1939
Postumus (lat.
[M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit
dies seinem Vorteil dient, während der Schwangerschaft als bereits geboren
betrachtet (lat. →nasciturus pro iam nato habetur).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III
3, 69 II 3
Postwertzeichen ist das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr
dienende Wertzeichen. Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in
England 1840 sowie im Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849.
Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f.
bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der
Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur.
Erlangen 1958
potens (lat.)
mächtig
potestas (lat.
[F.]) Gewalt, Macht
Pothier,
Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699–2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium 1720 Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer,
1746 Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans.
Von →Domat beeinflusst, fasst er als Vertreter der →eleganten
Jurisprudenz des späten →usus modernus pandectarum in den Pandectae
Justineanae (1748-1754) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten
kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene
Coutume d´Orléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich
veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations 1761)
und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des Code
civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.
Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A., Les
origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971; Zimmermann,
R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG
GA 102 (1985), 168
Potsdam an
der Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt
französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8.
1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3) Alliierten über die Zukunft des
besiegten Deutschen Reiches (z. B. Aufteilung in vier Besatzungszonen,
Einsetzung eines Alliierten Kontrollrats als höchste Regierungsgewalt in
Berlin, Abrüstung, Entmilitarisierung, Verurteilung von Kriegsverbrechern,
vorläufige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie). 1991 entsteht in Nachfolge der
1948 gegründeten Pädagogischen Hochschule Karl Liebknecht und der deutschen
Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Walter Ulbricht in P. eine
Universität.
Lit.: Übersicht über die Bestände des brandenburgischen
Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u. a., 1964ff.;
Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte
Potsdams, 2003
Pound,
Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und Rechtswissenschaft in
Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska, danach Professor in
Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago (1909) und in Harvard
(1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.) →sociological
jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social engineering
(gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm zufolge müssen
Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Folgen ihres Handelns beachten.
Lit.: Sayre, P., The Life of Roscoe Pound, 1948;
Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz, 1973, 93
Präambel (F.)
Vorspruch
Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim,
A., Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur. Münster 1998
Practica nova imperialis Saconica rerum criminalium - > Carpzov
praebenda (lat.
[N.Pl. bzw. später F.]) Pfründe
Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II.
(584–629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe,
Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.
Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1
1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
praeceptum (lat. [N.]) Vorschrift
praeda (lat. [F.]) Beute
Lit.: Redlich, Fritz, De praeda
militari, 1956
praefectus (lat. [M.]) Vorgesetzter, Vorsteher
praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianerpräfekt, Vorsteher der Leibgarde des
Kaisers (in Rom)
Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16, 17; Köbler, DRG 55
praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§ 14, 17; Köbler, DRG
55
praeiudicium (lat.
[N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid
Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10
praes (lat.
[M.]) Bürge
Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1
praescriptio (lat.
[F.]) Vorschrift, Vorschreibung
Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II
12, 87
praeses (lat.
[M.]) Vorsitzender
praestare (lat.)
leisten
Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43
praesumptio,
praesumtio (lat. [F.]) Vermutung
Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler,
DRG 29
praesumptio (F.) Muciana (lat.) →Vermutung des Quintus →Mucius
Scaevola (der in der Ehe anfallende Erwerb stammt vermutlich vom Ehemann [in
Österreich 1978 aufgehoben], Gegenbeweis möglich)
Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29
Praetor (lat.
[M.], Prätor) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr.
diesem folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit
für die Streitverfahren errringt(, oder der 367 v. Chr. zur Entlastung der
Konsuln geschaffene Magistrat). 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle eingerichtet,
zu der später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1.
Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden. Der P. kann Edikte
verkünden.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R.,
Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000
Praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v.
Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.]
peregrinus) zuständige →praetor.
Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit der
Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger
untereinander zuständige →praetor.
Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler,
DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Präfekt (M.) Vorsteher
Lit.: Eckhardt, K., Präfekt und
Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163
Präfektur ist
der in Anlehnung an den römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffene
Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers, wobei in der Spätantike das römische
Reich in vier Präfekturen mit je einem Prätorianerpräfekten geteilt ist.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung,
ZRG, GA 114 (1997), 352
Prag an der
Moldau entsteht (als Burg) vermutlich im späten 9. Jh. 973 wird es Sitz eines
Bistums,. Um 1235 ist die vorstädtische Zeit abgeschlossen. 1344 wird das
Bistum unter Karl IV. Erzbistum. 1348 richtet Karl IV. in P. eine Universität
ein (, aus der sich 1372 eine eigenständige Rechtsfakultät abspaltet, die 1418
aufgelöst, 1638 neu gegründet und 1654 in die neue Universität eingefügt wird
[1784 deutsche statt lateinischer Unterrichtssprache] und aus der 1881/1882 je
eine deutsche Universität mit zunächst 10 ordentlichen Professoren der Rechtswissenschaft,
zwei außerordentlichen Professoren und drei Privatdozenten und eine böhmische bzw.
tschechische Universität mit 5 ordentlichen juristischen Professoren, 5
außerordentlichen Professoren und zwei Dozenten werden). 1918 wird die auch
wegen der beiden Prager Fensterstürze vom 30. 7. 1419 (siebener danach
ermordeter Ratsherren durch Hussiten), 23. 5. 1618 (zweier überlebender kaiserlicher
Statthalter und eines Schreibers durch Protestanten) und 10. 3. 1948 (Außenminister
Jan Masaryk, Opfer der Geheimpolizei?) und des Prager Frühlings (März 1968
durch Alexander Dubček, Reformmaßnahmen durch die Sowjetunion am 21. 8.
1968 gewaltsam beendet) bekannte Stadt, deren einzelne Teile erst 1781
rechtlich zusammengefasst werden und von deren 100000 Einwohnern 1840 zwei
Drittel deutsch sprechen (1880 314000, davon 42000 Deutsche und
deutschsprachige Juden, 1900 rund 450000 Einwohner, davon 34000
deutschsprachig, davon 18000 Juden), Hauptstadt der →Tschechoslowakei
bzw. 1993 der Tschechei.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 100; Tomek, W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck
1972; Zycha, A., Prag, 1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das
Nürnberger Recht, ZRG GA 60 (1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny
Prahy, hg. v. Janácek, J., 1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F.,
Von Prag bis Rostock, FS W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu
Prag, 1986; Mezník, J., Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G.,
Die Vertreter des römischen Rechtes, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993;
Fuchs, M., Die Prager Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3,
167; Universitäten in nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003; Prag,
hg. v. Zimmermann, H., 2007; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Prager Frühling, hg. v.
Karner, S. u. a., 2008; Stočes, J., (Die Prager Universitätsnationen bis
1409), 2010; Liber vetustissimus Antiquae civitatis Pragensis 1310-1518, hg. v.
Pátková, H., 2011
Prägestätte ist
der Ort, an dem eine →Münze hergestellt wird (z. B. für die Deutsche Mark
A Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg).
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
pragmatisch, (Adjektiv,) tüchtig, sachlich sachbezogen,
zielorientiert (z. B. pragmatische bzw. gemeinsame Angelegenheiten im
Ausgleich Österreichs gegenüber Ungarn 1867, auswärtige Angelegenheiten, Kriegswesen
und die dafür nötigen Gelder im Gegensatz zu den dualistischen Angelegenheiten)
Lit.:
Olechowsji-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten, 2001
Pragmatische Sanktion
(lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz.
In der pragmatischen Sanktion von Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König
Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des Konzils von Basel durch
Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in einer pragmatischen
Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische Erbe. Am 19. 4. 1713
erlässt Karl VI.(1685-1740) auf der Grundlage eines (lat.) pactum (N.) mutuae
successionis (Vertrag über die gegenseitige Erbfolge) von 1703 und in Abkehr
vom salischen Erbfolgerecht ein Hausgesetz der Habsburger als p. S. (Erklärung
über die Vereinheitlichung des habsburgischen Thronfolgerechts) Dieses geht
von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter
bestimmt es die →Primogenitur im männlichen und hilfsweise weiblichen
Stamm und damit den Vorrang der ehelichen Söhne Karls VI. vor den (fehlenden) ehelichen
Söhnen Josephs I. 1678-1711) und der ehelichen Töchter des letzten(, ebenfalls
ohne männlichen Thronerben versterbenden) Throninhabers (Karls VI.) vor den
ehelichen Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen der
habsburgischen Länder (zuletzt 1723 Ungarn), danach europäischen Staaten und
1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches zur Billigung vorgelegt. Sie wirkt sich 1740 wegen
Fehlens männlicher Erben zu Gunsten Karls VI. 1720 geborener ältester ehelicher
Tochter Maria Theresia aus, deren Erbrecht aber von Bayern und Sachsen
bestritten wird (österreichischer Erbfolgekrieg). Ihre 1748 allgemein
anerkannte Geltung endet 1918.
Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio
pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique
Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913;
Michael, W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI., 1929 (SB Wien);
Schönbauer, E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35
(1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PragSankt1713.htm
Präjudiz ist
das Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen
Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare
decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechtswirklichkeit halten sich
aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von
Obergerichten.
Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross,
R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968;
Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der
Präjudizien, 1979
Prälat ist
im katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines
Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber
führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen
Reich teilweise zu Kurfürsten und Reichsfürsten, in den Ländern zu den
Landständen (Äbte, Pröpste, selten Bischöfe).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des
Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980, 106
Prälatenbank ist
im Heiligen Römischen Reich das Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im
Reichstag und Kreistag und die Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag.
Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968
Prälegat (N.) Vorausvermächtnis
Lit.:
Wimmer, M., Das Prälegat, 2004
Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré
bei Laon 1120 begründeten →Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste
deutsche Niederlassung errichtet.
Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B.,
Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die
Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978;
Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986; Penth, S.,
Prämonstratenser und Staufer, 2003; Studien zum Prämonstratenserorden, hg. v.
Crusaius, I. u. a., 2003
Pranger ist
im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen,
Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur
Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter
verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er
aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem)
Diebstahl, Betrug, Lästerung, Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht u. s. w.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt, F.,
Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß,
G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62
(1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýř,
1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946;
Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der
Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der
Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976),
340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Prärogative (F.) Vorrecht (z. B. des Monarchen in der konstitutionellen Monarchie
Einberufung des Parlaments, Auflösung des Parlaments, Ernennung eines Ministers,
Entlassung eines Ministers, Begnadigung)
Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
präsidentiell (Adj.) den Präsidenten
betreffend (z. B. präsidentielle Demokratie in frn Vereinigten Staaten von
Amerika oder in Frankreich)
Präsidialsystem ist das politische System, in dem ein Präsident die
wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines
Präsidialkabinetts oder einer Präsidialregierung bedienen kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und
Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978
Pratobevera, Carl Joseph (Bielitz/Schlesien
17. 2. 1769-Wien 6. 12. 1853) wirkt am Strafgesetzbuch Österreichs von 1803
(Revision) und am Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Endredaktion) mit und
gibt von 1815 bis 1824 die Materialien für Gesetzkunde und Rechtspflege
heraus.
Lit.:
Ein österreichischer Jurist im Vormärz, hg. v. Neschwara, C., 2009
Prätor →praetor
Prävention (F.)
Zuvorkommen, Verhütung
Precaria (lat.
[F.]) ist im Frühmittelalter die Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem
Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe,
Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit vereinbart oder vererblich sein.
Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen (sog. precaria oblata), vom
Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem Teil von beiden (sog. precaria
remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat. [N.]) →precarium ist
unsicher.
Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Haff,
K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33 (1912), 453;
Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948),
1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259
precaria (F.) data
(lat.) gegebene →precaria
precaria (F.) oblata (lat.) empfangene →precaria
precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte →precaria
precario ([lat.]
durch Bittleihe) →Interdikt
Precarium (lat.
[N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer
beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der
Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber
ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist grundsätzlich
unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) →precaria ist
unsicher.
Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler,
DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur
Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45
Preis (Wort 1160) ist der Gegenwert für die Erlangung einer Leistung,
insbesondere für den Verkauf einer Ware, der nach (bereits seit Plato)
umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein soll. →iustum pretium
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916;
Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247;
Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424; Gerhard, H./Engel, A.,
Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Preisbindung ist
die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie
wird in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike, Spätmittelalter,
Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die vertikale Preisbindung
für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und landwirtschaftliche Erzeugnis. 1973
wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der
Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486
Premis (Bremse)
ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 deutsch
verfasste, handschriftlich seit 1408 (in sechs Handschriften 1483) belegte
kurze Anweisung, wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen
veranlassen kann (12 Zeilen Vorrede, 39 Zeilen Text). →Cautela
Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Premysl →Przemyslide
Prenzlau
Lit.:
Neitmann, K. u. a., Geschichte der Stadt Prenzlau, 2009
Presbyter (Älterer)
ist in den Anfängen des Christentums der Angehörige eines kollegialen
Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher
durch, doch bilden Bischof und P. (→Priester) gemeinsam ein Presbyterium.
Die Weihe zum P. ist eine besondere kirchenrechtliche Handlung. In der
protestantischen Kirche ist P. ein von der Gemeinde in den Gemeindekirchenrat
gewählter Vertreter.
Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983
Pressburg (Bratislava),
nördlich von Wien, wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von →Bayern
besiedelt. Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es 1405
Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes Grund-
und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine juristische
Fakultät an der von 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender
materieller Grundlagen verfallenden Universität. Von 1526 bis 1784 ist P.
Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im
Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt P. an die
Tschechoslowakei. 1919 wird P. Sitz einer Universität, 1993 Hauptstadt der
Slowakei, mit der es 2004 in die Europäische Union gelangt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger
Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der
Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993; Das
Preßburger Protocollum Testamentorum 1410-1529, hg. v. Majorossy, J, 2010
Presse ist
seit dem Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte
des 16. Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten
Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkommende Zeitungen sechsmal wöchentlich).
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth,
O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der
Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche
Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der
Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H.
Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland,
1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M.,
Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressegeschichte,
2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001;
Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck
gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002
Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung von Meinungen,
Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druckerzeugnisse.
Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdrucks (in Mainz 1485 und)
allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es
der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den
Druck und die Verbreitung von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern.
Demgegenüber beseitigt England 1695 die →Zensur (Licensing Act von 1662).
Am 14. 9. 1770 verfügt König Christian VII. von Dänemark (auch) für Schleswig
und Holstein eine uneingeschränkte Freiheit der Presse. 1774 ist das Wort in
Deutschland erstmals belegt (Preßfreiheit). 1776 verlangen die Virginia Bill of
Rights, 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, danach
einige deutsche Landesverfassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816,
Bayern 1818) und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Pressfreiheit).
Seitdem wird die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz
eingeschränkt (z. B. Österreich 1852-1867, Deutsches Reich 1933-1945).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O.
Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965;
Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968;
Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der
Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W.
Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und
Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und
Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993;
Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Wilke, J.,
Die Entdeckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Menschenrechte im
Deutschland des späten 18. Jahrhunderts (in) Naturrecht – Spätaufklärung –
Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995, 121; Westerkamp, D., Pressefreiheit
und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999; Blumenauer, E.,
Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000; Spiegel, S.,
Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Rumphorst, R., Journalisten und
Richter, 2001; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz,
2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918,
2004; Mussgnug, D., Zur Diskussion über Preßfreyheit und Menschenrecht am Ende
des 18. Jahrhunderts, ZNR 2008, 20; Fulda, B., Press and Politics in the Weimar
Republic, 2009
Presserecht ist
die Gesamtheit der die →Presse betreffenden Rechtssätze. Dieses P. beginnt
in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen römischen Reich mit einem Edikt
Karls V. von 1521. Mit dem 18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den
religiösen Schriften auf die politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist
das P. partikular unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im
Großen und Ganzen bei einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Regelung
bringt erst das Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3.
1848 bzw. 10. 4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft
das Deutsche Reich ein einheitliches Reichspressgesetz, das seit 1949 durch
Landespressegesetze ersetzt wird.
Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker,
R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998;
Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004;
Engel, C., Der Schutz von Privatpersonen vor Presseveröffentlichungen, Diss.
jur. Bonn 2011
pretium (lat.
[N.]) Preis, →iustum p.
Preuß, Hugo
(Berlin 28. 10. 1860-9. 10. 1925), wohlhabender Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906
Professor an der Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte
des Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (Friedrich
Ebert) als Innenminister und beauftragt ihn mit dem Entwurf einer →Verfassung.
Im Landtag Preußens vertritt P. die DDP.
Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und
H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930;
Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und
die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier
1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002; Preuß, H.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 2006ff.; Dreyer, M., Hugo Preuß, 2011; Hugo
Preuß 1860-1925, hg. v. Lehnert, D., 2011
Preußen ist
zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet
zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die →Ostsiedlung
betreibenden →Deutschen Orden gelangt P., dessen Gewohnheitsrecht (lat.
Jura Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch aufzeichnet und das nach
Übergang zur Reformation am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter
Lehnshoheit Polens [bis 1660]) wird, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620
erhält es auf Grund eines Entwurfs des Königsberger Professors Levin Buchius’
ein vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes
Land der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem
der Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt (1772 König von P.). Im 18. Jh.
wird P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. (1772,
1793, 1795 Gewinne aus den Teilungen Polens). 1785 schließt es mit Sachsen und
Hannover einen Fürstenbund gegen Österreich zwecks Erhaltung der gegenwärtigen
Verfassung des Reiches, der aber bereits am 27. 7. 1790 gegenstandslos wird.
1794 kodifiziert (dieses vor allem Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im →Allgemeinen
Landrecht. 1807 verliert das mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches (1806)
selbständig werdende P. nach Niederlagen gegen Frankreich im Frieden von Tilsit
mehr als die Hälfte seines Gebiets und beginnt daraufhin mit Reformen in
zahlreichen Bereichen (Stein-Herdenbergsche Reformen). 1815 wird es im früheren
Umfang wiederhergestellt. Im 19. Jh. ringt es (gesellschaftlich reaktionär,
aber wirtschaftlich fortschrittlich) mit Österreich im →Deutschen Bund um
den Vorrang. Am 5. 12. 1848 wird vom König eine Verfassung oktroyiert. Von 1859
bis 1866 durchläuft P. im Streit um eine Heeresreform einen Verfassungskonflikt
umd die Billigung des Haushalts durch das Abgeornetenhaus, in dem sich Otto von
Bismarck als Ministerpräsident durchsetzt (1866 Billigung der Indemnitätsvorlage).
1866 siegt Preußen gegen (Österreich und) den Deutschen Bund militärisch. 1867
gründet es nach dem dadurch herbeigeführten Ende des Deutschen Bundes (1866) und
einigen Annexionen gegnerischer Staaten den →Norddeutschen Bund, dem
1871 nach dem Sieg über Frankreich das zweite →Deutsche Reich folgt. In
ihm hat P. eine beherrschende Stellung (rund zwei Drittel des Staatsgebiets und
etwa drei Fünftel der Bevölkerung). 1920 wird es Freistaat. Am 20. 7. 1932
setzt die Regierung des Deutschen Reiches die Regierung Preußens ab (Preußenschlag)
und stellt P. unter kommissarische Verwaltung. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten
Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es wegen seiner durch die beiden Weltkriege
bezeugten Gefährlichkeit unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue
Länder (z. B. Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) als Staat aufgelöst.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140, 149, 155, 169, 170, 171, 172,
186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Voigt, J., Geschichte Preußens, 1827ff.,
Neudruck 1968; Codex diplomaticus Prussicus, Bd. 1ff. 1826ff.; Ranke, L. v.,
Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A. 1874ff.; Neues preußisches
Urkundenbuch, 1882ff.; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte,
1903, Neudruck 1979; Die preußischen Landeskulturgesetze, hg. v. Nobiling,
1901; Löwenthal, F., Der preußische Verfassungsstreit 1882-1866, 1914 Neudruck
2013; Tümpel, L., Die Entstehung des brandenburgisch-preußischen
Einheitsstaates, 1915; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915,
Neudruck 1980; Giese, F., Preußische Rechtsgeschichte, 1920; Koch, W., Hof-
und Regierungsverfassung König Friedrichs I. von Preußen (1697-1710), 1926;
Schmidt, E., Rechtsentwicklung in Preußen, 2. A. 1929, Neudruck 1961; Die
Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und Hardenberg, Teil 1, hg.
v. Winter, G., 1931; Kahlstorf, E., Rechtsgeschichte der Marienburger Werder,
Diss. jur. Würzburg 1935; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der
Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Mortensen, H./Mortensen, G., Die
Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens, Bd. 1f. 1937f.; Weise, E., Die
Staatsverträge des deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Bd. 1 1939;
Kaminski, K., Verfassung und Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, 1938;
Hintze, O., Regierung und Verwaltung, 1943, 2. A. 1967; Preradovich, N. v., Die
Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804-1918), 1955; Bussenius, C.,
Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen, 1960; Urkunden und Akten
zur Geschichte der preußischen Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen
1793-1806, hg. v. Hubatsch, W., 1961; Matuszewski, J., Jura Prutenorum, 1963;
Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Schoeps, H.,
Preußen, 8. A. 1968; Historisch-gographischer Atlas des Preußenlandes, hg. v.
Mortensen, H. u. a., Lieferung 1ff. 1968ff.; Eimers, E., Das Verhältnis von
Preußen und Reich in den ersten Jahren der Weimarer Republik, 1969; Der
Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, hg. v. Schlumbohm, J., 1970; Hülle,
W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Hubatsch, W.,
Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 1973; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Die Denkwürdigkeiten des
Burggrafen und Grafen Christoph zu Dohna (1665-1733), 1974; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Hubatsch, W.,
Die stein-hardenbergischen Reformen, 1977; Schulze, R., Die
Polizeigesetzgebung, 1978; Schubert, W., Preußens Pläne zur Vereinheitlichung
des Zivilrechts nach der Reichsgründung, ZRG GA 96 (1979), 243; Krimpenfort,
W., Der Grundbesitz der Landstädte des Herzogtums Preußen, 1979; Vetter, Klaus,
Kurmärkischer Adel und preußische Reformen, 1979; Schmidt, E., Beiträge zur
Geschichte des preußischen Rechtsstaates, hg. v. Merten, D. u. a., 1980; Stump,
U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875-1914, 1980; Thadden, R. v.,
Fragen an Preußen, 1981; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von
1620, Bd. 1ff. 1980ff.; Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19.
Jahrhunderts, hg. v. Schubert, W./Regge, J., Bd. 1ff. 1981ff.; Hubatsch, W.,
Grundlinien preußischer Geschichte, 1983; Grünert, E., Die preußische Bau- und
Finanzdirektion in Berlin, 1983; Paukert, H., Preußische Verwaltung und
katholische Hierarchie in den Rheinprovinzen zur Zeit der Restauration, 1983;
Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes, übersetzt und erläutert v.
Scholz, K. u. a., 1984; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der
Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen
Agrarreformen, 1985; Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe,
K., 1985; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Landwehr, G., Staatszweck
und Staatstätigkeit in Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 249; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit,
ZRG GA 104 (1987), 216; Salmonowicz, S., Preußen aus polnischer Sicht, 1987;
Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Biographisches Handbuch für das
preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb. v. Mann, B., 1988; Anderson, M.,
Windthorst, 1988; Aschoff, H., Rechtsstaatlichkeit und Emanzipation, 1988; Das
nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988;
Willoweit, D. War das Königreich Preußen ein Rechtsstaat?, (in) Staat, Kirche,
Wissenschaft in einer politischen Gesellschaft, 1989; Paravicini, W., Die
Preußenreisen des europäischen Adels, 1989; Real, W., Karl Friedrich von
Savigny 1814-1875, 1990; Die Mittwochs-Gesellschaft im Kaiserreich, hg. v.
Besier, G., 1990; Sellert, W., Ludwig Windthorst als Jurist, 1991; Bayer, H.,
Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Boockmann, H., Deutsche Geschichte
im Osten Europas, 1992; Kühne, T., Handbuch der Wahlen, 1994; Jelowik, L., …
verlange ich von seiner Majestät dem König, ZRG GA 111 (1994), 422, Haunfelder,
B., Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867,
1994 (1917 Abgeordnete); Beck, C., The Origins of the Authoritarian Welfare
State in Prussia, 1996; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Preußen
und das Reichsgericht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierne
Wisch“, 1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur.
Bochum 1998; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von
Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999;
Die Protokolle des preußischen Staatsministeriums 1817-1934/1938, Bd. 1ff.
1999ff.; Ohlff, H., Preußens Könige, 1999; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll,
F., 2000; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2000; Preußen, hg. v. Schoeps, J.,
2000; Preisendörfer, B., Staatsbildung als Königskunst, 2000; Bahl, P., Der Hof
des großen Kurfürsten, 2000; Krockow, C. Graf v., Preußen, 2001; Straub, E.,
Eine kleine Geschichte Preußens, 2001; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001;
Vondenhoff, C., Hegemonie und Gleichgewicht im Bundesstaat, 2001; Preußens Weg
in die politische Moderne, hg. v. Holtz, B. u. a., 2001; Preußische Stile, hg.
v. Bahners, P., 2001; Bringmann, W., Preußen unter Friedrich Wilhelm II., 2001;
Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2002; Kunisch, J., Friedrich der Große und
die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Die preußische Rangerhöhung und
Königskrönung 1701, hg. v. Barmeyer, H., 2002; Päsler, R., Deutschsprachige
Sachliteratur im Preußenland bis 1500, 2003; Dierk, W., Preußische Heeresreformen
1807-1870, 2003; Kittstein, L., Politik im Zeitalter der Revolution, 2003;
Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Kotulla, M., Das
konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Preußen in Ostmitteleuropa,
hg. v. Weber, M., 2003; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2004; Vom
Kurfürstentum zum Königreich der Landstriche, hg. v. Lottes, G., 2004; Kulturgeschichte
Preußens königlich polnischen Anteils, hg. v. Beckmann, S. u. a., 2005; Haas,
S., Die Kultur der Verwaltung, 2005; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte,
2005; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2006; Das Thema Preußen in
Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v.
Neugebauer, W., 2006; Schleyer, B., Friedrich Wilhelm Bornemann (1798-1864),
2006; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die preußische Gesetzesreform,
2007; Manten, G., Das Notbischofsrecht der preußischen Könige und die
preußische Landeskirche, 2007; Gerhardt, J., Der erste vereinigte Landtag in
Preußen, 2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Ein
Staatsstreich?, red. Weiduschat, G., 2007; Ribhegge, W., Preußen im Westen,
2008; Stalmann, V., Linksliberalismus in Preußen, 2008; Krise, Reformen - und
Finanzen, hg. v. Kloosterhuis, J. u. a., 2008; Grypa, D., Der diplomatische
Dienst des Königreichs Preußen (1815-1866), 2008; Mittelalterliche Kultur und
Literatur im Deutschordensstaat in Preußen, hg. v. Wenta, H. u. a., 2008; Das
preußische Kultusministerium, Bd. 1f. 2009; Straubel, R., Biographisches Handbuch
der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740-1806/15, 2009; Baumgart,
P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F., 2009; Bödecker,
E., Preußen, 2010; Kulturstaat und Bürgergesellschaft, hg. v. Neugebauer, W. u.
a., 2010; Krise, Reformen - und Kultur, hg. v. Holtz, B., 2010; Schmitz, C.,
Die Vorschläge und Entwürrfe zur Realisierung des preußischen
Verfassungsversprechens. 2010; Epkenhans, M. u. a., Preußen, 2011; Clark, C.,
Preußenbilder im Wandel, HZ 293 (2011), 307; Heimann, S., Der preußische
Landtag 1899-1947, 2011; DIe Testamente der Kurfürsten von Branenburg und der
beiden ersten Könige von Preußen, hg. v. Caemmerer, H. v., 2014
Priester ist
allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen besonders betraute Mensch.
→Presbyter
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R.,
Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen,
Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom
altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und
Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prêtres en Gaule mérovingienne,
2001; Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003; Rüpke, J., Römische Priester in
der Antike, 2007; Gußmann, O., Das Priesterverständnis des Flavius Josephus,
2008
Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in einer
rituellen Handlung der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die
Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes
Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes) vermittelt.
Die P. kann nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet, befähigt und
vorgebildet ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem
ehelosen Leben verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom
einfachen Gläubigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen
Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Primas (Oberbischof)
ist der hervorragende Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5.
Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon,
Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln,
Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.),
seit 1971 nur noch der Papst.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Primogenitur (F.) (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern,
Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern
1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Goldene Bulle für Kurfürstentümer 1356, Württemberg
1361, Lippe 1368, Hanau 1375, Baden 1380)
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982
Princeps (lat.
[M.]) ist im klassischen römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große
oder Fürst.
Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311;
Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels
„princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat
und Dominat, 1978
Princeps legibus solutus est (lat.) ist die lateinische Formulierung des Satzes, dass
der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In Rom gibt es eine Freistellung
von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In Digesten 1. 3. 31 wird die auf
Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus solutus (der Prinzeps selbst ist
nicht an die [von ihm als Augustus geschaffene] Ehegesetzgebung gebunden) aus
dem Sachzusammenhang gelöst von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II.
greift hierauf 1245 wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der
König von Frankreich, so dass →Baldus den König im Königreich dem Kaiser
gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils
hält man im Anschluss an Jean →Bodin (1576) an der Formel fest, teils
schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und
danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden
(Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Vespasian,
69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)
Prinz (M.)
Fürstensohn, Prinz, Fürst
Prinzeps →princeps,
Prinzipat
Prinzgemahl
Lit.: Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950
Prinzip
(N.) Grundsatz
Lit.: Prinzipienthorie und Theorie der Abwägung, hg. v. Klatt, M.,
2013
Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen Reich der seit dem 15. Jh. erscheinende Vertreter
des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des immerwährenden (ständig
tagenden) Reichstages in Regensburg (1663).
Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht, Bd. 44 1751, 145;
Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2 1959, 9
Prinzipat ist
im römischen Recht die Herrschaft des (lat.) princeps (Ersten, Augustus 27 v.
Chr.-14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum allmählichen Übergang zum
Dominat im dritten Jahrhundert.
Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§
25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen
Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 264; Kornemann, Doppelprinzipat und
Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H.,
Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur,
hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995
Prinzregent ist
der regierende →Prinz.
Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat,
Bd. 1f. 1983
Prior (M.)
Stellvertreter, Abt
Prior tempore potior iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das bessere Recht.
Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt
zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Priorität (F.) zeitliche Abfolge und Beachtung der zeitlichen Abfolge für die Stellung einevon mehreren Rechten (z. B. Grundsatz im
Grundbuchrecht)
Prise
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der
Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main 1970
Pristavel (M.)
slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher (1375-1907)
Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung,
1960, 83
Pritzwalk
Lit.: Urkunden der Stadt Pritzwalk
in Regesten (1256-1703), hg. v. Neitmann, K., 2007
privat, Adj. (Wort 1496 belegt),
besondere im Gegensatz zu allgemein, öffentlich, staatlich
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Leisner, W., Staatsferne Privatheit in der Antike - Horaz, 2012
Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der Einzelne berechtigt ist, seine
Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu
gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit
zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als
allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom
Liberalismus betont. Im römischen Recht ist demgegenüber die Vertragsfreiheit
durch die Typengebundenheit der Klagansprüche eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J., Parteiautonomie, 1995
Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das
nach älteren Ansätzen bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes
Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft sachlich vor allem Erbrecht (z. B.
Promogenitur) und Familienrecht (z. B. Familienfideikommiss), persönlich nach
1806 die Standesherren. Es endet in Deutschland mit dem Übergang zur Republik
(Art. 109 II WRV).
Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.;
Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H.,
Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B., Begriff und Wirklichkeit des
Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die
Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Gottwald, D., Fürstenrecht und
Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009
Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen
Hofgericht, Märkerding, Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet
spätestens 1877/1879.
Privatisierung ist die Überführung von Allgemeineigentum in
Einzeleigentum. In gewisser Weise neigen (fast) alle an Gütern der
Allgemeinheit Berechtigte zur Verwendung der ihnen nicht gehörenden Güter zu
eigenem Nutzen, ohne gleichzeitig die Gefahren des wirtschaftlichen
Misserfolgs zu übernehmen. Insofern ist nicht nur unter dem Krummstab gut
leben, sondern auch dem Machtmissbrauch in Universitäten Tür und Tor
geöffnet.
Lit.:
Stiefel, D., Verstaatlichung und Privatisierung in Österrreich, 2011
Privatrecht (Wort 1721 belegt) ist die
Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht
ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher
ist. Ein (lat.) →ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet bereits
das römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.)
publicum (öffentlichen Rechtes) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine
grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und
19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht,
Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht.
Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter. Seit der Gründung der europäischen Gemeinschaften 1951/1952,
1957 nähert sich das P. trotz des Beharrens auf nationalstaatlicher Souveränität
in kleinen Einzelschritten (seit etwa 1985, Draft Common Frame of Reference
2008, 2009) der Europäisierung.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG
2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des
Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur
juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches
Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 20. A. 2014;
Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1
(1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese
des Privatrechts als „allgemeinem Wirtschaftsrecht“, (in) FG H. Coing, 1982,
349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding,
P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e
siècle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10.
A. 2005; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J. Gernhuber,
1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft, 1997;
Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a.,
1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und
Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale
Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Privatrechts auf
römischrechtlicher Grundlage, 2003; Hamza, G., Entstehung und Entwicklung der
modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, 2009; Mittwoch,
A., Die Vereinheitlichung des Privatrechts in Europa, JuS 2010, 767;
Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint?, hg. v. Cachard, O. u. a., 2012;
Auer, M., Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2013
Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des →Privatrechts. Sie wird als P.
der Neuzeit 1935 als eigenes Fach besonders eingerichtet. Sie ist aber
gleichwohl Teil der umfassenden →Rechtsgeschichte.
Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte
Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G./Wesener,
G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet vo. Molitor, Erich
1949), 2. A. 1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A. 1985, 6. A. 1988,
7. A. 1993, 8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff.; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte, 1983,
5. A. 2005; Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985), 283;
Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Nörr, K., Zwischen
den Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997;
Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a.,
2. A. 2002; Hamza, G., Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen
und die römischrechtliche Tradition, 2009; Haferkamp, H., Wege der
Historiographie zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, ZNR 2010, 61; Zwalve,
W./Sirks, B., Grundzüge der europäischen Privatrechtsgeschichte - Einführung
und Sachenrecht, 2012; Brauneder, W., Europäische Privatrechtsgeschichte, 2014
(2013 erschienen)
Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein
solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. →Gaius)
und auch dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s
versuchen, (lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (→Grotius,
→Pufendorf, →Wolff, →Nettelbladt), auf dessen Grundlage
Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene
geschlossene Systeme des Privatrechts (→Savigny, →Puchta, →Gerber).
Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen
Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der
Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches
Privatrecht, ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip
der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979,
491; Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni
Fiorentini 8 (1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die
Ausbildung der Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P.
v., Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004
Privatstrafe ist
die privat verhängte, der öffentlichen Strafe ähnelnde Rechtsfolge. Sie kommt
dem Verletzten zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der
Verstaatlichung des gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe
abgelöst. Versteht man Strafe als von der Allgemeinheit verhängtes Übel ohne
unmittelbaren Nutzen für das Opfer, so ist die P. problematisch.
Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im
klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe
in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und
Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz
im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder Papst ausgestellte
Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht hoheitlich tätigen Person
ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia
die schlichte, objektiv gehaltene Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die
dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde. Prägend ist die Herkunft
aus dem spätrömischen Schriftwesen, charakteristisch für die karolingische Zeit
die Verwendung der karolingischen Minuskel.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta
und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den
Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der
frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977; Die Privaturkunden der Karolingerzeit, hg. v. Erhart,
P. u. a., 2009; Härtel, R., Notarielle und kirchliche Urkunden im frühen und
hohen Mittelalter, 2010
Privileg ist
das einem oder mehreren Einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur
Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.])
privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten
Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschengruppen. Im
Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete Herrschaftsrechte
gewissermaßen weiterreichende Herrschaftshandlung zugunsten eines Einzelnen,
die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900 Königsurkunden
zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die Gewährung eines
Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem 12. Jh. führt man
die Befugnis zur Privilegierung auf die Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In
der französischen Revolution (1789) werden in Frankreich alle Privilegien
beseitigt. Im Übrigen wird das P. im 19. Jh. durch den →Gleichheitsgrundsatz
eingeschränkt. Diese Entwicklung verstärkt sich im 20. Jh. noch. An die Stelle
des Privilegs tritt die gesetzlich geregelte Konzession.
Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101,
102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988,
39; Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius
commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen
Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen
privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren
vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische
Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige
Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B., Vom
Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischriftgut,
1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im
europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T.,
Privileg und Verwaltungsakt, 2004; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Wadle, E., Privilegien für Autoren oder für Verleger?,
ZRG GA 124 (2007), 144; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs
im 19. Jahrhundert, 2007
privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses der →Appellation an
die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s im weitem Umfang erteilt)
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses der Ansichziehung
(Evokation) eines Rechtsstreits seitens des Königs (bis 1487 bedeutsam)
privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht
der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht
Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689
privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg
Privilegium (N.) maius
(lat.) sind die im Winter 1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von →Österreich
in seiner Kanzlei unter Verwendung des echten Siegels des privilegium minus hergestellten
fünf falschen Urkunden, in denen zwecks Gleichstellung mit den Kurfürsten und
Benachteiligung der Brüder Rudolfs IV. vom Fälscher Österreich bzw. seinem
Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum Pfalzerzherzog,
Berechtigung zum Tragen einer Bügelkrone, Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht
[des Sohnes und hilfsweise der Tochter], Bestimmungsrecht bei Erbenlosigkeit,
Belehnung in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts, Beschränkung
der Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der Hoffahrtpflicht).
Das auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs gelten wollende
(gefälschte) p. m. wird trotz des dem privilegium minus entnommenen (echten)
Siegels von Kaiser Karl IV. 1360 unter dem Einfluss Francesco Petrarcas wegen
eingefügter angeblicher Urkunden Caesars und Neros nicht anerkannt. Die
Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 6. 1.
1453, Zustimmung der Kurfürsten), Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Danach gilt
das p. m. bis 1806 als Recht des Heiligen römischen Reiches. Im 19. Jh. wird
die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher;
Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Österreich, 1902;
Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 1973, 2.
A. 1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201;
Moraw, P., Das privilegium maius und die Reichsverfassung, 1988
Privilegium (N.) minus
(lat.) ist das am 17. 9. 1156 von →Friedrich I. Barbarossa dem
Babenberger Heinrich (II.) Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m.
bezeichnete Privileg über den am 8. 9. 1156 unter Fürstenspruch erfolgten
Vorgang der Verselbständigung Österreichs von Bayern. Es beruht darauf, dass
der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers Lothar von Süpplingenburg
1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König gewählte →Staufer Konrad
III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber
Heinrich dem Stolzen aus der Familie der →Welfen aus machtpolitischen
Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der Begründung entzieht, dass niemand
gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein könne, und es 1139 seinem
Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der →Babenberger als dem Markgrafen
der Markgrafschaft →Österreich zuteilt, Friedrich I. aber als Nachfolger
Konrads III. den als Nachfolger seines Vaters Heinrichs des Stolzen gegen den
Entzug aufbegehrenden, inzwischen mündig gewordenen welfischen Vetter →Heinrich
den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs
des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst
hieraus aber am 8. 9. 1156 Österreich als selbständiges, territorial (nicht
völlig klar) gekennzeichnetes →Herzogtum heraus. Der neue Herzog und
seine Gattin werden gemeinsam belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die
Erblichkeit im männlichen und im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert.
Bei Kinderlosigkeit sollen der belehnte Herzog und seine Gattin das
(persönliche) Recht (lat. [N.] ius) haben, den Nachfolger frei zu bestimmen
(lat. [Gen. Sg.] affectandi, Designationsrecht). Ohne Zustimmung des Herzogs
soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen Herzogtum ausüben. Die Pflicht des
Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf Hoftage in Bayern und die Pflicht
zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten Ländern des Herzogtums beschränkt.
Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen werden feierlich vollzogen (Rückgabe
von sieben Fahnen für Bayern und Österreich durch Heinrich Jasomirgott an
Friedrich I., Hingabe dieser sieben Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den
Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch Heinrich den Löwen an Friedrich I.,
Erhebung Österreichs zum Herzogtum, Überreichung zweier dies vesinnbildlichender
Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich Jasomirgott). Das Original des p. m. ist
nicht erhalten, da es vermutlich 1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten
privilegium maius durch Herzog Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine
Abschrift aus der Mitte des 13. Jh.s aus Klosterneuburg.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher;
Tangl, M., Die Echtheit des österreichischenj Privilegium minus, ZRG 25 (1904),
258; Schrader, E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69
(1952), 371; Fichtenau, H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H.,
Privilegium minus, 1973, 2. A. 1977, Neudruck 2006; Die Geburt Österreichs, hg.
v. Schmid, P. u. a., 2007
Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung
erhaltene, die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Gaben (Schenkungen)
und der Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos
I. für Papst Johannes XII.
Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983;
Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134
Pro viribus hereditatis (lat.) (für die Mittel der Erbschaft) ist die Beschränkung
der Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses.
Lit.: Köbler, DRG 162
probatio (lat.
[F.]) Beweis
proceres (lat.
[M.Pl.]) Vornehme, Große
Proculus (20/10
v. Chr.-50/70 n. Chr.) ist der römische Rechtskundige, der seit 33 n. Chr.
Haupt der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der →Labeo filius und →Nerva
pater sowie Neraz und Celsus zählen und der die Rechtsschule des →Sabinus
gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae (Briefe)
in wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Rechtskundigen zitiert.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C.,
Proculi Epistulae, 1970
Procurator (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter oder Verwalter (z. B. der Geschäfte
des Freilassers [lat. patronus]) auf Grund Befehls oder Geschäftsführung ohne
Auftrag oder schließlich auch Auftrags. Der p. kann über das Vermögen verfügen,
später den patronus auch durch Geschäfte verpflichten.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II 1, 49 II 4, 82 IV;
Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW; Klinck, F., Zur Bedeutung des Wortes
procurator in den Quellen des klassischen Rechts, ZRG RA 124 (2007), 25
Prodigus (lat.
[M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom Magistrat durch Interdiktion
entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.]) curator (Pfleger)
treuhänderisch handelt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG
22
Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine
Richtlinie der →Europäischen Gemeinschaft veranlasste →Gefährdungshaftung
des Herstellers eines Produkts. Sie steht neben der von der Rechtsprechung
entwickelten Produzentenhaftung (Verschuldenshaftung), ohne sie verdrängen
zu können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H.,
Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz
und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211
Produktionsmittel (N.) das zur
Herstellung eines Erzeugnisses erforderliche Mittel (z. B. Werkzeug, Maschine,
Gebäude)
Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der
Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte
deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen
Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte
Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch die
Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P.
durch eine Produkthaftung (Gefährdungshaftung) ergänzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
271
Profess (lat.
professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut,
Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche Wirkungen (z. B. Erwerbsunfähigkeit,
Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht
nicht mehr ein.
Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des
Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
professio (F.) iuris
(lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu
einem →Volksrecht im Frühmittelalter)
Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, 1954, 117f., 186,
259
Professor ist
seit dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der Universitätslehrer. Dabei ist
in der Rechtswissenschaft im 15. Jh. noch der erste Dekretalist der vornehmste
Rechtslehrer, in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s dagegen der Lehrer des
weltlichen Codex. Die Versorgung erfolgt noch im 15. Jh. überwiegend durch
Benefizien (Pfründen). Der ordentliche, durch die Möglichkeit der Emeritierung
ausgezeichnete P. (Ordinarius) wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s unter
Besitzstandswahrung der Betroffenen gesetzlich beseitigt
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A.,
Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, (in) Rechtsgeschichte
und Gegenwart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium
1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981,
509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M.,
Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997;
Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S.,
Peregrinatio academica, 2002; Maus, C., Der ordentliche Professor und sein
Gehalt, 2012
Profos (zu
lat. [M.] praepositus) Ankläger im Heer, Vollstreckungsbediensteter
Pro herede gestio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht das
Verhalten wie ein Erbe, durch das die Außenerben die Erbschaft annehmen.
Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38
Project (N.) des Codicis Fridericiani Marchici ist
die (von Cocceji) nach seiner königlichen Majestät von Preußen selbst vorgeschriebenem
Plan entworfene Cammergerichtsordnung, nach der alle Prozesse in einem Jahr
durch drei Instanzen zum Ende gebracht werden sollen und müssen nebst dem
Project einer Sportul-Ordnung und eines Pupillen-Collegii in Preußen von 1748.
Das P. folgt dem Project eines Codicis Fridericiani Pomeranici (für Pommern)
für die Mark Brandenburg nach. Im ersten Teil handelt die Ordnung in 18 Titeln
von unseres Hof- und Cammer-Gerichts-Bestellung und vom richterlichen Amt
überhaupt, im zweiten Teil in sieben Titeln von denen bishero bei dem
Cammergericht (lat.) ratione modi procedendi eingeschlichenen Missbräuchen
und deren Remedierung, im dritten Teil in 44 Titeln von dem (lat.) processu
summario et ordinario in genere und im vierten Teil in neun Titeln von einigen
besonderen Processen, als in Bagatellsachen, in summariissimo, in Injurien, in
causis fiscalibus, bei Kommissionen, und Versuchung der Güte, zwischen
Pächtern und Gutsherren, Obrigkeiten und Untertanen, Pupillen und Vormündern,
item wegen streitiger Grenze sowie in Konkursen u. s. w. Zur Seite steht das Project einer
nach seiner königlichen Majestät von Preußen vorgeschiebenem Plan errichteten
Tribunalordnung, das Project der Sportelordnung bei dem Kammergericht und das
Project eines neuen Pupillen-Collegii. Das P. d. C. F. M. geht einem
gescheiterten Project eines (lat.) Corpus juris Fridericiani von 1749/1751, dem
Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.) (Erstes
Buch vom 26. April 1781, Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen bzw.
seines Großkanzlers →Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den
Zivilprozess einführt) und der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793 voraus.
Lit.: Codex Fridericianus
Marchicus m. einer Einleitung v. Mohnhaupt, H. 2000; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCodicisFridericianiMarchici1748.htm
Project des Corpus juris Fridericiani ist der im Ergebnis gescheiterte Versuch Friedrichs des
Großen von Preußen, durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch Gesetz
zur vereinheitlichen (Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht
1753 bei Versendung verloren). Ihm folgen das Allgemeine Gesetzbuch (ab 1784) bzw.
das Allgemeine Landrecht von 1794 nach.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani2-1751.pdf
Prokulianer ist der Anhänger der nach →Proculus
benannten römischen Rechtsschule. Die P. stehen den Sabinianern gegenüber. Sie
werden als innovativ eingestuft und betonen die Zusammenhänge und
Ableitungen.
Prokura (Wort 1616) ist die seit der
Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter
erteilte besondere Vertretungsmacht.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Prokurator (lat.
[M.] procurator) ist der Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen
Verfahren bezüglich der formgerechten Vornahme der Prozesshandlungen vor
Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P. ist dem römischen Recht wie dem
kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht wird nach 1521 die
Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland 1877/1879 aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das Reichskammergericht in
Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am Reichskammerericht,
2001; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006
Proletariat (N.)
besitzlose Klasse
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984
promissio (lat.
[F.]) Versprechen
Promotion (F.)
Vorwärtsbewegung, Qualifikationsverfahren zum Erwerb des Doktorgrads
Lit.: Promotionen und Promotionswesen an deutschen
Hochschulen der Frühmoderne, hg. v. Müller, R., 2001; Münch, I. v., Promotion,
2002, 2. A. 2003, 3. A. 2006, 4. A. (mit Mankowski, P.) 2013; Examen, Titel,
Promotionen, hg. v. Schwinges, R. 2007; Bilder - Daten - Promotionen., hg. v.
Müller, R., 2007; Baur, S., Vor vier Höllenrichtern, 2009
Promptuarium (N.) iuris
(lat.) ist das alphabetisch geordnete, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck
verfasste Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt.
Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers
und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158
Property Acts
(1922-1925) sind neun das Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des →englischen
Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
proportional (Adj.) verhältnismäßig
proprietas (lat.
[F.]) Eigentum
Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G.,
Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Propst ist
im frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils
vom →Prior verdrängt wird, teils das Amt des →Archidiakons erlangt.
In der evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort.
Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei
und Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
proscriptio (lat.
[F.]) Ächtung
Prostitution (F.)
ist die gewerbsmäßige Hingabe des Körpers zu geschlechtlichen Zwecken. Sie
findet sich als naheliegende Folge bereits bei den monogamen Kulturvölkern des
Altertums. Vom Christentum wird die P. bekämpft und zurückgedrängt. Mit der
Geldwirtschaft entstehen in den mittelalterlichen Städten Frauenhäuser, in
denen die P. erlaubt ist. Im 19. Jh. setzt sich der Grundsatz der
Gewerbefreiheit auch für die P. durch. 1927 wird in Deutschland ein Gesetz zur
Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten eingeführt. Bestimmte Formen der
Förderung der P. sind strafbar. Am Beginn des 21. Jahrhunderts (2011) wird in
Deutschland die P. ohne erkennbare
Auswirkungen legalisiert.
Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution, 1905;
Schuster, B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die
Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 2001; Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft,
2005; Hemmie, D., Ungeordnete Unzucht, 2007; Harris, V., Selling Sex in the
Reich, 2010
Protektorat ist
seit dem 19. Jh. die Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über
einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau,
1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten).
Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Protest ist
allgemein die ausdrückliche Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer
Opposition reichen kann (Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P. seit der
frühen Neuzeit die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder
Zahlung bei Vorlage bestimmter Wertpapiere.
Lit.: Kück, H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker, H.,
Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997
Protestant ist
allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen die kaiserliche
Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der katholischen
Reichstagsmehrheit im Heiligen römischen Reich (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte
religiöse Einstellung Protestierende.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P.,
Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck
1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der
Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner,
S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006; Geheimprotestantismus und evangeliche Kirche
in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg, hg. v. Leeb, R. u. a.,
2009
Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung
gilt nicht.
Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K.
Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6,
25)
Protokoll ist
im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren Sinn eine durch
Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte Niederschrift über Verlauf
und Ergebnis einer Verhandlung.
Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der
deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission
zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866,
1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.,
Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986
Protonotar (M.)
oberster Schreiber
Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem
12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912
Provence ist
das die älteste römische Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen
Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 mit Burgund an das →Deutsche
Reich, 1481 bei dem Aussterben der Grafen von Anjou durch Testament an →Frankreich.
Sie ist dort ein Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechtes).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner, R., Die
Provence in merowingischer Zeit, 1933; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4.
A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976
Provinz ist
seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.) ein räumlicher Teil eines Staates
oder einer sonstigen Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh.
die christliche Kirche). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n.
Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter entspricht die P. (lat. provincia)
dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen verschiedene Staaten
ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen 1815).
Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische
Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der
Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die
preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA
73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg.
v. Bechert, T., 1998
Provinzialedikt (N.) ist das vom römischen
Priovinzialstatthalter verkündete Edikt.
Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.
Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum
Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999
Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum
allgemeinen Recht.
Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte
der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.
Provinzialstand ist der eine →Provinz betreffende →Stand
(Landstand, z. B. in Preußen).
Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in
Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der
Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G.,
Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265
Provision ist
im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamts
durch die zuständige Stelle an einen geeigneten Menschen.
Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere
Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
provocatio (lat.
[F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Prozess ist
ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur
Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes materielles
Rechtsverhältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich aus der
rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der →Selbsthilfe
verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht
verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine
Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren) stattfindet
und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten
Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate
und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des
Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor
dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der
König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche
freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] →provocatio).
Später wird das Legisaktionenverfahren (→legisactio) zum →Formularverfahren
und dieses zum →Kognitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen
berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert
eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die das Nebeneinander von
Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12.
Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar (lat.
ordines iudiciarii, Pilius, Aegidius de Fuscarariis 1266, Guilelmus Duranti, Johannes
Andreae um 1346). Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien ausgebildete
römisch-kanonische P. (→Schriftlichkeit, tatsächlicher Anwaltszwang,
Artikulierung, →Berufsrichter, →Appellation, Reichskammergerichtsprozess,
Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess) aufgenommen und der Strafprozess
verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in Frankreich ausgebildete liberale
P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893;
Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L.,
Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden
des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform,
1925; Kafka, F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des
früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg);
Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die
„Vorrede“ im sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90;
Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und
Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich,
1995; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v.
Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg.
v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe,
U. u. a., 3. A. 2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997;
Ferrari Zumbini, R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997;
Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und
Recht im alten Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u.
a., 2005; Les procès politiques (14.-17. siècle, hg. v. Bercé, Y., 2007
Prozessbuße ist
die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei
Verletzung einer Regel im →Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter
bis in die Neuzeit.
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck
1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5
1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen
1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches,
Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G.
Schmelzeisen, 1980, 360
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen
Prozessbevollmächtigten wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Sie wird
erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt.
Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt
und im Einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet.
Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E.,
Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973
Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder →Legisaktion gehörige,
genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach ihrer Vermehrung im
Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und condemnatio. Auch
das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter eine beschränkte Zahl
von Formularen des →writ.
Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33
Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den →Prozess durch
bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist
unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des →Fürsprechers
als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei genehmigen muss.
Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung
erwähnen. Nach neuerer Ansicht ist im sächsisch-magdeburgischen Recht allenfalls
das Beweisrecht von Formstrenge geprägt, wobei Formverstöße oft ausgeglichen
werden können, so dass sich aus den Quellen nicht belegen lässt, dass in
Sachsen vor Gericht die buchstäbliche Auslegung gesprochenen Wortes ein Grundsatz
des Prozessrechts war..
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die
Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Meyer, T., Gefahr vor Gericht, 2009
Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der
Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem →Prozess (z. B. Klage). Als
allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel →Nettelbladt (1719-1791)
erkannt.
Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im
Strafprozess, 2002
Prozesskosten sind die bei einem →Prozess entstehenden Kosten. Sie trägt bereits
im spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem Spätmittelalter
lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar anfallenden
Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die Kosten zu
tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende des 18.
Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die
Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck
1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg,
FS A. Erler, 1976, 509
Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das ältere →Armenrecht
ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Prozessmaxime ist der leitende Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/Schriftlichkeit,
Öffentlichkeit/Heimlichkeit, Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrundsatz,
Untersuchungsgrundsatz, Instruktionsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit,
Konzentrationsmaxime). Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im
19. Jh.
Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen
Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungsmaxime,
Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of European Civil Procedure,
1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des →Prozesses auf der
Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schrifttums. →Zivilprozessordnung,
Strafprozessordnung →Gerichtsordnung
Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen,
1938
Prozesspartei ist die →Partei im →Prozess.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G.,
Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Prozessrecht ist
das für den →Prozess geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach
Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Nach M.
Schmoeckel entsteht das römisch-kanonische Prozessrecht im 9. Jh. gelegentlich
des Ehestreits Lothars II. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker
getrennt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung
des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M.,
Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat,
Diss. jur. Gießen 1988; Aspecten van het Middeleeuwse Romeinse Recht, hg. v.
Waelkens, L., 2008, 109ff.
Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch
verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für
den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird auch im mittelalterlichen
gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur Abhilfe eingeführte →Eventualmaxime
erreicht ihren Zweck ebensowenig wie preußische Beschleunigungsmaßnahmen von
1781 und 1793. Auch die deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die
Frage nicht erfolgreich.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das
innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach
Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Romanisch-kanonisches Prozessrech
- Erkenntisverfahren erster Instanz in civilibus, 2012
Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im →Prozess.
Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines anderen
geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so dass die
vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders auf den
Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur Vermeidung der →Prozessgefahr
ein →Fürsprecher und allmählich auch ein Vertreter in der Sache
zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung 1471).
Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechtes zieht dabei der gelehrte
Jurist als →Advokat oder →Prokurator die P. mehr und mehr an sich.
Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989,
Neudruck 1973
Prüfung (F.) Überprüfung, Untersuchung Examen
Lit.: Hornauer, A., Das Reichsgericht zur Frage des
richterlichen Prüfungsrechts (1919-1933) 2009
Prügelstrafe ist
die mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer
Zeit eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme.
Seit dem Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19.
Jh. wird die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt
1841, Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852] bzw. 1867, Bayern 1861,
Mecklenburg 1871).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und
Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der
Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht,
1994
Ptolemäus (Ptolemaios), Klaudios (um 100-170 n.
Chr.)
Lit.: Klaudios Ptolemaios,
Handbuch der Geographie, hg. v. Stückelberger, A. u. a., 2006 (6345
Örtlichkeiten, 1404 Völker- und Landschaftsnamen, 200 großflächige Bereichsbezeichnungen
93 Angaben aus Germania), Ergänzungsband 2009; Kleineberg, A. u. a., Germania
und die Insel Thule, 2010, 2. A. 2011; Kleineberg, A. u. a., Europa in der
Geographie des Ptolemaios, 2012
Przemyslide (Přemyslide)
ist der Angehörige eines sich auf einen Przemysl bzw. Přemysl (den
Pflüger) zurückführenden, vor 890 sichtbaren Geschlechts, das die Herrschaft
in →Böhmen erlangt, aber 1306 erlischt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die
Přemysliden, 1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v.
Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J., Přemysl Otakar I., 1990
Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe)
fälschende Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s
mit rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des
Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg,
Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von
Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris,
Bibliothèque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen
Fälschungen (auf dem politischen Hintergrund des Streites um die Einheit des
Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe
maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847
und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an
der Somme = Pseudoisidor?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung
gelingt erst der neuzeitlichen Wissenschaft.
Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der
pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter,
hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter
Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?,
hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt
Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Die Capitula Angilramni – Eine prozessrechtliche
Fälschung Pseudoisidors, 2006
Psychiatrie (F.) Seelenheilkunde (Johann Christian
Reil, Halle 1808)
Lit.: Faulstich, H., Zwischen
Staatsanstalt und Lokalversorgung, 2007; Brink, C., Grenzen der Anstalt, 2010
Psychologie (F.) Seelenkunde
Lit.:
Psychologie als Argument in der juristischen Literatur des Kaiserreichs, hg. v.
Schmoeckel, M., 2009
Publicanus (lat.
[M.]) ist im klassischen römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur
Verwirklichung eines Systems indirekter Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat
durch öffentliche Verwaltung ersetzte Steuerpächter.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32;
Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997
publicum ius
(N.) →ius publicum, Recht
Publikation (F.)
Veröffentlichung (von Gesetzen), bis in das 19. Jh. materielle P. z. B. durch
Verlesen, danach formelle P. im Gesetzblatt (z. B. in Österreich das ab 1.
10. 1849 erscheinende Allgemeine Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaisertum
Österreich, 1870 Reichsgesetzblatt, 1920 Bundesgesetzblatt, 1938 Reichsgesetzblatt,
1945 Staatsgesetzblatt, Bundesgesetzblatt, seit 2004 authentische Fassung
im Internet)
Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald
1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur.
Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in
Preußen, 1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn, T.,
Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Schennach, M., Zuschreiben von
Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133
Publizistik (F.)
Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre
Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt,
R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1992
Publizität ist
die Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein
öffentliches Register verbundene Rechtswirkung. Das Prinzip der P. findet sich
in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der
frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 18 I 3°, 22 II 2b, 24 II 1, 32 II 4c, 76 II
2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel diritto moderno, 1901;
Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das sog. Publizitätsprinzip,
1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Puchta,
Georg Friedrich (Cadolzburg 31. 8. 1798-Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn,
wird nach der Schule in Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823
außerordentlicher Professor in Erlangen (, wo er 1827 eine Neuausrichtung
seines Forschungsprogramms von der römischen Rechtsgeschichte zur Praxis des
zeitgenössischen römischen Rechtes ankündigt), 1828 ordentlicher Professor
in München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys
in Berlin. Nach dem in langen Gedankenketten durchkonstruierten, philosophisch
und politisch klar durchdachten, im Wesentlichen auf Schelling gründenden und
deshalb bald nicht mehr verstandenen Gesamtkonzept Puchtas ist der von den →Juristen
geprägte →Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen und
vernünftigen Rechtes. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In
Erkenntnis dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu
entstehende Rechtssätze zutage (→Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern
stellt P. allerdings im Wesentlichen nur das geltende Recht systematisch dar.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außerjuristisches
ausschließende Betrachtungsweise zunehmend abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838;
Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer
Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und
Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler,
Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die
Begriffsjurisprudenz, 2004; Georg Friedrich Puchta Briefe an Gustav Hugo, hg.
v. Jakobs, H., 2009; Mecke, C., Begriff und System des Rechts bei Georg
Friedrich Puchta, 2009
puer (lat.
[M.) Knabe, Knecht
Pufendorf,
Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707-Celle 25. 8. 1785), Oberappellationsgerichtsratssohn
und Großneffe Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle
(Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben Anderem
verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf eines Landrechts von →Hannover, der
(2007) im Obergut Lenthe in einem Manuskript (von 1769) mit 42 Titeln und in
der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen in einem etwas jüngeren
Manuskript mit 128 Titeln und 1570 Paragraphen überliefert ist.
Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines
hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970 (128 Titel); http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PufendorfFriedrichEsajasEntwurfeineshannoverschenLandrechts1772-erweiterteFassung.pdf;
Auffenberg, U., Friedrich Esaias von Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen
Gesetzbuches mit Edition, Diss. jur. Frankfurt am Main 2007 (58 bzw. 42 Titel)
Pufendorf,
Samuel von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26. 10. 1694),
Pfarrerssohn, wird nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen Studium in
Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661 Professor des Naturrechts und Völkerrechts
der philosophischen Fakultät in Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann
Hofgeschichtsschreiber in Stockholm und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er
unter dem Namen Severinus de Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu
imperii Germanici (Vom Zustand des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et
gentium libri octo (Vom Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer
Fassung 1673 De officio hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und
Bürgers mit drei Arten der Pflichten des Menschen gegenüber Gott, gegenüber sich
selbst und gegenüber dem Mitmenschen). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht
ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten
müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206;
Severinus de Monzambano (Samuel von Pufendorf), De statu imperii Germanici,
1667, hg. v. Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927;
Platz, J., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306; Denzer, H.,
Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Palladini, F.,
Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, 1978; Randelzhofer, A., Die
Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D., Pufendorf-Studien, 1992;
Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v. Luig, K., 1994; Behme,
T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung, hg.
v. Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v.
Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen,
hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf,
1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Haas, J.,
Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de Monzambano, 2006; Späthumanismus
und reformierte Konfession, hg. v. Strohm, C. u. a., 2006, 293; Naturrecht
und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, hg. v. Hüning, D., 2009; Samuel
Pufendorf in der Welt des 17. Jahrhunderts, hg. v. Döring, D., 2012
Pulltag (M.) Zinshühnertag
Lit.: Loch, A., Der Pulltag, ZRG
GA 48 (1928), 448
Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Pupillarsubstitution ist im klassischen römischen Recht die Bestimmung eines Nacherben
für einen (als Erben eingesetzten) unmündigen Abkömmling durch den Erblasser hinsichtlich
des vererbten und des von dritter Seite empfangenen Vermögens für den Fall,
dass der Abkömmling vor Erreichung der Mündigkeit stirbt (Institutionen
2.16).
Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11; Köbler, DRG 38
pupillus (lat. [M.]) Mündel
Purgold,
Johannes (um 1470-Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von →Eisenach.
1503/1504 bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem
in 3 Handschriften erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er
später ergänzt. Er hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der
Rechtswissenschaft nachweisbar ist.
Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff,
F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi,
P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
57f.
putare (lat.) glauben, meinen
putatitv, Adj., vermeintlich, eingebildet, irrtümlich (z. B. Putativnotstand)
Pütter,
Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725-Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer,
Ludewig), Jena (Estor) und Marburg (mit 19 Jahren) 1744 Rechtslehrer in Marburg
und 1746 (mit 21 Jahren) Professor in →Göttingen. Dort wird er der
bedeutendste Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche
Verfassungsgeschichtler, gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer
Systematik, bereitet die moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit der Lehre
vom →geistigen Eigentum den Grund für ein fortschrittliches →Urheberrecht.
Anerkannt sind sein lebendiger Vortrag, sein Bemühen um systematische Ordnung
desgeschichtlich überlieferten Rechtes und sein Bezug zur Praxi.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanNeuerVersucheinerjuristischenEncyclopaedieundMethodologie1767.pdf
Pütter, J., Neuer Versuch einer
juristischen Encyclopädie und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones
iuris publici Germanici, 1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter,
G., Historische Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786,
Neudruck 2001;, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanGeistdesWestphaelischenFriedens1795.pdf
Pütter,
J., Geist des Westphälischen Friedens, 1795, Neudruck 2010; Pütter, J.,
Selbstbiographie, 1796, Neudruck 2012; Mohl, R. v., Die Geschichte und
Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425; Schlie, U., Johann Stephan
Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die juristische Methode der
Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der Göttinger Professor
Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F.,
1987, 75
Q
Quadripartitus ist das um 1114 entstandene, in vier Teile gegliederte, in
zwei Teilen erhaltene anglolateinische Rechtsbuch, in dem ein Weltgeistlicher
kontinentaler Herkunft angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache
übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist
vermutlich in den (lat.) →Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten.
Lit.: Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson,
H./Sayles, G., Law and Legislation, 1966
quadrupes (lat.
[Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler
Lit.: Köbler, DRG 27, 48
quadruplum (lat.
[N.]) Vierfaches
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65
quaestio (lat.
[F.]) Frage, Untersuchung (z. B. quaestio lance et licio, Haussuchung mit
Schüssel und Schurz? im römischen Recht gegenüber einem des Diebstahls Verdächtigen,
etruskisch?)
Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions
disputées, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; 385
Quaestiones ac monita
(lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in
einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont) gefundene Sammlung von
kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und römischen Rechtes.
Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274
quaestor (lat.
[M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten)
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18
quanti interest
(lat.) was es ihm wert ist
Lit.: Köbler, DRG 42
Quantifizierung
Lit.:
Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 116
(1999), 482
quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher
Lit.: Köbler, DRG 36
Quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen römischen Recht das falzidische
Viertel des Vermögens, das nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser
zugunsten der Erben von Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss.
Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II 6; Söllner § 15;
Köbler, DRG 39
Quartierlast ist
die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher
erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von
Soldaten.
Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig
1908; Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937;
Paetzold, F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961
Quasidelikt ist
das dem Delikt nahestehende, aber kein Delikt seiende Schuldverhältnis des
spätantiken römischen Rechtes (Institutionen 4.5, z. B. Schädigung durch
Übernahme einer überfordernden Aufgabe, Rechtsbeugung, Auswerfen und Ausgießen
aus einem Haus).
Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62;
Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, (in) Iurisprudentia
universalis, 2002, 175
Quasikontrakt ist das kein Vertrag seiende, aber dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis
des spätantiken römischen Rechtes (Institutionen 3.27, z. B. Gemeinschaft,
Geschäftsführung ohne Auftrag, Vormundschaft, Auseinandersetzung von
Miteigentum, Auseinandersetzung von Erbschaft, Vermächtnis, irrtümliche
Leistung auf eine nicht bestehende Schuld).
Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II 1; Köbler, DRG 62
Quattuor doctores
(lat. [M.Pl.) sind (die) vier (besonders bekannten) Lehrer des römischen
Rechtes im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo, →Jacobus, →Martinus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G.,
Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quedlinburg
Lit.: Quedlinburgische Geschichte,
Bd. 1f. 1922; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Wozniak, T., Quedlinburg im 14. und 16. Jahrhundert, 2013;
Kasper, P., Das Reichsstift Quedlinburg (936-1810), 2014
Querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen römischen Recht die
Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments, mit der Kinder und Geschwister
eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den Zentumviri, später im
Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die sittliche Pflicht
verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher
Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.
Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2, 70 I; Köbler, DRG 38,
60
Quesnay,
François (1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des →Physiokratismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y., Quesnay et la
physiocratie, 1896
Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia (lat.). Was die →Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit
der →Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das Gericht nicht.
Lit.:
Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel Quicquid non agnoscit glossa, nec
agnoscit forum, 1880
Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen. Nach Ansicht
der Kanonisten und Legisten des 13. Jh.s ist die Anwendbarkeit dieses Satzes
von Fall zu Fall zu prüfen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus [1298] 5, 13, 43); Schwartze, S., Qui
tacet, consentire videtur, 2003
quinquaginta decisiones (lat. [F. Pl.])
fünfzig Entscheidungen, eine Sammlung Tribonians von 50 Konstitutionen Justinians
zur Klärung rechtlicher Streitfragen
Quittung (Wort 1299) ist das bereits dem
klassischen römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des
Gläubigers einer Schuld.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur.
Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald
1899; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt
(frühe Neuzeit).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007;
Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
Quod omnes tangit debet ab omnibus approbari (lat.). Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen
werden.
Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964,
163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus 5, 59,
5 § 2 am Ende, 534)
Quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so viele Meinungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)
Quote (F.)
Anteil
Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht,
1977
R
Rabatt (M.) Nachlass, Preisnachlass
Lit.: Matz, J., Die Regulierung
der akzessorischen Wertreklame, 2005
Rabel,
Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem
Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer kurzen Tätigkeit als Anwalt
außerordentlicher Professor in Leipzig, ordentlicher Professor in Basel (1906),
Kiel (1910), Göttingen (1911), München (1916) und Berlin (1926), ehe er unter
dem Druck des →Nationalsozialismus 1939 in die Vereinigten Staaten von
Amerika auswandert. Von der vergleichenden Rechtsgeschichte herkommend fördert
er maßgeblich die Rechtsvergleichung zwecks Findung allgemein annehmbarer
Lösungen moderner Rechtsprobleme.
Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.;
Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft,
hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst Rabel und das
Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht,
2004; Utermark, T., Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bei Ernst Rabel,
2005
Rache ist
die Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch
den Verletzten. Sie ist →Selbsthilfe (→Fehde). Sie wird seit dem
frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich
vollständig ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26,
70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle, F.,
Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F., Rache,
Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD. Dozentenbundes
1941, 280; La Vengeance 400-1200, hg. v. Barthélemy, D. u. a., 2006
Rachinburge (lat.-afrk.
rachinburgius [M.]) ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf
dem Malberg gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil
findet. Er wird teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen
770 und 780 ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige →Schöffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993
Radbruch,
Gustav Lambert (Lübeck 21. 11. 1878-Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmannssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in
Heidelberg (Lilienthal) außerordentlicher Professor, danach ordentlicher
Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der
im Mai 1933 angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in
Heidelberg. 1921/1922 und 1923 wirkt er als sozialdemokratischer Reichsjustizminister,
der sich für Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In
seinen neukantianischen Grundzügen der Rechtsphilosophie betont er zunächst
unter Verneinung des Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale
Zweckmäßigkeit, nach 1945 vor allem den Vorrang des übergesetzlichen Rechtes
vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen Unrecht (Radbruch’sche Formel: [dass]
zumindest dann der Gerechtigkeit der Vorrang vor der Rechtssicherheit
einzuräumen [sei], wenn der Widerspruch des positiven Rechtes zur Gerechtigkeit
ein so unerträgliches Maß erreicht hat, dass das formalistische Gesetz als ‚unrichtiges
Recht‘ der Gerechtigkeit zu weichen hat).
Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 8.
A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs Kieler
Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd. 20
Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Durth, H.,
Der Kampf gegen das Unrecht, 2001; Wiegand, M., Unrichtiges Recht, 2004; Klein,
M., Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch, 2007
Rädelsführer ist,
wer eine führende Rolle in einer kleineren Gruppe von Menschen (Straftätern)
einnimmt. Der R. wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders
hervorgehoben.
Rädern ist
die jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte, unter Verwendung eines
Rades entweder durch Brechen des Rückgrats oder der Körperglieder erfolgende →Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496;
Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., di
sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P.,
1997
Radfahrer ist der Nutzer des in Mannheim 1817 von
Karl Drais erfundenen Fahrrads.
Lit.: Schubert, W.,
Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122
(2005), 194
Radizierung (F.)
Verdinglichung, Verknüpfung mit einem Recht an einer Liegenschaft
Radolfzell am
Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von
Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506
erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine
handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung,
die eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt.
Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896;
Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte
der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967
Raetia →Rätien
Ragusa
Lit.: Bjelovučič, H.,
The Ragusan republic, 1970; Mitić, I., Die Republik Ragusa, ZRG GA 101
(1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal Dubrovnik, ZRG GA 103 (1986), 248
Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3.
1818-Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte
der österreichischen Raiffeisenbewegung, 1993; Klein, W., Werk und
Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997
Raimundus Lullus (Ramon Lull bzw. katalanisch Llull)
ist der auf Palma de Mallorca zwischen 1232 und 1235 geborene, länger am Hof
des Königs von Aragonien lebende, 1315 oder 1316 verstorbene Gelehrte, dessen in
280 bekannten echten Werken enthaltene Philosophie und Methodik die Rechtswissenschaft
beeinflusst (z. B. Liber principiorum iuris [Buch der Rechtsgrundsätze], ars
iuris [Kunst des Rechtes], ars de iure [Kunst vom Recht], ars brevis quae est
de inventione mediorum iuris civilis [Kurze Kunst über die Erfindung von
Mitteln des Zivilrechts, liber de modo applicandi novam logicam ad scientiam
iuris et medicinae [Buch über die Art der Anwendung der neuen Logik auf die Wissenschaft
des Rechtes und der Medizin]).
Lit.: Platzeck, E., Raimund Lull, Bd. 1f.
1962ff.; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007,
487; Raimundus Lullus, hg. v. Fidora, A./Rubio, J, 2008
Raimund von Peniaforte →Raymundus de Penyafort
Rainerius de Forlivio ist ein wohl am Ende des 13.
Jahrhunderts in Forli geborener, in Bologna ausgebildeter, in Castel San Piero,
Pisa und Padua lehrender, 1358 verstorbener Jurist (Kommentare, additiones,
repetitiones, Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 734
Raitkammer (Rechnungskammer,
Finanzbehörde [König
Maximilians in Tirol 1491])
Raleigh, William (†1250) wird 1214 Schreiber
bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King’s Bench,
1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt teilweise als
bedeutendster Richter des mittelalterlichen →England.
Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century justice,
1981
Randa,
Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag dort 1862 außerordentlicher
Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904 Minister. Er ist der
wichtigste Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft des 19. Jh.s.
Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské
právní vedy, 1993, 113
Rang (Wort 1670) ist die bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam
ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechts für die Reihenfolge der
Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen
des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im
römischen Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür festgelegten
Handlung), der allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden deutschen
Recht dient auch die →Vormerkung der Sicherung des Ranges.
Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u.
ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ranshofen am
Inn ist Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/995 ein Gesetz (lat. [F.]
constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den
Handlungen Unfreier befasst.
Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167;
Scherr, L., Studien zur Geschichte des Augustiner Chorherrenstiftes Ranshofen
am Inn und seines Archivs, Mitt. d. Oberöst. Landesarchivs 21 (2008), 143
Rantzau bei
Plön ist Sitz einer reichsunmittelbaren Grafschaft, in deren Gut Ascheberg
der Graf 1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft beginnt.
Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau,
1840
Ranulf de →Glanvill
rapina (lat.
[F.]) Raub
Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961
raptus (lat.
[M.]) Raub, Vergewaltigung
Rasen (M.) ist
die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im
altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der
Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolgs.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über
altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672
Rasse ist
die durch kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von
Lebewesen. In Anlehnung an die Vererbungslehre Gregor Mendels entwickelt Adolf
→Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse
insbesondere gegenüber den Juden und „Nichtariern“. Die Anwendbarkeit der
Vorstellung der R. auf den Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, H., Grundsätzliches über das
Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart, W./Globke,
H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Meyer,
H., Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als
Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse,
Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a.,
1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist
Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116
(1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J.,
Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger
Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose
Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung am Kaiser-Wilhelm-Instituten, hg. v.
Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004; Glanninger, P., Rssissmus
und Rechtsextremismus, 2009; Wiede, W., Rasse im Buch, 2011
Rat ist der
Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet eine Gruppe beratender
Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und italienischem Vorbild (Pisa,
Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11. Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s
ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den Stadtherrn ablösendes oder
ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen Geschlechter (mit meist
zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400 Ratsherren, sowie dem →Bürgermeister
als Vorsitzendem). Wenig später umgeben sich auch König und Landesherren mit
einem R. (Hofrat, Reichshofrat, Staatsrat) aus gelehrten (Klerikern) oder
adligen Sachkennern. Verstärkt werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen
(gelehrte Räte Bayern-Landshut 1451). Zunehmend gewichtiger wird dabei die
Ausbildung (vor allem an Universitäten). In der späteren Neuzeit entwickelt
sich etwa auch ein Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Ministerrat, Rat der
Volksbeauftragten, Arbeiterrat, Soldatenrat, Parlamentarischer Rat,
Betriebsrat, Zentralrat oder Europarat.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115,
149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch, C.
Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die
Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung,
1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The origin of town
councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J., The common
council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1; Köthe, J.,
Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen, 1939;
Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters, Diss.
phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in
Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich
und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die Verfassung und
Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten Räte, Zs. f.
bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät
Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen
Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König Ruprechts, ZGO 116
(1968), 59; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire comparée de
l’Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter, R., Der landesherrliche
Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung und Entwicklung des Ratswesens, Diss.
phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen, 1986; Rat
und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Die Rolle der Juristen,
hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer, S., Der Geheime Rat, 1987; Rosch, G., Der
venezianische Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993;
Reinle, C., Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), 1993; Koch, B., Räte auf deutschen
Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1999; Godding,
P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999;
Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002;
Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003; Höfe und Residenzen, hg. v. Paravicini,
W. u. a., 2005; Der Hamburger Arbeiter- und Soldatenrat 1918/19, bearb. v.
Stalmann, V., 2013
Rat der Volksbeauftragten ist das am 10. 11. 1918 gebildete vorläufige Regierungsorgan
des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern, das am 11. 11. 1918 mit den alliierten
Siegermächten des ersten Weltkriegs einen Waffenstillstand schließt und am 10.
2. 1919 die Macht an die Nationalversammlung abgibt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S.,
Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000
Rätebewegung ist
die politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens
durch Räte (Arbeiterräte u. s. w.)
anstrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen
Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962;
Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat
der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias,
E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann,
1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe →Comecon
Rathaus ist
das vom Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus
(z. B. Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar,
Paderborn, Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder Augsburg).
Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K.,
Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München,
1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche
Rathäuser in Deutschland, 2004; Rathäuser als multifunktionale Räume der
Repräsentation, der Parteiungen und des Geheimnisses, hg. v. Pils, S. u. a.,
2012
Rätien ist
das Siedlungsgebiet der nichtindogermanischen Räter um den oberen Inn, das 15
v. Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im
Frühmittelalter gilt dort die (lat.) →Lex (F.) Romana Curiensis
(römisches Recht Churrätiens).
Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische
Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348;
Heuberger, R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O.,
Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O.,
Nochmals zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts,
ZRG G 76 (1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer
Handschrift aus der römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller,
I., Glanz des rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1
1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze); Erhart, P. u.
a., Urkundenlandschaft Rätien, 2004; Kakoschke, A., Die Personennamen in der
römischen Provinz Rätien, 2008; Schrift, Schriftgebrauch und Textsorten im
frühmittelalterlichen Churrätien, hg. v. Eisenhut, H. u. a., 2008; Kakoschke,
A., Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010
Ratingen
Lit., Redlich, O. u. a.,
Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte, Ratingen,
bearb. v. Redlich, O., 1928
Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete Denkhaltung, die
allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen Ableitungen aus
Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen will.
Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939;
Schmidt, G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische
Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996
Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom →Rat der
Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmählich erlangte
Zuständigkeit in Gerichtsangelegenheiten. Sie ist in den Einzelheiten örtlich
ziemlich verschieden gestaltet.
Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen
Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum
Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer
Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v.
Demelius, H., 1980
Ratsherr ist
das einzelne Mitglied des →Rates einer →Stadt.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe,
H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die
Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970
Ratsurteil →Ratsgerichtsbarkeit
Ratsverfassung →Rat
Raub (lat. [F.]
rapina) ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen
Menschen oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
und Leben in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter
gilt der (offene) R. als weniger verbrecherisch als der (heimliche) Diebstahl.
Rechtsfolge ist meist die Enthauptung (statt des Hängens).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158;
Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G.,
Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG
GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner
in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K.,
Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und
Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003),
355; Savoy, B., Kunstraub - Napoleons Konfiszierungen, 2011; Pierson, T.,
Praten, ZRG GA 128 (2011), 169
Raubehe ist
die angeblich durch →Raub einer →Frau begründbare →Ehe.
Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883
Räuber →Raub
Lit.:
Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700, 1988; Schurke oder Held?, hg.
v. Siebenmorgen, H., 1995; Schubert, E., Räuber, Henker und arme Sünder, 2007
Raubritter ist
der im Spätmittelalter nach Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als
Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende Ritter (z. B. Eppelein von Gailingen
in Franken).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des
spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner,
R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche Selbstbehauptung,
1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997
Raumordnung ist die planerische Ordnung des Raumes durch den Staat.
die am Anfang des 20. Jh.s beginnt.
Lit.: Leendertz, A., Ordnung schaffen, 2008; Jureit, U.,
Das Ordnen von Räumen, 2012
Ravanis →Jacobus
de Ravanis
Ravenna im
Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und
seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen). Vielleicht besteht dort im
11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat
und 1870 an →Italien (1861).
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna, Bd. 1ff. 1969ff.;
Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ravensberg
Lit.: Riepenhausen, H., Die
bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes bis 1770, 1938
Ravensburg an
der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530
ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß,
Mötteli und Muntprat, die Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt.
Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger
Kaufleute.
Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen
Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der
Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche
Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487;
Steiner, H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur.
München 1959; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die
rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die
große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985; Lutz, A., Zwischen Beharrung und
Aufbruch, 2005
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) (Villafranca de Penades bei
Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275), hochadliger Katalane, wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in Bologna, Dominikaner und Pönitentiar
an der Kurie, 1238 Generalmagister der Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine
(lat.) Summa (F.) de casibus conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw.
Summa de poenitentia (Summe über die Reue), mit der er die Entwicklung des
Strafrechts beeinflusst, und 1230/1234 den die nachgratianischen →Dekretalen
der Päpste sammelnden (lat.) →Liber (M.) extra.
Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of
Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner,
S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70
(1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 287
Raymund von Wiener Neustadt (?) ist der unbekannte(, möglicherweise unter der
Herrschaft der Anjou von Italien nach Ungarn gezogene) Verfasser einer (lat.)
Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte und nützliche
Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, die das römische
Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im dreigeteilten
Schema (des Gaius) von Personen, Sachen und Klagansprüchen populär darstellt
und auf ein davon abweichendes (ostmitteleuropäisches) Recht hinweist. Die
Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die Mehrheit der in der
Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im polnisch-slowakischen Gebiet
erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge bestehen könnten.
Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R., Das
eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die Summa
legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926
real (Adj.,
zu lat res, F., Sache) sachlich, körperlich, tatsächlich
Realfolium ist
das für ein Grundstück unabhängig von der Person des jeweiligen Eigentümers
angelegte Blatt des →Grundbuchs.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125
Realkontrakt →Realvertrag
Reallast (Wort 1636) ist die dingliche
Belastung eines Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden
Leistungen (z. B. Verköstigung, Geld). Sie ist zwar dem klassischen römischen
und justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich aber im gesamten
römischen öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter in Herrschaftsverhältnissen,
in deren Rahmen Leistungspflichten als mit Grundstücken verbunden betrachtet
werden. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der Darlehenshypothek. In
der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als hypothekarisch gesichertes
Forderungsrecht angesehen, teils als deutschrechtliche →Dienstbarkeit
(lat. [F.] servitus iuris Germanici). In Frankreich wird die mit feudalem Herrschaftsrecht
zusammenhängende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschädigungslos
aufgehoben. Im Gegensatz zum österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1811/1812) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R. als
beschränktes dingliches Recht auf. In Österreich wird die R. in dem Grundbuchsgesetz
(1871) und in der Exekutionsordnung (1896) berücksichtigt.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33
(1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Beutler, J., Die Reallast im
Spannungsfeld, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Reallexikon (Sachlexikon)
Lit.:
Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J., 1911-1919, 2.
A. 1973-2007 (35 Bände, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2
Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungsbände)
real property
(engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache
Realservitut ist die Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit (Servitut)
zu Gunsten eines anderen Grundstücks (Grunddienstbarkeit z. B. Wegerecht). Das
römische Recht unterscheidet zwischen älteren Feldservituten (auf dem Land) und
jüngeren Gebäudeservituten (in der Stadt), das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs zwischen Feldservituten und Hausservituten (§§ 474ff.).
Realteilung (F.)
tatsächliche Aufteilung
Realunion ist
die verfassungsmäßig festgelegte Vereinigung zweier selbständiger Staaten
unter einheitlichem Staatsoberhaupt und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen
bzw. Organen (z. B. Norwegen-Island seit 1263, Österreich-Ungarn 1867-1918,
Norwegen-Schweden 1815-1905, Dänemark-Island 1918). Sie ist von der bloßén
zufälligen Personalunion zu unterscheiden. Bedeutsam hierfür sind gemeinsame
Organe.
Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen,
1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Realvertrag oder
Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten
der durch (Willensübereinstimmung und) Hingabe einer Sache erst wirklich
zustande kommende →Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand, im
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 auch der
Trödelvertrag, § 1086).
Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG 45, 74, 91, 126, 208
Rebus sic stantibus omnis promissio intellegetur (lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass
die Umstände gleichbleiben werden.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Seneca, 4-65 n. Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin,
1225?-1274, Summa theologica 2, 2, 110, 3, rat. 5)
receptum (lat.
[N.]) Garantieerklärung, Versprechen, Verpflichtung (z. B. des
Bankiers [r. argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)
Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler,
DRG 47, 64
recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied
Rechnung ist
der Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und Behandelns von Gegebenheiten
durch Zahlen.
Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer
Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des
Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und
Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener
Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Stadtkölnische
Reiserechungen, bearb. v. Militzer, K., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche
Stadtrechnungen, 2007f.; Lübbers, B., Die ältesten Rechnungen des Klosters
Aldersbach (1291-1373.
Rechnungshof ist
das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die Ordnungsmäßigkeit der
Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche Organ seit dem Spätmittelalter
bzw. 18. Jh. (Frankreich 1318, Sachsen 1707, 1761 Österreich Rechen-Cammer,
1854 oberste Rechnungs-Kontroll-Behörde, 1919 Staatsrechnungshof, Preußen
1714 General-Rechenkammer, 1824, Oberrechnungskammergesetz 1872).
Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E.
u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der
konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche
Rechnungsprüfung, (in) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Störring,
J., Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten, 2013;
Krysl, V., Die Rechnungshöfe in Bayern, Thüringen, Kärnten und der Steiermark
im Rechtsvergleich, 2014; 300 Jahre externe Finanzkontrolle in Deutschland -
gestern, heute und morgen. Festschrift, hg. v. Engels, D., 2014
Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht
auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rechnungslegung.
Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der
Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiowsky, M., Die Anfänge
territorialer Rechnungslegung, 1999
Recht (lat.
ius [N.]) ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende
Sollensordnung (R. im objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende
Anspruch (R. im subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen
Zusammenlebens. Es entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem
Üblichen. Hinzu kommt zu einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung
(Gesetz, z. B. Codex Urnammu 2100 v. Chr., Codex →Hammurapi des
babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, →Zwölftafelgesetz in Rom
451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von
R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich
gebildeten Fachmann (Rechtskundigen). Verstanden wird diese Tätigkeit als
(lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129
n. Chr.). Der oströmische Kaiser →Justinian (527-565) fasst am Ende der
spätrömischen Zeit das römische R. in →Institutionen, →Codex und →Pandekten
(sowie →Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und
wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es
ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen (→Weistümer)
und neuen Beschlüssen (→Konstitutionen) zeichnen die von den Germanen
abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der Kirche ihr R. in
den sog. →Volksrechten oder Stammesrechten zwischen dem 5. und 9. Jh.
auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt
und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern
territorial bestimmt (→Landrecht, →Stadtrecht). Neben das
partikulare R. tritt das allgemeine (→gemeine) R. (kirchliches R.,
wiederentdecktes römisches R.). Placentinus († 1192) sieht dabei in (lat.) ius
publicum und ius privatum duae res (zwei Dinge). Seit dem Spätmittelalter wird
dieses in den Universitäten →gelehrte R. fast überall teilweise aufgenommen,
an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus, moderner
Gebrauch) angepasst und geordnet und der Begriff des Rechtes zunehmend
positiviert. Seit dem 17. Jh. wird das R. verstärkt auf seine Natürlichkeit
bzw. Vernünftigkeit überprüft (→Vernunftrecht, säkulares →Naturrecht).
Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern festgelegt ([Bayern
1751-1756,] Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich 1811/1812, Spanien
1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur Gegenwart steigt die
Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte Nationen, Europa, Staat,
Provinz/Region/Land, Kommune u. s. w.)
ins Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche
Regelungen). Vorrangige Bedeutung erlangt dabei die →Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47,
51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im
Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die
mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht
im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland,
T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches
Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG
GA 67 (1950), 373; Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Wengler, L.,
Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Odenheimer, J., Der
christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen
Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschaft des staatlich gesetzten
Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und
Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld,
W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing,
H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität
des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258
(Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen
Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f.
Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969;
Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives
und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973),
101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in
historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der
Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im
ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das
römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und
Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und
Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,
Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes
Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R.,
1992; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des
18. Jahrhunderts, 1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 111
(1994), 275; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111
(1994), 315; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les
naissances du droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur
Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und
Gericht im heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der
Machtpolitik, 2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a.,
2002; Rudolph, H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz,
R., Vom Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in
Deutschland (1789-1965), 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v.
Pahlow, L., 2005; Stier, A., „Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung
im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und
sozialen Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a.,
2006; Schröder, J., Zur Entwicklung des Rechtsbegriffs in der Neuzeit,
Gedächtnisschrift Jörn Eckert 2008, 835; Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K.
u. a., 2009; Hamza, G., Die Untergliederung der modernen Rechtsordnungen und
die römischrechtliche Tradition, Seminarios Complutenses 22 (2009), 191;
Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K. u. a., 2009; Grossi, P., Das Recht in der
europäischen Geschichte, 2010; Bühler, T., Rechtsschöpfung und Rechtswahrung,
2012; Kontroversenum das Recht - Beiträge zur Rechtsbegründung bon Vitoria bis Suárez, hg. v. Bunge, K. u. a.
2012; Foljanty, L., Recht oder Gesetz, 2013; UNgerechtes Recht, hg. v. Müßig,
U., 2013
Recht am Bild
ist im 20. Jh. ein →Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm
angefertigten Abbildungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb ist im deutschen Recht der
Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Recht und Dichtung
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H.,
Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd.
4 1985, 232
Recht zur Sache s. (lat.) ius ad rem
Rechtliches Gehör
ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die bereits dem griechischen
(attischen) Verfahren im Altertum bekannte Notwendigkeit des rechtlichen
Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungsverfahren wird schon bei Seneca (4
v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es werde auch die andere
Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör
erst im Gefolge der Aufklärung hervor.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12
(1980), 594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs,
2006
Rechtlosigkeit ist das Fehlen der →Rechtsfähigkeit. Die R. ist in
gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum
bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité).
Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit,
Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau
im Rechtsstaat, 1979
Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechtes
(Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E.,
Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rheinhessens,
1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K.,
1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter,
2000
Rechtsanwalt ist
der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in allen
Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich geschult. Er erscheint
seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen →Advokat und →Prokurator
unterschieden wird. Im Gegensatz zum →Fürsprecher ist er Vertreter in der
Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf
zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen Profession (1933 19208
Rechtsanwälte im Deutschen Reich, etwa 5000 nichtarisch, in Wien am 13. 3. 1938
2541 Rechtsanwälte, am 31. 12. 1938 nur noch 771, in Berlin 1935 von 3400 = 54
Prozent jüdische Rechtsanwälte). Im 20. Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte
entsprechend der Zunahme der Studierenden der Rechtswissenschaft (Erstsemester
1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953, 2000 18455) stark zu (Deutschland
1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990 59455, 2000 110367). In der Deutschen
Demokratischen Republik hat der R. bei insgesamt meist nur rund 600
Berufsvertretern keine besondere Bedeutung, doch bemüht sich die größte Zahl
der Rechtsanwälte um korrekte Tätigkeit vor allem in Mietstreitigkeiten.
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur
Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi,
A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte
der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre
Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte
1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von
1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly,
G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989;
Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen
Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre
Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Anwalt
ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, hg. v.
Ladwig-Winters, S. u. a., 1998, 2. A. 2007; Neschwara, C., Die Entwicklung der
Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem
einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss.
jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht
und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a.,
2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen
Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft
– Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte,
2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn,
H./Kirn, T., Rechtsanwälte – Linksanwälte 1971-1981, 2004; Rüping, H., Rechtsanwälte
im Bezirk Celle, 2006; Anwalt ohne Recht, hg. v. Bundesrechtsanwaltskammer,
2007; 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, hg. v. Pöllath, R., 2009;
Busse, F., Deutsche Anwälte, 2010; Krusche, S., Die Bundesrechtsanwaltsordnung
vom 1. August 1959, 2012; Mauss, S., Nicht zugelassen, 2013
Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu
allgemeinen Tatbeständen, →Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der
abstrakten Rechtssätze (Sollen) auf konkrete Sachverhalte (Sein). Sie entsteht
mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann,
insbesondere durch Urteiler und fachlich Vorgebildete.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der
Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005
Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des vergangenen
Rechtes (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.],
Wort von Amira 1890). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am
nachdrücklichsten ist sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von
→Amira.
Lit.:
Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck
1922, 1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche
Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als
Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K.
v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und
Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W.,
Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K.,
Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946;
Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K.,
Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des
Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970;
Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff.
1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978;
Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit,
2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des
Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de,
1992; Carlen, L., Sinnenfälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte,
Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2000
Rechtsbehelf ist der vom objektiven Recht gewährte
Behelf zur Ermittlung subjektiver Rechte.
Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und
Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Gaillet,
A., Der Einzelne gegen den Staat, ZRG GA 129 (2012),, 109
Rechtsberatung ist die Beratung von Laien durch
Juristen in Rechtsfragen. Sie ist ursprünglich grundsätzlich erlaubt. Seit 1877
können im deutschen Reich Menschen, die das Verhandeln vor Gericht
geschäftsmäßig betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen
Verhandlung ausgeschlossen werden (§ 143 II ZPO). Seit 1883 kann die
gewerbsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten untersagt werden. Seit
1898 kann die Justizverwaltung geschäftsmäßige Vertreter (Rechtskonsulenten)
als sog. Prozessagenten zulassen. Auf seit April 1932 verstärktes Drängen der
Rechtsanwaltschaft wird 1935 im deutschen Reich ein Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz
geschaffen, das gleichzeitig die Rechtsberatung durch jüdische
Rechtskonsulenten regelt. (1938 wird noch verbliebenen jüdeischen
Rechtsanwälten der Beruf verboten und werden 172 als Rechtskonsulenten für
Juden zugelassen.) Das Gesetz wird 2007 durch das im Wesentlichen ab 1. 7. 2008
geltende Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, das den Grundsatz der
Rechtsberatung durch Volljuristen aufrechterhält, aber gewisse Einschränkungen
herbeiführt.
Lit.: Rücker, S., Rechtsberatung,
2007; Weber, T., Die Ordnung der Rechtsberatung in Deutschland nach 1945, 2010
Rechtsbesitz ist
der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des →Besitzes
und der Sache. Dort wo Besitz nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche
Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. In
Österreich ist R. hinsichtlich dauernder Ausübung zugänglicher Rechte möglich,
die mit der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sind (z. B.
Mietrecht).
Lit.:
Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W.
Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln
1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten
dinglichen Rechten, 2000
Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung oder
Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder
Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten
oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.])
falsum (Fälschung, Betrug), das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter
werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach
nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer
Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert.
Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung
durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung
seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren
einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs
ihr Vorabentscheidungsersuchen zurücknehmen und trotz einer eindeutigen
Stellungnahme der Europäischen Kommission überraschend rechtswidrig gegen die
Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des
deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im
öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des
Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der
fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung,
1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G.,
Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U.,
An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands, 2000
Rechtsbuch ist
das das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden
Rechtes (durch einen Menschen ausßerhalb einer amtlichen Stellung) (rechtbuk [=
mnd. rechtbōk] Berliner Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter
und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche
Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur
Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.)
usus et legis (Festgesetztes des Gebrauchs und Rechtes) bzw. Constitutum (N.)
usus (Festgesetztes des Gebrauchs) von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum
(Buch der Lehen), der →Sachsenspiegel, →Deutschenspiegel, →Schwabenspiegel,
das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R.,
das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die →Coutumes, die
→Fueros, die →Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, →Gragas,
→Ostgötalagh, →Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de →Glanvill
und des Henry de →Bracton. Teilweise werden auch das (lat.) Corpus (N.)
iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger
R.) als R. verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die deutschen
Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu bearb. v.
Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der
Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v.
Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U.,
Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996),
345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371
(Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer
Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435; Strauch, D.,
Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130 (2013), 37
Rechtsbuch nach Distinktionen →Meißener Rechtsbuch
Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung →Weichbild
Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden Rechtes in einem bestimmten Gebiet. →Kodifikationsstreit
Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H.,
Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die
Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart,
1975; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre
deutsche Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit – partikulare
und nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004
Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die
Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietvertragsrechtsfragen
bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der
Obergerichte.
Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000
Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch
oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter (→Durantis,
W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., →Lagus, K., Iuris
utriusque methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte], 1543, →Gothofredus,
J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopaedia
universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechtes], 1642ff. u. a.). Eine wissenschaftliche
Grundlegung erfährt sie durch →Leibniz (Nova methodus discendae docendaeque
iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der Rechtswissenschaft,
1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke →Nettelbladts (1749), →Pütters
(1757), Reitemeiers (1785) und →Hugos (1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt
die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der Studierenden wieder zurück.
Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft,
1857; Buschmann, A., Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969),
296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970;
Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H.,
Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer Hilfswissenschaften in den
Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004
Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis ermöglichende Quelle (z. B. →Rechtsbuch).
Sie bringt nicht notwendigerweise neues Recht zur Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82
Rechtsethnologie ist die vergleichende rechtliche Volkskunde, die aus dem
Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln
erschließen und nach Möglichkeit dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken
schließen will.
Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte
und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970, Österreich
1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981; Schulze,
R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446
Rechtsetzung ist
die bewusste Setzung von Recht durch ein willensgetragenes Verhalten. Der
wichtigste Fall der R. ist die Gesetzgebung.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken,
1985
Rechtsfähigkeit (Wort 1803, rechtsfähig 1803) ist
die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten
(z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh.
nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in
unterschiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die
Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum
Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R.
der juristischen Person allgemein anerkannt.
Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von
Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi,
G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht,
ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände
im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314; Mahr, J., Der Beginn der
Rechtsfähigkeit, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtsfindung ist die Ermittlung des Rechtes im
subjektiven Sinn im Einzelfall.
Lit.: Kroeschell, K.,
Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972, 498; Schmelzeisen, G.,
Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73
Rechtsfolge ist
die vom Recht an ein Verhalten (→Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte
Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes als einer
rechtsfolgebewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter
welchen Voraussetzungen (allgemeiner Tatbestand, dem entsprechender einzelner
Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll, so dass der Rechtssatz in der
Rechtsmethodologie den logischen Obersatz zwischen Mittelbegriff und
Oberbegriff bildet.
Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des
Leistungsverzuges, 1913
Rechtsgang ist
die ältere wissenschaftliche Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg
anschließende →Verfahren im germanischen und frühmittelalterlichen Recht.
Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen
Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ziekow, J.,
Recht und Rechtsgang, 1986
Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt. Rechtsgeltungsquellen
sind bereits im altrömischen Recht →Gesetz und →Gewohnheit(srecht).
Im klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze, Plebiszite und
Senatuskonsulte sowie die praktische Rechtspflege durch die Prätoren
nebeneinander, zu denen die →Auslegung durch die Rechtskundigen
hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben eine unmittelbare
Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. [N.Pl.]
decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die
bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.]
constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher
Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an
einzelne Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das
Gewohnheitsrecht im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist.
Seit dem Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.
Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.
Rechtsgeographie
Lit.: Merk, W., Wege und Ziele der
geschichtlichen Rechtsgeographie, FS Traeger, 1926
Rechtsgeschäft (Wort 1784) ist ein auf dem
Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung
angestrebten Rechtserfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von
Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grundfigur
des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt
einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung, Erbeinsetzung) und
zweiseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Vertrag). Bereits im Hochmittelalter
werden Rechtsgeschäfte in Stadtbüchern (Rechtsgeschäftsbüchern wie etwa
Kaufbüchern, Gültbüchern oder Testamentbüchern) eingetragen.
Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208,
238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die
Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des
Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der
Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensordnung(en).
Ein rechtsgeschichtlicher Abriss findet sich bereits bei →Pomponius (Mitte
2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern kurze Nachrichten
über Rechtsentwicklungen. Sonstige rechtsgeschichtliche Überblicke des Mittelalters
sind nicht erhalten. Die erste R. bietet →Aymar du Rivail (Aymarus
Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.]
iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann →Conrings
(lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechtes)
den Beginn der eigenen nationalen (deutschen) Rechtsgeschichte neben der römischen
Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte. Mit Johann Friedrich
Reitemeier (Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in Deutschland 1785) ist Gustav
Hugo der erste, der die Rechtsgeschichte (1790) in Epochen und jede Epoche in
einer Systematik aufteilt. In der Folge sind besonders →Eichhorn
(Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1808ff.) und →Brunner
(Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906, 1928, Neudruck 1958/61) für
die deutsche, von der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte
grundsätzlich getrennte Rechtsgeschichte hervorzuheben. Bis zum Erlass des
Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reiches von 1900 ist die R. Teil des
geltenden Privatrechts. 1935 werden in der Absicht einer im Ergebnis verfehlten
Studienreform die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und die →Verfassungsgeschichte
der Neuzeit aus der allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach
aber überwiegend wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische →Zeitgeschichte
aus naheliegenden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als Folge dieser
vielfältigen Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als juristischen
Lehrfach. Die erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit zusammenfassende
Darstellung stammt von Gerhard Köbler (1977, 5. A. 1995, 6. A. 2005). Die erste
europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (1992, 2. A.
1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004). Obwohl die R. das Verständnis des Rechtes der
Gegenwart erleichtert, bildet der hierfür erforderliche geistige Aufwand für
den Durchschnittsjuristen eine beachtliche Zugangsschwelle.
Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7,
30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn, ZRG 1
(1861); Ehrenberg, V., Die deutsche Rechtsgeschichte und die juristische
Bildung, 1894, Neudruck 2013; Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere
Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der
deutschen und der römischen Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wiedererstehen
des deutschen Rechtes, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of
Historical Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in
das Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und
Bedeutung der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons
Dopsch und die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A
general view of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of
European Law, 1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 19. A. 1992); Dulckeit, G., Philosophie der Rechtsgeschichte,
(1950); Planitz, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971;
Planitz, H./Buyken, T., Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur
deutschen Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der
Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche
Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, hg. v.
Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin,
1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum
1975, 2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen
Rechtes, 1971, 4. A. 1996; Kroeschell, K., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 12.
unv. A. 2005, Bd. 2 9. A. 2006, Bd. 3 4. unv. A. 2005; Sjöholm, E.,
Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia
della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976;
Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte
und quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G.,
Rechtsgeschichte 1977, Deutsche Rechtsgeschichte 6. A. 2005; Gmür, R.,
Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, 1978, 13. A. bearb. v. Roth, A.,
2011; Schröder, R., Rechtsgeschichte, 1978, 9. A: 2013; Gilissen, J.,
Introduction historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto moderno
in Europa, 1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979; Senn, M.,
Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der deutschen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 1984, 2. A. 1995, 3. A. 1999, 4. A. 2004, 5. A. 2008,
6. A. 2013; Robinson, O./Fergus, T./Gordon, W., An Introduction to European
Legal History, 1985; Köbler, G., Wege deutscher Rechtsgeschichte, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 182; Rechtsgeschichte
im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1989; Ebel, F./Thielmann,
G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1989ff., 4. A. 2012 (Hähnchen, S.); Köbler, G.,
Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft:
Ars tradendo innovandoque aequitatem sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.;
Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991;
Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991;
Caenegem, R. van, Legal History, 1991; Hattenhauer, Hans, Europäische
Rechtsgegeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson,
O./Fergus, T./Gordon, W. European Legal History, 2. A. 1994, 3. A. 2000; Hoke,
R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K.,
Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler,
A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die
Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG
GA 111 (1994), 275; Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003,
4. A. 2007; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a., 1998; Bader,
K./Dilcher, G., Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004, 6. A. 2013; Lupoi, M., The Origins of the
European Legal Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 15. A. 2012;
Het nut van rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000;
Rechtsgeschichtswissenschaft in Deutschland 1945-1952, hg. v. Schröder, H. u.
a., 2001; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005, 3. A. 2008; Hense, T.,
Konrad Beyerle, 2002; Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, hg. v.
Eckert, J., 2003; Fasel, U., Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004; Dürselen,
F., Franz Beyerle (1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des
Rechtshistorikers, 2005; Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III.
Textinterpretationen, 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow,
L., 2005; Köbler, G., Deutsche Rechtshistoriker, 2006; Senn, M. u. a., Rechtsgeschichte,
2006, 3. A: 2012; Schmoeckel, M./Stolte, S., Examinatorium Rechtsgeschichte,
2008; Lesaffer, R., European Legal History, 2009; The Oxford Encyclopedia of Legal History, 2009;
Wesel, U., Geschichte des Rechts in Europa, 2010; Making Legal History, hg. v.
Musson, A. uuu. a., 2012; Schlosser, H., Neuere europäische Rechtsgeschichte -
Privatrecht und Strafrecht vom Mittelalter bis zur Moderne, 2012
Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht
die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als
Vorstufe des →Gewohnheitsrechts im Mittelalter.
Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992
Rechtsgut ist das durch Straftatbestände geschützte
rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs Ausrichtung des
Verbrechens auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820 und 1840 von
Birnbaum im Kern entwickelt (Gut als Verbrechensobjekt). Karl Binding weist
dem R. eine zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von Liszt macht es zum
Mittelpunkt seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre.
Lit.: Sina, P., Die
Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs „Rechtsgut“, 1962;
Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung in der deutschen
Strafgesetzgebung seit 1532, 1973
Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem
Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit
der Streiteinsetzung (lat. →litis contestatio [F.])
der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen
und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44
Rechtshilfe ist
die Hilfe, die von Gerichten und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im
Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist
bereits dem Altertum bekannt. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt
sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In
der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstverständlich.
Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das
Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den Zivilprozess
geschlossen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird der Zivilprozess
überhaupt an einzelnen Stellen vereinheitlicht.
Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe,
1869; Stüdemann, A., Die Entwicklung der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in
Strafsachen im nationalsozialistischen Deutschland, 2009
Rechtshistoriker ist der die Rechtsgeschichte untersuchende Wissenschaftler. Er ist von
der Fachzugehörigkeit an sich Historiker, aus praktischen Gründen grundsätzlich
aber ausgebildeter Jurist. Die deutschsprachigen R. treffen sich seit 1927
zweijährlich auf einem an wechselnden Orten abgehaltenen Rechtshistorikertag
zu wissenschaftlichen Aussprachen (Heidelberg 1927, Göttingen 1929, Jena
1932, Köln 1934, Tübingen 1936, Marburg 1947, Heidelberg 1949, Gmunden/Traunsee
1951, Würzburg 1952, Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958,
Saarbrücken 1960, Mainz 1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg
1970, Erlangen-Nürnberg 1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg
1980, Zürich 1982, Graz 1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen
1990, Köln 1992, Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg
2002, Bonn 2004, Halle 2006, Passau 2008, Münster 2010, Luzern 2012).
Rechtsinformatik ist die das Recht betreffende Informationswissenschaft. Sie entsteht
mit dem tatsächlichen Einsatz des Rechners im Recht ab etwa 1960. Sie weist
Beziehungen zur Rechtstheorie, zur Kybernetik und zur Lingusitik auf.
Lit.:
Gräwe, S., Die Entstehung der Rechtsinformatik, 2011
Rechtsirrtum ist
der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot).
Bereits das römische Recht berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum
über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt,
während die Moraltheologen auf die tatsächliche Kenntnis einer Vorschrift
abstellen. Auch die neuzeitlichen Kodifikationen halten insgesamt an der
Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der
Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.
Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die
Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der
Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, (in) Ius humanitatis, hg. v.
Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983
Rechtskraft ist
formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung, materiell die Maßgeblichkeit
des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das spätere römische Recht kennt mit
der Mehrstufigkeit des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich
der Vorstellung der R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen
Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle
R. setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Zwischen 1933 und 1945 wird die R. im Deutschen Reich teilweise zu
Lasten Angeklagter eingeschränkt.
Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A.,
Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der
Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach,
H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Hanne, N.,
Rechtskraftdurchbrechungen von Strafentscheidungen im Wechsel der politischen
Systeme, 2005
Rechtsmangel (Wort 1525) ist die Nichterfüllung
der Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen.
Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei →Entwerung
des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf Grund eines
Rechtes herausverlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den doppelten
Kaufpreis (lat. [N.] duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den
Käufer gegen Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen
Rechtsmangel Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise
noch eine Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer
verpflichtet, das Eigentum zu verschaffen.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmängelhaftung des
Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für
Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtsmedizin
Lit.: Die unglaublichsten Fälle
der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschild, M, 2005; Auf Messers Schneide, hg. v. Rothschild,
M., 2006
Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden
Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu
und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis
nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet.
Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.;
Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, 1995
Rechtsmittel ist
das rechtliche Mittel, mit dem eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor
Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen
sucht (z. B. →Berufung, →Revision, Beschwerde, →Appellation).
Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) die
Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten Prozess
aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der
Oberappellation, Revision, →Supplikation und Restitution stehen können.
Die →Nichtigkeit (Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend
gemacht, doch werden Appellation und Nichtigkeitsklage in der
Verfahrenswirklichkeit einander vielfach angenähert. In der deutschen
Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird das R., das den Rechtsstreit in vollem
Umfang zur Neuverhandlung bringt (→Berufung), von dem R., das nur auf die
Verletzung des Rechtes gestützt werden kann (→Revision), unterschieden.
Gegen Beschlüsse wird die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des
gemeinen Rechtes sind als Wiederaufnahmeklage gestaltet.
Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im
Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Rechtsnorm ist
der aus →Tatbestand und Rechtsfolge zusammengesetzte einzelne Satz des
Rechtes. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische
Recht, 1970; Oldenburg, S., Die Öffentlichkeit von Rechtsnormen, 2009
Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der Rechtsnormen
(Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung erscheint erst seit
der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf ältere Rechtsgemeinschaften
zurückübertragen.
Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen,
1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956;
Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und
Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und
nationale Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974; Die schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der
Generalklauseln, 1989; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995
Rechtspflege →Gericht,
→Prozess
Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich,
1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W.,
Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Luig, K.,
Zivilrecht und Zivilrechtspflege, (in) Panorama der fridericianischen Zeit, Bd.
1, hg. v. Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der
Zivilrechtspflege in Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H.,
Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd.
1f. 1989ff.; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989
Rechtspfleger ist der Beamte des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung
des Richters bzw. zur Verbilligung der Rechtspflege im frühen 20. Jh. bestimmte
einfachere Aufgaben der Rechtspflege übertragen werden (1957
Rechtspflegergesetz).
Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger,
1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für
Führer, Volk und Vaterland, 1995
Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des Rechtes.
Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich spätestens seit der
griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem →Naturrecht.
Strömungen im 19. Jh. sind vor allem →Idealismus, →Materialismus
und →Positivismus, im 20. Jh. →Neuhegelianismus und →Neukantianismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke, FG
Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche
Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from
Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der
Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71
(1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C.,
The philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie,
1964; Sforza, W., Rechtsphilosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie
des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie,
1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner,
H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer
Werthorizont, 1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb
Konrad Pfeffel, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 536; Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H.,
Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte
der abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der
rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius,
R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A.
1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca,
M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997,
881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998;
Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Seelmann, K.,
Rechtsphilosophie, 4. A. 2007; Grunert, F., Normbegründung und politische
Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die Rechts- und
Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion
der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002; Integratives Verstehen, hg.
v. Alexy, R., 2005; Ziemann, S., Archiv für Rechts- und Sozialphilososphie,
2010; Hofmann, H., Rechtsphilosophie nach 1945, 2012; Klippel, D., Naturrecht
und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert - Eine Bibliographie - Band 1 1780 bis
1850, 2012; Foljanty, L., Recht oder Gesetz, 2012
Rechtspolitik ist die das Recht betreffende Politik.
Lit.:
Die Renaissance der Rechtspolitik, hg. v. Brigitte Zypries, 2008
Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung (z.
B. John Austin, Georg Jellinek, Hans Kelsen, Herbert L. A. Hart). Sie bezieht
sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und von der
gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte gelösten
Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Die Geltung des Rechtes ist
danach unabhängig von subjektiven Wertvorstellungen wie richtig oder falsch.
Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das den Volkswillen
verkörpernde →Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine
Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivismus und
Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990; Seibold, G., Hans Kelsen und
der Rechtspositivismus, 2007; Gursky, A., Rechtspositivismus und konspirative
Justiz als politische Strafjustiz in der DDR 2011
Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür
zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte
zurück. →Gericht
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten
Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische Rechtsprecher, ZRG
GA 66 (1948), 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte,
MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf die
Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur Rechtsprechung im
Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die französische
Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G., Rechtsbeugung
durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa
(1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter Quellen zur
Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995; Maiwald, K.,
Die Herstellung von Recht, 1997
Rechtsquelle ist
der Ursprungsort von Rechtssätzen. →Rechtserkenntnisquelle, →Rechtsgeltungsquelle
Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen,
1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Bd.
1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Bd. 1ff.
1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen, 1909, Neudruck
2013; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen, österreichischen und Schweizer
Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, Neudruck 1984;
Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Repertorium fontium
historiae medii aevi, Bd. 1ff., 1962ff.; Dießelhorst, M., Die Natur der Sache
als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre, Bd. 1f. 1977ff.; Jakobs, H.,
Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die privatrechtlichen
Rechtsquellen, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 237:
Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des
mittelalterlichen gelehrten Rechtes, 1992; Schröder, J., Recht als
Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012
Rechtsrealismus
Lit.: Twining, W., Kalr Llewellyn and the Realist Movement,
1973, 2. A. 2012 e-book
Rechtsreformation →Reformation
Rechtssatz →Rechtsnorm
Rechtsschein ist
der äußerliche Anschein des Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden
Rechtes. Er kann Rechtswirkungen äußern (z. B. unrichtiges Grundbuch). Ihn
gibt es seit Entstehung des Rechtes.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das offene zum
Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer, H., Vom
Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971
Rechtsschule ist
die Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei
Rechtslehrer mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen,
Alexandria und Caesarea) oder Geistesrichtung innerhalb der Jurisprudenz bzw.
Rechtswissenschaft und auch der mit ihr verbundene Inhalt. →freie
Rechtsschule, →historische Rechtsschule, →Prokulianer, →Sabinianer,
→Ravenna, →Pavia, →Verona, →Bologna, →Universität
Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F.
Wieacker, 1978, 195
Rechtsschutz ist
der durch die →Rechtsordnung gewährleistete Schutz von Rechtsgütern. →Gericht,
Rechtsnorm, Strafrecht
Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz
in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Vossius, O., Zu
den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986; Engbers, E., Small
claims und effektiver Rechtsschutz, 2003
Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden
Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit.
Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung. Zwischen 1933 und 1945 wird
im Deutschen Reich unter dem Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A.,
Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935
Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechtes.
Sie entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (→Marx,
→Ihering, →freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den
Nationalsozialismus gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s an Boden, bleibt aber ein bloßes Nebenfach der
Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der
Tübinger Schule zur deutschen Rechtesoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und
Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M., Rechtssoziologie,
6. A. 2007:; Raiser, T., Grundlagen der Rechtssoziologie, 1987, 2. A. 1995, 5.
A. 2009
Rechtsspiegel →Rechtsbuch
Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die
R. ist in der Gegenwart die von der Allgemeinsprache schwer abgrenzbare Fachsprache
des wissenschaftlich gebildeten →Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen
vor allem den Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders
bedeutsam für die deutsche R. des frühen Mittelalters ist das Verhältnis von
lateinischer Überlieferung und volkssprachiger Rechtswirklichkeit und
insgesamt der Einfluss des Lateinischen sowie in der Gegenwart des Angloamerikanischen
auf das Deutsche.
Lit.: Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte
des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Gradenwitz,
O., Wortverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Deutsches
Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache, 1898;
Beiträge zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr.
v., Rechtssprachliches, ZRG GA 32 (1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die
römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachgeographie,
1926 (SB Heidelberg); Saueracker, K., Wortschatz der peinlichen
Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W., Werdegang und Wandlungen der deutschen
Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil der Rechtssprache, 1949; Dilcher, G.,
Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Berman, H.,
Law and Language, (1964), hg. v. Witte jr., J., 2013; Sonderegger, S., Die
ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965, 419;
Bergh, J. van den, Themis en de Muzen, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Das
fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie,
ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin, H., Untersuchungen zur neuhochdeutschen
Gesetzessprache, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und
zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Elsener, F., Deutsche Rechtssprache und Rezeption, (in) Tradition und
Fortschritt im Recht, FS Tübinger Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche
Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte, (in) Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W.
u. a., 1984, 56; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechtes- und
Gesetzessprache, 1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches
Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen
Stadtrechtsreformationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache,
1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, 1991; Heller, M., Reform der deutschen
Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch,
13. A. 2004, 14. A. 2007; Roessler, P., Entwicklungstendenzen der
österreichischen Rechtssprache seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, 1994; Köbler,
G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche Fachsprache des
Rechts, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen
folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber exquisiti
xenii, 1999; Garovi, A., Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999; Seifert,
J., Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.–20. Jahrhundert),
2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Historische Rechtssprache des Deutschen, hg. v. Deutsch, A., 2013
Rechtssprecher →Gesetzessprecher
Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort
(z. B. →Aller guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach
zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste
Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht vor dem Hochmittelalter
sicher belegen. Ihre tatsächliche Bedeutung scheint eher gering.
Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche
Rechtssprichwörter, 2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches Recht im
Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin, B., Die römischen Rechtsregeln,
1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in deutschen Rechtssprichwörtern,
1971; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, 7. A. 2007; Janz, B., Rechtssprichwörter
im Sachsenspiegel, 1989; Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v.
Lerch, K., 2004
Rechtsstaat ist
der bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses
Staatsziel wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen
Wohlfahrtsstaats von den Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als
Grundlage werden →Verfassung und →Gesetzgebung durch eine Volksvertretung
angesehen. Nach 1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im
Zivilprozess (1877/1879) und in Verwaltungsangelegenheiten (1863ff.). Das
Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe
weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der
Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach
1945 wird der R. verstärkt ausgebaut.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O.,
Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte,
1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in
Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht
des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand,
1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist,
Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs,
A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das
Königreich Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in
einer pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre
Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat,
hg. v. Brand, J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg.
v. Ebel, F., 1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995;
Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C.,
Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im
Dritten Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122
(2005), 367; Hetzer, W., Rechtsstaat oder Ausnahmezustand?, 2008; Voßkuhle, A.
u. a., Das Rechtsstaatsprinzip, JuS 2010, 116; Lauener, M., Jeremias Gotthelf -
Prediger gegen den Rechtsstaat, 2011; Merten, D., Rechtsstaatliche Anfänge im
Zeitalter Friedrichs des Großen, 2012 (Aufsätze)
Rechtsstudium →Rechtswissenschaft, Studium, Universität
Rechtssubjekt (1841) ist der Träger von Rechten
und Pflichten (z. B. Mensch, juristische Person). Sachlich gibt es
Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche erfasst werden sie aber
erst im 19. Jh.
Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtssumme ist
die zusammenfassende Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) →corpus
(N.) iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden
sich vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene
Summe] des Hostiensis, Summa de casibus poenitentiae [Summe über Bußfälle],
Summa legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche Rechtssumme],
Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Handschriften überlieferte
deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]).
Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in
Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, (in)
Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F.,
1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67,
172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H.,
Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982 (Wörterbuch 2006)
Rechtssymbol ist
eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder
Rechtsverhältnis versinnbildlicht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen
Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913;
Puetzfeld, C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines
Besens, ZRG GA 62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960;
Lurker, M., Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der
Freiheitsbaum, 1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze,
R., 2004
Rechtssystem ist
die Gesamtheit von Rechtseinrichtungen in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist
den Römern noch fremd. Es findet sich erst bei →Leibniz (1646-1716) und
Christian →Wolff (1679-1754). Neu gefasst wird es von →Savigny
(1779-1861) und →Puchta (1798-1846). Der Gegenwart ist es zweifelhaft,
ob es ein geschlossenes R. geben kann. →System
Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts,
Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems,
Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und
Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff,
1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen
Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u.
a., Bd. 1 1974, 217; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der
„praktischen Jurisprudenz“, 1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche
Prinzip“ der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad,
1979, 491; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des
nationalistischen Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in
die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in
modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998
Rechtstag →endlicher
Rechtstag
Rechtstatsache ist die das Recht berührende Tatsache bzw. die Tatsache, deren Kenntnis
für eine sachgemäße Anwendung der Rechtssätze erforderlich ist. Rechtstatsachen
gibt es seit der Entstehung des Rechtes. Für die R. interessiert sich
besonders die Rechtssoziologie des 20. Jh.s.
Lit.: Heinz,
W., Rechtstatsachenforschung heute, 2. A. 1998
Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des Rechtes, insbesondere
mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon
in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen des Altertums sichtbar. Erst in
der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber bewusst von Naturrecht und
Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere Zeiten zurückübertragen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss.
jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber,
J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische
Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie, 1974; Rückert, J.,
August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels
Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg.
v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme
und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129;
Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert, 1997;
Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997; Funke, A., Allgemeine
Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004; Vesting, T., Rechtstheorie,
2007; Lahusen, B. u. a., Zufall, Abfall, Ausfall, 2008
Rechtsunterricht →Juristenausbildung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27
(1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43;
Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger
Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen,
1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der
Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GiessenerjuristischeVorlesungen1607-2007.htm
Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung verschiedener
Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleichzeitig geltender
Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere
Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. →Feuerbach,
→Gans, →Bachofen, →Mittermaier, →Rabel).
Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f.
1971f.; Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius
commune 7 (1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung,
1984; Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994;
Stolleis, M., Nationalität und Internationalität, 1998; Rechtsvergleicher –
verkannt, vergessen, verdrängt, hg. v. Großfeld, B., 2000 (Seminarreferate über
Albert Hahl, Wilhelm Solf, Erich Schultz-Ewerth, Johann Jakob Bachofen, Adolf
Bastian, Josef Kohler, Leonhard Adam, Pater Wilhelm Schmidt, Richard Thurnwald,
Leo Frobenius, Josef Schmidlin, Eberhard Freiherr von Künßberg)
Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere
eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an
unterschiedlichen, vereinzelten Stellen (z. B. sind nach →Lex Salica 57
urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflichtig, wird das →Reichskammergericht
1495 für Fälle von R. zuständig (rechtstatsächlich aber nicht allzu häufig)
oder kann im Deutschen Bund bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung
durch die Gerichtsbarkeit die →Bundesversammlung angerufen werden). In
der zweiten Hälfte des 20. Jh.s gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber
eine Rechtsweggarantie.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200;
Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A.,
Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche
Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435; Oestmann, P.,
Rechtsverweigerung im alten Reich, ZRG 127 (2010), 55
Rechtsweisung →Weistum
Rechtswidrigkeit (rechtswidrig 1797) ist der
Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie ist
besondere Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe,
Schadensersatz).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K.,
Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtswissenschaft ist die die rechtliche Sollensordnung betreffende
Wissenschaft. R. entsteht als Jurisprudenz (Rechtsklugheit) im klassischen
römischen Recht, verliert sich danach aber mit dem Zurücktreten der
Rechtskundigen in Rom (3. Jh. n. Chr.) weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s
wird die R. in Bologna (neu) begründet (→Glossatoren). Von hier breitet
sie sich als universitär betriebene Wissenschaft über ganz Europa aus (→Kommentatoren,
→mos Gallicus, →usus modernus, →Naturrecht, →historische
Rechtsschule, →Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt
die Zahl der rechtswissenschaftlichen Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu.
Um 1995 gibt es rund 750000 Studierende der R. in Europa.
Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG
2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978;
Jerusalem, F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage
der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der
Rechtswissenschaft, 1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft,
1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechtswissenschaft,
1968; Coing, H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswissenschaft,
1968; Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969;
Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S.,
Grundzüge der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970),
529; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun
Jahrhunderten, 4. A. 1996, 5. A. 2008; Tarello, G., Storia della cultura
giuridica moderna, Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung
der Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis
in der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre
der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19.
Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100
(1983), 75; Herberger, M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches
Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg.
v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter,
hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und
französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546;
Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft
in der Bonner Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995; La science juridique française et la science juridique allemande de 1870
à 1918, hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997;
Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, hg. v. Acham, K. u. a., 1998; Eine
deutsch-französische Rechtswissenschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Braun,
J., Einführung in die Rechtswissenschaft, 3. A. 2007; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106;
Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft, hg. v. Acham, K. u. a., 2007; Das
Proprium der Rechtswissenschaft, hg. v. Engel, C., 2007; http://www.koeblergerhard.de/werwarwer20020226.htm;
Rechtswissenschaft. Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung, Bd.
1ff. 2010ff.; Rechtswissenschaft als juristische Doktrin, 2011; Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft,
hg. v. Senn, M., 2012; Winkler, V., Der Kampf gegen die Rechtswissenschaft -
Franz Wieackers Privatrehtsgeschichte der Neuzeit, 2013; Wendepunkte der
Rechtswissenschaft, hg. v. Heun, W. u. a.,2014
Rechtswohltat →beneficium
Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985
Rechtswort →Rechtssprache
Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff.
1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949;
Hyldgaard-Jensen, K., Rechtswortgeographische Studien 1, 1964;
Schmidt-Wiegand, R., Studien zur historischen Rechtswortgeographie, 1978;
Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, Historical Lexicography of the German
Language 2, hg. v. Goebel, U. u. a., 1991, 675; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14.
A. 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtszug ist
der jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines
Rechtsstreits. Voraussetzung für einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit.
Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) und danach wohl neu
im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit
1877/1879 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht
und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R.
auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z. B →Oberhof).
Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86;
Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im
Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A.
2002; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und
ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher
Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
recognitio (lat.
[F.]) Beglaubigung
Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977
Records sind
die bis 1731 in lateinischer Sprache geführten Protokolle der Gerichte des →englischen
Rechtes (im Gegensatz zu den in Lawfrench gehaltenen reports [der jungen
Anwälte] der year books).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law Tradition,
2000
Reconquista (F.)
Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.)
Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L.,
Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993
Rectitudines (F.Pl.) singularum personarum (lat.) (Rechte einzelner Personen) ist der Name des im →Quadripartitus
enthaltenen lateinischen Traktats des frühen englischen Rechtes (Mitte 10. Jh.,
überarbeitet um 1020?) über die Pflichten der Hintersassen nach Hofrecht.
Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen,
1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962
rector (lat.
[M.]) Leiter, Richter
recuperator (lat.
[M.]) Wiederbeschaffer
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das
Rekuperatorenverfahren, 1963
recursus (lat.
[M.]) Rücklauf, Rekurs
Recursus (M.) ab abusu (lat., Rekurs vom Missbrauch) ist in Frankreich seit dem
Spätmittelalter die Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den
Missbrauch der geistlichen Gewalt.
Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18
Recursus (M.) ad comitia (lat.) (Rekurs zum Reichstag) ist im Heiligen Römischen
Reich seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des
Reichskammergerichts und des Reichshofrates vor dem Reichstag. Der r. a. c.
bleibt meist ohne Auswirkung.
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973, 398
Rede ist die Darlegung einer Gedankenfolge
gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst der
beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der
griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit
1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit
1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen
R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in
den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linksrheinischen
Gebieten.
Lit.: Politische Reden 1 (1792-1867),
2 (1869-1914), hg. v. Wende, P., 1990
Redefreiheit →Parlament,
Meinungsfreiheit
reditus, redditus
(lat. [M.]) Rückkehr, Einkunft, Abgabe
Redintegranda (zurückzugewährend) ist das Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen
Dekretalen des 9. Jh.s zurückgehenden canons →Gratians (um 1140), nach
dem ein vertriebener Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede
hat, so lange er nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil,
das vor dieser Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich
über die (lat.) actio (F.) spolii hieraus die Besitzschutzklage.
Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874
Redjeva (Ratgeber)
ist im hochmittelalterlichen Recht Frieslands ein Berater von Richter und →asega,
der in der Mitte und im Osten bald den asega ersetzt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840,
Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114;
Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981;
Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches
Wörterbuch, 1983
Reeder ist der Schiffseigner.
Reederei ist
die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits
im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische →Allgemeine
Landrecht von 1794, das →Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861
und das →Handelsgesetzbuch von 1897/1900.
Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v. Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die
Partenreederei, 1995
Referendar (lat.
[M.] referendarius) ist im spätantiken römischen Recht (427 n.
Chr.) der kaiserliche Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint
R. auch im Mittelalter (z. B. in Italien im 7. Jh., in der päpstlichen Kanzlei
im 14. Jh.). Seit 1748 ist in →Preußen der angehende Jurist nach zwei von
insgesamt drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische
Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung
zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenausbildung,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977
Referendum (N.)
Volksabstimmung
Reform (F.)
Wiederherstellung einer (früheren) Form
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen
Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E.,
Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984;
Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche
und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel
(1431-1449), hg. v. Hlaváček, I. u. a., 1996; Kaufhold, M., Die Rhythmen
politischer Reformen im späten Mittelalter, 2008
Reformatio in peius (iudici appellato non licet) (lat.). (Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil) nicht zu
Lasten des Anfechtenden abändern. Im Deutschen Reich wird zwischen 1933 und
1945 das Verbot der r. i. p. eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 49, 1, 1, pr.)
Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) (Reformation Sigmunds) ist die vermutlich am Ende
des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften
überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den
Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen
Herren Aufhebung der Unfreiheit, der Freizügigkeitsbeschränkung sowie Schutz
vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach
Veränderung noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H.,
Der Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954
masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser
Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO
126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117
Reformation ist
die Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten) Zustands (bzw. einer
gegenwärtigen Form) in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw. eine
ursprüngliche Form) bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche
ist R. die von Martin →Luther (1483-1546) am 31. 10. 1517 durch Anschlag
von 95 Thesen an die Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte Erneuerungsbewegung,
welche die Erlösung des sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (→Ablass)
auf die Gnade Gottes zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf eines
Religionskriegs 1555 im →Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Sie
stärkt die Staatsgewalt einerseits, die Freiheit andererseits. Im Recht ist R.
die unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen Rechtes
durch Aufnahme römisch-kanonistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte
und Landrechte (z. B. →Nürnberg 1479/84, →Tübingen 1497, →Worms
1499, →Frankfurt 1509, →Bayern 1518, →Freiburg im Breisgau 1520,
Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571,
Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das
Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das
Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation,
Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578,
1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das
Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J.,
Die Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der
Reformation und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die
Geschichte der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich
(Katalog), hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v.
Köbler, G., 1984; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985;
Blickle, P., Gemeindereformation, 1985; Die reformierte Konfessionalisierung in
Deutschland, hg. v. Schilling, H., 1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den
süddeutschen Stadtrechtsreformationen, 1990; Lutz, H., Reformation und
Gegenreformation, 1991, 4. A. 1997, 5. A. 2002; Blickle, P., Die Reformation im
Reich, 3. A. 2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Keune, H., Die
Durchsetzung der Reformation in den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die
deutsche Reformation zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady,
T., 2001; Burkhardt, J., Das Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei
Reformationen, 2003; Ganzer, K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16.
Jahrhunderts, 2003; Berman, H., Law and Revolution II, 2003; Mörke, O., Die
Reformation, 2005, 2. A. 2011; Hamm, B./Welker, M., Die Reformation, 2008;
Kaufmann, T., Geschichte der Reformation, 2009; Marshall, P., The Reformation,
2009; Tropper, C., Glut unter der Asche und offene Flamme, 2011; Kaufmann, T.,
Der Anfang der Reformation, 2012
Regal ist
das vom König beanspruchte Recht (lat. [ius]
regale), das seit (dem Wormser Konkordat von) 1122 so bezeichnet wird. Auf dem
Reichstag in Roncaglia erfolgt 1158 eine (unvollständige) Aufzählung der
Regalien. Einzelne Regale sind etwa Salzregal, Bergregal, Judenregal,
Zollregal, Marktregal, Münzregal, Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal,
Geleitsregal, Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal,
aber auch Gesetzgebung, Privilegienerteilung, Kriegserklärung, Universitätsgründung
oder Verleihung des Doktorgrads. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale (Regalien)
vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch vereinzelt neue
Regale (z. B. Postregal, Bücherregal als Oberaufsicht über das Bücherwesen). In
der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt
(Hoheitsrecht) bzw. privatrechtlich-fiskalisches Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150,
167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl, A.,
Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion der
Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um
Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA
77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen
Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum
Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittealalter, ZRG GA 84
(1967), 128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2
1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Regel, F., Richtschnur,
Leitlinie
Lit.:
Matthies, D., Exemplifikationen und Regelbeispiele, 2009
Regen
Lit.: Burkhardt, M., Regen,
Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht Weißenstein, 1975
Regensburg an
der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter
Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von
1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende →Reichstag. 1962 wird R. Sitz
einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht
der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger
Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914,
Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler,
A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F., Ratsverfassung
und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für
Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um
Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J.,
1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg
1453-1738, bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag
zu Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der
Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bierther, K., Der Regensburger
Reichstag von 1640/1641, 1971; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche
Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der
Runtinger zu Regensburg, 1976; Schmid, D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A.,
Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer
und die Reichsstadt Regensburg, 1997; Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v.
Schmid, P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg
(1480-1538), 2005; Friedrich, S., Drehscheibe Regensburg, 2007; Schmidt, R.,
Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14. Jahrhundert, ZRG GA 125
(2008), 82; Trapp, E., Welterbe Regensburg, 2008
Regent ist
der Herrscher oder Fürst oder der Mensch, der für einen anderen im Falle einer
Verhinderung die Regierungsgewalt ausübt.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel,
P., Die Regentin, 2004
Regest ist
die Angabe von Ausstellungsdatum, Ausstellungsort, Aussteller, Adressat,
Inhalt und Fundstelle einer Urkunde, Regesten die meist chronologisch geordnete
Mehrheit einzelner Regeste (Urkundenverzeichnis) (z. B. der Kaiser und Könige
des deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern
751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4
Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp,
Otto IV., Friedrich II. Heinrich u. s.
w., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I.
1493-1519]).
Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii, Bd.
1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f.
4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta
imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d.
Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000; REGESTA
IMPERII online – RI OPAC online http://regesten.regesta-imperii.de/
(http://www.regesta-imperii.org); Heinig, P., Regesta imperii, DA 62
(2006), 631, 63 (2007), 613
Regierung ist
das kollegiale Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung zusteht bzw.
(Bezirksregierung) eine mittlere Landesbehörde. Von R. wird seit dem
ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen Monarchie
gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich allmählich eine
gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Herrscher, im parlamentarischen
System ist sie vom Vertrauen des Parlaments abhängig und wird deshalb von der
Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoalition gestellt. (Politische) Akte der
Regierung sind (nach nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich
verwaltungsgerichtlicher Überprüfung entzogen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der Regierungsantritt,
1899; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer, F., Der Begriff
der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Kassimatis, G., Der Beeich der Regierung,
1967, Neudruck 2014; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970;
Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland, 1970;
Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des römisch-deutschen Königs
(1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg.
v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W., Regierung als Rechtsbegriff, 1975;
Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975; Die Regierungen der deutschen
Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v. Schwabe, K., 1983; Reuschling, H.,
Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984; Lodemann, C., Die Geschichte des
französischen acte de gouvernement, 2005
Regiment (N.)
Leitung, Heeresteil, Behörde (z. B. 1499 für die oberösterreichischen Länder
in Innsbruck, 1501 für die niederösterreichischen Länder in Linz bzw. 1510
Wien, 1564 für die innerösterreichischen Länder in Graz, 1744 Landesjustizstellen,
1763 in Gubernien aufgegangen)
Regino von Prüm
(Altrip um 840?-Trier 892), aus fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm
(893 Anlegung des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in
Trier. Um 906 verfasst er das in zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche
Handbuch (lat.) De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Über
Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an den Pfarrer und 89
Fragen an die Gemeindeglieder. Es wird von →Burchard von Worms
verwertet.
Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v.
Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1
1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48
(1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die
Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die Überlieferungsgeschichte
der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA
74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, hg. v. Hartmann, W., 2004
Register (N.,
Wort 1307) Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit
dem 4. Jh. n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)
Lit.: Silagi, G., Landesherrliche
Kanzleien, 1984; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
regnum (lat.
[N.]) Reich, Königreich
Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium – das Reich in
der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum – zum
politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und
Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a.,
2002
regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000)
Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970
Regredienterbe (M.) weichender Erbe
Regress ist
der Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung Verpflichteten auf einen
weiteren, vielfach nur im Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten.
Er findet sich bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des
Gläubigers, dem leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten,
ausgehend entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein
allgemeiner Forderungsübergang kraft Gesetzes.
Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und
Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963
regula (lat.
[F.]) Richtschnur, Regel (z. B. regula iuris)
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53
Regula (F.) aurea
(lat.) (goldene [Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige
Vorstellung, dass man so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln
würden bzw. alles unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere
unterlassen würden.
Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A.,
Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS
F. v. Hippel, 1967, 491
Regula (F.) Benedicti (lat.) (Benediktinerregel) ist die in der ersten Hälfte
des 6. Jh.s von Benedikt von Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten
ältesten abendländischen Mönchsorden (→Benediktiner) als (lat. [F.])
lex (Gesetz) geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung,
Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen
sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1.
Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des
Meisters).
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die
Regula Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula
Benedicti, 1992
Regulae (F.Pl.) Ulpiani (Regeln Ulpians) sind der vermutlich am Ende des 3. oder
Anfang des 4. Jh.s aus Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellte
römische Rechtstext, von dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte
des 4. Jh.s erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, DRG 52
Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel)
unterstellende →Kanoniker.
Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den
Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379
Regulierung ist die Änderung einer Lage durch Regeln. Die R. der Probleme des
natürlichen Monopols der Eisenbahnen wird in England (1844) und Preußen (1838)
in der ersten Hälfte des 19. Jh.s mit unzureichenden Mitteln versucht, denen
gegenüber die Vereinigten Staaten von Amerika 1887 (Interstate Commerce
Commission) erfolgreicher sind.
Lit.:
Regulierung im Telekommunikationssektor, hg. v. Michalczyk, R. u. a., 2012; Moderne Regulierungssysteme -
Regulierte Selbstregulierung im frühen Interventions- und Sozialstaat, hg. v.
Collin, P. u. a., 2012; Gestaltung
der Freiheit, hg. v. Schorkopf, F. u. a., 2013
Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in →Preußen erlassene Edikt
die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach
dem 1798 im linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem
einzelnen Bauern Eigentum an Grund und Boden verschafft. →Bauernbefreiung
Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Reich ist
das Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.)
imperium (N.) Romanum (römische Reich) im Vordergrund. Von den dessen
weströmischen Teil auflösenden Reichen einzelner germanisch/germanistischer
Völker gewinnt das fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger
Karl dem Großen wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung
(843/887) bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum
deutschen R. entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und →Reichsstände
einander gegenüber. An deren Gegensatz zerbricht unter dem Druck Napoleons bzw.
Frankreichs das R. am 6. 8. 1806 als Heiliges römisches R. . Das von Bismarck
1871 geschaffene zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum →Dritten
R. umwandelt, ist demgegenüber ein eher kurzlebiger Nationalstaat. Nach 1945
ist der Begriff R. für die Gegenwart durch Bund ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112,
133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1984, 423; Becker, J., Kritik der deutschen Reichsverfassung, 1796ff., hg.
v. Burgdorf, W., 2009; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation,
1910; Krammer, M., Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine,
H., Das Werden des deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie
des Wortes „Reich“, Diss. phil. Frankfurt 1959; Wolfram, H., Splendor imperii,
1963; Herkenrath, R., Regnum und imperium, 1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die
Reichsgewalt und Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H.,
Reich und Einzelstaaten während der Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P.,
König, Reich und Territorium, 1971; Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in
der deutschen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972),
118; Duchhardt, H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert,
E., König und Reich, 1979; Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel
der Herrschaftspraxis Ottos des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im
politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v.
Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land
der Deutschen, 1987; Aretin, K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der
Reichstitel bis 1806, Archiv für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische
Herrschaft und ständische Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur
frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v. Kunisch, J., 1997; Recht und Reich
im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll, C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser
und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das
alte Reich 1495-1806, 2003, 4. A. 2011, 5. A. 2014; Reichspersonal, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2004; Das Reich und seine Territorialstaaten im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Klueting, H. u. a., 2004; Heilig – Römisch – Deutsch. Das
Reich im mittelalterlichen Europa, hg. v. Schneidmüller, B., 2006; Carl, H.,
Kaiser, Reichstag, Reichsgerichte - das Reich als Medienereignis, 2012; Davies,
N., Verschwundene Reiche, 2013
Reichenau ist
die Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende
Bendediktinerabtei gegründet wird, aus der eine Formelsammlung des späten 8.
Jh.s überliefert ist.
Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K.,
1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977; Schmidt,
R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144
(1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998;
Verblichener Glanz, hg. v. Kreutzer, T., 2007
Reichsabschied (lat. recessus [M.]
imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse
des Reichstags des Heiligen römischen Reiches am Ende der Tagung. Der R.
enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der
Verlesung in einer Schlusssitzung Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des
Reichsabschiedes ist den Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von
1654.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und
vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff.
1747, Neudruck 1967; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs,
A., Der jüngste Reichsabschied von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg.
v. Moraw, P., 1994
Reichsabt ist
der Abt einer reichsunmittelbaren Abtei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000
Reichsacht ist
die im Hochmittelalter und Spätmittelalter für das gesamte →Reich
verhängte →Acht. Die hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur
gegen den ausgesprochen werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder
das königliche Gericht ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R.,
kann gegen ihn die Reichsaberacht verhängt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht,
1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984
Reichsadel ist
der mit dem →Reich besonders verbundene →Adel. Dies ist
insbesondere der reichsunmittelbare Adel mit Reichsstandschaft im Reichstag. Im
weiteren Sinn zählt hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346)
geschaffene Briefadel.
Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht,
1929
Reichsadler ist
der als Symbol des →Reiches verwendete →Adler.
Reichsamt ist
die im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen
Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums (Reichskanzleramts)
gebildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 auswärtiges Amt, 1872
Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/1880 Reichspostamt, 1877 Reichsjustizamt,
1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines Reichsamts wird
bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der Reichsämter erhöht
sich später noch.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
196
Reichsapfel ist
die als Symbol des Reiches verwendete Kugel, die auf der Grundlage antiker
Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106],
Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht aus
dem späten 12. Jh.
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958
Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer freiwilliger Arbeitsdienste
der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf →Hitler 1935 zur
Beseitigung der Arbeitslosigkeit eingerichtete Arbeitsdienst mit einer
halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Reichsarchiv ist
das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere
Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben erfolglos. Nachfolger ist
in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesarchiv.
Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.;
Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.
Reichsbank ist
die am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur
Regelung des Geldumlaufs, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und
Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2.
8. 1961 aufgelöst wird.
Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die
Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.; Clavert, F.,
Hjalmar Schacht, 2009
Reichsbistum ist
das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare
Bistum.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die
Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964
Reichsbürgergesetz ist das am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz, das als
Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H.,
Reichsbürgergesetz, 1936
Reichsdeputation ist der vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches seit dem 16. Jh. gebildete Ausschuss. Die R.
kann ordentliche R. oder außerordentliche R. sein.
Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253
Reichsdeputationshauptschluss ist der - von der Reichskirche einigermaßen widerstandslos
hingenommene - Beschluss (Hauptschluss) der letzten außerordentlichen mit
Mainz, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern, Hessen-Kassel, Württemberg und
dem Hoch- und Deutschmeister besetzten →Reichsdeputation des Heiligen
Römischen Reiches vom 25. 2. 1803 (24. 3. 1803 ohne Gegenstimmen Reichsgutachten
des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung des Kaisers [mit einigen Ausnahmen]).
Der R. beendet auf Grund eines von →Frankreich und →Russland
vorgelegten Entwurfs rechtsrheinisch für drei Kurfürstentümer (Köln, Trier,
Pfalz), 24 Fürstentümer [19 Reichsbistümer], 44 Reichsabteien und 41 Reichsstädte
(112 Reichsstände) die Selbständigkeit und teilt ihr Gebiet (rund 10000
Quadratkilometer geistliches Gebiet mit 3,161 Millionen Einwohnern) zur bereits
auf dem Rastatter Kongress (1797-1799) beschlossenen Entschädigung für
linksrheinische Verluste an Frankreich [Friede von Lunéville 1801] anderen
Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg) zu. Mit dem Ende des
Heiligen Römischen Reiches endet auch
der formell rechtmäßig zustande gekommene, inhaltlich mangels Zustimmung der
Betroffenen rechtswidrige, tatsächlich aber auf Grund der normativen Kraft des
Faktischen rechtswirksame R., doch wirken die durch ihn geschaffenen Veränderungen
fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Gaspari, A., Der
Deputations-Receß, 1803, hg. v. Becker, H., 2003; Wende, P., Die geistlichen
Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der Reichsdeputationshauptschluss
von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003; Knecht, I., Der Reichsdeputationshauptschluss
vom 25. Februar 1803, 2007; Klueting, H., Zweihundert Jahre Reichsdeputationshauptschluss,
HZ 286 (2008), 403; Olschewski, B., Herrschaftswechsel - Legitimitätswechsel,
2009
Reichsdienstmann ist der im Dienst des →Reiches stehende Dienstmann
oder Ministeriale. Seit der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in
den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis
(M.) regni ausdrücklich genannt.
Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im
späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität,
1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut
und Königsherrschaft, 1969
Reichsdorf ist
das reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später
noch etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe)
sichern. Sie sind frei von grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen
Rechten. Bis zum Jahre 1803 geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach,
Soden und den freien Leuten auf der Leutkircher Heide unter eine
Landesherrschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo,
G., Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446;
Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld,
1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und
Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984; Kegel-Schorer, C.
de, Die Freien auf Leutkircher Heide, 2007
Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofs
zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1.
10. 1933 (1939 rund 700000 Erbhöfe, 21,6 % der Höfe im deutschen Reich [40
Prozent der gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betriebsfläche] und 27,9
Prozent der Höfe in Bayern sind Erbhöfe), das von den Betroffenen trotz mehr
als 100000 Einsprüchen im Großen und Ganzen wohl angenommen wird, seine ideologischen
Ziele aber letztlich nicht erreicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F.,
Agrarpolitik im „Dritten Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des
Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus
konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55; Schobert, G., Die Anwendung des
Reichserbhofgesetzes im ehemaligen Amtsgerichtsbezirk Pfaffenhofen, 2007;
Böse, C., Die Entstehung und Fortbildung des Reichserbhofgesetzes, 2008
Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts
und des Reichshofrats sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen
Römischen Reich . Die Ordnung der R. ist in verschiedenen Reichsabschieden des
16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die rechtstatsächliche Bedeutung der R.
ist gering.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V.,
Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10
(1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971
Reichsfahne ist
die vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches verwendete →Fahne.
Ihre anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und
rot?, weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der →Adler in sie aufgenommen. 1848
werden Schwarz-Rot-Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als Farben
festgelegt. Das Hakenkreuz des Deutschen Reiches bleibt kurzes Zwischenspiel
von 1933 bis 1945.
Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935; Schramm,
P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643
Reichsfarben →Reichsfahne
Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955
Reichsfinanzen sind die Einkünfte des →Reiches. Sie bestehen im
Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen
Gaben und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die
Vergabung des Königsguts werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich stehen
dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen Mark,
die Posteinkünfte und Beiträge der Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu.
Seit 1881 werden zur Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern
festgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und
Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1;
Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989
Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7.
1918 geschaffene, in München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche
Gericht in Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der
Bundesfinanzhof.
Reichsfiskal →Fiskal
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Reichsforst →Forst
Reichsfürst ist
der sich im 12./13. Jh. aus dem Reichsadel aussondernde reichsunmittelbare
Fürst (um 1190 92 geistliche und 22 weltliche Reichsfürsten). Er kann
weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich) oder geistlicher R. (Erzbischof,
Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als einfacher R. ist der →Kurfürst. Im
Hochmittelalter beträgt die Zahl der Reichsfürsten etwa 110 bis 120, von denen
drei Viertel geistliche Reichsfürsten sind. Es gibt weder landrechtlich noch
lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die Reichsfürsten von anderen hochadligen
Geschlechtern abhebende Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153;
Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck
1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller, R., Die
Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E., Land- und
lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948), 294; Engelbert,
G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948
(masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke,
1956; Schubert, E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die Erhebungen in den
weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt. LG 122 (1986), 137ff.; Vom
Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987; Arnold, B., Princes and
Territories, 1991; Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den Quellen der
Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption,
1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v. Kaiser, M. u. a., 2003
Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den →Reichsfürsten,
reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten Prälaten
gebildete Rat innerhalb des Reichstags. Er besteht aus einer geistlichen, vom
Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten Bank und einer weltlichen,
vom Herzog von Bayern angeführten Bank. 1582 kommen 53 Virilstimmen den weltlichen
Fürsten, 46 Stimmen den geistlichen Fürsten zu. Es besteht eine katholische
Mehrheit der Stimmen (alle geistlichen Stimmen und 22 Stimmen von 64 weltlichen
Stimmen). 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und 59 weltliche) Virilstimmen
und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen auf (37 geistliche Fürsten,
63 weltliche Fürsten), 1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat,
1882; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsgebiet ist
das Gebiet des →Reiches.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische
Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der
Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993
Reichsgericht ist allgemein das für das →Reich zuständige Gericht. Dies ist für
das fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das →Reichskammergericht
und danach neben ihm der →Reichshofrat. 1848 geplante Reichsgerichte
scheitern mit den Verfassungen. Für das zweite Deutsche Reich wird am 1. 10.
1879 ein neues R. mit fünf (1893 6) Zivilsenaten und drei (1893 4) Strafsenaten
in Leipzig eröffnet (1893 81 Richter), das dem Reichsoberhandelsgericht bzw.
dem Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist hauptsächlich
Revisionsgericht. Ihm organisatorisch eingegliedert und personell mit ihm
verknüpft sind Staatsgerichtshof und Reichsarbeitsgericht. Sein zweiter Senat
ist für das rheinische Recht zuständig und orientiert sich in seinen
Entscheidungen (bis 1900 rund 1000) an der französischen Rechtsprechung zum
Code civil. Am 19. 4. 1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung
der Sachwerte des Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am
8. 10. 1945 wird es geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen
umfasst 172 Bände mit mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. →Bundesgerichtshof.
Von 1869 bis 1918 besteht auch in Österreich ein R. (mit einem Präsidenten,
einem Vizepräsidenten und 12 Mitgliedern) als Verfassungsgericht (Zuständigkeitsstreitigkeiten,
Grundrechtsangelegenheiten, Kausalgerichtsbarkeit), dem 1919 der Verfassungsgerichtshof
folgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218,
231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg.
v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schwind, H., Die römischen Rechtsquellen in den Entscheidungen des
Reichsgerichts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Diss. jur.
Erlangen 1954 (masch. schr.); Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959;
Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331;
Kaul, F., Geschichte des Reichsgerichts, 1971; Hafke, H., Zuständigkeit in
geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D., Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin
Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner Obertribunals, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 419; Dauer, F., Die
Bibliothek des Reichsgerichts, 1991 (1945 rund 300000 Bände); Sammlung
sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in Zivilsachen, hg. v. Schubert, W.,
1992ff.; Wiegendrucke der Bibliothek des Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J.,
1994; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v.
Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1994ff.; Das Reichsgericht, hg. v.
stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Grimm, D., Das Reichsgericht in
Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K., Die Hüter des Rechts, 1997;
Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches Landrecht, hg. v. Schubert, W.
u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate des Reichsgerichts, Diss. jur.
Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999; Fortitudo
temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg.
v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000;
Möller, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen, 2001;
Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung,
2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des Deutschen Reichs,
hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005; RGZ – Entscheidungen des
Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD. 2004; Neschwara, C.,
Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch und Parlament –
Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310; 125 Jahre
Reichsgericht, hg. v. Kern, B. u. a., 2006; (Müller, S.,) Das
Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, 2008; Geyer, S., Den Code civil „richtiger“
auslegen, 2008; Markgraf, H., Skurrilitäten aus der Rechtsprechung des
Reichsgerichts, 2010; Löhnig, M., Rechtsvereinheitlichung trotz Rechtsbindung,
2012; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 2013
Reichsgesetz ist
das vom →Reich geschaffene bzw. für das Reich geltende →Gesetz. Im
Heiligen römischen Reich entsteht das R. auf Vorschlag (Proposition) des
Kaisers durch Zustimmung der drei Kurien Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat
und Städtekollegium (Reichsgutachten) und des Kaisers (Reichsschluss). Wegen
des verwickelten Verfahrens ist das R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B.
Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung),
nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das
deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten vereinheitlicht (→Strafgesetzbuch,
→Strafprozessordnung, →Zivilprozessordnung, →Bürgerliches
Gesetzbuch). Seit dem 19. Jh. wird das R. formell im Reichsgesetzblatt
publiziert.
Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den
Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die
Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel,
W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck
1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20.
Jahrhundert, (in) Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206
Reichsgesetzgebung →Reichsgesetz
Reichsgraf ist
seit der frühen Neuzeit der zum →Reich in unmittelbarer Beziehung stehende
→Graf.
Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im
16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989;
Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Busch, T., Herrschen durch
Delegation, 2008
Reichsgut ist
im Mittelalter das dem →Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen u. s. w.). Die Abgrenzung des Reichsguts vom
Hausgut ist kaum sicher durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R.
dem König verloren. Er muss sich allein auf sein Hausgut stützen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese,
H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das
Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und
Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz,
W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85
(1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E., Königtum
und Königsherrschaft, 1993
Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die →Gefährdungshaftung für
Personenschäden bei dem Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten
Deutschen Reichs von 1871.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W.,
Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238
Reichsheer →Heer
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v.,
Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Huber, E.,
Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat
in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943
Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur
Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das
dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52; Wormit, H., Das
Reichsheimstättengesetz, 1941, 4. A. 1967
Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen
Staatsrechts, die vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und
Göttingen gepflegt wird (→Thomasius, →Ludewig, →Gundling, →Pütter).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v.
Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988
Reichshofgericht →Hofgericht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O.,
Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur
Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker,
L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178;
Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973;
Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts
1235-1451, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und
Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987
Reichshofkanzlei ist die 1558/1559 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete
Kanzlei in Wien, die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts
steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr.
Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei,
1933
Reichshofrat bzw.
anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der nach mittelalterlichen
Vorläufern (am 13. 12.) 1497 begründete Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und
Erbländern und Gnadensachen) des Königs bzw. des Kaisers des Heiligen römischen
Reiches in Wien (1559 Reichshofrat, Ordnung vom 3. 4. 1559). Er wird zunächst
zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt sich aber
allmählich zu einem mit dem →Reichskammergericht konkurrierenden Gericht
des ihn allein besetzenden und finanzierenden Kaisers (im 18. Jh. ganz
überwiegend Reichshöchstgericht). Es ist mit dem Hofratspräsidenten als
Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für
kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen und Kriminalklagen
gegen Reichsunmittelbare, örtlich auch für Reichsitalien, ab 1620 nicht mehr für
die österreichischen Erbländer Bei einem Zuständigkeitsstreit mit dem
Reichskammergericht entscheidet die frühere Befassung. Allmählich gewinnt der
R. im Verhältnis zum Reichskammergericht wegen der kürzeren Verfahrensdauer das
größere Gewicht (vielleicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000
Akten aus der Prozesstätigkeit). Geordnet ist sein wenig strenges und wohl
deswegen auch schnelleres Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527,
1537, 1541, (lat. [M.]) ordo consilii (Ratsordnung) um 1550, 1559, 1594, 1617,
1626). Von 1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200;
Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische
Zentralverwaltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v.,
Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem
Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze
und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates
1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des
Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob
Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht,
hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen
Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der
gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen
der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die
Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb, E./Westphal, S.,
Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291;
Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Ullmann, S.,
Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats, 2006;
Ehrenpreis, S., Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, 2006;
Petry, D., Konfliktbewältigung als Medienereignis, 2011 (Reichsstädtische
Reichshofratsprozesse als frühneuzeitliche Medienereignisse)
Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom →Reichshofrat
ausgebildete besondere →Prozess. Er ist nicht durch ausführliche
Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als
politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichskammergerichtsprozess nur
soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses
stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe
Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile
sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.)
→recursus (M.) ad comitia (Rekurs an den Reichstag) zugelassen.
Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert,
W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen
des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Die Akten des kaiserlichen
Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v. Ortlieb, E., 2008ff.
Reichsinsignie ist das (weltliche) symbolische Zeichen des Heiligen
römischen Reiches . →Insignie(n), Reichskleinod(ien)
Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H.,
Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsitalien ist der von 774 (Sieg Karls des Großen über die Langobarden) bis 1797
bzw. 1806 (Ende des Heiligen römischen Reiches) zum fränkisch-deutschen →Reich
gehörige Teil →Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am
deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530
Mailand, Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat,
Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend
zu keiner Zeit, zumal die sog. mathildischen Güter (Mathildes von Tuszien) zwischen
dem Papst und dem König bzw. Kaiser des Heilgen römischen Reiches als Erben streitig
sind.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le prime
strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del „Regnum
Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley,
D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und
städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R., Das regnum Italiae,
1982
Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht
zuständige →Reichsamt.
Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum
Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des
Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995
Reichsjustizgesetz ist das zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichte, am 1.
10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffende Gesetze des
zweiten Deutschen Reichs. Reichsjustizgesetze sind Gerichtsverfassungsgesetz,
Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung
und Gerichtskostengesetz).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes,
Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781
Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des
Heiligen römischen Reichs 1495 aus dem
königlichen Kammergericht entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der
Reichskammergerichtsordnung von 1495 sowie späteren Reichskammergerichtsordnungen
(z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem vom Kaiser ernannten Kammerrichter
(Vorsitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, von unterschiedlichen
Berechtigten (Kaiser, Kurfürsten, sonstigen Reichsfürsten) vorgeschlagenen
(präsentierten), grundsätzlich je zur Hälfte adligen(, aber seit etwa 1530
auch fast durchweg gelehrten,) und (nur) gelehrten (und öfter nach Ernennung
geadelten) Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später
vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es
ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und 1693 in Wetzlar
untergebracht. Die österreichischen Erbländer sind ausgenommen. Zuständig ist
es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung,
Landfriedensbruch, bürgerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die
angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren
noch zulässigen Appellationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen
wird es bei durchschnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600
700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein (also in der Nähe Speyers bzw.
Wetzlars), ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger
Unterschicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis
1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000,
bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte
Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten
und Statuten sowie theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den
gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des →usus modernus
pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und →Advokaten.
Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden 18. Jh.
mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären, der
Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden alten
Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen römischen Reich geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach
auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind von bisher etwa 77800
nachweisbaren Prozessakten in der Gegenwart noch schätzungsweise 71000
Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich von Zwischenurteilen) in den
noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und
1806) bzw. 76203 Reichskammergerichtsakten in 46 Archiven (1847-1852 71617
Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig Staaten -
Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Baden, Bayern, Braunschweig,
Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt,
Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg,
Kurhessen, Liechtenstein, Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12
Staatsarchive aufgeteilt], Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar,
Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen,
Waldeck, Württemberg, Belgien, mindestens 50 Lagerorte bekannt) (am 31. 3.
2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen, 2010 rund
74800 = etwa 96 Prozent verzeichnet, [es fehlen noch Calenberg-Grubenhagen 642,
Lüneburg 380, Metz, Lüttich, Wien rund 2000, dabei 14050 Verzeichnungen noch
nicht veröffentlicht, rund 10600 Prozessakten weniger ausführlich
inventarisiert, Inventarisierung auch nicht völlig einheitlich, Gesamtbestand
der überlieferten Reichskammergerichtsverfahren daher nur schwer zu
überblicken], virtuelle Vereinung mit beträchtlichem Aufwand möglich, aber sinnvoll,
vgl. http://www.hoechstgerichtsbarkeit.rub.de/db/search.aspx, 38
Abfragekriterien; Schildt, B., Virtuelle Zusammenführung und
inhaltlich-statistische Analyse der überlieferten Reichskammergerichtsprozesse,
(in) Forschung in der digitalen Welt. Sicherung, Erschließung und Aufbereitung
von Wissensbeständen, hg. v. Hering, R. u. a., 2006, 125ff., 31. 05. 2010 36054
Verfahren aus vollständig erfassten Verfahren und 2988 Verfahren - von 18152 -
aus teilweise erfassten Inventaren, Verknüpfung mit der getrennt
überlieferten, im Volltext zu veröffentlichenden Entscheidungsliteratur
sinnvoll). Die sehr unterschiedliche Inanspruchnahme
des Reichskammergerichts in Raum und Zeit lässt sich nicht durch eine einzige
Ursache erklären.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153,
200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965;
Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die
Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG
GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer
Bestand, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der
Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v.
Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskammergerichts,
ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss.
jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss.
jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das
Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher
Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammergericht,
1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht,
ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen
der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16.
Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen
Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die
politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung
1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu
den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt,
A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Eberling,
H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen,
P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986;
Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900
(des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die
Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals, 1989; Das
Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990;
Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichtsakten im
hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in Laubach,
bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des Reichskammergerichts,
hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts im
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.;
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.;
Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden
durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I.,
1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle
aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v.
Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten,
bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichskammergerichts
im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115
(1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998;
Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und
Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der
Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und
Prokuratoren am Reichskammergericht in Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000),
550; Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter
Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der
frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die
Wohnungen der Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht
am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v.
Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und
Schriftsteller, 2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter
Teil 2, 2003; Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung
der Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten
Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B.,
2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v.
Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004;
In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester
der Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im
alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der
Reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A.,
Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006,
493; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Diestelkamp,
B., Prozesskosten in Verfahren am Reichskammergericht, FS Wilhelm Brauneder, 2008,
81; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Ein Zivilprozess
am Reichskammergericht, hg. v. Oestmann, P., 2009; Akten des
Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Hannover. Hochstift Hildesheim und
benachbarte Territorien 1495-1806, bearb. v. Kauertz, C. u. a., Teil 1ff.
2009; Inventar der pfälzischen Reichskammergerichtsakten. Landesarchiv Speyer
Best. E 6, bearb. v. Armgart, M. u. a., 2010; Das Reichskammergericht im
Spiegel seiner Prozessakten, hg. v. Battenberg, F./Schildt, B., 2010; Baumann,
A., Reichskammergericht und Universitäten, HZ 292 (2011), 365; Jahns, S., Das
Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1 2011; Riemer, R., Frankfurt und
Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011; Wunderlich, S., Das Protokollbuch
von Mathias Alber, 2011; Bähr, M., Die Sprache der Zeugen, 2012; Diestelkamp,
B., Ein Kampf um Freiheit und Recht, 2012
Reichskammergerichtsprozess ist der →Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird
bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und
lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichtsordnungen (z. B.
1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten
römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich.
Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und das Prinzip
der Artikulation. Nach Litiskontestation (→litis contestatio) und
Ablegung des →Kalumnieneids kann der Beklagte auf den artikulierten
Prozessvortrag des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis
erhoben. Nach der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände
vorbringen. Da hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das
Reichskammergericht bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation
beseitigt.
Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R.,
Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform
des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der
Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die
Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2005
Reichskanzlei ist die →Kanzlei des →Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870
erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichserzkanzler der →Erzbischof
von →Mainz vor. König Maximilian I. trennt 1498 von der R. eine
Hofkanzlei, die 1558 mit der R. zur Reichshofkanzlei verbunden wird. Seit
Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren festen Sitz in Wien, wobei sich der Erzbischof
von Mainz durch einen Reichsvizekanzler vertreten lässt. Für die
österreichischen Erbländer treten österreichische Hofkanzlei und böhmische
Hofkanzlei an ihre Stelle. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R.
die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E.,
Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933; Walter, A., Die deutsche
Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich
V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis
1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180,
1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190),
1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K.,
Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181
bis 1190, 1985; Wahl—und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanzlerarchivs
1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei
zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als
Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002
Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen Reich der Vorsitzende
des Bundesrats bzw. de facto einzige Minister des Reiches, der meist zugleich
Ministerpräsident Preußens ist (z. B. Otto von Bismarck). Gegenüber dem Reichstag
ist der R. erst ab 28. 10. 1918 verantwortlich. Ab 1919 wird der R. als Leiter
der aus mehreren Ministern bestehenden Reichsregierung vom Reichspräsidenten
ernannt. Am 2. 8. 1934 vereinigt R. Adolf Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten
Hindenburg das Amt des Reichspräsidenten mit dem Amt des Reichskanzlers. Mit
seinem Tod endet die Reihe der R. In der Bundesrepublik Deutschland tritt 1949
der Bundeskanzler an seine Stelle.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes,
ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997;
Kurmainz, das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998;
Fesser, G., Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003; Hömig, H., Brüning, 2005;
Stalmann, V., Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, 2009
Reichskirche ist
die →Kirche im fränkisch-deutschen Reich. Dies betrifft in der älteren
Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten Erzbistümer, Bistümer,
Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichsunmittelbare Kirchenwesen.
1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten,
1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H.,
Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und
Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968,
141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der
Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott,
B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002
Reichskirchensystem ist im (9. bzw.) 10. und 11. Jh. die Einbindung der Kirche in
die königliche Herrschaft über das Reich (Reichsverwaltung). Spätestens seit
Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B.
Grafschaften) betraut. Dieses R., das nach neuerer Erkenntnis bereits um 820
bis 830 seinen Anfang nimmt, findet im →Investiturstreit sein Ende, doch
lebt es in der veränderten Form der geistlichen Reichsfürsten fort.
Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H.,
Reformpäpste als Reichsbischöfe, FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G.,
Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Patzold, S., Episcopus,
2009
Reichskleinod ist das dem Reich gehörige Kleinod.
Reichskleinodien sind der das Heilige
römische Reich sichtbar darstellende,
bei den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete Reichsschatz (einziger
nahezu unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu den R. zählen die →Krone
(Reichskrone), das Reichskreuz, das Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der →Reichsapfel,
das Zepter, das Reichsschwert (Mauritiusschwert), der Krönungsmantel
(Krönungsornat) und einige weitere Kleinode (und Reliquien) (sowie der Säbel
Karls des Großen, die Stephansburse und das Reichsevangeliar als sog. Aachener
Kleinodien). Sie begleiten anfangs den König auf seinen Zügen. In salischer
Zeit sind sie meist im Dom in Speyer, danach in der Reichsfeste Trifels, seit
1273 in der habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag bzw. der Karlsfeste
(Karlsstein), 1421 in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800
über Regensburg (1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg).
→Insignie(n), Reichsinsignie(n)
Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N.,
Reichskleinodienstudien, 1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989;
Schroeder, K., Die Nürnberger Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232;
Kubin, E., Die Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d.
Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die
Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001
Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in
Kraft getretene →Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und der
katholischen Kirche.
Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die
Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des
Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309
Reichskreis ist
der 1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen
Römischen Reich. Es werden insgesamt 6 (bayerisch, fränkisch, niedersächsisch,
oberrheinisch, schwäbisch, westfälisch) bzw. 10 Reichskreise gebildet (österreichischer,
burgundischer, kurrheinischer, fränkischer, bayerischer, schwäbischer,
oberrheinischer, niederrheinisch-westfälischer, obersächsischer, niedersächsischer
R.), in welche die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden
(ausgenommen vor allem die Länder der Wenzelskrone und der Schweiz). Nur im
Südwesten (Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine
gewisse Bedeutung für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution und Truppenkontingentierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I.,
1896; Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die
kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681;
Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian
Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der
österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches,
1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen
Revolutionskriege 1792-1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis,
1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die
Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der
niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische
Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale
Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen
Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer,
W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst,
W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002; Neuburger, A., Der schwäbische
Reichskreis, 2010; Neuburger, A., Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im
schwäbischen Reichskreis, 2011; Reichskreise und Regionen im frühmodernen
Europa, 2011
Reichskrieg ist
der auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände
zwischen 1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte →Krieg.
Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reichs, 1912
Reichskriegsgericht ist das nach der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit durch
Gesetz vom 17. 8. 1920, der Auflösung des zum 1. 10. 1900 eingerichteten
Reichsmilitärgerichts und der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit zum
1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26. 6. 1936 geschaffene oberste Gericht der
Wehrmacht Deutschlands, das sich vor allem im Krieg zum Instrument militärischer
Kommandogewalt und politischer Macht entwickelte.
Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004;
Gribbohm, G., Das Reichsmilitärgericht, 2007
Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die (ersten spontanen Übergriffen im
Gau Kurhessen in der Nacht vom 7. auf den 8. November) folgenden) Nacht vom 8.
auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche Reichsinnenminister Goebbels
während eines Kameradschaftsabends der nationalsozialistischen Parteiführer
im alten Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die Beschädigung jüdischer
Einrichtungen wegen der Tötung eines 29jährigen (homosexuellen?) deutschen
Legationssekretärs (Ernst vom Rath) durch einen 17jährigen Juden (Herschel
Grynspan, in Frankreich Mitte 1940 in den Händen der geheimen Staatspolizei,
Ende 1942 verliert sich die Spur) im Palis Beauharnais in Paris (aus
Verzweiflung über die Abschiebung von Eltern und Geschwistern aus Hannover nach
Polen im Oktober 1938) einleitet. Im Verlauf der R. werden etwa 177 Wohnhäuser,
1406 Synagogen zerstört, 7500 jüdische Geschäfte demoliert und (offiziell) 91 (bzw.
tatsächlich etwa 1400) Juden getötet (oder in den Tod getrieben) und kommen
anschließend 31000 jüdische Männer in Konzentrationslager. Eine einer
Besprechung im Reichsluftfahrtministerium (mit Göring, Goebbels, Frick und
Heydrich) folgende Verordnung vom 12. 11. 1938 verpflichtet die jüdischen
Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung und zu einer Sühneleistung von 1
Milliarde Reichsmark.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L.,
Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H.,
Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988;
Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997; Steinweis, A., Kristallnacht 1938, 2013;
Fuhrer, A., Herschel, 2013
Reichskrone →Krone
Reichsland Elsass-Lothringen
→Elsass, Lothringen
Reichslandfriede →Landfriede
Reichslandvogtei ist die von König Rudolf von Habsburg (1273-1291) eingerichtete
Verwaltungseinheit für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsass, Speyergau,
Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im Spätmittelalter in den Ländern auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die
Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im
Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg, Wiss. Beilage zum
Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg, 1906; Schreibmüller,
H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der
Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Reichslehen ist
das vom König des deutschen Reichs verliehene →Lehen. Durch die Annahme
des Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. 1804 bzw. durch das Ende des
Heiligen Römischen Reichs 1806 wird der
Reichslehensverband aufgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft
und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische Reich geführte →Matrikel (z. B.
Reichsheeresmatrikel von 1422). 1521 weist die R. 83 Reichsprälaten auf, 1992
40.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur
Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reichsheeresmatrikel1422.htm
Reichsmerkantilismus →Merkantilismus
Reichsministeriale →Reichsdienstmann
Lit.:
Segner, U., Die Anfänge der Reichministerialität, 1938; Bosl, K., Die
Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.
Reichsmünze →Münze
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Reichsnotariatsordnung →Notar
Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2.
9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung auf die süddeutschen Staaten
vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen →Bundesoberhandelsgericht
hervorgegangene oberste Gericht in Handelssachen des zweiten Deutschen Reichs
in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im →Reichsgericht auf.
Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und
spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001
Reichspfand →Pfand
Reichspolizeiordnung ist die für das Heilige Römische Reich geschaffene →Polizeiordnung (z. B. 1530,
1548, 1577).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L.,
Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reiches von
1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R. als Nachfolger des
Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934
übernimmt →Hitler seine Aufgaben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident,
hg. v. Kolb, E., 1997
Reichspublizistik ist das das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich betreffende politisch-juristische Schrifttum
(z. B. des →Manegold von Lautenbach, →Petrus Crassus, Deusdedit,
Anselm von Lucca, Bonizo von Sutri, →Petrus de Vinea, →Jordan von
Osnabrück, →Alexander von Roes, →Engelbert von Admont, Tolomeo von
Lucca, →Marsilius von Padua, →Wilhelm von Ockham, →Lupold von
Bebenburg, Konrad von →Megenberg, Nikolaus von →Kues oder →Peter
von Andlau im Mittelalter bzw. →Goldast, →Freher, Hermann
Vultejus, Gottfried Antonius, →Arumaeus, →Limnaeus, →Reinkingk,
→Althusius, →Conring, →Pufendorf, →Lünig, →Thomasius,
→Ludewig, →Gundling, →Mascov, Schmauß, →Pütter, →Wolff
oder →Moser) in der frühen Neuzeit.
Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts,
Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894,
Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil.
München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das
Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro
romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier,
K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975;
Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte
Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993
Reichsrat ist
ein Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich Kremsierer Entwurf, Märzverfassung
1849, kaiserliches Patent vom 13. 4. 1851, kaiserliches Patent vom 20. 8. 1851,
kaiserliches Patent vom 5. 3. 1860 verstärkter R. als Vorläufer des Parlaments →Oktoberdiplom
vom 20. 10. 1860, →Februarpatent vom 26. 2. 1861 (aufgelöst und durch
Staatsrat ersetzt, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus), →Dezemberverfassung
vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden R.)
bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8. 1919). Hier kann der R., in dem jedes
Land mindestens eine und →Preußen als vorherrschendes Land höchstens zwei
Fünftel aller Stimmen hat, gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom
Reichstag überstimmt werden kann. Dabei wird der R. zwischen 1919 und 1932 mit
mehr als 1280 Gesetzen befasst. Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im
Heiligen Römischen Reich ist R. das →Reichsregiment
von 1500 bzw. 1521.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232;
Baltl/Kocher; Samanek, V., Kronrat und Reichsherrschaft im 13. und 14.
Jahrhundert, 1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Lilla, J.,
Der Reichsrat, 2006
Reichsrecht ist
das ein →Reich betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem (möglicherweise
vorrangigen) Recht eines örtlich kleineren Gebiets (z. B. Landesrecht), zum
Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht (z. B. Völkerrecht).
Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.
Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L.,
Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner, H./Neubert, R., Das
neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts
im 16. Jahrhundert, (in) Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v.
Angermeier, H., 1983, 49; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum
Landesrecht, 2002
Reichsrechtsbuch →Mühlhausen
Reichsreform ist
(seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R.
sind →Reichskammergericht und →Reichskreise hervorzuheben. →Reformatio
Sigismundi
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die
Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und
Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und
Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und
Reichsreform 1438-1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410-1555, 1984;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007
Reichsregierung ist die Regierung eines Reiches, insbesondere die aus
Reichskanzler und Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des
zweiten Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
196, 230; Baltl/Kocher
Reichsregiment oder →Reichsrat ist im Heiligen römischen Reich 1500 (bis 1502) und 1521 (bis 1530 in Abwesenheit
Kaiser Karls V.) das dem Kaiser zur Seite gestellte, im Ergebnis aber
gescheiterte Reichsorgan der Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger
Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten
Nürnberger Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds
Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite
Reichsregiment, 1996
Reichsregister
Lit.: Das Reichsregister König
Albrechts II., bearb. v. Koller, H., 1955
Reichsritter ist
im Heiligen römischen Reich der dem
Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh.
(1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen
(Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die
Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den
Territorien hinnehmen. Der R. ist dem Kaiser unmittelbar unterstellt und
unterliegt keiner Landeshoheit. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals
freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichsritterschaft,
1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons Hegau-Allgäu-Bodensee, 1955;
Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederstand der fränkischen
Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft (FS Karl Bosl) 1969, 225;
Inventar des Archivs der niederrheinischen Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn,
G., 1971; Danner, W., Die Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau,
1971; Hellstern, D., Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim,
H. v., Des Heiligen römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken
Ort Steigerwald, 1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren
freien Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische
Ritterschaft, 1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs,
C., Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische
Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier
khein annder Haupt …, 2005; Puchta, M., Mediatisierung mit Haut und Haar, Leib
und Leben - Die Unterwerfung der Reichsritter durcfh Ansbach-Bayreuth
1792-1798, 2012
Reichsschluss (lat. conclusum [N.] imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den
Ergebnissen der Beratung der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des
Heiligen Römischen Reiches, der dem →Reichsabschied vorausgeht.
Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit
des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970
Reichssiegel ist
das vom Herrscher oder anderen Organen für das →Reich verwendete Siegel.
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse,
O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg,
F., Das Hofgerichtssiegel, 1979
Reichsstaatsrecht →Reichspublizistik, Staatsrecht
Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984
Reichsstadt ist
im Heiligen Römischen →Reich die
dem Reich bzw. Kaiser unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn
unterstehende →Stadt. Sie entsteht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s.
Die R. kann dauerhaft die Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte
an sich bringen. Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg,
Nürnberg, Speyer, Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die
zusammen (gefestigt seit 1648) den dritten →Reichsstand im Reichstag
bilden (schwäbische Städtebank mit Vorsitz Ulms, rheinische Städtebank mit
Vorsitz Kölns). In der frühen Neuzeit geht die Zahl zugunsten der
Territorialstaaten zurück (1792 51, davon 47 rechtsrheinisch). 1803 werden die
meisten (45) noch verbleibenden Reichsstädte mediatisiert (dabei 15 an Bayern,
9 an Württemberg, 7 an Baden). Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am
Main (bis 1866), Hamburg, Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und
Nürnberg (bis 1806), in der Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Hugo, G. W., Die Mediatisierung der deutschen
Reichsstädte, 1838; Hugo, G. W:, Das Gebiet der deutschen Reichsstädte, 1844;
Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage der Frei- und Reichsstädte, 1902;
Müller, K., Die oberschwäbischen Reichsstädte, 1912; Dannenbauer, H., Die
Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B.,
Reichsstadt und Reformation, 1962, neu hg. v. Kaufmann, T., 2011; Laufs, A.,
Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Landwehr, G., Die
Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Batori, J., Die
Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die oberschwäbischen Reichsstädte im
Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier, W., Stadt und Reichsfreiheit, 1972,
Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und westfälischer Friedenskongress,
1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche in der Wetterau, 1982; Schroeder,
K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Redies, R., Reichsstädte im
deutschen Südwesten, 2004; Krischer, A., Reichsstädte in der
Fürstengesellschaft, 2006; Das Ende der kleinen Reichsstädte 1803 im
süddeutschen Raum, hg. v. Müller, R. u. a., 2007
Reichsstand ist
im Heiligen Römischen Reich das auf dem
Reichstag vertretene Kollegium (Kurfürsten [1356],
[Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]).
Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 →Kurfürsten, 33
geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4
Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (→Reichsfürsten) und 2
Städtebänke (51 Mitglieder) (→Reichsstädte). Bis 1806 ist die Frage, wer
Reichsstandschaft erwerben kann, umstritten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser,
J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der
Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967;
Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände und
Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die
Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft,
1982; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1984; Krieger, K., König, Reich
und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a.,
1999; Ackermann, J., Verschuldung, Reichsdebitverwaltung, Mediatisierung,
2004
Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die
Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung
ernennt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher
Reichssteuer ist
die dem →Reich zustehende →Steuer. Im Heiligen römischen Reich ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern
einzuführen, erfolglos. Im zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881
(Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913
außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Umsatzsteuer, 1917
Beförderungsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und Reichsreformbestrebungen,
1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/3; Gerlot,
W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen Reichs, 1913; Bussi, E., Il
diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2 1959; Metz, W., Staufische
Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern, ZHF 2
(1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1
Reichsstift ist
das besondere →Stift des Reiches.
Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu
Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St.
Bartholomäus in Frankfurt, 1975
Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen
Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal
beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Strafgesetzbuch des
Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
181
Reichsstraße ist
die mit dem Reich besonders verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende →Straße.
Aus ihr entwickelt sich (in der Bundesrepublik Deutschland 1949) die
Bundesstraße.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und
Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der
alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958
Reichssynode ist
eine die Geistlichkeit des →Reichs erfassende →Synode.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Reichstag ist
das (irgendwie) die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung
mitwirkende Kollegialorgan des Reiches. Der R. des Heiligen römischen Reichs entwickelt sich aus der Einladung des Königs
zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reiches an seinen Hof (Reichsversammlung
[814-839 61, meist im Februar, Mai, Juni, August, September, Oktober, oft als
lat. conventus oder placitum bezeichnet, meist zwischen Maas und Rhein, Dauer
unterschiedlich, kein Forum der Repräsentation im modernen Sinne], Hoftag).
Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln
(zwischen 1349 und 1471 80 Reichsversammlungen, durchschnittlich im Abstand von
1,5 Jahren). Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh.
gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kommen
später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende
Entwicklung zu einem aus drei →Reichsständen gebildeten R. abgeschlossen
und die Teilhabe an der Leitung des Reiches bis zu dessen Ende gesichert. Als
bekannte Hoftage bzw. (ab 1470/1480) Reichstage werden dabei im Übrigen (innerhalb
der etwa 40-45 Reichstage bis 1663) hervorgehoben die Hoftage bzw. Reichstage
von (Aachen [802/3],) Augsburg (1529), (Frankfurt am Main ([1442]), Freiburg im
Breisgau (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],)
Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 [ohne formellen Beschluss)] Gesandtenkongress
als immerwährender R.), (Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms ([1231,]
1495, 1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist demgegenüber der R. in der
Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und
Volkshaus zusammengesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. In
Österreich erscheint ein aus Senat und Abgeordnetenkammer bestehender R. in der
Aprilverfassung des Innenministers →Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860
Reichsrat). Am 22. 7. 1848 wird auf Grund dieser Verfassung in Wien ein aus
einer gewählten Kammer bestehender R. eröffnet, der am 22. 10. 1848 nach
Kremsier verlegt und durch kaiserliches Manifest am 4. 3. 1849 aufgelöst wird.
Der in der Verfassung vom März 1849 vorgesehene R. wird nicht einberufen. 1860/1861
wird statt des Reichstags ein Reichsrat festgelegt. Im Norddeutschen Bund
(1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und
Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch Mehrheitswahlrecht bestimmte
Volksvertretung, die an der Gesetzgebung entscheidend mitwirkt. Am 28. 10.
1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen des Reichstags abhängig. 1933
überträgt das Ermächtigungsgesetz das Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf
die Reichsregierung, woraufhin bis 1945 985 Regierungsgesetze und nur noch 8
Reichstagsgesetze (1933 1, 1934 1, 1935 3, 1937 1, 1939 2, Reichsgesetzblatt
dieses Jahres mit Umfang von 2509 Seiten) verabschiedet werden. Am 27. 2. 1933
steckt wohl der niederländische Kommunist Marinus van der Lubbe (1909-1934)
das Gebäude des deutschen Reichstags in Brand.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230; Baltl/Kocher;
Deutsche Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages,
1871ff.; Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905;
Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann, R., Zur
Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die
soziologische Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933;
Stoltenberg, G., Der deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und
16. Jahrhunderts, 1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages
1530, hg. v. Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im
ostfränkischen Reich 840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der
Reichstag von 1871 bis 1933, 1962; Fürnrohr, W., Der immerwährende Reichstag zu
Regensburg, 1963, 2. A. 1987; Schwarz, M., Mitglieder des Reichstages, 1965;
Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Becker, H., Der Speyerer
Reichstag von 1570, 1969; Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars
Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971;
Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R.,
Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Wien 1974; Stürmer, M., Regierung
und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf um die Freistellung auf den
Reichstagen, 1975; Brandt, D., Die politischen Parteien, 1975; Rauh, M., Die
Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus, H., Reichstag und
Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P.,
Versuch über die Entstehung des Reichstages, (in) Politische Ordnung und
soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Aulinger, R., Das
Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980; Der Reichstag, 1981; Neuhaus,
H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Regierung,
Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und
Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag
des Norddeutschen Bundes 1867-1870, bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466
Parlamentarier); Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags,
1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf dem Weg zum
Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Hof,
Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der Reichstag,
1995; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger, C.,
Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand,
2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur
in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg.
v. Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J., 2004; Annas, G.,
Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Cullen, M., Der Reichstag, 2005;
Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, bearb. v. Reibel, C., 2007; Eichler,
D., Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen, 2007;
Kellerhoff, S., Der Reichstagsbrand, 2008; Biefang, A., Die andere Seite der
Macht - Reichstag und Öffentlichkeit im System Bismarck, 2009
Reichstagsakten sind die in der Arbeit des →Reichstags des Heiligen
römischen Reiches entstandenen, seit 1857 zur Veröffentlichung vorbereiteten
Akten (zwischen 1376 und 1662).
Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff.
1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff.
1972ff.; Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck
1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966
Reichstagsbrand ist der wohl von (dem niederländischen Kommunisten van der
Lubbe als) einem Einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen Reichstages
in Berlin am 27. 2. 1933, als dessen Folge von (Adolf →Hitler bzw.) dem
Reichspräsidenten Hindenburg am 28. 2. 1933 durch Notverordnung zum Schutz von
Volk und Staat zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand,
Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351
Reichsteilung ist die Aufteilung eines →Reiches. Im August 843 teilen die Söhne
Lothar, Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun
das Reich, woraus sich ungeplant (ab 887) die Entwicklung zu →Deutschland
und →Frankreich ergibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und
Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer,
T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrags
von Verdun, DA 12 (1956), 313
Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht durch einen anderen
(Landesherrn) vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen
römischen Reich . Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471
sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken
dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landesherrn von seinen Untertanen
einzuheben ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die R. im Einzelfall
festzulegen. R. haben →Kurfürsten, →Reichsfürsten, Reichsgrafen, →Reichsstädte,
→Reichsritter und →Reichsdörfer. Persönliche R. kommt
Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren und Domkapiteln während
der Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer Familien zu. Die R. endet
1806.
Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen
Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in
den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der
500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002
Reichsurteil →Reichsweistum
Reichsverfassung ist die Grundordnung eines →Reiches bzw. die
formelle Verfassung eines Reiches seit dem 19. Jh. (z. B. 27. 3. 1849, 16. 4.
1871). →Heiliges Römisches Reich, Deutsches Reich, Österreich, Kaiser, Reichstag
Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs,
1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung,
1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v.
Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914;
Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929; Stengel, E., Die Quaternionen
der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957), 256; Dürig, G./Rudolf, W.,
Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des
Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker,
W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der Reichsverfassung,
1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Grimm, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K., Einführung in die jüngere
deutsche Verfassungsgeschichte, 1988; Buschmann, A., Reichsgrundgesetze und
Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches, FS H. Baltl 1998, 21;
Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Immel, J., Hugo Preuß und
die Weimarer Reichsverfassung, 2002
Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der →Sozialversicherung im
zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit
ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg.
v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des
Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens
der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband,
1984
Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deutschen
Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Unfallversicherung) und
22. 6. 1889 (Altersversicherung und Invalidenversicherung) zusammenfassende
Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s abschnittsweise vom →Sozialgesetzbuch
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother, K., Die
Reichsversicherungsordnung 1911, 1994
Reichsverwaltung
Lit.: Spangenberg, H.,
Die Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung,
ZRG GA 46 (1926), 231
Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3.
4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht
Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Österreichs], Reichsdienststrafhof u. a.) ohne
Zuständigkeitsveränderungen geschaffene oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit
im Deutschen Reich. Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht.
1945 (bzw. formell am 10. 10. 1946) wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm
das →Bundesverwaltungsgericht.
Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht,
Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches
Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur.
Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991
Reichsverweser ist der Verwalter eines →Reiches (z. B. Dänemark
1023/1024, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623
Reichsvikar ist
der Verwalter eines →Reiches. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer
festen Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des
neuen Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/1281 Pfalzgraf bei Rhein, 1356
auch der Herzog von Sachsen). Grundsätzlich muss der neue Herrscher alle
Handlungen des Reichsvikars bestätigen.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das
Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat
in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus
controversia, 2004
Reichsvogt ist
der vom →Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte →Vogt
(z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar).
Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil.
Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D.,
Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976
Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des Heiligen römischen Reiches ,
deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel, Chur).
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967
Reichswald ist
der seit dem Mittelalter dem →Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich,
Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsass, Kaiserslautern, Nürnberg).
Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft
Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H.,
Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978
Reichswappen ist
das Wappen eines →Reiches. Im 12. Jh. erscheint der →Adler im
Wappen des Kaisers des Heiligen römischen Reiches. Am Ende des 13. Jh.s zeigt
das vom Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im
goldenen Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die
Bundesversammlung den schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche
Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.
Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil.
Göttingen, 2. A. 1976
Reichswehr ist
die Bezeichnung des durch den Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann
beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reiches (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis
zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. 3. 1935.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T.,
Die Reichswehr und die Politik, 1959
Reichsweistum ist die von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig gegebene
Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist
zweifelhaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae
regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Reichswirtschaftsgericht ist die 1919 aus dem 1915 geschaffenen Reichsschiedsgericht
für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht umgewandelte Behörde.
1941 geht das R. im →Reichsverwaltungsgericht auf.
Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940; Klinger,
H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, (in) Staatsbürger und
Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103
Reichszivilprozessordnung →Zivilprozessordnung
Reims an
der Vesle, aus dem römischen Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit
290 Bistum, seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als
Krönungsort des französischen Königs. Seit dem Hochmittelalter tritt es als
Machtmittelpunkt hinter →Paris zurück. Seit 1969 ist R. Sitz einer
Universität.
Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen
Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevêque de
Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R.,
Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981
Reimvorrede ist
eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels).
Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A.,
Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984
Reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen Grundlage der neukantianischen
Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans →Kelsen (1881-1973) bis 1934
entwickelte, alle nichtrechtlichen Elemente, insbesondere die politische
Ideologie ausscheidende Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen Erzeugungszusammenhang
von Rechtsnormen dar, der sich letztlich auf eine hypothetische Grundnorm
zurückführen lässt. Diese nicht gesetzte, aber vorausgesetzte hypothetische
Grundnorm hat rechtserzeugenden Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des
Rechtserzeugungsvorgangs nur rechtsanwendenden Charakter. Adolf J. Merkl
überträgt die von Kelsen für das Verfassungsrecht entwickelte Vorstellung auf
das Verwaltungsrecht, Alfred Verdross auf das Völkerrecht.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960;
Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen
Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und
Demokratie bei Hans Kelsen, 1984
Reinhart Fuchs
ist die nach 1192 von einem elsässischen Dichter geschaffene, das Verfahren
des ausgehenden 12. Jh.s volkssprachig darstellende Dichtung.
Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel,
K., 1984
Reinigungseid ist der Eid des Beschuldigten, mit dem er (allein oder mit Eidhelfern) seine
Unschuld erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet mit
dem 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der Reinigungseid
bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E., Einführung in
die Geschichte der Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Fiori, A., Il
giuramento di innocenza nel processo canonico medievale, 2013
Reinkingk (Reinking),
Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3. 1590-Glückstadt 15. 12. 1664),
Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und
Gießen (Antonius) 1617 außerordentlicher Professor in Gießen, 1618 Hofrat,
1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in
Schleswig und Holstein). Sein 1619 erschienenes kaiserfreundliches Hauptwerk
(lat. Tractatus [M.] de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über
weltliche und kirchliche Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird
damit seit 1648 der Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.
Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977,
2. A. 1987, 3. A. 1995
reipersekutorisch (sachverfolgend)
Lit.: Köbler, DRG 19
reipus (lat.-afrk.
[M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819
Reise ist die Fortbewegung eines Menschen an einen
anderen Ort außerhalb des Wirtschaftsverkehrs.
Lit.: Drabek, A., Reisen und
Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter, 1964; Hans
Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach Konstantinopel und Kleinasien (1553/55),
1923, hg. v. Babinger, F. 1923, Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986; Paravicini, W.,
Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1989; Unravelling Civilisation –
European Travel and Travel Writing, hg. v. Schulze-Forberg, H., 2005; Prein,
P., Bürgerliches Reisen im 19. Jahrhundert, 2005; Quellen zur Geschichte des
Reisens im Spätmittelalter, hg. v. Reichert, F., 2009 (37 Dokumente)
Rei vindicatio
(lat. [F.]) ist die Herausgabeklage des Eigentümers des klassischen
römischen Rechtes, bei welcher der nichtbesitzende (zivile) Eigentümer dem
besitzenden Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht, wobei neben der
Herausgabe (Restitution) der Sache auch Sachschäden, Früchte und Aufwendungen
zu beachten sind. Aus der r. v. entwickelt sich im Hochmittelalter auch die
zeitweise bedeutsame Unterscheidung von →Obereigentum und Untereigentum.
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81
II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307; Pennitz, M., Der
„Enteignungsfall“ im römischen Recht, 1991; Wimmer, M., Besitz und Haftung des
Vindikationsbeklagten, 1996
Rekkesvind (Reccesvinth)
ist der für die Fortbildung der (lat.) →Lex (F.) Visigothorum
bedeutsame westgotische König (653-672).
Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de
España Visigoda, 1989
Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim fränkischen König
Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J.,
Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981
Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins
Rektor ist
der Leiter, insbesondere der Leiter einer Universität.
Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992
Rekuperator →(lat.)
recuperator (M.)
Relation (lat.
[F.] relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten Prozessrecht
kommend in der Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R.
besteht im Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der unstreitigen Tatsachen,
der Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Entscheidungsvorschlag.
Für die Besetzung von Stellen am Reichskammergericht wird 1570, für die
Besetzung einer Oberratsstelle in Württemberg wenig später die Erstellung einer
Proberelation vorgesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren
bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der
zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Flasch,
K., Das philosophische Denken, 1986
relativ (verhältnismäßig)
z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit
Religion ist
das Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in
ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen angelehnten, durch
menschenähnliche Züge gekennzeichneten Göttern, die an unterschiedlichen Orten
verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im römischen Weltreich die
von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete christliche, auf einen
einzigen, Gerechtigkeit verwirklichenden Gott ausgerichtete R. aus, die zur
Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen übergreift.
Zwischen der Taufe Chlodwigs (zwischen 497 und 507) und der Salbung Pippins des
Jüngeren zum König (751) erlangt die christliche R. im Frankenreich eine
beherrschende Stellung. Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das
hergebrachte Recht. Seit dem Hochmittelalter wird abstrakt auch in weltlicher
Sicht das (angeblich gute, alte) →Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der
Reformation Martin →Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an
der selbverständlichen Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet
sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der
Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (→Kulturkampf) und die
Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt
die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft vor.
Lit.: Maass, G., Der Einfluss der Religion auf das Recht
und den Staat, 1886, Neudruck 2011; Groenbech, W., Kultur und Religion der
Germanen, 9. A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die
Religionen der Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S.,
Recht, Religion und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992,
2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse am
Reichskammergericht, 1996; Kippenberg, H., Die Entdeckung der Religionsgeschichte,
1997; Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz, H. u. a., 4. A. Bd.
1f. 1998ff.; Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd.
1ff. 1999ff. (z. B. Bd. 4 2012); Küng, H., Die Weltreligionen auf dem Weg,
1999; Zwischen Krise und Alltag, hg. v. Batsch, C. u. a., 1999; Metzler Lexikon
Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und
Gesellschaft in Europa, 2000; Feil, E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H.,
Grundzüge antiker Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer,
2001; Religion in den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W.,
2001; Elsas, C., Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der
Geschichte der Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts,
2002; Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg,
H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste,
J., Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten
Europa, hg. v. Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003;
Heinig, H., Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; Angenendt,
A., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr
der Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der
Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen
und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion
und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004;
Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004; Antes, P., Grundriss
der Religionsgeschichte, 2006; Religiöse Prägung und politische Ordnung in der
Neuzeit, hg. v. Löffler, B./Ruppert, K., 2006; Rüpke, J., Historische
Religionswissenschaft, 2007; Religiöse Bewegungen im Mittelalter, hg. v. Bünz,
E. u. a., 2007; Die Religion des Imperium Romanum, hg. v. Cancik, H. u. a.,
2008; Römische Religion im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Medien
religiöser Kommunikation im imperium Romanum, hg. v. Schörner, G. u. a., 2008; Recht
und Religion, hg. v. Barta, H., 2008; Imperium et comitatus - Das Reich und die
Religion, hg. v. Nitschke, P. u. a., 2009; Römische Religion im historischen Wandel,
hg. v. Bendlin, A. u. a., 2009; Mahlstedt, I., Rätselhafte Religionen der
Vorzeit, 2010; Rüpke, J., Von Jupiter zu Christus, 2010; Zinser, H.,
Grundfragen der Religionswissenschaft, 2010; Hannig, N., Die Religion der
Öffentlichkeit, 2010; Hamm, B., Religiosität im späten Mittelalter, 2011; Law
and Religion in the Roman Republic, hg. v. Tellegen-Couperus, O., 2012;
Religion and Law in Classical and Christian Rome, hg v. Ando, C. u. a., 2012;
Göttlicher Zorn und menschliches Maß, hg. v. Kästner, A. u. a., 2013; Linke,
B., Antike Religion, 2013; Imperium der Götter - Isis - Mithras - Jesus, 2013
Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R.
entwickelt sich seit der →Reformation Martin →Luthers. 1526, 1552
bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das
reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen
Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818 Bayern, 1818 Baden,
1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918
die R. ein Recht des Einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die
Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R.
(Bekenntnisfreiheit, Kultusfreiheit, religiöse Vereinigungsfreiheit).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H., Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit,
1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007; Kaupisch, J.,
Das Grundrecht der Religionsfreiheit in seiner historischen Entwicklung, 2008;
Schachtschneider, K. u. a., Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam,
2010; Heimbach-Steins, M., Religionsfreiheit, 2011
Religionsfriede ist der zur Beendigung eines Religionskriegs vereinbarte
Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555).
Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe,
H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976; Der
Augsburger Religionsfriede, hg. v. Wüst, W. u. a., 2005; Wolgast, E.,
Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, HZ 282 (2006), 59;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007
Religionsgemeinschaft ist die Gemeinschaft der Anhänger einer Religion zu deren Ausübung unabhängig
von einer besonderen öffentlichrechtlichen Stellung.
Religionskrieg ist der wegen der →Religion geführte →Krieg (z.
B. 1419-1436 Hussitenkriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger
Krieg 1618-48).
Lit.: Köbler, DRG 95, 130; Religionskriege im alten Reich
und in Alteuropa, hg. v. Brendle, F. u. a., 2006
Religionsmündigkeit ist die →Mündigkeit in Religionsangelegenheiten.
Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das
Kind mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen
Zeiten gegen die jeweilige →Religion gerichtete, mit einer Strafe
verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941
Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten.
Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig.
Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer
Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der
Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen
Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die
Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des
Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis
1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine
1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach
beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12. Lebensjahrs
das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen
werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahrs das Kind über seine
Religion selbst bestimmen kann.
Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888;
Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss. jur.
Zürich 1920; Pfordten, v. d. T., Gesetz über die religiöse Kindererziehung,
1922; Kammerloher-Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse
Kindererziehung, 1999
Reliquie ist
in der christlichen →Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen
(z. B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh.
in der westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B.
Heroenverehrung in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große
Bedeutung. In der Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi,
Grabtuch Christi u. a.), weil sie zu oft von heuchlerischen Geschäftemachern
zu Lasten der gutgläubigen Armen und Schwachen zu Wallfahrtsrummeln (z. B.
Georgenberg) missbraucht wird.
Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.;
Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des
christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994; Mayr,
M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v. Mayr, M.,
2001
Remissorium (N.)
ist das knappe, alphabetisch geordnete Nachschlagwerk (Inhaltsverzeichnis) des
15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von
1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von
Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R.
(lat. [F.] Summa totius Brodii (Summe des ganzen Brodius) oder das R. zum
Meißener Rechtsbuch).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 78
Renaissance (Wiedergeburt)
ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der
Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R.
wird für die Zeit Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für
die Zeit der Staufer.
Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; hg. v. Günther, H., 1989; Andersen,
E., The Renaissance of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die
Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969,
1981; Burke, P., Die Renaissance in Italien, 1984; Lexikon der Renaissance, hg.
v. Gurst, G. u. a., 1989; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale,
1992; Maclean, I., Interpretation and meaning in the renaissance, 1992; Hale,
J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v. Kuester, E.,
1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996; Burke, B., Die
europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance und ihre Antike, hg. v. Rudolph,
E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt,
V., Die Renaissance in Italien, 2002; Das Zeitalter der Renaissance, hg. v.
Carbonell, C. u. a., 2003; The Renaissance, hg. v. Martin, J., 2003; Burke, P.,
Die europäische Renaissance, 2005; Günther, H., Was ist Renaissance?, 2009
Rendsburg
Lit.: Kaack, H., Die
Ratsverfassung und –verwaltung der Stadt Rendsburg, 1976
Renner,
Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31. 12. 1950),
Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und sozialdemokratischer/austromarxistischer
Politiker (1907 Abgeordneter), von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der
Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler,
Schöpfer der provisorischen Verfassung, Unterzeichner des Friedensvertrags von
Saint Germain, Initiator des Habsburgergesetzes) und von 1931 bis 1933
Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den →Anschluss
an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer provisorischen Regierung
die Wiederherstellung (Unabhängigkeitserklärung) der Republik Österreich,
deren Präsident er von 1945 bis 1950 wird.
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe
aus Saint Germain, 1991
renovatio (lat.
[F.]) Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum],
Erneuerung des römischen Reiches im Mittelalter [vom Papst als eine von ihm -
nicht zwingend dem deutschen König - zu übertragende Aufgabe angesehen)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und
Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990
Rente (Wort 1220) ist das auf Vermögen, Versicherungsanspruch oder
Versorgungsanspruch beruhende Einkommen. Die privatrechtliche R. entsteht
im Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Rentenschuldner auf eine
gewisse Dauer regelmäßige Leistungen an den Rentengläubiger zu erbringen sind.
Diese Vereinbarung wird vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme
(Kapital) geschlossen und ersetzt bis zur Aufhebung des kanonischen
Zinsverbots das verbotene verzinsliche →Darlehen. Sie kann als
Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger
Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der
Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer angelegten,
nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflichtung und der zum jeweiligen
Fälligkeitszeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelverpflichtung zu
unterscheiden. Die Einzelverpflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung
lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser privatrechtlichen R. ist die →Leibrente.
Die →Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z. B. Verzug,
Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem Vordringen
des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die privatrechtliche R. seit
dem 18. Jh. zurück. Die sozialversicherungsrechtliche R. entsteht seit 1881
(Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung) als öffentlichrechtlicher
Anspruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen den Sozialversicherungsträger
im Sozialversicherungsfall (Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter).
Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135;
Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das
zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt
von 1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961;
Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg. v. Fisch, S. u. a., 2000;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Noll, D., Ohne Hoffnung im Alter jemals nur einen Pfennig Rente zu
erhalten, 2010; Zuijderduijn, C., Medieval Capital Markets, 2009
Rentenbank ist
das im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche Kreditinstitut, das den von
grundherrschaftlichen →Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die
Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche
Darlehen ermöglicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
174
Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf
Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom Haupthof
gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
96
Rentenkauf ist
das der Begründung der privatrechtlichen →Rente durch Hingabe einer
Geldsumme („Kauf“) dienende, seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft.
R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden
Rente.
Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125;
Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883),
130; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der
Rentenkauf in Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim
Rentenkauf, ZRG GA 57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im
mittelalterlichen Köln, Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und
Funktion der Hamburger Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker
Renten- und Immobilienmarkt, 1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975;
Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229
Rentenschuld (1895) ist die im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld,
dass in regelmäßig wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus
dem Grundstück zu zahlen ist.
Lit.: Köbler, DRG 213; Hensel, R., Jurisprudenz und
Nationalökonomie, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Rentenwirtschaft →Rentengrundherrschaft
Renuntiation ist
der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh.
erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf →Einreden
des römischen Rechtes (z. B. Arglisteinrede, Nichtzahlungseinrede) verzichtet
wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass der Verzicht
auf Rechte als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht bekannt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und
Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211
Reparation (F.)
Kriegsschadensersatzleistung
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Liesem, K., Die Reparationsverpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter besonderer
Berücksichtigung der Zwangsarbeiterentschädigung, 2005
repetundae (lat.
[F.Pl.]) bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes
Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34
replicatio (lat.
[F.]) Gegenrede (z. B. des Klägers im [lat.] iudicium stricti
iuris, dass eine [lat.] exceptio des Beklagten wegen einer Vereinbarung oder
wegen Arglist des Beklagten oder wegen Verkaufs und Übergabe einer Sache nicht
berücksichtigt werden darf)
Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11
Replik (zu
lat. [F.] replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine
prozesshindernde Einrede des Beklagten im Zivilverfahren vor dem →Reichskammergericht
(Kameralprozess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit
der Klage.
Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981, 162
Report (M bzw. N.) nichtamtliche Aufzeichung von
Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in Westminster durch
junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536
Lit.: Year Books (Edwards II.
1307-1327), Bd. 1ff. 1903ff.
Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf
kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes
in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst
und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen
aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen
Reichs erst spät als R. des Volkes
angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den
König und R. durch die beiden Kammern des Parlaments. In Frankreich tritt die
R. der Nationalversammlung 1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den
König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig.
Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im
Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und
Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions,
1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998, 4. unv. A. 2003; Bosl, K.,
Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und
Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische
Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das Repräsentativsystem,
1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M., Zeremonialwissenschaft
im Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a.,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000; Dillinger, J., Die politische
Repräsentation der Landbevölkerung, 2008; Repräsentation im Wandel, hg. v.
Wiese, W. u. a., 2008; Brunhöber, B., Die Erfindung „demokratischer
Repräsentation“ in den Federalist Papers, 2010
Repräsentationsrecht (N.) Eintrittsrecht
repräsentativ (Adj.) würdig, typisch, stellvertretend, Repräsentation betreffend
Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen
wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete Vertretungskörperschaft
ermöglichende politische System. Vom R. wird in den (flächenmäßig sehr großen
und verkehrsmäßig schlecht erschlossenen) Vereinigten Staaten von Amerika
seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der
Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird zumeist durch ein periodisch gewähltes
→Parlament verwirklicht (mittelbare Demokratie), das danach andere
Staatsorgane bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der
Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme,
J., Das Repräsentativsystem, 1988
Repressalie ist
die Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen,
auf die Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands gerichteten
Maßnahme. Die R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem
Spätmittelalter juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius).
Das 19. Jh. schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser
Seerechtsdeklaration von 1856 ein.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners
für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F.,
Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954
masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Republik (lat.
res [F.] publica, öffentliche Sache oder Angelegenheit) ist im römischen
Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem Nutzen. Bereits das
Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform enger kennzeichnenden,
der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero). Dieser wird im
Hochmittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von →Machiavelli
(1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt (allgemeiner noch Bodin 1576).
Mit dieser Staatsform verknüpft →Montesquieu wiederum Gemeinsinn,
Vaterlandsliebe und Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R.
folgen nach dem gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und
Österreich 1918. Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt
als weniger bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch
eine Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch
keineswegs Rechtsstaatlichkeit (→Deutsche Demokratische Republik).
Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K.,
Krise und Untergang der römischen Republik, 1979, 5. A. 2007, 6. A. 2008, 7.
unv. A. 2010; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7. A. 1995;
Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel,
H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the Modern
Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J., Geschichte der römischen
Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken seit dem 18. Jahrhundert,
hg. v. Reinalter, H., 2000; Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer Republik,
2004; Buchheim, H., Der neuzeitlice republikanische Staat, 2013
Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer →Republik gegen
antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von Richtern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische
Richterbund (1912-1933), 1982
Republikanischer Schutzbund ist der 1923 als Gegenbewegung zu den konservativen Heimwehren
gegründete, 1928 etwa 80000 Mitglieder zählende, am 30./31. 3. 1933 durch die
Regierung Dollfuß aufgelöste und nach dem Februar 1934 zerschlagene paramilitärische
Wehrverband der sozialdemokratischen Partei Österreichs.
Lit.:
Gieler, Die Wehrverbände in der ersten Republik, 1965
repudium (lat.
[N.]) Verstoßung (der Ehefrau)
Lit.: Kaser § 58 VII 2a
Res (lat. [F.])
ist im römischen Recht der Gegenstand bzw. das Rechtsobjekt (einschließlich der
Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen) bzw. das gesamte
Vermögen (z. B. Erbschaft). Dementsprechend gibt es eine (lat.) res corporalis
(körperlicher Gegenstand) und eine (lat.) res incorporalis (unkörperlicher
Gegenstand). Eigentum ist nur an körperlichen res (Gegenständen [und Sklaven])
möglich. Der römische Begriff der r. corporalis ist wohl unter dem Einfluss
Savignys (Das Recht des Besitzes, 1803) in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) aufgenommen, der weite, auch Unkörperliches einschließende res-Begriff
in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und grundsätzlich das allgemeine
bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811, § 285). Die res kann außerhalb des
Privatrechtsverkehrs stehen (z. B. Luft, Meer, Tempel), kann res mancipi oder
res nec mancipi, res mobilis (beweglich) oder res immobilis (unbeweglich),
verbrauchbar oder unverbrauchbar, vertretbar oder unvertretbar, teilbar oder
unteilbar oder herrenlos sein.
Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30, 39; Köbler, LAW;
Holthöfer, E., Sachteil und Sachzubehör im römischen und gemeinen Recht, 1972;
Rüfner, T., Vertretbare Sachen? 2000
Res (F.) communis omnium (lat.) ist im römischen Recht die allen gemeinsame Sache
(z. B. Luft, Regenwasser, Meer).
Lit.: Kaser § 18 I 2b
Res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache (z. B. Buch) im Gegensatz zum
unkörperlichen Gegenstand (lat. res incorporalis bei Gaius)
Lit.: Kaser § 19 I 1
Res (F.Pl.) cottidianae (lat.) ist eine von →Gaius (um 160 n. Chr.)
geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius entstandene römischrechtliche
Schrift, aus der Bruchstücke in den Digesten überliefert sind.
Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
Res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des
römischen Rechtes (z. B. Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) extra commercium (lat.) (Sache außerhalb des Rechtsverkehrs) ist im
römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. [lat.] res divini
iuris (Sache göttlichen Rechtes wie Tempel), res communis omnium (gemeinsame
Sache aller wie Luft, Meer), res publica (öffentliche Sache wie Straße,
Wasserleitung).
Lit.: Kaser § 18 I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G., The
sale of the res extra commercium, ZRG RA 112 (1995), 330
res (F.) incorporalis unkörperliche Sache (z. B. Recht, Erbschaft →Gaius
res (F.) iudicata (lat.) ausgeurteilte Sache, entschiedener Rechtsstreit
Lit.: Kaser § 84 II 1
Res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen Recht die (in der
Spätantike aufgegebene) handhabbare Sache (italisches Grundstück, Sklave,
Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut [iter, actus, via, aquaeductus, Weg,
Trift, Fahrweg, Wasserleitung]). Nur für die r. m. ist die (lat. [F.])
→mancipatio (Handgreifung, Übertragung im Verfahren der Handgreifung)
möglich. Formlose Übergabe (lat. [F.] traditio) begründet nur bonitarisches
Eigentum.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II 2b; Söllner §§ 8, 9,
12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60
Res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht →res
mancipi ist. Sie wird durch (lat. [F.])
→traditio (Übergabe) erworben.
Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24,
39, 60
res (F.) nullius (lat.) herrenlose Sache (z. B. wildes Tier in Freiheit [bis etwa 1985],
derelinquierte Sache
Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland,
an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann.
Lit.: Kaser § 30 I 2
Res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und
die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B. Straße, Fluss,
Wasserleitung). →Republik
Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c
Res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die in gewisser Weise
nichtprivatrechtsfähige Grabstätte.
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) sacra
(lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B.
Tempel). Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem
Gebrauch verwendet werden.
Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274
Res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die unter göttlichem Schutz stehende
weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Rescriptum (lat.
[N.]) ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des
Prinzeps auf eine Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt.
Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31
reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. →Mentalreservation
Lit.: Kaser § 8 III
Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen römischen Reiches vorbehaltene
Recht.
Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen
Reservatrechte, 1958
Reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche Vorbehalt, dass bei einem
Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der frühen Neuzeit der
Grundsatz (lat.) →cuius regio, eius religio (Wessen Gebiet, dessen
Religion) nicht gilt.
Lit.: Köbler, DRG 130
Residenz (F.)
Wohnort, Hauptstadt
Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992; Südwestdeutsche
Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press, V., 1992; Höfe
und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003;
Spätmittelalterliche Residenzbildung in geistlichen Territorien, hg. v.
Neitmann, K. u. a., 2009
Reskript (zu
lat. [N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage
enthaltende Schreiben des römischen Kaisers (in einem Einzelfall). Es wird im
5. Jh. vom Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen
Recht wird das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B.
Reskriptprozess vor dem Reichshofrat).
Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15; Gaudemet, J., La formation
du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181
Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände
als Gesellschaftsregeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R.
als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in
den Niederlanden (→Zuchthaus) von Franz von →Liszt im Marburger
Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt
sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu
können.
Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H./Jerouschek, G.,
Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Respondierjurist ist im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht,
auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.]
responsum) zu geben (lat. ius [N.] respondendi), hervorgehobene Rechtskundige.
Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
responsum (lat. [N.]) Antwort, Gutachten
Ressort (N.)
Arbeitsgebiet, Zuständigkeitsbereich
Lit.:
Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953
Restauration (F.)
Wiederherstellung eines früheren Zustands (z. B. des klassischen römischen
Rechtes durch Justinian, älterer politischer Zustände in England 1660-1688,
Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-1848)
Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A.
1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955;
Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und Frühliberalismus,
hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg.
v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt,
H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001; Konservierungswissenschaften
und Restaurierung heute, hg. v. Krist, G. u. a., 2010
restituere (lat.)
einen Zustand herstellen oder wiederherstellen
Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV, 50 II 6; Köbler, DRG
42
Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor
in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung des früheren Zustands (z. B.
nach einem Betrug, bei Zwang oder geringem Alter). Um eine Verurteilung zu
vermeiden, muss der Beklagte den früheren Zustand wiederherstellen. Verfahrensmäßig
betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die
Wiederaufnahme des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Kupisch, B., Restitutio in
integrum und vindicatio utilis bei EIgentumsübertragungen, 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420
Restitution (F.) Wiederherstellung, Rückerstattung
Lit.: Nufer, G., Über die
Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau (um 1969); Fritscher, O.,
Kontroversen um den „Mauerbaqch-Schatz“, 2012; Jansen,
N., Theologie, Philosophie und Jurisprudenz in der spätscholastischen Lehre
von der Restitution, 2013
Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der
die Rückerstattung bestimmter an Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648
aber zugunsten des Besitzstands vom 1. 1. 1624 (→Normaljahr) aufgegeben
werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und
Kirchengüter).
Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss. jur.
Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997
retentio (lat.
[F.]) Zurückbehaltung
Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59
Retraktrecht →Näherrecht
Reugeld (1766) ist die vereinbarte Geldleistung,
von deren Bewirkung die Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein
kann.
Lit.: Hübner; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Reunion ist
die Wiederangliederung eines verlorenen Gebiets (z. B. Frankreichs 1679-1686).
Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil.
Mainz 1961
Reuß ist
die nach Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, † 1292/1294) benannte Grafschaft im
Heiligen römischen Reich und ein
Mitglied des Deutschen Bundes. R. geht am 1. 5. 1920 in →Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die
Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952; Rheinbündischer
Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Reutlingen
Lit.: Jäger, W., Die freie
Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G., Die freie Reichsstadt Reutlingen,
Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die Anfänge der Stadt Reutlingen, 1961
Reval ist
Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit
1512 als Reichsfürst des Heiligen römischen Reichs gilt. 1230 entsteht R. als
deutsche Stadt, die 1226 rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird
R. (estnisch Tallinn „Dänenburg“) Hauptstadt der Republik →Estland. Das
lübische Recht gilt bis zur Annexion Estlands durch die Sowjetunion (1944).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler
Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus Revaler
Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v. Ebel,
W., 1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f. 1966ff.;
Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a., Deutsch und
Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973; Reval und
die baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval,
1991; Brüggemann, K., Tallinn, 2011; Kämpf, T., Das Revaler Ratsurteilsbuch,
2012; Niemsch, T., Reval im 16. Jahrhundert, 2013
Reversalie (F.)
Wechselseitigkeitszusage
Revigny →Jacobus
de Ravanis
Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wiedergeltendmachung
Revision ist
das →Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht.
Die R. ist vermutlich der römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad
imperatorem (Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichskammergericht
die Visitationskommission zuständig, die ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen)
aber nicht ausführt. Gleichwohl wird die R. in den Ländern aufgenommen und durch
die Reichsjustizgesetze von 1877/1879 einheitlich eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H.,
Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher,
G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K.,
Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der Revision
im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“,
1998; Schubert, W., Die Revision in Zivilsachen, ZRG GA 124 (2007), 167;
Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit,
hg. v. Auer, L. u. a., 2013
Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) →Näherrecht
Lit.: Köbler, DRG 57
Revolution ist
die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines bestehenden gesellschaftlichen
Zustands. Über einen von Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird
das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die
Glorious Revolution angewendet. Eindrucksvollstes (und als erste R. allgemein
anerkanntes) Beispiel der R. ist die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere
bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im
Deutschen Bund (1848), Russland (1917) und Deutschland (1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32,
179; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der
österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die europäischen
Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 2. A.
1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder, T., 1973; Reinalter, H.,
Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Deutschland zwischen Revolution
und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Deutschland und die
französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982; Berman, H., Law and Revolution,
1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Schulin,
E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud, J., Alltagsleben während der
französischen Revolution, 1989; Revolution und konservatives Beharren. Das alte
Reich und die französische Revolution hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1990;
Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991; Berman, H., Recht und
Revolution, 1991; Revolution
und Gegenrevolution 1789-1830, hg. v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K.,
Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und Öffentlichkeit,
1995; Hein, D., Die Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution in
Deutschland, hg. v. Dipper, C. u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 – Die ungewollte
Revolution, 1998; Achtzehnhundertachtundvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig,
hg. v. badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution
von 1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999;
Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die
Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v.
Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P.,
2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu
sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850,
2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M.,
Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der
Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004; Deutschland – ein Land ohne
revolutionäre Traditionen?, hg. v. Bavaj, R. u. a., 2005; Akteure eines
Umbruchs, hg. v. Bleiber, H. u. a., 2007; Scriba, F., „Legale Revolution“?,
2008; Müller, F., Die Revolution von 1848/49, 3. A. 2009, 4. A: 2012; Die
vergessene Revolution 1918/19, hg. v. Gallus, A., 2010; Fahrmeir, A.,
Revolutionen und Reformen - Europa 1789-1850, 2010; Rinke, S., Revolutionen in
Lateinamerika, 2010Rapport, M., 1848 Revolution in Europa, 2011 (Übersetzung
aus dem Englischen); Selbin, E., Gerücht und Revolution, 2011; Karla, A.,
Revolution als Zeitgeschichte, 2014
rex (lat. [M.])
König
Lit.: Lapis, B., Rex utilis, 1986
Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Reykjavik auf
Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird Hauptstadt →Islands. 1911
erhält es eine Universität.
Reyscher,
August Ludwig (Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt 1. 4. 1880),
Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privatdozent, 1831
außerordentlicher Professor und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er
seine Universitätstätigkeit aus politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt.
In seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler
Pragmatiker um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen.
Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und
Rechtstheorie, 1974
Rezension ist ursprünglich in Rom (lat. recensio) die Musterung des
Zensors, danach die Bearbeitung oder kritische Würdigung eines Textes.
Lit.:
Vec, M., Die Rezensionskultur der Rechtsgeschichte, ZNR 2009, 87;
Rezensionswesen, hg. v. Winkelbauer, T., 2013
Rezeption ist
die Aufnahme einer Kulturerscheinung durch andere (z. B. Rad, Buchdruck,
Rechner, Jazz, Kugelschreiber), insbesondere die Aufnahme des antiken römischen
Rechtes im mittelalterlich-neuzeitlichen Europa. Diese R. beginnt mit der
Wiederentdeckung der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich
über den Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna,
Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die
fachmännisch besetzte kirchliche Gerichtsbarkeit. Die Gründe für den Erfolg
der R. sind streitig. Daran, dass das einheimische Recht neu entstehende
Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung
mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am
ehesten wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der
vernunftmäßig einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in
jahrhundertelanger Feinarbeit wissenschaftlich durchdrungenen
Konfliktlösungen sich gegenüber der unübersichtlichen und verwirrenden
Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einheimischen Sätze der
ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist bzw. als überlegen eingestuft
wird. Den Ausgangspunkt der R. bilden die →Glossatoren und →Kommentatoren
in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen römischen Reich durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung von
1495. In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in →Reformationen
(Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Bayern 1518, Freiburg im
Breisgau 1520 und andernorts) und in der zunächst populären, dann wissenschaftlichen
Literatur (z. B. Klagspiegel, Laienspiegel, →usus modernus pandectarum).
Noch nach den römischrechtlich beeinflussten →Kodifikationen des Vernunftrechts
erfolgt über →historische Rechtsschule und →Begriffsjurisprudenz
sowie Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer Schub von R. Im Übrigen ist die R.
des römischen Rechtes in Europa nur ein besonders eindrucksvoller Fall von
Rechtsrezeption überhaupt.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2,
17, 25; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205;
Baltl/Kocher; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd.
1ff. 2. A. 1834ff.; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem
einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen
der Rezeption des römischen Rechtes in Deutschland, 1905; Coing, H., Die
Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann,
W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher,
G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H.,
Zur Geschichte der Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H.,
Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen
Rechtes im Urteil der deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge
des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 1947, 4. unv. A.
1966; Coing, H., Römisches Recht
in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Rehfeldt, B., Rezeption
in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Verzeichnis der Handschriften zum
römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Wolter, U., Ius
canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978;
Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Nève,
P., Recht en Continuiteit, 1977; Beyerle, F., Rezeption, Rezeptionsreife und
Überwindung, ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom 18. 11. 1942); Bender, P., Die
Rezeption des römischen Rechtes, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Stelzer,
W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss, G., Law, Resistance and the State, 1986; Wesener,
G., Einflüsse und Geltung, 1989; Elsener, F., Studien zur Rezeption, hg. v.
Ebel, F. u. a., 1989 (Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption Bologneser
Rechtswissenschaft in Deutschland im 12. Jahrhundert, (in) Viator 21 (1990),
103; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The Reception of
Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl,
T., Die Rezeption des kontinental-europäischen Privatrechts in Lateinamerika,
1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions-
und Wissenschaftsgeschichte, hg. v. Landfester, M., Band 13ff. 1999ff.;
Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die Übertragung von
Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen
Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus actionis,
Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechtes in
Russland, 2004; Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007; Deutsche Beratung bei Rechts- und
Justizreformen im Ausland, hg. v. Hülshörster, S. u. a., 2012
Rezess (lat.
[M.]) Rückschritt, Vergleich
Rheinbund ist (nach einem älteren R. zwischen Mainz, Trier, Köln,
Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich vom 15. 8. 1658 bis 15. 8.
1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck →Napoleons von zunächst 16 dem Rhein
benachbarten deutschen Fürsten (Bayern, Württemberg, Erzkanzler des Reiches
mit zunächst Aschaffenburg und Regensburg, ab 1810 Großherzogtum Frankfurt, Baden,
Berg, Arenberg, Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen,
Salm-Salm, Salm-Kyrburg, Isenburg-Birstein, Liechtenstein [ohne Kenntnis
des Fürsten], Hessen-Darmstadt, Grafen von der Leyen in Hohengeroldseck) mit
Frankreich als Alliiertem und Napoleon als Protektor in Paris geschlossene
Bund, der sich zur französischen Heerfolge und zur widerrechtlichen Trennung
vom Heiligen römischen Reich verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die
Mitglieder aus dem Reich aus und erklären sich als souverän. Das Ziel eines
Staatenbunds mit gemeinamen Staatsorganen scheitert am Widerstand der größeren
Mitgliedstaaten. Der später noch um 23 Mitglieder (u. a. Würzburg, Sachsen,
Westphalen) erweiterte R., dem 1811 von den deutschen Staaten nur Preußen, Österreich,
Braunschweig und Hessen-Kassel nicht angehören, löst sich nach der Niederlage
Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G.,
Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des
Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905;
Schnur, R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die
Einführung des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991;
Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen
Aufklärung und Frühliberalismus, 1994; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Rheinfelden
Lit.: Schib, K., Geschichte der
Stadt Rheinfelden, 1961
Rheingau
Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer
Landbrauch von 1643, 1913; Richter, P., Der Rheingau, 513
Rheinischer Bund ist
der im Juli 1254 von Städten und Landesherren am mittleren Rhein
abgeschlossene, später von Basel bis Bremen und Aachen bis Regensburg reichende
nach Frieden strebende Bund, der nach der Doppelwahl zum deutschen König im
Januar 1257 endet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der rheinische
Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986
Rheinischer Städtebund
von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein geschlossener, 1388/1389
dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse
nach dem Städtekrieg von 1388, 1981
Rheinisches Recht
ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte französische Recht, das durch
die Gesetzbücher des Deutschen Reiches (1871-1900) abgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das
rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen
Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichtsverfassung
1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das
rheinische Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum,
1969; Faber, K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der
rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in Deutschland
zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128; Schubert,
W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny und die
rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Becker, H.,
Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und europäische
Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die französische
Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das rheinische
Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, M., Der Übergang vom
rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des
Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische
Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003;
Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v.
Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof,
2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005;
Haferkamp, H. u. a., Neue Wege zur Rechtsgeschichte, ZRG GA 123 (2006), 372;
Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Strauch, D.,
Schriften zum rheinischen Recht, 2013
Rheinland
Lit.: Oppermann, O., Rheinische
Urkundenstudien, 1922; Aubin, H./Frings, T./Müller, J., Kulturströmungen und
Kulturprovinzen in den Rheinlanden, 1926; Recht und Rechtspflege in den
Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a. 1969 (FS OLG Köln); Rheinischer
Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff. (Programm umfasst 172 Städte in
Nordrhein-Westfalen und 15 Städte in Rheinland-Pfalz, z. B. Dinslaken, Geldern,
Heimbach, Ratingen, Wesseling); Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, hg.
v. Nikolay-Panter, M. u. a. 1994 (Aufsätze); Rheinische Landesgeschichte an der
Universität Bonn, hg. v. Groten, M. u. a., 2007; Strauch, D.,
Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Die Rheinlande und das Reich,
2007; Frankreich am Rhein, hg. v. Theis, K. u. a., 2009; Pabst,
K./Lohberg, R., Kleine Geschichte des Rheinlands. 2010; Das Rheinland als
Schul- und Bildungslandschaft (1250-1750), hg. v. Rutz, A., 2010
Rheinland-Pfalz
ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens geformte Land, das
Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E.,
Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft
Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v.
Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes
Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f.; Kißener, M., Kleine Geschichte des Landes
Rheinland-Pfalz, 2006
Rheinpfalz ist das großenteils links des Rheines gelegene Gebiet des Pfalzgrafen bei
Rhein, das 1214 an die 1180 zum Herzog von Bayern erhobene Familie der
Wittelsbacher gelangt, aber durch Teilung von 1329 bis 1777 (Aussterben der
Linie der Herzöge von Bayern) von Bayern getrennt wird. 1946 wird der achte
Regierungsbezirk Bayerns als Folge der Zuteilung zur Besatzungszone Frankreichs
von Bayern gelöst ein Teil des neuen Bundeslands Rheinland-Pfalz.
Rheinprovinz ist
die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der
Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz
mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946 in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen
aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher Atlas
der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd. 2
1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die
Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz,
Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919;
Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk,
H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der
Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997
Rheinschifffahrt →Binnenschiffahrt
Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831,
17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten
in Rheinschifffahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von
1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz,
St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und
Karlsruhe.
Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O., Gerichtsverfassungsgesetz,
1981, 2. A. 1994, 5. A. 2008; Scherner, K., Die Rheinakten von 1831 und 1868,
Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58
Rhenen
Lit.: Iterson, W. van, De stad
Rhenen, 1960
Rhens (bei
Koblenz), früher Rhense →Kurverein
Rhetorik ist
die im Altertum entwickelte Redekunst (z. B. [Rhetor] Marcus Fabius
Quintilianus 35-100 n. Chr.). Sie befasst sich auch besonders mit der Rede vor
Gericht, so dass der Redner vielfach rechtliche Kenntnisse benötigt und hat.
Vermutlich von dort aus beginnt in Oberitalien seit dem 11. Jh. die
Wiederbeschäftigung mit dem →römischen Recht.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Quintilianus,
Marcus Fabius, Ausbildung des Redners, hg. v. Rahn, H., 3. A. 2006; Wesel, U.,
Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei
Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982;
Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler,
G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht,
Rhetorik, Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch
der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann, M., Die antike
Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A
Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997; Stroh, W., Die Macht
der Rede, 2009; Knape, J. u. a., Kommentar zu Friedrich Riederers Spiegel der
wahren Rhetorik, 2010
Rhodos →lex
Rhodia
Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003; Loose,
M., Die Kreuzritter von Rghodos, 2011
Richard von Ely →Dialogus de scaccario
Richert,
Johan Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in →Lund Richter.
In verschiedenen Gesetzgebungskommissionen setzt er sich für liberales Recht
ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und Töchtern im Erbrecht,
1863 ein modernes Kriminalgesetzbuch.
Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel Richert, 1905; Den
historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53
Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend mögliches Entscheidungsverfahren
des Richters ohne Zuziehung von Urteilern, für das aber kein feststehender
Gesichtspunkt erkennbar ist.
Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 403
Richter ist
das zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege.
Im zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte,
ehrenamtlich tätige (lat. [M.]) →iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche
Amtsträger. Bei den Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die →Volksversammlung
und damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt
diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.])
→thunginus bzw. später der →Graf. Ihm steht grundsätzlich nicht das
den Rachinburgen oder →Schöffen überlassene Urteilen zu. Im
Hochmittelalter wird in der Kirche der gelehrte →Jurist als (lat. [M.])
iudex delegatus oder Offizial Einzelrichter und bewirkt die Unzuständigkeit des
Richters die Nichtigkeit seines Urteils. Während das Reichshofgericht 1420
die Aufnahme von Doktoren als Urteilern noch ablehnt, sind am königlichen
Kammergericht vor allem ab 1471 viele Urteiler gelehrt. In der Reichskammergerichtsordnung
von 1495 wird dies festgeschrieben, wobei seit 1521 auch von den adligen
Beisitzern Rechtskenntnisse erwartet werden. Von hier aus verdrängt der (gelehrte)
R. in der frühen Neuzeit den (ungelehrten) Schöffen aus der Urteilstätigkeit. In
Frankreich muss seit 1809 jeder Richter über einen Universitätsabschluss
verfügen. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt umgekehrt den ehrenamtlichen
Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der
R. allgemein →Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit)
erlangt. In manchen Staaten kann der R. die Verfassungsmäßigkeit eines von
ihm anzuwendenden Gesetzes selbst beurteilen (Vereinigte Staaten von Amerika,
Deutsches Reich von 1925 an), während andernorts dafür besondere Verfassungsgerichte
zuständig sind (Bundesrepublik Deutschland, Österreich).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235,
262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege, 1900; Lenel,
P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Plathner,
G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich,
1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums Chur, 1964; Flume,
W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten
Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee der Strafprozessordnung
und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der
Weistümer, 1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus
zum Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der
preußischen Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A.,
Der Richter in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N.,
Richterleitbilder in der Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und
Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und
Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981;
Schulz, B., Der republikanische Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe,
Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106
(1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und
amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le
jugement, hg. v. Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997;
Gritschneder, O., Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor
dem geistlichen Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche
Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die
freie richterliche Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und
die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen
Diktatur und Demokratie, 2003; Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003; Jahns,
S., Das Reichskammergericht und seine Richter, 2003; Strodthoff, B., Die
richterliche Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M., Materialisierung,
Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien in der preußischen und deutschen Zivilprozessgesetzgebung, 2006;
Auf dem Scheiterhaufen der Paragraphen, hg. v. Scheiber, O., 2007; Hornauer,
A., Das Reichsgericht zur Frage des richterlichen Prüfungsrechts, 2009; Vom
Diener des Fürsten zum Diener des Rechts, hg. v. Czeguhn, I./Sanchéz Aranda,
2011; Judges and Judging in the History of the Common Law and Civil Law, hg. v.
Brand, P. u. a. 2012; Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint -
Richterliche Eingriffe in den Vertrag, hg. v. Jung, P., 2013
Richterablehnung ist die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit.
Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter
im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht
Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1
1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht,
1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77
Richterbrief ist
im Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende
parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe,
hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg
1981
Richterrecht ist
das von dem im gewaltengeteilten Staat für die Rechtsprechung zuständigen →Richter
geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die →freie
Rechtsschule befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort
durch, wo der Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879,
Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches
Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS
1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht,
1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht,
1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen Rechtsgemeinschaft,
hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003
Richterstuhl ist
der Sitz des Richters.
Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richthofen,
Karl Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3. 1888) wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob
Grimm) außerordentlicher Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die
friesischen Rechtsquellen und ein altfriesisches Wörterbuch, 1863 die (lat.) →Lex
(F.) Frisionum.
Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888),
247
Richtlinie ist
der Grundsatz oder die Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere
kann in der →Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine
verbindliche R. für den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber erlassen, der sie in
der jeweils gesetzten Frist in mitgliedstaatliches Recht umsetzen muss.
Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v.
Walk, J., 1981
Richtschwert ist
das Schwert als Vollzugsgerät der →Todesstrafe.
Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf
Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Richtstätte ist
der Ort des Vollzugs der Todesstrafe (z. B. Galgenbühl).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtsteig Landrechts
ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/1290-nach 1356)
verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem →Sachsenspiegel. Der
R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/1334 entstanden. Er folgt gelehrtem
Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten). Er ist durch 75 Handschriften in fünf
vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C.,
Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64; Odenweiler, K., How to act in
court, ZRG GA 130 (2013), 371
Richtsteig Lehnrechts
ist das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von
Kerkow verfasste Werk über das Verfahren des sächsischen Lehnrechts in anfangs
wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften überliefert ist.
Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1
1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65
Riegger,
Joseph Anton Stephan von (Innsbruck 1742-Prag 1795), Rechtsprofessorensohn,
wird 1764 Privatdozent in Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778
in Prag. In Freiburg im Breisgau hält er als erster deutsche Vorlesungen.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797
Riegger,
Paul Joseph (Freiburg im Breisgau 1705-Wien 1775) wird nach dem Rechtsstudium
in Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt
für den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973
Riga an der
Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute gegründet. 1285 nimmt die Stadt
hamburgisches und später auch lübisches Recht auf. Das daraus entwickelte
rigische Recht wird an viele umliegende Städte weitergegeben. 1582 kommt R. an
Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Russland. Von 1918 bis 1940 und seit 1991
ist R. Hauptstadt →Lettlands.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die
Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976; Bulmerincq,
A. v., Der Ursprung der Stadtverfassung Rigas, 1894, Neudruck 2013; Bulmerincq,
A. v., Die Verfassung der Stadt Riga, 2013; Wittram, R., Baltische Geschichte,
1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989;
Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004; Riga und der Ostseeraum, hg. v. Misns,
I. u. a., 2005; Fülberth, A., Riga, 2013
Ring ist
das kreisförmige Gebilde aus festem Stoff (z. B. Metall, Holz), das als Symbol
für ein Recht oder Rechtsverhältnis verwendet wird (z. B. Ehering).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der Heirat,
1931 (SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1;
Labhart, V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe,
1994
Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz einer
Universität.
Lit.: Feige, R., Das akademische
Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit der Universität Rinteln, 1956
Ripert,
Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechtslehrer
in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité
élémentaire de droit civil →Planiols fort und erweitert ihn zu einem
14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der Überlegenheit des
Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus.
Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie et les travaux de
Georges Ripert, 1960
Ripuarier (Ribvarier)
ist der (Bewohner eines um Köln liegenden Gebiets oder) der Angehörige eines
um Köln fassbaren Teilstammes der Franken, dessen Recht vielleicht schon im
7. Jh., jedenfalls 763/764 und in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) →Lex
(F.) Ribvaria aufgezeichnet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus
und comitatus, 1983
risorgimento (M.) Wiedererhebung (Italiens zu einem einheitlichen Staat nach 1848
durch eine Freiheitsbewegung [Cavour, Garibaldi] unter Führung
Sardinien-Piemonts bis 1861)
Ritter (lat.
[M.] eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches
Verhalten gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische
Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.])
equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht
der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare,
spätestens um 1250 durch Ritterbürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit
zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der
Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet
bald den niederen Adel, der vielfach zu einem der →Landstände wird (z. B.
Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol). Allerdings erweisen sich
die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an
Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird
der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch →Raubritter.
Seit dem 15. Jh. schließen sich die →Reichsritter besonders zusammen,
verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag,
Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919); Wretschko, A., Zur Erteilung
der Ritterwürde durch den Kaiser im 16. Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374;
Sandberger, D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Schulze, W., Die
Gleve, 1940; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t
Jörgenschild in Schwaben, 1961; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff,
1964, 2. A. 1977; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reuter,
H., Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2. A. 1974; Das Rittertum, hg. v. Borst,
A., 1976; Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J.,
1985; Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss.
jur. Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v.
Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I milites cittadini, 1992; Paravicini,
W., Die ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens, F., Militia und Ritterschaft,
HZ 258 (1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde in Mittelitalien, 1995;
Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J., Rittertum und ritterliche
Welt, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter,
2004; Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit, hg. v. Laudage, J., 2006;
Ehlers, J., Die Ritter, 2006; Barthélemy, D., La chevalerie, 2007;
Kommunikationsnetze des Ritteradels im Reich um 1500, hg. v. Schneider, J.,
2012
Ritterbund ist
der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von →Rittern zu gemeinsamem
Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaften
mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft
mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft,
A., Adelsgesellschaften, 1994
Rittergut ist
das einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit dessen Besitz die
Landstandschaft verbunden ist (in Brandenburg im 19. Jh. 1610 Rittergüter [mit
mehr als 100 Hektar], jeder fünfte Rittergutseigentümer Millionär). Es ist
meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt
einer →Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von
Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit.
Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den
Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937;
Hüllemann, H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939;
Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Flügel, A.,
Bürgerliche Rittergüter, 2000; Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz,
2003; Halama, A., Rittergüter in Mecklenburg-Schwerin, 2006
Ritterorden ist
der von →Rittern seit dem 12. Jh. gebildete →Orden (z. B.
Templerorden 1118/1119, →Deutscher Orden 1190/11988, Johanniterorden,
Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202).
Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967;
Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas,
hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Geschichte und Recht geistlicher
Ritterorden besonders in der Schweiz, hg. v. Carlen, L., 1990; Ritterorden und
Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a.,
1991; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des
Herrn, 2003; Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters,
hg. v. Czaja, R. u. a., 2003; International Mobility in the Military Orders,
hg. v. Burgtorf, J. u. a., 2006; Die Ritterorden als Träger der Herrschaft, hg.
v. Czaja, R./Sarnowsky, J., 2007
Ritterschaft ist
die Gesamtheit von →Rittern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die
Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982;
Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur.
Münster 1987; Harding, E., Landtag und Adeligkeit, 2011
Ritterspiegel ist das in einer Handschrift überlieferte, wohl zwischen 1410 und 1420
von Johannes →Rothe verfasste Gedicht in mittelthüringischer Sprache über
die Stellung und Aufgaben des Ritters.
Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann,
H., 1936
Ritual ist der in Gewohnheit
formalisierte Ablauf eines Geschehens (z. B. Krönung, Gerichtsverfahren).
Lit.:
Spektakel der Macht - Rituale im alten Europa 800-1800, 2008; Dilcher, G.,
Mittelalterliches Recht und Ritual in ihrer wechselseitigen Beziehung,
Frühmittelalt. Studien 41 (2007), 297; Bild und Ritual, hg. v. Ambos, C. u. a.,
2010; Schreiner, K., Rituale, Zeichen, Bilder, 2011; Stollberg-Rilinger, B.,
Rituale, 2013
Rivail →Aymar
du Rivail
Rivallius →Aymar
du Rivail
Robe ist
die Amtstracht des Richters, Staatsanwalts oder Rechtsanwalts. Sie geht auf den
langen schwarzen Mantel zurück, den seit der frühen Neuzeit die Gelehrten als
doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in Frankreich tragen dann auch die →Richter
als Justizbeamte einen solchen Talar als eine besondere Standeskleidung. Am 15.
12, 1626 ordnet Friedrich Wilhelm I. für die advocati achwarze, bis unter das
Kniegehende Mäntel an. 1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete
Gewand in Frankreich durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem
französischen Recht dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die
Reichsjustizreform von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle
Richter ausgedehnt (Österreich 1897, 1962).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957;
Hargreaves-Mawdsley, W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W.,
Historisches über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Robot (slaw.
[F.]) Arbeit, teils bemessener, teils unbemessener Frondienst (in Niederösterreich
1772, in der Steiermark 1778 einschränkendes Robotpatent Maria Theresias,
1848 Aufhebung)
Lit.: Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952
Rodung ist
die Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder
rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der →Ostsiedlung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H.,
Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529
Roes →Alexander
von
Roesler,
Hermann (1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen
und München 1861 Professor für Staatswissenschaft in Rostock. 1878 wird er
juristischer Berater →Japans. Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890)
und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück.
Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen
Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975; Hermann Roesler, hg. v.
Bartels-Ishikawa, A., 2007; Ritzke, B., Der ordo-soziale Wirtschafts- und Rechtsbegriff
von Hermann Roesler, 2010
Roffredus ist der um 1170 geborene, aus Benevent
stammende, wohl 1243 noch lebende Jurist, von dem De libellis et ordine
iudiciorum (Von Büchern und der Ordnung der Gerichte), Libelli de iure canonico
(Bücher über das kanonische Recht), Quaestiones (Fragen), Glossen und kleinere
Schriften stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 318
Rogerius ist der in Bologna wirkende, vielleicht
um 1170 verstorbene Glossator, von dem eine Summa Codicis, Glossen, vielleicht
Dissensiones dominorum, Distinktionen, De praescriptionibus, Quaestiones super
Institutis, Enodationes quaestionum super Codice, ein Catalogus
praescriptionum und vielleicht die Summa Trecensis stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997, 192
Roland ist
der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf
der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem
unbekannten Verfasser geschaffenen Rolandsliedes. Möglicherweise gehen auf
ihn die Rolandssäulen zurück, die sich seit dem Hochmittelalter auf
Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der Kaiserrechte? oder des
Rechtes allgemein ?) finden (z. B. in Bremen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die Rolandsbilder
Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905; Jostes, F., Roland
in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von Ragusa, ZRG GA 30
(1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute
(Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz,
T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande
als Rechtssymbole, 1960; Mitić, I., Die Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82
(1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg,
M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling,
D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel-Everling.de)
Rolandus von Bologna
Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von
Bologna, 2004
Rôles d’Oléron
→Oléron
Rom ist die
nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus gegründete Hauptstadt (um 500 v.
Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 800000 oder 1000000 1790 große
Privathäuser domus, 46602 große Mietshäuser insulae, , um 300 n. Chr. 500000, um
400 800000, um 500 100000, nach 550 rund 50000 Einwohner) des 509 v. Chr. vom
Königreich zur Republik und 27 v. Chr. von der Republik zum Prinzipat
gewordenen römischen Weltreichs. In ihr hat seit dem 1. Jh. n. Chr. der Papst
seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin als Gabe.
Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König (oft) zum Kaiser.
Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein. 1526/1527
werden 53689 Einwohner gezählt. Am 6. 5. 1527 wird R. vom Heer Kaiser Karls V.
erstürmt (sacco di Roma). 1870 fällt R. (mit rund 200000 Einwohnern, um 1930
eine Million) an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold, H., De spegel van
het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio, 2. A. 1957;
Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Grandazzi, A., La
fondation de Rome, 1991; Dahlheim, W., Stadt und Imperium, 1992; Storia di
Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma, hg. v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B.,
Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994; Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte,
1994; Bengtson, H., Römische Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002;
Christ, K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom
in der Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen
Kaiser, hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997;
Die späte römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische
Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der römischen
Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die
Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der
römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998;
Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege
Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W.,
Rome in the East, 2000; Roma nell’alto medioevo, 2001; König, I., Kleine
römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen
römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U.,
Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie,
2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2.
A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e
Occidente, 2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K.,
Römische Geschichte, 8. A. 2004; Bringmann, K., Krise und Ende der römischen
Republik, 2003; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De
viris illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch
zum Corpus inscriptionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K.,
Nachtleben im alten Rom, 2004; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer Republik,
2004; Bauer, F., Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter, 2004; Siedlung und
Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; The Cambridge
Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak, P.,
Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque
Romanus, 2004; Christ, K., Pompeius, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur
Weltmacht, 2005; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Rüpke, J., Fasti
sacerdotum, 2005 (mit etwa 4000 Biographien); Eich, P., Zur Metamorphose des
politischen Systems in der römischen Kaiserzeit, 2005; Ward-Perkins, B., The
Fall of Rome and the End of Civilization, 2005; Kunst, C., Leben und Wohnen in
der römischen Stadt, 2006, 3. A. 2008; Heftner, H., Von den Gracchen bis Sulla,
2006; Dreyer, B., Die Innenpolitik der römischen Republik, 2006; Spielvogel,
J., Septimius Severus, 2006; König, I., Der römische Staat, 2007; Langer, V.,
Declamatio Romanorum, 2007; Kolb, F., Das antike Rom, 2007; Heather, P., Der
Untergang des römischen Weltreichs, 2007 (übersetzt aus dem Englischen); Rüpke,
J., Römische Priester in der Antike, 2007; Brandenburg, H., Die
frühchristlichen Kirchen in Rom, 2008; Römische Religion im Wandel, hg. v.
Bendlin, A. u. a., 2008; Kreutz, P., Romidee und Rechtsbild in der Spätantike,
2008; Jördens, A., Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit,
2009; Eine politische Kultur (in) der Krise?, hg. v. Hölkeskamp, K., 2009;
Speidel, M., Heer und Herrschaft im römischen Reich, 2009; Die Verwaltung der
kaiserzeitlichen römischen Armee, hg. v. Eich, A., 2009; Matyszak, P. u. a.,
Who is who im alten Rom, (aus dem Englischen) 2009; Reinhardt, V., Blutiger
Karneval - Der Sacco di Roma 1527, 2009; The Cambrigge Companion to the Roman
Historians, hg. v. Feldherr, A., 2009; Eine politische Kultur (in) der Krise,
hg. v. Hölkeskamp, K, 2009; Bauer, F., Rom im 19. und 20. Jahrhundert, 2009; Grossmann,
L., Roms Samnitenkriege, 2009; Sommer, M., Römische Geschichte, Bd. 2 2009; Meier,
M./Patzold, S., August 410 - Ein Kampf um Rom, 2010; Die Verwaltung der
kaiserzeitlichen römischen Armee, hg. v. Eich, A., 2010; Rom, hg. v. Johrendt,
J. u. a., 2010; Goldbeck, F., Salutationes, 2010; Petersohn, J., Kaisertum und
Rom, 2010; Hölkeskamp, K., Reconstructing the Roman Republic, 2010; Klingenberg,
A., Sozialer Abstieg in der römischen Kaiserzeit, 2011; Cobet, J., Babylon,
Jerusalem, Athen, Tom, GZ 293 (2011), 1; Sänger, P., Veteranen unter den
Severern und frühen Soldatenkaisern, 2011; Lundgreen, C., Regelkonflikte in der
römischen Republik, 2011; Hölkeskamp, K., Die Entstehung der Nobilität, 2. A.
2011; The Roman Empire in Context, hg. v. Arnason, J. u. a., 2011; Breeze, D.,
The Frontiers of Imperial Rome, 2011; Sivan, H., Galla Placidia, 2011, Von der
militia equestris zur militia urbana, hg. v. Blösel, W. u. a., 2011; Ando, C.,
Law, Language and Empire in the Roman Tradition, 2011; Barnes, T., Constantine,
2012; Du Plessis, P., Letting and Hiring in Roman Legal Thought, 2012;
Bleicken, J., Die römische Republik, 2012; Krüger, J., Nero, 2012; Rom in der
Spätantike, hg. v. Behrwald, R. u. a., 2012; New Frontiers. Law and Society in
the Roman World, hg. v. Du Plessis, P., 2012; Palast und Stadt im severischen Rom,
hg. v. Sojc, A., 2013; Sommer, M., Römische Geschichte, Bd. 1 2013; Ando, C.,
Imperial Ideology and Provincial Loyalty in the Roman Empire, 2013; Börm, H.,
Westrom - Von Honorius bis Justinian, 2013; Geiger, M., Gallienus, 2013; Horst,
C., Marc Aurel, 2013; Behrends, O., Zur römischen Verfassung, hg. v. Avenarius,
M. u. a., 2014; Glas, T., Valerian, 2014
Roma (Sg. Rom, „Mann, Mensch“) oder auch Sinti) ist die Eigenbezeichnung für die früher meist als →Zigeuner
benannten Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet.
Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustus, 354-430, Sermones
131, 10)
Romanist ist
seit dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechtes oder der vom Lateinischen
abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum →Germanisten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen
Sprachen, 2001
Romantik ist
die geistige, sich von der Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende,
das Gefühl, den Traum und das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen
1790 und 1830. Sie beeinflusst die →historische Rechtsschule (Savigny,
Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen
(→Volksgeist).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die
Romantik, 1982
Römer ist
der Bewohner →Roms bzw. der Angehörige der das römische Weltreich
tragenden Bevölkerung.
Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T.,
Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die
Ursprünge des römischen Volkes – Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M.,
2004; Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006; Thiel, A., Die Römer in
Deutschland, 2008
Römermonat ist
die Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden berechneten Kosten der
monatlichen Unterhaltung und Besoldung des Heeres im Heiligen römischen Reich ,
die mit Hilfe der →Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände
verteilt werden.
Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reiches, 1912, 15
Römerstadt ist
die im römischen Reich zur →Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch
nach Ende des weströmischen Reiches im Frühmittelalter vielfach den
Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn,
Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten, Regensburg, Passau, Wien). Die
Zusammenhänge sind im Einzelnen aber sehr unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980
Römerstraße ist
die von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte
Straße.
Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen
Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975
Römische Verträge
sind die am 25. 3. 1957 in Rom zwischen Deutschland, Frankreich, Italien,
Belgien, Luxemburg und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft (zum
1. 1. 1958). Sie sind wesentliche Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft bzw.
der Europäischen Union. Sie werden 1986 durch die Einheitliche Europäische
Akte und danach z. B. durch den Vertrag von Maastricht, den Vertrag von
Amsterdam und den Vertrag von Lissabon angepasst bzw. umgewandelt.
Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Römischer König
ist ein zeitweise vom deutschen König im Heiligen römischen Reich verwendeter
Titel.
Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Romanorum rex“,
1981
Römisches Recht
ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen Rechtssätze. Die wichtigsten römischen
Rechtsquellen sind die →Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr., daneben z. B.
231 Gesetze zwischen 367 und 134 v. Chr.), die Werke der römischen →Jurisprudenz
(3. Jh. v.-3. Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung (Codex, Institutionen,
Digesten bzw. Pandekten, Novellen) des oströmischen Kaisers →Justinian
(527-565). Sachlich ist das Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische,
im spätantiken römischen Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Karthago, Konstantinopel,
Beirut, Athen (bis 529), Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird
auch nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt
sowie seit dem ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und danach in vielen Gebieten
Europas in umfangreichen Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als
→gemeines Recht (lat. ius [N.]
commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit (Allgemeines Landrecht
Preußens 1794, Code civil Frankreichs 1804, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Österreichs 1811) und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.
Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner §§
1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.;
Savigny, F., System des heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal
Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV,
1878; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts,
1888, Neudruck 2013; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Rechtes im früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Mommsen, T., Abriss des römischen
Staatsrechts, 1893, Neudruck 2013; Halban, A. v., Das römische Recht in den
germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law in
Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912,
Neudruck 1961; ; Goudy, H., Dreiteiligkeit im römischen Recht, übers. v.
Ehrlich, E., 1914, Neudruck 2013; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur, 1938; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen
Rechtes, 10. A. 1958; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953;
Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65
(1947), 86; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechtes in der Kirche, ZRG
KA 73 (1956), 1; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R.,
Römisches Privatrecht, 19. A. 2008; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes
in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius
Romanum medii aevi V 6, 1964; Koschaker,
P., Europa und das römische Recht, 1947, 4. unv. A. 1966; Kaser, M., Der
römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Sturm, F., Das römische
Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier und das römische
Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G., Römisches Recht und
Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechtes, 1979;
Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Lamberg, P., Die
Popularisierung des römischen Rechtes durch Oswald von Wolkenstein, ZRG GA 100
(1983), 213; Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985; Das römische
Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Wesener, G., Einflüsse und
Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der
Neuzeit, 1989; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990;
Kunkel, W., Römische Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des
römischen Rechtes, 2. A. 1998; Liebs, D., Römisches Recht, 6. A. 2004;
Hausmaninger, Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993, 7. A. 2012;
Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1995, 11. A. 2012;
Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Stein, P.,
Römisches Recht und Europa, 1996; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W., Römisches Privatrecht, 8. A. 1997;
Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell, H., Römisches Recht, 5. A. 2001, 7.
A. 2010; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2. A. 1999; Bürge, A., Römisches
Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private
Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken 1998; Stein, P., Roman Law in European
History, 1999; Manthe, U., Geschichte des römischen Rechtes, 2. A. 2003;
Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 14. A. 2005;
Fögen, M., Römische Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M., Die Gesetze der
mittleren römischen Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the
17th and 18th Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003; Börsch, M.,
Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P., Reformbestrebungen
Aurelians in Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends, O., Institut und
Prinzip, 2004 (Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit Romain et l’Europe, 2.
A. hg. v. Dunand, J. u. a. 2004; Meyer, E., Legitimacy and Law in the Roman
World, 2004; Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. A. 2004; Kirov, J., Die
soziale Logik des Rechts, 2005; Usus antiquus iuris Romani, hg. v. Ernst, W. u.
a., 2005; Hecht, B., Störungen der Rechtslage in den Relationen des Symmachus,
2006; Rainer, M., Römisches Staatsrecht – Republik und Kaiserzeit, 2006;
Pichonnaz, P. u. a., Lexique de droit romain, 2006; Religion and Law in
Classical and Christian Rome, hg. v. Ando, C. u. a. 2006; Tuori, K., Ancient
Roman Lawyers and Modern Legal Ideals, 2007; Liebs, D., Vor den Richtern Roms,
2007; Langer, V., Declamatio Romanorum, 2007; Kaiser, W., Authentizität und
Geltung spätantiker Kaisergesetze, 2007; Harke, J., Römisches Recht, 2008;
Pichonnaz, P., Fondements romains du droit privé, 2008; Lhuillier-Martinetti,
D., L’Individu dans la famille à Rome au 4ième siècle, 2008; Hermeneutik der
Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008; Rüfner, T.,
Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanitas
im Bereich des Vertragsrechts, 2009; Neue Rechtsurkunden aus Pompeji, hg. v.
Wolf, J., 2010, 2. A. 2011; Kaufmann, K. u. a., Bibliographischer Index zum
römischen Staatsrecht von Theodor Mommsen, 2010 (mehr als 330 Autoren); Riggsby,
A., Roman Law and the Legal World of the Romans, 2010; Die lex Irnitana - ein
römisches Stadtrecht aus Spanien, hg. v. Wolf, J., 2011 (91 n. Chr.); Frakes,
R., Compiling the Collatio Legum Mosaicarum et Romanorum, 2011; Michalsen, D.,
Englische und norwegische Römerrechtsideologie des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 129
(2012), 316; Buckland, W., A Manual of Roman Private Law, 2. A. 2012; Facetten
des römischen Erbrechts, hg. v. Harke, J., 2012; Fundamentals of Roman Private
Law, 2012; Das Vermächtnis der Römer, hg. v. Fagnole, I. u. a., 2012; Buchwitz,
W., Servus alienus heres, 2012; Das Vermächtnis der Römer, hg. v. Fargnoli, I.
u.a., 2012; Wolf, J., Lex Irnitana, 2012 (Aufsätze); Apathy, P. u. a.,
Einführung in das römische Recht, 5. A. 2012; Harke, J., Studien zu Vertrag und
Eigentumserwerb im römischen Recht, 2012; Harke, J., Der Eid im klassischen
römischen Privat- und Zivilprozessrecht, 2013; Földi, A./Hamza, G., Histoire et
enstitutes du droit Romain, 18. A. 2013; Kossarz, E. u. a., Casebook Römisches
Recht, 2014
Römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in Deutschland in einem
Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufgenommene →römische Recht. Es
wird damit ein Teil des →deutschen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht
in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland,
1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V,
6, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G.,
Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996
Römisches Reich ist das (seit 753 v. Chr.) um Rom entstehende Reich. Es wird nach
Vertreibung des (etruskischen?) Königs (509 v. Chr.) Republik mit jährlicher
Neubesetzung der wichtigsten Ämter (Magistrate wie Konsuln und Prätoren),
Senat und Volksversammlungen. Durch Siege über seine Nachbarn (z. B. Samniten
327-290 v. Chr.) dehnt es sich allmählich in Italien und rund um das Mittelmeer
bis weit nach Westeuropa (Spanien, Gallien, Britannien), Mitteleuropa (Rhein,
Donau), Asien und Afrika aus. Nach langen Bürgerkriegen und der Diktatur Gaius
Julius Caesars stellt Augustus 27 v. Chr. äußerlich die Republik wieder her,
leitet aber unter Übergang von einer Milizarmee zu einer Berufsarmee sachlich
zum Prinzipat über, das sich in Rom auf die Stellung als Volkstribun und in den
Provinzen auf ein ehemaliges Konsulat stützt. Am Ende des 3. Jahrhunderts
wandelt sich das römische Reich zu einer in eine westliche und eine östliche
Hälfte (Konstantinopel) geteilten Monarchie (Dominat). Westrom fällt 476 n.
Chr. an Germanen, das stetig zurückgedrängte Ostrom (Byzanz) 1453 n. Chr. an
die Türken.
Lit.:
Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, 1871ff. Stellenregister (bzw. Quellennachweise)
von Malitz, J., 1979, bibliographischer Index v. Kaufmann, K. u. a. 2009; Bleicken,
J., Römische Geschichte, 10. A. 2007; Bleicken, J., Die Verfassung der
römischen Republik, 8. A. 1999; Rainer, J., Römisches Staatsrecht 2006; Grossmann,
L., Roms Samnitenkriege, 2009; Rollinger, C., Solvendi sund Nummi - Die Schuldenkultur der späten
römischen Republik, 2009; Speidel, M., Heer und Herrschaft im römischen Reich
der hohen Kaiserzeit, 2009;;Le
Bohec, Y., Das römische Heer in der späten Kaiserzeit, 2010; Fündling, J.,
Sulla, 2010; Anders, F., Flavius Ricimer, 2010; Arrizabalaga y Prado, L. de,
The Emperor Elagabalus, 2010; Gering, H., Domitian, 2012; Rosa, A. Dalla, Cura
et tutela, 2013
römisches Vulgarrecht →Vulgarrecht
Römisch-kanonisches Verfahren ist
das in Oberitalien im Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des
römischen Verfahrensrechts entwickelte, in Deutschland seit dem
Spätmittelalter aufgenommene gelehrte Verfahren (→Prozess).
Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck
1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Romulus Augustulus
(* um 459-?) ist der am 4. 9. 476 von →Odowakar abgesetzte letzte
weströmische Kaiser.
Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D., Periclitans res
publica, 1999
Roncaglia bei
Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort deutscher Hoftage, auf denen
auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen
Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf Freiheit und Sicherheit
(„Habita“, 1154?) und die von Juristen verfasste Darlegung der Regalien
(„Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise in die →(lat.) Libri (M.Pl.)
feudorum (Lehnbücher, Lehnrechtsbücher) aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Erler,
A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127; Colorni,
V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un manoscritto
parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio Giuffrè
1966,( deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen Gesetze von
Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA
34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994, 8. A. 2005
Rosenheim
Lit.: Diepolder, G. u. a.,
Rosenheim, 1978
Ross, Alf
(1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark, Österreich, Frankreich und
England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten sind von Hans →Kelsen
beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor
allem auf die Rechtswirklichkeit ab.
Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs
historie, 1992, 243
Rostock an
der Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher
Kaufleute, der 1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste
Universität Norddeutschlands errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler,
Historisches Lexikon; Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung.
Diss. phil. Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtverhältnisse der Stadt
Rostock im Mittelalter, 1930; Römer,
H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil. Rostock 1932; Leps, C., Das Zunftwesen
der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter 58 (1933), 122, 59 (1934), 177;
Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff, H., Beiträge zur Geschichte der
Universitätsbibliothek Rostock im 19. Jahrhundert, 1955; Haalck, J., Die Rostocker
Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959); Das älteste
Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität
Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung
der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische
Auseinandersetzungen in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S.,
Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O.,
1995; Asche, M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen
mecklenburgischen Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008; Becker, S., Die
Spruchtätigkeit der juristischen Fakultät Rostock, 2003; Roloff, G., Die
Spruchaktentätigkeit der juristischen Fakultät der Universität Rostock und
Bützow, 2003; Pluns, M., Die Universität Rostock 1418-1563, 2007; Buddrus, M.
u. a., Die Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich, 2007; Das
Rostocker Stadtbuch (1270-1288), hg. v. Schmidt, T., 2007
Rota (F.),
Rad, ist der Name der nach Anfängen im 13. Jh. in einem Saal mit radförmigem
Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.]
auditores, Hörer), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom
bestehen bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich
eigene Rechtssätze, die für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre
1908 richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für
Eheprozesse ein.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von
Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res
iudicata, 1973; Nörr, K., Ein Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung,
Ius commune 5 (1975), 192; Nörr, K., Über die mittelalterliche Rota Romana. ZRG
KA 93 (2007), 220ff.; Killermann, S., Die Rota Romana, 2009, 2. A. 2012
Rotenburg an der Fulda ist eine Stadt in Hessen mit Quellen ab (1170)
1248.
Lit.:
Rotenburg an der Fulda, bearb. v. Löwenstein, U., 2010
Rotes Kreuz
ist die von dem Schweizer Arzt Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der
Schlacht bei Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute unpolitische internationale
humanitäre Hilfsorganisation mit nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz
und internationalen Dach- und Hauptorganisationen (Liga der
Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee vom Roten Kreuz als
Völkerrechtssubjekt).
Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P.,
Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom
12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A.
1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992; Steinacher, G.,
Hakenkreuz und Rotes Kreuz, 2013; Schomann, Im Zeichen der Menschlichkeit, 2013
Roth, Paul
(Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in
München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853 ordentlicher
Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine
rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg →Waitz stark beeinflusst.
1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines
noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz
allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches
Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung
für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) ist nicht sicher
festzustellen.
Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in
Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276
Rothe,
Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach 1434), aus begüterter Familie,
wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in →Eisenach. Er verfasst
zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift überlieferte Eisenacher
Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a. →Ritterspiegel, Eisenacher
Chronik um 1414, Thüringische Landeschronik um 1418/1419, Thüringische Weltchronik
um 1421).
Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Wolf,
H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u.
a., 1991, 69; Johannes Rothe, Thüringische Landeschronik und Eisenacher
Chronik, hg. v. Weigelt, S., 2007
Rothenburg
Lit.: Woltering, H., Die
Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966, 1972
Rott
Lit.: Haff, K., Zur
Rechtsgeschichte der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31
(1910), 253; Haff, K.,
Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG
GA 31 (1910), 424
Rotteck,
Karl Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775-26. 11. 1840),
Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor
für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig
erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach
politisch begründetem Verlust seiner Professur (1832-1840) zusammen mit
Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon (mit Stichwörtern wie
„Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).
Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon von
Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964
Rotterdam an
der neuen Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet.
1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/1973 eingerichtet.
Rottweil am
oberen Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof
genannt und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet.
Seit dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R.
bezeugt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht der
Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch von
1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu
Rottweil (um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler
Hofgericht im Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A.,
Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R.,
Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die
Herzöge von Schwaben, ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von
Kreudenstein, 1989; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen,
1992; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396
rotulus (lat.
[M.]) Rädchen, Rolle →Andernach
Rotwelsch (N.)
„unverständlicher“ Wortschatz der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh.
(z. B. Moos statt Geld)
Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des
Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988;
Schüßler, M., Die Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in
Deutschland von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA
118 (2001), 387; Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003; Girtler, R., Rotwelsch,
2. A. 2010
Rousseau,
Jean-Jacques (Genf 28. 6. 1712-Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmacherssohn,
wird nach schwieriger Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat
social (1762, Vom Gesellschaftsvertrag) entwickelt er die aufklärende Lehre
vom →Gesellschaftsvertrag, nach der alles menschliche Gemeinleben auf
einem Vertrag aller beteiligten Einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht
deshalb dem Volk zu, das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei
Erfolglosigkeit seines Amtes entheben kann (→französische Revolution).
Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191;
Vossler, O., Rousseaus Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980;
Stackelberg, J. v., Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques
Rousseau, 2001; Kersting, W., Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“,
2002; Hentig, H., v., Rousseau, 2004; Kuster, F., Rousseau, 2005; Kapossy, B.,
Iselin contra Rousseau, 2006; Taureck,
B. u. a., Rousseau-Brevier, 2011; Böhm, W. u. a., Jean-Jacques Rousseau der
Pädagoge, 2012
Rubrum (N.)
(Rotes) ist der früher mit roter Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er
sich im gelehrten Prozessrecht entwickelt.
Rückfall ist
das erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher
Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen im französischen →Code
pénal von 1810 als allgemeiner Strafschärfungsgrund behandelt. In der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines
Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rückfallvorschrift ganz
aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das in verschiedenen
Rechtsquellen vorgesehene Zurückfallen von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen
an die sie ursprünglich erbringende Seite.
Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz,
J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine
Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo
delinquendi, 1993
Rückgriff →Regreß
Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a
Rückkauf ist
der Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er findet sich auch im
Umkreis des Näherrechtes.
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII;
Kroeschell, DRG 1
Rückstellung ist die Rückführung der zwischen 1933 und 1945 entzogenen Güter auf die
ursprünglich Berechtigten.
Rücktritt (1794, Rücktrittsrecht 1832) ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme
einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem →Rechtsgeschäft
ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer
Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im
Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom →Versuch
zurücktreten, wobei beides im Strafgesetzbuch Preußens von 1851 noch in einer
Vorschrift verbunden ist, 1871 für das Deutsche Reich aber in zwei Vorschriften
aufgespaltet wird.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen
des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung,
1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M.,
Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995; Hellwege, P.,
Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rückversicherung ist die Versicherung des
Versicherers gegen zu hohe Versicherungsleistungen.
Lit.: Mossner, B., Die Entwicklung
der Rückversicherung bis zur Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften,
1959
Rückwirkung (1795) ist die Auswirkung eines
Ereignisses auf die vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im
Strafrecht ist sie (schon durch Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser
Theodosius I., II. und Valentinian III. und aus allgemeinen Überlegungen der
Aufklärung) zu Lasten eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schöckel, G.,
Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, 1968; Schiemann, G.,
Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W., Analogie- und
Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J., Rückwirkende
Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 1998; Daemgen, M., Rück- oder
Fortwirkung im Privatrecht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rudolf IV. (Wien
1. 11. 1339–Mailand 27. 7. 1365), (der) Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan
in Wien) und Gründer der Universität Wien (1365), 1358 habsburgischer Herzog Österreichs,
der Steiermark und Kärntens, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung
der Kurfürsten in der Goldenen Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das
später (lat.) sog. →privilegium (N.) maius (größeres Privileg)
herstellen, verstirbt aber zu früh, um seine großen Pläne verwirklichen zu
können.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV.
von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996
Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5. 1218-Speyer 15. 7. 1291) ist
der erste habsburgische deutsche König (22. 7. 1273). Er versucht den im →Interregnum
eingetretenen Verlust des →Reichsguts rückgängig zu machen und Friedensgebote
durchzusetzen. 1282 belehnt er seine Söhne mit →Österreich, wodurch
Österreich letztlich von den übrigen deutschen Ländern verselbständigt wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von
Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König
werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a.,
1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg,
2003
Ruf
Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u.
a., 2003
Rufinus (-
vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtslehrer, dann
Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164
verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet
die Grundlage der späteren Dekretistik.
Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa decretorum“,
1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus von
Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997
Rüge (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen) ist
die Behauptung einer Rechtsverletzung. Vermutlich gibt es bereits im
Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter
Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht
beeinflusste Einrichtungen (z. B. →Sendgericht, →Feme). Ungewiss
ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich
verdrängenden →Inquisitionsprozess.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und
Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234;
Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge
und Einung, 1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rügen
Lit.: Scheil, U., Zur Genealogie
der einheimischen Fürsten von Rügen, 1962; Büttner, B., Die Pfarreien der Insel
Rügen, 2006; Rügen im Mittelalter, hg. v. Reimann, H. u. a., 2011
Rügisches Landrecht
ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem studierten
Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490-Stralsund 25. 4. 1556) in mittelniederdeutscher
Sprache aufgezeichnete Gewohnheitsrecht. Es ist in mehreren Fassungen in
rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt es das Recht der
freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige römisch-rechtliche Merkmale.
Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen
Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G.,
1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb.
11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985
Ruhrgebiet ist
das an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte deutsche
Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die →Montanunion geschaffen
wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246; Das Ruhrgebiet
in Rheinland und Westfalen, hg. v. Ditt, K. u. a., 2008
Rumänien oberhalb
der unteren Donau ist zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum
romanisiert wird. Nach dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren
erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen. Die Fürstentümer →Moldau und
Walachei sind den →Osmanen (Türken) bis in das 18. Jh. tributpflichtig.
Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der
Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt
Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. Russland annektiert den
östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien). Auf dem Berliner
Kongress wird 1878 die Souveränität Rumäniens bestätigt. 1919/1920 erhält R.
die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat bzw. Bessarabien. 1940
verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die Sowjetunion. Am 30. 12.
1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik. Der Diktator Ceaucescu
wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch die →Sowjetunion
getötet (gelyncht). Moldau trennt sich 1990/1991 von der Sowjetunion ab.
Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche
Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge
der Geschichte Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5,
91; Georgescu, V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck,
K., Rumänien, 1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die
Rumänen und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten
schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S.,
Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die
Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe, 2003; Binder-Iijima, E., Die
Institutionalisierung der rumänischen Monarchie, 2003; Balta, S., Rumänien und
die Großmächte in der Ära Antonescu (1940-1944), 2005; Akten um die deutsche
Volksgruppe in Rumänien 1937-1945, hg. v. Popa, K., 2005; Böhm, J., Hitlers
Vasallen der deutschen Volksgruppe in Rumänien, 2006; Rumänien, hg. v. Kahl, T.
u. a., 2006; Verseck, K., Rumänien, 3. A. 2007;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Scharr, K. u. a., Rumänien, 2008; Die Hohenzollern in Rumänien, hg. v.
Binder-Iljima, E. u. a., 2010; Carls, W./Gönczi, K., Sächsisch-magdeburgisches
Recht in Ungarn und Rumänien, 2013; Geissbühler, S., Blutiger Juli, 2013
Rumelien ist
das europäische Gebiet der Herrschaft der →Osmanen (Türken) seit
1352/1354, das um 1850 Thrakien und →Makedonien umfasst.
Lit.: Inalcik, H., The Ottoman Empire,
1973, 104
Rumpfparlament ist das infolge politischer Maßnahmen nicht mehr vollständige Parlament
(z. B. Österreich 1933).
Runde, Justus
Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen 28. 2. 1807) wird nach dem Studium
der Theologie in Halle und des Rechtes in Göttingen 1771 Professor in Kassel,
1785 in Göttingen. 1791 verfasst er Grundsätze des allgemeinen deutschen
Privatrechts in deutscher Sprache. Als Rechtsquelle verwendet er im Zweifel
allgemeine, aus der Natur der Sache selbst entnommene Rechtsgrundsätze.
Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode
der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß,
W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung
und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249
Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von Nachrichten durch
ursprünglich aus elektrischen Funken entwickelte elektromagnetische Wellen.
Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit 1895 von G. Marconi in
Großbritannien zur Nachrichtenübermittlung genutzt. Am 22. 12. 1920 überträgt
die Hauptfunkstelle Königswusterhausen ein Konzert. Seit 1923 gibt es Radio.
Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte,
1999, 2. A. 2004, 3. A. 2010; Cebulla, F., Rundfunk und ländliche Gesellschaft
1924-1945, 2004; Ausschüsse für Luftrecht, Luftschutzrecht,
Kraftfahrzeugrecht und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert, W., 2009;
Rundfunkverbrechen vor dem Sondergericht Halle, bearb. v. Viebig, M. u. a.,
2010
Rune ist
das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach norditalienischem Vorbild entwickelte,
im Hochmittelalter den lateinischen Buchstaben unterliegende Schriftzeichen
(anfangs 24 Zeichen, seit dem Frühmittelalter 16 Zeichen) (rund 350 ältere und
rund 2300 Inschriften des 10. und 11. Jh.s bekannt, insgesamt rund 6500, meist
aus Südskandinavien).
Lit.: Köbler, DRG 66; Grimm, W., Über deutsche Runen, 1821ff.,
hg. v. Düwel, K., 2009; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983, 4. A. 2008; Runische
Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age Rune-stones,
2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren
Runenalphabets, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Runeninschriften.htm;
Nievergelt, A., Althochdeutsch in Runenschrift, 2009 (in den Sankt Gallener
Handschriften qq, q85, 188, 225)
Ruoda
Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923
Ruprecht von
Freising (um 1270-nach 1328) ist der als Fürsprecher in und um Freising
erkennbare, ungelehrte, den →Schwabenspiegel verwendende Verfasser des →Freisinger
Rechtsbuchs von 1328.
Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts
von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV
Rus →Russland
Russland geht
auf die alte, ihrer Herkunft nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germanistische)
Stämme zurück, die vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer
Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses
zunehmend slawisierte, unter Wladimir dem Heiligen (977-1015) christianisierte
Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von Osten Mongolen vor, die unter Führung
des Fürsten von →Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das
einheimische, von oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht
(Strafrecht, Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrensrecht) wird als Russkaja
Prawda (russische Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s
aufgezeichnet (erhalten in Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt
das kirchlich-byzantinische Recht (slaw. →Kormcaja). In der frühen
Neuzeit wird R. ein autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden
(Ukraine 1654) ausgreifender Einheitsstaat (nach dem Fall des Kaisertums Ostrom
[1453] 1547 Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der Aufklärung nähert
(Katharina die Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt. Deutsche Siedler
(Russlanddeutsche) werden geholt. Das weltliche Recht wird 1645 auf der
Grundlage der Russkaja Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy
Michailovic in 25 Kapiteln und 963 Artikeln zusammengefasst (Privatrecht,
Zivilprozessrecht, Strafrecht, Handelsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht).
Kodifikationsversuche scheitern. 1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19.
Jh. ist R. europäische Großmacht, die als Führerin des Panslawismus handelt.
Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild des →Code civil Frankreichs zu
kodifizieren, scheitern nach dem erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813.
Eine neue, anfangs chronologisch, später aber unter Aussonderung überholter
Sätze lose systematisch geordnete, rechtswissenschaftlich rückständige, im
Wesentlichen nur das bestehende ständische Recht zusammenfassende Sammlung der
Gesetze (Svod Zakonov Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000
Artikeln entsteht 1833. Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird
durch die Rechtsprechung ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch
geschaffen. Die Leibeigenschaft wird 1861 durch Bauernbefreiung beseitigt.
Die Gewaltentrennung wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich
orientierte Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den
Städten angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung
mit dem römischen Recht an den Universitäten. Entwürfe einer seit 1882 an
einem Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft
gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution (Meuterei und Demonstration der
Arbeiter am 27. 2. 1917, Februarrevolution, nach gregorianischem Kalender am
12. 3. 1917) der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917 bzw. nach gregorianischem
Kalender am 15. 3. 1917, Republik) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt. Am
25. Oktober 1917 (= 7. 11. 1917) gewinnen die Sozialisten (Bolschewisten)
unter Uljanow (Lenin 1870-1924) durch gewaltsame Absetzung der Regierung die
Oberhand (Oktoberrevolution mit 6 Toten unter den Angreifern). Russland wird in
die Räterepublik der →Sowjetunion verwandelt. 1918 werden revolutionäre
Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht und Arbeitsrecht
geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter
Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili aus Georgien, 1878-1953, 1922
Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine
sozialistische (marxistische) Rechtsordnung begründet. 1960 wird ein neues
Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivilgesetzbuch (458 Artikel) und
Zivilprozessordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der
Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein
Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow
eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken
(Sowjetunion) in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) überführt,
deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist. Zum 1. 1.
1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuchs in Kraft. 1996 wird
in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des
gesamten russischen Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911;
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der Bauernbefreiung in Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte,
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1966,, 2. A. 1988; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
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C., Peter the Great’s Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H.,
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Erläuterungen, Teil 1 2013; Hildermeier, M., Geschichte Russlands, 2013;
Gorbatschow, M., Alles zu seiner Zeit, 2013; Neutatz, D., Träume und Alpträume,
2013
Russkaja Prawda
(F.) russische Wahrheit →Russland
Rutscherzins ist
im Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende)
Grundzins in der →Grundherrschaft.
Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876, 80f.;
Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272
S
SA (Sturmabteilung
im Nationalsozialismus)
Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und
Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003; Schafranek, H.,
Söldner für den Anschluss, 2011; Bürgerkriegsarmee, hg. v. Müller, Y. u. a.,
2013
Saar ist
das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort →Saarbrücken, das 1918 und 1945
von Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935 (Volksabstimmung vom 13. 1.
1935 mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent für eine Heimkehr) und am 1. 1.
1957 (23. 20. 1955 Ablehnung des internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7
Prozent) zu Deutschland zurückkehrt (Saarland).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar
zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die
nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E.,
Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v.
Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996; Elzer, H., Die deutsche
Wiedervereinigung an der Saar, 2007; Becker, F., Deutsch die Saar, immerdar,
2007; Fabry, P., Bartholomäus Koßmann - Treuhänder der Saar 1924-1935, 2011
Saarbrücken an
der Saar erscheint nach älteren unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als
vielleicht schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948
wird unter Frankreich (1945-1957) eine Universität gegründet.
Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft
Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992;
Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999
Saarland ist
das am 1. 1. 1957 aus dem von Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete
Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu
Preußen und vordem zu Nassau (1381).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die
Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall -
das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997; Hahn, M., Das Saarland im doppelten
Strukturwandel 1956-1970, 2003; Küppers, H., Johannes Hoffmann (1890-1967),
2008; Burgard, P., Kleine Geschichte des Saarlands, 2010
Sabinianer ist
der Angehörige der nach →Sabinus benannten, eher traditionsverhafteten
und pragmatischen Schule der römischen Jurisprudenz (z. B. Cassius, Iulianus,
Iavolenus) im Gegensatz zum Prokulianer.
Sabinus,
Masurius (1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der
Rechtsschule der →Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter.
Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher
römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihenfolge Erbe,
Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung.
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24;
Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen
Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles
Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187
sacebaro →sakebaro
sacer (lat.)
geweiht, verflucht
Lit.: Köbler, DRG 27
sacerdotium (lat.
[N.]) Priestertum, Kirche (in Gegensatz zu [lat. N.) imperium
[Kaisertum] oder regnum [Königtum])
Lit.: Von sacerdotium und regnum,
hg. v. Erkens, F. u. a., 2002
Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer
einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich
ziehen kann. →lex Aquilia
Lit.: Kaser
§ 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht,
Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der
actio legis Aquiliae, 1958
Sache (Wort
mit anderer Bedeutung „Verfolgung“ bereits für das Indogermanische zu
erschließen, lat. [F.] res) ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen
Reiches (1900) der körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (z.
B. nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 [§ 285] alles,
was nicht Person bzw. Mensch ist). Im Anschluss an den bzw. im Gegensatz zu dem
bei Gaius (um 160 n. Chr.) Körperliches (res corporalis) und Unkörperliches
(res incorporalis) anscheinend zu einer übergeordneten Einheit verbindenden,
aber auch hinsichtlich von Herrschaft und Übertragung gegenüberstellenden
res-Begriff des römischen Rechtes vertritt das heutige deutsche Recht wohl
unter dem Einfluss Savignys einen engen Sachbegriff des körperlichen
Gegenstands. Unterschieden werden innerhalb des körperlichen Gegenstands bewegliche
und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und beschränkte dingliche
Rechte an Sachen.
Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123,
140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann,
M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sachenrecht (1691) ist objektiv die Gesamtheit
der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein S. (lat. res [F.Pl.])
sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Rechtskundige →Gaius
(um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder aufgegriffen (z.
B. Projekt des Codicis Juris Fridericiani 1751, str.), wenngleich die Sache
unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts steht das →Eigentum
als absolutes Herrschaftsrecht. Von ihm zu trennen sind beschränkte dingliche
Rechte (z. B. Pfand, Dienstbarkeit, Erbbaurecht) und die tatsächliche Gegebenheit
Besitz. Das einzelne subjektive S. (dingliche Recht) gewährt eine auf die einzelne
Sache gerichtete, gegen jedermann (absolut) wirkende Herrschaftsbefugnis, die
in Rom mittels einer (lat. [F.] actio) durchgesetzt werden kann.
Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der
Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961
masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 1974, 8. A.
1996, 10. A. 2003; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs,
H./Schubert, W., Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum
römischen Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in
der SBZ/DDR, 2001; Füller, J., Eigenständiges Sachenrecht?, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Rüfner,
T-. Savigny und der Sachbegriff des BGB (in) Unkörperliche Güter im Zivilrecht,
2011, 33; Zwalve, W./Sirks, B., Grundzüge der europäischen
Privatrechtsgeschichte - Einführung und Sachenrecht, 2012
Sachgesamtheit (F.) ist die aus praktischen Gründen
aus mehreren an sich selbständigen Sachen gebildete Einheit (lat. corpus
ex distantibus, z. B. Tierherde, Briefmarkensammlung, Bibliothek), die
unterschiedlich behandelt werden kann.
Lit.: Hammerstein,
J., Die Herde im römischen Recht, 1975; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit als
Gegenstand des klassischen römischen Rechtes, 1993
Sachhaftung ist
die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes) unabhängig von einer Person.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3
Sachmangel (Wort 1899) ist die Abweichung
einer Sache von der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits
der römische Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache unabhängig
von Verschulden →Wandlung und →Minderung, sofern nicht der Mangel
bei Vertragsschluss bekannt ist. Demgegenüber geht das mittelalterliche Recht
außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere und arglistig verschwiegenem Mangel
von dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den
Viehkauf (bis 2002) bei.
Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der Sachmängelhaftung,
1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L. Schnorr von
Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Niedrig, H.,
Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum Bürgerlichen Gesetzbuch,
1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche Sachmängelgewährleistungsrecht des Code
civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch,
1999; Medicus, D., Zur Geschichte der Sachmangelhaftung, (in) Rechtsgeschichte
und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307; Harke, J., Die Sachmängelhaftung beim
Werkvertrag, ZRG RA 124 (2007), 305; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sachse ist
der Angehörige des um 150 n. Chr. bei Ptolemäus in Alexandrien erstmals
erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen Volkes, dessen
Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im Frühmittelalter von den →Franken
(Karl d. Große 772-804) erobert wird. Das sächsische Recht ist in der (lat. [F.])
→Lex Saxonum und im →Sachsenspiegel aufgezeichnet. S. Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG
67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v.,
Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.; Schletter,
H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Bürgerliches
Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck 1973; Schröder,
R., Der sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E., die
Stellung der Grafen von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920; Heck,
P., Die Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A.,
Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, 1927;
Lintzel, M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck,
P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur
altsächsischen Standesgliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und Angelsachsen,
Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949); Freytag, H., Die
Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die Stände der
Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen
919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses, ZRG GA 79
(1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers,
W., 1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die Brunonen,
2000; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll,
F., 2004; Capelle, T., Widukinds heidnische Vorfahren, 2008; Kümper, H.,
Sachsenrecht, 2009
Sachsen ist im Hochmittelalter das
Gebiet der Sachsen.1180 ist es von dem Staufer Friedrich I. Barbarossa in der
Auseinandersetzung mit dem Welfen Heinrich dem Löwen zerschlagenes Herzogtum
und später unter den Askaniern bzw. ab 1422 den Wettinern Kurfürstentum (1485
Land zwischen den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde
1485 an Ernestiner, 1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb
der Krone des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die
mittlere Elbe (Dresden) bleibt das Land Sachsen (1806 Königreich, 1918
Freistaat, 1838 Criminalgesetzbuch, 1855 Strafgesetzbuch, 1868 revidiert,
ohne großen Einfluss auf das Reichsstrafgesetzbuch von 1871, 1852 Entwurf eines
Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1863/1865 Bürgerliches Gesetzbuch in fünf
Büchern, Einfluss auf das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1896)
bis zur Gegenwart (ausgenommen 1952-1990) erhalten, während die zersplitterten
ernestinischen Fürstentümer 1920 in Thüringen wiedervereinigt werden und
das 1815 von Preußen Sachsen abgewonnene Gebiet mit anderen Gebieten zur
preußischen Provinz Sachsen und 1945 zum Land Sachsen-Anhalt (Magdeburg) wird. →Sachse
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen1863.pdf;
Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke, R., Ländliche Siedlung und
Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen
Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Richter, G., Die
ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das kursächsische Appellationsgericht
1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Haas, G., Verfassung und
Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, Diss. jur. Jena
1967; Blaschke, K., Bevölkerungsgeschichte von Sachsen, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699 Klein, T., Sachsen,
1982; Wissenschafts- und Universitätsgeschichte
in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok, K., 1987; Otto, J.,
Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi Senesi 107 (1995), 369; Ahcin,
C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von
1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997;
Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone, 1998; Herrschaftsrepräsentation
im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Sachsen und Franken in
Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen in Deutschland, hg. v. Retallack,
J., 2000; Beck, L., Herrschaft und Territorium der Herzöge von
Sachsen-Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v.
Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla,
A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen Untergerichte in
Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 222;
Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der Gothaer
Fürstenstaat, 2002; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R. u. a.,
2003; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Karlsch, R.
u. a., Wirtschaftsgeschichte Sachsens, 2006; Krüger, N., Landesherr und
Landstände in Kursachsen, 2007; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2007;
Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg
1800-1826, 2007; Moritz von Sachsen, hg. v. Blaschke, K., 2007; Volkmar, C.,
Reform statt Reformation, 2007; Wilschewski, F., Die karolingischen
Bischofssitze des sächsischen Stammesgebietes, 2007; Ott, T., Präzedenz und
Nachbarschaft, 2008; Ostsiedlung und Landesausbau in Sachsen, hg. v. Bünz, E.,
2008; Meding, W. v., Aufgehobener Glaube, 2009; Weber, J., Das sächsische
Strafrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Bily, I. u. a., Sächsisch-magdeburgisches
Recht in Polen, 2011
Sachsen-Anhalt
ist das am 5. 7. 1945 (zum 9. 7. 1945) aus der Provinz Sachsen →Preußens
und aus dem Freistaat →Anhalt (nach der Auflösung Preußens) gebildete
Land (6. 10. 1947) der sowjetischen Besatzungszone, das nach seiner Auflösung
(1952/1957) in der →Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 mit
der Hauptstadt Magdeburg wieder entsteht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B.,
Sachsen-Anhalt, 1995; Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, hg. v. Kilian, M.,
2004
Sachsenrecht oder
gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des →Sachsenspiegels
(1221/1224) und der Spruchtätigkeit der Gerichte in →Sachsen angewendete
Recht, das erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst
wird.
Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von
Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58;
Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte
des sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechtes in
Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechtes durch →Gratian
um 1140 zeitlich nachfolgende, von ihnen vielleicht angeregte, an unbekanntem
Ort (nach Landau möglicherweise in Kloster Altzelle) vielleicht zwischen 1221
und 1224 von →Eike von Repgow zunächst auf Latein geschaffene Rechtsbuch
(→Landrecht im Gegensatz zu Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser
bezeichnet sein Werk als (mnd.) spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr
Recht wie sonst Frauen im Spiegel ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. →speculum
[N.] z. B. speculum ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis
1. H. 12. Jh.). Die einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr
berücksichtigten zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung
der ersten Fassung zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Die in
Latein gehaltene Gestalt ist (vielleicht) mit Ausnahme des Lehnrechts (sog.
[lat.] →Auctor [M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst
stammt noch die bald danach verfertigte völlig neuartige mittelniederdeutsche
Übersetzung, die (bis 1270) mehrfach erweitert wird, wobei auch die Textform
IIa bereits im zweiten Viertel des 13. Jh.s entstanden sein dürfte. Der S.
erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwachsende Recht (Gewohnheitsrecht,
Landfriedensgesetze) Ostfalens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst
biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich anfangs nur in zwei Teile
(Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR
bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph. Vom Ende des 13. Jh.s an
breitet sich der jetzt zusätzlich im Landrecht in drei Bücher geteilte S. in
Hunderten von teilweise noch erhaltenen Handschriften (etwa 465, mindestens 341
Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte, älteste Fragmente Kopenhagen, Königliche
Bibliothek, NKS 1479, fol. 1 [Sammelmappe] und Fragmentsammlung 12, fol.
1866, 2. Viertel/Mitte 13. Jh., Berlin, Staatsbibliothek Fragm. 22, 3. Viertel
13. Jh., 8 Fragmente und 2 bzw. 3 Handschriften [Leiden, Universitätsbibliothek
BPL 180 B, Ende 13. Jh./um 1300, Mirbach-Harff, Antonius Graf von, 1295, Mai 7,
Arpe, Peter Friedrich, seit 1837 verschollen, 1296?] wohl noch aus dem 13. Jh.)
in einem von Holland bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften
(Dresdener, Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhandschrift sowie
mindestens drei verschollene Exemplare), Übersetzungen (in das Lateinische
und Mittelhochdeutsche u. s. w.),
Bearbeitungen (Glossen u. a. des Johann von →Buch 1325, Nikolaus →Wurm,
Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage
zahlreiche weitere Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Landrecht
1356, Berliner Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts
E. 14. Jh., sächsisches Weichbild, →Deutschenspiegel und →Schwabenspiegel
u. s. w.) verfasst. Kein Artikel des
Sachsenspiegels ist durchgängig und ebenso kein Artikel überhaupt nicht in
die späteren Rechtsbücher des sächsisch-magdeburgischen Rechtes eingegangen. Insgesamt
eignet sich vor allem das „städtische Milieu“ den S. (im Strafrecht, Verfahrensrecht
und Erbverfahrensrecht) an. Sehr späte Nachwirkungen zeigen sich noch in zwölf
Urteilen des Reichsgerichts des Deutschen Reiches ab 1882 (RGZ 7,110, 7,132,
7,139, 12,239, 25,189, 29,134, 45,170, 52,379, 101,08?, 113,349, 137,324 [9. 7.
1932 Landrecht I 52 §1]), in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der
Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1988 (2 BvR 579/1984 BVfGE 78,205) und
einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1989 (III ZR 266/1987). →Sachsenrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124,
143; Sachsenspiegel, hg. v. Homeyer, C., 1827, 2. A. 1835ff., 3. A. 1861ff.; Schuster,
H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882), 136; Schröder, R.,
Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Schröder, R.,
Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De Saksenspiegel in
Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G., Erörterungen über die
Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125; Schröder, R., Zu der
praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 226; Friese, V., Das
Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Gundlach, W., Karl der
Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im
ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen
Handschriften des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck,
P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und
Graf im Sachsenspiegel, 1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den
Sachsenspiegel, 1907; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser
Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor, E., Die Stände der Freien in
Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P., Die Bannleihe im
Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die Verdeutschung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der rechtshistorische Gehalt
der Sachsenspiegelvorreden, ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch, G., Zwei
Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924), 307; Voltelini, H. v., Der
Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924; Sinauer, E., Eine Lüneburger
Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408; Das Landrecht des
Sachsenspiegels nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v. Borchling, C.,
1925; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien Heft 2 Die Entstehungszeit des
Sachsenspiegels und der sächsischen Weltchronik 1931 (Abh. Göttingen), Heft 3
Die Textentwicklung des Sachsenspiegels von 1220 bis 1270, 1933 (Abh.
Göttingen); Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K. 1933;
Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v., Ein
Beitrag zur Quellenkunde des Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938), 548;
Kallen, G., Friedrich Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des
Sachsenspiegels, ZRG GA 58 (1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die
zweite bekannte Handschrift des holländischen Sachsenspiegels, ZRG GA 59 (1939),
253; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese, H., Die
rechtliche Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen Estlands
und Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum
Sachsenspiegel II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow,
Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der
Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg
und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum
Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und
Familienrecht im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel,
Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und
Anwendung des Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann,
J., Ein elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291;
Eike von Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966;
Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O.,
Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte
Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971),
190; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik,
1972; Kisch, G., Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W.,
Über das „ungezweite Gut“ in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H.,
Erfolgshaftung nach dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski,
Z., (Lateinische Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975;
Krause, H., Der Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93
(1976), 21; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, (in)
Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A.,
Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow
Sachsenspiegel, hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der
Nähe von Goslar, ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher
des Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem
Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H.,
1991, 232; Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der Sachsenspiegel
als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift.
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman,
2. A. 1995; Aus dem Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen
Speyghel, Bd. 1f., hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel
aus Oppeln und Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K., Von
der Gewohnheit zum Recht, (in) Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u.
a., 1998, 68; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler
Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das
neu aufgefundene Fragment 80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514; Lück, H., Über den
Sachsenspiegel, 1999, 3. A: 2013; Der Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P.,
2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H., 2002; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische
Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003)
61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein Brief aus uralten Zeiten, DA 59 (2003),
548; Kümper, H., Sachsenspiegel – Eine Bibliographie, 2004; Landau, P., Der
Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73; Weinert, J., Die
Dresdner Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 2007; Bertelsmeier-Kierst, C.,
Zur ältesten Überlieferung des Sachsenspiegels, (in) Worte des Rechts, 2007,
56; Rechts- und Sprachtransfer in Mittel- und Osteuropa - Sachsenspiegel und
Magdeburger Recht, hg. v. Eichler, E. u. a., 2008; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008;
Munzel-Everling, D., Der Sachsenspiegel - Die Heidelberger Bilderhandschrift,
2009 (CD) http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg164/2026; Kümper, H.,
Sachsenrecht, 2009; Hetz, C., Die Rolle des Sachsenspiegels in der Judikatur
des deutschen Reichsgerichtes in Zivilsachen, 2010; Eike von Repgow, Sachsenspiegel.
Die Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164 (bzw. Tri 164), hg. v.
Kocher, G., u. a., 2010; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Dresdner
Bilderhanschrift Mscr. Dresd. M 32, hg. v. Lück, H., 2011
http://www.slub-dresden.de/sammlungen/handschriften/sachsenspiegel
Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum →Sachsenspiegel
erarbeitete →Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von
Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse). Die Glosse Johann von
Buchs zum Landrecht kann nur in einem längeren Vorgang entstanden sein, wobei
Teile bereits vor 1325 niedergeschrieben worden sein können. Die 40 (bzw. 31
noch benutzbaren) Textzeugen der Glosse zum Lehnrecht (eines unbekannten
Verfassers) lassen sich in vier Testklassen (kürzere Glosse, längere Glosse,
Wurmsche Glosse, gemischte deutsch-lateinische Glosse) gliedern (insgesamt 204
Handschiften und Fragmente, 82 noch vollständig vorhandene Handschriften.)
Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss
der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der
Landrechtsglosse des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer
Glossenhandschrift, ZRG GA 39 (1918), 365; Die Landrechtsglosse des
Sachsenspiegels, hg. v. Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925;
Schilling, K., Das objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer,
E., Studien zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über
die Glosse zum Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht.
Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002; Kaufmann, F., Die Glossen zum
Ss.-Lehrnrecht, ZRG GA 123 (2006), 284; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht,
hg. v. Kaufmann, F., 2006; Kannowski, B./Kaufmann, F., De glose vornim vnde
dute mit vlite, ZRG GA 125 (2008), 50; Manuwald, H., The prologueto the gloss
on the Sachsenspiegel, ZRG GA 130 (2013, 355; Glossen zum
Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die längere Glosse, hg. v. Kaufmann, Frank-Michael,
2013
Sächsischer Prozess
ist die in →Sachsen in der frühen Neuzeit geltende Form des →Prozesses,
die einige Besonderheiten bewahrt und weiterentwickelt. Der sächsische Prozess
gründet sich auf das 1356 vom Kurfürstentum →Sachsen erlangte (lat. N.)
privilegium (N.) de non appellando (Nichtappellationsprivileg), sächsische
Hofgerichtsordnungen von 1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die kursächsischen
Konstitutionen von 1572 und die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist
grundsätzlich mündlich. Der Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der
Klage verurteilt werden. Eine Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis
contestatio (F.) (Streitbefestigung) ist einfache Klagebeantwortung. Das selbständige
Beweisverfahren endet mit einem selbständig angreifbaren Beweisinterlokut
(Beweisurteil). Es gibt nur eine Tatsacheninstanz.
Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657;
Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda,
G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete und am 1. 3. 1865 in
Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich →Sachsen. Es
umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch des
Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im Wesentlichen abgelöst.
Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E.,
Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des
königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das
Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553; Ahcin, C., Zur Entstehung
des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996
sächsisches Recht →Sachsenrecht
Lit.:
Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und
Polen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Als Verfasser scheidet
wohl Eike von Repgow aus. Auch die Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?, 1260,
Magdeburg vor 1276) ist umstritten.
Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG GA 53
(1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen
Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die
sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000
sachverfolgend, Adj., reipersekutorisch (z. B. Klage auf Ausgleich eines Vermögensverlusts
im römischen Recht mit dinglichen Ansprüchen (lat. [F.] actio in rem) und
schuldrechtlichen Ansprüchen (lat. [F.] actio in personam) im Gegensatz zu
pönal
Sachverhalt ist
ein tatsächliches Geschehen (Sein). Dementsprechend ist der S. als solcher
zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S.
anscheinend erst im späten 19. Jh., in dem es dem Tatbestand gegeübergestellt
wird.
Lit.: Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995
Sachverständiger ist der Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat,
das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der
Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt
er wieder an Gewicht. In der Regel erwirbt der Sachverständige, als welcher
sich grundsätzlich jedermann frei selbst für irgendetwas (wie z. B. Altarkunde)
bezeichnen darf, sein Wissen aus einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Bernet,
M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich, 1967;
Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D.,
Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte
des Sachverständigenbeweises im Strafprozess, 1984
Sachwalter
Lit.: Winterberg, H., Der
Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295
Säcken ist
der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er
sich vor allem im römischen Altertum findet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
sacramentum (lat.
[N.]) Eid
Sacra Rota (F.) Romana (lat.) →Rota
Lit.: Kroeschell, DRG 2
sacrum imperium
(lat. [N.]) heiliges Reich
sacrum imperium
Romanum (lat. [N.]) Heiliges römisches
Reich
Sage ist
die mündliche Überlieferung eines möglichen vergangenen, nicht sicher bezeugten,
in manchen Fällen aber vielleicht tatsächlich so oder so ähnlich abgelaufenen
Geschehens.
Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA 92
(1975), 201; http://www.sagen.at;
Bacher, M., Das Recht in den Sagen Obwaldens, 2011
Saint Bertin
Lit.: Coopland, G., The abbey of
Saint-Bertin, 1914
Saint Denis
Lit.: Sonzogni, D., Le chartrier
de l‘abbaye de Saint-Denis en France, Pecia 2 (2003), 9 (bis 987 267 Stücke);
Leistenscheider, E., Die französische Königsgrablege Saint-Denis, 2008
Saint-German,
Christopher (um 1460-1540) wird nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung
in Oxford und der rechtspraktischen Ausbildung an Inner Temple Inn of Court
Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.) Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de
conscientia (engl. Dialogues between a Doctor of Divinity and a Student of the
Common Law, 1530/1, Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des
gemeinen Rechtes). Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und
des englischen Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen
Ausschließlichkeit bestehenden gemeinsamen Grundgedanken.
Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the Common
Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian Writers of Doctors’ Common, 1988
Saint Germain
en Laye westlich von Paris ist der Ort des ohne unmittelbare Beteiligung
Österreichs an den Verhandlungen geschaffenen Friedensvertrags zwischen den
Alliierten des ersten Weltkriegs und Österreich vom 10. 9. 1919, in dem →Österreich
auf den →Anschluss an das →Deutsche Reich und die allgemeine
Wehrpflicht verzichten muss und Gebiete (z. B. Ostgalizien, Südtirol, Trentino,
Triest, Istrien u. a. ) verliert, aus denen z. B. Ungarn, die Tschechoslowakei,
Polen und Jugoslawien entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von
Schönbrunn bis St. Germain, 1964
Saint-Simon,
Claude Henri de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter des frühen
Sozialismus in Frankreich.
Lit.: Köbler, DRG 179
Saínz de Andino,
Pedro (1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Sevilla
Anwalt, Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst nach französischem Vorbild das
erste spanische Handelsgesetzbuch (Código de comercio 1829,).
Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la codificación
mercantil, 1950, 27
Saio ist im
frühmittelalterlichen gotischen Recht der Beauftragte eines Herrn.
Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960; Morosi,
R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch,
1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
saisina (lat.-afrk.
[F.]) Ergreifung
Lit.:
Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954
Sakebaro (lat.-afrk.)
ist der königliche Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters im Streitwesen
(„Streitmann“ als Helfer des Grafen).
Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983
Sakralrecht ist
im römischen Recht das von der Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der
Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2;
Söllner § 5, 6; Sakralität zwischen Antike und Neuzeit, hg. v. Hamm, B. u. a.,
2007
Sakrament (lat.
[N.] sacramentum, heilige Handlung) ist im antiken Rom das an einem heiligen
Ort zu hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende
heilige Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente angenommen
(Taufe, Firmung, Buße, Krankensalbung, Eheschließung, Priesterweihe und
Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und
Abendmahl.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Sakrileg (N.) Tempelschändung
Lit.: Glatthaar, M., Bonifatius
und das Sakrileg, 2004
Säkularisierung oder Säkularisation (zu lat. saeculum [N.] Geschlecht,
Zeitalter, zuerst S. als Wechsel eines Ordensgeistlichen in den Weltklerus, 8.
Mai 1646 secularisieren als kirchliches Gut in weltliche Herrschaft bringen)
ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher
Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. 1802
linksrheinisch nach französischem Recht bzw. im →Reichsdeputationshauptschluss
vom 25. 2. 1803, rund 10000 Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen
betreffend) sowie die allgemeine Entkirchlichung (vor allem infolge der
französischen Revolution von 1789).
Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902,
Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller, M., Säkularisation und
Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v.
Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der
Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung,
1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996;
Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der
Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003; Alte Klöster –
neue Herren. Die Säkularisation im Südwesten, hg. v. Himmelein, V., 2003; Die
Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003; Bayern ohne Klöster?, hg. v.
Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 2003; Annen, M.,
Säkularisierung im 19. Jahrhundert, 2004; Die Säkularisation im Prozess der
Säkularisierung Europas, hg. v. Blickle, P., 2005; Friedrich, W.,
Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Pohlig, M. u. a., Säkularisierungen in
der frühen Neuzeit, 2008; Hannöver, B., Die Säkularisation der Zisterzienserinnenklöster
in Westfalen 1803 bis 1810, 2009; Dreier, H., Säkularisierung und Sakralität,
2013
sala (ahd.
[F.]) Gabe, Übergabe, vgl. engl. sale
Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS
Salamanca am
Tormes ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw. 1218/1219 Sitz einer
Universität. Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer Grundlage in der Schule
von S. die Erkenntnis des →Naturrechts besonders gefördert.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der
Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987;
Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990
Salbuch ist
im Mittelalter das Güter betreffende Buch (Güterverzeichnis, Urbar).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und
Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4
(1958), 183
Salbung ist
die Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung.
Die S. stammt aus dem Orient. (751? bzw.) 754 salbt Papst Stephan II. den
fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und Karlmann.
Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament,
1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23
(1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Enright,
M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986;
Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003
Sale of Goods
Act (1893) ist das das
Warenkaufsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Salerno in
Kampanien wird 197 v. Chr. als römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und
Langobarden kommt es 1077 an die Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort
als möglicherweise erste Universität des europäischen Mittelalters eine
berühmte Schule der Medizin. Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine
Universität gegründet.
Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989
Salfranke ist
der dem salischen Teilstamm angehörende →Franke. →Pactus legis
Salicae
Lit.: Köbler, DRG 80
Salgut (N.)
Herrengut
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das
Salgut, 1862; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R.,
Sali, 1968
Salicetus, Bartholomäus ist ein in Bologna zwischen
1330 und 1340 geborener, in Bologna ausgebildeter, vielleicht ab 1363
lehrender, am 28. 12. 1412 verstorbener Jurist (Commentaria in Codicem
[Kommentare zum Codex], commentaria in Digestum vetus [Kommentare zum ersten
Teil der Digesten], consilia [Gutachten], tractatus de mora [Abhandlung über
Verzug], repetitiones [Wiederholungen], lecturae [Lesungen]).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 796
Salier ist
der Angehörige des von 1024 bis 1125 im Deutschen Reich als Könige herrschenden
fränkischen Geschlechts (Konrad II. 1024-1039, Heinrich III. 1039-1056,
Heinrich IV. 1056-1106, Heinrich V. 1106-1125).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76;
Bosl, K., Die Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.,
Neudruck 1968f.; Werle, H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof,
E., Die Salier, 1987, 2. A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000, 5. A. 2008;
Weinfurter, S., Herrschaft und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das
Reich, hg. v. Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992, 2. A. 1992;
Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg. v.
Seyffert, H., 1996; Struve. T., Die Salier und das römische
Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier,
2002, 2. A. 2008, 3. A. 2010; Weinfurter, S., Das Jahrhundert der Salier, 2004;
Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 2. unv. A. 2008; Laudage, J., Die Salier,
2006; Struve, T., Salierzeit im Wandel, 2006; Salisches Kaisertum und neues
Europa, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2007; Die Salier, das Reich und der
Niederrhein, hg. v. Struve, T., 2008; Clauss, M., Die Salier, 2011; Die Salier,
hg. v. Historischen Museum der Pfalz Speyer u. a., 2011
Salisbury
Lit.:
Friost, C., Time, Space and Order, 2009
Salische Erbfolge
ist die Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem
Recht.
Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss.
phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, (in)
Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L’Empire du
roi, 1993
Salland (N.)
Herrenland
Salmann ist
der →Treuhänder im mittelalterlichen Recht (ältester chronikalischer
Beleg vielleicht 1123/1124).
Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Kober,
A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste
chronikalische Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
Salvatorische Klausel
ist eine befreiende Klausel (z. B. in der →Constitutio Criminalis
Carolina von 1532, die ausdrücklich die hergebrachten Bräuche partikularer Art
unberührt lassen will).
Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288
Salz ist das aus Natrium und Chlor gebildete Gewürz
(Natriumchlorid).
Lit.: Volk, O., Salzproduktion und
Salzhandel mittelalterlicher Zisterzienserklöster, 1984
Salzburg an
der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein
eigenes Landrecht. Im 14. Jh. löst es sich als Erzstift von Bayern. 1622 wird
S. Sitz einer bis 1810/1818 bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität.
1731/1733 werden 10500 Protestanten vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert
(Großherzog von Toskana) und gelangt 1805, 1809 an Bayern und 1816 an →Österreich
(Oberösterreich), wo es 1850 eigenes Kronland wird (1920 Bundesland, 1939-1945
Reichsgau, 1945-1955 Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika).
Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v.
Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten
Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur
Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der
salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler,
1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979;
Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das
Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger, F., Die
Salzburger Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich,
1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte
Salzburgs, 1998; Ortner, F., Salzburgs Bischöfe, 2005; Die Säkularisation
Salzburgs 1803, hg. v. Ammerer, G. u. a., 2005; Quellen zur Salzburger
Frühgeschichte, hg. v. Wolfram, H., 2006; Landesordnung und gute Policey, hg.
v. Gehringer, H. u. a., 2008
Salzregal →Regal
Salzwedel
Lit.: Stephan, J., Die Vogtei
Salzwedel, 2006
Same ist der Angehörige eines nordskandinavischen,
nichtindogermanischen Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden).
Lit.: Firsching,
A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im
Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002; Allemann, M., Die Samen der
Kola-Halbinsel, 2010
sanatio (lat. [F.]) Heilung
Sanhuri, Al
(Alexandria 1895-1971) passt nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich
das islamische Recht von →Saria und →Megelle im ägyptischen
Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an.
Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende,
W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989
Sankt Blasien
Lit.: Urkundenbuch des Klosters
S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb. v. Braun, J., 2003
Sankt Gallen
südlich des Bodensees erwächst (719) aus einer um 612 errichteten Zelle des
heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten
Bildungsorte des fränkisch-deutschen Reiches, dem zwischen 760 und 950 etwa 500
Konventuale angehören, von denen ein Viertel als Urkundenschreiber tätig ist.
1411/1412 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft
der →Schweiz zu.
Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus
sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg.
v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons
Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der
Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, W., Rechtsgeschichte
des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A., Urkundenbuch zur st.
gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.; Ganahl, K., Studien zur
Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt Gallen, 1931; Moser-Nef, C.,
Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, Bd. 1ff. 1931ff.; Ehrenzeller,
W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef, C., Die
freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, (1934); Sprandel, R., Das Kloster
Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie und leibeigene Sankt Galler
Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St.
Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964;
Müller, W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959;
Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974;
Schauri, F., Karl Beda Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt gallischen
Bestrebungen zur Kodifikation des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad Meyer
(1780-1813) und die sankt gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979;
Chartularium Sangallense, hg. v. Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982ff.; Kommentar
zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden,
hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in früheren
Zeiten, 1991; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992;
Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995;
Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im
Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1999; Ratpert, St. Galler
Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002; Schaab, R., Mönch in Sankt
Gallen, 2003; Jordan, G., Nichts als Nahrung und Kleidung, 2007; Euw, A. v.,
Die St. Galler Buchkunst, 2008; Büker, D., Vier Jahrhunderte und vier Jahre -
Der Klosterplan, 2009 (s. www.stgall.org)
Sankt Goar
Lit.: Zwischen Rhein und Mosel,
hg. v. Heyen, F., 1966
Sankt Peter
Lit.:
Die ältesten Güterverzeichnisse des Klosters Sankt Peter im Schwarzwald, bearb.
v. Krimm-Beumann, J., 2011
Sankt Pölten
Lit.: Beiträge zur
Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959
Sankt Trudpert
Lit.: Beiträge zur Geschichte von
Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T., 1937
San Marino
ist die vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.)
zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in
Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino,
Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die erste überlieferte Fassung
des Rechtes San Marinos stammt wohl aus dem ausgehenden 13. Jh.
Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v.
Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof,
M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997
Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus
gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs
und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte
Europas.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Santiago, 1993
sapiens (lat.)
wissend, weise
Sarazene (M.)
→Araber
Sardinien ist
die nach den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen
bezeugten Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über Karthager, Römer,
Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach
dem Untergang der →Staufer wird 1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt.
1713/1714 fällt S. über Spanien erbweise an →Österreich, das es 1718/1720
im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich
Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861 ausgerufenen Königreichs
→Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le leggi
spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F.,
La Sardegna, 1990
Saria (Scharia,
Weg zur Tränke) ist das auf dem →Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh.
entstandene islamische Recht. Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden.
Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch europäisches Recht
zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt in einzelnen Ländern eine
Rückbesinnung auf sie. →Islam
Sassari (1188
Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des
Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität.
Lit.: Castellaccio, A., Sassari
medioevale, 1992
satisfactio (lat.
[F.]) Genugtuung
Satzung ist
die gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor allem das objektive gesetzte
Recht und das vereinbarte (und damit gesetzte) →Pfand, in der Neuzeit das
von einer mit Autonomie begabten juristischen Person des öffentlichen oder
privaten Rechtes geschaffene Recht oder →Statut. Im Rahmen des
Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand (Besitz des Pfandgläubigers)
und Nutzungspfand, die sog. jüngere S. ein besitzloses Pfand (Besitz des Pfandschuldners).
Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125;
Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R.,
Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981),
157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10
(1983), 385
Säumnis ist
das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer
Ladung zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon
früh nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich.
Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser,
M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966
Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin
25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel, 1791/1793 verwaist
(danach in Wetzlar bei Reichskammergerichtsrat Neurath), wird nach dem
Rechtsstudium in Marburg (April 1795, Weiss) und (kurz in) Göttingen (mit 21
Jahren, nach Studienabschluss im Juli 1799 Bildungsreise nach Sachsen, in
Leipzig Entschluss zur Hochschullaufbahn) und der im Herbst 1800 mit der
strafrechtlichen Abhandlung (lat.) De concursu delictorum formali (Note cum
laude eximia) erfolgten Promotion (Rigorosum 13. 9. 1800, Promotionsakt 31.
10. 1800) (1800) Dozent in Marburg (Wintersemester 1800/1801 Strafrecht, Sommersemester
1801 römisches Zivilrecht bzw. über die Bücher 41-46 der Pandekten nach Böhmer,
J. H., Introductio in jus Digestorum 14. A. 1791, Wintersemester 1801/1802 letzte
Titel der Pandekten, Sommersemester 1802 in Ergänzug zu einer
Lehrveranstaltung des Lehrers Philipp F. Weis nach eigenem Plan zweistündiges
Kolleg zur Methodenlehre, Wintersemester 1802/1803 in Ergänzug zu einer
Lehrveranstaltung Anton Bauers Juristische Methodenlehre bzw. Anleitung zum
eignen Studium der Jurisprudenz), (mit 24 Jahren) nach Vorlage des um Ostern
1803 fertiggestellten Werkes über das Recht des Besitzes (am 13. 5.) 1803
außerordentlicher Professor (im Wintersemester 1803/1804 Lehrveranstaltungen
über Juris obligationum summa praecepta, Institutiones juris civilis,
Methodik?,), 1804 Bibliotheksreise nach Paris und Süddeutschland, Ruf nach
Heidelberg ausgeschlagen, 1808 ordentlicher Professor in Landshut (1808/1809
Institutionen, 1809 Pandekten nach Heises Grundriss eines Systems ges meinen
Zivilrechts) und 1810 an der neuen Universität →Berlin. Sein im Grunde
unhistorisches Buch „Das Recht des Besitzes“ (1803) macht ihn wegen seiner grundsätzlichen
und dadurch beispielhaften (historischen und systematischen) Methodik
allgemein bekannt. S. vereinigt dabei →Immanuel Kants (1724-1804) Vorstellung,
dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit
Gustav →Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich-systematischer
Durchdringung des positiven Rechtsstoffs (Jurisprudenz ist eine historische
Wissenschaft und eine philosophische Wissenschaft und die juristische Methode
wird in Verbindung des exegetischen und systematischen Elements vollendet) und
ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen konstruktiv-systematisch
den Besitzwillen als allgemeines logisches konstituierendes Element. Natury<recht
lehnt er ab. Zunehmend sieht er den Zweck von methodologischen Vorlesungen in
Einleitungen in eine Dogmatik des römichen Rechtes als „heutiges“ Recht und versteht
grundsätzlich das Recht als an seine geschichtlichen Voraussetzungen (z. B.
Deutschlands an das von Anfang an bestehende Fehlen eines tonangebenden
Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes
Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Außerdem will er schon im
Wintersemester 1802/1803 in der Methodenlehre die Interpretation voraussetzungslos
beschreiben, indem er sie auf ihre Geschichte (historisch) und ihre
Anschlüsse an die Gesellschaft (systematisch) beschränkt und damit den Wandel
von der ständischen Gesellschaft zur funktionsorientierten Gesellschaft auch
im Recht widerspiegelt. Quelle des Rechtes ist ihm das Volk, so dass er alles
Recht zunächst als Gewohnheitsrecht entstehen lässt. Mit seinen Vorstellungen
wird er zum Begründer der →historischen Rechtsschule, der nach der
Befreiung Europas von der Vorherrschaft Napoleons in der Völkerschlacht von
Leipzig (1813) im sog. →Kodifikationsstreit des Jahres 1814 mit der
seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung
und Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein deutsches Nationalgesetzbuch
ablehnt. Auf christlicher Grundlage wendet er sich gegen die jüdische
Emanzipation. Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte des römischen
Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des heutigen römischen Rechtes
(1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht (Preußens)
unterzieht er dieses einem oft kritischen Vergleich mit dem römischen Recht.
In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. Begriff der Sache, →Einigung,
→internationales Privatrecht, →Urheberrecht) wirkt er wegweisend.
Im Obligationenrecht begründet bei Savigny die schuldhafte Verletzung
von vertraglichen Pflichten keine selbständige obligatio, sondern modifiziert die ursprünglich auf Leistung
ausgerichtete Obligation zu einer Schadensersatzpflicht, die grundsätzlich auf
Naturalerfüllung geht. Das Delikt erzeugt dagegen immer eine selbständige
Obligation, der Strafcharakter zukommt. Nach der
Aufnahme des 1825 vom jüdischen Glauben zum Christentum übertretenden Eduard
Gans als außerordentlicher (1826) bzw. ordentlicher Professor (1828) in die
rechtswissenschaftliche Fakultät zieht sich S, aus ihr zurück. Wenig
sichtbaren Erfolg beschert ihm sein sechsjähriges, viele Grundlagen schaffendes
Wirken als Gesetzrevisionsminister in Preußen (1842-1848). Das Gesamtwerk wird
mit 15 Titeln in 42 Bänden angegeben.
Lit.:
http://savigny.ub.uni-marburg.de/db/;
Söllner §§ 16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208,
212, 214; Steig, R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit
für Gesetzgebung, ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine
Recht und der preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut
und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG
GA 36 (1915), 478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37
(1916), 511; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des
Internationalprivatrechts, 1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd.
1f., 1927ff.; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre,
1927; Wellek, R., Ein unbekannter Artikel Savignys über die deutschen
Universitäten, ZRG GA 51 (1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Schaffstein, F., Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72
(1955), 154; Wieacker, F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955),
232; Thieme, H., Savigny und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R.,
Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht,
Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F.,
Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny
und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v.
Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Schubert, W., Savigny und die
rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W.,
Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340;
Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Vorträge zum 200.
Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing, H., 1980; Hall, W. van,
Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99 (1982), 284; Hammen, H.,
Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen Grundlagen,
1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von
Savigny, 1984; Schröder, H., Friedrich Karl von Savigny. Geschichte und
Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland,
1984; Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys
System, (in) Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985, 257; Rückert,
J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986),
199; Ebel, F., Savigny officialis,
1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im Umkreis Savignys, ZRG GA
104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum Urheberrecht, (in) Grundfragen
des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die Begründung der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, 1992; Rückert, J., Savignys Konzeption von Jurisprudenz und
Recht, TRG 61 (1993), 65; Savignyana. Bd. 1 Pandektenvorlesung 1824, hg. v.
Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-42, hg. v.
Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3 Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger,
C., 1994ff.; Nörr, D., Savignys philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G.,
Geschichtlichkeit des Rechts bei Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie
1995, 365; Fälle und Fallen in der neueren Methodik des Zivilrechts seit
Savigny, hg. v. Rückert, J., 1993; Zimmermann, R., Savignys Vermächtnis, 1998;
Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich Carl von Savigny
(1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F. v., Politik und neuere
Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Schäfer, F., Savigny und das
Landrecht in Kollegnachschriften, ZRG GA 118 (2001), 367; Henne,
T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte Antijudaismus Savigny, ZRG 120
(2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003; Moriya,
K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Savignys Vorbereitung einer
zweiten Auflage des System des heutigen römischen Rechtes, hg. v. Murakami, J.
u. a., 2003; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Savigny, F.,
Pandekten Obligationenrecht Allgemeiner Teil, hg. v. Avenarius, M., 2008;
Rückert, J., Savigny-Studien, 2010; Rückert, J., Friedrich Carl von Savigny
(1779-1861) (in) Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät
Humboldt-Universität zu Berlin, 2010, 133; Rückert, J., Friedrich Carl von
Savigny, 2011; Reutter, W., Objektiv Wirkliches in Friedrich Carl von Savignys
Rechtsdenken, Rechtsquellen und Methodenlehre, 2011; Rückert, J. u. a.,
Savigny-Porträts, 2011, Reis, T., Savignyana - Savignys Theorie der
juristischen Tatsachen, 2013
Savoyen in
den Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem
12. Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit 1720 mit →Sardinien.
Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung →Italiens
(1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an
Frankreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die
Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die
Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et
seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264;
Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de Savoie et le pays de Vaud, hg.
v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989; Aux sources de l’histoire de l’annexion
de la Savoie, hg. v. Varaschin, D., 2009
scabinus (lat.-afrk.
[M.]) Schöffe
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Scaccia,
Sigismondo (16./17. Jh.) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem
(lat.) Tractatus (M.) de commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und
Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte im Hinblick auf das →kanonische
Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des
besonderen →Handelsrechts.
Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts,
(in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977
Scaevola,
Quintus Cervidius (2. Jh.) ist 175 (lat.) praefectus (M.) vigilum
(Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels (161-180)
und wohl Lehrer des →Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40 (lat.)
libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher
der Antworten) mit Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961, 294f.
Scammonia
Lit.: Goldmann, E., Scammonia, ZRG
GA 51 (1931), 510
scandalum (lat.
[N.]) Ärgernis
Schaden (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) →Schadensersatz
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Schadensersatz (Wort 1788, Schadensersatzpflicht 1853, Schadenersatz) ist der Ersatz
einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines
bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein
Rechtssatz, der S. (Schadensüberwälzung vom Opfer auf einen anderen) gebietet.
Der S. ist dem römischen Recht bekannt (z. B. lex Aquila de damnis 286 v. Chr.).
Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (→Kompositionensystem)
sich allmählich in das peinliche →Strafrecht und das private
Schadensersatzrecht teilt. Er ist stes an bestimmte Voraussetzungen gebunden
(z. B. lat. iniuria Unrecht, culpa Schuld und damnum Schaden). Im 19. Jh. wird
für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich (unter dem
Einfluss Savignys) für besondere Bereiche (z. B. Eisenbahn) die kein
Verschulden erfordernde →Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen 1838).
Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung
immaterieller Schäden. Neuseeland ersetzt 1972 die Schadenshaftung durch eine
staatliche Unfallversicherung (Accident Compensation Scheme).
Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die
Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die
Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der
Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953 masch.schr.;
Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann, E., Das
spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption der „actio
iniuriarum aestimatoria“, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod interest,
1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die
Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das
Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in §
249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Mohnhaupt-Wolf,
U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Ebert, I., Pönale Elemente im
deutschen Privatrecht, 2004; Descamps,
O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle dans le code civil
de 1804, 2005; Vergau, H., Der Ersatz immateriellen Schadens, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Schulze, R., Compensation of Private Losses, 2011
Schadensklage ist im Spätmittelalter die auf Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts
lautende Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden).
Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche
deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93
Schaffhausen am
Rhein (am Rheinfall) ist der Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene
Benediktinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die hieraus entwickelte
Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft der →Schweiz
als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19. Jh.
kommt das privatrechtliche Gesetzbuch →Zürichs zur Anwendung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G.,
Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922;
Pestalozzi-Kutter, T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu,
G., Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R.,
Geschichte der Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der
Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die
Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt
Schaffhausen 1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das
Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt
und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,457; Schultheiss, M., Institutionen und Ämterorganisation der Stadt
Schaffhausen 1400-1500. 2006
Schafott (Gerüst) ist die Bühne, auf der in der frühen Neuzeit der →Scharfrichter
meist auf dem Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh.
verschwindet das S.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt,
E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Schandgerät ist
das zur Ausführung einer Schandstrafe verwendete Gerät (z. B. Halseisen,
Pranger, Schandkragen, Schandkrone).
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901,
Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64
(1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald
Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Schandstrafe ist
die in einer vorübergehenden Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen
eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines, Halseisen,
Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909,
Neudruck 1970
Schankrecht ist
das ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S.
wird meist von einem Herrn verliehen.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Schard,
Simon (Neuhaldensleben 1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in
Leipzig und Basel Beisitzer am →Reichskammergericht. 1566 veröffentlicht
er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung u. s. w.) spätmittelalterliche Schriften zum
Staat. Posthum erscheint 1582 sein Lexicon iuridicum (Rechtslexikon).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978
Scharia →Saria
Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das Todesurteil
Vollziehende.
Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H.,
Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann, H.,
Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder,
1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer
Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999; Pechaček, P., Scharfrichter und
Wasenmeister, 2003
Schatz ist
die bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer
nicht mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des Schatzfunds im römischen Recht
ist unterschiedlich (anfangs wohl Eigentum der res nullius an Grundeigentümer,
nach Hadrian zur Hälfte an den Finder und den Grundeigentümer,). Im Mittelalter
hat der König das Schatzregal. Die unterschiedlichen Lösungen werden vielfach
miteinander verflochten.
Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel,
MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910),
193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35,
ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt,
A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft,
2004
Schatzwurf ist
die durch Ausderhandschlagen einer Münze als Abgabensymbol im frühen
Mittelalter erfolgende →Freilassung.
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 240
Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauenburg)
Lit.: Wahl, F., Verfassung und
Verwaltung Schaumburg-Lippes, 1938; Möller, H., Studien zur Rechtsgeschichte
der „schauenburgischen Lande“ in Holstein, 1939; Feige, R., Die Statuten des
Fleckens und der Stadt Sachsenhagen, Schaumburger Heimat, Bd. 1 1939, 103;
Engel, F., Die schaumburg-lippischen Archive, 1955; Husmeier, G.,
Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, 2008; Meien, J. v.,
Kleinststaat und Weltkrieg, 2012; Schaumburg im Mittelalter, hg. v. Brüdermann,
S., 2013
Scheck ist
die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein
Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische Lehnwort cheque (die auf den
Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz
wird im Deutschen Reich 1933 erlassen.
Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des
Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117; Spengler, M., Die Entstehung
des Scheckgesetzes vom 11. März 1908, 2008
Scheidebrief (lat.
libellus [M.] repudii) ist im
spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die Form der Ehescheidungserklärung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c
Scheidung (Wort um 850, Scheidungsgrund 1839, Scheidungsurteil 1784) →Ehescheidung
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Schein →Rechtsschein
Scheinehe ist die nur zum Schein geschlossene Ehe. Sie ist nichtig.
Lit.:
Eisfeld, J., Die Scheinehe in Deutschland im 19. und 20. Jahrhhundert, 2005
Scheingeschäft (Wort 1855) ist die einverständliche
Abgabe einer empfangsbedürftigen →Willenserklärung zum Schein. Das S.
ist im spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter
aufgenommen.
Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft,
FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Lumpp, S., Die
Scheinehenproblematik, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung außerprozessualer
Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die Übertragung einer Sache durch
(lat. [F.]) →in iure cessio (In-das-Gericht-Gehen). Im
Frühmittelalter kann durch S. eine unscheltbare →Königsurkunde über ein
Recht an einem Gut erlangt werden.
Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse,
Diss. jur. Göttingen 1968
Schelling
Lit.: Jäger, G., Schellings
politische Anschauungen, 1939; Hollerbach, A., Der Rechtsgedanke bei Schelling,
1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus, 1999
Schengener Abkommen
ist das am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der
Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffene, am 25. 3. 1995 in Kraft
getretene Abkommen zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen
Grenzen in den europäischen Gemeinschaften, dem sich seitdem weitere Staaten
angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich,
Griechenland, 1996/2001 Dänemark, Island, Norwegen, Finnland, Schweden, 21. 12.
2007 Tschechien, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien, Estland, Litauen,
Lettland, Bulgarien, Rumänien, Malta).
Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996
Schenk ist
am fränkisch-deutschen Hof und später auch an landesherrlichen Höfen der für
die Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen römischen Reich ist der König von Böhmen Erzschenk.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner,
M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG
34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)
Schenkung (Wort 1348, Schenkungsvertrag 1784) ist die Hingabe (z. B. Übereignung, Abtretung) eines Gegenstands auf
Dauer an einen anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.])
donatio zunächst nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche
Zuwendung, im spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges Handgeschäft,
teils ein Zuwendungs_grund, teils ein Konsensualvertrag. Die S unter
Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht nur
die gelohnte (entgeltliche) „S“. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln
seit dem Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum
Schutz des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische
Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die S. von Todes wegen steht
unter der Bedingung, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt. Die tatsächliche,
wirtschaftliche Bedeutung der S. ist gering.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I,
79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die
donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der
Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991; Sticherling, P., Schenkungen in fraudem
testamenti, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Geschenke erhalten die Freundschaft, hg. v.
Grünbart, M., 2009
Scherbengericht →Ostrakismus
Scheren (N.)
→Haarscheren
Scherge (M.)
Büttel, Gerichtsdiener
Schiedsgericht ist die außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende
Entscheidungsstelle. Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter
erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13.
Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich
dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist
formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh.
(Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird der Spruch des Schiedsgerichts dem
Urteil gleichgestellt.
Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in Schwaben, Diss.
Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche Entwicklung des
Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das öffentlich-rechtliche
Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche Schiedsgericht, 1960;
Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen 1251 bis 1300, bearb.
v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das Schiedsgerichtswesen nach bayerischen
Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler, K., Das private Schiedsgericht im
antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K., Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom mittelalterlichen
Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn, N. u. a., 1994,
193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von
Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und
Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp, H.,
Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Meyerhuber, S., Die
privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien Reichsstadt Weißenburg, 2004;
Zieren, Y., Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO (1877-1933, 2013
Schiedsmann
Lit.:
Koch, A., Die historische Entwicklung des Schiedsmannswesens in Preußen von
1808 bis 1900, 2003
Schifffahrt →Seerecht
Lit.: Straub, K., Die
Oberrheinschifffahrt im Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912;
Spieker, H., Die Schiffsgewalt des Handelsschiffskapitäns im Mittelalter,
1949; Heinsius, P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die
ehemaligen Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958;
Olechnowitz, K., Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die
Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das
Schiffssachenrecht der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109
(1992), 209; Pemsel, H., Geschichte der zivilen Schifffahrt, Bd. 1ff. 2001ff.;
Häfen, Schiffe, Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002; Rübner, H.,
Konzentration und Krise in der deutschen Schifffahrt, 2005; Göttlicher, A.,
Seefahrt in der Antike, 2006; Fimpeler, A., Die Schifffahrt und ihre Fahrzeuge
auf dem Niederrhein, 2008; Försster, T., Große Handelsschiffe des
Spätmittelalters, 2009; Maritime Wirtschaft in Deutschland, hg. v. Hess, S. u.
a., 2012; Frankot, E., Of Laws of Ships and Shipmen, 2012; Murray, W., The Age
of Titans, 2012
Schikane (F.) absichtlich errichtetes Hindernis, mutwillig verursachte
Erschwernis (nach § 226 BGB unzulässig, Schikaneverbot)
Schikaneeid →Kalumnieneid
Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der
Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen.
Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914), 436;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972
Schilling ist
seit dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für
Geld. Seit dem 13. Jh. wird der S. auch ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch
bis 2002 verwendet (Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925, bis 2002).
Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der
Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der
merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische
Geldwörter, 1991
Schilter,
Johann (29. 8. 1632-14. 5. 1705) wird nach dem Studium von Philosophie und
Recht in Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter in Sachsen, 1681 Berater und 1699
(mit 67 Jahren) ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.)
Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern
der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschichtlichen
Betrachtungen des einheimischen Rechtes. In seinem (lat.) Thesaurus (M.)
antiquitatum Teutonicarum (posthum 1727/17288, Schatz deutscher Altertümer)
bietet er auch ein wertvolles Glossar.
Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884,
Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967, 208
Schinder (M.)
Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter
Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928,
Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994
Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778?, um
1780?-Mainz [unter Herrschaft Frankreichs] 21. 11. 1803, Hinrichtung),
Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20 Straßenraube, 30
Einbrüche und dreier Morde (130 Straftaten) beschuldigten Gruppe von (93) Straftätern.
Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte
des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Mathy, H., Der Schinderhannes, 1989;
Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Borck, H., Unrecht und
Recht, 2002; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande,
bearb. v. Fleck, U., 2004 (elektronisches Buch auf CD-ROM); Scheibe, M., Die
Strafjustiz in Mainz und Frankfurt/M. 1796-1803, 2009
Schirm (M.)
Schutz
Schisma (N.)
Spaltung, Kirchenspaltung (z. B. 1054, 1378-1417)
Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das sogenannte
morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de
schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg.
v. Bruns, P. u. a., 2005
Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene Kampf zweier Heere.
Lit.: Erben, W., Die Schlacht bei Mühldorf 28. September 1322, 1923;
Förster, S./Pöhlmann, M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001;
DeVries, K. u. a., Die großen Schlachten des Mittelalters, 2007
Schlesien an
der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach den germanisch-vandalischen
Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen.
1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahlreiche
deutsche Siedler ziehen zu. 1327/1329 unterstellen sich viele schlesische
Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526
gelangt S. mit Böhmen an →Habsburg. 1742/1744 gewinnt →Preußen im
österreichischen Erbfolgekrieg große Teile Schlesiens von Österreich.. 1910
sind 23% der Bevölkerung polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich
verbleibende Rest (Jägerndorf, Teschen, Troppau) an die Tschechoslowakei,
1919 teilweise bzw. 1945/1990 ganz der zu Preußen gelangte Teil unter
Vertreibung der Deutschen an →Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Grünberg, C., Die Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte
der Grundherrschaft in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische
Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff.; Pfitzner, J.,
Geschichte der Bergstadt Zuckmantel, 1924; Bretschneider, P., Das Gründungsbuch
des Klosters Heinrichau, 1927; Gottschalk, J., Beiträge zur Rechts-, Siedlungs-
und Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche Texte aus
Schlesien, hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische und das
fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht,
ZRG GA 57 (1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische Weichbildverfassung der
Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D., Das schlesische
Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in
Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt Oberschlesien,
1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in Schlesien, 1938;
Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte
Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis 1526, Bd. 1
bearb. v. Scholz-Babisch, M. u. a., 1940; Klein, F., Eine bauernrechtliche
Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947), 361; Loesch, H.
v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel,
J., Jura ducalia, die mittelalterlichen Grundlagen der Domanialverfassung in
Schlesien, 1964; Loesch, H. v., Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961;
Grawert-May, G. v., Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971;
Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u.
a., 1973; Petry, L., Dem Osten zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche
Ostsiedlung, 1986; Sommer, F., Die Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und
Wandel. Schlesien zwischen Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990;
Schlesien, hg. v. Conrads, N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in
Schlesien, 2000; Bartosz, J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J.,
Schlesien und die Schlesier, 2. A. 2000; Schlesier des 14. bis 20.
Jahrhunderts, hg. v. Herzig, A., 2004; Conrads, N., Schlesien in der Frühmoderne,
2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., Bd. 1f. 2010
Schlesisches Landrecht
→Breslauer Landrecht
Schleswig →Schleswig-Holstein
Lit.:
Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem
Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277
Schleswig-Holstein
ist das aus dem nördlichen Schleswig und dem südlichen Holstein (zwischen Kiel
und Elbe) zusammengesetzte Land der Bundesrepublik Deutschland. Davon erscheint
Holstein um 800 als nördlicher Teil des Stammesgebiets der →Sachsen.
Schleswig ist seit 1232 Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein den
Ausschluss einheitlicher Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt
er Schleswig als Lehen Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks
und Holstein als Lehen des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh.
gehören die Herzogtümer Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber
verwaltungsmäßig selbständig. Daraufhin beginnt Dänemark Schleswig von
Holstein (Staatsgrundgesetz für die Herzogtümer Schleswig-Holstein vom 15. 9.
1848) zu trennen. Am 30. 10. 1864 muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und
Österreich abtreten. Deren gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das
Ende des →Deutschen Bundes aus. Österreich muss sich mit der
Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen einverstanden erklären.
Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksabstimmung an Dänemark. Durch
Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. 8. 1946 betreffend
die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der britischen
Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder erhält S. eine rechtliche
Grundlage als eigenes Land. 1949 wird es Teil der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff.
1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff,
K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413;
Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der
Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287;
Hedemann-Heespen, P. v., Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit,
1926; Andresen, L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und
Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere
von Schleswig-Holstein und die Abfassung des Spade-Landesrechts, ZRG GA 55
(1935), 263; Carstens, W., Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift
der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66;
Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter,
E., Das Recht Schleswig-Holsteins und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f.
schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum
und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler Blätter 1943, 67; Hauser, O.,
Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen
Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Herzog Adolfs Urteilbuch
1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J., Das schleswig-holsteinische
Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein,
1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, 1988; Rheinheimer, M., Dorfwillkür
und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA 113 (1996), 377; Bremicker, S.,
Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes
Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die Landvolkbewegung
in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001; Bohn, R., Geschichte
Schleswig-Holsteins, 2006; Loebert, S., Die dänische Vergangenheit Schleswigs
und Holsteins in preußsichen Geschichtsbüchern, 2008; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg.
v. Tamm, D., 2008; Schubert, W., 175 Jahre Obergerichtsbarkeit in
Schleswig-Holstein, (in) Schleswig-Holsteinische Anzeigen 2009, 208; Bernstein,
A., Die Gebietsreform in Schleswig-Holstein, 2010; Borup, A., Demokratisierungsprozesse
in der Nachkriegszeit, 2011
Schlettwein,
Johann August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg 24. 4.
1802) wird nach dem Studium der Theologie, Rechtswissenschaft und
Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des
Physiokratismus sowie 1777 Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen.
Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann
August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981
Schlichtung (F.) vereinbarte Streitlösung
Lit.: Bähr, J., Staatliche
Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche
Zwangsschlichtung, 1990
Schloss
Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im
Birstal, 1923
Schlözer,
August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735-Göttingen 1809) wird nach dem Studium
der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staatswissenschaften
in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen.
Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und
Staatsverfassungslehre, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich,
B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972
Schlüssel ist
das zum Öffnen eines Schlosses bestimmte Gerät, das als Rechtssymbol verwendet
werden kann.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993
Schlüsselgewalt ist die durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In
der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen
seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem
Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder
Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen
Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den anderen
Ehegatten zu besorgen (Österreich 1978).
Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die
Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche
Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994
Schlyter,
Carl Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und
1838 Professor. Er ist Schwedens erster, von der historischen Rechtsschule
geprägter Rechtshistoriker. In 13 Bänden veröffentlicht er die älteren
schwedischen Rechtsquellen.
Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar,
1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die
Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998
Schmauß,
Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690-Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem
Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling) Hofrat in
Baden-Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen, Halle,
Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das →Naturrecht von der
kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.)
Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechtes) dient der
praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung.
Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen
Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann
Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843
Schmerzensgeld (Wort 1811, Schmerzengeld 1689) ist
die Entschädigung in Geld für einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh.
wird im Heiligen römischen Reich unter
Fortführung einheimischer Vorstellungen auch der bei Körperverletzung
entstehende Schmerz durch einen Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) beschränkt den Geldersatz bei Nichtvermögensschäden
auf besonders benannte Tatbestände (§§ 253, 847 BGB). In der zweiten Hälfte des
20. Jh.s wird von der Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift
unter Berufung auf das deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten
Rechtsgüterverletzungen gewährt.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach,
J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des Schmerzensgeldanspruchs
bis zum BGB, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Schmitt,
Carl bzw. eigentlich Karl (Plettenberg 11. 7. 1888-Plettenberg 7. 4. 1985,
Vater Krankenkassenverwalter) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, München
und Straßburg sowie der Promotion in Straßburg bei Fritz van Calker (Über
Schuld und Schuldarten, 1910), der Habilitation in Straßburg (Der Wert des
Staates, 1916) und einer kurzen Lehrtätigkeit (1919) an der Handelshochschule
München Professor für Staatsrecht in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin
(1928 Handelshochschule), Köln (1933) und zum Wintersemester 1933/1934 (Oktober
1933) Berlin. 1931 sieht er als alleinigen Hüter der Verfassung den Reichspräsidenten
an. Im Prozess Preußens gegen das Reich im Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit
Kurt von Schleicher die Wiederherstellung geordneter Verhältnisse das Ziel. Mit
der nationalsozialistischen Machtergreifung wird in unklarer Motivation eine
umfassende Änderung der Einstellung erkennbar. 1933 wird er Mitglied der →Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der vom (jüdischen) Verlag Otto
Liebmann durch Verkauf an den C. H. Beck Verlag gelangten Deutschen Juristenzeitung.
Unter betonter Ablehnung des liberalen Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung
gekennzeichneten Weimarer Republik rechtfertigt er die nationalsozialistische
Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates
als Alternative zum Untergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945
verliert er (mit 57 Jahren) sein Lehramt, bleibt aber trotz erheblicher
Widerstände (z. B. des früheren Assistenten Ernst Friesenhahn) über Schüler im
Gespräch. Sein vor allem in Tagebüchern dargestelltes persönliches Leben ist erkennbar
besonders durch Alkohol und Sexualität beeinflusst.
Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C.,
Legalität und Legitimität, 1932, 8. A. 2012; Schmitt, C., Über die drei Arten
des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für Carl Schmitt, hg.
v. Barion, H. u. a., 1959; Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 1964, 3.
A. 1995; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983; Rüthers, B., Carl Schmitt im
Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der Fall
Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl Schmitt, NJW
1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt, Diss. jur.
Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus,
1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998; Hans Kelsen
und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl Schmitts
Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?, NJW 1999,
2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999; Gross, R., Carl
Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg, hg. v.
Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001; Blasius, D., Carl
Schmitt, 2001; Schmittiana, hg. v. Tommissen, P., Bd. 1ff. 1990ff.; Benoist, A.
de, Carl Schmitt. Bibliographie, 2003; Müller, J., A Dangerous Mind, 2003;
Thiele, U., Advokative Volkssouveränität, 2003; Meier, H., Die Lehre Carl
Schmitts, 2. A. 2004; Schmitt, Carl – Die Militärzeit 1915-1919, hg. v.
Hüsmert, E. u. a., 2005; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpaß? Carl Schmitt;
Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 584; Mueller, J.,
Ein gefährlicher Geist, 2007, 2. A. 2011; Großraum-Denken, hg. v. Voigt, R.,
2008; Mehring, R., Carl Schmitt, 2009; Blasius, D., Carl Schmitt und der 30.
Januar 1933, 2009; Benoist, A. de, Carl Schmitt, 2010; Waldstein, T. v., Der
Beutewert des Staates, 2010; Schmitt, C., So lange das Imperium da ist, hg. v.
Hertweck, F., 2010; Freund-Feind-Denken, hg. v. Voigt, R., 2011
Schmuggel ist das unerlaubte Verbringen von Waren
ohne Zollzahlung über eine (Zoll-)Grenze.
Lit.: Jarren, V., Schmuggel und
Schmuggelbekämpfung in den preußischen Westprovinzen 1818-1854, 1992
Schöffe ist
in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und
780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben
geschworene Schöffen (lat.-afrk. [M.Pl.]
scabini) anstelle der älteren →Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von
Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch
(meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den
meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom
Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den
Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen
Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen
Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im →Schwurgericht bzw. →Schöffengericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117,
118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248;
Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG
GA 44 (1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die
Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H.,
Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P.,
Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The
Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen
und das Kirchenrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 64
Schöffenbarfreier ist nach dem →Sachsenspiegel (1221-1224) Eike von
Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete (und damit schöffenbare) Freie.
Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die Abgrenzung von Ministerialen
einerseits und Edelfreien oder Vollfreien andererseits ist nicht überzeugend zu
bewältigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die
Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und
die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechtswirklichkeit,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349
Schöffenbuch ist
das von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über Urteile geführte Buch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch der
Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin 101
(1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren
1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das
Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark
Brandenburg, 1964
Schöffengericht ist das (seit Karl dem Großen) mit →Schöffen besetzte
Gericht, insbesondere das im 19. Jh. auf Grund der Wiederbelebung des in der
frühen Neuzeit mehr oder weniger erloschenen Laienrichtertums mit Schöffen
neben Berufsrichtern besetzte Gericht am Amtsgericht für kleinere Straffälle
mit Straferwartungen bis zu 4 Jahren Haft. Im am 15. 6. 1920 für Österreich
geschaffenen Schöffengericht urteilen Berufsrichter und Laeienrichter als
einheitliches Gericht über Schuld und Strafe.
Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung des Schöffengerichts,
ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland, 1974; Hagemann, H., Zur Krise
spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und
Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The Trial Jury, hg. v.
Schioppa, A., 1987, 241; Lieber, N., Schöffengericht und Trial by Jury, 2010
Schöffenrecht →Magdeburger Schöffenrecht
Schöffenspruch ist das von Schöffen durch Spruch gefällte Urteil.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J.,
Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., Schöffenspruchsammlungen, ZRG GA
39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919;
Granzin, M., Schöffenspruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54
(1934), 244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v.
Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und
15. Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal,
A. u. a., 2004
Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist die Bezeichnung für das Schöffengericht im
Heiligen römischen Reich, das teilweise als Oberhof tätig wird (z. B. Halle,
Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863 wegen Unterschreitens der
Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena 1882.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten
Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena, Z. d. Ver.
thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu Leipzig, Z.
f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G., Schöffenstuhlsiegel, ZRG
GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls,
ZRG GA 67 (1950), 416; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und
Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007
Schola
Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA 32 (1911), 316;
Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482
Scholastik ist
die seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris)
entwickelte Art, die bisher nur weitergegebenen christlichen Glaubensinhalte
mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die scholastische
(dialektische) Methode der Wissensbehandlung ist gekennzeichnet durch klares
Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung von Begriffen,
logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und Gegengründe (z. B.
Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste, Gratian, Anselm von Laon, Hugo von
Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry von Chartres, Peter Abaelard,
Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus, Johannes von Salisbury, Vaccarius,
Peter von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des italienischen
Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274). Überwunden wird die S. durch →Nikolaus
von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die mittelalterliche
Rechtswissenschaft aus.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H.,
Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der
scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die
Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die
Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was
ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of
Europe, 1995ff.; Leinsle, U., Einführung in die schplastische Theologie, 1995;
Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001; Brasington, B.,
Ways of mercy - the Prologue of Ivo of Chartres, 2004
Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. sinaitische Erklärungen) ist der Name des im
Sinaikloster überlieferten, von der antiquarisch-klassizistischen Richtung der
oströmischen spätantiken Jurisprudenz vermutlich in Beryt geschaffenen
Kommentars zu Ulpian, libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf
Parallelstellen in anderen Texten.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362
Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von ihm zu
bewirtschaftendes Grundstück (z. B. römischer colonus, frühneuzeitlicher Leibeigener),
die spätestens an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verschwindet.
Schonen im
Süden Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen
Handschriften ein zwischen 1202 und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten
Handschrift in 241 Kapitel geteiltes →Rechtsbuch (Schonisches Landrecht,
Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten Verfassers in altdänischer Sprache.
Eine lateinische Summe hierzu in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.)
legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von
1202 bis 1216. Neben dem Schonischen Landrecht steht ein schonisches
Kirchenrecht (von 1171?). Ein schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54
Kapiteln stammt vielleicht aus der ersten Hälfte des 13. Jh.s.
Lit.: Andersson, I., Skanes Historia, 1947ff.; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88, 94; Anders Sunesen,
hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska rättskällornas
historia, 1978
Schönfelder, Heinrich (1902-1942), 1934 Amtsgerichtsrat,
ist der Begründer der wichtigsten privaten
Gesetzessammlung des Privatrechts und Strafrechts in Deutschland im 20. Jh.
(1932) und Begründer der Lernbuchreihe Prüfe dein Wissen (1929ff.)
Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher
Gesetze 1902-1944, 1997
Schorndorf
Lit.: Palm, G., Geschichte der
Amtsstadt Schorndorf, 1959
Schoß (1)
ist der von Unterbauch und Oberschenkel gebildete Teil des menschlichen
Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in oder auf den S.
setzen, werfen oder fallen).
Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Schoß (2)
ist der mittelalterliche Name für eine Abgabe oder Steuer.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963, 60
Schottland ist
der nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln.
S. ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende
des 11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von →England
anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurückgewonnen. Seit 1426 gibt
es einen Court of Session, ein ständiges Gericht mit enger Verflechtung
zunächst zum Parlament, dann zum königlichen Rat, das die Aufnahme des
römischen Rechtes fördert. 1532 wird (vielleicht auf Grund des Erfolgs) ein
College of Justice errichtet, mit dem die Teilnahme an der Session auf
bestimmte Räte beschränkt wird. 1603 wird der aus dem Hause →Stuart
stammende König auch König von →England. Beide Königreiche werden in →Personalunion,
seit 1707 in →Realunion miteinander verbunden. Nach einer Volksabstimmung
(1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in Edinburgh mit
Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr, Landwirtschaft
und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik, Verteidigung,
soziale Sicherheit und makroökonomische Fragen). Das schottische Recht ist
stärker römischrechtlich beeinflusst.
Lit.: Stair, J., The institutions of the
law of Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of
Scotland, SDHI 23 (1957), 149; Willock, J., The origins and development of the
jury in Scotland, 1966; The acts and constitutions of the realm of Scotland,
hg. v. Luig, K., 1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres leges et
constitutiones, hg. v. Luig, K., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische
rechtshistorische Literatur der Jahre 1958-1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas,
J., The Scottish political system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A.
1985; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985; Gouldesbrough, P., Formulary of
Old Scots Legal Documents, 1985; Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR
1987; Walker, D., A Legal History of Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E.,
General principles of Scots law, 6. A. 1995; Whyte, I., Scotland before the
Industrial Revolution, 1995; The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey
Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D., Scotland and Europe, 2001; Ford, J., Law and Opinion in Scotland,
2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 969; Rössner, P., Scottish Trade in the Wake of Union, 2008; Maurer,
M., Kleine Geschichte Schottlands, 2008; Godfrey, A., Civil Justice in Renaissance Scotland. The Origins of a
Central Court, 2009; Fraser, J., From Caledonia to Pictland, 2010; Finlay, J.,
The community oft he College of Justice, 2012
Schra (F.)
Haut (als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle)
Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911; Dusil, S.,
Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007
Schranne (F.)
Bank, Verkaufsstand
Schreiber ist
der Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S.
vielfach gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8.
Jh. grundsätzlich Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen insbesondere die
Städte eigene S. ein (in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293 namentlich
bekannt). Mit der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen
Neuzeit wird der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht sind
insbesondere die Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem Spätmittelalter
die Gerichtsschreiber bedeutsam.
Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und
Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber,
Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960;
Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und
Stadtschreiber, 1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler,
1968; Thiele, F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal,
O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger
Stadtschreiber, 1998
Schrein
Lit.: Lemberg, M., Item sant Elizabeth im Kasten, 2013
Schreinsbuch →Schreinskarte
Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein verwaltete Urkunde
über ein Grundstücksgeschäft. Sie erscheint seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I),
wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis
erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-1240) werden die Schreinskarten in
Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraussetzung
für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechtsgeschäfts. 1798 endet die Überlieferung.
Erhalten sind 68 Schreinskarten und 535 Schreinsbücher. →Grundbuch
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner
Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.;
Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318;
Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad,
H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935;
Schönrath, P., Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg.
v. Planitz, H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens,
Jb. d. Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1; Regesten der Urkunden des
Amtleutearchivs St. Columba in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009
Schrift (Wort Schriftform 1886) ist die
Gesamtheit sichtbarer Linien (und Punkte) zur dauerhaften Wiedergabe menschlicher
Sprache. Ihre nach älteren, wohl ab 30000 v. Chr. entstandenen Bildern
entstandenen ersten bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 6000 v. Chr.
(Vinca-Kultur um Serbien, um 4000 v. Chr. ersatzlos untergegangen, dann
Keilschrift der Sumerer um 3000 v. Chr. als anfängliche Bilderschrift, später
Silbenschrift und Konsonantenschrift bis 400 v. Chr., Hieroglyphen in Ägypten
von 3200 v. Chr. -300 n. Chr. aus Lautzeichen, Deutzeichen und Bildzeichen mit
anfangs 700 später 7000 Zeichen). Der Übergang vom gesprochenen zum geschriebenen
Wort (der um 1000 v. Chr. bezeugten, linksläufigen noch vokallosen Konsonantenschrift
der Phönizier am Ostrand des Mittelmeers mit den 22 Zeichen Aleph, Beth, Gimel,
Daleth, He, Waw, Zajin, Chet, Tet, Jod, Kaph, Lamed, Mem, Nun, Samech, Ajin,
Pe, Zade, Qoph, Resch, Schin, Taw für 22 unterschiedene Laute, erste echte
Alphabetschrift) erfolgt bei Puniern, Aramäern, Griechen und Römern schon
früh, während die Germanen über Anfänge (Runen) kaum je hinausgelangen. Bereits
die Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich (in Großbuchstaben
und ohne Worttrennung) veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die
Schrift (vielfach auf Wachstafeln oder Papyrus) selbverständlich. Dieser Stand
wird nach frühmittelalterlichen, neben den Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben
(karolingische Minuskel um 800) verwendenden und Sätze und Wörter voneinander
trennenden Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) (auf Pergament)
verschriftlicht wird (→Volksrechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise
in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. (mit
[Neu-]Entwicklung einer Kursivschrift in Gestalt der Geschäftsschrift der
gotischen Kursive) wieder erreicht, wobei seit dem ausgehenden 13. Jh. allmählich
(das wohl schon vor Christi Geburt in China erfundene) Papier zum vorherrschenden
Schriftträger wird. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich zu einem
abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen und
schreiben (Phänomen der Zweischriftigkeit nach Entwicklung der Humanistenschrift
Antiqua seit dem 14./15. Jahrhundert). Seit dem 15. Jh. erfolgt die
Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das durch
Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von Maschinen und seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1980ff.) mit Hilfe der komprimierenden,
fazilisierenden und globalisierenden Elektronik. Verschiedentlich bedarf ein
rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S.
Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98,
108; Santifaller, L., Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im
Mittelalter, 1953; Hajnal, I., L’enseignment de l’écriture, 1954; Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie,
2. A. 1986; Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte
der Schrift, 2. A. 1991; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. Günther, H. u. a.,
1994; Wenzel, H., Sehen und Hören, 1995; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens,
1999; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der
Schrift, 2002; Hoffmann, H., Schreibschulen des 10. und 11. Jahrhunderts im
Südwesten, 2004; Ludwig, O., Geschichte des Schreibens, Bd. 1 2005; Stein, P.,
Schriftkultur, 2006, 2. A. 2010; Beck, F. u. a., Die lateinische Schrift, 2007;
Schrifträume, hg. v. Kiening, C. u. a., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bollwage, M.,
Buchstabengeschichte(n), 2010; Robinson, A., Bilder, Zeichen, Alphabete - Die
Geschichte der Schrift, 2013
Schriftform ist
die durch →Schrift zu wahrende →Form menschlichen Verhaltens.
Schriftlichkeit ist das in →Schrift Gehaltensein. Die S.
(Literalität) löst im Verlauf der Geschichte in vielen Bereichen die ältere
Mündlichkeit (Oralität) teilweise ab (z. B. Zwölftafelgesetz 451/450 v. Chr.,
Volksrechte 475ff., Urkunden über einzelne Rechtsgeschäfte). Vielleicht ist der
1215 auf dem vierten Laterankonzil festgelegte Protokollierungszwang ein
wichtiger Schritt in der weiteren Entwicklung. Die S. als Verfahrensgrundsatz
setzt sich im gelehrten Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. →quod
non est in actis non est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf
der Welt). Der Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest
der Idee nach zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden
20. Jh. die Bedeutung der S. noch. Für die Gesetzgebung bzw. die Gesetze ist
seit dem 19. Jh. die Veröffentlichung in einem Gesetzblatt und damit die
Verschriftlichung allgemein grundlegende Entstehungsbedingung bzw. Geltungsvoraussetzung.
Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip,
Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Prosser, M., Spätmittelalterliche
ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein, 1991; Pragmatische Schriftlichkeit
im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen
Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v.
Günther, H. u. a., 1994; Schriftlichkeit und Lebenspraxis, hg. v. Keller, H. u.
a., 1999; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u. a., 2007;
Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Schriftsasse ist
der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder einer anderen
Zentralbehörde zugeordnete →Landsasse.
Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines
Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom Spätmittelalter
(etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Schrobenhausen
Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen,
1977
Schröder,
Richard (Treptow a. d. Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater
Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbsttötung),
wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke)
und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872
ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und
1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts
(1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte
(1884ff.).
Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII;
Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich
Schroeder, 2005
Schulchan ‘Arukh →Karo
Schuld (Wort um 765 belegt) ist
einerseits die Bewertung eines Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden),
andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten (Leistensollen). Die
Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet gelassen, wo das Eintreten
eines Erfolgs bereits eine Folge nach sich zieht. Von daher könnte von einem
erst allmählichen Entstehen des Verschuldens auszugehen sein. Verpflichtungen
zur Leistung kennt schon das altrömische Recht. Innerhalb des Verschuldens wird
im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit und weiteren
Unterteilungen (unbedingter →Vorsatz, bedingter Vorsatz, grobe →Fahrlässigkeit,
leichte Fahrlässigkeit) unterschieden. Bei den Verpflichtungen nimmt
insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu. Streitig bzw. unklar ist das
Verhältnis von S. als Leistensollen und →Haftung als Einstehenmüssen,
insbesondere, ob in älteren Zeiten jede Schuld eine Haftung nach sich zieht
oder ob neben jeder Schuld zusätzlich Haftung durch besonderes Geschäft
begründet werden muss.
Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240,
263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre der
Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910,
Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966),
150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S.,
Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der
Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das
Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld
und Haftung, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6
1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die
zweifelhafte Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach
dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und
Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Graeber, D., Schulden, 2012, 6. A: 2012
Schuldanerkenntnis (1888) ist der einseitig
verpflichtende Vertrag, in dem der eine Teil (möglicherweise auch unabhängig
von der Wahrheit) anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte
Verbindlichkeit zu schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter
der Sache nach ein S.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldfähigkeit ist die Fähigkeit des Menschen,
schuldhaft zu handeln.
Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien
zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldhaft ist
die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht aus der
Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser Vermögensvollstreckung
der Verurteilte in private S. oder später in öffentliche S. genommen werden.
Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in Österreich, 1869 Zürich, 1874
Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und Frankreichs (1867) die S.
beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, M., Schuldhaft und
Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der
Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der
Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldklage ist
als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem Hochmittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die
Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt
des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und
mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der →Schuldhaft
abgelöst. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution (Vollstreckung in einen
Menschen) durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die allein noch
zulässige Realexekution (Vollstreckung in das Vermögen einer Person) ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8;
Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck
1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldner (Wort 1258 belegt) ist im Schuldverhältnis der zur Leistung Verpflichtete.
Er muss anfangs auch mit seiner Person (Schuldhaft), später nur noch mit seinem
Vermögen haften. Mehrere S. können Gesamthandsschuldner sein, Gesamtschuldner
oder Teilschuldner.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldnerverzug →Verzug
Schuldrecht (Wort 1550 belegt) ist das Recht der Schuldverhältnisse. Im römischen Recht
wird die (lat. [F.]) obligatio bei Gaius (um 160 n. Chr.) als (lat. [F.]) res angesehen
und deswegen dort behandelt. Allerdings wird streng zwischen (lat. [F.]) actio
in rem (Klaganspruch gegen eine Sache) und actio in personam (Klaganspruch
gegen eine Person auf ein bestimmtes Verhalten) Das S. wird als eigenes
Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt und ist deswegen noch im Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) als persönliches Sachenrecht Teil
des Sachenrechts. Inhaltlich wird es stark vom römischen Recht geprägt. Seit
dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht
ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb
das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht
einordnet.
Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das
Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Leonhard, F., Allgemeines Schuldrecht
des BGB, 1929, Neudruck 2013; Leonhard, F., Besonderes Schuldrecht des BGB,
1931, Neudruck 2013; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den
Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München
1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W.,
Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur Entscheidung
des Schuldrechts, (in) Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979,
1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183 (1983), 327;
Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188 (1988), 168;
Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen Schuldrechts des
Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of obligations, 1992;
Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts, 1995; Benke/Meissel,
Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996, 8. A: 2014; Ranieri, F.,
Europäisches Obligationenrecht, 3. A. 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Zehn Jahre
Schuldrechtsmodernisierung, hg. v. Artz, M. u. a., 2013
Schuldschein
Lit.: Wackernagel, J., Städtische
Schuldscheine als Zahlungsmittel, Beiheft 2 der VSWG 1924, 1
Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt),
in dem der Schuldner zwecks Vollstreckung für den Gläubiger in Haft genommen
wird. In Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in
die Hand des Gläubigers in den kursächsischen Konstitutionen (1572) durch die
öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im
Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871.
Lit.: Breßler, S.,
Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldübernahme (Wort 1691) ist die vertragsweise
Übernahme einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (zusätzlich neben
oder anstatt des bisherigen Schuldners, so dass der bisherige Schuldner ganz
ausscheiden oder neben einem neuen Schuldner weiter auch Schuldner bleiben kann).
Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozessvertretung
möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S.
zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner
befreienden (privativen) S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläubigers,
die bei zusätzlichem Eintritt eines weiteren Schuldners (kumulative S.) nicht
erforderlich ist.
Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die
kumulative Schuldübernahme, 2004; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im
Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldverhältnis (1838) ist das zwischen Schuldner
und Gläubiger bestehende Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung
erst im 19. Jh. (in der ab 1874 tätigen Entwurfskommission des Bürgerlichen
Gesetzbuchs des deutschen Reiches vielleicht durch Hermann Karl Freiherr von
Leonhardi [1809-1875]) erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse,
Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur
Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W.,
Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis,
Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Schuldverschreibung (1585) ist die Urkunde
(Wertpapier), in der sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten
verzinslichen Geldsumme oder zu einer sonstigen Leistung an den Gläubiger
verpflichtet (Schuldverschreibungsgesetz vom 4. 12. 1899).
Lit.:
Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldversprechen (1873) ist das eine →Schuld
begründende einseitige Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht
möglich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Schuldvertrag ist der eine →Schuld begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Schule ist
die außerhalb der Familie durch spezialisierte Dritte (Lehrer) betriebene
allgemeine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen Entwicklung von Menschen,
insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (griech.
schole Muße, Ort der Muße, Lehranstalt). Im Frühmittelalter wird sie zunächst
nur von der Kirche und nur für wenige und zwar in Latein eingerichtet. Seit dem
11. Jh. ist ein steigender Bedarf an schriftlichen Lernbehelfen erkennbar. Seit
dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an der S. in den Städten zu, so dass
dort städtische und zwar auch deutsche Schulen entstehen (in Florenz können
1427 fast 70 Prozent der männlichen Haushaltsvorstände eine schriftliche
Erklärung abgeben und rund 16 Prozent der weiblichen Haushaltsvorstände).
Seit der Mitte des 16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Wenig
später entwickelt sich der Lehrerberuf zu einer Lebenstätigkeit. Im 17. Jh.
wird als Folge der Aufklärung der staatliche Schulzwang verordnet (Österreich
1774 6jährige Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den
Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung (Abitur, Preußen 1788)
vorgeschrieben, die im Deutschen Bund 1834 als Voraussetzung für den
Hochschulzugang anerkannt wird. Das 19. Jh. beschäftigt sich wissenschaftlich
mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt bereits aus sozialen Gründen die
Einheitsschule. 1849 können in Preußen 80 Prozent der Menschen schreiben und
lesen. 1871 besuchen dort von rund vier Millionen Schülern etwa 60000 (1,5
Prozent) ein Gymnasium. Im 20. Jh. erlangt die Bildung allgemein einen ständig
steigenden Wert und verstärkt sich die Verbesserung der Bildung durch längere
Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule zugunsten des vereinfachten Gymnasiums,
2010 Hochschulreife für 45 Prozent eines Jahrgangs, 2012 in Österreich
Beschluss zur Ersetzung der Hauptschule durch eine neue Mittelschule).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180;
Sammlung der Verordnungen und Bekanntmachungen u. s. w., 1835, Neudruck hg. v. Ritsch, K.,
1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910, Neudruck hg.
v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im Wiederaufbau, Schulgesetz
in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfassungsgesetz, 1985; Schulen und
Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht,
Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v.
Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989;
Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das
Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche
Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A.
1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995;
Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im
Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und
der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C.,
Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter,
hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H.,
Neudruck 2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen
Schule aus dem Geist der Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im
öffentlichen Schulwesen, 2001, Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und
Schulmeister, 2001; Damesme, N., Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln
(1794-1814), 2003; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische
Lebenswelt, 2003; Kintzinger, M., Wissen wird Macht, 2003; Treml, A.,
Pädagogische Ideengeschichte, 2003; Schraut, S./Pieri, G., Katholische
Schulbildung in der frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck, L., Das höhere Schulwesen
in Nordrhein-Westfalen, 2004; Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750,
hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im
Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005; Watts, E., City
and School in Late Antique Athens and Alexandria, 2006; Black, R., Education
and Society in Florentine Tuscany, 2007; Konrad, F., Geschichte der Schule,
2007; Moderow, H., Volksschule zwischen Staat und Kirche, 2007; Cordes, A.,
Juristische Bildung für Kaufmannskinder, Zs. d. Vereins für lübeckische
Geschichte 87 (2007), 41; Vondenhoff, M., Die Schule zwischen Staatsanstalt und
causa ecclesiastica, 2008; Sheffler, D., Schools and Schooling in LateMedieval Germany, (Regensburg
1250-1500), 2008; Zwischen Schulhumanismus und Frühaufklärung, hg. v.
Hellekamps, S. u. a., 2009; Das preußische Kultusministerium als Staatsbehörde,
Bd. 1ff. 2009ff.; Meissner, A., Die Nationalisierung der Volksschule, 2009; Baldzuhn,
M., Schulbücher im Trivium, 2009; Bölling, R., Kleine Geschichte des Abiturs,
2010; Bispinck, H., Bildungsbürger in Demokratie und Diktatur, 2010; Geißler,
G., Schulgeschichte in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2011; Stickel,
S., Kulturen des Lehrens, 2011; Lehren und Lernen im Zeitalter der Reformation,
hg. v. Huber-Rebenich, H., 2012; Joos, K., Schwieriger Aufbau, 2012; Bäcker,
J., Die christliche Gemeinschaftsschule in Baden, 2012; Weeber, K., Lernen und
Leiden - Schule im alten Rom, 2014
Schultheiß ist
der als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen Gebiet Italiens entstehende
Amtsträger. Er übernimmt örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint
er für den König oder andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen
Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder, R.,
Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886), 1;
Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der
Stadtschultheiß von Bochum, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der
Schultheiß, 1908; Merz, W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat
Bodmer von Baden, 1920; Lappe, J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des „centenarius“-Schultheiß, ZRG GA
87 (1970), 1, 88 (1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der
Schultheißprivilegien, ZRG GA 93 (1971), 154
Schulze →Schultheiß
Schumanplan ist
der vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, am 9. 5. 1950 verkündete Plan zur
Bildung der einer gemeinsamen Kontrolle (Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs,
der Niederlande, Italiens und Deutschlands) unterstellten Europäischen Gemeinschaft
für Kohle und Stahl des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg
29. 6. 1886-Scy-Chazelles 4. 9. 1963). →Montanunion
Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J.,
Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000
schupfen (stoßen)
(als Ehrenstrafe)
Schupfer,
Francesco (Chioggia/Venedig 1833-Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechtsstudium
in Wien, Heidelberg und Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte
in Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.)
Manuale di storia del diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen
Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff.
1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker).
Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927),
896
Schupose (F.),
Schuppose, kleineres, vielleicht durch Aufteilung entstandenes, landwirtschaftlich
genutztes Gut im Süden (Alemannien) im Mittelalter (seit A. 12. Jh., Name
bisher nicht überzeugend erklärt)
Lit.: Münger, P., Über die Schupose,
1967
Schuschnigg,
Kurt (Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897-Mutters 18. 11. 1977) wird über
die christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler →Österreichs.
Auf Druck Adolf →Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den
nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart zum Sicherheitsminister.
Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler
Seyss-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem →Anschluss Österreichs an das
Deutsche Reich stimmen 99,73 % der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich
dagegen hauptsächlich als erstes Opfer (Adolf Hitlers).
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223
Schüttung (F.)
eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere wie z. B. Rinder oder Schafe auf eigenem
Grund)
Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912, 342
Schutz ist
die Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitzschutz,
Mieterschutz, Kündigungsschutz, Verbraucherschutz, Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz,
Mutterschutz, Jugendschutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandsschutz).
S. oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber
Schwächeren geboten (z. B. Lehen, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit,
Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des
Schutzes teilweise die →Polizei bzw. die staatliche Hoheitsgewalt.
Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes,
MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959),
1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des
Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für
Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982
Schutzbrief ist
die einen →Schutz betreffende besondere →Urkunde.
Schutzgebiet ist
die Bezeichnung für deutsche →Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika,
Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Karolinen, Marianen,
Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).
Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985,
6. A. 2012
Schutzhaft ist
die Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im Dritten Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
236
Schutzjude ist
der (gegen Abgaben) unter den →Schutz gestellte →Jude im Heiligen
römischen Reich . Auf der Grundlage älterer Schutzmaßnahmen wird nach den
Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/1349 der Jude in den Kurfürstentümern
durch die →Goldene Bulle (1356) in den besonderen Schutz aufgenommen. Im
19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten der vollständigen Emanzipation die
Einrichtung der Schutzjuden.
Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck
1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981
Schutzpolizei →Polizei
Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer
Sicherheit, 2003
Schutzstaffel (SS) ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher Angehöriger der →Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei (1929 Heinrich Himmler unterstellt, 1934 Adolf Hitler,
1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS fast eine Million Mitglieder).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H.,
Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a., 2000; Wegner, B., Hitlers
Politische Soldaten – Die Waffen-SS 1933-1945, 7. A. 2006, 8. A. 2008, 9. A.
2010; Schreiber, C., Elite im Verborgenen, 2008; Gentile, C., Wehrmacht und
Waffen-SS im Partisanenkrieg, 2012; Westemeier, J., Himmlers Krieger, 2014; Die
Waffen-SS, hg. v. Schulte, J. u. a., 2014
Schwabe ist
der Angehörige des nach den elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen
Name im 9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben dem der Alemannen
erscheint. Örtlich bleibt Schwaben infolge des Verschwindens eines von diesem
Volk der Schwaben abgeleiteten, um 900 entstehenden, 1198 mit der Königswürde
verbundenen Herzogtums Schwaben (mit Schwerpunkten im Bodenseeraum und im
Hegau, später in Zürich, Breisach, Esslingen, Straßburg, Ulm und Rottweil) im
späten 13. Jh. (Rudolf † 1290, Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne
einheitliche Herrschaftsgewalt.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f.
1914ff.; Bader, K. u. a., Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des
schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck
1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische
Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis
1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus,
A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im
Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren,
hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003 Schwaben und Italien, hg. v. Wüst, W. u. a., 2010
Schwaben →Schwabe
Lit.: Nova Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f. 1921ff.;
Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16.
Jahrhundert, 1965; Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der
Herrschafts- und Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H.,
Das Land zwischen Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965;
Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer,
H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb.
v. Fried, P. u. a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003; Das Reich in der Region während des Spätmittelalters und der frühen
Neuzeit, hg. v. Kießling, R. u. a., 2005; Die Schwabenkriegschronik des Kapar
Frey, bearb. v. Gutmann, A., 2010
Schwabenspiegel ist der neuzeitliche Name des durch mehr als 400 bekannte,
über ganz Süddeutschland (einschließlich Österreichs und der Schweiz)
verbreitete Handschriften überliefertev Rechtsbuchs Kaiserliches Land- und
Lehnrechtsbuch (→Kaiserrecht). Der S. übersetzt den
mittelniederdeutschen, in Landrecht und Lehnrecht geteilten →Sachsenspiegel
Eike von Repgows wie der →Deutschenspiegel in das Mittelhochdeutsche
und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. Es verwertet
fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche Landfrieden, die Institutionen
Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids von Augsburg und
Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche Fassungen überliefert,
dass die Herstellung einer Urfassung (Urschwabenspiegel) Schwierigkeiten
bereitet. Als älteste, vom Deutschenspiegel verschiedene Fassung wird von C.
Bertelsmeier-Kierst eine vielleicht in Regensburg zwischen 1268 und 1272 entstandene
Fassung (E) angesehen. Eine durchgehend illustrierte Handschrift liegt in
Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher (Freising, Bayern,
Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von Melchior →Goldast
(1609).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg,
F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H., Rockingers
Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233; Lindner, G.,
Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885), 86, 141;
Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler,
1919, 25; Stutz, U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Hand_schrift, ZRG GA 44
(1924), 315; Voltelini, H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe des
Schwabenspiegels, Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924, Nr.
12; Eckhardt, K., Die handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des
Schwabenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische
Handschriften des Schwabenspiegels, ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H. v., Ottokars österreichische
Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50 (1930), 385; Klebel, E., Studien
zu den Fassungen und Handschriften des Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129;
Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen);
Thieme, H., Eine unbekannte Schwabenspiegelhandschrift, ZRG GA 54 (1934), 241;
Lentze, H., Die Kurzform des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur
Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes, ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D.,
Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu
den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel,
Kurzform, mitteldeutsch-niederdeutsche Handschriften, hg. v. Große, R.,
1964; Große, R., Die mitteldeutsch-niederdeutschen Handschriften des
Schwabenspiegels in seiner Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte
Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971),
190; Schwabenspiegel, Form M, 1972; Schwabenspiegel, Normalform 1972;
Schwabenspiegel, Kurzform III, Fassung Kt, hg. v. Eckhardt, K., 1972
(Tambacher Handschrift von 1295); Schwabenspiegel Kurzform, hg. v. Eckhardt,
K., 2. A. 1974; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H., Der
Schwabenspiegel und die kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118 (2001),
100; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert,
2008; Schwabenspiegel-Forschung im Donaugebiet, hg. v. Balogh, E., 2013
Schwäbischer Bund ist
der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des
Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende
Bund.
Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968;
Knapp, H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520;
Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der
schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000
Schwäbischer Städtebund
Lit.: Blezinger, H., Der
schwäbische Städtebund in den Jahren 1438-1445, 1954
Schwäbisch Gmünd
Lit.: Payer, Peter, Die
Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur. Tübingen 1957; Herrmann, K. u. a.,
Schwäbisch Gmünd, 2006
Schwäbisch Hall
Lit.: Die Bürgerschaft der
Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb. v. Wunder, G. u. a., 1956; Kreil,
D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im 15./16. Jahrhundert, (1967);
Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt
Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert, 1971; Iländer, B., Verfassung und
Verwaltung der Reichsstadt Hall (1648-1806), 2000; Schinke, E., Herrschen vor
Ort, 2008
Schwägerschaft (Wort 1354) ist das Verhältnis eines
Ehegatten zu den Verwandten des anderen Ehegatten. Vom Hochmittelalter an ist
die S. ein kirchliches Ehehindernis (1215 vom siebten Grad auf den vierten Grad
verringert).
L: Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schwalenberg
Lit.: Forwick, F., Die
staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963
Schwangerschaft ist der von der Befruchtung einer weiblichen Eizelle bis
zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im Leben einer Frau. Die S.
wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht (lat. [M.]
nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht,
aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom
Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit).
Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den
das Mutterschutzgesetz erweitert.
Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau,
1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus
als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87;
Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch,
2004
Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg an der Schwarza
in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die im 16. Jh. in
Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt teilen. Die 1697 bzw.
1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion vereinigt.
Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Schwarzenberg,
Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463-Nürnberg 21. 10.
1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im
Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493
Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm
verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird
er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen
von Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) →Constitutio (F.)
Criminalis Bambergensis (1507) die (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis
Carolina (1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch
interessiert (1534 Teutscher Cicero).
Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann Freiherr
zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363; Hellner,
J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48;
Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, (in) Strafrecht, Strafprozess und
Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29
Schweden ist
der zwischen Norwegen und Finnland gelegene nordeuropäische, zum 1. 1. 1995 der
Europäischen Union beigetretene Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2.
oder 1. Jt. v. Chr. von →Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones)
besiedelt. Im Frühmittelalter dehnen dabei die oberschwedisch-upländischen
Svear ihre Herrschaft auch auf die Götar aus. Im Hochmittelalter kommt
demgegenüber Götaland größere Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung
wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird
das von Schweden aus christianisierte Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt
sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland und von der Mündung des Götaälv
bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet
(Westgötenrecht bzw. Westgötalagh seit 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötenrecht
bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296, Södermannalagen
bzw. Södermannalagh um 1279-1285 bzw. 1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296,
Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298-1347 bzw. um 1330,
Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-1332 bzw. 1329/1350). Zu den
Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzilsbeschlüsse
hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am
bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den
einzelnen Landschaften allmählich aufgenommenes Landrecht (Landslag), 1357
(1353-1360) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus
den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft
Königin Margarethes von →Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert.
1448 verselbständigt sich S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine (von
1530 bis 1593 geschlossene) Universität in →Uppsala eingerichtet (weitere
Universitäten 1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das
Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet und S. wenig später dem Luthertum
zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich der in 4 Stände (Adel, Geistliche,
Bürger, Bauern) gegliederte dauernde Reichstag neben König und Reichsrat. Im
17. Jh. nimmt S. unter König Gustav Adolf am Dreißigjährigen Krieg Teil und
erlangt im Friedensvertrag von 1648 die Herrschat über einzelne norddeutsche Reichslehen
(Vorpommern, Rügen, Odermündung, rechtes Oderufer, Bremen, Verden und 5
Millionen Taler). Am Ende des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den →Absolutismus
durch, doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der
Reichstag das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736
an. 1772 entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den
Reichsrat auf. 1789 wird ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809 wird der
König abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu
geschaffen. Finnland gelangt an Russland. 1810 wird der französische Marschall
Bernadotte zum Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Dänemark an S.
1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhängigem Wahlrecht, seit 1921
allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen.
Zum 1. 1. 1995 tritt S. der →Europäischen Union bei. 2000 werden Staat
und Kirche getrennt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 130; Samling af
Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd. 1ff. 1827ff.
(13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches Obligationenrecht, 1882;
Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts,
ZRG GA 36 (1915), 137; Bergman, C., Översikt av svensk rättsutveckling, 1918;
Bergman, C., Testamentet i 1600-talets rättsbildning, 1918; Schwerin, C. Frhr.
v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Mayer, E., Die
letzten Spuren eines Uradels in Südschweden und Dänemark, ZRG GA 41 (1920),
373; Kock, E., Om Hemfjöld (förtida arv) i svensk rätt, 1926; Holmbäck, Å.,
Frågan om äganderätten till häradsallmänningarna, Svenska Skogsvårdsföreningens
tidskrift 1930; Hemmer, R., Studier rörande straffutmätingen i medeltida svensk
rätt, 1928; Holmbäck, Å,./Wessen, E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff.
1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933;
Svenska Landskapslagar, tolkade och förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.; Schwedische Rechte, Älteres Westgötalag,
Uplandslag, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Wennström, T., Tjuvnad ock
fornæmi, 1936; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte,
1939; Wennström, T., Brott och böter, 1940; Löning, G., Zur Zufallshaftung im
schwedischen Vertragsrecht, ZRG GA 62 (1942), 179; Olivecrona, K., Döma til
konung, 1942; Almquist, J., Svensk juridisk litteraturhistoria, 1946; Löning,
G., Die Haftung des Entleihers in der neueren schwedischen Rechtsgeschichte,
ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt, M./Hubatsch, W., Deutschland und Skandinavien,
1950; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952, Wührer, K., Zum altschwedischen
Eherecht, ZRG GA 74 (1957), 231; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen
Recht, ZRG GA 75 (1958), 349; Wührer, K., Die schwedischen Landschaftsrechte
und Tacitus’ Germania, ZRG GA 76 (1959), 1; Hafström, G., Land och lag, 1959,
2. A. 1965 (Darstellung des schwedischen mittelalterlichen Rechts); Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Äganderätt och
handelsinteresse, 1960; Thomson, A., Barnkvävningen, 1960; Hemmer, R., Die
Missetat im altschwedischen Recht, 1965; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden,
ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter,
1965; Anners, E., Humanitet och Rationalism, 1965; Schmidt, G., Die
Richterregeln des Olavus Petri, 1966; Olivecrona, K., Rättsordningen, 1966;
Thomson, A., Otidigt sängelag, 1966; Thomson, A., Hävdande under
äktenskapslöfte, 1966 (SB Lund); Roberts, M., The early Vasas (1523-1619, 1968;
Wessén, E., Svensk medeltid - 1 Landskapslagar, 2 Birgitta-Texter, 1968;
Scovazzi, M., Der römische pontifex und die eriksgata der schwedischen Könige,
ZRG GA 88 (1971), 198; Das Ostgötenrecht, hg. v. Strauch, D., 1971; Thomson,
A., I stocken, 1972; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter 2, 1972; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,995, 2,2,531,1027, 4,4,235; Modéer, K., Die
Gerichtsbarkeit der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, ZRG GA
91 (1974), 190; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im
deutschen Reichsterritorium, 1975; Barudio, G., Absolutismus – Zerstörung der
libertären Verfassung, 1976; Inger, G., Das Geständnis in der schwedischen
Prozessrechtsgeschichte, Bd. 1 1976; Inger, G., Institutet „insättande på
bekännelse“ i svensk processrättshistoria, 1976; Sjöholm, E., Gesetze als
Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens, 1976; Hafström, G., Den
svenska familjerättens historia, 1978; Buchholz, W., Staat und Ständegesellschaft
in Schweden zur Zeit des Überganges vom Absolutismus zum Ständeparlamentarismus
1718-1720, 1979; Nicht nur Strindberg, hg. v. Müssener, H., 1979; Ekbom, C.,
Attungstal och mantal, 1981; Patzelt, E./Patzelt, H., Schiffe machen
Geschichte, 1981; Nygren, R., Subordination och enskild integritet, 1981; Den
svenska historien, 1983f.; Seth, I., Överheten och svärdet, 1984; Ankarloo. B.,
Trolldomsprocesserna i Sverige, 1984; Winberg, C., Grenverket. Studier rörande
jord, 1985; Das schwedische Reichsgesetzbuch (Sveriges Rikes Lag) von 1734, hg.
v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Claëson, S.,
Häradshövdingeämbetet i senmedeltidens och Gustav Vasas Sverige, 1987;
Sundell, J., Tysk påverkan på svensk civilrättsdoktrin 1870-1914,
1987; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504;
Sjöholm, E., Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G., Schweden, 1988;
Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989; Åqvist, G., Kungen och Rätten, 1989;
Anners, E., Frålagtolkning till lagstiftning, 1989; Sandström, M., Die
Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1989; Anners,
Erik, Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Sjöholm, E., Sweden’s Medieval Laws, Scandinavian
Journal of History 15 (1990); Högsta Domstolen i Sverige under 200 ar, Bd. 1, 2
hg. v. Nygren, R. bzw. Modéer, K., 1990; Sundberg, J., Fr(an) Eddan t(ill)
Ekelöf (Von der Edda zu Ekelöf), 1990; Sundin, J., För Gud, Staten och Folket,
1992; Frohnert, P., Kronans skatter och bondens bröd, 1993; Thunander, R.,
Hovrätt i funktion, 1993; Inger, G., Erkännandet i Svensk processrättshistoria
2 (1614-1948), 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der
Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Sundell, J.,
Mittermaier, Maurer und Amira, ZRG GA 114 (1997), 415; Findeisen, J., Schweden,
1997; Alexius, K., Politisk yttrandefrihet, 1997; Kumlien, M., Uppfostran och
straff, 1997; Sundell, J., Karl Schlyter (21. Dezember 1879-21. Dezember 1959),
1998; Nilsén, P., Att stoppa munnen till pa bespottare – den akademiska
undervisningen i svensk statsrätt under frihetstiden, 2001; Rättslig integration
och pluralism, red. v. Önnerfors, E. u. a., 2001; Rättshistoria i forändring,
red. v. Modéer, K., 2002; Eliasson, P., Skog, makt och människor, 2002; Kohler,
M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2003; Dänemark,
Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung,
hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Nesemann, U., Die schwedische Familiengesetzgebung,
2003; Ullgren, P., Lantadel, 2004; Lyles, M., A Call für Scientific Purity –
Axel Hägerström’s Critique of Legal Science, 2006; Lundmark, L., Samernas
skatteland, 2006; Line, P., Kingship and State Formation in Sweden 1130-1230,
2007; Feider og fred i nordisk middelalder, hg. v. Opsahl, E., 2007; Lundberg,
V., Folket, yxan och orättvisans rot, 2007; Giese, S., Studenten aus
Mitternacht, 2008; Schierig, T., Herrschaft und Gerichtsverfassung im
frühneuzeitlichen Schweden, 2010; Bjarne Larsson, G. Laga fång för medeltidens
kvinnor och män, 2010; Petersson Hjelm, S., Fängelset som Välfärdsbygge, 2011;
Korpiola, M., Affection or Ancestry, ZRG GA 130 (2013), 145
Schweidnitz
Lit.: Rechtsdenkmäler der Stadt
Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a., 1939; Die Magdeburger Schöffensprüche
und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz, bearb. v. Goerlitz, T. u. a., 1940
Schweigaard,
Anton Martin (Kargero 1808-Oslo 1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach
Förderung in Westerholt/Ostfriesland, Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten
in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in Oslo und Rechtspolitiker.
Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen Strafgesetzbuch von 1842
(1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine
Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch der Institutionen, 1814 bzw. Lehrbuch des
heutigen römischen Rechts, 1818.
Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske
tenkning, 1986
Schweinsberg (1322 Stadt)
Lit.: Eckhardt, W., Kaiser Ludwig
der Bayer und das Stadtrecht für Schweinsberg, Zs. d. Vereins f. hess.
Geschichte und Landeskunde 112 (2007), 51
Schweinfurt
Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972
Schweiz ist
der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich
liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt
davon, dass der deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten
von →Uri im ehemaligen Herzogtum →Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit
verspricht und vielleicht davon, dass sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von
Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten
Leuten von →Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis
gegen die das Privileg missachtenden Grafen von →Habsburg verbinden, nach
anderer Ansicht erst im 14. Jh. (1351 Bündnisse Zürichs mit Uri, Schwyz,
Unterwalden und Luzern, 1352 mit Glarus und Zug, festere Strukturen erst um
1450). Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als →Eidgenossen
auftretenden Verbündeten zu Fuß die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns zu
Pferde angreifenden) habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald
schließen sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug
1352, Bern 1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und
Solothurn 1481). Frühestens am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen gesamteidgenössische
Gespräche (1482 Tagsatzung). Die tatsächliche Lösung vom Reich beginnt
vielleicht 1499. Basel und Schaffhausen folgen zwangsweise 1501. Die Lösung vom
Reich verwirklicht sich wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1648
wird die rechtliche Trennung vom Heiligen römischen Reich herbeigeführt. 1798 entsteht unter dem
Einfluss der französischen Revolution bzw. Napoleons die (zentralistische)
helvetische Republik mit 1803 föderalistisch abgeänderter Verfassung, mit
Bundesvertrag vom 7. 8. 1815 wieder ein lockerer Staatenbund von 22 souveränen
Kantonen mit dauernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848
(1874 abgeändert) einen Bundesstaat mit ziemlicher Selbständigkeit der
Gliedstaaten macht (Bundesgericht, nichtständig, 22 nicht notwendig
juristisch gebildete Mitglieder der 22 Kantone, beschränkte Zuständigkeit, rund
1100 Entscheidungen bis 1874). Ihm gehören in der Gegenwart 26 Kantone bzw.
Halbkantone (6) in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit
durch die großangelegte, noch nicht abgeschlossene Sammlung Schweizerischer
Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht,
zu dem zwischen 1791 und 1865 etwa 470 nationale und kantonale Verfassungen und
Verfassungsentwürfe zu zählen sind, ist nach einem Personenstands- und
Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes Buch des Zivilgesetzbuchs)
und in dem von Eugen Huber maßgeblich beeinflussten Zivilgesetzbuch (1907/1912
mit Ausstrahlungen auf Liechtenstein, die Türkei, Italien, Griechenland,
Peru, China, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion) für das Privatrecht
vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1960
wird die S. Gründungsmitglied der ziemlich erfolglosen Europäischen Freihandelszone
(EFTA). 1971 erhalten die Frauen das Wahlrecht. Ein Beitritt zu den
europäischen Gemeinschaften wird vom Volk abgelehnt, Zum 1. 1. 2000 wird die
Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes).
2002 tritt die Schweiz den Vereinten Nationen bei. Zum 1. 1. 2007 treten das
Bundesgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz in Kraft. Das Recht
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird überarbeitet. Am 5. 10. 2007
wird eine schweizerische Strafprozessordnung verabschiedet.Durch verschiedene
Abkommen nähert sich die S. der europäischen Union an, sieht aber in der
grundsätzlichen Unabhängigkeit noch überwiegende wirtschaftliche Vorteile. Zum
1. 1. 2011 ersetzt eine einheitliche schweizerische Zivilprozessordnung
die bisherigen 26 kantonalen Zivilprozessordnungen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242,
244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd.
1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen
Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der
Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des Obersimmentales,
1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse à l’époque Mérovingienne,
1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica, 1910; Meyer, K.,
Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das Statutarrecht des
Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die Anfänge Zofingens, 1913;
Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann, M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.;
Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in der eidgenössischen Verfassung
vor 1798, Politisches Jahrbuch der schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917);
Benz, A., Der Landammann, 1918; Simon, R., Rechtsgeschichte der
Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H., Rechtsgeschichte der Grafschaft
Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische Kampf um die religiöse Einheit der
Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E., Geschichte des neueren
schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Heusler, A., Schweizerische
Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Stutz, U., Die Schweiz in der deutschen
Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der Schweiz, Bd. 1f. 1921;
Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v. Turler, H. u. a., Bd.
1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Winkler, J.,
Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v., Die Badener
Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von Kyburg im
Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer Bundesbriefs
von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930), 413; Gasser, A.,
Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das „eidgenössische recht“ 1798-1848, 1930;
Staehelin, H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931; Schaefer, P., Das
Sottocenere im Mittelalter, 1932; Nabholz, H. u. a., Geschichte der Schweiz,
Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung der schweizerischen
Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932; Gallati, F., Die Eidgenossenschaft und der
Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III. 1619-1657, 1932; Gisi,
M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen Kirche in der Schweiz,
1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd.
1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger, G., Jakob Dubs als
schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W., Die
Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im
Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des
Talgerichts von Engelberg, 1935; Legras, H., Grundriss der schweizerischen
Rechtsgeschichte, 1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff.
1935ff.; Liver, P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser,
A., Landständische Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische
Geschichte 17 (1937), 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937);
Fehr, H., Sozial- und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen,
ZRG GA 58 (1938), 506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der
Eidgenossen, 1940; Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der schweizerischen
Eidgenossenschaft, bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die
Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg.
v. Winkler, E., 1941; Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L.,
1942; Stockmann, H., Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und
Appenzell, 1942; Staub, E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H.,
Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus
in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v.
Usteri, E., 1955; Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in
eidgenössischen Angelegenheiten, 1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im
politischen Kräftespiel, 1961; Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein
1861-1960, 1961; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
1961; Sonderegger, S., Die schweizerdeutsche Mundartforschung 1800 bis 1959,
1962; Lei, H., Der thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962;
Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit – Von der Gründung des Bundesstaats
bis zur Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni,
P., Le origini del dualismo comunale svizzero, 1964; Stettler, B., Studien zur
Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen Zivilrechtswissenschaft,
FS K. Bader 1965, 321; Guldener, M., Über die Herkunft des schweizerischen
Zivilprozessrechts, 1966; Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutung der
extramuralen Rechtsbereiche nordschweizerischer Städte, 1967; Tschudi, A.,
Chronicon Helveticum 1ff., bearb. v. Stadler, P. u. a., 1968ff.; Carlen, L.,
Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968, 2. A. 1978, 3. A. 1988; Wernli, F., Die
Talgenossenschaften der Innerschweiz, 1968; Renner, F., Der
Verfassungsbegriff im staatsrechtlichen Denken der Schweiz im 19. und 20.
Jahrhundert, 1968; Schweizerisches Privatrecht, Bd. 1 hg. v. Gutzwiller, M.,
1969 (Elsener, F., Geschichtliche Grundlegung, 1-237 S.); Liver, P.,
Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970;
Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Fulda,
J., Zur Entstehung der Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der
Schweizer Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,4189;
Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 1974, 2. A. 1976, 3. A. 1980, 4. A. 1987,
5. A. 1991. 6. A. 1997, 7. A. 2001, 8. A. 2007; Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Dubler, A. u. a., Wohlen, 1975; Die Murtenschlacht, 1976;
Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Bickel,
A., Die Herren von Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der alten
Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v.
Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, hg.
v. Peter, H. u. a., 1982; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches
Strafgesetzbuch, Schweiz. Z. f. Strafrecht 99 (1982); Schnyder, B., Siebzig
Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Das Obligationenrecht 1883-1983,
hg. v. Caroni, P., 1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H.,
Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Drack, W. u. a., Die Römer
in der Schweiz, 1988; Schwander, M., Schweiz, 1991; Furrer, N., Glossarium
Helvetiae Historicum, Ortsnamen, 1991; Dubler, A., Das Recht der Landschaft
Emmental, 1991; Kraus, D./Pahud de Mortanges, R., Bibliographie des
schweizerischen Staatskirchenrechts, 1991; Steppacher, R., Die Berücksichtigung
der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB, 1992; Dubler, A./Häusler,
F., Aus der Geschichte des Grenzraums Emmental-Entlebuch, 1992, Kölz, A.,
Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1992, Bd. 2 2004;
Quellenbuch zur neueren schweizerischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Kölz,
A., 1992; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt (1273-1437), 1994; Delfosse,
M., Emilie Kempin-Spyri (1853-1901), 1994; Böning, H., Der Traum von Freiheit
und Gleichheit, 1998; Kästli, T., Die Schweiz, 1998; Bergier, J., Die Schweiz
in Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt
Bundesverfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre
Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Hettling, M. u. a., Eine kleine
Geschichte der Schweiz, 1998; Rossi, P., Cours d’histoire suisse (1831-1832),
2000; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000;
Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, hg. v.
unabhängiger Expertenkommission, 2001; Hofer, W./Reginbogin, R., Hitler, der
Westen und die Schweiz, 2001; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 1ff.
2002ff.; Bonaparte et la Suisse, hg. v. Monnier, V., 2002; Fasel, U., Handels-
und obligationenrechtliche Materialien, 2002; Schmitz, M., Westdeutschland und
die Schweiz nach dem Krieg, 2003; Fasel, U., Bahnbrecher Munzinger, 2003; Die
Rechtsquellen der Stadt Biel, bearb. v. Bloesch, P., 2003; Die Erfindung der
Demokratie in der Schweiz, hg. v. schweizerischen Bundesarchiv, 2004; La Suisse
occidentale et l’empire, hg. v. Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt
Thun, bearb. v. Dubler, A., 2004; La Suisse occidentale et l’Empire, hg. v.
Moererod, J. u. a., 2004; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004;
Maissen, T., Verweigerte Erinnerung, 2005; Gees, T., Die Schweiz im
Europäisierungsprozess, 2006; Ein Bruderkrieg macht Geschichte, hg. v.
Niederhäuser, P. u. a., 2006; Piller, O., Die soziale Schweiz, 2006; Zbinden,
M., Der Assoziationsversuch der Schweiz mit der EWG 1961-1963, 2006; Geschichte
der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v.
Schweizerisches Bundesarchiv, 2007; Maissen, T., Die Geburt der Republic, 2007;
Mesmer, B., Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht, 2007; Reich, D., Direkte
Demokratie in der Krise, 2007; Saleski, K., Theorie und Praxis des Rechts,
2007; Gschwend, L., Die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, Zs. f.
schweizerisches Recht 2007, 435ff.; Marchal, G., Schweizer Gebrauchsgeschichte,
2. A. 2007; Head, R., Jentasch’s Axe, 2008; Marquardt, B., Die alte
Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008;
Demokratisierungsprozesse in der Schweiz, hg. v. Graber, R., 2008; Pichonnaz,
P., Les fondements romains du droit privé, 2008; Sablonier, R., Gründungszeit
ohne Eidgenossen, 2008, 3. A. 2008; Carlen,
L., Goms und Gommer, 2009; Kriegsverbrecherprozesse in der Schweiz, hg. v.
Ziegler, A. u. a., 2009; Duss, V., Gericht, Gesetz und Grundsatz, 2009;
Schürer, S., Die Verfassung im Zeichen historischer Gerechtigkeit, 2009;
Seferovic, G., Das schweizerische Bundesgericht 1848-1874, 2010 Bühler, T.,
Schweizerische Rechtsquellen und schweizerische Verfassungsgeschichte nach
einer Vorlesung von Ulrich Stutz (1868-1932) (!), 2010; Kley, A., Geschichte
des öffentlichen Rechts der Schweiz, 2011; Kradolfer, M., Justitias
„Emancipation“, 2011 (mit einer Tabelle der kantonalen Gerichte 1840); Engi,
L., Staatsdenker. 15 bedeutende Schweizer Juristen und Politiker im Porträt,
2011; ; Zangger, A., Koloniale Schweiz, 2011; Rohner, G., Die Wirksamkeit von
Volksinitiativen im Bund 1848-2010, 2012
Schwerin →Mecklenburg
Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von
Schwerin. Diss. phil. Rostock 1928; Das Schweriner Stadtbuch, hg. v. Poeck, D.,
2004
Schwert ist
seit dem Altertum eine Stichwaffe und Hiebwaffe, die auch im Recht tatsächlich
(Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei →Investitur, →Zweischwerterlehre,
→Schwertmage) verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Schwertbrüderorden ist der 1202 in Livland gestiftete kleine Ritterorden, der
1237 mit dem →Deutschen Orden verschmolzen wird.
Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875;
Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur
Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)
Schwertleite (F.)
ist der ältere ritterliche Mannbarkeitsritus, der später durch den Ritterschlag
ersetzt wird.
Lit.:
Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische
Waffenkunde 8 (1919)
Schwertmage ist
der durch das →Schwert versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im
deutschen Mittelalter.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88;
Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1
Schwur ist die Handlung und das Ergebnis der
Leistung eines Eides.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v.,
Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde, Zeitschrift für schweizerisches Recht 39
(1920); Fritze, W., Die fränkische Schwurfreundschaft der Merowingerzeit, ZRG
GA 71 (1954), 74
Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei
Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten
Strafsachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.)
3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen
über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe
entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem
Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 (Westphalen 1809, Kurhessen
1848) eingeführt. 1877/1879 wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im
Deutschen Reich 140 Schwurgerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen
Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche
Justizreform, lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1.
10. 1950 nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine unmittelbare Kontinuität des
deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen
Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der
fränkischen Zeit her, die der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das
spätantiken Vorläufern folgende fränkische Untersuchungsverfahren über
Grundstücksverhältnisse über die Normandie nach England gelangt, wo es König
Heinrich II. (1154-1189) für Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach
soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166
wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen.
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG
3; Köbler, DRG 171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der
Schwurgerichte, 1872, Neudruck 1967; Plucknett, T., A Concise History
of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Schwinge, E.,
Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden, 1974; Böttges, W., Die
Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W.,
Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Reimann, M., Der Hochverratsprozess
gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden,
1985; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, (in) The Trial Jury, hg.
v. Schioppa, A., 1987, 241; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common
Law, 1973, 2. A. 1988; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002;
Koch, A., Die Rückkehr der „Volksgerichte“, ZRG GA 122 (2005), 242; Pense, T.,
Das spanische Schwurgericht, 2006; Braun, M., Die Entwicklung der
Schwurgerichtsfrage in Kurhessen bis zum Jahre 1851, 2011
Schwyz, um
730 Ort einer Kirche, ist der für die →Schweiz namengebende Urkanton.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die
schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des
Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914;
Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich
1956; Riggenbach, A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die
Entstehung der Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968,
2. A. 1978, 3. A. 1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991;
Fassbind, J., Schwyer Geschichte, hg. v. Detting, A., 2004; Adler, B., Die
Entstehung der direkten Demokratie, 2006
Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac
potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen,
heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17)
scultetus (lat.-afrk.
[M.]) →Schultheiß
Seabra,
António Luís Visconde de (1798-1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Coimbra Richter, Rechtslehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft
den 1867 in Kraft gesetzten Código civil portuguez.
Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de
Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973
Seckel,
Emil (Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864-Todtmoos 26. 4. 1924), Schwiegersohn
Hinschius’, wird 1898 Professor in Berlin.
Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E.,
Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216
Seckendorff,
Veit Ludwig von (Herzogenaurach 20. 12. 1626-Halle/Saale 18. 12. 1692), aus
fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie, Geschichte und Recht
in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in
Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende
Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an
dessen Amtsträger wendet.
Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in
Veit Ludwig von Seckendorffs „Teutschem Fürstenstaat“, ZRG 87 (1970), 190;
Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987,
3. A. 1995
Securitas (lat.
[F.], Sicherheit) ist im spätantiken römischen Recht die
Quittung.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62
SED ist die
am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von Sozialdemokratischer Partei
Deutschlands und Kommunistischer Partei Deutschlands zwecks Ausschaltung der
Sozialdemokratie hervorgehende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in
der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen Reiches, die in der Deutschen
Demokratischen Republik die Politik entscheidend bestimmt und sich nach
deren Scheitern am Ende der Deutschen Demokratischen Republik (1989) in
Partei des demokratischen Sozialismus (PDS) umbenennt.
Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur
Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende
der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997;
Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke,
M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998;
Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die
Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED-Diktatur und
Gesellschaft, 2002; Giese, D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik
und Organisation der SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und
heißer Frieden, 2003; Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best,
H./Mestrup, H., 2003; Niemann, M., Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen
1952-1989, 2007; Malycha, A. u. a., Die SED, 2009; Amos, H., Die
Vertriebenenpolitik der SED 1949-1990, 2009; SED-Kader, hg. v. Niemann, M. u.
a., 2010
Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz einer Universität.
Seedarlehen →fenus
(N.) nauticum (lat.)
Lit.: Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Seelbuch (N.)
Totenbuch
Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971
Seelgerät ist
im mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat. salus [N.]
animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem
Hochmittelalter auch durch →Testament.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E.,
Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und
Seelgerät im griechischen Recht, 1926; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v.
Herzog, M. u. a., 2007
Seelteil →Freiteil
Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des
germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu „Augustin und der Seelteil“
S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377
Seerecht ist
das die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See
nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist
insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der Seeschiffahrt.
Dieses erscheint bereits im (lat.) →Codex (M.) Hammurapi (1728-1686 v.
Chr.). Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos benannte
griechische Seehandelsrecht (lat. lex [F.]
Rhodia [de iactu], rhodisches Gesetz über den Wurf [von Gütern bei Gefahr in
die See]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das 15. Jh.
fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von Amalfi
(lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.),
Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in
Barcelona um 1350 (1348) ist das →Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh.
den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die →Rôles
d’ →Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren flämische
Übersetzung →Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet zusammen mit
der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam entstandenen →Ordinancie
die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste Sammlung Waterrecht. Von den
deutschen Seehandelsstädten wirken vor allem Hamburg und Lübeck und ihre
Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh. werden in den Niederlanden
(1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark (1561), Hamburg (1603),
der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame Regelungen erlassen, an die
sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche Literatur anschließt (→Stracca,
→Grotius, →Vinnius).→Preußen schafft 1727 ein 10 Kapitel mit
361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in das →Allgemeine
Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs →Ordonnance de la marine
(1681) erhält der →Code de commerce (1807) aufrecht, der sich auf
Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864), Spanien (1829),
Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und Italien vollständig
oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheitlichen ihr S. im →Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) bzw. im Handelsgesetzbuch (1897/1900).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 2. A.
1883, Neudruck 2013; Lewis, W./Boyens, E., Das deutsche Seerecht 1897, Neudruck
2013; Rolin, H., L’abordage, 1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v.
Telting, A., 1907; Sammlung älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft
1ff. 1907ff.; Seerechtliche Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915;
Perels, L. El libro del consulado de mar, Revista juridica de Cataluña 23
(1917); Perels, L., Orden judicial del consulado de mar de Barcelona, Revista
juridica de Cataluña 25 (1919); Pappenheim, M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrags,
ZRG GA 51 (1931), 175; Zeno, R., Documenti per la storia del diritto marittimo,
1936; Wüstendörfer, H., Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische
Seehandelsrecht im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die
hanseatischen Seerechte, (in) 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för
rättshistorik forskning, 1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische
Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985; Landwehr, G., Die Haverei in den
mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Das
preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113; Landwehr, G., Die
Bedeutung des lübischen Seerechts, (in) Schiffe und Seefahrt, hg. v. Bei der
Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des Seerechts,
(in) Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr, G.,
Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Decken, J. v. d., Das
Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der
Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts,
hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003;
O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Schweitzer, J.,
Schiffer und Schiffsmann in den Rôles d’Oléron, 2006; Ausschuss für Seerecht
(1933-1942), hg. v. Schubert, W., 2012
Seesen
Lit.: Tausend Jahre Seesen, hg. v.
d. Stadt Seesen, 1974
Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die bei Fahrt
oder Beförderung auf See bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint
erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher
Bedeutung.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Kiesselbach, A., Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche
Entwickelung der Seeversicherung in Hamburg, 1901; Hammacher, W., Die
Grundzüge des allgemeinen Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983;
Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Go, S., Marine
Insurance in the Netherlands 1600-1870, 2009
Sefarde (M.)
Jude im mittelalterlichen Spanien
seisin (F.)
Gewere
Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt
Selbständiger ist, wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht. In der
arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer
geringer. Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohnkosten und Rationalisierungsdruck
bewirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 225, 252
Selbstbedienung ist die eigene Ausführung einer (bisher) einem andern
zustehenden Angelegenheit. Sie kann zu Kostenvorteilen führen. Sie kann (z. B.
bei Politik und im öffentlichen Dienst) aber auch sinnvolle Kontrollmechanismen
umgehen.
Lit.: Langer, L., Revolution im Einzelhandel, 2013
Selbstbestimmung ist die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über
sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes
Freiheitsstreben erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit
dem 19. Jh. im überindividuellen Bereich der Fall.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007;
Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das
Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004; Fisch, J., Adolf Hitler
und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, HZ 290 (2010), 93; Fisch, A., Das
Selbstbestimmungsrecht der Völker, 2010; DIe Verteilung der Welt, hg. v. Fisch,
J., 2011
Selbsthilfe (Wort 1678) ist die Durchsetzung
oder Sicherung eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist vor der
Entwicklung des staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbverständlich (→Fehde).
Schon im römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem Frühmittelalter
wird die S. zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie
zwar noch für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen
und gewährt ihr nur geringe Möglichkeiten (§ 229 BGB).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische
Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Selbstmord (Selbsttötung)
ist die gewaltsame Beendung des eigenen Lebens. Das römische Recht steht dem S.
grundsätzlich ziemlich gleichgültig gegenüber, gibt aber den zunächst üblichen Abbruch
eines Strafverfahrens nach S. im 3. Jh. n. Chr. aus finanziellen Erwägungen zu
Gunsten der Konfiskation des Vermögens von Angeklagten auf. Von der
christlichen Kirche wird S. vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch
bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen
Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und
territoriale Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf,
Thomasius, Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance
weltliche Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in
Preußen 1751 und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben, weil der
Selbstmörder als krank angesehen wird. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen
Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich strafbar.
Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907;
Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, (in) Il diritto ecclesiastico, 63
(1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium
der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44
(1953), 58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der
Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in
the Roman Empire, 1986; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in
the Middle Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal
History 21 (1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999;
Mischler, G., Von der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J.,
Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001; Bähr, A.,
Der Richter im Ich, 2002; Schreiner, J., Jenseits vom Glück. Suizid,
Melancholie und Hypochondrie in deutschsprachigen Texten des späten 18.
Jahrhunderts, 2003; Hofmann, D., Suizid in der Spätantike, 2007; Pfannkuchen,
K., Selbstmord und Sanktionen, 2008; Goeschel, C., Suicide in Nazi Germany,
2009; Frantzen, M., Mors voluntaria in reatu, 2012; Wiler, K., Die Beurteilung
der Selbsttötung, 2013
Selbstverwaltung ist die eigenverantwortliche Wahrnehmung überlassener oder
zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche Träger
öffentlicher Verwaltung. S. ist selbverständlich. Sie wird zu einer
politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute
Flächenstaat alle Entscheidungen zentralisiert. In Abwehr dieser bürokratisch-planstaatlichen
Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die
kommunale S. durch (Österreich provisorisches Gemeindegesetz 1849, Reichsgemeindesgesetz
1862, autonomer Wirkungsbereich und übertragener staatlicher Wirkungsbereich).
Dem folgen eine berufsständische S. (Handwerkskammer u. s. w.) und seit 1883
eine sozialversicherungsrechtliche S. (z. B. Krankenversicherung) nach.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R.
v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche
Selbstverwaltung, 1941; Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert,
1950, 2. A. 1969; Graf, W., Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden im
18. Jahrhundert, 1967; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung,
1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im
Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“
des Freiherrn von Stein, 1979; Hendler, R. Selbstverwaltung als
Ordnungsprinzip, 430; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden
in den modernen bayerischen Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte der
Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v.
Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung,
Diss. jur. Bonn 1999; Selbstverwaltung in der Geschichte Europas in Mittelalter
und Neuzeit, hg. v. Neuhaus, H., 2010; Arend, R., Bürger und kommunale
Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen seit 1945, 2010; Will, M.,
Selbstverwaltung in der Wirtschaft, 2010; Selbstregulierung im 19. Jahrhundert,
hg. v. Colin, P. u. a., 2011
Selden,
John (Selvington/Sussex 16. 12. 1584-Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn,
wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Clifford’s Inn (1603)
bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechtspraktiker (barrister), Rechtspolitiker
und Rechtswissenschaftler. Bereits 1606 verfasst er eine Darstellung der
angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über die englische
Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit (lat.) De Diis
Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet sich in der
Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?) antwortet er
auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem (lat.) Mare (N.)
clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische Kriegsschiffe die
holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten Gewässern von
Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England von Frederic
Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der englischen Rechtsgeschichte
gegründet.
Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943
masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John
Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988
Seldschuke ist
der Angehörige einer von Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157
bedeutsamen Herrscherfamilie der →Türken.
Semel heres semper heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4
Senat ist
im altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln stehende Versammlung der
Alten (lat. [M.Pl.] senes) oder Väter (lat. [M.Pl.]
patres) der patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S. gehören allmählich
alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an (anfangs 300
Mitglieder, später 600). Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen
ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. [N.]
senatusconsultum), so dass die Leitung Roms in der Republik im Grunde bei dem
S. liegt. Seit dem Prinzipat verkümmert der die Aufgaben der Volksversammlungen
übernehmende S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels). In der frühen
Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines Obergerichts, eines
politischen Kollegialorgans (z. B. zweite Kammer, in Bayern [60 Senatoren],
nach Volksentscheid zum 1. 1. 2000 aufgehoben, Oberhaus der Aprilverfassung
Österreichs 1848, Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreich, Italien) oder
eines Leitungsgremiums einer Hochschule.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §
6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel,
1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus,
hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998;
Senatores populi Romani, hg. v. Eck, W. u. a., 2005; Zmeskal, K., adfinitas,
2009
Senatusconsultum (lat. [N.]) ist der Senatsbeschluss auf Anfrage eines Magistrats, der
im römischen Recht praktisch Gesetzeskraft erlangt. Er ist meist nach dem
Antragsteller benannt.
Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4, 6, 14, 15; Köbler, DRG
18, 31
Senatusconsultum Claudianum
(54 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt
wird, die gegen den Willen des Herrn mit einem Sklaven geschlechtlich
verkehrt.
Lit.: Kaser § 15 II 3
Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, wonach ein
gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszugeben hat, worum er bereichert
ist.
Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG
37
Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist der nach einem Haussohn
Macedo benannte römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haussöhne
verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn (z. B.
Macedo) seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld
zu tilgen.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot
der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239
Senatusconsultum Neronianum
(54-68 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in
dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der anderen Arten von
Vermächtnis aufrechterhalten wird, wenn sein Inhalt dies zulässt.
Lit.: Kaser § 76 II 4a
Senatusconsultum Orfitianum
(178 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht
nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss,
welcher der Mutter, die das (lat.) →ius (N.) liberorum (Recht der Kinder)
hat, ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.])
sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den
vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den
fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und
gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger
unmittelbar als (lat.) →actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden.
Lit.: Kaser § 78 II 2
Senatusconsultum ultimum ist der römische Senatsbeschluss, in dem die Konsuln aufgefordert
werden, bei einem Aufstand zur Wiederherstellung der Ordnung auch außerordentliche
Mittel anzuwenden (erstmals 121 v. Chr. angewendet).
Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im
Interesse Dritter Verbindlichkeiten (z. B. Bürgschaften) einzugehen.
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus,
D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O., Senatus
consultum Velleianum – die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG GA 105
(1988), 270
Senckenberg,
Heinrich Christian (Frankfurt am Main 1704-Wien 30. 6. 1768), Arztssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736
ordentlicher Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu
seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wichtige Quellensammlungen
(z. B. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.).
Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978
Send (M.) →Sendgericht
Sendeve (1297)
(Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche nördliche →Handelsgesellschaft,
bei der Gut, das der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil
oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers
reist. Das Sendevegeschäft steht der →Kommission nahe.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Goldschmidt, L.,
Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957,¸Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts,
1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83
Sendgericht (zu
lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und
aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und
Verhandlung aller unrechten Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind.
Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh.
wird es allmählich durch den kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17.
Jh. endgültig beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A.,
Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte der
Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der
mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des römischen
Rechtes in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989) 23; Spieß,
P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die
Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht, Missat
und Feme im Werk des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA 118
(2001), 185
Seneschall (lat.-afrk.
senescalcus) ist im fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige
Truchsess (Altknecht). In Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter,
MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
senex (lat.
[M.]) Alter, senes (M.Pl.) Senat
senior (lat.
[M.]) Älterer, Herr
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die
Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173
sententia (lat.
[F.]) Satz, Urteil
Lit.: Kaser § 84 II
Sententiae (F.) Pauli
(lat.) (Urteile des Paulus) ist der Neme eines Auszugs aus echten Schriften des
→Paulus vom Ende des 3. Jh.s.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
separatio (lat. [F.]) Trennung (z. B. quoad torum et mensam, von Tisch und Bett)
Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des
Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks
Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. →Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG
37
Sequester (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der Verwahrer (Fremdbesitzer) einer
im Rechtsstreit befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die
siegreiche Partei Herausgabe der Streitsache aus der Sequestration verlangen.
Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3
Serbien ist
das von Morava und Vardar entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das während
der oströmischen Herrschaft seit dem 5./6. oder 7. Jh. →Slawen
einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter
päpstlicher Krönung Stefans des Erstgekrönten Königreich, in dem Stephan Dušan
1349 ein wichtiges Gesetz schafft. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389)
wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen
Reiches. 1838 wird S. autonom, 1878 durch den Berliner Kongress unabhängig.
1918 wird es Teil →Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten
ablösen (z. B. Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina). Sein Recht ist
demnach nacheinander römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich
geprägt. Das Leben der im 19. Jh. in die Vojvodina nordwestlich Belgrads eingewanderten
Deutschen (Donauschwaben, 1921 330000) endet 1944/1945 mit Flucht, Enteignung,
Vertreibung und Mord (um 2009 noch rund 3000 Angehörige).
Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck
1970; Dolenc, M., Dušanov zakonik (Das Gesetzbuch Dušans), 1925; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M.,
Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001;
Tomić, Y., La Serbie du prince, 2003; Sundhaussen, H., Geschichte Serbiens
19.-21. Jahrhundert, 2007
Sergeevic,
Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in
Moskau und 1872 in Sankt Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissenschaften
begründet er 1871 ausgehend von der historischen Schule und vom deutschen
Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend
geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen Rechtes und russische
Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
servitium (lat.
[N.]) Dienst, Leistung
Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro
communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C.,
Servitium regis, 1997
Servitus (lat.
[F.]) ist schon im altrömischen Recht die →Dienstbarkeit
(lat. [N.] iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.]
aquaeductus [Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das
Gebäude. Ein Personalservitut ist der →Nießbrauch. Als s. iuris
Germanici (deutschrechtliche Dienstbarkeit) versteht die frühe Neuzeit die ein
Tun beinhaltende Dienstbarkeit.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26,
41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998
Servitut (1513) →servitus, →Dienstbarkeit
Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Servius Sulpicius
Rufus (um 106-43 v. Chr.) ist der römische, 51 v. Chr. das Konsulat bekleidende
Rechtskundiger. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.])
libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum
prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene klassisch-institutionelle
Richtung der römischen Jurisprudenz.
Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école,
1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A.
1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602
Servus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der →Sklave. Er ist aus dem
(römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt,
Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der
Hausgewalt seines Herrn und wird im klassischen römischen Recht meist wie eine (körperliche)
Sache (res corporalis) behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. [N.]
→peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber
tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den
lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der →Unfreie.
Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35;
Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A.,
1985
sessio (lat.
[F.]) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung
Setzung →Rechtssetzung,
Gesetz
Seuche ist
die eine größere Zahl von Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die
S. richten sich schon im Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der
frühen Neuzeit ergehen umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.
Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des
Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky,
E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des
deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln
der Menschheit, 1997; Vasold, M., Grippe, Pest uhd Cholera, 2008
Sevilla am
Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. [F.])
colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten
kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon
erobert. 1502 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988
Sexualdelikt →Sittlichkeitsverbrechen
Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände
der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und
sexuelle Gewalt, 2004; Lehmann, P., La répression des délits sexuels dans les
Etats savoyards, 2006; Brüggemann, J., Entwicklung und Wandel des
Sexualstrafrechts in der Geschichte unseres StGB, 2012
Sexualität (F.)
Geschlechtlichkeit
Lit.:
Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991;
Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach,
H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte
der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und
administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999;
Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002;
Karras, R., Sexualität im Mittelalter, 2006; Clarke, J., Ars Erotica.
Sexualität und ihre Bilder im antiken Rom, 2009; Podlech, A., Sex, Erotik,
Liebe, 2007; Wheeler, L., How Sex Becam a Civil Liberty, 2012
Seyler Raphael
Lit.: Roth, W., Raphael Seyler
(1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218
Sheffield wird
im →Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht.
1905 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869
sheriff (M.)
(um 1000) königlicher Verwalter, Graf
Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927;
Gorski, R., The Fourteenth-Century Sheriff, 2003
Sichard,
Johannes (Tauberbischofsheim 1499-Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem
Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg
im Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des Rechtes in Basel. Er
veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise auch juristischen
Texten (z. B. 1528 →Lex Romana Visigothorum, 1530 →Lex
Alamannorum, →Lex Baiuvariorum und →Lex Francorum). Nach einer
fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das
italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952;
Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das
Studium der Rechte, 1974
Sicherheit ist
Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der →Polizei.
1882 beschränkt das sog. →Kreuzbergurteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts
die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im Nationalsozialismus
(1933-1945) wird die S. teilweise missbraucht (z. B. Schutzhaft).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage
der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe,
Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale
Sicherheit, 1988; Repräsentation von Kriminalität und öffentlicher Sicherheit,
hg. v. Härter, K. u. a. 2009; Scheiper, S., Innere Sicherheit, 2010; Sicherheit
in der frühen Neuzeit, hg. v. Kampmann, C. u. a., 2013
Sicherheitsleistung (1756, lat. [F.]
cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens
zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit
privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest,
Schuldhaft, Versicherung). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie
die frühe Neuzeit.
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sicherungsverwahrung →Maßregeln
der Sicherung und Besserung
Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung,
Diss. jur. Kiel 1999
Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene Übertragung
des Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits dem
altrömischen Recht als (lat. [F.]) fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des
Sicherungszweckes zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in
das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung
der Befriedigung der Kreditbedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht ausgeschlossen.
Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand
weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser
die Sache trotz S. nutzen kann. In Österreich ist die Bedeutung gering, weil
der oberste Gerichtshof seit 1918 für die Bestellung dieselbe Publizität
fordert wie für die Pfandrechtsbestellung.
Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften
des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W., Die
Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra legem?, (in)
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der Sicherungsübereignung
im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle Probleme, Diss. jur.
Düsseldorf, 2002
Siebenbürgen im
Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen im 9. Jh. an die →Ungarn.
Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler (→Sachsen) ins
Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden (erste Erwähnung der
selbständigen Propstei der deutschen Siedler in Hermannstadt 1191). Seit 1481
gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas
Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels,
Magdeburger und Iglauer Rechtes als bedeutendste Rechtsquelle der
sächsischen Gemeinschaft aus S. Nach 1517 dringt die Reformation ein. Seit 1526
ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583
gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an →Habsburg
(1765 Großfürstentum, 1848 Kronland). 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am
8. 1. 1919 schließt es sich →Rumänien an. Unter der Herrschaft des
Sozialismus in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische
Deutschtum weitgehend beseitigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Herrmann,
G. v., Das alte Kronstadt, 1802, Neudruck 2009; Urkundenbuch zur Geschichte der
Deutschen in Siebenbürgen, hg. v. Zimmermann, F. u. a., 1892ff., Neudruck 2007;
Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger
Sachsenlande, 1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate
vor dem Jahre 1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in
Siebenbürgen, 1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen,
1928; Müller, G., Die Gräven des Siebenbürgener
Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 6 (1931);
Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G.,
Stühle und Distrikte als Unterteilungen der siebenbürgisch-deutschen
Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger
Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen zur Geschichte der
Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E., 1976; Philippi, M.,
Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche
Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988;
Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat
siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und
Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A.
2003, 3. A. 2007, 4. A. 2012; Mitu, S., Die ethnische Identität der
Siebenbürger Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth,
H., Hermannstadt, 2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006;
Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Die
evangelichen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 24 Das Fürstentum
Siebenbürgen, bearb. v. Armgart, M., 2012; Generalprobe Burzenland, hg. v.
Gündisch, K., 2013
Siebenhardenbeliebung ist die von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle, die
1572 durch das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die formelle
Geltung verloren hat.
Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926;
Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen
Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische
Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von
1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA
62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A.
1960, 141
Siedlung ist die menschliche Niederlassung von
gewissem Umfang und gewisser Dauer. Sie beginnt mit der esshaftwerdung des
Menschen (Weiler, Dorf, Stadt). Bis zum Ende des 2. Jt. n. Chr. erreichen einzelne
Siedlungen (Metropolregionen) eine Einwohnerzahl von bis zu 35 Millionen
Bewohner (Tokio, Seoul, Mexiko, New York, Mumbai, Sao Paulo, Manila, Jakarta,
Delhi, Kairo, Istanbul, Schanghai, Kansai, Kolkata, Moskau, Buenos Aires, Los
Angeles, Dhaka, London, Lagos u. s. w.).
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und
Flurformen germanischer Länder, 1952; Fischer, H., Die Siedlungsverlegung,
1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs- und Agrargeschichte Mitteldeutschlands,
1956; Borsdorf, A. u. a., Allgemeine Siedlungsgeographie, 2010
Siegel ist
ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes
Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstücks. Das S. ist seit den ersten
Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet.
Seit dem Frühmittelalter wird in der →Königsurkunde, mit der vor allem
Einzelrechte verliehen werden, die Unterschrift durch das S. ersetzt und
werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in
Schwaben auch die Siegelurkunde anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird
selbst bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste
Form ist der schon im Altertum nachweisbare Siegelring.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
105; Posse, O., Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W.,
Siegelkunde, 1914; Die Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause
Wittelsbach 1323-1373, bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger
Schöffensiegel, ZRG GA 63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in
Sachsen, 1960; Frenz, T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux,
Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die
Entwicklung der bayerischen Bischofssiegel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische
Frauensiegel, 1999; Stieldorf, A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum
facultatis juridicae, 2005; Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005;;Marnetté-Kühl,
B., Mittelalterliche Siegel der Urkundenfonds Marienberg und Mariental, 2006; Das Siegel, hg. v. Signori, G., 2007; Die Bildlichkeit
korporativer Siegel, hg. v. Späth, M., 2009; Zehetmayr, R., Urkunde und Adel,
2010; Diederich, T., Siegelkunde, 2012
Siegel,
Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarztssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion
(1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet
die Sammlung österreichischer Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen
als Verpflichtungsgrund. Monographien behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA
20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978
Siegerland
Lit.: Petri, F. u. a., Das
Siegerland, 1955
Sielrecht (Schleusenrecht)
Lit.: Michaelis, F., De iure
cataractarum, 1696; Logemann, C., Die geschichtliche Entwicklung des bsonderen
Sielrechts in Oldenburg, 1959
Siena
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007; Denley, P., Commune and Studio in Late medieval and
Renaissance Siena, 2006; Denley, P., Teachers and Schools in Siena 1357-1500,
2007
Siete Partidas
(Sieben Teile) ist der 1256-1265 in Spanien entstandene siebenteilige Rechtstext.
Die S. P. werden unter König Alfons X. von Kastilien-Leon erarbeitet und nach
mehrfachen Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI.
als (span.) Libro (M.) del fuero de las leyes (Buch des Rechtes der Gesetze)
mit subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile
(Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und
Kriegsrecht, Gerichtsverfassung bzw. Verfahrensrecht und Königsrecht, Familienrecht
und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht)
mit fast 2600 Stücken (Gesetzen). Quellen sind das (lat.) →ius (N.) commune
(gemeine Recht), die Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus,
das Decretum Gratians, der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und
des Raymundus de Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der
kastilische Fuero juzgo, die →Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal
de las leyes, Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte
orientalischer Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.
Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie
der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986;
Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991; Las Siete Partidas, Título II de los
casamientos, hg. v. Ramos Anderson, P., 2009 (8 Handschriften)
Sigismund (Nürnberg 15. 2. 1368-Znaim 9. 12. 1437, 1378-1388
Markgraf Brandenburgs, 1387 König Ungarns, 1411 König des Heiligen römischen
Reiches, 1419 König Böhmens, 1433 Kaiser)
Lit.: Regesta Imperii 11, hg. v. Altmann, W. 1900 (ca.
23000 Regesten), Regesta
Imperii – XI Regesten Kaiser Sigismunds (1410-1437), Bd. 1ff. 2012ff.
(vielleicht 75000 Regesten zu erwarten); Kaiser Sigismund (1368-1437) hg. v.
Hruza, K. u. a., 2012
Signet →Notarsignet
Signoria (F.)
autokratische Herrschaftsform in Italien im Spätmittelalter
Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari,
1983
Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)
Silleiner Rechtsbuch
ist das auf magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsenspiegel, sächsisches
Weichbildrecht u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia
(Lukove/Kreis Altsohl) in einem deutschsprachigen Teil geschaffene, 1473 im
landrechtlichen Teil in das sich durchsetzende (Alttschechische bzw.) Altslowakische
übersetzte, bedeutendste Rechtsbuch der Slowakei (für die einst zu Ungarn
gehörige Stadt Sillein).
Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem Jahre
1378, 1933 (z. T. tschechisch bzw. slowakisch); Piirainen, I., Das
Stadtrechtsbuch von Sillein, 1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das
Silleiner Rechtsbuch, 2003
Silvesterpatent ist der Name der beiden Urkunden vom 31. 12. 1851, mit
denen der Kaiser von →Österreich die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte →Verfassung
als unangemessen und unausführbar aufhebt und das Grundrechtspatent des
Jahres 1849 beseitigt und damit Österreich zum →Neoabsolutismus führt (u.
a. durch ein Kabinettschreiben auch Geschworenengerichte abgeschafft,
Trennung von Verwaltung und Justiz aufgegeben).
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher
Simonie ist
nach Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus abgeleitete Handel mit
geistlichen Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr.
aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie von der kirchlichen Reformbewegung
entschieden bekämpft. →Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und
die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG
64 (1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Lynch, H.,
Simoniacal Entry, 1976; Münsch, O., Ein Streitschriftenfragment zur Simonie, DA
62 (2006), 619
Simson,
Eduard (Königsberg/Preußen 10. 10. 1810-1899), Kaufmannssohn, 1823 evangelisch,
wird nach dem Rechtsstudium in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi
(Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum
ordentlichen Professor ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst
am Tribunalsgericht in Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker
(Präsident der Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags,
Präsident des Zollparlaments, Präsident des Reichstags). 1879 wird er als
bisheriger Präsident des Appellationsgerichts in Frankfurt an der Oder (bis
1891) Präsident des →Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft
beeinträchtigt sein berufliches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine
Einordnung in eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Publikationstätigkeit
schwierig.
Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt,
G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,
1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001
Simultaneum (N.)
Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen Konfession)
Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995
Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge
Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singularsuccession,
1856
Sinti (oder Roma) ist die Bezeichnung für die früher als →Zigeuner
benannten Angehörigen einer Volksgruppe. Der Name S. leitet sich vermutlich
von der indischen Provinz Sind und dem Fluss Sindhu ab. Die S. verstehen sich
als Teil der Roma und bilden deren älteste im deutschen Sprachraum
nachweisbare Gruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Sinzheimer,
Hugo Daniel (Worms 12. 4. 1875-Overveen/Holland 16. 9. 1945), Kleiderfabrikantensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und
Marburg 1903 Rechtsanwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei.
1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge
des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert.
Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker
der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. Neudruck 1953 (Stahl, Levin Goldschmidt,
Heinrich Dernburg, Unger, Lenel, Wilda, Glaser, Laband, Georg Jellinek,
Ehrlich, Lotmar, Eduard von Simson, zusätzlich besonders erwähnt Heinrich von
Friedberg, Friedrich Stein, Staub, Haber, Heinitz, Landsberg, Ehrenberg, Rosin,
Gradenwitz); Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung, 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer,
1995; Brühwiler, J. Philipp Lotmar und Hugo Sinzheimer, (in) Forschungsband
Philipp Lotmar, hg. v. Caroni, P., 2003, 117; Blanke, S., Soziales Recht oder
kollektive Privatautonomie?, 2005
Sippe ist
im älteren deutschen Recht der um einen Stammvater bestehende Familienverband.
Die rechtliche Stellung der S. im Frühmittelalter ist streitig. Es ist
fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72;
Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882), 1;
Phillpotts, B., Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koerdt und
Linnhoff, 1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67
(1950), 34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme,
ZRG GA 70 (1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA
77 (1960), 1 (Antrittsvorlesung); Steuer, H., Frühgeschichtliche
Sozialstrukturen in Mitteleuropa,1972; Wiebrock, L., Die Sippe bei den
Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures,
1983; Goody, D., Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002
Sippenhaft ist
die Anwendung von Maßnahmen gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen
eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im Nationalsozialismus geforderte und
verwendete S. ist im Rechtsstaat unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der
Sippenhaftung, 2002; Maihold, H., Die Sippenhaft, Mediaevistik 18 (2005)
Sitte ist
der in der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets
Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner;
Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen
Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., „Schläge“ als Strafe, 1970; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863
Sitten (Diözese)
Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches
Wohl und ewiges Heil, 1992
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten
(lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der
Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Rechtskundigeen und den Kaisern unterdrückt.
Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner;
Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner,
J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die
Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur
Sittenwidrigkeit von Testamenten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001; Ruff, H.,
Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der späten Kaiserzeit, 2007
sittlich (Wort um 790 belegt, Sittlichkeit 1510), den Sitten entsprechend
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist das die Sittlichkeit verrletztende
Verbrechen, vor allem die Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Nach
Tacitus werden bei den Germanen bestimmte Sittlichkeitsverbrechen mit dem
Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter wendet sich vor allem die Kirche
gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung,
Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der S. durch liberale
Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität, anders
Kinderpornographie).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6.
A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971;
Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T., Sittlichkeitsverbrechen,
1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Kraus, K., Sittlichkeit und
Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die Behandlung der
Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004
Sizilien ist
die Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber
228/227 von den Römern erobert. In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen
und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061 Normannen.
1130 wird S. Teil eines besonderen von Gegenpapst Anaklet II. geschützten, 1139
→Neapel einnehmenden unteritalienischen Königreichs der Normannen.
Dieses gelangt über die Heirat Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186
an das →deutsche Reich (Friedrich II.), 1266/1268 aber durch den Papst an
→Anjou und nach der sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von
Neapel über eine staufische Erbtochter an Aragon (Spanien). 1713/1714 kommt S.
von Spanien an Piemont, 1735 Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an
Sardinien-Piemont und damit 1861 an das neue Königreich →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Constitutiones regni
Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio, R., Introduzione allo studio del
diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck 1971; Giuffrida, V., La genesi delle
consuetudine giuridiche delle città di Sicilia, 1901; Niese, H., Die
Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hofmann, M.,
Die Stellung des Königs von Sizilien nach den Assisen von Ariano (1140), 1915;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Sthamer, E.,
Original und Register in der sizilischen Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer,
E., Studien über die sizilischen Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der
sizilische Großhof unter Kaiser Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul
principio di legalità nell’amministrazione del regno di Sicilia, 1964; Caravale,
M., Il regno normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A history of
Sicily, 1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969;
Malinowska-Kwiatkowska, I., Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii
1140-1231 (Das Privatrecht in der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien
1140-1231), 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein
Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K., Sizilien, 7. A.
1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218;
Tancredi et Willelmi III. regum diplomata, hg. v. Zielinski, H., 1982;
Constantiae imperatricis et reginae Siciliae diplomata (1195-1198), hg. v.
Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73 Deperdita); Rogerii II. regis
(1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C., 1987 (100 Urkunden, 91
Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The
Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken, G., Das
sizilische Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken, G.,
Ius imperii ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman,
R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v.
Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998; Mirto, C., Il
regno dell’isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000; Pasciuta, B., In
Regia Curia civiliter convenire, 2003; Friedl, C., Studien zur Beamtenschaft
Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien (1220-1250), 2005; Kunz, H.,
Sicilia, 2006; Zambon, E., Tradition and Innovation, 2008; Reinhardt,
V./Sommer, M., Sizilien, 2010; Zwischen Ideal und Wirklichkeit, hg. v. Engels,
D. u. a., 2010; Wihoda, M., Die sizilischen Goldenen Bullen von 1212, 2012;
Zwischen Ideal und Wirklichkeit, hg. v. Engels, D. u. a.
Skandal ist das öffentliche Ärgernis erregende Ereignis. Die
erhöhte Bedeutung des Skandals im 19. Jh. beruht vor allem auf der
Pressefreiheit. Allgemeine Auswirkungen sind im Zweifel selten (evtl.
Amtsverlust).
Lit.: Bösch, F., Öffentliche Geheimisse, 2009; Kepplinger,
H., Die Mechanismen der Skandalisierung, 2012
Skandinavien ist
die zusammenfassende Bezeichnung für die →Norwegen und →Schweden
bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch →Dänemark und →Finnland
gezählt werden.
Lit.: Tunberg, S., Studier rörande
Skandinaviens äldsta politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nordische
Einheitsbewegung, 1941; Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical
archive, 1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J.,
Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v.,
Europa und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im
Mittelalter, 2001;
Waßenhoven, D., Skandinavier unterwegs in Europa (1000-1250), 2006 (572 und
307?); Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 984; Giese, S., Studenten aus Mitternacht, 2008; Stampehl, J.,
Vereinigte Staaten des Nordens, 2011
Skanske Lov →nordisches
Recht, Schonen
Sklave ist
der einem Menschen (oder auch einem Personenverband z. B. Stadt) vollständig
gehörende andere Mensch. S. wird man hauptsächlich durch Unterwerfung und
Geburt. Der (dem [lat.] ius gentium zugerechnete, in seiner Legitmität nie
angezweifelte) römische S. ist →servus. Es ist streitig, ob der Unfreie
des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet werden darf, doch könnten
aus dem frühmittelalterlichen Europa als wichtigstes Ausfuhrgut Menschen in den
islamischen Herrschaftsbereich verbracht worden sein(, jedenfalls soll es
zwischen 1530 und 1780 mehr als eine Million europäischer Sklaven in Nordafrika
gegeben haben). Vielleicht werden im arabischen Sklavenhandel zwischen dem 7.
und 20. Jh. 17 Millionen Opfer aus Afrika (z. B. auch nach Indien) verschleppt.
Das Naturrecht des 17. Jh. lässt Sklaverei in unterschiedlich vielen Fällen zu.
Sehr ähnliche Verhältnisse wie im Altertum treten erst wieder in den
neuzeitlichen Kolonien (z. B. Amerika, wohin unter Beteiligung afrikanischer
Häuptlinge schätzungsweise 40000 Sklavenschiffstransporte mit möglicherweise
12,5 Millionen Sklaven aus Afrika erfolgen, davon 10,7 Millionen überlebend)
auf. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) schließt
Sklaverei in § 16 ABGB aus. 1834 wird die Sklaverei im britischen Empire
aufgehoben. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen die Sklaverei. Nach
einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen betreten, frei.
1865 schafft das 13. Amendment der Verfassung die Sklaverei in den Vereinigten
Staaten von Amerika ab.
Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10,
12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57,
78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur
Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler,
A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der
Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de
Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600),
1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to
Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993;
Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997;
Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees,
H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechtsquellen
zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1ff. 1999ff.; Klein, H., The
Atlantic Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The
Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des
transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler,
J., Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei
in der Antike, 2001; Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u.
a., neu bearb. v. Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of
the Early Middle Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im
Altertum, 2003; Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die
Geschichte der Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004;
Hochschild, A., Bury the chains, 2005; Hall, G., Slavery and African Ethnicities
in the Americas, 2005; Esclavage antique et discriminations socio-culturelles,
hg. v. Anastasiadis, C. u. a., 2005; Knoch, S., Sklavenfürsorge im römischen
Reich, 2006; Sklaverei und Freilassung im römischen Recht, hg. v. Finkenauer,
T., 2006; Smith, S., Slavery, Family and Gentry Capitalism in the British
Atlantic, 2006; Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und
moderner Perspektive, hg. v. Heinen, H., 2008; Franke, B., Sklaverei und
Unfreiheit im Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2009; Herrmann-Otto, E.,
Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, 2009; Flaig, E.,
Weltgeschichte der Sklaverei, 2009; Drescher, S., Abolition. A History of
Slavery, 2009; Handwörterbuch der antiken Sklaverei, hg. v. Heinen, H.,
2009ff.; Milton, G., Weißes Gold, 2010; Brodersen, K., Ich bin Spartacus, 2010;
Antike Sklaverei, hg. v. Heinen, H., 2010; Finkenauer, T., Die Rechtsetzung
Marc Aurels zur Sklaverei, 2010; N’Diaye, T., Der verschleierte Völkermord,
2010; Joshel, S., Slavery in the Roman World, 2010; Hamann, E., Die Begründung
des Sklavenstatus bei den Postglossatoren, 2011; Dyer, J., Natural Law and the
Anitslavery Constitutional Tradition, 2012; The Legal Understanding of Slavery,
hg. v. Allain, J., 2012; Handwörterbuch der antiken Sklaverei, hg. v. Heinzen,
H., 2012; Thornton, J., A Cultural History of the Atlantic World 1250-1820,
2012; Kindersklaven, hg. v. Heinen, H., 2012; Heinemeyer, S. Der Freikauf des
Sklaven mit eigenem Geld, 2013; Zeuske, M., Handbuch der Geschichte der
Sklaverei, 2013
Skonto (M.) Preisnachlass
Lit.: Prausnitz, O., Die
Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928
Skythe ist
der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach Westen vordringenden
Steppenvolks.
Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980; Parzinger, H.,
Die Skythen, 2004
Slawe (1.
H. 6. Jh.) ist der Angehörige eines slawisch sprechenden Volkes (z. B. Russe,
Ukrainer, Pole, Tscheche, Slowake, Slowene, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur
indogermanischen Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung
und besiedeln von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie
werden überwiegend von →Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert.
Sie bilden verschiedene Reiche (→Polen, →Russland u. s. w.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh.
sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von →Österreich (→Tschechoslowakei,
→Jugoslawien). Ein gemeinslawisches Recht ist nicht bekannt. Erst im 20.
Jh. entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion eine gewisse
Einheitlichkeit sozialistischen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell, DRG 1; Helmolds
Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl, H., Slawen und
Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts, 1964;
Zernack, K., Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und
Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969; Ludat, H., An
Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die Nordwestslawen und das
fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter, 1982;
Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J., 1986;
Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992;
Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven, 1996;
Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998;
Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B.,
Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002; Dulinicz, M., Frühe Slawen im Gebiet
zwischen unterer Weuichsel und Elbe, 2006; Wünsch, T., Deutsche und Slawen im
Mittelalter, 2008; Die Slaven und Europa, hg. v. Ressel, G. u. a., 2008;
Boroń, P., Kniaziowie, królowie, carowie, 2010 (etwa 600 slawische
Herrscher)
Slawonien ist
das östliche Teilgebiet →Kroatiens zwischen Save und Drau.
Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995
Slowakei ist
der mitteleuropäische, zwischen Tschechei, Polen, Ukraine, Ungarn und
Österreich gelegene Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn,
das die Bewohner seit 1867 ungarisiert. Römisches Recht dringt nicht vor dem
17./18. Jh. ein (1634 westslowakische Universität Tyrnau/Trnava). Am 28. 10.
1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische Bildung
in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska, 1986;
Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001;
Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003; Die
unbekannte Minderheit, hg. v. Hrabovec, E. u. a., 2005; Šindelárová, L., Finale
der Vernichtung - Die Einsatzgruppe H in der Slowakei 1944/45, 2013; The Land
Between - A History of Slovenia, hg. v. Luthar, O., 2. A: 2013
Slowenien ist
der mitteleuropäische, von Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien begrenzte
Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der Herrschaft →Österreichs
und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme aus
der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als
Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall
Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und
seine Deutschen, 2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien
1941-1946, 2003; Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien
(1941-1946), 2005; The Land Between, hg. v. Luthar, O., 2008
Smend,
Rudolf (Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975), Theologieprofessorensohn,
wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Göttingen Professor
in Greifswald (1909), Tübingen (1911), Bonn (1915), Berlin (1922) und Göttingen
(1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame Untersuchung über das →Reichskammergericht.
Sein Hauptwerk über Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die
Idee der Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge.
Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen,
A., Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche
Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Notthoff, T.,
Der Staat als geistige Wirklichkeit, 2008
Smith, Adam
(Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von Griechisch, Logik, Metaphysik,
Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow und Oxford 1751 Professor
für Logik und 1752 für Moralphilosophie in Glasgow. Nach einer Bildungsreise
durch Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er als Teil eines philosophischen
Wissenschaftsprojekts 1776 (engl.) Inquiry into the Nature and the Causes of
Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe des Reichtums der
Völker), in der er die Freiheit des Einzelnen als den Grund des Wohlstands
aller ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den →Liberalismus.
Sein ungedruckter literarischer Nachlass wird 1790 weitgehend verbrannt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und
Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The
Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie,
1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und
Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam
Smith, 2001;Phillipson, N., Adam Smith, 2010; Smith, A., Untersuchung über Wesen und
Ursachen des Reichtums der Völker, hg. v. Streissler, E., 2012
Societas (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die →Gesellschaft. Die
privatrechtliche s. ist im klassischen römischen Recht ein der
Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsensualkontrakt der Gesellschafter. In
der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche Gesellschaft insgesamt
verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen, im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der →Gesamthand
abgeändert.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner § 9; Köbler, DRG 47,
64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K., Die societas leonina,
2003; Meissel, F., Societas, 2004; Mehr, R., Societas und universitas, 2008
Socinus, Bartholomäus ist ein 1436 in Siena
geborener, in Siena und Bologna ausgebildeter, in Siena, Ferrara, Pisa,
Bologna, Padua und vielleicht Bologna lehrender in Siena 1507 verstorbener
Jurist (commentaria, lecturae, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 860
Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der
Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse berücksichtigende, im 20. Jh. in
den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft.
Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal
realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967
socius (lat.
[M.]) Genosse, Gesellschafter
Södermannalagh ist das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten →Schwedens
am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?).
Lit.: Hafström, G., Den svenska rättskällornas historia,
1978
Sodomie ist vor allem der Geschlechtsverkehr zwischen Mensch und Tier. Das Alte
Testament lehnt die S. streng ab. Die christliche Kirche folgt dem. Auch ein
Teil der frühmittelalterlichen Volksrechte wendet sich wohl unter kirchlichem
Einfluss gegen die S. (Geldbuße, Kastration, Tötung). Seit der Constitutio
Criminalis Carolina (1532) umfasst die S. zusätzliche Begehungsformen. Die
Aufklärung lehnt die Strafbarkeit der S. ab. Nach dem Vorbild des Code pénal
Frankreichs von 1791 schaffen die von Frankreich beeinflussten Staaten die S. allmählich
ab (anders Russland, Österreich, Ungarn, Schweiz, England, Skandinavien). Nach
dem Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 ist die S. keine Straftat mehr. In
Deutschland wird die Strafbarkeit am 25. 6. 1969 aufgehoben. Am Beginn des 21. Jh.s
ist die S. nur noch in England, Wales und Nordirland (sowie theoretisch in
einigen Kantonen der Schweiz) strafbar.
Lit.: Guggenbühl, D., Mit Tieren
und Teufeln, 2002; Hehenberger, S., Unkeusch wider die Natur, 2005; Lang, D.,
Sodomie und Strafrecht, 2009
Soest in
Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt, deren Recht im
Stadtrecht vom Medebach (1165) erstmals fassbar wird und die seit dem 13. Jh.
ihr Recht aufzeichnet (alte Kuhhaut 1225/1226, neue Kuhhaut 1281/1282, alte
Schrae 1367, neue Schrae 1531) und verbreitet (9 Tochterstädte?, 62 loser
zugeordnete Enkelstädte?).
Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der
Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der
Soester Gerichtsverfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die
neue Soester Schrae, ZRG GA 70 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester
Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde,
1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965;
Knickenberg, H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus,
W., 1969f.; Toeversichtsbriefe für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die
Miniaturen des Soester Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel,
W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester
Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000; Dusil, S., Die Soester
Stadtrechtsfamilie, 2007
Sofia an
der Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird
es unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es von den Osmanen (Türken)
erobert. Im 1877/1878 von der Türkei gelösten Bulgarien erhält es 1888 eine
Universität.
Lit.: Serdika - Sredez - Sofia, 1976
Sohm,
Rudolph (Rostock 29. 10. 1841-Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher
Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau,
Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884 veröffentlicht er Institutionen des römischen
Rechtes, 1888 einen Grundriss der Kirchengeschichte und 1892 ein Kirchenrecht,
wobei er die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von
Recht in Widerspruch stehe.
Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und
Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017;
Festgabe für Rudolph Sohm, 1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX;
Stutz, U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die
Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph Sohm,
1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss. jur.
Münster 1969
Solange I ist der einprägsame Name des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
Deutschlands vom 29. 5. 1974, nach dem das Gericht Gemeinschaftsrecht der europäischen
Gemeinschaften an den Grundrechten Deutschlands prüfen kann, solange die
europäischen Gemeinschaften keinen den deutschen Grundrechten gleichwertigen
Grundrechtsschutz haben. Nach der Entwicklung eines wirksamen Grundrechtsschutzes
in den europäischen Gemeinschaften nimmt das Bundesverfassungsericht die
Entscheidung durch Entscheidung vom 22. 10. 1986 (Solange II) zurück.
Soldat ist
der besoldete Krieger bzw. der, welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem
Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann besonderes Recht gelten.
Schon das römische Recht kennt ein eigenes Soldatentestament.
Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und
Reisläufer – Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche
Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004; Kutz, M., Deutsche Soldaten, 2006;
Kroll, S., Soldaten im 18. Jahrhundert, 2006
Söldner ist
der gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende Krieger. Er tritt außer im
Altertum insbesondere im spätmittelalterlichen Italien sowie im
Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor. Die im 18. Jh.
eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum
Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann,
R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992;
Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004; Trundle, M.,
Greek Mercenaries, 2004; Huntebrinker, J., Fromme Knechte und Garteteufel, 2010
solicitor (M.)
außergerichtlich tätiger Anwalt in England
Solidus ist
eine römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit fortgeführte Münze.
Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW; Grierson, P., Coins
of Medieval Europe, 1991
Sollizitieren (das Gericht [Reichskammergericht, Reichshofrat] um Tätigwerden)
bitten, erinnern
Lit.: Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002
Solms ist
seit dem Hochmittelalter (1129) die von Hohensolms ausgehende Grafschaft im
Bereich der mittleren Lahn in Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571
erarbeitet der Frankfurter Stadtsyndikus Johann →Fichard auf der
Grundlage eines Entwurfs des Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwendung
zahlreicher Quellen (Mainz 1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538,
Nürnberg 1564, Freiburg 1520, Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht
(Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist eine stark romanisierende Reformation
in schlichter Sprache und mit klarem Aufbau.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571;
Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857),
292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30
(1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser
Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes
Hessen, 1959, 2. A. 1980
Solon (Athen
um 640-560) ist ein bedeutender griechischer Gesetzgeber und Staatsmann.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Ruschenbusch, E., Solonos
nomoi, 1966, Neudruck 1983; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982;
Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die
solonische Gesetzgebung, (in) Philosophie des Rechts, 1992, 103; Tsigarida, I.,
Solon – Begründer der Demokratie?, 2006; Solon of Athens, hg. v. Blok, J. u.
a., 2006; Ruschenbusch, E., Solon - Das Gesetzeswerk - Fragmente, 2010
(Übersetzung der 93 Fragmente, unvollendet)
Solothurn (Salodurum)
ist die Siedlung an der mittleren Aare, die über Kelten, Römer und Burgund 1218
Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz,
1481 Mitglied.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K.,
Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B.,
Die solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische
Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, hg. v.
Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A.,
Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser,
P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung
im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813), 1991; Freddi, S.,
St. Ursus in Solothurn, 2013
solsadire (lat.-afrk.)
die Sonne untergehen lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex
Salica, 1867
Solutio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr
geht im altrömischen Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der (lat.) s.
per aes et libram (Lösung durch Erz und Waage) voraus.
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b, 52 II, 53 I; Köbler,
DRG 27, 43, 62; Laborenz, M., Solutio als causa, 2014
Somatén (M.) Landwehr
Lit.: March, J., El Somatén, 1923
Somme rural
ist das wohl kurz vor 1396 von Jehan →Boutillier (Jean le Boutillier)
kompilatorisch verfasste →Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an
den Verfahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes
(Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber
auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis,
Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird
römisches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der
Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des
Verfassers ein.
Lit.: Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme rural,
1951; Coutumes du Tournaisis, hg. v. Dievoet, G. van, 2006
Sondererbfolge ist die →Erbfolge eines von mehreren Erben in einen
einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in
Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh.
Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen, dem Gleichheitssatz folgenden
Gesamtrechtsnachfolge.
Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269
Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B. zwischen
1933 und 1945 im Deutschen Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B.,
Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten
Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und „politischer
Katholizismus“ im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des
Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und
Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser,
F., Das Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische
Sondergerichtsbarkeit in Sachsen, 2003; … eifrigster Diener und Schützer des
Rechts, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007
Sonderrecht ist das
nicht allgemein, sondern nur für besondere Fälle geltende Recht. Es steht im
Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz. Von daher verliert es seit der
französischen Revolutuin (1789) an Bedeutung.
Lit.: Duve, T., Sonderrecht in der
frühen Neuzeit, 2008
Sonnenfels (Perlin),
Joseph v. (Mikulov bzw. Nikol(au)sburg/Tschechien 1732/1733-Wien 25. 4. 1817),
am 18. 9. 1735 mit Vater und Bruder katholisch getaufter Jude, wird nach dem
Studium der Philosophie und des Rechtes in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt
bzw. Kanzleiangestellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für
politische Wissenschaft (Kameralwissenschaft) in Wien. 1765 veröffentlicht er
Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz (bis 1845/1848 grundlegend). Er
wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe.
Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels,
1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v.
Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris,
W., 2003; Karstens, S., Lehrer - Schriftsteller - Staatsreformer, 2011
Sonnenfrist setzen →solsadire
Sonntag ist
der auf Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente
Wochentag, der durch staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist.
Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998; Schiepek,
H., Der Sonntag, 2003, 2. A. 2009; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M.,
Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg
im Breisgau 2003
Souveränität (Wort 12. Jh.) ist die im Absolutismus der frühen Neuzeit (aus [lat. N.] imperium,
Gewalt, Herrschaft, Reich) entwickelte höchste und unbeschränkte Staatsgewalt
(→Bodin [1530-1596] 1566). Nach Jean Jacques Rousseau (1762) steht die S.
dem Volk zu (Volkssouveränität). In der Gegenwart bedeutet S. eines Staates
dessen Freiheit und Unabhängigkeit nach außen und innen (Abwehr der
Einmischung in innere Angelegenheiten). Im Staatenbund hält der Mitgliedstaat
an seiner S. so umfassend wie möglich fest. Die Internationalisierung des
Rechtes und die Schaffung supranationaler Gebilde drängen die nationale S.
zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H.,
Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel und
Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität,
1951, m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954;
Streifthau, K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung
und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966;
Volkssouveränität und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch,
H., Staat und Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur
Staatssoveränität, 1970; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A.
1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the
Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staates, (in) Entstehung und
Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität
und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht
und Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von
Herrschaftsgewalt, 2004; Grimm, D., Souveränität, 2009; Souveränität, hg. v.
Salzborn, S. u. a., 2010; Jansen,
S., Die Souveränität der Gliedstaaten im Deutschen Bund, 2014
Sowchose (F.) landwirtschaftlicher Staatsbetrieb der Sowjetunion
sowjet (russ.)
Rat (Selbstverwaltungsorgan der Arbeiter, Bauern und Soldaten der Sowjetunion
seit 1917)
Sowjetische Besatzungszone ist die im Osten gelegene Besatzungszone der Sowjetunion
im Deutschen Reich seit 1945 (mit rund 4 Millionen Flüchtlingen und
Vertriebenen), für die am 6. 6. 1945 die sowjetische Militäradministration
errrichtet wird (Ende 1945 fast 64000 Planstellen, 17. 11. 1949 aufgelöst). →Deutsche
Demokratische Republik
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des
Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung
der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J.
v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der
Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997;
Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in
Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998; Sowjetisierung und
Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J.,
Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000;
Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000;
Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk,
I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die
Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des
Schweigens, 2002; SMAD-Handbuch. Die sowjetische Militäradministration in
Deutschland 1945-1949, hg. v. Möller, H. u. a., 2009
Sowjetunion ist
der seit der Oktoberrevolution 1917 aus →Russland entstandene Staat
(Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSR, 30. 12. 1922-8. 12. 1991).
Er wird von der Kommunistischen Partei totalitär geführt. Im Friedensvertrag
von Brest-Litowsk (3. 3. 1918) mit dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, dem
Osmanischen Reich und Bulgarien verliert Russland seine polnischen und
baltischen Gebiete, Finnland und die Ukraine, doch wird der Vertrag am 11. 11.
1918 für ungültig erklärt. Die Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer
der Zwangskollektivierung), das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums
sozialistisch gestaltet (Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9.
1918, Arbeitsrecht 22. 10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere
Deklaration über die Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches
Handeln im Rahmen des sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird
das Zivilgesetzbuch Russlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der
beweglichen Sachen). Infolge der Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen
Gefallene) wird die S. Weltmacht (mit 22,4 Milliarden Quadratkilometern
größter Staat der Neuzeit). 1956 und 1964 wird die Alterssicherung durch
Rentenversorgung geschaffen. Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze
zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie
1970 zum Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur
Liberalisierung (Glasnost, Perestroika). 1991 geht die aus 15 Unionsrepubliken
(mit 286 Millionen Einwohnern) bestehende S. in der losen Gemeinschaft
unabhängiger Staaten (GUS) auf. Russland verselbständigt sich als Folge der
Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch,
G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija gosudarstva i
prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil 1, verfasst v.
einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967; Peter, V.,
Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den
deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen
Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G.,
Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A.
1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier,
M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998;
Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier, M.,
Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische
Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der
Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991,
3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die
sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003;
Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003;
Sowjetische Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003; Terrorjustiz und
Terrororgane in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a., 2004; Oldenburg,
M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und die deutsche Frage
1941-1948, hg. v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff. 2004; Loth, W., Die Sowjetunion
und die deutsche Frage, 2007; Satjukow, S., Besatzer. Die Russen in Deutschland
1945-1994, 2008; Creuzberger, S., Stalin, 2009; Dönninghaus, V., Minderheiten in
Bedrängnis, 2009; Dalos, G., Gorbatschow, 2011; Michail Gorbatschow und die
deutsche Frage, hg. v. Galkin, A. u. a., 2011; Dalos, G., Lebt wohl Genossen,
2011; Baberowski, J., Verbrannte Erde, 2012; Die UdSSR und die deutsche Frage
1941-1949 - Dokumente, hg. v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Deutsche
Besatzungsherrschaft in der UdSSR, hg. v. Angrick, A. u. a., 2013; Gorbatschow,
M., Alles zu seiner Zeit - Mein Leben, 2013; Mücke, L., Die allgemeine
Altersrentenversorgung in der UdSSR 1956-1972, 2013; Lozo, I., Der Putsch gegen
Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion, 2014
Sozialbindung ist die Einschränkung (Bindung) eines Rechtes (z. B. des Eigentums) aus
sozialen Gründen im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft und
Sozialbindung, 2004
Sozialdarwinismus (M.) Übertragung des Grundsatzes der natürlichen Auslese auf die menschliche
Gesellschaft am Ende des 19. Jh.s, Rassenlehre unter Ablehnung von Sozialpolitk
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen →Sozialismus
erwachsende deutsche →Partei. Ihr gehen der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein
Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Liebknechts
und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei
vereinigen. 1878 werden die Sozialisten verboten, 1890 aber als S. P. D. mit
marxistischem Erfurter Programm Kautskys (1891) wieder zugelassen. Mit dem
Godesberger Programm von 1959, das den Sozialismus als Weltanschauung aufgibt,
wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig (1969 bis 1982, 1998 bis
2005).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L.,
Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger,
H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration
oder Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg.
v. Vormbaum, T., 1977; Rovan, J., Geschichte der deutschen Sozialdemokratie,
1980; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische
Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach, P.,
Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und
für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier, 1995;
Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997;
Welskopp, T., Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H.,
Sozialdemokratie – Frau – Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der
europäische Einigungsprozess, 2003; Czitrich-Stahl, H., Arthur Stadthagen, 2012;
Philipps, R., Sozialdemokratie, 68-er Bewegung und gesellschaftlicher Wandel
1959-1969, 2012
Sozialdisziplinierung ist (nach Gerhard Oestreich) die
mehr oder weniger gewaltsame Lenkung der Bevölkerung zur Durchsetzung
politischer Ziele seit der frühen Neuzeit.
Soziale Frage
ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende Gegenüberstellung
von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter Stand) und wenigen
reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der liberale Staat des frühen
19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt
seiner handeln (Gewerkschaft, Genossenschaft, Partei). Unter dem tatsächlichen
Druck sozialistischer Parteien sieht sich Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung
(→Sozialversicherung) veranlasst.
Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung
und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94;
Ritter, G., Sozialpolitik im deutschen Kaiserreich, HZ 282 (2006), 97; Zech,
H., Die soziale Frage im Konkursrecht, 2012
Soziale Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s,
die sozialen Ausgleich der durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit
entstandenen gesellschaftlichen Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial
schwache Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom
alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über Leitsätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997;
Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999
Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für Streitigkeiten aus
der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungsinterner
Rechtsschutz durch Versicherungsamt, Oberversicherungsamt und Reichsversicherungsamt)
in der Bundesrepublik Deutschland das für die Entscheidung über
sozialrechtliche Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozialgerichtsgesetz vom
3. 9. 1953).
Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J.,
Sozialgerichtsgesetz, 1977, 5. A. 1993, 8. A. 2005
Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft bzw. der
gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der
Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig.
Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale
Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Dopsch, A., Die ältere
Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der
Sozialgeschichte, 1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der
deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F.,
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Alföldy, G., Römische
Sozialgeschichte, 1975, 3. A. 1984, 4. A. 2011; Müller, M., Säkularisation und
Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte der deutschen Städte und ihres
Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch der europäischen Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Boelcke, W.,
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987; Wehler, H., Deutsche
Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff., z. T. 3. A. 1996ff.; Henning, F.,
Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.;
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914;
Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg. v. Krause, J. u. a., Bd. 1f.
1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd.
1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur neueren deutschen Sozialgeschichte,
1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a., 1994;
Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters, 1996; Ritter, G.,
Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682; Hering,
S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der
Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die
Institution der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialgeschichte,
hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren,
2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und asozial,
hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005; Devroey, J., Puissants et misérables, 2006; Kaelble,
H., Sozialgeschichte Europas 1945 bis zur Gegenwart, 2007; Schildt, A., Die
Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, 2007; Wehler, H.,
Die neue Umverteilung, 2013
Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik Deutschland das die →Reichsversicherungsordnung
von 1911 seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen
Büchern in Kraft tretende Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II Grundsicherung
für Arbeitsuchende 2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV Sozialversicherung
Gemeinsame Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche Krankenversicherung 1989, SGB
VI Gesetzliche Rentenversicherung 1992, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung
1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen 2001, SGB X Verwaltungsverfahren 1980, SGB XI Soziale
Pflegeversicherung 1995, XII Sozialhilfe 2005).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre
Sozialgesetzbuch, 1995
Sozialgesetzgebung ist die in der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s einsetzende Gesetzgebung in sozialen Angelegenheiten.
Lit.:
Borgmeyer, W., Das wilhelminische Kaiserreich – ein Ausbeuterstaat?, 1994;
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, begr.
v. Rassow, P. u. a., hg. v. Henning, H. u. a., 1982ff., Abt. 1, 8, 2006
Sozialhilfe ist
in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 zum 1. Juni
1962 geregelte allgemeine Unterstützung
sozial Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze über
Voraussetzung, Art und Maß öffentlicher Fürsorge vom 2. 12. 1924 im
Wesentlichen übernommen. 2005 geht das Bundessozialhilfegesetz in den Büchern
II und XII des Sozialgesetzbuchs auf.
Lit.: Köbler, DRG 261; Föcking, F., Fürsorge im Wirtschaftsboom,
2007; 50 Jahre Sozialhilfe, hg. v. Fahlbusch, J., 2012
Sozialisierung (F.) Vergesellschaftung
Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in
ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Brückner, M., Sozialisierung in
Deutschland, 2013
Sozialismus ist
die im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen
Wohl des Einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. Angestrebt
wird der S. vor allem von sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien.
Der nach 1917 in der →Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen
sozialistischen Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche
Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse nur in bescheidenem Umfang.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des
deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955;
Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich,
N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das
sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D.,
Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981;
Kühne, D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik
der marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker
des Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im
frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v.
Bender, G. u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen
Ideen in Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v. Kühl,
U., 2001; Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa, 2004; Zur
Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen, hg. v. Boyer, C., 2007;
Leidinger, H. u. a., Sozialismus, 2008
Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien
verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, das 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht
weiter verlängert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G.,
Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930;
Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes,
1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes,
JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des Sozialistengesetzes, 1990;
Frerich, J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T.
2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Einhundertfünfundzwanzig
(125) Jahre Sozialistengesetz, hg. v. Beutin, H. u. a., 2004; Resch, S., Das
Sozialistengesetz in Bayern 1878-1890, 2012
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands →SED
sozialistisches Recht →Sozialismus
Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken,
1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998
Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle Zusammenarbeit von
Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vor allem im 20. Jh. (auf Kosten der
Allgemeinheit).
Lit.:
Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg. v. Stourzh, G. u. a., 1986
Sozialrecht ist
das Recht des Ausgleichs individueller Güterdifferenzen durch Leistungen
eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach vereinzelten älteren
Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845 Gewerbeordnung mit der
Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung Unterstützungskassen für
Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh. Es ist im weiten Umfang
Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche Vertreter sind Heinrich
Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo, Walter Kaskel, Alfred
Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und Friedrich Kleeis und
frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau, Leipzig und Frankfurt am
Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G.,
L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v.
Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht,
1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982;
Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte,
hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996,
102; Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die
Anfänge 1918-1933, 2002; Sopp, A., Drittstaatsangehörige und Sozialrecht, 2007;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Otto, M., Von der Eigenkirche
zum volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965), 2008
Sozialstaat ist
der auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht
seit dem ersten Weltkrieg.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252;
Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968;
Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft,
FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in
Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249;
Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989, 3. A. 2010; Koslowski, S., Die Geburt des
Sozialstaats, 1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Eichenhofer,
E., Geschichte des Sozialstaats in Europa, 2007; Sozialstaat Deutschland, hg.
v. Becker, U., 2010; Hockerts, H., Der deutsche Sozialstaat, 2011; Stolleis,
M., History of Social Law in Germany, 2013; Thurn, J., Welcher Sozialstaat?,
2013
Sozialversicherung ist die im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und
Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im
Deutschen Reich eingeleitete Einrichtung, die auf die gemeinsame Deckung eines
möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf
eine organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall
(6. 7. 1884, vgl. dazu ein Arbeitgeberhaftungsgesetz in Großbritannien von
1880), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit (Gesetz über
Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911
Reichsversicherungsordnung, Angestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichsknappschaft)
sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die
gesetzliche Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen.
1975 werden Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen
Demokratischen Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten
beseitigt und die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Herstellung
deutscher Einheit das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer
übertragen. Träger der S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft,
Krankenkasse). Die im Grunde unsolide Finanzierung der S. bedroht bei
ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260,
261; Vogel, W., Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, H., Die
Geschichte der Sozialversicherung, 1959, 2. A. 1973, 3. A. 1978; Fröhlich, S.,
Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen
und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß,
W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und
Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die
Sozialversicherung, 1980; Benöhr, H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung,
ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und
sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein
Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G.,
Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und
aktueller Situation der Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983;
Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und
Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 1999; Ausschuss für die Reform der Sozialversicherung/für
Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des
deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v.
Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen
Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v.
Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Glootz,
T., Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat, 2005; Metz, K., Die
Geschichte der sozialen Sicherheit, 2008; Scheubel, B., Bismarck’s
Institutions, 2013
Soziologie (F.)
Gesellschaftswissenschaft
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997;
Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie,
1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt,
H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die
Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004; Kruse, V., Geschichte der Soziologie,
2008, 2. A. 2012; Gerhardt, U., Soziologie im zwanzigsten Jahrhundert, 2009;
Lenger, F., Sozialwissenschaft um 1900, 2009; Popitz, H., Allgemeine
soziologische Theorie, hg. v. Dreher, J. u. a., 2011
Spangericht
Lit.: Schmid, N., Die
appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss. jur. Zürich 1961
Spanien ist
der im Südwesten Europas am westlichen Rand des Mittelmeers gelegene, zum 1. 1.
1986 den Europäischen Gemeinschaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit
wird es von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern
(Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völkerwanderung
erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren
Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) →Lex
(F.) Visigothorum (Recht bzw. Gesetz der Westgoten, für die Romanen die (lat.) →Lex
(F.) Romana Visigothorum (römisches Recht bzw. Gesetz der Westgoten, um 506 n.
Chr.). Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die
nordafrikanischen Mauren (→Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den
Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat
von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten
Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien,
Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. →reconquista),
die 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in
sog. →Fueros aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König Johann
II. in Medina del Campo promulgierten Ordenamiento real beginnen königliche
Versuche der Rechtsvereinheitlichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames
Rechtsbuch sind die →Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien
und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der
Neuen Welt (1492) erwirbt S., dessen Königin Christoph Kolumbus drei Schiffe
zur Verfügung stellt, Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt
gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von
Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein
spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als →Karl V. 1519
König (bzw. Kaiser) des Heiligen römischen Reich , doch wird innerhalb
Habsburgs schon 1521/1522/1526 wieder in zwei Linien (Spanien und Österreich)
geteilt, wobei die über Maria von Burgund an Habsburg gelangten Niederlande an
die spanische Linie gegeben werden, von deren Herrschaft sich der Norden in
einem langen Freiheitskampf löst. 1561 wird Madrid Hauptstadt Spaniens. Wenig
später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England
und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen
Hauses (Karl II. 1700/1701) gelangt S. in einem Erbfolgekrieg an die →Bourbonen,
doch erhält Habsburg Güter in Italien (Lombardei) und in den (südlichen) Niederlanden
(Belgien). Von den Bourbonen versucht Philipp V. den Aufbau eines
einheitlichen Staates nach dem Vorbild Frankreichs unter (teilweise gelungener)
Aufhebung der regionalen Rechte und Einteilung des Landes in Provinzen (Navarra
und das Baskenland behalten ihre Sonderrechte). Die Verfassung von Cadiz von
1812 und die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken diese Entwicklung noch. Von
1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1936/1939 zum zweitenmal.
Das spanische Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in
Gesetzbüchern geregelt (liberaler Codigo penal von 1822 von kurzer Dauer aber
bedeutsamen Auswirkungen auf Lateinamerika, Codigo de comercio 1829, Codigo
penal 1848, Codigo civil 1888/1889, primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner
Bestimmungen und Eherecht, im Übrigen subsidiäre Geltung gegenüber den partikularen
Rechten bzw. Foralrechten Aragóns, der Balearen, Vizcayas, Katalaniens, Galiziens,
Navarras, Álavas und der Estremadura [fuero de Baylío]). Von 1936 bis 1977 wird
S. von der 1933 von J. A. Primo de Rivera gegründeten, vom Faschismus Italiens
beeinflussten Partei Falange unter General Francisco Franco [† 1975) beherrscht
(Juli 1936 Militärputsch gegen die Regierung, Bürgerkrieg, 1939 Sieg der
Nationalkonservativen über Republikaner). Danach beginnt unter dem König eine
Demokratisierung (1978 konstitutionelle Monarchie) Spanien wird Mitglied der
nordatlantischen Verteidigungsorganisation und der Europäischen Gemeinschaften
(1. 1. 1986). 1995 wird ein neues Strafgesetzbuch geschaffen.
Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen
señorial, 1905; Hinojosa, E. de, Das germanische Element im spanischen Recht,
ZRG GA 31 (1910), 282; Hinojosa, E. de, El elemento germánico en el derecho
español, 1915; Mayer, E., Studien zur spanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 40
(1919), 236; Ajuntament de Barcelona, 1920ff.; March, J., El Somatén, 1923;
Rauchhaupt, F., Geschichte der spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El
antiguo dercho de obligaciones, 1926; Mayer, E., Historia de las instituciones
sociales y politicas de España y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El
derecho Romano y el derecho nacional en Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de
derecho historico Español, 1931; Torres, M., Lecciones de historia del derecho
Español, 1933f.; Riaza, R./García Gallo, A., Manual de historia del derecho
Español, 1935; Altspanisch-gotische Rechte, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936;
Sanchez-Albornoz, C., En torno a los origines del feudalismo, 1942; Hierneis,
O., Das besondere Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966;
Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1967; Kleffens, E. von, Hispanic Law, 1968; Islamische
Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W., 1970; Lalinde Abadía, J.,
Iniciación historica al derecho Español, 1970, 3. A. 1983; Sánchez-Albornoz,
C., Investigaciones y documentos sobre las instituciones hispanas, 1970; Lalinde
Abadía, J., Los medios personales de gestión del poder público, 1970; Payne,
S., A history of Spain and Portugal, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403, 3,3,3740,3473,3917,3994,4118;
Clavero, B., Mayorazgo, 1974; Pérez Martín, A./Scholz, J., Legislación y
jurisprudencia de la España del antiguo régimen, 1978; Alvarez de Morales, A.,
La Ilustración y la reforma de la universidad en la España del siglo 18, 1979;
Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho español, 10. A. 1984;
Henningsen, G., The Witches’ Advocate, 1980; Gacto Fernández, E. u. a., El
derecho histórico de los pueblos de España, 3. A. 1982; Barrios, F., El consejo
de Estado de la monarquía Española, 1984; Massip, J., La gestació de les
costums de Tortosa, 1984; Reconquista und Landesherrschaft, hg. v. Engels, O.,
1989; García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Spanienlexikon, hg.
v. Bernecker, W. u. a., 1990; Indice biografico de España, Portugal e
Iberoamerica, 1990; Reilly, B., The Medieval Spains, 1992; El tercer poder, ed.
por Scholz, J., 1992; Adomeit, K./Frühbeck, G., Einführung in das spanische
Recht, 1992, 2. A. 2001, 3. A. 2007; Vones, L., Geschichte der iberischen
Halbinsel, 1993; Fallstudien zur spanischen und portugiesischen Justiz, 15. bis
20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Becker, R., Der Ursprung der
Rechtsspaltung im spanischen Privatrecht, ZEuP 1995, 88; Die Entwicklung des
spanischen Zivilprozessrechts, ZEuP 1995, 242; Bernecker, W./Pietschmann, H.,
Geschichte Spaniens, 4. A. 2004; Richardson, J., The Romans in Spain, 1996;
Köbler, Rechtsspanisch, 2. A. 2003, 3. A. 2012; Miras, A., Die spanischen
Könige, hg. v. Bernecker, W. u. a., 1997; Herzog, W., Spanien, 4. A. 1998;
Montanos Ferrin, E., España en la
configuración histórico-jurídica de Europa, Bd. 1ff. 1997ff.; Jorzick, R.,
Herrschaftssymbolik und Staat, 1998; Scholz, J., Eine weltliche Kunst, Ius
commune 25 (1998), 219; Bennassar, B./Vincent, B., Spanien, 1999; Suárez
Bilbao, F., El fuero judiego en la España cristiana – las fuentes juridicas
siglos V-XV, 2000; Nieto Soria, J., Legislar y gobernar, 2000; Zambrana Moral,
P. u. a., Depuración política universitaria en el primer franquismo, 2001;
Bernecker, W., Spanische Geschichte, 2002; Kleine Geschichte Spaniens, hg. v.
Schmidt, P., 2002; Sabadell da Silva, A., Tormenta juris permissione, 2002;
Scholz, J., Gerechtigkeit verwalten. Die spanische Justiz im Übergang zur
Moderne, 2003; Sánchez-Arcilla Bernal, J., Manual de historia del derecho,
2004; Collins, R., Visigothic Spain, 2004; Straub, E., Das spanische
Jahrhundert, 2004; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004; Martino, A.,
Spanien zwischen Regionalismus und Föderalismus, 2004; Yun, B., Marte contra
Minerva, 2004; Serrano González, A., Ein Tag im Leben eines
Gerichtspräsidenten, 2005; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v.
Peláez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Martínez Martínez, F., Et cum Juda traditore
domini, Initium 10 (2005), 86; Arce, J., Bárbaros y romanos en
Hispania (400-507 A. D.), 1. A. 2005, 2. A. 2007; Herbers, K.,
Geschichte Spaniens im Mittelalter, 2006; López Sánchez, J., Der Einfluss der
europäischen Geschichtsschreibung auf die Madrider historische Rechtsschule
(1910-1936), ZRG GA 123 (2006), 345; Pense, T., Das spanische Schwurgericht,
2006; Collado Seidel, C., Der spanische Bürgerkrieg, 2006; Ross, F., Justiz im
Verhör, 2006; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus,
2007; Bossong, G., Das maurische Spanien, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 958; Timmermann, A., Die „gemäßigte Monarchie“ in
der Verfassung von Cádiz (1812) und das frühe liberale Verfassungsdenken in Spanien,
2007; Garriga, C. u. q.,
Cádiz 1812. La Constitución jurisdictional, 2007; Franquismus
und Salazarismus, hg. v. Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008; Damler, D.,
Imperium contrahens, 2008; Graham, H., Der spanische Bürgerkrieg, 2008; Hispania-Austria
III - Der spanische Erbfolgekrieg, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2009; Bernecker,
W., Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert, 2010; Schüler-Springorum, S., Krieg
und Fliegen. Die Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg, 2010; Condoñer, C. u.
a., Laq Hispania visigótica y mozárqaba, 2010; Christlicher Norden -Muslimischer Süden, hg. v. Tischler,
M. u. a., 2011; Die Mozaraber, hg. v. Maser, M. u. a., 2011;Álvarez Cora, E.,
Compendio de Historia del Derecho Español, 2011; Collado Seidel, C., Franc0,
2013; Tamarit Sumalla, J., Transition, Historical Memory and Criminal Justice
in Spain, 2013
Sparkasse ist
das Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet sowie andere
Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich 1611. Nach
ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des 18. Jh.s
im Heiligen römischen Reich eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg 1786, Kiel
1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit dem Ende
des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hundert Sparkassen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in
Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter, F.,
Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J.,
Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen,
1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die
rheinischen Sparkassen, 2001
Sparta
Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth,
A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994;
Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier,
M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999;
Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003, 3. A. 2010,
4. A. 2011; Thommen, L., Sparta, 2003, Luther, A., Könige und Ephoren, 2004;
Welwei, K., Sparta, 2004; Das frühe Sparta, hg. v. Luther, A. u. a., 2006>;
Ducat, J., Spartan Education, 2006; Giannopoulos, S., Griechischer Stadtstaat
und hegemoniale Monarchie, 2011
Spätantike ist
das ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben
antiker Einrichtungen im →Mittelalter. →Kontinuität
Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs
der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998, 2. A.
2008; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches sur
les notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002; Le trasformazioni
delle élites in età tardoantica, hg. v. Testa, R. L., 2006; Dinzelbacher, P. u.
a., Europa in der Spätantike 300-600, 2007; König, I., Die Spätantike, 2007
Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum
1254-1273) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt 1492).
Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl,
W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996, 5. A. 2012; Dirlmeier,
U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G., Das 13.
Jahrhundert, 2007; Schneidmüller, B., Grenzerfahrung und monarchische Ordnung,
2011
SPD (→Sozialdemokratische
Partei Deutschlands)
species (lat. [F.]) Art in Gegensatz zu genus (lat. [N.]) Gattung
specificatio (lat. [F.]) Verarbeitung
speculum (N.)
Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430)
Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 415
Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290
entstandene Rechtsbuch des französischen Geistlichen und Modeneser
Rechtslehrers Wilhelm →Durantis’ (um 1237-1296), das unter Einbeziehung
der Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit
ausführlich darstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W.,
Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975
Spedition ist
die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von Güterversendungen durch
Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen in
eigenem Namen. Sie entsteht im Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln
die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen (Berlin 1919).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P.,
Geschichte des Handelsrechts, 1913
Spee (Spee
von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird
nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631 veröffentlicht er die (lat.)
Cautio (F.) criminalis contra sagas (Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen,
Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse), in der er sich gegen
Verfahrensunrecht im →Hexenprozess und damit vor allem die →Folter wendet.
Allgemeinere Auswirkungen hat sein Werk erst im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis,
deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die
Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958;
Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963;
Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von
Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee,
FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg.
v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J.,
1939, 6. A. 2000
Speer
Lit.: Funk, W., Speer,
Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297
Spencer,
Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale englische
Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu
immer besseren Formen sieht.
Lit.: Köbler, DRG 179
Speranskij,
Michail Michailovic (Tscherkutino/Wladimir 1772-St. Petersburg 23. 2. 1839)
legt als engster Vertrauter des Zaren für →Russland 1808/1809 ohne durchgreifenden
Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem
Vorbild vor (1810 Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung
nach Sibirien (1812) die Schaffung der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe
sobranie zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/1830) und die Zusammenfassung
aller geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000
Artikeln). Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.
Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij,
1957
Speyer am
Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als
Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den →Saliern durch
Privilegien ausgezeichnete Ort →Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689
beherbergt S. das →Reichskammergericht, in der Gegenwart eine (deutsche)
Verwaltungshochschule mit Professoren der Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das
Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931;
Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol.
Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet,
G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in
einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdisziplinierung
in der Reichsstadt Speyer, 1997; Ammerich, H., Kleine Geschichte der Stadt
Speyer, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10
bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (3386 Nummern); Päffgen, B., Die speyerer
Bischofsgräber, 2010
Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG
34
Spezialität (F.) Bezug eines dinglichen Rechtes auf jeweils eine spezielle,
individuell bestimmte Sache (körperlichen Gegenstand, anders z. B.
Generalhypothek des römischen Rechtes)
Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung
gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein →Strafzweck (von →Grolman
1775-1829, von →Liszt 1882).
Lit.: Köbler, DRG 204, 269
Spezieskauf (M.) Stückkauf im Gegensatz zum Genuskauf (Gattungskauf)
Sphragistik (F.)
Siegelkunde
Lit.: Köbler, DRG 3
Spiegel →speculum,
Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel,
Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel
Lit.:
Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13
Spiegelnde Strafe
ist die Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte
Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge
des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss,
ihre wirkliche Bedeutung gering. →Talion
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
Spiel (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist die
allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende
Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine
Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten
und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet vom mit
höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der
Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem
S. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die
Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem
Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie
es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu
(Spielbank, Spielcasino).
Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878;
Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische
Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel
und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und
Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
2007; Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, 2008; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Lacina, H., Die Spielleute nach spätmittelalterlichen deutschen Rechtsquellen,
2010
Spießbürger ist
der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache →Bürger.
Spießrecht
Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht
in der Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52
Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen) zwischen
zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen zwecks Demütigung
oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt
als Folge des menschlichen Wesens vielfach zum Tod des Läufers.
Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte,
MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976
Spindel (F.)
Spinngerät
Spindelmage (F.)
weibliche Verwandte
Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R.,
Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1
Spinoza,
Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer
Kaufmannssohn, wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656)
Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur
aus, lässt den Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit
seiner vernünftigen Natur lebt, hält die Demokratie für den besten
Staatszustand und stellt das Naturrecht nach geometrischer Mehtode dar. Am Ende
des 18. Jh.s werden diese Vorstellungen vielfach aufgegriffen.
Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933;
Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und
die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche
Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M.
u. a., 2001; Senn, M., Vom Recht der großen und kleinen Fische, (in) Recht,
Moral und Faktizität, 2008, 201
Spionage
Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz
und DDR-Spionage, 2000; Strafjustiz und DDR-Unrecht, hg. v. Marxen, K. u. a.,
Bd. 4 Spionage, 2004, Neudruck 2012
spiritualis (lat.)
geistlich (in Gegensatz zu [lat.] temporalis, zeitlich bzw. weltlich)
Spital (zu
lat. hospitalis) oder Hospital ist das Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken,
Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das
S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem
Hochmittelalter kommen ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden
Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu (z. B. Johann Twente 1339 in
Osnabrück). Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. Seit dem 18.
Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Einrichtungen (z. B. Krankenhaus)
abgelöst.
Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd.
1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947;
Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor
law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst,
A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu
Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der
Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und
Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003;
Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzka, C., Vom
Hospital zum Krankenhaus, 2005; Pauly, M., Peregrinorum, pauperum ac aliorum
transeuntium receptaculum, 2007 (528 Hospitäler in 353 Orten); Sozialgeschichte
mittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Bulst, N. u. a., 2007; Hospitäler in
Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Drossbach, G., 2007; Hensel-Grobe, M.,
Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Europäisches Spitalwesen, hg. v.
Scheutz, M. u. a., 2008; Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in
Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. v. Scheutz, M. u. a., 2010; Spitzer, I.,
Kirchliches Spitalwesen in Österreich, 2010
Split (Aspalathos)
an der Adria entsteht um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr.
errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es
eine Universität, die 1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-1497) kommt es an
Österreich, 1918 zu Jugoslawien.
Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa,
J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991
Spolienrecht →ius
spolii
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das
Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht
der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128
Sponsalia (lat.
[N.Pl.]) ist seit dem altrömischen Recht das →Verlöbnis.
Später wird unter (lat.) sponsalia de futuro (bezüglich der Zukunft) das
Verlöbnis, unter sponsalia de praesenti (bezüglich der Gegenwart) die
Eheschließung verstanden
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22
Sponsio (lat.
[F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen
(Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s.
eine der drei Formen der →Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.)
spondesne (versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche)
gegeben.
Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§ 8,
9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63
Sport ist die um ihrer selbst willen, zur Stärkung
der Gesundheit oder aus Interesse am körperlichen Wettkampf ausgeübte körperliche
Tätigkeit. Der S. ist bereits im Altertum bedeutsam (z. B. Olympia). Im Ersten
Weltkrieg setzt sich die aus England stammende Sportidee gegen das deutsche
Turnen durch. Wirtschaftliches Gewicht erlangt der S. seit der Professionalisierung
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s, mit der er auch stärker verrechtlicht wird.
Lit.: Decker, W., Sport in der
griechischen Antike, 1995, 2. A. 1012;
Newby, Z., Greek Athletics in the Roman World, 2005; Oswald, R.,
„Fußball-Volksgemeinschaft“, 2008; Tauber, P., Vom Schützengraben auf den
grünen Rasen, 2008; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland, Wir gegen uns - Sport im geteilten Deutschland, 2010; Hilpert, H.,
Die Geschichte des Sportrechts, 2012; Geschichte des Fußballs in Deutschland und in Europa seit
1954, hg. v. Pyta, W., 2013; Bahro, B., Der SS-Sport, 2013
Sprache ist
die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt menschlicher Gedanken,
wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten
umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt und zwischen lautlichem
Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist. Das →Recht kann
am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche Sprache kann durch →Schrift
und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der
Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr
einen einzigen Sprecher haben, so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.
Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW;
Köbler, WAS; Günther, L. Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die
römische Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche
Gaunersprache, 1919; Zaunmüller, W., Bibliographisches Handbuch der
Sprachwörterbücher, 1958 (5500 Wörterbücher zwischen 1460 und 1958 in mehr als
500 Sprachen); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen
Gesetze, 1961; Sonderegger, S., Die Sprache des Rechts im Germanischen,
Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Schmitt, L., Entstehung und Struktur der
neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1 1966; Baier, D., Sprache und Recht im
alten Österreich, 1983; Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd.
1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G., Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit,
1986; Sprache und Recht (FS Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a.,
1986; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und
Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H.,
1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht
und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992;
Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts, hg.
v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den
Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995;
Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in
die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen
Sprache, 9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996;
Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen
Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen
Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in
Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann,
H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon der
untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen
Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a.,
9. A. 2004; Deisler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2. A. 2006; Kuckenberg,
M., Wer sprach das erste Wort?, 2010; Bergmann, R. u. a., Einführung in die
deutsche Sprachwissenschaft, 5. A. 2010; Appenzeller, G., Das Niedersächsische
Wörterbuch, 2011, http://www.koeblergerhard.de/wikiling;
Sprache
- Recht - Gesellschaft, hg. v. Bäcker, C. u. a., 2012; Sprache(n) als
europäisches Kulturgut, hg. v. Schmidt-Hahn, C., 2012
Sprichwort →Rechtssprichwort
Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus
proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker)
1998
Spruch (M.)
Urteil
Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständige Kollegium (z. B.
juristische Fakultät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen der →Aktenversendung
vom 16. bis 19. Jh.).
Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen
Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger
Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die
Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck,
J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann,
1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der
Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965;
Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren
in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg
1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.
Spurfolge ist
die Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht
ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur
in ein Haus führt, dessen Durchsuchung.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1;
Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und
Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge
und Dritthandverfahren, ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters,
2002
SS (Schutzstaffel)
(1925 von Adolf Hitler nach seiner Haftentlassung für Freiwillige begründet, anfangs
unter SA-Führung, 1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt, Ende 1930
3000-4000, zeitweilig 400000, 1939 mehr als 200000 Mitglieder, etwa 90 Prozent
allgemeine SS, herkunftsmäßig gut der Gesamtbevölkerung entsprechend und 1945
dementsprechend leicht eingegliedert)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E.,
Der SS-Staat, 1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999;
Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS,
2001; Syndor, C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers
Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan,
H./Heindrichs, H., Der SS-Mann – Josef Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die
Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P., Macht – Mythos – Utopie, 2004;
Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005; Schneider, C., Die SS und „das Recht“,
2005; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Die SS, Himmler und die
Wewelsburg, hg. v. Schulte, J., 2009; Rohrkamp, R., Weltanschaulich gefestigte
Kämpfer, 2010; Rothländer, C., Die Anfänge der Wiener SS, 2012; Hein, B., Elite
für Volk und Führer?, 2012
Staat ist
die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl von Menschen
(Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter
Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben notwendigen Belange durch
einen innerhalb der Gemeinschaft obersten Willensträger (Staatsgewalt), sofern
sich die von diesem Willensträger aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt
hat und keinem völkerrechtswidrigen Zweck dient. Als S. wird bereits der
Stadtstaat des Altertums eingeordnet (Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S.
wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er erzielt Einkünfte zunächst vor allem
aus seinen Gütern, dann zunehmend auch durch Steuern. Er ist Verbandsperson
bzw. seit dem 19. Jh. →juristische Person des öffentlichen Rechtes. Durch
Verdichtung der Herrschaft steigert der →Souveränität beanspruchende S.
seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum →Absolutismus. Hiergegen
wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren Gedanken seit der →französischen
Revolution zum (theoretischen) Übergang der Staatsgewalt auf das Volk (→Volkssouveränität)
und zur Teilung der Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (→Gewaltenteilung)
führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als
juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches
durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle →Verfassung (1776)
vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit
bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung. Dies ist
um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fast
2000000 Beschäftigte = 5,6 Prozent aller Erwerbstätigen, 8,4 % der abhängigen
Erwerbstätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volkseinkommen
rund 10 Prozent). Zwischen 1800 und 2000 erhöht der Staat seinen Anspruch auf
das Gesamteinkommen von etwa einem Zehntel auf etwa die Hälfte, wobei um 1800
zwei Drittel der Staatseinkünfte für Verteidigung und Innvenverwaltung ausgegeben
werden, um 2000 für Infrastruktur, Bildung und Soziales.
Lit.: Kaser § 17 II 1a;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140,
176, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Huber, M., Die
Staatensuccession, 1898, Neudruck 2013; Redslob, R., Die Staatstheorien der
französischen Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche
Staat des Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37
(1916), 131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in
der Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v.
Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States,
1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P.,
Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG
GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die Entstehung
des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937),
210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938;
Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz, O.,
Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234; Jantke,
C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des deutschen
Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staatsgedankens
bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die Geburtsstunde des
souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel paesi Europei, 1957;
Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum frühmittelalterlichen
Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H., Adelige Herrschaft
und souveräner Staat, 1962; Kudrna, J., Stát a společnost na úsvitě
italské renesance (Staat und Gesellschaft am Vorabend der italienischen
Renaissance), 1964; Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797),
1964 (Diss. jur. Bern 1954); Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes
(1729-1797), 1964; Koerber, E. v., Die Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam,
1967; Hauser, S., Untersuchungen zum semantischen Feld der Staatsbegriffe,
Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A. Passerin d’, The Notion of the State,
1967; Mager, W., Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968;
Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht, P., Staat, 1968;
Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970; Conrad, H., Der deutsche Staat,
2. A. 1974; Hanisch, W., Der deutsche Staat König Wenzels, ZRG GA 92 (1975),
21; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Strayer, J.,
Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975; Staatsdenker im
17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Struve, T., Die Entwicklung der organologischen
Staatsauffassung im Mittelalter, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat bei Maria Theresia, ZRG
GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den Staat, 1982; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Ambrosius, G., Die
öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Wyduckel, D., Ius
publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als Maschine, 1986; Grimm,
D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du pouvoir
législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer, Der
archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest and
Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Demel, W., Vom aufgeklärten
Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, 1993, 2. A. 2010; Schulze,
H., Staat und Nation, 1994; Staatsaufgaben, hg. v. Grimm, D., 1994; Zippelius,
R., Geschichte der Staatsideen, 10. A. 2003; Demandt, A., Antike Staatsformen,
1995; Truhart. P., Historical Dictionary of States - Lexikon der historischen
Staatsnamen, 1995; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und
Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die
Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W.,
Die Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche
Vereinigung, hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung,
1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale
Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u.
a., 2000; Reinhard, W., Verstaatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons
„Staat“, 1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht,
2000; Uhlenbrock, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der
Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der
Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden des
Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?,
2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F., State, Trust and
Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen, hg. v. Gallus, A.
u. a., 2004, 2. A. 2007; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen
Geschichte, 2004; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das Wissen des
Staates, hg. v. Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des Staates,
2004; Staatsbildung als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a., 2005;
Figurationen des Staates, hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood before and
beyond Ethnicity, hg. v. Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte Staatlichkeit
in der europäischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H., 2006; Vom Feld,
I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Politeia - staatliche Verfasstheit
bei Platon, hg. v. Nitschke, P., 2008; Der frühmittelalterliche Staat, hg. v.
Pohl, W., 2009; Lei, Y., Auf der Suche nach dem modernen Staat, 2010; Handbuch
Staatsdenker, hg. v. Voigt, R. u. a., 2010; Demel, W., Vom aufgeklärten
Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, 1993, 2. A. 2010;
Marquardt, B., Universalgeschichte des Staates, 2009; John Stuart Mill und der
sozialliberale Staatsbegriff, hg. v. Höntzsch, F., 2011; Globale Rivalitäten,
hg. v. Birnk, T. ten, 2011; Pauka, M., Kultur, Fortschritt und Reziprozität,
2012; Heimbeck, L., Die Abwicklung von Staatsbankrotten im Völkerrecht, 2013
Staatenbund ist
der vertraglich vereinbarte Bund mehrerer souverän bleibender Staaten (z. B.
Vereinigte →Niederlande 1579-1795, →Rheinbund 1806-1813, →Deutscher
Bund 1815, →Schweiz 1815-1848, Staatengemeinschaft oder Staatenverbund →Europäische
Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993). Der S. ist kein Staat
und kein Völkerrechtssubjekt. Rechtssätze (des Staatenbunds) erlangen in den
Staaten grundsätzlich nur durch Umsetzung (Transformation) Geltung.
Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck
1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847;
Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975;
Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999
Staatenhaus ist
die Vertretung der Staaten in der Verfassung des geplanten →Deutschen
Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den Regierungen und den
Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.
Lit.: Köbler, DRG 194
Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie
erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im
Heiligen römischen Reich nach 1800.
Seitdem wird sie im Gefolge des Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs
meist gesetzlich besonders geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von
1811,] Preußen 1842, Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang vom
Territorialgrundsatz zum Abstammungsprinzip, am Beginn des 21. Jh.s aus Mangel
an Beitragszahlern zur Sozialversicherung für Zuwanderer gelockert).
Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der Staatsangehörigkeit,
Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la nationalité française,
1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Hecker, H.,
Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die Staatsangehörigkeit
als Institution des Nationalstaats, (in) Offene Staatlichkeit, 1995; Ernst, A.,
Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur. Münster 1999; Gosewinkel, D.,
Einbürgern und ausschließen, 2001, 2. A. 2004; Trevisiol, O., Die Einbürgerungspraxis
im deutschen Reich 1871-1945, 2006
Staatsanwalt ist
der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch die ausführende
Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S.
findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als Vertreter
der königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14.
Jh., →ordonnance de Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670
beherrschende Stellung im Strafverfahren, öffentliche Partei zur Vertretung
öffentlicher Interessen und zur Kontrolle der Richter, ministère public
[Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der
königlichen Prokuratoren vom König ernannte, königliche Kommissare als
Gesetzeswächter im Verfahren einerseits und vom Volk gewählte öffentliche
Ankläger am Gerichtshof andererseits, Aufhebung dieser Zweiteilung durch die
Jakobiner, erneute Trennung beider Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit
der Verfassung vom Dezember 1799 endgültige Aufhebung der Trennung von
Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt und Verschwinden des öffentlichen
Anklägers und damit Eröffnung der modernen Staatsanwaltschaft, ministère de
public 1808) seit 1810 im linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831/1832
(je ein Staatsanwalt bei den vier badischen Regierungskreisen Seekreis,
Oberrheinkreis, Mittelrheinkreis und Unterrheinkreis in Meersburg, Freiburg im
Breisgau, Rastatt und Mannheim), Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt,
Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen Strafverfolgungsinteresses, 1849
provisorische Staatsanwaltschaft), Württemberg 1843 und Preußen (1. 1.) 1846
unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren wie etwa Pressevergehen,
1877/1879 das Deutsche Reich (1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am
Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte
bei den Landgerichten). Das ursprünglich für den S. geltende →Legalitätsprinzip
weicht seitdem zunehmend dem →Opportunitätsprinzip.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235;
Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die
Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die
Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971, Carsten, E./Rautenberg,
E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 2. A: 2012; Sättler, A., Die
Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuhmacher,
U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur
Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung
und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der
Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v.
d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder
„Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der
Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005;
Wulff-Kuckelsberg, S., Procureurs, 2005; Lacher, A., Friedrich Oskar von
Schwarze (30. 09. 1816-17. 01. 1896), Diss. jur. Würzburg 2008; Kneip, W., Die
Staatsanwaltschaft Mannheim im 19. Jahrhundert, 2010; Pragst, R-. Auf Bewährung,
2011; Staatsanwaltschaftsrecht (1934-1982) eingeleitet und hg. v. Schubert, W., 2013 Baden 1831/1832, Hannover
1841, Württemberg 1843
Staatsaufsicht
Lit.: Kahl, W., Die
Staatsaufsicht, 2000
Staatsbürger ist
das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit)
verstandene Mitglied eines Staates. Der S. wird zwischen 1770 und 1789
allgemein anerkannt (in Österreich 1811 in den §§ 28ff. ABGB geregelt, 1849
einheitlich, Heimatrecht in einer Gemeinde, 1867 für Cisleithanien und Transleithanien
getrennt, 1920 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft, 1938
deutsche Staatsbürgerschaft, 1945 Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft
ohne besonderes Heimatrecht, 1988 einheitliche Staatsbürgerschaft
Österreichs). 1919 werden im Deutschen Reich die S. einander gleichgestellt.
Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen
1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und
Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben,
2000; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme
und Staatsbürgertum, 2001; Fahrmeir, A., Citizenship, 2007; Fahrmeir, A., Die
moderne Staatsbürgerschaft und ihre Grenzen, HZ 286 (2008), 641; Gironda, V.,
Die Politik der Staatsbürgerschaft, 2010
Staatsgebiet →Staat
Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930
Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Verfassungsgericht (→Verfassungsgerichtsbarkeit)
einzelner Staaten vor allem für Anklagen gegen oberste Verwaltungsorgane
wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung (Württemberg 1819, Sachsen 1831,
Bayern 1848, Kremsierer Entwurf Österreichs, Märzverfassung Österreichs 1849,
aber nicht verwirklicht und 1851 formell wieder beseitigt, durch Gesetz vom
25. 7. 1867 wieder eingeführt, aber nie verwendet, 3. 4. 1919 Verfassungsgerichtshof
[1921, 1923 und 1985 staatsgerichtliche Verfahren durchgeführt] Sachsen-Weimar-Eisenach
1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921 für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt
der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe steht vor allem die →Ministeranklage.
Nach 1945 gehen die meisten Länder zu einem →Verfassungsgericht über.
Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen
Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und
Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche
Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980;
Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I.,
Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996
Staatsgewalt →Staat
Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916;
Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis,
H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die
historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB.
d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht,
1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die
Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose Gewalt, 2. A. 2006
Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates
grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867).
Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (→Dezemberverfassung)
betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die
Einsetzung eines Reichsgerichts, die richterliche Gewalt und die Ausübung
der Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.
Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D.,
Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das
schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985
Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches Verhalten
entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein
anerkannten Haftung des →Beamten für eine Verletzung seiner
Amtspflichten (Amtshaftung, Vorgänger Syndikatsklage gegen einen Richter z.
B. in der Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des Staates
als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der
Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges
Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte
Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909)
und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten
den Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in
Sachsen-Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG
knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den
Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für
europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung
(z. B. des Parlaments, der Verwaltung und des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs).
Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates
aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung
und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des
Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S.,
Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998;
Grzeszick, B., Rechte und Ansprüche, 2002; Bertelmann, H., Die Europäisierung
des Staatshaftungsrechts, 2005
Staatshaushalt →Haushalt
Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der
brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt
des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller,
P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989;
Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Staatskanzler ist in Österreich im 18. und 19. Jh. die Amtsbezeichnung der Fürsten
Kaunitz und Metternich als Leiter der Haus-, Hof- und Staatskanzlei und von 1918
bis 1919 sowie 1945 Karl Renners.
Staatskirche ist
die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom in der Spätantike,
evangelische Länder des Heiligen römischen Reiches, Großbritannien, Schweden,
Spanien).
Lit.: Barceló, P., Constantius II. und seine Zeit. Die
Anfänge des Staatskirchentums, 2004
Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht. Das Wort
ist erstmals im Motivenbericht zum Katholikengesetz Österreichs 1874 verwendet.
Es umfasst sachlich die Gesamtheit der staatlichen Rechtssätze betreffend die
Kirche bzw. die Religion.
Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul
Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u.
a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten
Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20.
Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das
staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B.,
Ius reformandi, 2001; Ochsenfahrt, V., Die staatskirchenrechtliche Stellung
des katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 2007; Heckel, M.,
Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, 2007; 100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht,
hg. v. Heinig, H. u. a., 2012
Staatslehre ist
der seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der
sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre,
Neudruck 2009; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der
italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen
Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und
der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen
Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003; Rüdiger, A.,
Staatslehre und Staatsbildung, 2005
Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines
Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
seit 1968 eine Notstandsverfassung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das
Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss.
jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965;
Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand
im modernen Friedensvölkerrecht, 1988; Casanova, A., Legale oder legitime
Diktatur?, 2006; Rose, M., Schleiermachers Staatslehre, 2012
Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staates
stehende Staatsorgan (z. B. König, Präsident).
Lit.:
Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen
Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003
Staatspolizei →geheime Staatspolizei
Staatsraison ist
die zur Förderung des Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in
Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der
Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.
Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976;
Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M.,
Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di
Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im
Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in)
Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in
Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003; Raison(s) d’Etat(s) en Europe,
hg. v. Krulic, B., 2010
Staatsrat ist
das der Staatsleitung dienende Beratungsorgan (z. B. Österreich 10. 12. 1760-4.
4. 1848 [1851-26. 2. 1861 Reichsrat, 26. 2. 1861-12. 6. 1868 Reichsrat, 1918-März
1919], 1934, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der →Deutschen
Demokratischen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher;
Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck
1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG
GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M.,
Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19;
Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der
Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866,
2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005
Staatsrecht ist
das den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Dem S. geht die
Reichspublizistik (Reichsstaatsrechtslehre) voraus, die sich mit der
materiellen Verfassung des Heiligen römischen Reiches befasst (z. B. Theodor
Reinkingk 1590-1664, Johannes Limnaeus 1592-1663, Christoph Besold 1577-1638,
Hermann Conring 1606-1661, Samuel Pufendorf 1632-1694, Gottfried Wilhelm
Leibniz 1646-1716, Christian THomasius 1655-1728, Johann Jakob Moser 1701-1785
und Johann Stephan Pütter 1725-1807). Das S. entwickelt sich mit dem Konstitutionalismus
und der Trennung von Staat und Gesellschaft im Laufe des 19. Jh.s aus dem →öffentlichen
Recht. Dabei strebt das 19. Jh. (Paul Laband) vor allem nach Verwissenschaftlichung.
Als demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik werden Hugo
Preuß, Gerhard Anschütz, Richard Thoma, Hans Kelsen und Hermann Heller
hervorgehoben. Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des
Staatsrechts.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck
1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff.,
Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und
bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 1887, Bd.
1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff.
z. T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Deutsches Staatsrecht, hg. v. Haenel, A. u.
a., 1892, 2. A. 2013; Mommsen, T., Abriss des römischen Staatsrechts, 1893,
Neudruck 2013, 2. A. 1907, Neudruck 2013; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes
Limnaeus, 1968; Das Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des
staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum,
1984; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche Richtung“ in der
Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht
oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M.,
Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der
Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die
Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das
römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen
Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5
Die geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre
und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechtslehre
in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v.
Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und
Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004; Kremer, C., Die
Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl
Friedrich von Gerber, 2008; Kuriki, H., Beiträge zur Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 2009; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im
19. Jahrhundert, 2009; Die Weimarer Staatsrechtsdebatte, hg. v. Gangl, M., 2011;
Ishikawa, T., Deutschsprachige Staatsrechtslehrer, 2012; Schulze-Fielitz, H., Staatsrechtslehre
als Mikrokosmos, 2013
Staatsregierung ist die politische Leitungsgewalt des Staates (z. B. Deutschösterreich
1918, Österreich 1945, Bayern).
Staatsschutz
Lit.: Staatsschutz, hg. v.
Willoweit, D., 1994; Passek, I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte
in Staatsschutzstrafsachen, 2003
Staatssekretär
Lit.: Hefty, J., Die
parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005
Staatsvertrag ist der unter Staaten abgeschlossene Vertrag (z. B. Friedensvertrag,
S. betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs
mit den Alliierten vom 15. 5. 1955, in Kraft am 27. 7. 1955, einzelne Bestimmungen
1990 einverständlich für obsolet erklärt).
Lit.:
Fünfzig Jahre Staatsvertrag und Neutralität, hg. v. Olechowski, T., 2006
Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des
Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die
Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben.
Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft,
2003
Staatsziel ist das von einem Staat angestrebte politische Ziel (z. B. Umweltschutz).
Staatszielbestimmungen begründen grundsätzlich keine einklagbaren Ansprüche
Einzelner.
Stab ist
das lange dünne gerade Holzstück, das als Rechtssymbol für Gewalt verwendet
werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den Angeklagten den
Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu übertragenden
Gegenstand (z. B. Grundstück).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v.,
Die Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab
in der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des
Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941),
252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971;
Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Töbelmann, P., Stäbe der Macht, 2011
Stade
Lit.: Das Stader Stadtrecht vom
Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte des niedersächsischen Staatsarchivs in
Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975
Stadt ist
die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer
befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum
bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk,
Athen, Rom, im römischen Weltreich vielleicht 2000 Städte). Im Mittelalter
entsteht sie vielfach auf römischer Grundlage (Römerstadt wie Köln, Bonn,
Trier, Main, Basel, Zürich, Regensburg, Passau, Wels, Wien) wohl im 11. Jh. auf
der Suche nach besseren Lebensbedingungen unter Förderung durch den Stadtherrn
(in Kenntnis von Städten des Altertums neu) im Ausbau vorhandener Siedlungen
oder vielleicht auch durch bewusste Gründung (Gründungsstadt z. B. Freiburgt im
Breisgau). Reichsunmittelbar ist die →Reichsstadt. In der frühen Neuzeit
bezieht der Landesherr die Stadt stärker in das Land ein und verwendet sie als
örtliche Verwaltungseinheit. Seit dem 19. Jh. tritt die S. trotz
wirtschaftlichen Vorrangs rechtlich hinter der →Gemeinde zurück (z. B.
Österreich 1849), so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche Bedeutung
verliert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110,
111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den
Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt,
1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die
Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte
der Stadt Wil, 1904; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht,
1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der Verfassung
bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die Sondergemeinden der
Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg, Deutz, Neuß),
1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923; Schmoller, G.,
Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des deutschen Städtewesens,
1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L., Stadt und Markt im
späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die deutsche Stadt,
1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925; Pirenne, H., Les villes
du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den
rheinischen Bischofsstädten, 1928; Knöpp, F., Die Stellung Friedrichs II. und
seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928, Neudruck 1965; Dörries, H.,
Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen Stadt, 1929; Beyerle, F.,
Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Weller, K,. Die
staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische Vierteljahreshefte
für Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die Städtegründungen der
Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und Stadtverfassung im Gebiete der
Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift für vaterländische Geschichte
und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W., Verfassungsgeschichte einer
grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934; Loehr, M., Leoben, 1934;
Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Goerlitz, T., Die
Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner
nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich, K., Zur Verfassungstopographie
der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58 (1938), 275; Pirenne, H., Les
villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., Bd. 1ff. 1939ff.;
Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm, G., Untersuchungen zur
Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Planitz,
H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943), 1; Planitz, H., Die
deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H., Doppelstadt und
Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren Geschichte des
Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt. Landes- und Volksgesch.
an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die Stadtentstehung am
unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt, 1953;
Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u. a., 1953; La ville, 1954;
Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens in Osteuropa, 1955;
Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958;
Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen in den
Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer
Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und Formen bürgerlicher Institutionen
norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel 1960; Haase, C., Die Entstehung
der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos
des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt, 1961; Die Städte Mitteleuropas
im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen
Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine
Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C.,
1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur
Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und
Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung
und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v.
Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J.,
1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und
Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am
Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im
Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die
europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt
im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit,
1976; Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B.,
Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die
mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977;
Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H.,
1979; Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung,
hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die
Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur
Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im
Spätmittelalter, übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980;
Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982;
Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B.,
1982; Stadt und Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und
wirtschaftliche Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987;
Urkunden zur Geschichte des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland
bis 1350, hg. v. Stoob, H., 1985; Bibliographie zur deutschen historischen
Städteforschung 1, hg. v. Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger,
H., 1987; Modelli di città, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche
Stadt im Spätmittelalter, 1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989;
Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a.,
1989; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v.
Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991;
Stadtkern und Stadtteile, hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H.,
Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den
italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a.
1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die
deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen
Neuzeit, 1993; Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993;
Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen
Gesellschaft, hg. v. Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten
Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen
Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des
Amberger Stadtrechts, bearb. v. Laschinger, J., Bd. 1ff. 1994ff.; Roux, S., Le
monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince, A., Medieval Towns, 1994; Meier,
U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche Städte in Südwestdeutschland,
hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt (Kalkar) im Mittelalter, hg. v.
Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v. Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des
Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst,
A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt – Die Mediatstädte des
kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und Verkehr im Industriezeitalter, hg.
v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van des stades wegene utgegeven unde
betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çatal Höyük, 1998; Die
Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u.
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und 11. Jahrhundert, 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg. v. Janssen, W.
u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das Bild der Stadt in
der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H., Geschichte
Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der frühen
Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen zur
Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B., 2000;
Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B., Bürgerkämpfe
und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Stadt und
Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S., Stadtwerdung am
Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P. u. a., 2002;
Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg. v. Johanek,
P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003; Meier, D.,
Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in
deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im
19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der deutschen
Geschichte, 2003; Baeriswyl, A., Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im
Mittelalter, 2003; Städtelandschaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004; Vielerlei Städte,
hg. v. Johanek, P. u. a., 2004; Die Salzstadt, hg. v. Freitag, W., 2004;
Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Stercken,
M., Städte der Herrschaft, 2006; Stadt und Region, hg. v. Duchhardt, H. u. a.,
2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters, hg. v. Escher,
M. u. a. 2005; Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert, hg. v. Lenger, F.,
2005; Opll, F., Das Werden der mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561;
Engel, E./Jacob, F., Städtisches Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A.,
Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006; Imagining the City, hg. v. Emden,
C. u. a., Bd. 1f. 2006; Städte im östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a.,
2006; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2006; Messen, Jahrmärkte und
Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007; Who ran the
cities?, hg. v. Roth, R. u. a., 2007; Was machte im Mittelalter zur Stadt?, hg.
v. Jäschke, K u. a., 2007; Turnau, V., Unruhehäufungen und ihre Zusammenhänge
in Städten des Reiches zu Beginn des 14. Jahrhunderts, 2007; Repräsentationen
der4 mittelalterlichen Stadt, 2008; Urbanisierung und Urbanität, hg. v.
Flachenecker, H. u. a., 2008; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Urban
Space, hg. v. Classen, A., 2009; Schmieder, F., Die mittelalterliche Stadt,
2. A. 2009, 3. A. 2012; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Die
Urbanisierung Europas von der Antike bis in die Moderne, hg. v. Fouquet, G. u.
a., 2009; Städte im europäischen Raum, hg. v. Roth, R., 2009; Stadtgestalt und
Öffentlichkeit, hg. v. Albrecht, S., 2010; Europäische Städte im Mittelalter,
hg. v. Opll, F. u. a., 2010; Lau, T., Unruhige Städte, 2010; Die Macht der
Städte, hg. v. Gehler, M., 2010; Hergemöller, B./Clarius, N., Glossar zur
Geschichte der mittelalterlichen Stadt, 2011; Hirschmann, F., Die Anfänge des
Städtewesens in Mitteleuropa - Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12.
Jahrhundert, Bad. 1ff. 2011f.; Stadtgründung und Stadtwerdung, hg. v. Opll, F.
u. a., 2011; Städtische Wirtschaft im Mittelalter, hg. v. Holbach, R., 2011; Isenmann,
E., Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150-1150, 2012; Blaschke, K-. Von der
Kaufmannssiedlung zur Stadt, ZHR 294
(2012) 653; Orte der Stadt im Wandel, hg. v. Morscher, L. u. a., 2013;
Blaschke. K., Nikolaikirchen und Stadtentstehung in Europa, 2013
Stadtbuch ist
das von einer →Stadt für die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse
geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftlichung
treten mehrere besondere Bücher nebeneinander.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
105, 125; Das Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895;
Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher
des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über
die Breslauer Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt.
Geschichtsbll. 11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916),
1; Stowasser, O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für
Landeskunde von Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer
Stadtbuch, 1915; Die sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R.,
1916: Rehme, P., Über Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917),
164; Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925),
250; Rehme, P., Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das
Mindener Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die
Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken,
T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das
Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische
Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön,
B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg. v.
Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri civitatum
Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H.,
1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v.
Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v. Andrian-Werburg,
K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v. Grothausmann,
K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als
namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg.
v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006
Stadtbürger →Bürger
Städtebund ist
der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamem Handeln wie etwa
der Sicherung des Handels (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund
1254/1256, schwäbischer Städtebund 1376/1381, →Hanse).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner,
J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W.,
Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v.
Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u.
a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E., Städtebünde im deutschen
Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v. Felten, F., 2006
Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das
preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den Städten die →Selbstverwaltung
erneuert).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen
des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie
und städtische Autonomie, 1997
Stadtgericht ist
das in der →Stadt für die gerichtlichen Angelegenheiten zuständige →Gericht,
dem anfangs meist der Stadtherr vorsitzt.
Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in
Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung,
1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, Diss. jur. Basel
1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die Konkurrenz zwischen
„städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im 13. und 14.
Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291
Stadthagen
Lit.:
Die Eheberedungen des Amts Stadthagen im Staatsarchiv Bückeburg, bearb. v.
Sturm-Heumann, M., Teil 1ff. 2004ff.
Stadtherr →Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und
Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972
Stadtkommune →Stadt
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967
Stadtluft macht frei
ist das Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein
Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er
nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg
1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher
Landflucht im Hochmittelalter allerdings anscheinend nicht. Zur Abwehr der
Landflucht wird gleichwohl die →Leibeigenschaft entwickelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG
O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft
macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht
frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek,
C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum
Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine
bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J.,
Stadtluft macht frei, 2008
Stadtmauer →Stadt
Stadtrat →Rat,
Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Stadtrecht ist
das besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im
Mittelalter am Ende des 11. Jh.s (lat. ius [N.]
civile). Am Beginn steht das →Privileg eines Herrn (z. B. Freiburg im
Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh.
kommt die →Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird
das S. oft im →Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine
andere übertragen (Stadtrechtsfamilie z. B. Wien, Frankfurt am Main, Lübeck,
Magdeburg). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringt dieses über
Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509,
Freiburg 1520, Pettau/Slowenien 1513, Bern 1539, Zwickau 1539) auch in das S.
ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch
in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120;
Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966;
Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das
Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische
Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur
städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965;
Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Die Entstehung von
Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im
Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten
und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins,
1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische
Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig
(Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher,
G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der
Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961;
Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12.
Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des
mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt
Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung
bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die niedersächsischen Stadtrechte
zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G., „Hell, verständig für die
Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106 (1989), 12; Recht,
Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M.,
1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische Stadtrecht, ZRG GA
109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im
Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000; Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im
mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Cox, J., Hebbende privilege van stede,
2011
Stadtrechtsbuch ist das →Rechtsbuch einer →Stadt (z. B.
Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von
Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach,
Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Sillein, Glogau,
Salzwedel, Saalfeld, Pressburg, Freiberg, Frankenberg u. s. w.)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990
Stadtrichter →Stadtgericht
Stadtschreiber →Schreiber
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer
Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das deutsche
Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber,
1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F.,
Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979;
Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990; Stephan Roth
(1492-1546) - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008
Stadtschultheiß →Schultheiß
Stadtstaat (z.
B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen)
Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State,
1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte
bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u.
a., 1991
Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten
Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).
Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des
städtischen Parlamentarismus, 1997
Staffel (F.)
Stufe, Gerichtsstein
Stahl (Jolson),
Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn,
1819 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium
in Würzburg, Heidelberg und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in
Erlangen, dann ordentlicher Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in
Berlin. Sein Hauptwerk ist eine zweibändige Philosophie des Rechtes, die sich
gegen das →Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität
ab.
Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C.,
Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius
Stahls, 1999
Stair,
James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der Philosophie in Glasgow
Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er bis 1688 wegen
antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige Entscheidungen
seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit seinen römischrechtlich-naturrechtlich
in vier Bücher (Personen und Familie, Obligationen, Sachen, Erbe und
Verfahren) geteilten Institutions of the Law of Scotland (1681) die Rechtswissenschaft
in →Schottland.
Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The
Scottish Jurists, 1985, 106
Stal
Lit.: Siebs, B., Stal – Roland –
Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246
Stalin (Dschugaschwili),
Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist von
1924 bis 1953 diktatorischer Führer der →Sowjetunion, der maßgeblich das
sozialistische Recht mitgestaltet.
Lit.: Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001; Deutscher,
I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier,
M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K.,
Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003;
Kellmann, K., Stalin, 2005; Stalinismus in der sowjetischen Provinz, hg. v.
Binner, R. u. a., 2009; Dahlke, S., Individuum und Herrschaft im
Stalinismus, 2010; Baberowski, J., Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der
Gewalt, 2012
Stalking ist das gewollte und wiederholte belästigende Verfolgen eines Menschen
durch einen Menschen, das von den Vereinigten Staaten von Amerika ausgehend seit
etwa 2000 in verschiedenen Staaten strafbar ist (Deutschland § 238 StGB 31.
Juli 2007 Nachstellung).
Lit.:
Helmke, N., Der Normsetzungsprozess des Stalkings, 2011
Stamm ist
der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines Baumes. Ein
selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen)
wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings.
Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese,
W., Der Stamm der Sachsen, 1979
Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. →Stamm
gebildete →Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz
zum Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich, Bayern, Westfalen,
Sachsen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das
jüngere S. im 10. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und
Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen
Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P.,
Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989
Stammesrecht→Volksrecht
Lit.: Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper,
D. u. a., 1991
Stammgut ist das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts in einer Adelsfamilie
gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich unteilbare Gut. Es wurde
1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine Stiftung überführt.
Stammler,
Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856-Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882
außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen,
Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer
Rechtsphilosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches
Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662
Stand (1417) ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft.
Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in
verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und
Sklaven (lat. [M.Pl.] servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden
Kleinbauern ein Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und
Geldadel einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.])
honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das
Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden →Freie (lat. [M.Pl.]
liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch →Adlige
(lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese geburtsständische
Gliederung durch die berufsständische Einteilung in →Ritter (lat. [M.Pl.]
milites), →Bürger (lat. [M.Pl.]
cives, burgenses, urbani) und →Bauern (lat. [M.Pl.]
rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (→Ebenbürtigkeit),
→Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit der französischen
Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger) vertretene,
aufgeklärte Grundsatz der →Gleichheit durch (1918). Hinsichtlich der
Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19. Jh. →Landstände
und →Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132,
135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H.,
Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der
deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen
Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck,
P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H.,
Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck,
P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische
Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der
Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen
zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G.,
1967; Frank, K. v., Standeserhebungen und Gnadenakte, Bd. 1ff. 1967ff.;
Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171;
Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom
Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A.
1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen,
1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen
Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a.,
1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H.,
1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten
Territorien Norddeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Standarte →Fahne
Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen
Aufgaben der →Eheschließung und Führung der Personenstandsbücher
ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S.
1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 209
Standeserhöhung ist die Erteilung des →Adels durch Urkunde (seit
1346, →Briefadel).
Standesherr ist
im 19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals
reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert,
die zwischen 1848 und 1918 aber weitgehend verschwinden.
Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964;
Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren,
1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980;
Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige
Standesherrschaft im Vormärz, 2003
Ständestaat ist
der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des
13. bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht sich →Österreich
nochmals als S. →Landstand, →Reichsstand
Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer
Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat,
2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der
österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft,
Adel und Vogtei, 1985
Standgericht ist
das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich
bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet.
Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.
Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F.,
Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der
Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904
Ständiger internationaler Gerichtshof ist der 1919 in der Satzung des Völkerbunds vorgesehene, 1922 in Den Haag
in den Niederlanden eingerichtete völkerrechtliche Gerichtshof, der 1945 im
Internationalen Gerichtshof aufgeht
Standrecht →Standgericht
Stang,
Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1890 Anwalt
und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt in Deutschland versucht
er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts. In der Rechtspolitik
setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener Einzelgesetze (1907
Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz) ein.
Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for
Rettsvidenskap, 1942, 1
Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1.
1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer
Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter
einem Landvogt gekennzeichneten Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und
Alten Schleswig.
Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623,
Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a.,
1968
Stapelrecht ist
seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen,
ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen (zu stapeln).
Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910, Neudruck 2013;
Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939
Stasi (F.)
Staatssicherheitsdienst der →Deutschen Demokratischen Republik mit
schätzungsweise (189000 bis) 109000 informellen Mitarbeitern
Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der
Staatssicherheit, 2001
Statistik ist
die zahlenmäßige Erfassung häufiger oder massenhafter Gegebenheiten. Sie
erfolgt in wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh. (Preußen
statistisches Büro 1805/1810, führender Direktor Ernst Engel 1860-1882)
Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter
zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen
Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A.,
Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H.,
Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C.,
Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994;
Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber,
D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003; Schneider, M.,
Wissensproduktion im Staat, 2013
Stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die Begründung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)
Statthalter ist
der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in den →Maximilianischen
Verwaltungsreformen, 1849-1918 in Österreich die Leiter der zentralstaatlichen
Behörden auf Landesebene im Gegensatz zur autonomen Landesverwaltung durch
Landesausschüsse unter Leitung von Landeshauptmännern.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches
Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Jördens, A., Statthalterliche
Verwaltung in der römischen Kaiserzeit - Studien zum praefectus Aegypti, 2009
status (lat.
[M.]) →Stand, Zustand (z. B. status libertatis [Freiheit],
status civitatis [Stellung als Bürger] und status familiae [Stellung in der
Familie]
Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996
Statut ist
das gesetzte Recht bzw. die im internationalen Privatrecht anwendbare
Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa,
Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche Zusammenfassungen erfahren.
Im Verhältnis zum →gemeinen Recht gewähren die Juristen des 14. Jh.s den besonderen
Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta [N.Pl.]
sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht
tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.
Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die
Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff.
1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39
(1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den
Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G.
Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck
1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963;
Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F.,
Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur
Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen
Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten,
Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und
Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever,
R., Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000; Von der Norm zur
Ordnung - Statuten, hg. v. Drossbach, G., 2009
Statuta sunt stricte interpretanda (lat.). →Statuten sind eng auszulegen.
Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H.
Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977
Statutarstadt ist in Österreich die durch eigenes Stadtrecht (Statut) ausgezeichnete,
keiner Bezirkshauptmannschaft unterstehende Stadt ([16. Jh. Eisenstadt, Rust,]
1850 Wien, Klagenfurt, insgesamt 15).
Statute law ist
das vom König und dem Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte
Recht in England im Gegensatz zum common law (Richterrecht).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche Bezeichnung des 19. Jh.s
für das bestätigende Privileg Kaiser Friedrichs II. vom Mai 1232 (in sechs
Ausfertigungen überliefert) bzw./und das Privileg König Heinrichs (VII.) vom 1.
5. 1231 (in vier Ausfertigungen erhalten), in dem den Fürsten die
rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte zugesichert werden (z. B. Gewährleistung
der Nichtanlage neuer Reichsstädte und Reichsburgen, Gewährleistung der
landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer,
E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser
und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994, 8. A.
2005
Staub,
Samuel (bzw. ab etwa 1882) Hermann (Nikolai/Oberschlesien 21. 3. 1856-Berlin
2. 9. 1904), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, wird nach dem Rechtsstudium in
Breslau, Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach), Berlin (Goldschmidt)
Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des Handelsrechts (seit
1893) und als „Entdecker“ der sog. →positiven Forderungsverletzung oder
positiven Vertragsverletzung (1902) hervor.
Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen
jüdischer Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Anwalt - Kommentator - Entdecker - Festschrift für
Hermann Staub, hg. v. Henne, T. u. a., 2006
Staufer ist
der Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen
Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten
Heiratsverbindung mit den →Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (Konrad
III. 1138-1152, Friedrich I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1169-1197,
Philipp von Schwaben 1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 1237-1254)
hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das
Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII.
von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus
Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Verfassungsgeschichte,
ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f.,
Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64;
Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H.,
Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982;
Engels, O., Stauferstudien, 1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische
Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer, 8. A. 2005, 9. A. 2010; Von
Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorenz, S. u. a., 1995; Die Staufer im Süden,
hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer,
2000; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002; Meyer, B.,
Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König Philipp von
Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes
Jahrhundert 1125-1198, 2003; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Busch, J.,
Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Grafen,
Herzöge, Könige, hg. v. Seibert, H. u. a., 2005; Bedürftig, F., Die Staufer,
2006; Görich, K., Die Staufer, 2006; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger,
W. u. a., 2009; Verwandlungen des Stauferreichs, hg. v. Schneidmüller, B. u.
a., 2009; Die Staufer und Italien, hg. v. Wieczorek, A. u. a., 2010; Akermann,
M., Die Staufer, 2010; Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (1138-1268), hg. v.
Koch, W. u. a., 2010; Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert, hg. v.
Burkhardt, S. u. a., 2010; Die Urkunden Manfreds, bearb. v. Friedl, C., 2013
Staupenschlag
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe
des Staupenschlags, 1938
Steckbrief ist
das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende
Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der
nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.
Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht
3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004
Steiermark ist
das im 8. Jh. von Bayern besiedelte, im 12. Jh. unter den seit 1122
herrschenden Traungauern von Kärnten gelöste, 1180 zum Herzogtum (zu Steyr als
dem in Oberösterreich gelegenen Hauptort des Traungaus) erhobene und 1186/1192
durch die →Georgenberger Handfeste an die Babenberger bzw. den Herzog von
→Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (karantanische →Mark,
Gebiet an der mittleren Mur) des deutschen Reiches. 1919 fällt die südliche
Untersteiermark mit Marburg/Maribor an Jugoslawien. Das Bundesland S.
Österreichs wird von 1939 bis 1945 mit dem südlichen Burgenland zum Reichsgau
S. und steht nach Wiederherstellung bis 1955 unter Besatzung Großbritanniens.
Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das
Landeswappen der Steiermark, 1900; Steirischer Wortschatz, hg. v. Unger, T. u.
a., 1903, Neudruck 2009; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg.
v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch
die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der
direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht
und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus
den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen
Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58
(1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H.,
Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen
Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f. bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.;
Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge
zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer
Adelsfamilien, 1974; Regesten des Herzogtums Steiermark, hg. v. Härtel, R., Bd.
1f. 1976ff.; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d.
Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Karner, S., Die
Steiermark im Dritten Reich (1938-1945), 1985; Österreichisches Städtebuch. Die
Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg. v.
Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark, 2000;
Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder, D./Ableitinger,
A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im Frühmittelalter, 2004;
Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d. hist. Vereins für
Steiermark 95 (2004), 235; Heppner, H. u. a., Steiermark, 2006; NS-Herrschaft
in der Steiermark, hg. v. Halbrainer, H. u. a., 2012
Stein ist
der harte, nichtmetallische Bestandteil der Materie, der im einzelnen Stück als
Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale,
1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stein, Karl
Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn,
wird nach dem Studium des Rechtes und der Staatswissenschaft in Göttingen
preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er nach der Niederlage gegen Frankreich
die Verwaltung →Preußens (Bauernbefreiung, Fachressorts, Selbstverwaltung,
Gewerbefreiheit, Wehrpflicht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211;
Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart,
E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v.,
Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im
Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des
Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die
Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977; Duchhardt, H., Stein, 2007; Fenske, H.,
Freiherr vom Stein, 2012
Stein,
Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890)
wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der
Staatswissenschaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für
politische Ökonomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung
der Verwaltungslehre (1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt
er die Aufgabe, durch staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen
gesellschaftlichen Missstände zu beseitigen.
Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und
Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984;
Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E.,
1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur
Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005; Blasius, D., Lorenz vom Stein, 2007
Stein-Hardenbergsche Reformen →Stein, Hardenberg
Steinigung ist
die im Altertum (Judentum) und später im Islam (z. B. Iran, Afghanistan,
Nigeria, Indonesien) verbreitete Tötung eines Menschen (meist Frauen z. B.
wegen Ehebruchs) durch Bewerfen mit Steinen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906
Steinkreuz ist
das aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sichtbares
Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen Geschehens.
Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936;
Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940;
Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Steinzeit ist
die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge
aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen
beendet (Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse
aus der S. sind wegen der Unkörperlichkeit des Rechtes gering und unsicher.
Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands,
1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252;
Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit, 1999;
Altsteinzeit von A-Z, hg. v. Fiedler, L., 2010
Stellionatus (lat.
[M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht der
Straftatbestand, der als Vorläufer des →Betrugs bis in das 19. Jh. fortwirkt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967;
Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends,
O., 1978, 281
Stellvertretung (Wort 1799, Stellvertreter 1695, Vertretung) ist das
rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für eine andere
(Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das römische
Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit andere Wege,
um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. →peculium des Sklaven). Im
Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht, nach der im
Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender Kaufleute üblich
wird.
Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der
Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f.
vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der
Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der
direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius
commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423;
Hölzl, F., Savignys Lehre, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211;
Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, (in)
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich
Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Stempel ist
das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungsträgern
dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des →Siegels.
Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem
Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder
aufgegeben wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G.,
Stempelrecht, 1778
Stendal in
der Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründeteStadt. In S.
entsteht im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die (altmärkische
oder) →Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868;
Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stendaler Glosse
(altmärkische Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in →Stendal teils
deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur
zum lateinischen und mittelniederdeutschen Text des →Sachsenspiegels
(1221-1224), zur petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern
und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria
zum römischen Recht, zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel,
der Kirchenväter, klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger
Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stephanskrone (Krone Stephans I. von →Ungarn [997-1038], Länder der S. sind die
jenseits der Leitha liegenden Länder Habsburgs)
Stephanus ist ein vermutlich in Beirut im 6. Jahrhundert wirkender Rechtskundiger.
Lit.: De
Jong, H., Stephanus en zijn digestenonderwijs, 2008
Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18. 2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird
nach dem Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus,
Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai.
Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti
(Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrundeliegenden Vorläufer durch tiefere
Durchdringung des Stoffes.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum
kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349
Sterbefall ist
der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem Mittelalter
grundherrschaftliche Abgaben (z. B. →Besthaupt). Diese werden spätestens
im 19. Jh. beseitigt.→Erbschaftsteuer
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2
Sterilisation (F.) Unfruchtbarmachung, Keimfreimachung (zwischen 1933
und 1945 etwa 360000 Menschen im Deutschen Reich)
Lit.: Tümmers, H., Anerkennungskämpfe -
DIe nachgeschichte, 2011Ruckert, F., Zwangssterilisationen im Dritten Reich
1933-1945, 2012
Steuer ist
die einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine
besondere Leistung darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen
zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand
zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als
Grundsteuer (lat. [N.] stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum [N.]
capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen
Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im
Mittelalter lebt der Herrscher im Wesentlichen zunächst von den Einkünften aus
seinen Gütern, doch entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung
und dem Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. (in Frankreich z. B. im
15. Jh. durchgesetzt). In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung in den
Ländern durch →Steuerrecht stetig aus. In der Mitte des 19. Jh.s
überholen die Steuereinnahmen die sonstigen Staatseinkünfte. Insbesondere für
die Leistungsverwaltung werden zusätzliche Einnahmen durch die
Entscheidungsträger (Parlamente) zu Lasten der Betroffenen (steuerpflichtigen
Bürger) festgesetzt. Im Deutschen Reich beläuft sich 1913 der Steueraufwand
auf 2100000000 Mark (2,1 Milliarden für das Reich, 2,7 Milliarden für die
Einzelstaaten). Im 20. Jh. gelangt die Besteuerung mit Umverteilungszielen an
die zeitweise mittels Neuverschuldung zeitlich versetzten Grenzen der Belastbarkeit
der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Umsatzsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
32, 55, 83, 110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260;
Köbler, WAS; Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das
Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das
landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte
der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A.,
Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich,
ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O., Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schräder, B., Die Besteuerung
des Bauerntums in der Reichsgrafschaft Bentheim, 1941; Partsch, G., Die
Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell, S.,
Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG
GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken,
1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staatsausgabe
und öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des
naturrechtlichen Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS
H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16.
Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der
Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen
Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97
(1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979;
Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7
(1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommensbesteuerung,
1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der
preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft,
1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 1986, 3. A. 1992; Pausch,
A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit, 1989; Brown, A., The
Governance of Late Medieval England, 1989; Schomburg, W., Lexikon der deutschen
Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte Steuerprogression, 1992;
Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern, Abgaben und
Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen,
1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., „Ohne Steuer
kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend, A.,
Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage zu
verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der
konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische Steuerrektifikation,
1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg,
M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die
württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer
von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des
Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer-
und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann,
H., Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005;
Johann, U., Die Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983
bis 1998, 2006; Kersting, G., Steuerwiderstand und Steuerkultur. Der Kampf
gegen das Umgeld im Königreich Württemberg (1819-1871), 2006; Günther, S.,
Vectigalia nervos esse rei publicae, 2008; Baßler, J., Steuerliche
Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2012
Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der →Landstände zur
Steuererhebung durch den Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
Steuerrecht ist
die Gesamtheit der die →Steuer betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem
Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden
Rechtssätze des →Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der
Steuerlast zunehmende Bedeutung.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld
und Strafe, 1997
Steward →Stuart
Steyr →Landlauf
von Steyr
Stiernhöök,
Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig,
Jena, Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in
Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des schwedischen, nicht von der
Rezeption erfassten Rechtes (De iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der
Schweden und Göten).
Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto,
1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4
(1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996
Stift ist
das Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht im
Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es Verbandsperson.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K.,
Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von
Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum
weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die
reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W.,
Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v.
Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u.
a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in
Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Obermair, H. u. a., 2006; Stift und Wirtschaft,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2007; Adelige Damenstifte Oberschwabens in der frühen
Neuzeit, hg. v. Schiersner, D. u. a., 2011
Stiftung (Wort um 950 belegt) ist die Widmung
von Vermögen zu einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft. Sie ist bereits
dem römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die Kirche die
mildtätige S. Aufklärung und Säkularisation stehen der S. feindlich gegenüber.
Als juristische Person wird die bis dahin meist nur als unselbständiger Anhang
einer Körperschaft (z. B. Kirche, Gemeinde) angesehene S. im 19. Jh. anerkannt
(Heise, G. A., Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, 2. A. 1816,
23). In das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 findet sie nur zögernd
Eingang. (1881 eine Vorschrift, 1900 neun). Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S.
eine Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große
Vermögen (z. B. dürfen seit 2006 in der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw.
Gewinns als Spenden steuersparend geltend gemacht werden). Als älteste noch
bestehende deutsche Stiftung gilt der in Lüneburg 1127 errichtete Hospitalfonds
Sankt Bendikt (evangelisches Stift in Sankt Goar zwar vielleicht in einem
Vorläufer 765 errichtet, aber um 1525 aufgelöst, Hospitalstiftung in Wemding
nicht 917, sondern erst 1371 gegründet).
Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H.,
Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und
Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die
Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipzig 1938; Pleimes, D.,
Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im
Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts,
1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79
(1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des Stiftungsrechts
1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f., hg. v. Berndl,
H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972;
Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und
Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung 1584-1984, ZRG GA 103
(1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA 105 (1988),
71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988;
Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche
Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte
des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien,
(in) Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R.,
Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und
Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten,
hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Lusiardi, R., Stiftung und städtische
Gesellschaft, 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002;
Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L.,
Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht,
2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht,
2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen,
2004; Scheller, B., Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen Jakob Fuggers,
2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, hg. v.
Borgolte, M., 2005; Schwarz, R., Das Stiftungswesen in der sowjetischen Besatzungszone
und in der Deutschen Demokratischen Republik, 2008; Kästner, K./Couzinet, D.,
Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen staatlichen Rechts des 19.
Jahrhunderts, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009; Islamische
Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer Praxis, hg. v. Meier, A. u.
a., 2009; Borgolte, M., Stiftungen, (in) Stiftungen 3 (2009), 9; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Hahn,
P., Die Stiftungssatzung, 2010; Lohse, T., Die Dauer der Stiftung, 2011;
Werner, M., Stiftungsstadt und Bürgertum, 2011; Impekoven, H., Die Alexander
von Humboldt-Stiftung, 2011; Borgolte, M., Stiftung und Memoria. 2012 (Aufsätze);
Moddelmog, C., Königliche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel,
2012
Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige Mitwirkung.
Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft. Sie findet
sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch
(1861) wird die s. G. von der →Kommanditgesellschaft geschieden.
Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts,
1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft
im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999
stillschweigend (Adj.) ohne ausdrückliche Willenserklärung erfolgend, gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich
geltend (z. B. Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters)
stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976
Stimmrecht ist
das Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es
gewinnt insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung.
Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971
Stintzing,
Roderich von (Altona 8. 2. 1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854
ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach
langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum
100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312
stipendium (lat.
[N.]) Steuer, Grundsteuer, Unterstützung
Lit.: Köbler, DRG 32; Adam, T., Stipendienstiftungen und
der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800 bis 1960, 2008 (in
Preußen 1885 für 21 Prozent der Studierenden Zuwendungen verfügbar);
Stipendienstiftungen und Stipendiaten, hg. v. Merkel, G., 2008
Stipulatio (lat.
[F.]) ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es
stellt eines der wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht
der eine ein (mündliches, formgebundenes) Angebot (lat. centum mihi dari
spondesne [versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere
zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig (z. B. für ein Schenkungsversprechen,
die Haftung bei Verkauf oder eine Zinsabrede) verwendbare, einseitig verpflichtende
S. ist im klassischen römischen Recht →Verbalkontrakt (mit der actio ex
stipulatu einklagbar). Zu Gunsten eines Dritten ist die S. ausgeschlossen (lat.
alteri stipulari nemo potest, für einen Dritten kann niemand versprechen). Bei
der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird der besondere
Wortformalismus nicht übernommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch
der Pandekten).
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II,
33 I, IV, 38 II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien
zur Deutung von stipulatio in mittelalterlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881),
115; Wolf, J., Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der
Stipulationsklausel, 1964; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechtes im
Frühmittelalter (in) Cinquante anni della Corte costituzionale della Repubblica
italiana, 2006, 1751; Finkenauer, T., Stipulation und Geschäftsgrundlage, ZRG
RA 127 (2010), 305; Finkenauer, T., Vererblichkeit und Drittwirkung der
Stipulation im klassischen römischen Recht, 2010; Berg, S., Die Stipulation in
der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2009
Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.) geschaffene,
den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich durchsetzbaren Rechte
des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende Stipulation
(Ausgleichsquittung).
Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F.,
Stipulatio Aquiliana, 1972
stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das Doppelte (des Kaufpreises), falls die
verkaufte und dem Käufer übergebene Sache von einem besser Berechtigten
herausverlangt wird (teilweise fingiert)
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46
Stipulation (Versprechen)
→stipulatio
Stobbe,
Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem
Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in Königsberg, Leipzig und
Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg außerordentlicher
Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau, 1872 in Leipzig. Er
veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen Rechtsquellen (Neudruck 1965)
und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.
Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002
Stock (M.)
Gefängnis, Pranger
Stockholm am
Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh.
erhält es eine 1960 verfestigte Universität.
Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988; Ullrich,
S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im
Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter vor allem in Süddeutschland
seit dem 12. Jh., in Tirol seit dem 15. Jh. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird S,
zurückgedrängt. Am Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung als rechtlich unmöglich
(lat. superficies solo cedit, der obere Teil weicht dem Grund) ausgeschlossen
(Österreich 1879, deutsches Reich 1900, Schweiz 1907/1911). In der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.
Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über
Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das
Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89;
Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling,
1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in
Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum,
ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in
Bayern, ZRG 116 (1999), 384; Kohl, G., Stockwerkseigentum 2007
Stolgebühr ist
die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine
kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung, Begräbnis).
Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale
Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Stölzel,
Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887
Honorarprofessor. 1872 legt er eine Untersuchung über die Entwicklung des
gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über
die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.
Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919),
393
Störer (Wort 1312, Störung
1190) ist der durch ein Verhalten oder einen Zustand andere Störende oder in
ihren Rechten Beeinträchtigende.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Stracca,
Benvenuto (Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de
mercatura seu mercatore (Abhandlung vom Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung
des Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste wissenschaftliche Darstellung
des →Handelsrechts ist.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2.
A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977
Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh. nach englischen Vorläufern
(1778 Strafkolonien in Australien) nach amerikanischem Vorbild (Massachusetts
1869, England 1887, Belgien 1888, Frankreich 1891, bedingte Begnadigung Sachsen
1895) eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer →Freiheitsstrafe
unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut
straffällig wird (Deutschland Reichsjugendgerichtsgesetz 1923, allgemein
Bundesrepublik Deutschland 1953).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
236
Strafbefehl (Wort zuerst in Hannover) ist die Entscheidung des
Gerichts im besonderen Strafbefehlsverfahren der Strafprozessordnung (§§
407-412 StPO). Dem Strafbefehlsverfahren fehlen die in Preußen 1846 eingeführten
Grundsätze der Mündlichkeit, der Öffentlichkeit und des rechtlichen Gehörs
weitgehend, so dass es insofern den älteren Inquisitionsprozess fortführt. Seine
Bedeutung ist seit 1846 vor allem auch unter Kostengesichtspunkten stetig
gewachsen.
Lit.: Elobied, T., Die Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens
von 1846 bis in die Gegenwart, 2010
Strafe ist
das dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht
entschädigende Übel. Im altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend
mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen
Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen
Fällen (Landesverrat, Magistratsverletzung) mit einer öffentlichen Strafe
(Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt.
Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung
allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung,
Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern
47 und 48 der →Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist
zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im
Frühmittelalter überwiegt das →Kompositionensystem. Erst seit dem 11.
Jh. erscheint die S. (wieder allgemeiner) in →Landfrieden, setzt sich
dann aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld
ablösbar. Bereits vor dem 12. Jh. sind auch Ansätze eines kirchlichen
Strafrechts erkennbar, die aber erst durch die an das den Gegenstand noch an
verschiedenen Stellen behandelnde Decretum Gratians (um 1140) anschließende
Kanonistik (Bernhard von Pavia [† 1213], Compilatio prima Buch 5 de criminibus
et poenis, Liber Extra Gregors IX. [um 1167-1241] - de poenis) systematisch
ausgebaut werden, so dass etwa ab 1150 allmählich kirchliche Buße und
kirchliche Strafe getrennt werden. Thomas von Aquin legt in seiner auf
Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf die Sündenstrafe fest und
trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden Maßnahmen mit anderen Zielen,
wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen einer freiwilligen Sünde durch
ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere ausführliche Regelung bringt
die →Constitutio Criminalis Carolina (1532). Danach stehen Todesstrafen
und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch die →Freiheitsstrafe
schon auf. Für sie entwickelt sich seit dem 16. Jh. der Erziehungsgedanke (→Zuchthaus).
Wohl aus der spanischen Inquisition und der spanischen Spätscholastik (Alfonso
de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende Vorstellung des an den
Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur Folge hat, dass
schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre Unverzichtbarkeit
für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen Präventionsrecht neben dem
eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit). Das
Strafgesetzbuch Josephs II. für Österreich (Allgemeines Gesetzbuch über
Verbrechen und deren Bestrafung, 1787, Josephina) verbietet dem Richter
Auslegung und Analogie (lat. nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz). Im
19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund gerückt
(→Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden überdacht und
im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende →Geldstrafe
ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87,
91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der
italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Binding, K., Die Entstehung der
öffentlichen Strafe im germanisch-deutschen Recht, 1908 (Rede), e-book 2013Amira,
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Passano, M., 2006; Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v.
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Strafrecht in den antiken Welten, hg. v. Rollinger, R. u. a., 2012; Maiholde,
H., Die Bildnis- und Leichnamsstrafen im Kontext der Lehre von den crimina
excerpta, ZRG GA 130 (2013), 78
Strafgesetz ist das Strafe betreffende Gesetz (z. B. [Constitutio criminalis
Bambergensis 1507, Constitutio criminalis Carolina 1532, Constitutio criminalis
Theresiana 1768, Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und deren Bestrafung
Josephs II. für die habsburgischen Erbländer 1787,] S. über Verbrechen und
schwere Polizeiübertretungen Österreichs vom 3. 9. 1803, Anlage zum
kaiserlichen Patent vom 3. 9. 1803, JGS 626, S. über Verbrechen, Vergehen und
Übertretungen Österreichs von 1852, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 27. 5.
1852).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StrafgesetzbuchOesterreich1852.htm
Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht
und Strafverfahren wie z. B. (den Halsgerichtsordnungen,) der Constitutio
Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance sur le fait de la justice von
Villers-Cotterêts von 1539 in Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen vom
5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden folgende,) das →Strafrecht
kodifizierende Gesetzbuch (z. B. bayerischer Codex iuris criminalis 1751, Constitutio
Criminalis Theresiana 1768, Constitutio Criminalis Josephina = Josefinisches
Strafgesetzbuch 1787, Frankreich Code pénal 1791, 1795, preußisches Allgemeines
Landrecht 1794, Westgalizisches S. 1796, Österreich 1803, Allgemeines
Kriminalrecht für die preußischen Staaten 1805, Code pénal 1810, Bayern 1813,
Oldenburg 1814, Sachsen Criminalgesetzbuch 1838, Württemberg 1839,
Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840, Sachsen-Altenburg 1841,
Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen 1844,
Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [,
Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, 1868 revidiert, Deutsches Reich
1871 unter maßgeblichem Einfluss Preußens und geringem Einfluss Sachsens). Das
Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches wird nach zahlreichen Reformsvorschlägen
(u. a. Entwurf Gustav Radbruchs von 1922) 1969 in seinem allge-meinen Teil
verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die
Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden
die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität
erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität. In Österreich
wird das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom
3. September 1803, neue Ausgabe zum 1. 9. 1852, durch das Bundesgesetz vom 23.
1. 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen
(Strafgesetzbuch) ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229;
Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner,
A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger,
T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei
großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G.,
Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der
Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle
der Kommision für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v.
Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen
Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert,
W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und
Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a., Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die
Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Goltsche, F., Der
Entwurf eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches von 1922 (Entwurf
Radbruch), 2010; StGB Historisch-synoptische Edition. 1871-2009, Bd. 1ff. 2010;
Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2013
Strafklage ist die auf Verurteilung zu einer Strafe gerichtete Klage.
Lit.: Guthke, T., Die
Herausbildung der Strafklage, 2009
Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen
Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt. In Großbritannien liegt sie noch
bei 10 Jahren.
Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die
Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992
Strafprozess ist
das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen einer Straftat und die
dafür zu verhängende Strafe verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im
altrömischen Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten
Prozess in den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese
Unterscheidung im 12. Jh. erneut aufgegriffen, wobei Frankreich auf
kirchlichen Wurzeln dem Heiligen römischen Reich voranzugehen scheint und
beispielsweise Johann von Buch (um 1290-nach 1356) die Teilung der Klagen in
peinliche, bürgerliche und gemischte aufgreift. Dabei stehen →Akkusationsprozess
und →Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen
Untersuchung samt →Folter gekennzeichnete, mehr und mehr vorherrschende
Inquisitionsprozess mit seinem →endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung
bekämpft und zu Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches
Verfahren ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem
Untersuchung (→Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind.
In Österreich wird dieser S. 1850 (bis 1853) und 1873 aufgenommen (Reform
2008).
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20,
34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure
criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina,
Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de
Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in
Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische
Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat
und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen
Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E.,
Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Amrhein, F., Die Entwicklung des
hessischen Strafprozessrechts im 18. und 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg
1955 (masch. schr.); Schmidt, E., Deutsches Strafprozessrecht, 1967;
Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Quellen
zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd.
1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239;
Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (1903-1905), hg. v.
Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert, W., Borgerlike,
pinlike und misschede klage, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen,
R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische
Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Friedländer, H., Interessante
Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches
Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und
Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer
Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A.,
Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The
Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk
von 1816, 2002; Die Quellen sprechen lassen, hg. v. Emberger, G. u. a., 2009;
Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 4 (2009), 466ff. (Strafprozessrecht
- 130 Jahre Strafprozessordnung); Savigny, F., Die Prinzipienfragen in Beziehung
auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, hg. v. Schubert, W., 2011
Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende
Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die →Constitutio Criminalis
Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess
beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code
d’instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich
1850/1853/23. 5. 1873 [RGBl. 1873, 119], Strafprozessordnung des Deutschen
Reiches 1877/1879).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264;
Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991;
Protokolle der Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des
Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung,
1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kleinheyer, H.,
Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung
und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989;
Bottenberg, F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998
Strafprozessrecht →Strafprozess, Strafprozessordnung
Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.
Strafrecht ist
die Gesamtheit der Straftatbestände mit →Strafe bzw. Strafandrohungen
verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der
Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich.
Vermutlich früh werden aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Digesten,
Landfriede). Eine erste Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der →Digesten,
im Spätmittelalter die Halsgerichtsordnungen, vor allem die →Constitutio
Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend von der allmählichen
Unterscheidung von Buße und Strafe (Ansätze eines kirchlichen Strafrechts
vielleicht schon vor dem 12. Jh., systematischer Ausbau seit dem Decretum
Gratians [um 1140]) und der kirchlichen Beichte, die spanische Spätscholastik
und Naturrechtslehre des 16. Jh.s mit zunächst moraltheologischen Begriffen die
Individualisierung, Subjektivierung und Psychologisierung des Strafrechts,
welche die Kriminalpsychologie seit dem ausgehenden 18. Jh. mit säkularisierten
Begriffen und empirischer Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden
besondere Strafgesetzbücher geschaffen (z. B. Frankreich 1810, Bayern 1813
Feuerbach, Sachsen 1838 Criminalgesetzbuch, 1855 Strafgesetzbuch, 1868
revidiert), in denen teilweise harte Strafen abgeschafft, präventive
Strafzwecke anerkannt und psychologische Befragung und richterliche Ermessensspielräume
eröffnet werden. Zu dieser Zeit wird bereits ein allgemeiner Teil des
Strafrechts entwickelt, der die allgemeinen Bestandteile einer Straftat
festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich weiter um ein
rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch). Die rechtstatsächliche
Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jh. einsetzenden
Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß.
Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10,
17; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F.
(1441-1520), Corte instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J.,
1995 (erste umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts
nördlich der Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960;
Liszt, F., Das deutsche Reichsstrafrecht, 1881, Lehrbuch des deutschen
Strafrechts 1884, 26. A. 1932 (Schmidt, E.); Günther, L., Die Idee der
Wiedervergeltung, 1889; Stephen, J., A history of the criminal law of England,
Bd. 1ff. 1883, Neudruck 1964; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels,
1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f.
1907ff.; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, Neudruck 1958; Stahm, G., Das
Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der freien Reichsstadt
Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Geschichte des deutschen
Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom
Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im
ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937;
Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen
Rechtes auf das weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung
des Volkes von der Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen
stedelijk strafrecht, 1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels,
Diss. jur. Tübingen 1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der
strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schaffstein, F., Die europäische
Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Caenegem, R.,
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Punishment in the Middle Ages and Early modern Age, 2012 (E-Book); Hagan, J.,
Who are the Criminals?, 2012; Heller, K., The Nurenberg Military Tribunals and
the Origins of International Criminal Law. 2012; Franke, E., Von Schelmen,
Schlägern, Schimpf und Schande, 2012; Bitter, A. v., Das Strafrecht des
preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 2013; Tat ohne Täter, hg. v.
Stiegler, B., 2013
Straftheorie ist
die Überlegung über den →Strafzweck.
Lit.: Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck
1958
Strafurteil
Lit.: Hülle, W., Das
rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965
Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.
Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993),
1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Strafverfahren →Strafprozess
Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235,
263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der
Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und
Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L.,
Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in
deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05
Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im Strafprozess. →Verteidiger
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg
im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König,
S., Vom Dienst am Recht, 1987
Strafvollzug ist
die Vollstreckung der →Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter
durch den Richter und den →Henker oder →Scharfrichter als seinen
Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das besondere →Zuchthaus
eingerichtet. Im 19. Jh. werden zunächst zwecks Verwaltungsvereinfachung besondere
Strafanstalten für Frauen errichtet, wobei Frauen insgesamt nur etwa 5
Prozent der Straftäter ausmachen. Im 20. Jh. wird der S., ausgenommen die
nationalsozialistische Zeit, in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund
50000) bis 1944 auf rund 200000 steigt, mehr und mehr verrechtlicht
(Deutschland 16. 3. 1976).
Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen, hg.
v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton
Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im
Jahre 1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988;
Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale
Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer
Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in
Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002; Strafvollzug
und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk der
Gefängnisfreunde, 2005; Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der
politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale
e. V., 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte,
Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.; Leukel, S., Strafanstalt und
Geschlecht, 2010; Krüger, J., Systeme und Konzepte des progressiven
Strafvollzugs, 2011; Friederich, M., John Howard und die Strafvollzugsreformen
in Süddeutschland, 2013; Schreiter, F., Strafanstalt Waldheim, 2014
Strafzweck ist
der von der →Strafe verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung
und Unschädlichmachung die hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für →Kant
im 18. Jh. (1797) und →Binding im 19. Jh. bildet allein die Straftat, deren
Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe
(absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien das
Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es
dabei um die Abschreckung des Straftäters (→Spezialprävention, v. →Grolman
1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (→neralprävention,
→Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von →Liszt (1851-1919, Marburger
Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen,
weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unterschieden werden soll.
Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten,
verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die
Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt
werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring,
W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung
des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich
1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges.
StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999; Bastelberger, M.,
Die Legitimität des Strafrechts und der moralische Staat, 2006; Stübinger, S.,
Das idealisierte Strafrecht, 2008; Strafzweck und Strafform, hg. v. Schulze, R.
u. a., 2008
Stralsund ist
die der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt →lübischen Rechtes
(1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.
Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319
bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58
(1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der
Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.;
Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund,
2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116
(1999); Berwinkel, R., Weltliche Macht und geistlicher Anspruch, 2008; Brunner,
D., Stralsund, 2010
Strandrecht ist
das Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe
der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874 Strandungsordnung).
Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des
Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die
Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V.,
Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955
Straßburg am
Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches Argentorate gegründet, ist seit
dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die
seit 1621 Sitz einer Universität (1792/1793 vorübergehend aufgelöst). 1681
wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871
bis 1918 Teil des Deutschen Reiches und wird auch während des zweiten
Weltkriegs vom Deutschen Reich besetzt und verwaltet (1941 Reichsuniversität
mit Dulckeit, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Schaffstein, Nikisch, Adalbert Erler, Rufablehnung
Wieackers).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in
Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfassung des Territoriums der Bischöfe
von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935;
Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R., 1941;
Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I., Der
königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das
Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967;
Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u.
a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung,
1999; Egawa, Y., Stadtherrschaft und Gemeinde, 2007; Schlüter, B.,
Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die Kaiser-Wilhelms-Universität
Straßburg 1872-1902, 2006; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als
Geschichte administrativer Praxis, 2011; Sauerbrey, A., Die Straßburger Klöster
im 16. Jahrhundert, 2012
Straße ist
der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römischen
Altertum besteht ein vielfach mittels großer Steinblöcke gepflastertes,
natürliche Geländehindernisse überwindendes hervorragendes Straßensystem
mit einer Länge von rund 85000 Kilometern (z. B. Via Appia, Via Claudia, Via
Nova Traiana, Via Domitia). Nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr. bzw. dem
Tode Theoderichs des Großen 526 n. Chr.) verfällt es mangels ausreichender
Pflege. Natürliche Hindernisse werden danach eher umgangen. Im Mittelalter
erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im 13./14. Jh.
Als Bezeichnung einzelner Straßen in Orten setzt sich oberdeutsch gasse,
niederdeutsch strate durch, doch wird seit dem 19. Jh. Gasse weitgehend durch
Straße ersetzt. Im absolutistischen Frankreich beginnt der Bau geplanter
Chausseen, dem im Heiligen römischen Reich nach 1712 gefolgt wird. Seit dem
letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum systematischen Straßenbau
mit Überwachung und Reparatur über. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht
seit dem 19. Jh. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt, Bitumen und Beton
den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab
1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren
gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht 1896, preußische
Radfahrordnung 1899, Allgemeine [deutsche] Straßenverkehrsordnung 1926).
In Deutschland gibt es (2001) 396345 verschiedene Staßennamen, wobei von 1,2
Millionen Straßen 7630 Hauptstraße, 6988 Dorfstraße, 4979 Bahnhofstraße, 2248
Schillerstraße und 2172 Goethestraße heißen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, E., Zum
deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA
23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich
Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung
der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay,
M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg.
v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der
Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, G., 2001; Rathmann, M.,
Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium
Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R.,
2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht
um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht, 2007; Straßen-
und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R., 2007; Heuser,
R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten, 2008; Die Welt der
europäischen Straßen, hg. v. Szabo, T., 2009; Riedi, B., Die Porten der Unteren
Straße, 2009; Klee, M., Lebensadern des Imperiumns, 2010; Die moderne Straße,
hg. v. Dienel, H u. a., 2010; Esch, A., Zwischen Antike und Mittelalter. Der
Verfall des römischen Straßensystems in Mittelitalien, 2011
Straubing
Lit.: Fraundorfer, W., Straubing,
1974; Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in
Straubing, 1999; Retzer, M., Das Patriziergeschlecht der Zeller von
Straubing, 2007
Streik ist
die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete
Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S.
erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790
und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus
im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen
(Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe
in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und
Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v.
Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985;
Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18.
Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H.,
Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005
Streitbefestigung →litis contestatio
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202
Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf
einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von
dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.
Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen
Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973
stricti iuris
(lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für den Richter
Lit.: Köbler, DRG 42, 62
Stromregal ist
im Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158).
Es geht rasch auf die Landesherren über.
Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die
Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949
strudis (lat.-afrk.
[F.]) Zwangsvollstreckung
Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912
Struve,
Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn,
wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena
und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in
Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen Rechtes in Jena und
Präsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) →Iurisprudentia
(F.) romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft,
mit unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete
Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der
landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae
secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der
Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung
des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechtes in vier
Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht).
Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani,
1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,
Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als
Zivilrechtler, 2003
Stryk,
Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710), Amtmannssohn, wird
nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in Wittenberg (Ziegler)
und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher Professor in
Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder,
1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar
mit dem die zeitgenössische Haltung (als usus modernuns pandectarum)
kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni pandectarum (Beispiel
des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er das römische Recht
mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.
Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus
petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991
Stuart ist
das aus der Bretagne kommende, im 11. Jh. erscheinende schottische Geschlecht
(Steward, →Seneschall), das 1371 das Königtum in →Schottland
erlangt und 1603 den Tudors in →England nachfolgt. Die 1688/9 gestürzte
Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen Königsherrschaft aus,
besteht aber in Nebenlinien fort.
Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die
Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Duchein, M., Les
dernier Stuarts, 2006
Stück (Wort bereits für das Germanische zu erschließen) ist der einzelne abgegrenzte
Gegenstand einer Gattung.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Stückschuld (Speziesschuld) ist die auf ein einzelnes Stück bezogene Schuld (im Gegensatz
zur Gattungsschuld bzw. Genusschuld), bei welcher der Schuldner bei durch Zufall
verursachter Unmöglichkeit von seiner Verpflichtung frei wird.
Student ist der junge Mensch während des →Studiums.
Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft,
1999
Studium ist
die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende
Ausbildung der Studenten an →Universitäten, deren Dauer bereits an den
spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. Im Mittelalter beginnt das
Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist tatsächlich nach
einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Ein eigentliches
Berufsbild des Juristen gibt es bis in das 15. Jahrhundert nicht und bei der
Besetzung führender Stellen sind persönliche und ständische Beziehungen noch
wichtiger als ein Studium, doch verbessert das Rechtsstudium für Studierende
aus einfacheren Verhältnissen bereits die Wahrscheinlichkeit des späteren
Erwerbs einer Pfründe oder einer Anstellung. Im 16. Jh. kann nach einem
Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat erworben werden,
während die eigentliche Abschlussprüfung im Lizentiat besteht, dem der
kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich zehn Studienjahren)
folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen treten ihnen im 18.
Jh. staatliche Aufnahmeprüfungen (seit 1846 mit Professoren und Praktikern als
Prüfern) für eine praktische Ausbildung im Staatsdienst zur Seite (in Preußen
1849/1851 erstmals eine einheitliche Regelung für die – dreiphasige -
Ausbildung von Richtern, Staaatsanwälten und Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsgesetz),
die allmählich die Universitätsprüfungen (Promotionen) für die berufliche
Tätigkeit bedeutungslos werden lassen. Im ausgehenden 20. Jh. wird in
Deutschland an einzelnen Universitäten ohne größeren Erfolg eine einstufige
Juristenausbildung versucht. Nach deren Einstellung wird ein Teil der (ersten)
Staatsprüfung in die Universität verlagert und dort deutlich besser bewertet. →Jurist
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Köbler, G., Zur
Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768;
Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974;
Dokumente zur Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanismus im Bildungswesen, hg.
v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H.,
Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der
Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R.,
Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in
den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der
juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike,
JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Kühn, U., Die Reform
des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen, 2000; Bäumer,
M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium, 2008;
Siebe, D., Germania docet, 2009 (16566 Studierende aus 5 Universitäten
einbezogen); Feistl, M., Eigentumsverhältnisse an Corpshäusern, 2010
Stuhl ist
die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kennzeichen
des Richters.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Stuhlweißenburg (Székesfehervar) ist eine im 11. Jahrhundert erstmals erwähnte, im 18.
Jahrhundert überwiegend deutschsprachige Stadt in Ungarn, deren Recht
insbesondere im sog. Diploma Leopoldinum vom 23. 10. 1703 greifbar ist.
Lit.:
Pavlakovich-Mosonyi, M., Das Stadtrecht von Stuhlweißenburg, Diss. jur.
Mannheim 2000
Stundung ist
die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche Hinausschiebung der →Fälligkeit
einer →Forderung.
Lit.: Kaser § 38 III 1
stuprum (lat.
[N.]) Unzucht
Lit.: Köbler, DRG 35
Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der →Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa
700000 Mitgliedern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Stuttgart in Württemberg ist von 1781 bis 1794 Sitz
einer Universität.
Lit.: Uhland, R., Geschichte der
hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953
Stutz,
Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach dem Rechtsstudium in
Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895
außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg
im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation
entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen
Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich für eine besondere
kirchliche Rechtsgeschichte ein.
Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII
Stüve, Johann Carl Bertram
Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v.
Vogel, W., 1959
Suárez,
Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca
Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und Theologie. In einzelnen
Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit Rechtsfragen, wobei er Gott
als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) naturae
(Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht) beeinflusst Hugo →Grotius.
Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des
Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras,
1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005
Subinfeudation (F.) Unterbelehnung
Subjektives Recht
ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im Gegensatz zum
objektiven →Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es
am Ende des 18. Jh.s (→Glück). Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft.
Das subjektive öffentliche Recht ist das (einklagbare) subjektive Recht
innerhalb des öffentlichen Rechtes, das Carl Friedrich Gerber (Über öffentliche
Rechte, 1852) herausarbeitet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das
subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, P., Das subjektive
Recht in der gliedschaftlichen Bindung, 1968; Nörr, K., Zur Frage des
subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange,
1992, 193
subpignus (lat.
[N.]) Unterpfand
Lit.: Kaser § 31 III 2a
subreptio (lat.
[F.]) Erschleichung durch Verschweigung
subsidium (lat.
[N.]) Unterstützung, Hilfsleistung
Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506,
bearb. v. Bünz, E., 2004
Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen Soziallehre (1931)
besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen (höheren)
Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren (sachnäheren) Aufgabenträger. Die S.
ist im Grundsatz aufgenommen im Grundgesetz Deutschlands (Art. 23 GG) und in
der Europäischen Union.
Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953;
Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969;
Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und
politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle,
P. u. a., 2002
Substanz (F.) selbständig Seiendes, Stoff
Substitution (F.)
Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben, vgl. die §§ 604ff. ABGB)
Subsumtion (Darunternahme) ist die durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit
(oder Ablehnung der Gleichheit) erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines
einzelnen besonderen Sachverhalts zu einem einzelnen allgemeinen Tatbestand
eines Rechtssatzes (z. B. die Tötung John F. Kennedys ist [nach deutschem
Recht] ein einzelner Fall des Mordes). Sie wird im ausgehenden 18. Jh. als solche
im Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen logischen
Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu dem Sachverhalt im
Mittelpunkt der Rechtsanwendung.
Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Subsumtion, hg. v. Gabriel, G. u. a., 2012
Sudetenland ist
seit 1912 die Bezeichnung für das Siedlungsgebiet der überwiegend
deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens, Deutsch-Böhmens und Österreichisch-Schlesiens.
Im Oktober 1918 rufen die Bewohner der nördlichen Gebiete die
deutsch-österreichische Provinz S. aus und treten im November 1918 der Republik
Deutschösterreich bei, doch erklärt der Friedensvertrag von Saint Germain den
Beitritt als unwirksam und gliedert das Gebiet der Tschechoslowakei ein. Am 29.
9. 1938 wird das S. im Münchener Abkommen von der →Tschechoslowakei an
das Deutsche Reich abgetreten (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen
Einwohner). 1945 kommt es unter Vertreibung der Deutschen an die →Tschechoslowakei
zurück. Das Wort sudetendeutsch wird anscheinend erstmals 1903 von dem
Politiker Franz Jesser (1869-1954) verwendet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der
Elbogener Kreis, 1935; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 1987, 3. A. 1997; Sudetendeutsches
Wörterbuch, bearb. v. Englisch, E. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.; Franzel, E.,
Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann,
V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung der
Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., Bd. 1f. 2000ff.; Hundert Jahre
sudetendeutsche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg.v.
Hahn, H., 2007; Brandes, D., Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2008;
Anders, F., Strafjustiz im Sudetengau 1938-1945, 2008; Helden der Hoffnung, hg.
v. Wagnerová, A., 2008; Brandes, D. Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2.
A. 2010; Oberkofler, G., Ludwig Spiegel und Kleo Pleyer, 2012
Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas. →Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien,
Mazedonien, Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern
Lit.: Klebel, E.,
Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische
Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v.
Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U.,
2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004;
Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004;
Politische Kultur in Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006
Südtirol ist
der südlich des Alpenhauptkamms gelegene Teil →Tirols, den durch den
Friedensvertrag von Saint Germain (10. 9. 1919) 1919 →Italien als Lohn
für seinen 1915 erfolgten Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der
alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912, Londoner Geheimabkommen vom 26.
4. 1915) erhält (1918 3 Prozent der Bevölkerung italienischsprachig, 93
Prozent deutschsprachig, 4 Prozent Ladiner). S. wird nach der Machtübernahme
der Faschisten in Italien am 28. 10. 1922 intensiv italienisiert (Italienisch
als einzige Amtssprache, Übersetzung der Namen, Verbot deutschsprachigen
Unterrichts, Auflösung von Verbänden und Vereinen, Ansiedlung von Italienern
vor allem aus Süditalien, von Adolf Hitler gebilligt, 90 Prozent der
staatlichen Stellen mit Italienischsprachlern besetzt). 1930 bekräftigt
Österreich (BGBl. Nr. 201/1930) in einem Vertrag mit Italien die Ansicht, dass
die Südtirolfrage eine innere Angelegenheit Italiens sei. Am 23. 6. 1939 wird
zwischen dem Deutschen Reich und Italien ein Optionsabkommen unterzeichnet, nach
dem die für das Deutsche Reich optierenden Bewohner in das Deutsche Reich
(geschlossen) ausgesiedelt werden sollen. Danach entscheiden sich von 246036
Abstimmungsberechtigten 211799 für die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa 75000
Südtiroler werden tatsächlich ausgesiedelt, wovon etwa 21000-22000 bis 1952
wieder zruückkehren (rund 156000 Optanten wandern nie ab). 1943 wird Benito
Mussolini in Italien gestürzt. Am 11. 9. 1945 beschließt die alliierte Außenministerkonferenz
in London, dass die Grenze zwischen dem im zweiten Weltkrieg unterlegenen Italien
und Österreich grundsätzlich nicht geändert werden soll. Nach 1945 erhält S. auf
internationalen Druck (Gruber-Degasperi-Abkommen bzw. Pariser ABkommen 5. 9. 1946,
Pariser Friedensvertrag der Alliierten mit Italien vom 5. 9. 1946, 16. 9. 1947
in Kraft) beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. bzw. 31. 1. bzw. 26.
2. 1948 [italienische Mehrheit durch Zusammenfügung mit der Provinz Trient zur
Region Trentino-Alto Adige], nach Kundgebungen, Resolutionen der Vereinten
Nationen von 1960 und 1961,sowie Attentaten [11./12. 6. 1961] verbessertes Südtirolpaket
[Paketabschluss 22. 11. 1969] 1971, 20. 1. 1972 zweites Autonomiestatut in
Kraft, autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent
Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen,
trotz amtlicher Zweisprachigkeit finden nur etwa 25 Prozent der
Gerichtsverfahren in deutscher Sprache statt, 11. 6. 1992 Streitbeilegungserklärung
vor den Vereinten Nationen, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung
der nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit,
39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei
Italien aus, 2001 69,15 deutschsprachig, 26,47 italienischsprachig, 4,37
ladinischsprachig, verschiedentlich wird eine zusätzliche österreichische
Staatsbürgerschaft für deutsche Südtiroler gefordert).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220,
223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche
Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907),
311; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Steininger, R., Los von
Rom?, 1987; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R.,
Südtirol, 1988; Zeller, K., Volkszählung und Sprachgruppenzugehörigkeit, 1991;
Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten,
1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R.,
Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik,
koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder,
M., Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von
großen und kleinen Übeltätern, 2005; Akten zur Südtirolpolitik 1959-1969, hg.
v. Steininger, R., Bd. 1ff. 2005ff.; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die
Südtirolfrage 1918-1958, 2006; Brunner, V./Ladurner, T./Zeller, K.,
Volkszählung in Südtirol, 2007; Fontana, J., Unbehagem - Südtirol unter der
Militärverwaltung 4. November 1918-31. Juli 1919, 2009; Golowitsch, H., Für die
Heimat kein Opfer zu schwer, 2009; Fontana, J., Südtirol unter der Zivilverwaltung
1. August 1919-28. Oktober 1922, 2010; Kofler, A. u. a., Bauernleben in
Südtirol, 2. A. 2010; Molling, H., So planten wir die Feuernacht, 2011; Akten
zur Südtirol-Politik 1945-1958, hg. v. Gehler, M., Bd. 1ff. 2012
Suebe ist der Angehörige des elbgermanischen, in
der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes.
Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte
und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das
Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller,
E./Laitenberger, H.,1998
Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)
Sühne ist
ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch
das →Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zum
17. Jh. reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen
sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als
Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle,
F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der
Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt
am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA
122 (2005), 113
Sui heredes
(M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind
alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei werden.
Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I;
Köbler, DRG 23
sui iuris
(lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt(, aber gegebenenfalls
unter Vormundschaft z. B. Minderjährige, Frauen)
Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23
Sukzession (1555,
F.) Nachfolge
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Summa (lat.
[F.]) ist im juristischen Schrifttum die bereits für →Irnerius
(1060?-1125?) bezeugte, aus einleitenden Schriften zu einzelnen Titeln der
justinianischen Kompilation erwachsende, zusammenfassende Betrachtung (Summe)
des Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis Azos (um 1210), die s.
codicis des Placentinus, die s. des Odofredus oder des Huguccio.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur
Entstehung der azoschen Digestensumme, (in) Satura R. Feenstra, 1985, 371;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 402
Summa (F.) legum brevis levis et utilis →Raymund von Wiener Neustadt
Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jh.
entstandene Werk zum →Codex.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
summarisch (zusammenfassend
und dadurch beschleunigend)
Summarischer Prozess
ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte
Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und
Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess,
Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch
die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B.
Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselprozess, Exekutivprozess). Der
summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach.
Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791;
Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der
italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914
summarisches Verfahren →summarischer
Prozess
Summe →summa
Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen Kirchenrechts
bis 1918.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri,
1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43, De
officiis 1 § 33)
Sünde ist
die Verletzung eines christlichen Gebots oder Verbots.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Neumann, F.,
Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007
Sunnis (lat.-afrk.
[F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor
Gericht).
supan (slaw.
[M.]) Führer, Dorfmeister
Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968;
Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161
superficies (lat. [F.]) Erbbaurecht (zuerst auf öffentlichen, später auch auf
privaten Grundstücken eingeräumtes, vererbliches und veräußerliches
entgeltliches beschränktes dingliches Recht an fremden Grundstücken)
Superficies solo cedit
ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach
der das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten
Dingen (superficies, Überbau, Oberfläche, Bauwerke, Pflanzen) bestimmt, so dass
dem Grundstückseigentümer auch der etwa vom Erbbauberechtigten errichtete Überbau
gehört, wobei allerdings das Eigentum des Grundeigentümers durch das beschränkte
dingliche Recht des Erbbauberechtigten sehr eingeschränkt ist und der Erbbauberechtigte
durch Interdikte und eine (lat.) actio (F.) in rem geschützt wird. Der
Rechtsregel widersprechen das →Stockwerkseigentum und das →Wohnungseigentum.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann,
J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J.,
Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und
Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Kohl, G., Stockwerkseigentum, 2007
Superflua non nocent (lat.). Überflüssige Worte
schaden nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)
Supplik (F.)
Bittschrift
Lit.: Hülle, W.,
Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e
<<gravamina>>. Politica, amministrazione, giustizia in Europa
(secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften und
Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005
Supplikation ist
die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken römischen Recht ist die
formfreie (lat. [F.]) supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein
Rechtsmittel gegen Urteile des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des
gelehrten Prozessrechts wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen
römischen Reich als Rechtsmittel
eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jh.
übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der →Revision. Im 19. Jh.
verdrängt die Revision die S.
Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das
Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e
<<gravamina>>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002; Rehse, B., Die
Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008
Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines
Gremiums (z. B. des Reichstags des Heiligen römischen Reiches von 1521 bis zum
frühen 17. Jh.).
Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss,
1977
Surrogation (F.) Ersetzung
Lit.: Welle, A., In universalibus
pretium succedit in locum rei, res in locum pretii. Eine Untersuchung zur
Entwicklungsgeschichte der dinglichen Surrogation bei Sondervermögen, 1987;
Hawellek, J., Die persönliche Surrogation, 2010
Suspension (F.) Aufhebung (z. B. eines Grundrechts gemäß dem Staatsgrundgesetz über
die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Gesetz vom 5. 5. 1869)
suspensiv (Adj.) verzögernd, aufschiebend (z. B. Veto)
Suum cuique
(lat.). Jedem das Seine.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.);
Macke, P., Jedem das Seine, 2012
Suzeränität (F.)
Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen im Gegensatz zur →Souveränität
des Landesherrn über Untertanen.
Svarez (Schwartz),
Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder (Johann Samuel Friedrich
Böhmer, Wolffschüler Joachim Geog Darjes) 1765 Auskultator und 1771 Oberamtsregierungsrat.
1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er
unter steter Berücksichtigung des heimischen Rechtes das →Allgemeine
Landrecht (1794) Preußens vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl
Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez,
C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck,
R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die
Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez:
Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl
Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb
Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180; Kuhli, M., Carl
Gottlieb Svarez und das Verhältnis von Herrschaft und Recht im aufgeklärten
Absolutismus, 2012
Svod zakonov
ist die in →Russland 1832 durch Michail Michailovic →Speranskij
erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff,
M., Michail Speranskij, 1957
Symbol (N.)
Sinnbild, Zeichen
Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K.,
1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der
Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003, 2. A. 2012; Wetzel,
C., Das große Buch der Symbole, 2008; Schürmann, M., Iurisprudentia Symbolica,
2011; Reichel, P., Glamu und Elend deutscher Selbstdarstellung, 2012
Symon Vicentius ist der 1222 in Padua nachweisbare
Jurist, der Glossen, Kommentare, Repetitiones, Quaestiones und die Schrift De
iudiciali missione in possessione (Von der richterlichen Einweisung in den
Besitz) verfasst.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997, 310
Synallagma (N.)
Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von Vertragsleistungen, wechselseitige
Verpflichtungen, bei den der Gläubiger zugleich Schuldner einer
Verpflichtung ist und der Schuldner zugleich Gläubiger
Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte
Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000
Syndikat (N.)
Kartell
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig
urteilenden →Richter (→Rechtsbeugung).
Syndikatsprozess ist in Italien im Spätmittelalter das Amtshaftungsverfahren zur Überprüfung
der Amtsführung eines podestà nach Ablauf seiner Amtsperiode.
Lit.:
Isenmann, M., Legalität und Herrschaftskontrolle (1200-1660), 2010
Syndikus (M.)
Geschäftsführer, Rechtsberater
Synodalstatut (N.) ist das in einer →Synode geschaffenes→Statut
Synode (zu
lat. synodus) ist die kirchliche Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen
entscheidet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L.,
Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem
in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die
Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G.,
Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004;
Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and
Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005; Partikuilarsynoden im späten
Mittelalter, hg. v. Kruppa, N. u. a., 2006
Syrisch-römisches
Rechtsbuch ist der spätantike
oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen,
armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuchs, 1964; Selb,
W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002
Syssel ist
die norwegisch-dänische Bezeichnung für Landschaften (z. B. Vendsyssel).
Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der
germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en
stat, 1974
System ist
das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die systematische Betrachtung
des Rechtes erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz
[1646-1716] und Wolff [1679-1754]). Sie versteht die Geometrie als
(unerreichbares) Vorbild.→Rechtssystem
Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen
römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen
Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H.,
Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, (in)
Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken und
Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei
Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984;
Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und
Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen
„Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche
Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001
Szeged an
der Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende,
1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und
1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten
Universität.
Szepter →Zepter
T
Tablettes Albertini (45 im Jahr 1928 an der algerisch-tunesischen Grenze etwa 100 Kilometer
von Tebessa) aufgefundene, unter vandalischer Herrschaft mit Tinte auf Holz
aufgezeichnete, im Museum Algiers aufgewahrte, von Eugène Albertini zuerst
bearbeitete, 1952 veröffentliche Privaturkunden der Jahre 493-496 n. Chr.)
Lit.: Tablettes
Albertini, hg. v. Saumagne, C. u. a., 1952; Weßel, H., Das Recht der Tablettes
Albertini, 2003
Tacitus,
Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116/120 n. Chr.), aus wahrscheinlich
ritterlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88 Prätor und 97
Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker ([lat.] Historiae
[Geschichten], Annales [Annalen], Agricola, Dialogus de oratoribus [Dialog über
die Redner]). Seine Schrift (lat.) De origine et situ Germaniae (Über den
Ursprung und die Lage Germaniens, um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche,
aber wohl tendenziös gefärbte Nachrichten über die →Germanen.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v.
Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v.
Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge
zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989;
Schmal, S., Tacitus, 2005; Dialogus de oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005; Tacitus,
Annalen - lateinisch-deutsch, 2010; Tacitus, Germanis - lateinisch-deutsch, 4.
A. 2011
Tafelgut ist
das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende →Königsgut.
Ein in einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt
sich vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestimmen.
Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des
römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis,
1997
Tagebuch ist das mehr oder weniger tägliche Aufzeichnungen von Geschehnissen
enthaltende Buch.
Lit.:
Die Diarien und Tagezettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach
(1598-1667), hg. v. Keller, K. u. a., 2010
Tagelöhner ist
der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist insbesondere vom
Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine Rechtsstellung ist
schwach.
Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung,
1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978;
Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995
Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem Vorbild unterschiedliche
Vermögensverhältnisse berücksichtigende System zur Bestimmung der Höhe einer
Geldstrafe im späteren 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Tagsatzung ist
vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der schweizerischen →Eidgenossen.
Lit.: Joos, R., Die Entstehung und
rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925;
Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das
Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber,
Akten, 2004
Tagung
„Das Judentum in der Rechtswissenschaft“
in Berlin vom 3./4. Oktober 1936 ist eine nationalsozialistische Aktion von
Juristen gegen das Judentum. Vor mehr als 100 Teilnehmern sprechen Hans Frank,
Carl Schmitt, Johann von Leers, (M. Mikorey,) K. Klee, Karl Siegert, Edgar
Tatarin-Tarnheyden, Norbert Gürke, Theodor Maunz, Erich Jung, Otto Rilk, Hans
Würdinger, Horst Bartholomeyczik und Horst Müller (sowie Wilhelm Rath). Nach
einem Vorschlag Prof. Naendrups geloben die Teilnehmer unter Leitung Carl
Schmitts alles zu tun, was Hans Frank von ihnen gefordert hatte. Die meisten
Vorträge sind zwischen November 1936 und dem Ende des Jahres 1937 im Deutschen
Rechts-Verlag in Berlin erschienen.
Lit.: Göppinger, H., Juristen jüdischer Abstammung im „Dritten
Reich“, 2. A. 1990, 153
Taiding ([N.]
aus tageding) ist in Süddeutschland im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird das →Weistum ermittelt und
vorgetragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die
salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, H., 1870
Talar →Robe
Taler ist
die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal benannte deutsche
→Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. zu Gunsten der Mark
außer Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort.
Lit.: Rittmann, H., Deutsche
Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995
Talion (griech.
[N.] Gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit (ursprünglich höchstens) dem
gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem
jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem
Spätmittelalter vereinzelt im Heiligen römischen Reich ein. Es berührt sich
mit der →spiegelnden Strafe.
Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a;
Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965;
Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399; Söllner, A.,
Der zweite Merseburger Zauberspruch, ZRG GA 125 (2008), 1
Talmud (Lehre)
ist der Kommentar zur um 220 (endredigierten) →Mischna (Lehre, Wiederholung)
der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach
700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T.
besteht nur zu seinem kleineren Teil aus Rechtstexten. →Maimonides
(1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen des T. in seiner →Mischne
Tora.
Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des
mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823),
419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles
of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und
Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Schäfer, P.,
Jesus im Talmud, 2007
Tancredus (Bologna
um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um
1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst.
Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu
den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).
Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L.,
Ordines iudiciarii, 1994; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997, 293
tanganare (mlat.-afrk.)
bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex
Salica, 1867, Neudruck 1971, 143
Tangermünde
Lit.:
Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht, hg. v. Lück, H., 2008
Tarif ist
der einheitliche Preis.
Tarifvertrag ist
der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und
einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er
erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag
1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch
(Verordnung über Tarifverträge vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9.
4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs der Anteil der freien
Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen höchstens ein Drittel beträgt. Zu
Beginn des 21. Jahrhunderts wird ohne wirklichen Erfolg mit Hilfe der Öffnung
von Flächentarifverträgen eine Verringerung der Arbeitslosigkeit angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
215, 241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986;
Hainke, S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss.
jur. Kiel 1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik,
1989; Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J.,
Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche
Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G.,
Richtungskämpfe, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561;
Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie, 2005; Schmoeckel,
M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Tartagnus, Alexander ist der in Imola 1423 oder
1424 geborene, in Bologna ausgebildete, in Pavia, Bologna, Ferrara, Bologna,
Padua und Bologna lehrende, am 3. 9. 1477 verstorbene Jurist (commentaria zu
den Digesten, interpretationes, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 831
Tat ist
die als abgeschlossen angesehene menschliche Verhaltenseinheit. An sie knüpft
das Recht von seinen Anfängen an vielfältige Rechtsfolgen.Dabei ist →Die
Tat tötet den Mann ein deutsches (, seit dem 19. Jh. bezeugtes)
Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten Zeiten geltende →Erfolgshaftung
zum Ausdruck bringen soll.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den
Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Tatbestand ist
die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht im
Urteil die Darstellung des Sachverhalts. Tatbestände gibt es seit der
Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit
erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s (Stübel 1805 Zurechnung der Tat
[Tatbestand] im Gegensatz zu Zurechnung der Tat zur Strafe, Anton Bauer 1833
trennt subjektive Merkmale von objektiven Merkmalen).
Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der
negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen
Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz,
1970; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19.
Jahrhundert, 1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände,
1985; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen
im 19. Jahrhundert, 2006
Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische Ansatz des späteren 20. Jh.s,
bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung einigen,
ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung abgeschlossen
werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im Erwachsenenstrafrecht,
1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Taufe ist
die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende
Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht
zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.
Lit.:
Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Tauner (M.) Häusler in der Schweiz
Lit.: Eichholzer, E., Über die
Stellung der Tauner nach den Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38
(1917), 115
Tausch (Wort 1181 belegt, lat. [F.] permutatio) ist der gegenseitige
Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld
bestehenden Gegenstands verpflichten. Der Tausch erscheint schon früh. Er wird teilweise
als Kauf angesehen und zeitweise als Realvertrag eingeordnet, zeitweise als durch
Hingabe der Sache entstehender Innominatkontrakt. In seiner tatsächlichen
Bedeutung wird er mit Entstehung der →Geldwirtschaft vom →Kauf
rasch zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in
Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hg. v.
Fees, I. u. a., 2013
Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte Untergliederung des Heeres
germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen Mittelalter. Ihre Herkunft ist
unklar.
Lit.: Rietschel, S., Die germanische
Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus,
ZRG GA 88 (1971), 181
Taxis →Thurn
und Taxis
Technik
Lit.: Europäische Technik im
Mittelalter, hg. v. Lindgren, U., 1996; Technik in der frühen Neuzeit, hg. v.
Engel, G. u. a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft, 2005; Vom Feld, I., Staatsentlastung im
Technikrecht, 2007; Gleitsmann, R. u. a., Technikgeschichte, 2009; König, W.,
Technikgeschichte, 2009; Technikgeschichte, hg. v. König, W., 2009; Cech, B.,
Technik der Antike, 2010; Ambrosius, G. u. a., Integration von Infrastruktur in
Europa im historischen Vergleich, Bd. 1 2013
Teeren und Federn
ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes Wälzen in Federn
gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in Europa kaum
gesicherte Zeugnisse gibt.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1
1954, 152
Teilgläubigerschaft
Lit.:
Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Teilnahme ist
die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie
erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber
erst am Ende des 18. Jh.s erfasst. Noch Feuerbach (1801) kennt nur (lat. [M.])
auctor (Urheber) und (lat. [M.]) socius (Gehilfen). IN Österreich gilt die
Einheitstäterschaft.
Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J.,
Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989;
Ebrahim-Neshat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im
19. Jahrhundert, 2006
Teilnovellen sind
in Österreich die das →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812)
nach dem deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden
Novellen von 1914, 1915 und 1916.
Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die
Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274
Teilpacht ist
die einen bestimmten Teil (Bruchteil, z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrags als
Pachtzins festlegende Form der →Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller
Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie
sich seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder
zurück.
Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K.,
Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228
Teilrecht ist
im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des wiederverheirateten
Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die
zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter
aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite
Ehe einzubringen.
Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das
eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967
Teilungsanordnung ist die Anordnung des Erblassers
über die Teilung des Erbes.
Lit.:
Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966
Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des römischen
Rechtes (z. B. [lat.] →actio [F.] familiae erciscundae, →actio
communi dividundo).
Lit.: Kaser § 23
IV 2
Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den
Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretende Form der →Arbeit.
Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit,
1999
Teixeira de Freitas,
Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo
Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste
umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das
leis civis), 1860ff. einen vom römischen Recht wie von mehreren europäischen
Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuchs (Esboco de Código
civil). Er wirkt sich im Código civil Argentiniens (1869) aus.
Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto
Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938
Telegraphie ist die vor allem mit Hilfe des 1837
von Samuel Morse gebauten und 1844 verbesserten Schreibtelegraphen seit etwa
1850 allgemein mögliche Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen
mit Hilfe der Eigenschaften des elektrischen Stroms.
Lit.:
Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39; Wobring, M., Die
Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert, 2005
Telephon
Lit.: Meili, F., Das Telephonrecht, 1885, Neudruck 2013
Templerorden ist
der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem
benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom Papst aufgehobene geistliche
Ritterorden.
Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher, P.,
Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003;
Demurger, A., Der letzte Templer, 2004; Sarnowski, J., Die Templer, 2009; Burzyński,
E., Zakon rycerski temlariuszy, 2010; Nicolotti, A., I Templari e la Sindone,
2011
temporalis (lat. [Adj.]) zeitlich, weltlich
Temporalien sind
seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im
Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die
Lehre von der Inkorporation, 1951
Tengler,
Ulrich (Rottenacker bei Ehingen an der Donau um 1447-Höchstädt 1511?) wird nach
Ausbildung in Stadtschule Ehingen und Stiftsschule Blaubeuren (1469) 1467/1469
Gerichtsschreiber in Heidenheim an der Brenz, 1475-1479 Kastenschreiber in
Heidenheim, 1479-1483 Stadtschreiber in Nördlingen, 1485-1496 Kastner in
Heidenheim, dann Landvogt von Graisbach und 1500 pfalz-bayerischer Landvogt in
Höchstädt an der Donau. 1509 gibt Sebastian Brant den →von Tengler
verfassten Laienspiegel heraus. Tenglers Sohn Christoph wird Professor des
kanonischen Rechtes in Ingolstadt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411; Burret, G., Der
Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler, 2010
tenure (mengl.)
Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung
Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship,
1994
Termin (1317) Zeitpunkt
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
terra (lat.
[F.]) Land, Erde
Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1;
Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996
terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland
Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T.
bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem
12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996
Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene →Staat.
Der T. ist ein Gegensatz zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12.
Jh. durch ([lat.] privilegium minus 1156, Reichstag von →Gelnhausen
1180).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg.
v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner
territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und
neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v.
Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien,
1988, 6. A. 1999, 7. A. 2007
territorium (lat.
[N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet
Territorium ist
das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt im Heiligen römischen Reich
in geschlossenen Territorien die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt
des Landesherrn unterworfen ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die
Stelle des Territoriums.
Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923;
Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg,
1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich
und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling,
A., Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992;
Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v.
Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und
Territorium, 1996; Identità territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba,
M. u. a., 2000
Terrorismus ist die (menschliche) Gedankenhaltung, die andere Menschen
durch Gewalt zwecks Erregung von Schrecken zu beeinflussen und schädigen
versucht.
Lit.: Jensen, R., The Battle against Anarchist Terrorism,
2013
tertia manus
(lat. [F.]) dritte Hand →intertiatio
Tertiogenitur (Drittgeburt) →Primogenitur
Tertullian, Quintus Septimius Florens (Karthago um
160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter
den frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.)
Lit.: Zilling, H., Tertullian,
2004
Tessel (F.)
Kerbholz
Tessin ist
das vom gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer,
Ostgoten und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das
Herzogtum →Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der →Schweiz
abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein
Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814
entstehen aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli 1830 wird eine noch vor
Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der Volkssouveränität
angesehene Verfassung geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli
influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und Entstehung
der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di Leventina, a cura di Raschèr,
V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1 C, Formulari
notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991
Testament (Wort 1282 belegt) ist die einseitige,
nicht empfangsbedürftige, jederzeit frei widerrufliche Willenserklärung, mit
der ein →Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und
dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage abändert. Das T. ist bereits
dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.]
testamentum). Es muss eine Erbeinsetzung enthalten. In der Nachklassik
anerkannt wird das vor sieben Zeugen mündlich erklärte T. 446 lässt Kaiser
Valentinian III. das eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der
Kirche gefördert, wird zusätzlich wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher
Vergabungen das T. im 13. Jh. im deutschen Reich (z. B. Wien 1289) zunächst von
der Geistlichkeit in der Form der Verfügungen („Kodizille“) über einzelne
Gegenstände (fälschlich so genanntes Verteilungstestament) aufgenommen und
verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr
als 2700 überlieferte Testamente, von 1400 bis 1449 1619 von 1397 Verfassern).
Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein
gemeinschaftliches T. In der frühen Neuzeit wird verstärkt auf das römische
Recht zurückgegriffen, ohne dass alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. Öffentliches
T. (z. B. vor Gericht, Rat oder Notar) und privates T. finden sich
nebeneinander. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch
sind auch andere Formen möglich. In Österreich wird 2004 das mündliche T.
abgeschafft. Im Zweifel soll der Wille des Erblassers verwirklicht und das T. aufrecht
erhalten werden. Als politisches T. wird auch die Zusammenfassung der
politischen Ansichten eines Herrschers am Lebensende bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8,
11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89,
114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im
Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des
Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet
i 1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich
Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln,
1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 98, 70 (1953),
159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes
wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die
Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will
in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v. Brandt,
A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator, Ius
commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H.,
1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz, G.,
Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976;
Spreckelmeyer, G., Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente,
(in) Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort,
1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der
Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und
Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z.
f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9.
Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des
eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges
Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen
Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin,
1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995;
Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche
Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken,
G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das
Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der
Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich
in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004), 158; Seif, U.,
Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen,
ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter,
2005; Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae naturae, 2005; Seelenheil
und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007; Herrscher- und
Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v. Kasten, B., 2008;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Litschel, A., Ordnung, Kooperation und Konflikt in spätmittelalterlichen
Testamenten, ZHF 37 (2010), 375; Testamente aus der Habsburgermonarchie Alltagskultur,
Recht, Überlieferung (in) Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 1
(2011), 1ff.; Klein, G., Über den Grundsatz der materiellen
Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung, 2012; Kröll, P., Das Städelsche
Testament, 2013
Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von →Testamenten
und →Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich
vorübergehend aus dem →Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine
Formvorschriften mildert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Testamentsgesetz1938.pdf;
Gruchmann, L., Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53;
Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts, 1989
Testamentsvollstrecker (1852) ist der vom →Erblasser
zur Ausführung seiner →letztwilligen Anordnungen durch letztwillige
Verfügung berufene Mensch. Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung.
Im deutschen Recht entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits
früh und wird in das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211;
Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des
Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Testamentum (lat.
[N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der →Erblasser
willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen
machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet.
→Testament
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972
Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der Behörde begründete (öffentliche)
→Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor den zweimal jährlich
zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich zwecks einer Art
Kindesannahme errichtete Testament.
Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner §§ 5,
8; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der Pietätspflicht
nicht ausreichend bedenkende →Testament.
Lit.: Kaser § 70 I 1
Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das →Testament vor
dem aufgestellten Heer.
Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5; Köbler, DRG
23
Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage als Libralgeschäft
vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner Gegenstände dienende →Testament
des altrömischen Rechtes.
Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b;
Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen Recht das von Kaiser
Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige →Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament
Testatio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die Zeugenurkunde.
Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43
Testierfreiheit (1894, Testierfähigkeit 1883, testieren 1544) ist die grundsätzlich von Beginn des Testaments an
bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein →Testament zu
errichten und über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen. Dem römischen
Recht schon früh bekannt, setzt sie sich im deutschen Mittelalter seit dem 13.
Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat das römische Recht das
einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende des 19. Jh.s ist die T.
selbverständlich.
Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.;
Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G.,
Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das
Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di
testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die
Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als
Persönlichkeitsrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
testis (lat.
[M.]) Dritter, Zeuge
Testis in uno falsus in nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat,
verdient in nichts Glauben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Teufel
Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im
alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50
Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit
dem Teufel geschlossene Vertrag.
Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der
Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999
Teutone ist
der Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen
germanischen Volkes.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
teutonicus (lat.-ahd.)
deutsch
texaca (lat.-afrk.)
Diebstahl, Diebstahlsbuße
Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG
GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Textkritik
Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches
zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948), 342
Thaleleios (6.
Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem
Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien zu den Basiliken erkennbar
sind.
Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios,
ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315
Theoderich der Große
(451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus
eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit dem römischen
Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius
die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das →Edictum Theoderici
zugeschrieben.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich
der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung
Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003; Goltz,
A., Barbar - König - Tyrann, 2008
Theodosius II.
(Konstantinopel 30. 8. 401-28. 7. 450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius
ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau
Athenais veranlasst er die Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen
kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. →Codex
Theodosianus.
Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti,
J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003
Theologie (F.) Gotteskunde
Lit.:
Geschichte der christlichen Theologie, hg. v. Pauly, W., 2008
Theophilos (6.
Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der
Kommission für den ersten →Codex Justinians und für die →Digesten
angehört und gemeinsam mit Dorotheos die →Institutionen abfasst.
Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende kommentierende griechische
Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische, lateinische Fachwörter
weitgehend übernehmende Einführung in das römische Recht verwendet.
Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976),
337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985,
40
Theresiana →Constitutio
(F.) Criminalis Theresiana (Strafgesetz Maria Theresias von 1768)
Thesaurus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zur Hälfte
an den Finder und den Grundstückseigentümer fallende →Schatz.
Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40
thesei dikaion
(griech. [N.]) das gesetzte Recht
Lit.: Köbler, DRG 31
Thessalien ist
das Gebirgsland im mittleren →Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer
gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt.
Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.
Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean
Historical Review 4 (1989), 87
Thessaloniki (Saloniki)
in →Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925
Sitz einer Universität.
Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963
Thibaut,
Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte,
wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und Kiel 1798
außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in Kiel, Jena
(1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen von der
römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts. 1814 setzt
er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für ein
allgemeines bürgerliches Recht (Gesetzbuch) in Deutschland ein, unterliegt im
sog. →Kodifikationsstreit aber (→Savigny und) der Reaktion.
Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich
Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H.,
Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg.
v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987;
Kaufmann, D., Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1040), 2014
Thing →Ding
thiuphadus (lat.-got.
[M.]) Knechtsherr (str.)
Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88
(1971), 181
Thöl,
Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5. 1884), Kaufmannssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) 1837
außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842 ordentlicher Professor in
Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht er den ersten Band seines
romanistisch-systematisch vorgehenden, ein Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden
→Handelsrechts. Mit ihm begründet er eine durch →Puchta
(1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich ausgeführte, kritische
Handelsrechtswissenschaft.
Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die
Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft
im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg
Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986
Thomas von Aquin
(Roccasecca bei Neapel 1224/1225-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem
Geschlecht der Grafen von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte
Cassino (1230) und dem Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden
(1244) und weiteren Studien in Paris und Köln (1248-1252 Schüler des Albertus
Magnus) 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien
und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wissenschaftlichem
Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen
strebende (lat.) Summa (F.) theologica (Theologische Summe) bzw. Summa
theologiae (Summe der Theologie) (1266-1273). Für das Recht bejaht T. v. A. ein
auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirklichendes
→Naturrecht und unterscheidet zwischen lex aeterna als Ausfluss der
göttlichen Vernunft, lex naturalis als Gesetz der Natur und der menschlichen
Vernunft und lex humana als menschlichem bestimmtem Gesetz. Leben, Freiheit
und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte. 1323 wird er heilig
gesprochen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus,
Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas
von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger,
R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998
Thomasius,
Christian (Leipzig 1. 1. 1655-Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn,
wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des Rechtes (1672) in Leipzig
und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in
seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die
Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung
in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen „Monatsgespräche“ als
Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben
ausgerichteten Vorstellungen (erste deutschsprachige Monatsschrift). Nach einem
Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in →Halle
(1694 Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs
einführt. 1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der
Zauberer und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen
der Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der
Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht unter seinem Vorsitz der
Promovend Martin Bernhardt die Folter als unchristlich an, doch lehnt Thomasius
selbst Reformvorschläge in dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk sind seine
aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des
Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral bzw. von Ewlifion
und Moraltheologie ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher
gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht
ausschließt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157,
158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso
Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und
die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf,
E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v.
Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E.,
Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius,
1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die
Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse,
hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, W., Christian
Thomasius und die Abschaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo,
M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G.,
Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg.
v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v.
Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997;
Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C.,
Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die
219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F.,
Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter
moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006; Christian
Thomasius (1655-1728) - Gelehrter Bürger, hg. v. Lück, H., 2009
Thora →Tora
Thorn an
der unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 vom Hochmeister des →Deutschen
Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die
Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400
bis 1402 verfasst der Stadtschreiber Walther Ekhardi →Neun Bücher
magdeburgischen Rechtes. Von 1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in
Polen eine Universität in T. eingerichtet.
Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts,
1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup,
M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus,
2005
Thraker ist der Angehörige des thrakisch
sprechenden, vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden indogermanischen
Volkes, das bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jh.
v. Chr. hinterlassen hat.
Lit.: Boshnakov,
K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003
Thron ist
der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender Rückenlehne), der als
Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem Sinne verbünden sich
spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.
Lit.: Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989;
Instinsky, H., Bischofsstuhl und Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und
Inthronisation des Papstes, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche
Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Thronverzicht, hg. v. Richter, S./Dirbach, D., 2010
Thronfolge ist
die Nachfolge im Herrscheramt, die teils nach Erbrecht (z. B. westfränkisches
Reich, England), teils nach Wahlrecht (z. B. ostfränkisches Reich, seit 1438
aber fast gänzlich auf die Habsburger eingeschränkt) erfolgt. Die T. einer
Frau wird erst in der Neuzeit bedeutsam (z. B. Maria Theresia in Österreich
1740).
Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den
germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das
Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G.,
Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. unv. A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische
Hindernisse bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R.,
Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch,
J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E.,
Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des
deutschen Königs im Hochmittelalter und die Entstehung des
Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991), 1; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von
Habsburg König werden? ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, G., Die Königssöhne Karl
und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA
108 (1991), 282
Thüngen
Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der
Familiengeschichte derer von Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367
thunginus (lat.-afrk.
[M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen
verdrängt
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E.
Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Thurgau ist
das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im
5. Jh. an die Alemannen (und damit an die →Franken) gelangte, seit 741
als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461
erobern die Eidgenossen der →Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine
Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen Republik
bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das
Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im
Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen
Simultanverhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus,
1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren,
Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge
zur Geschichte 130 (1993), 5
Thüringen ist das von den Thüringern (um 400 Toringi [Vegetius], verwandt mit den
gotischen Terwingern?) besiedelte Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572)
zersplittert T. unter den →Wettinern territorial, wird aber 1920 in ein
Land des Deutschen Reiches zusammengefasst.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 75; Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und
Verfassung thüringischer Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption
des mittelalterlichen römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957
(masch.schr.); Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft
Thüringen, ZRG GA 75 (1958), 108; Forschungen zur thüringischen
Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände
des thüringischen Landeshauptarchivs Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und
weitere Bände für Landesarchive); Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962;
Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U.,
Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962;
Patze, H., Bibliographie zur thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W.,
Geschichte Thüringens, 1967; Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen,
1992; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B.,
Thüringen-Handbuch, 1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S.,
Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich
Raspe, hg. v. Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005;
Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, 2006; Grahn-Hoek, H., Stamm und
Reich der frühen Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56 (2002), 7;
Herntrich, T., Thüringen - von den thüringischen Kleinstaaten nach Zerfall des
Alten Reiches bis zum Freistaat Thüringen, 2010; Lilla, J., Die Vertreter der
thüringischen Staaten und Thüringens, 2010; Fleischhauer, M., Der NS-Gau
Thüringen 1939-1945, 2010; 100 Jahre thüringisches Oberverwaltungsgericht, hg.
v. Schwan, H., 2012
Thüringer ist
der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem Königreich zwischen Donau
und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch im deutschen Bundesland
Thüringen nachwirken. Für die T. wird 802 die →Lex Thuringorum aufgezeichnet.
Lit.:
Die Frühzeit der Thüringer, hg. v. Castritius, H. u. a., 2009
Thurn und Taxis
ist die im 13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit
(1490) allmählich das Postwesen des Heiligen römischen Reichs erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792
erlässt die Familie in ihrem Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchentwurf erstellt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die Entwicklung
des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939; Nordmann, J.,
Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z. f.
württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und
Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich
thurn und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998
Tiara ist
die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in konischer, von drei
Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine persisch-phrygische
Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst nachweisen. Seit 13.
11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.
Lit.: Sachsse, (o. VN). Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35
(1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen
Tiara, 1975
Tie ist
seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor
allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).
Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz
1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt.
Sprachforschung 101 (1978), 158; Brednich, R., Tie und Anger, 2007
Tier (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen) ist
das Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache
und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsvermögen
unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als →Sache behandelt. Im
Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen römischen Reich sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die
fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und
zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber
grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988,
Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im
römischen Recht die Noxalhaftung ([lat.] actio [F.] de pauperie und noxae datio
[F.], Befreiung von Ansprüchen durch die Hingabe oder Preisgabe des
schädigenden Tieres), im deutschen Recht die später als →Gefährdungshaftung
verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Später wird oft zwischen
Nutztieren (Haftung nur bei Sorgfaltspflichtverletzung) und anderen Tieren
(Gefährdungshaftung) unterschieden. Ein Schadensersatzanspruch entfällt
meist, wenn der Geschädigte das T. hetzt oder reizt.
Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269;
Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E.,
The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff, H.,
Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein
Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der
abendländischen Rechtsauffassung, (in) Studium generale. Vorträge zum Thema
Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A.,
Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985),
109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das
Tierschutzrecht, 1999; Cole, T., Wörterbuch der Tiernamen Latein-Deutsch-Englisch
und Deutsch-Latein-Englisch, 2000; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung,
2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini, W., Tiere aus dem
Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli
1972, 2004; Köpernik, K., Die Rechtsprechung zum Tierschutzrecht 1972-2008, 2010;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Dirscherl, S., Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus, 2012; Han,
Y., Gesetzlicher Tierschutz im Deutschen Reich, 2014
Tierepos ist
das ein →Tier als Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte
Beispiele des T. sind der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der
Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich (1180/1191).
Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925; Fehr,
H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos, 1979;
Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J., 1987
Tierhalterhaftung →Tier
Tilgung
(Wort um 1000, tiligen um 1000, aus lat.
delere, V., zerstören) ist die Beseitigung einer Schuld durch Erfüllung oder
Erfüllungssurrogat.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Tipoukeitos (griech.
was wo steht) ist das repetierende byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?)
Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.
Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani
delineatio, 1985, 102
Tiraqueau (Tiraquellus),
André (Fontenay-le-Comte 1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem
Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil
der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560
veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De privilegiis piae
causae).
Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance, 1937
Tirol im
von Natur aus eindrucksvollen, aber unwirtlichen Herzen der Alpen, aus dem eine
am Hauslabjoch im hinteren Ötztal am 19. 9. 1991 gefundene, rund 5300 Jahre
alte Gletscherleiche erhalten ist, wird zuerst von Kelten, 15 v. Chr. von den
Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jh.
germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) und im Osten
auch Slawen weichen. 1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König (im
Rahmen des ottonisch-salischen Reichskirchensystems) zur Sicherung des Weges
nach Italien Grafschaften im Gebirge an die Bischöfe von →Trient und →Brixen,
die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern
setzen sich die (seit 1141) nach der Burg T. (ältester erhaltener Balken von
1106) bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert
1190-1253, Vererbung an Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). Seit 1335 gilt
T. als Reichslehen. 1363 geht das sich von →Bayern allmählich verselbständigende,
von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch (Beiname bisher nicht
befriedigend erklärt) unter Unterstützung seitens jüdischer Geldgeber an (Herzog
Rudolf IV. von Österreich/) →Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die
spätmittelalterliche Verwaltungsreform König Maximilians, die Regiment und
Raitkammer (1491) einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte Ritter)
für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefizordnung).
In den Jahren 1504/1506 werden als Gewinn Habsburgs aus dem bayerischen Erbfolgestreit
Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1511 erhalten die
Landstände Tirols von Kaiser Maximilian ein zunehmend zur Abwehr umfangreicherer
Belastungen verwendetes Landlibell 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair
geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine
verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich und damit eine stärkere
Vereinheitlichung des partikularen Rechtes. 1803 werden die Hochstifte →Trient
und →Brixen eingegliedert. 1805 fällt T. an Bayern. In napoleonischer
Zeit versucht Andreas →Hofer (1809) vergeblich die Befreiung von der
Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns, doch kehrt T. nach der Niederlage
Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) 1814 zu Österreich zurück
(1. 7. 1815 Inkraftsetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs). 1919
werden Deutschsüdtirol (Südtirol vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das
Trentino als Lohn für die bereits 1912 vorbereitete Haltung (Beitritt) Italiens
im ersten Weltkrieg von den Alliierten an →Italien gegeben und danach in
erheblichem Umfang italienisiert (1929 Codice civile von 1865 eingeführt, Grundbuch
bleibt erhalten, ebenso Erbscheinsverfahren). Von 1939 bis 1945 wird aus dem
bei Österreich verbliebenen T. und Vorarlberg der Reichsgau T. gebildet. Von
1945 bis 1955 steht T. unter der Besatzung Frankreichs.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 170, 220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden,
1866; Tirolische Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über
die Rezeption des römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das
landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur
Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903;
Beiträge zur Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler
Freistiftrecht, 1905; Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel,
Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der
Gerichte Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads
III. von Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger,
R., Graf Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59
(1916), 97; Stolz, O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol,
1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und Eigenleuteteilungen in
Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter,
F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin Claudia für die
Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils in Tirol, 1927;
Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA
49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte einer
einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz, O., Die
Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28 (1933),
699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter, F.,
1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte
der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes
Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und Handelsverkehrs
in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche Inhalt der
Rechnungsbücher der Tiroler Landesfürsten von 1288-1350, 1957; Linder, K.,
Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams, Schlernschriften 146
(1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter,
F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960;
Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und
Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v.
Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS
Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus der
Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F., Die
Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in
Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im
Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und
1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von
Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller
Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff.
2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Kathrein, I.,
Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u.
a., 1988; Formwagner, C., Geschichte der Herren von Freundsberg, 1992; Köbler,
G., Vom Tiroler Recht, (in) Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993,
3; Baum, W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch,
hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König,
Kirche, Adel – Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R.
u. a., 1999; Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A.,
Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002;
Albertoni, G., Die Herrschaft des Bischofs, 2003; Schober, R., Tirol zwischen
den beiden Weltkriegen, Teil 1f. 2005ff: Freiheit und Wiederaufbau. Tirol in
den Jahren um den Staatsvertrag, hg. v. Fornwagner, C. u. a., 2007; Margarete
Maultasch, hg. v. Hörmann-Thurn und Taxis, J., 2007; Schreiber, H.,
Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol, 2008; Feller, C., Das
Rechnungsbuch Heinrichs von Rottenburg, 2009; Fasser, M., Ein Tirol - zwei
Welten, 2009; Rebitsch, W., Tirol in Waffen, 2009; Oberhofer, A., Der andere
Hofer, 2009; Schennach, M., Revolte in der Region, 2009; Abschied vom
Freiheitskampf?, hg. v. Mazohl, B. u. a., 2009; Für Freiheit, Wahrheit und
Recht!, hg. v. Hastaba, E. u. a., 2009; Tiroler Urkundenbuch, 2. Abt. Die Urkunden zur Geschichte des
Inn-, Eisack- und Pustertals, Bd. 1 Bis zum Jahr 1140, bearb. v. Bitschnau, M.
u. a., 2009; Die Wolkensteiner, hg. v. Pfeifer, G. u. a., 2009; Kern, F., Der Mythos
Anno Neun, 2010; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft, 2010 (917 Texte meist
des 15. Jh.s - bzw. von 1474 - bis 1665
ohne Finanzwesen und örtlich nur beschränkt geltende Texte); Schennach, M., Das
Tiroler Landlibell von 1511, 2011; Tyrolis Latina. Geschichte der lateinischen
Literatur in Tirol, hg. v. Korenjak, M. u. a., Bd. 1f. 2012; Keller, A.,
Schwarzbuch Tirol, 2012
Tisch ist
das aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als
Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und
Bett).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Titel ist
die besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteils. Die
T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem Altertum in kaum
überschaubarer Vielfalt. Daneben ist T. (lat. [M.] titulus, z. B. Kauf,
Schenkung) auch der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973;
Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H.
u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum
im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004
Titelherzogtum ist das als bloßer →Titel verliehene Herzogtum.
Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG
GA 73 (1956), 225
Titulus (lat.
[M.]) ist im spätantiken römischen Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.
Nach der späteren Lehre (Johannes →Apel 1485-1536) erfordert eine
Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen
(lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19.
Jh. durch →Savigny verändert, wobei Österreich bei der kausalen Tradition
(Notwendigkeit von Titel und Erwerbungsart) verbleibt. →Einigung
Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212;
Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927
Tobitschau in
Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und Landeshauptmann
Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache
verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften überliefertes, in 224
Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes
benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfassungsrecht,
Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der
Einfluss des deutschen Rechtes ist gering, ein Einfluss des römischen Rechtes
fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung
verwertet.
Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der
Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H.,
Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931
Tocco →Karolus
de Tocco, →Lombarda
Tocqueville, Alexis de (Verneuil-sur-Seine 29. Juli 1805-Cannes 16. 4. 1859), französischer
Richter, der nach einer Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika (1831/1832)
das Buch De la démocratie en Amérique verfasst, mit dem er die moderne
Massendemokratie theoretisch begründet (Freiheit, Gleichheit, Mehrheitsentscheidungen,
Machtbeschränkungen).
Lit.:
Jardin, A., Alexis de Tocqueville, 1991
Tod (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist das
Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines
Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in
der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die →Rechtsfähigkeit
des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst sich bereits
früh vor allem das →Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die angestrebte
Rechtsfolge der →Todesstrafe.
Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23
u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E.,
Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden
auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K.,
Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990;
Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u.
a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999; Babendererde, C., Sterben, Tod,
Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen Reichsfürsten des
Spätmittelalters, 2006; Edwards, C., Death in Ancient Rome, 2007; Rüve, G.,
Scheintod, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Topographie des Jenseits, hg. v. Ameling, W.,
2011
Todeserklärung (1784/1794) ist die Feststellung
des Todes eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens durch ein
Gericht. Sie entwickelt sich aus der im Spätmittelalter sichtbaren Todesvermutung
(ab 100 bzw. 70) im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in
das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes
deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei,
Italien und Spanien sowie Österreich (1950). Die Folge der T. gleicht der Folge
des Todes (z. B. Erbrecht). Bei irrtümlicher T. erfolgt Wiedereinsetzung in die
Vermögensrechte. Bei gleichzeitiger Verschollenheit mehrerer besteht eine
Vermutung für gleichzeitigen Todeszeitpunkt (Kommorientenvermutung).
Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A.
1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Todesstrafe ist
die in der Tötung eines Menschen bestehende →Strafe. Sie ist bereits dem
Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist
streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. bzw. in den
frühmittelalterlichen Volksrechten findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in
den hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich
(Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen,
Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Steinigen).
Vollzogen wird sie meist vom →Henker oder →Scharfrichter (im
Spätmittelalter in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4 Hinrichtungen, meist
an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtverweisung ersetzt).
Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana
1786-1790, Österreich 1787-1795, Joseph II. aber nur scheinbar fortschrittlich,
Einschränkung in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im
standgerichtlichen Verfahren am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft,
1937 in der Schweiz, 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England,
1987 in der Deutschen Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und
Aserbeidschan, 1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91
Staaten an der Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300
Hinrichtungen, vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den
Vereinigten Staaten von Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen
(bzw. 104 Staaten die T. [zu Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden).
Das zweite Fakultativprotokoll des internationalen Pakts über bürgerliche und
politische Rechte und das sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention
streben die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats
auf Abschaffung der Todesstrafe auch im Kriegsfall.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71,
87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41
(1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942;
Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner,
G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955;
Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub,
B., Der Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im
Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren,
(in) Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109;
Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996;
Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die
Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg.
v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl,
B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839),
2000; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung,
2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die
Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist
keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004; Gegen Folter und
Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Ammerer, G., Das Ende für Schwert und
Galgen?, 2010; Hötzel, Y., Debatten um die Todesstrafe, 2010
Todesurteil ist
das auf die →Todesstrafe erkennende Urteil.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Toleranz ist
die geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und Verhaltensweisen
anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der frühen Neuzeit
(Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum Calvinismus übergetretene
Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das
Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. Ab 13. 10. 1781 gewährt Joseph II. in
Österreich den Anhängern der (lutherischen) augsburgischen und helvetischen
Konfession sowie den orthodoxen nicht unierten Griechen in jeweils eigenen
Toleranzpatenten für jedes Erbland gewisse T. (nur stärkere Duldung ohne wirkliche
Religionsfreiheit) Dieses gesamte Toleranzpatentbündel bleibt bis 1849 bzw.
1861 in Kraft.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg.
v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen
Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f.
Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984;
Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in
Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der
Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg.
v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher,
H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Das Manifest der
Toleranz - Sebastian Castellio, Über Ketzer, hg. v. Stammler, W., 2013
Tomii,
Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon von 1885 bis 1902 und
von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich bei dem nach
deutschem Vorbild geschaffenen japanischen →Bürgerlichen Gesetzbuch mit.
Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen
Rechtes (1903ff.).
Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô
ronshû, Bd. 5 1986, 145
Tonti oder
Tontine ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695)
benannte, in den romanischen Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei
dem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit
den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder
Rente ausgeschüttet werden.
Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag,
1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963
Topik ist
die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und
Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut.
In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z.
B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-1988]).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische
Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974;
Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W.
Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft
und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988
Tora, Thora
(hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die jüdische Bezeichnung
hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das fünfte Buch. Die T.
steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz des jüdischen
Gottes.
Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992;
Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das
Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon
von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001
Torgau
Lit.: Knabe, C., Geschichte der
Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R., Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für
Rechtsform und Rechtsanschauung im 16. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372
Tortur (F.)
Folter
Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983;
Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.;
Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees
Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1
Tory (M.)
Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von Tar a ry, komm o König, um
1680, →whig vielleicht von whig „dünnes Bier“ oder von whigman „Antreibestock“,
um 1680)
Toskana (2.
Jh. n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist die ursprünglich von Etruskern
beherrschte, von 955 bis 1799 zum Heiligen römischen Reich zählende, zwischen
Tiber, Mittelmeer und Apennin gelegene Landschaft in Italien (Florenz, Pisa,
Siena). Seit 1765 ist sie mit Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur
unter Maria Theresias Sohn Leopold, in der bedeutsame aufgeklärte Gesetzesvorhaben
entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter
Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie
anstrebenden →Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus
dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich
wird, 1786 Strafgesetzbuch „Leopoldina“ ohne Majestätsverbrechen, Folter,
Todesstrafe und Schuldhaft). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien
und damit mit →Italien (1861) vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P.,
Großherzogtum Toskana, 1957; Wandruszka, A., Leopold II., 1963ff.; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codex diplomaticus
Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F., Die Habsburger
in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf,
G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des
Patriziats, 1999; Schlosser, H., Die Leopoldina, 2010; Punta, I. del, Guerrieri,
Crociati, Marcanti - I Toscani in Levante, 2010
Totalitarismus ist die im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige
Unterdrückung angelegte Herrschaftsform (z. B. Bolschewismus, Faschismus,
Nationalsozialismus).
Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus
und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.;
Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner,
A. u. a., 1997; Totalitarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus
im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen Politik und
Religion, hg. v. Hildebrand, K., 2003
Tote Hand ist
die Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das von ihnen erlangte
Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen
schon in den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh. verschwindet die
vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand,
1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990
Totenglaube
Lit.: His, R., Der Totenglaube in
der Geschichte des germanischen Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht
und Totenglauben bei den Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274
Totenteil →Freiteil
Lit.:
Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297;
Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926
Toter ist der
gestorbene Mensch.
Lit.:
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936
Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)
Totschlag ist
die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher
vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die
Verpflichtung zur Leistung von →Wergeld, später eine →Strafe nach
sich. In Österreich ist Totschlag die Tötung eines (anderen) Menschen in einer
allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne
in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und
Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG
GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992;
Sonnen, W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des
historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische
Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und
Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002;
Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Linka, K., Mord und
Totschlag, 2008; Phillips, D., Avengers of Blood, 2008
Totteilung ist
in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige Aufteilung des Gutes einer →Gesamthand
an ihre Mitglieder.
Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der
germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264
Tötung ist
die Verursachung des →Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen.
Unterschiedliche Formen eines Tötungsdelikts sind insbesondere →Mord, →Totschlag,
Kindestötung und fahrlässige T.
Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die
Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v.
Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der
Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Schnyder, S., Tötung und
Diebstahl, 2010
Toul an der
Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker, wird im 4. Jh. im römischen
Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das ostfränkische Reich, 1552/1648
trotz der im 13. Jh. errungenen Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) an
Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur le
droit urban de Toul, (in) Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273;
Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi,
2006
Toulouse
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 143
Tourismus
Lit.:
Türkis, B., Innsbrucker Tourismusgeschichte, 2010
Tours an
der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh.
Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T.
eine Formelsammlung bekannt.
Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886;
Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher
Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de
Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985
Tractatus (M.) de iuribus incorporalibus (lat.) ist der am 13. 3. 1679 vom Landesfürsten selbständig erlassene Teil des
österreichischen Landrechtsentwurfs von 1654 über das Verhältnis von
Grundherren und abhängigen Bauern (Einschränkung der Robot und des Ehebewilligungsrechts
des Grundherrn).
tractoria (lat.-afrk.)
Reiseverpflegungsrecht
Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8
(1928), 69
Traditio (lat.
[F.], zu lat. trans über und lat. dare geben) ist bereits im altrömischen Recht
die formlose →Übergabe einer →Sache auf Grund einer Zweckabrede
wie Erfüllung, Kauf oder Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch
unscharf. Nach der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter ist
t. meist der (lat.) →modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Bei der t. longa
manu (langer Hand) liegt noch keine Ergreifungshandlung vor, sondern nur eine
sichere Möglichkeit, bei der t. brevi manu (kurzer Hand) hat der Erwerber
bereits Besitz, bildet nunmehr aber Besitzwillen, während der Veräußerer ihn
aufgibt.
Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta,
1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the
transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und
traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984
traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen,
P., 1977
traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Tradition ist
das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter
die Übergabe eines Gegenstands in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw.
die sie verkörpernde →Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die
Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.
Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4,
81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O.,
Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F.,
Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel
rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das
Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung
durch Kaufvertrag, 2002; Die innovative Kraft der Tradition in der frühen
Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007
Traditionsbuch →Tradition
Träger
Lit.: Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975
Traktat (M.)
Abhandlung
Lit.:
Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft
vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; 402
Transactio (lat.
[F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede, einen Streit oder eine
Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges Nachgeben zu beenden (→Vergleich),
nur ein Fall des vereinbarten →Erlasses.
Lit.: Kaser § 53 II 3c
Transcriptio (lat.
[F.]), transscriptio, ist im klassischen römischen Recht der beim nur
kurzzeitig üblichen →Litteralkontrakt die →Obligation begründende
Schriftakt.
Lit.: Köbler, DRG 45
Translatio (F.) imperii (lat.) (Übertragung der Herrschaft) ist die Vorstellung
von der Übertragung der von den Römern (und später oströmischen Griechen)
innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf den fränkischen König (Karl
den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen.
Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958;
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987
Transleithanien ist (1867-1918, nichtamtlich) die jenseits der Leitha gelegene ungarische
Reichshälfte Österreich-Ungarns (Länder der Stephanskrone, Ungarn, Siebenbürgen,
Kroatien-Slawonien, Fiume) im Gegensatz zu Cisleithanien/Zisleithanien.
Transmissio (lat.
[F.], Übersendung) ist im klassischen römischen Recht der Übergang der erbrechtlichen
Befugnisse des den Erblasser überlebenden, aber vor dem Erbschaftserwerb
versterbenden Berufenen auf seinen Erben, im spätantiken römischen Recht die
Vererbung des Rechtes des Außenerben auf seine Erben.
Lit.: Kaser § 72 IV
Transport ist die Beförderung von Menschen oder
Waren von einem Ort zu einem andern Ort.
Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende →Werkvertrag.
Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag,
1987
Transsilvanien →Siebenbürgen
trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei
geben
Lit.: Kaser § 15 II 3
Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zur Zahlung
anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare →Wechsel.
Trauung (1353) ist die Form der →Eheschließung. Sie entwickelt sich
aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt
dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf
der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die
→Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot
(1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875
erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die
Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem →Standesbeamten (Zivilehe).
Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung,
1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und
Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition
und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P.,
Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe,
ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG
GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Haibach,
U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung und
Trauung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Trennung (1486, Trennungsgrund 1819) ist die Auflösung einer bisherigen Einheit
durch Aufteilung.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Trennung von Justiz und Verwaltung →Gewaltenteilung
Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung geforderte Lösung der seit 380
n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und Christentum. Die T. v. S. u. K.
wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949
in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest im Grundsatz (anders z. B.
Kirchensteuer) verwirklicht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v.,
Staatskirchenrecht, 3. A. 1996
Trennung von Tisch und Bett (lat. separatio a toro et mensa) ist im Kirchenrecht die tatsächliche
Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Aufrechterhaltung der
rechtlichen Bindung.
Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei gleichlautende Urteile, gegen dessen
letztes nach römisch-kanonischem Recht keine →Appellation mehr erhoben
werden kann.
Lit.: Weitzel, J.,
Der Kampf um die Appellation, 1976, 169
Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)
trespass (engl.
[N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff, Beschädigung
Treue ist
die innere feste Bindung eines Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken.
Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit
ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte
steht zum Staat in einem besonderen Treueverhältnis.
Lit.: Hübner;
Kroeschell, DRG 2, 3; Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896;
Schwerin, C. v., Die Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323;
Puntschart, P., Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA
26 (1905), 165; Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrags, 1914;
Hueck, A., Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W.,
Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W.,
Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England, 1952; Graus, F.,
Über die sog. germanische Treue, 1959; Rejewski, H., Die Pflicht zur
politischen Treue, 1973; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der
Treueleistung, 1976; Fikentscher, W., De fide et perfidia, 1969; Halmen, R.,
Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Nörr, D., Die Fides im römischen
Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen
deutschen Recht, 1995, 157, 183; Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung,
2002; Schneider, N., Uberrima fides, 2004
Treubruch ist der Bruch der zugesagten oder
erwarteten Treue.
Lit.: Illmer, F., Treubruch,
Verrat und Felonie im deutschen Strafrecht, 1937
Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga am ehesten aus
dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die
Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes. →Gottesfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101
Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König
Heinrich (VII.) erreichter →Landfriede (für das Reich?).
Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952
Treuhand (1663, Treuhänder 1350) ist das
Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein
Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf Grund einer
schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz oder
teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T. ist
dem klassischen römischen Recht (als fiducia) bekannt (Vormund, Pfleger). Sie
tritt in einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht
(Affatomie, Testamentsvollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem
19. Jh. wird daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, die vom
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Dabei
wird der treuwidrig handelnde Treuhänder dem Treugeber schadensersatzpflichtig,
doch sind seine gutgläubigen Dritten gegenüber durchgeführten Verfügungen
wirksam. Im englischen Recht ist der →trust bedeutsam.
Lit.: Kaser §§ 11
III, 52 I 3, 54 I; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze,
A., Die langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG
GA 28 (1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907;
Beyerle, F., Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten,
G., Die Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der
Träger als Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der
Treuhand, 1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G., 1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 2013
Treuhandanstalt ist die zum 1. 6. 1990 1990 nach dem Beitritt der →Deutschen
Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschaffene, zum 31. 12.
1994 aufgelöste Anstalt zur Überführung von Volkseigentum in Privateigentum (7984
volkseigene Betriebe, 53,8 Prozent Privatisierungen, 39,6 Prozent
Stilllegungen, 13,1 Prozent Rückgaben an frühere Berechtigte).
Lit.: Köbler, DRG 249; Laabs D., Der
deutsche Goldrausch
Treu und Glauben ist der Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich und
anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) →bona
fides (F.), die im römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu
beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen.
Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) entwickelt sich T. u.
G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1;
Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann,
K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel „Treu und Glauben“
in Gesetz und Rechtsprechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und
Glauben, 1974
Trialismus ist
in Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn
(1867) einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil
zu schaffen (z. B. 1871 Böhmische Fundamentalartikel).
Lit.: Baltl/Kocher
Trianon (bei Paris) ist der Ort des 1920 das Königreich Ungarn aufteilenden Friedensvertrags.
Tribonian (?-541/3?,
oder um 545?) ist der aus Kleinasien (Pamphylien) stammende griechischsprachige,
unter →Justinian zu hohen Ämtern (533-535 Kanzleileiter, 529-533 und
535-542 Justizminister bzw. quaestor sacri palatii) aufsteigende, oströmische
Rechtskundige. Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den →Codex,
seit 530 Mitglied einer Kommission für die →Digesten. Außerdem verfasst
er mit zwei anderen Rechtslehrern die →Institutionen.
Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978
tribunicia postestas (lat. [F.]) tribunizische Gewalt
tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun
Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
tribus (lat. [F.]) Abteilung der Bürgerschaft Roms (Volksversammlung)
tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer
Lit.: Köbler, DRG 32
Tridentinum (lat.
[N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563 tagende 19. allgemeine Konzil
der katholischen →Kirche. Es versteht sich als (Gegen-)Reformkonzil und
stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der
Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Allgemein sieht es das
Kirchenrecht normativ als Rechtsordnung mit dem Papst als alleinigem
Gesetzgeber.
Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd.
1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Jedin, H.,
Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und
die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001
Trient an
der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh.
Sitz eines Bischofs, der 1004/1027 Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich
dort →Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an →Tirol, 1919 mit
Südtirol an →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die
ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902),
83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K.,
Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996;
Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel,
E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001; Bettoti, M., La
nobilità trentina, 2002; Lorandini, C., Famiglia e impresa, 2006
Trier an
der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und
entwickelt sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60000-70000
Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im
13. Jh. Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste
Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein
wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am
einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes
Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816
gelangen die meisten Güter an →Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in
Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer
Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer,
J., Studien zur Geschichte der Trierer Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur
Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier, hg. v.
Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften
der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R.,
Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des
Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts,
1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H.,
Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk
Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier
im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998;
Petzold, M., Das Pontifikat Erzbischofs Boemunds II. von Trier (1354-1362),
1999, 2. A. 2007; Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero von Montreuil,
2006; Clemens, G., Geschichte der Stadt Trier, 2007; Brommer, P., Kurtrier am
Ende des alten Reichs, 2008; Morscheiser-Niebergall, J., Die Anfänge Triers,
258
Triest an der oberen Adria (104 v. Chr. Tergeste, Marktort) ist seit dem 6. Jh.
Sitz eines Bischofs und gelangt 774 an das fränkische Reich, 1202/1203 an
Venedig, 1382 freiwillig an Habsburg, (1809-1814 Herrschaft Napoleons, 1849/1850
reichsunmittelbare Stadt Österreichs,) 1867 zum Kronland Küstenland Österreichs
und 1919 an Italien.
Trifels bei
Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und
1273 die →Reichskleinodien aufbewahrt werden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der
Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939;
Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971; Seebach, H., Kleine Geschichte
des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009
Trift
Lit.: Herold, H., Trift und
Flößerein in Graubünden, 1982
Triftrecht →Trittrecht
trinoctium (lat.
[N.]) Zeitraum von drei Nächten
Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22
Tripartitum opus (N.) iuris consuetudinarii enclyti
regni Hungariae (lat., dreiteiliges Werk des
Gewohnheitsrechts des berühmten Königreichs Ungarn) ist die Rechtsaufzeichnung
des ungarischen Gewohnheitsrechts durch Istvan Werböczy von 1514, die bis
zum Zivilgesetzbuch Ungarns von 1960 von Bedeutung bleibt.
Lit.:
Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
tripertitum (lat.
[N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln
des römischen Rechtes
Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29
Trittrecht,
Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das Treiben von Vieh
(Viehtriebsrecht).
Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Trivium (lat. [N.] Dreiwegiges) sind Grammatik, Dialektik und Rhetorik innerhalb
der sieben freien Künste (lat. artes liberales).
Trizone ist
das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen Besatzungszone an die
Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende
Gebiet des →Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
245
Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius, aestimatum) ist der bereits dem
römischen Recht bekannte Vertrag (Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb
einer bestimmten Zeit entweder ein Preis für eine übergebene Sache geliefert
(Mehrerlös verbleibt dem Trödler) oder die übergebene Sache zurückgegeben
werden soll.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der
Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Troja (Troia) ist der
Schauplatz des von dem griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen
Kriegs zwischen Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann)
auf dem 20 Meter hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei, ?) in zahlreichen
Siedlungsschichten (ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und
Silberfunden (Schatz des Priamos)
ergraben wird.
Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger,
D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der neue Streit um
Troia, hg. v. Ulf, C., 2003; Der Traum von Troia, hg. v. Zimmermann, M., 2006;
Jahn, S., Der Troia-Mythos, 2007; Strauss, B., Der trojanische Krieg, 2008; Lag
Troia in Kilikien?, hg. v. Ulf, C. u. a., 2010; Kolb, F., Tatort Troia, 2010
Tromsö im
nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt.
Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine Universität.
Truchsess oder
→Seneschall ist der mit der Verpflegung des fränkischen-deutschen Königshofs
betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der
Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen
Höfen ein T.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke,
I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener,
W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Trucksystem ist
im 19. Jh. von England kommend das System der Entlohnung eines Arbeiters mit
vom Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen
Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh. unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Trunkenheit ist
der durch reichlichen Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird
seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft.
Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht,
1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck
1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im
Mittelalter, 2002
trust (M.)
Treuhandverhältnis, →Treuhand
Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Wolff,
J., Trust, 2005
trustis (lat.-afrk.
[F.]) Schar, Anhang, Gefolge
Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976;
Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie
1974, 534
Tryphoninus, Claudius,
römischer Rechtskundiger Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten
überlieferte Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische
Anleitung)
Lit.:
Fildhaut, K., Die libri disputationum des Claudius Tryphoninus, 2004
Tschechien ist der im Westen um Prag gelegene, schechische
Teil der 1993 aufgelösten Tschechoslowakei,
der zum 1. 1. 2014 ein neues Bürgerliches Gesetzbuch und ein Gesetz über Körperschaften in Kraft
setzt..
Lit.: Antologie české právní vědy (Antologie der
tschechischen Rechtswissenschaft), 1993; Krupar, M., Tschechische juristische
Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts, 2011
Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten →Böhmen
und →Mähren sowie Schlesien und Oberungarn unter zwangsweisem Einschluss
der dort lebenden Deutschen gebildete, sich am 29. 2. 1920 eine Verfassung
gebende, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte
und danach annektierte (Protektorat Böhmen und Mähren), 1945 unter Aussiedlung
und Vertreibung der Deutschen (ohne Karpathorussland) wiederhergestellte,
1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte (Verfassung vom 9. 5.
1948, 1968 Prager Frühling), 1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in
Tschechien und die Slowakei aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23%
Deutschen und 22% Slowaken, 1920 Verfassungsgericht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 220, 223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd.
1ff. 1921ff.; Vaněček, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter
des Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen
Republik 1918-1965, 1966; Česká
narodní rada, sněm českého lidu (Der tschechische Nationalrat,
Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet v. Vaněček, V., 1970;
Maly, K.,
Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der
tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von
1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, (in)
Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie
1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die
Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen
in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und
Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v. Sommer, P.,
2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die Beneš-Dekrete,
2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete, 2002; Payrleitner,
A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G., Rechtstschechisch, 2003; Koralka,
J., Frantisek Palacky, 2007; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der
Tschechoslowakei, 2009; Schelle, K. u. a., Grundriss der tschechoslowakischen Rechtsgeschichte, 2009; Rechtswissenschaft in
Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Haslinger, P., Nation unfdTerritorium im
tschechischen politischen Diskurs 1880-1938, 2010; Zukunftsvorstellungen und
staatliche Planung im Sozialismus, hg. v. Schulze Wessel, M. u. a., 2010;
Capkova, C. u. a., Unsichere Zuflucht, 2012; Edvard Beneš Vorbild und Feindbild,
hg. v. Konrád, O. u. a., 2013; Tauchen, J./Kazda,
J., Bibliografie vybraných právnických časopisů a sborníků
1918-1989. Bibliographie ausgewählter tschechoslowakischer juristischer
Zeitschriften, Festschriften und Sammelbände 1918-1989. Masarykova univerzita,
2013. CD
Tübingen am
Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an
Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet (Stadtrecht von 1493 teils
aus Nürnberg, teils aus Stuttgart übernommen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Schöttle, G., Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8
(1905), 1; Hermelink, H., Matrikeln der Universität Tübingen, Bd. 1 1906; Haller,
J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz,
W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R.,
Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Conrad, E., Die Lehrstühle der Universität
Tübingen und ihre Inhaber 1477-1972, 1960 (ungedruckt); Schanz, W., Das
Tübinger Stadtrecht von 1493, 1963; Richter, G., Die Insignien der Universität
Tübingen 1964; Jänichen, H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um
Tübingen und Rottenburg im 11. und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger
Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die
Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger
Steuerlisten, hg. v. Rau, R., 1970; Kuhn, W., Die Studenten der Universität
Tübingen zwischen 1477 und 1534, 1971; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät
1477-1534, 1972; Sydow, J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H.,
Die Tübinger Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975;
Sieber, E., Stadt und Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849,
1975; Festschrift 500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v.
Decker-Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger
Juristenfakultät, hg. v. Elsener, F., 1977; Adam,
U., Hochschule und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v.
Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach,
1981; Die Pfalzgrafen von Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981;
Pill-Rademacher, I., .. zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch
(1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente
Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und
städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und Werk des Tübinger
Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003; Tübinger Professorenkatalog,
hg. v. Lorenz, S., Bd. 1, 1 Die Matrikel der Magister und Bakkalare der
Artistenfakultät 1477-1535, 2006; Daniels, M., Geschichtswissenschaft im 20.
Jahrhundert, 2009; Die Universität Tübingen im Nationalsozialismus, hg. v. Wiesing,
U. u. a., 2010
Tübinger Rechtsbuch
ist der in acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge aus dem
Gesetzgebungswerk →Justinians enthaltende, vielleicht um 1160 im Dauphiné
entstandene Rechtstext.
Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft,
1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Tudor ist
das seit 1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den
Königsthron →Englands erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I.
1558-1603).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts,
2004
Tuhr,
Andreas von (St. Petersburg 1864-Zürich 1925), Juristensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig (Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer
in Basel (1891), Straßburg (1898) und Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der
allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts“.
Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257;
Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938
Tulln
Lit.:
Profile einer landesfürstlichen Stadt, hg. v. Ramharter, J., 2012
Tür ist der
bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude oder einen Raum. Die T. kann
als Rechtssymbol verwendet werden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Turin in
der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über
Langobarden und Franken kommt T. 1048 an →Savoyen. Seit 1136 entwickelt
sich städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird
eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.
Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a.,
1993
Türke ist
der Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus
Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, seit dem Ende des 8. Jh.s zum →Islam
übertretenden, im 11. Jh. unter den →Seldschuken nach Kleinasien (1071
Sieg über Byzanz) eindringenden Turkvolks. Im 13. Jh. wird das von den
Seldschuken gebildete Reich von den Mongolen zerschlagen, doch werden die
Türken im 14. Jh. unter den →Osmanen (Osman I. 1288?-1326) von
Nordwestanatolien aus geeint. Am 29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und
danach in Istanbul (Est in Polis) umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien.
Unter dem Vorderasien, Nordafrika, den Balkan und die Südukraine beherrschenden
Sultan Suleiman, dem Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie
ein Gesetz über Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zur Abwehr der Türken
versucht das Heilige römische Reich mehrfach erfolglos, Steuern zu erheben. Seit
1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken allmählich aus Europa wieder
zurückgedrängt (→Griechenland, Bulgarien, Walachai, Moldawien, Serbien,
Bosnien, Herzegowina, 1683-1699 Rückeroberung Ungarns durch Habsburg). 1718
anerkennt der Kaiser des Heiligen römischen Reiches den seit 1453
beanspruchten kaiserlichen Rang. Am 3. 11. 1839 verspricht der Sultan im Erlass
von Gülhane (eine Art Verfassung) in freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die
Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes entsprechender Bestimmungen
(Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild des Code de commerce, Strafgesetz 1858,
Handelsprozessordnung 1860, Seehandelsgesetz 1864, Strafprozessordnung
1880, Zivilprozessordnung 1881). Im ersten Weltkrieg verbündet sich die Türkei
mit dem deutschen Reich und Österreich-Ungarn. 1916 ruft sich der Emir von
Mekka mit Unterstützung Großbritanniens zum König Arabiens aus. 1917
verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina und Syrien ab.
Die Türkei wird teilweise von den Alliierten besetzt. Eine Befreiungsbewegung
unter dem General Mustafa Kemal Pascha (Atatürk, Präsident 1923-1938) verlegt
die Hauptstadt nach Angora. 1922 wird der Sultan abgesetzt. Am 23. 10. 1923
wird Angora in Ankara umbenannt. Am 29. 10. 1923 wird in der Türkei die →Republik
ausgerufen. Schrift (Lateinschrift), Maßsystem, Kalender, Wochensystem,
Kopfbedeckung und Stellung des Islam im Staat werden verwestlicht, das
Privatrecht (Einehe) unter Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuchs (1925)
völlig neu geregelt. Seit 1964 bemüht sich die 1952 der Nordatlantischen
Verteidigungsorganisation beitretende Türkei um den Zugang zur Europäischen
Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (2005 Beitrittsverhandlungen begonnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131;
Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die
frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v.
Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v.
Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bosporus, 1998; Steinbach, U.,
Geschichte der Türkei, 2000; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v.
Guthmüller, B. u. a., 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002;
Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Höfert, A.,
Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“, 2003; Matschke, K., Das Kreuz und der
Halbmond, 2004; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz,
M., 2005; Krieger, E., Die Europakandidatur der Türkei, 2006; Vásáry, I.,
Turks, Tatars and Russians, 2007; Kaurmann, T., Türckenbüchlein, 2008; Türkenangst
und Festungsbau, hg. v. Heppner, H., 2009; Bürger, C., Türkei ante portas, 2009;
Ottomanus, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2009; Friedrich, M., ,Türken’ im alten
Reich, HZ 294 (2012), 329
Türkei →Türke
Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der
Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze,
W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess,
1984; Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Seufert, G./Kubaseck, C., Die
Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005; Carnevale, R. u.
a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005; Revolution islamischen Rechts - 80
Jahre schweizerisches ZGB in der Türkei, hg. v. Kieser, H. u. a., 2008; Zick,
M., Türkei - Wiege der Zivilisation, 2008; Kramer, H. u. a., Die Türkei und
Europa, 2008; Günay, C., Geschichte der Türkei, 2009; Plagemann, G., Von Allahs
Gesetz zur Modernisierung per Gesetz, 2009; The Cambridge History of Turkey,
hg. v. Fleet, H., Bd. 1 2009; Marek, C., Geschichte Kleinasiens in der Antike,
2010; The Oxford Handbook of Ancient Anatolia (10000-323 B. C. E), hg. v.
Steadman, S. u. a., 2011; Tröndle, D., Mustafa Kemal Atatürk, 2012;
Plaggenborg, S., Ordnung und Gewalt, 2012; Günay, C., Die Geschichte der
Türkei, 2012
Turku (Abo)
in →Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines
Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird eine 1828
geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Akademie) eingerichtet, an
der seit 1773 auch der bekannteste finnische Rechtswissenschaftler Matthias
Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher Professor der juristischen
Fakultät lehrt.
Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917
Turnier (N.)
ritterliches Kampfspiel im Mittelalter
Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v.
Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989
turpitudo (lat.
[F.]) Schändlichkeit
Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2
Tutela (lat.
[F.]) ist im römischen Recht die →Vormundschaft (tutela mulierum, Geschlechtsvormundschaft
über Frauen, seit der jüngeren Republik zurückgedrängt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58 IV 6a,
62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW
Tutor (lat.
[M.]) ist schon im altrömischen Recht der →Vormund. Ihn erhalten der
nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben
bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine
treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte
bedürfen zur Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.] →auctoritas) des t.
Tutor (tutor legitimus) ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder,
Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser.
Der Hausvater kann im Testament einen vorgehenden t. (tutor testamentarius) bestimmen,
der die Übernahme ablehnen kann. Fehlt ein gesetzlicher t. und eines
testamentarischer t., wird nach der lex Atilia (210 v. Chr.) ein t. bestimmt.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57
Twing →Bann,
Zwang
Typenzwang ist
die Bindung an bestimmte vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassischen
römischen Recht besteht bei den Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im
spätantiken, weströmischen Recht (Vulgarrecht) aufgegeben wird (Typenfreiheit).
In der frühen Neuzeit wird die Typengebundenheit des römischen Rechtes nicht
übernommen. Dagegen geht das Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer
geschlossenen Zahl von möglichen Rechtsverhältnissen aus, ebenso das
Familienrecht.
Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H.,
Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270;
Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Tyrann ist
der in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.
Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter,
1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große
Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et
tyrannicide, 2001; Jendorf, A., Der Tod des Tyrannen, 2012
Tyrnau (in der Westslowakei)
Lit.:
Mestská kniha príjmov trnavskej farnosti, hg. v. Rábik, V., 2006; Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
U
Überbau ist
die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines →Grundstücks. Der Ü.
muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet werden. Im Übrigen hat der
Eigentümer des überbauten Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der
Verletzung seines Eigentums. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt
weitergehend jeden rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen
Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechtswidrigen Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff,
M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141
(1935), 183
Übereignung (1663) ist die Übertragung des →Eigentums
an einer →Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res
(F.) mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) →mancipatio, sonst
durch (lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. →sala
(Gabe) und giwerida (→Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis
zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die
Eintragung in →Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der
Sachsenspiegel (1221-1224) erfordert für die Ü. von Eigen und Leuten →Erbenlaub
und Vornahme vor Gericht. Nach →Accursius († vor 1263) wird wohl Eigentum
übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa
traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt sich
die Lehre vom (lat.) →modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch, doch
entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die
Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). →Savigny
entwickelt demgegenüber den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der →Einigung
(abstrakte Einigung und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900), so dass zur Ü. ein dinglicher Vertrag
und eine Übergabe erforderlich sind, die gegenüber einem schuldrechtlichen
Grundgeschäft (z. B. Kauf, Schenkung) abstrakt sind. Bei Grundstücken wird die
→Eintragung in das Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). →Abstraktion
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163,
174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im
ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der
Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung,
Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973;
Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur
naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder
abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum
transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der
Geschichte, (in) Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Überfall ist
im Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück
hinüberfallende →Frucht. Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den
Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse
(14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den
Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Übergabe (Nürnberg 1479/1484) ist die
Verschaffung des unmittelbaren →Besitzes (oder der bloßen Herrschaftsgewalt
bei Fehlen eines Besitzwillens) an einer Sache durch Übertragung der
tatsächlichen Herrschaftsgewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die →Eigentum
verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie hat für
die Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Bei
formloser Ü. einer Manzipiumssache (lat. [F.] res mancipi] erlangt der Erwerber
nur bonitarisches, nicht ziviles Eigentum. Nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung
(dinglicher Vertrag) und Ü. oder Übergabesurrogat (z. B. Besitzkonstitut,
Übergabe kurzer Hand) verschafft.
Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G.,
Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat,
1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Übergang (um 765 belegt) ist das Überschreiten einer bisherigen Grenze und der
dafür vorgesehene Weg.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Überhang ist
der von einem Nachbargrundstück herüberragende Zweig oder die von dort
eingedrungene Wurzel. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte Nachbar
vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst handeln. Nach
dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zum Schaden des Nachbarn über
die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Regelungen gewährt das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn einen
Beseitigungsanspruch, der durch →Selbsthilfe verwirklicht werden kann.
Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Überküren (afries.
urkera) sind 7 neue →Küren des friesischen Rechtes, die u. a. die
Verfassung des Bundes von →Upstallsbom enthalten.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840;
His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57
(1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f.
1981
Übermaßverbot ist das den Staat betreffende Verbot,
seine Rechte stärker zu Lasten der Bürger zu nutzen, als dies zur Erreichung
des angestrebten Zweckes notwendig ist.
Lit.: Remmert, B., Verfassungs-
und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995
Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines
fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch,
dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende Rechtswirklichkeit
überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird
und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen
lateinischen Wortes (z. B. frühmal. lat. civis) kann dabei dadurch erleichtert
werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums (z.
B. lat. civis) durch Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog.
Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt (z. B. ahd. gibur).
Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P.,
Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum
Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984;
Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G.,
Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996
Übersiebnen ist
den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen im Mittelalter. Die
Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern
zurückgehen. Das Ü. findet bei →handhafter Tat und →landschädlichen
Leuten statt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der
schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens,
FS L. Carlen, 1989, 211
Übertragung (1486) ist der gewillkürte
Übergang eines Rechtes oder einer Rechtsstellung auf einen anderen Menschen
oder auch eine andere Person. →Übereignung, →Abtretung, →Einigung,
→Übergabe
Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die
Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG
GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276;
Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d.
Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Übertretung ist
zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird
im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung
des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von
der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht
sie als (franz. [F.]) contravention neben →Verbrechen und →Vergehen.
Nach →Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die
Ü. wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes
Recht der →Ordnungswidrigkeit überführt.
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f.
1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd.
1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987
Überweisung
Lit..
Djazayeri, A., Die Geschichte der Giroüberweisung, 2011
Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat verpflichtet
oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner Überzeugung kann
er milder bestraft werden.
Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter,
1975
Ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert
das Gesetz seine Gültigkeit.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie
heraus.
Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es
(auch) Recht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cocceji, H. v., 1644-1719)
Uelzen
Lit.: Urkundenbuch der Stadt
Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988; Vogtherr, T., Uelzen, 1997; Vogtherr, H.,
Tile Hagemanns Uelzen, 2009
Ukraine ist
das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen →Polen und →Russland
geteilte, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem am 19.
11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird. Danach wird innerhalb
der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der →Sowjetunion
als flächenmäßig zweitgrößter Staat (bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat)
Europas wieder verselbständigte U. eine demokratische Verfassung.
Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine,
1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der
Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue
Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923,
2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa,
hg. v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N.,
2005; Investitionsführer Ukraine, 2006; Dietsch, J., Making Sense of Suffering,
2006; Hülshörster, S., Recht im Umbruch, 2008; Golczewski, F., Deutsche und
Ukrainer 1914-1939, 2009; Snyder, T., Der König der Ukraine, 2009; Rechtswissenschaft
in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Die Ukraine auf dem Weg nach Europa,
hg. v. Besters-Dilger, J., 2011; Schnell, F., Räume des Schreckens. Gewalt und
Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905-1933, 2012; Schaller, H., Ukrainistik in
Europa, 2013
Ulm an der
Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im 13. Jh. (1258?, 1274?) →Reichsstadt.
Sein 1376 im Roten Buch aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte
verliehen. 1810 fällt U. an →Württemberg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt
Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes
der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt
Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms,
Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30 (1937),
1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G., Die
Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956; Hannesschläger,
K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956; Kleinbub, M., Das
Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt
Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im 18. Jahrhundert,
1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm,
1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann,
H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium der Policeyordnungen
der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a., 2007; Scholl, C., Die
Ulmer Judengemeinde im späten Mittelalter, 2013; Herkle, S., Reichsstädtisches
Zunfthandwerk, 2014
Ulpian (Ulpianus),
Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223 [ermordet]) ist Schüler und wie →Paulus
vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten →Papinian(us), danach
Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222 Getreidepräfekt.
Die →Digesten, die zu fast einem Drittel aus (mehr als 2400) Ulpianfragmenten
bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den
unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen wiederzugeben
und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen
versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher
die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus,
29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl.,
Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones
(F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U.
stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) →iustitia est constans et
perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec -
honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist
der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechtes
sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben).
Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum
(öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird
U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen
Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen
verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem
Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.
Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré,
T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987
Ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können hinaus wird niemand verpflichtet.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Umbrien ist
die mittelitalienische Binnengebirgslandschaft, die in der Völkerwanderung von
den Römern an die Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an
den →Kirchenstaat. 1860 geht es in →Italien auf.
Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982;
Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995
Umdeutung ist
die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein
anderes, nicht gewolltes, aber in seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges
Rechtsgeschäft. Die U. erscheint verschiedentlich bereits im römischen Recht.
Lit.: Kaser § 9 I 3
Ume, Kenjirô
(1860-1910), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889)
und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890 Professor in Tokio. Er verfasst mit
Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch →Japans von 1896/1898 und mit
anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar
zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er
gilt als bedeutendster Jurist Japans.
Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917;
Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992
Umfahrt ist
die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen
Frühmittelalter (z. B. 533). →Umritt
Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899; Schneider,
R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die Huldigung der
Untertanen, 1991
Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck
erreichen wollen, den sie wegen des Verbots oder der Folgen eines anderen Geschäfts
mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U. ist
bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das →kanonische
Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte
(z. B. lat. [F.] →in iure cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig,
setzt sich aber in manchen Fällen durch.
Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im
Zivilrecht, 2004
Umritt ist
der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter
(z. B. 508, 1024). →Umfahrt
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv.
A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, (in)
Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der
Untertanen, 1991
Umsatzsteuer ist
die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen
und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher
überwälzte →Verbrauchsteuer. In Bremen wird sie 1862 als Ersatz der
Akzise zum 1. 1. 1863 eingeführt (bis 30. 6. 1884). Mit Gesetz vom 30. 6. 1864
erheben die Vereinigten Staaten von Amerika nach ersten Vorläufern von 1862 (3
Prozent) eine allgemeine U. zur Beseitigung der durch den Sezessionskrieg
ausgelösten Finanznot (Produktionssteuer, 5 Prozent, bis 1870 weitgehend
aufgehoben). Im Deutschen Reich wird durch das Gesetz über einen
Warenumsatzstempel vom 26. 6. 1916 (u. a. Johannes Popitz) ein Vorläufer der U.
geschaffen. Dem folgen nach einer Verordnung des Bundesrats vom 2. 5. 1918 das
wegen der Finanznot des Deutschen Reiches geschaffene Umsatzsteuergesetz vom
26. 7. 1918 und das Umsatzsteuergesetz vom 24. 12. 1919 (Frankreich 1917,
Italien 1919, Belgien 1921). Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U. (seit 1. 1.
1968 als Mehrwertsteuer bzw. Allphasennettoumsatzsteuer mit Vorsteuerabzug)
an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis erkennbar ist. →Akzise,
→Ungeld
Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Geschichte
der Umsatzsteuer, 1925; Franke, H., Die Geschichte der Reichs-Umsatzsteuer,
Diss. jur. Köln 1941; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2. A. 1962; Mit dem
Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Gehm, M., Die Entstehung
der Reichsumsatzsteuer, ZRG GA 126 (2009), 235
Umstand ist
im Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit
der Menschen im Frühmittelalter. Das →Urteil bedarf der auch durch
Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon im Frühmittelalter und im Hochmittelalter
(Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße →Öffentlichkeit
aus der Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.
Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Umwelt ist
die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden
Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (genauer seit etwa 1970 bzw.
1969-1975) wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen
durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt
gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B.
Wassergesetz Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland
seit 1975), ein Umwelthaftungsrecht (1991) und ein Umweltschadensrecht (2007)
entwickelt. Im Einzelnen sind dabei für Deutschland bedeutend Abfallbeseitigungsgesetz
1972, Chemikalienrecht 1972/1980, Luftreinhaltung 1974, Gewässerschutzrecht
1975/1976, Waldschutz- und Naturschutzrecht 1975/1976, Stagnation
1977-1986/1989, Integration in das Verfassungsrecht 1990-1997, Umweltverträglichkeitsprüfung
1990, Gentechnikgesetz 1990, Tiere sind keine Sachen 1990, Umwelthaftung
1990, Öko-Audit 1993/1995, Verbandsklage, Kreislaufwirtschaft 1991/1994,
ökologischer Landbau 1991, Beschleunigungsgesetze 1991/1996, Umweltinformationsgesetz
1994, nachhaltigkeitsorientierte Reform im Raumordnungs- und Baurecht 1997,
Bundesbodenschutzgesetz 1998, nachhaltigkeitsorientierte Reform des
Energierechts 1998-2002 sowie unvollendetes Kodifikationsprojekt, für Österreich
Immissionsschutzrecht ab 1973, Forst- und Naturschutzrecht 1975/1976, Atomsperrgesetz
1978, Umwelt-Verfassungsrecht 1984, Abfallwirtschaftsgesetz 1990, Gewässerschutzrecht
1990, als Mitglied der Europäischen Union 1995 Übernahme des europäischen
Umweltrechts, Problem des alpenquerenden Verkehrs, Nachhaltigkeit und Schutz
der Erdatmosphäre und für die Schweiz Natur- und Heimatschutzgesetz 1966,
Umweltschutz als Staatsziel 1971, Gewässerschutzgesetz 1971, Raumplanungsgesetz
1979, Umweltschutzgesetz 1983, Waldgesetz 1991, Alpenschutzartikel 1994,
Revision des Umweltschutzgesetzes 1995, Landwirtschaftsgesetz 1998, Bundesverfassung
vom 18. April 1999, Kohledioxidgesetz 1999 sowie Annäherungen an eine
nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts.
Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die
Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F.
u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G.,
Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher,
T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser,
W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994;
Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende
Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J.,
Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS
1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur –
Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002;
Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V.,
Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen
Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004;
How Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N.,
Deutsche Umweltgeschichte, HZ 283 (2006), 383; Behringer, W., Kulturgeschichte
des Klimas, 2007; Winiwarter, V. u. a., Umweltgeschichte, 2007; Rohr, C.,
Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum, 2007; Mildenberger, F., Umwelt als
Vision, 2007; Landnutzung und Landschaftzsentwicklung im deutschen Südwesten,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2009; Manuelshagen, F., Klimgeschichte der Neuzeit
1500-1900, 2010; Reith, R., Umweltgeschichte der frühen Neuzeit, 2011;
Umweltgeschichte(n) - Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum
Postsozialismus, hg. v. Herzberg, J. u. a., 2013; Schulz-Walden, T., Anfänge
globaler Umweltpolitik, 2013
UN-Kaufrecht
ist das am Ende des 20. Jh.s von den →Vereinten Nationen zur Erleichterung
des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991;
Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378
Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer
bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden
Gewalt). Die U. des Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt
(England 1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch.
Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die
Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der
richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche
Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960;
Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische
Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der
Bundesrepublik und in der DDR, 1999
Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) ist in Österreich der das fehlende Verwaltungsgericht vertretende Entscheidungsträger
über die Rechtmäßigkeit verfahrensfreier (nicht an die Form eines Bescheids
gebundener) Verwaltungsakte. Gegen seine Bescheide ist die Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof möglich.
unbeerbt (nicht
mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)
unbeweglich (Adj., lat. immobilis) ohne Zerstörung nicht bewegbar
Unehelich (1275) ist die durch das Fehlen
einer Ehe gekennzeichnete Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im
römischen Recht ist zunächst das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als
(lat.) persona (F.) sui iuris (Person eigenen Rechtes). Seit der Zeitenwende
wird das uneheliche Kind zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die →Kirche
die Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem
Vater verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat, wobei aber verschiedene
Arten von unehelichen Kindern unterschieden werden können. (z. B. Hurenkinder,
Brautkinder). Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des
unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in
Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940.
1969 wird das Wort u. durch →nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung
inhaltlich verbessert (ab 1970 auch mit dem nichtehelichen Vater verwandt),
doch erfolgt erst zum 1. 4. 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede
(Österreich 1989).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft,
ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder,
1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die
Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG
GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971;
Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem
Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen
Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die
uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg.
v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und
ihr Bastard, 2004; Lochner, D., Das uneheliche Kind im rheinischen Recht, 2006;
Berg, T., Die Entwicklung des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder in
Deutschland vom Inkrafttreten des BGBG bis heute, 2012
Unehrlich ist
die durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen
Recht ist der (lat.) infamis von Prozesshandlungen und Ämtern ausgeschlossen.
In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker,
Totengräber, Bader, Prostituierte). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten
nicht ausüben. Als Folge der Aufklärung verschwindet die äußerliche
Unehrlichkeit (Frankreich 1789).
Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug
und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Oppelt, W., Über die Unehrlichkeit
des Scharfrichters, 1976; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A. 1979; Deutsch,
A., Die Henker, 2001
unerlaubt (1433) vom Recht oder vom Berechtigten nicht erlaubt
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Unerlaubte Handlung
(1789 Hugo, Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem →Schaden
eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann. Die u. H. ist seit
den Anfängen des Rechtes bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor
allem der Körper und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung,
Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeutsame Regelung des Rechtsbereichs
bringt die (lat.) →lex (F.) Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches
Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils
→Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.)
→Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H.
Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie
geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über die Haftung
für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungsgehilfen),
für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst.
Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den
Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H.,
Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des
Deliktrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages,
1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht
der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung,
1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Comparative
Studies in the Development of the Law of Torts in Europe, hg. v. Bell, J., Bd.
1ff. 2012
Unfall ist das
ungewollte, vielfach Schaden verursachende Ereignis.
Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution,
2001
Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften verwaltete →Sozialversicherung
gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie vertritt aus politischen
Überlegungen eine an sich sinnvolle →Gefährdungshaftung des Unternehmers.
Seit 1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des
20. Jh.s sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W.,
Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere
Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169
(1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung,
1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157;
Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische
Unfallversicherung, 2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im
Zivilrecht, 2006
Unfreier ist
der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem →Sklaven
des römischen Rechtes vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt
ihn bereits für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen
selbständigen Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der
Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im
Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist
zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung
der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht
des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich
ist der im Einzelnen unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die →Grundherrschaft
eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung
nach der (Freilassung ermöglichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die
berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und →Bauern
überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen
1807). In England entschärft sich die Unfreiheit bereits seit dem Bauernaufstand
von 1381.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89;
Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881),
83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888;
Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht,
1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920;
Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967),
511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90
(1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der
Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im
Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman,
P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im
spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of Servitude in
Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005
Ungar (Magyar) ist der
Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien östlich des Urals in das
Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes
(Reitervolks), das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8.
955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen
Königs der Ungarn (Stephan I.). 1290 stirbt das Bulgarien, Dalmatien, Galizien,
Kroatien und Siebenbürgen erobernde Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit
mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). (Vor) 1514
erstellt Stephanus →Werböczy eine erstmalige Sammlung des
Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis
durchsetzt, während an den Universitäten (Pécs bzw. Fünfkirchen 1367, aber bald
wieder geschlossen) eine Ausbildung im römischen Recht erfolgt. 1526 fällt das
inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an →Habsburg, doch gelangen
1529/1541 große Teile an die Türken/Osmanen und wird Siebenbürgen weitgehend
selbständig 1683-1699 erobert Habsburg die von Türken beherrschten Gebiete. Zentrale
Verwaltungsbehörde ist die ungarische Hofkanzlei (bis 17. 3. 1848, ab 20. 10. 1860
bis 17. 2. 1867). 1840 wird ein Handelsgesetzbuch geschaffen. Ein Aufstand
gegen die Herrschaft Österreichs wird 1849 mit Hilfe Russlands unterdrückt. Nach
Ansicht Österreichs verwirkt Ungarn durch den Parlamentscbeschluss vom 14. 4. 1849
über die Entthronung der Habsburger und durch die Unabhängigkeitserklärung
vom 19. 4. 1849 seine Verfassung (Verwirkungstheorie), während nach Ansicht
Ungarns die Beschlüsse zwecks Abwehr der Märzverfassung 1849 gerechtfertigt
sind (Rechtskontinuitätstheorie). Von 1853 bis 1861 gilt in Ungarn das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs. 1867 muss →Österreich im
sog. →Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern (Dualismus, 1873
Hauptstadt Budapest, zuvor Pest-Buda). 1878 werden (nach von deutschen Vorbildern
geprägten Entwürfen von 1790, 1830 und 1843) ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein
Strafgesetzbuch über die →Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung
geschaffen. 1895 wird die staatliche Zivilehe eingeführt, womit die Umgehung
des Ehescheidungsverbots Österreichs durch so genannte siebenbürgische bzw. ungarische
Ehen entbehrlich wird. 1918 verselbständigt sich unter Ausrufung der Republik
(Volksregierung unter Graf Mihály Károlyi) das Land als Königreich ohne König,
das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989, Bürgerliches
Gesetzbuch 1959 mit Geltung ab 1. 5. 1960) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft
bzw. Europäische Union (1993) sucht und 2004 findet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220;
Baltl/Kocher; Timon, A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2.
A. (1904 bzw.) 1909; Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531,
1924; Karpat, J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die
mittelalterlichen Verfassungs- und Rechtseinrichtungen der Rumänen des
ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J.,
Ungarn in der Habsburger Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB,
(in) Das ungarische ZGB, 1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, FS H.
Lentze, 1969, 339; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561,
3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der
Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990;
Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger,
P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und
Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns,
1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2,
hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A.
u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte Ungarns, 1999; Les Hongrois et
l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der
ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn, 1999; Fata, M., Ungarn,
2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der
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v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History of Hungary, 2001;
Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K., Deutsche Auswanderer in
Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a 19. században (Die
Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert), 2003 ; Kajtár, I., A 19.
századi magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa – haladás – Magyarország
(Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19.
Jahrhunderts. Europa – Fortschritt – Ungarn), 2003; Adriányi, G., Die
Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der
deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio Hungarica, hg.
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Ungarn →Ungar
Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in
Ungarn nach der Türkenzeit, 1911 Neudruck bzw. 2. A. 1980; Zehntbauer, R.,
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Heymann, E., Das ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn,
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liaisonmen und die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA
118 (2001), 247; Kajtár, I., (Die Grundlagen des modernen ungarischen
Verfassungs- und Rechtssystems des 19. Jahrhunderts), 2003; Németh, I.,
Ungarische Geschichte, 2003; Varga, G., Ungarn und das Reich, 2003; Dalos, G.,
Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M.,
2004; Nationalstaat – Monarchie – Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004;
Voigt, K., Der Schutz nationaler ungarischer Minderheiten, 2005; Bahlcke, J.,
Ungarischer Episkopat und österreichische Monarchie, 2005; Steinberg, G.,
Aufklärerische Tendenzen im ungarischen Strafrecht, 2006; Dalos, G., 1956. Der Aufstand in Ungarn,
2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 978; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg,
hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Ruszoly, J., Institutionelle Grundlagen der
Legislation in Ungarn (1920-1944/45), 2007; Schmidt-Schweizer, A., Politische Geschichte
Ungarns von 1985 bis 2002, 2007; Historische Demographie Ungarns (896-1996),
hg. v. Kristó, G., 2007; Gönczi, K., Die europäischen Fundamente der
ungarischen Rechtskultur, 2008; Pálffy, G., The Kindom of Hungary and the
Habsburg Monarchy, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z.,
2010; Die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn, hg. v. Seewann, G. u. a., 2010;
Koller, M., Eine Gesellschaft im Wandel, 2010; Kastner, G., Ungarn 1956 vor der
UNO, 2010; Balogh, E., Die ungarische Strafrechtskodifikation im 19. Jahrhundert,
2010; Hamza, G., Das römische Recht und die Privatrechtsentwicklung in Ungarn
im Mittelalter (in) Journal on European History of Law 1 (2010), 16; Das Wesen
der Rechtsgeschichte, hg. v. Máthé, G., 2010; Hamza, G., Développement et
codification du droit privé et tradition du droit romain en Hongrie gabor.hamza@ajk.elte,hu ; Tóth, A.,
Rückkehr nach Ungarn 1946-1950, 2012; Carls, W./Gönczi, K.,
Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien, 2013; Markus, A., Die
Geschichte des ungarischen Nationalismus, 2013
ungeboten (ohne
besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. ungebotenes →Ding
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Ungefährwerk ist
die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg im
älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines
Menschen). →Fahrlässigkeit
Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der
Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964
Ungehorsam →Widerstand
Ungeld ist
seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jh. die (vielfach städtische) →Verbrauchsteuer
(z. B. Weinungeld). →Akzise
Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878;
Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer
1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem
Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Knapp, N., Die
Ungehorsamsstrafe in der Strafprozesspraxis des frühen 19. Jahrhunderts, 2011
ungemessen (nicht
durch ein Maß bestimmt)
Unger,
Joseph (Wien 2. 7. 1828-Wien 2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird nach dem Studium
von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar
und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und 1856 in Wien (1857
ordentlicher Professor). Er vertritt die Ansichten der historischen
Rechtsschule. Seit 1870 wendet er sich der Politik zu (bereits 1867 Mitglied
des Herrenhauses auf Lebenszeit). 1869 wird er Mitglied, 1881 Präsident des
Reichsgerichts in →Österreich. Von 1871 bis 1879 ist er Minister ohne
Geschäftsbereich. Er beteiligt sich maßgeblich an der Errichtung des
Verwaltungsgerichtshofs (1876). Sein ursprüngliches Eintreten für ein
Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt sich später in
einen Aufruf zur Revision des österreichischen →Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs durch einzelne Teilnovellen (1914, 1915, 1916 verwirklicht). Seit
1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des Obersten
Gerichtshofs. Sein System des österreichischen allgemeinen Privatrechts wird
mehrfach aufgelegt.
Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef
Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische Schule
der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177; Olechowski, T., Die Einführung
der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999
ungerechtfertigt (1784/1794) nicht durch einen Grund gerechtfertigt
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ungerechtfertigte Bereicherung (1866) ist die nicht durch einen rechtlichen Grund gerechtfertigte
→Bereicherung einer Person (z. B. Leistung auf eine Nichtschuld). Die u.
B. ist nach dem Vorbild des römischen, sie als Quasikontrakt behandelnden Rechtes
(lat. [F.] →condictio) grundsätzlich im Umfang des Empfangenen herauszugeben.
Die Beschränkung der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt
durch →Duarenus (1509-1559), dem →Glück (1755-1831) folgt. Später
wird zwischen Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion (ohne Leistung)
unterschieden, doch werden beide grundsätzlich gleich behandelt.
Lit.: Apathy, P., Der Verwendungsanspruch, 1988; Unjust
Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in
Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der ungerechtfertigten
Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and Texts on Unjustified
Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ungericht (N.)
Unrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des
Sachsenspiegels, 1898
Uniform ist die einheitliche Kleidung vor allem des Soldaten bzw. Amtsträgers der
frühen Neuzeit.
Lit::
Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation, hg. v. Hackspiel-Mikosch, E.
u. a., 2007; Staat Macht Uniform hg. v. Wiggerich, S. u. a., 2011
uniert (Adj.) vereint (z. B. Kirche)
Union (F.)
Vereinigung, →Europäische Union, →Personalunion, →Realunion,
Sowjetunion
unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen, →Einkindschaft
universal (1510, Adj.) allseitig
Universalienstreit ist der philosophische, seit
Platon bekannte, nicht entschiedene Streit darüber, ob Allgemeinbegriffe (Universalien
wie z. B. Mensch, Klasse) wirklich (Realismus) oder nur begrifflich
(Nominalismus) sind.
Lit.: Der Universalienstreit, hg.
v. Stegmüller, W., 1978, Libera, A. de, Der Universalienstreit, 2005
Universalfideikommiss (lat. fideicommissum hereditatis) ist im römischen Recht das zur
Herausgabe des Nachlasses (oder dessen Teile) verpflichtende und damit die
Umgehung des Verbots der Nacherbschaft ermöglichende Fideikommiss.
Lit.:
Manthe, U., Das Senatusconsultum Pegasianum, 1989
Universalsukzession (F., Wort 1814 belegt) ist die Gesamtrechtsnachfolge (z.
B. bei einem Erbfall). Nach römischem Recht folgt der Erbe in das gesamte Recht
des Verstorbenen (lat. successio in universum ius quod defunctus habuerit), so
dass mehrere Erben den Nachlass zu rechnerischen Bruchteilen erben. Demgegenüber
gibt es im deutschen Recht (auch) Sondererbfolgen (z. B. in Hergewäte, Morgengabe,
Familienfideikommiss, Anerbenrecht). Im Laufe der Neuzeit setzt sich die
U. auch auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes mehr und mehr durch und verdrängt
die Sondererbfolgen.
Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr.
v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der
Universalsukzession, 1922; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
universitas (lat.
[F.]) Einheit, Personenverband mit gemeinsamer Willensbildung, vom
Mitgliedervermögen getrenntem Vermögen, handelnden Organen und Rechtsträgerschaft
der Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Vorstufe der juristischen Person
ist bereits dem römischen Recht bekannt (z. B. Staat, Stadt municipium, Verein
collegium)
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und
Rezeption, 1980; Ralf, M., Societas und universitas, 2008
universitas (F.)
rerum (lat.) Sachgesamtheit (z. B. Herde,
Warenlager)
Universität ist
die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh.
erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die
erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→Irnerius,
Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr
1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere
Universitäten umfassen meist neben der einführenden artistischen
(philosophischen) Fakultät (der artes liberales) die drei höheren Fakultäten
Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der
Fakultät ist der Dekan. Als Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und
Kaiser auf, später auch Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische
Universitäten entwickeln sich in →Paris (Statuten von 1215), →Oxford
(nach 1139), →Cambridge (seit 1209), →Montpellier (seit etwa 1170),
→Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, →Padua
(1222) oder →Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349),
Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in →Prag
1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen →Wien
(1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,)
→Heidelberg (1386), →Köln (1388), →Erfurt (1392), (um 1400
europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,) →Leipzig
(1409), →Rostock (1419), →Freiburg im Breisgau (1425), →Greifswald
(1456), →Löwen (1425 bzw. 1457), →Basel (1460), →Ingolstadt
(1472), →Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), →Tübingen
(1477) und →Mainz (1477) (zwischen 1348 und 1510 18 erfolgreiche
Universitätsgründungen im deutschsprachigen Raum, bis 1550 mehr als 300000
Immatrikulierte, 30-50 Prozent mit Prüfung). Die Zahl der Studierenden nimmt
beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich
600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger,
von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000
an den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig,
Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren
Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur
Reformation im Heiligen römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus
Städten stammende - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät,
13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät
und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht
erreichte Grade sind Bakkalaureus, Lzentiat, Magister und Doktor. Die
Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste
reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die
Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit
der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der
Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische
Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung
(1650 Stiftungshochschchule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New
Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1877 Tokio, 1883 Istanbul,
1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden →Halle (1694), →Göttingen
(1734) und →Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal) (um 1800 190 Universitäten
weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet. Im
Verlauf des Jh.s öffnet sich die U. allmählich den Frauen. In der Wertschätzung
stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn, Heidelberg und Göttingen
vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des 20. Jh.s führt zu vielen
Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der Rechtswissenschaft, um
1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen weltweit). Der Anteil
der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird zum Vergleichsmaßstab unter den
verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der Anteil der Frauen an den
Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit deutlicher Verzögerung auch
der Anteil der Frauen an der Professorenschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151,
154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle,
H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die
Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg,
F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des
gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936;
Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB
Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur
Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und
die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972;
Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher
Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978;
Università, Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del
cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und
Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a.,
1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en
France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher,
1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The
Medieval English Universities, 1988; Müller, R., Geschichte der Universität,
Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F.,
Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N.,
Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani,
I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994;
Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’
Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen
Universitäten 1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995;
Schlange-Schöningen, H., Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken
Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N.,
1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert,
1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und
Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R.,
Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie
stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige
Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität,
2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002;
Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The
Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung
– Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u.
a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten
und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung
und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und
Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke,
K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914,
2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University,
2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German
University, 2006; Universitäten im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Wörster, P.,
2008; Orte der Gelahrtheit, hg. v. Siebe, D., 2008; Der Aristotelismus an den
europäischen Universitäten der frühen Neuzeit, hg. v. Darge, R. u. a., 2009;
Koch, H., Die Universität, 2008; Rohstock, A., Von der Ordinarienuniversität
zur Revolutionszentrale?, 2010
Universitätsgerichtsbarkeit (akademische
Gerichtsbarkeit) ist die besondere
Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die
Universitätsmitglieder (Studenten, Professoren, deren Ehefrauen und Kinder,
Universitätsbedienstete, Universitätshandwerker, Dienstpersonal), die neben
der kirchlichen Gerichtsbarkeit und der weltlichen Gerichtsbarkeit besteht.
Sie findet sich nach älteren Ansätzen (Bologna [1158 Konstitution Habita König
Friedrichs I. Barbarossa] zu Gunsten der einzelnen Studenten, Paris) zumindest
zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Freiburg im Breisgau,
Basel und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausgenommen,
doch sind auch Todesstrafen bezeugt. Im Deutschen Bund (1815-1866) wird die U.
durch die Karlsbader Beschlüsse verstaatlicht. Endgültig abgeschafft wird die
U. im Deutschen Reich 1877/1879 (§ 15 GVG). Ihr folgt teilweise eine besondere
Disziplinargerichtsbarkeit, 1935 durch Erlass die Strafordnung für Studenten,
nach 1949 ein am Verwaltungsrecht ausgerichtetes Ordnungsrecht bei Störungen
des Hochschulbetriebs und Behinderungen von Hochschulorganen.
Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891;
Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als
Richter, 1987; Brüdermann, S., Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit
im 18. Jahrhundert, 1990; Alenfelder, K., Akademische Gerichtsbarkeit 2002;
Bubach, R., Richten, Strafen und Vertragen, 2004
Universum (N.) ist die Gesamtheit oder das bisher im Wesentlichen vom
Recht des Menschen freie Weltall.
unkörperlich (Adj., lat incorporalis) keine Raumausdehnung habend (z. B. Forderung in
Gegensatz zu Haus)
Unlauterer Wettbewerb
ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als
eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird der unlautere
Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frankreich finden die Art. 1382, 1383 →Code
civil Anwendung, in England die →equity. Das Deutsche Reich schützt am
12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb
allgemein gegen Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine Neufassung des Gesetzes
gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstaltungsverbot
aufhebt, Telefonwerbung von Einwilligung abhängig macht und einen Gewinnabschöpfungsanspruch
für Verbände einführt.
Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof,
H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004,
2121
Unlust (F.)
Nichtzuhören im →Ding
Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes
vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herrscher und
reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen römischen Reiches)
Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M.,
Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren,
2005
Unmöglichkeit (Wort 1323 belegt, lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit
einer Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur
sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio
(zu Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt →Donellus in der
frühen Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. →Pufendorf erweitert
die zunächst nur für die besonderen →Innominatkontrakte anerkannten
Regeln über das Freiwerden bei unverschuldeter nachträglicher U. auf alle
Verträge. Im 19. Jh. baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung
der römischen Quellen ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und
subjektiven oder objektiven U. auf, das über →Windscheid in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet. Bei anfänglicher objektiver U.
kommt kein Vertrag zustande. Bei nachträglicher, vom Schuldner zu vertretender
U. hat der Gläubiger Anspruch auf das Erfüllungsinteresse, während bei
zufälliger U. grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche bestehen.
Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165,
214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur
Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Unmündigkeit (unmündig 1221-1224 Sachsenspiegel) ist das Fehlen der →Mündigkeit.
Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57,
87, 121; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Unna
Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R.,
1930
Unrecht ist
das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der
Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes
U. nachträglich ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).
Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts,
hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg.
v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen
Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v.
Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.
Unrecht Gut gedeiht nicht.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151
Unschuldseid →Reinigungseid
Unschuldsvermutung ist
die bis zu einem Nachweis einer Schuld für jedermann bestehende Vermutung der
Unschuld.
Lit.:
Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193
Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und Grafschaften
streben schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an. Dennoch werden
die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh. hinaus tatsächlich geteilt. Seit
dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die Kurfürstentümer und andere
Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich 1358/1359 Fälschung,
Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg 1495) die U.
fest.
Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der
Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240;
Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R.,
Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat,
hg. v. Kunisch, J., 1982
Unterbringung
Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des
Unterbringungsrechts, 2003
Untereigentum ist der untere und insofern nachrangige Teil des geteilten →Eigentums
(z. B. des Lehnsmanns). Es wird im Rahmen des geteilten Eigentums seit dem Hochmittelalter
entwickelt und im 19. Jh. beseitigt.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Unterhalt (1507, Unterhaltsanspruch 1895, Unterhaltsbeitrag 1863, unterhaltsberechtigt
1896, Unterhaltspflicht 1863) ist die
Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen.
In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender
so selbverständlich, dass der U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das
römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.)
extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen
Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus Pius (?) besteht eine
gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen Aszendenten und
Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K. betrifft dies
nur die Mutter und ihre Verwandten. Das römische Dotalrecht löst die Folgen der
Aufkösung der Ehe über Ehescheidungsfolgen bzw. Ehescheidungsstrafen. Eine
Rechtspflicht zu U. unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian
(527-565). Das Decretum Gratians gewährt der Ehefrau einen Unterhaltsamspriuch
nur bei Krankheit und einem darin begründeten Unvermögen zur Erfüllung der
(sexuelle) ehelichen Pflichten. Im Mittelalter fördert die Kirche die Unterhaltspflicht
von Eltern und Kindern, bejaht aber die Schlechterstellung unehelicher Kinder.
Dem folgen im Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur
befasst sich seit dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung
wird neben dem Vater die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung
weiterer Verwandter zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher,
von denen Im Übrigen der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) und das
Allgemeine Landrechts Preußens der schuldlos geschiednenen Ehefrau entweder
eine Abfindung oder einen lebenslangen standesgemäßen Unterhaltsanspruch gewähren,
überwiegend an. Nach dem Code civil und dem Landrecht Badens hat der
unschuldig Geschiedene gegen den anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch
bis zu einem Drittel des Einkommens des Schuldigen (ähnlich Sachsen 1863),
während das Reichsgericht 1883 und 1885 einen nachehlichen Unterhaltsanspruch
für das gemeine Recht avlehnt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt einen
Unterhaltsanspruch für den unschuldig geschiedenen Ehegatten in den §§ 1578ff.
BGB (1938 §§ 66ff. EheG). Die grundsätzliche Benachteiligung nichtehelicher
Kinder wird in Deutschland erst 1998 (Österreich 1989, andere Änderungen des
Unterhalts seit 1975) aufgegeben.
Lit.:
Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der
Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou
pourvéance dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtstellung
des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und
Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche
Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche,
1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten
in rechtshistorischer Sicht, (in) Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U.,
Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000;
Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B.,
Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Metz, B., Rechtsethische
Prinzipien des nachehelichen Unterhalts, 2005; Meyer, C., Le système doctrinal
des aliments, 2006; Lutze, N., Der Verwandtenunterhalt in den §§ 1601 bis 1603
und §§ 1610 bis 1612 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007;
Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2008; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Breithaupt, M., 50 Jahre Düsseldorfer Tabelle, 2012; Schüler, K., Der
Betreuungsunterhalt, 2012; Maier, A., Der Geschiedenenunterhalt in Deutschland
im 19. Jahrhundert, 2013; Oldenburger, M., Kindesunterhalt in England, 2013
Unterhaus →House
of Commons
Unterkauf ist
der im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit in Städten verbotene
Zwischenhandel.
Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum
Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.
Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung,
1999
Unterlassung (1541) ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U.
wird erst allmählich der Handlung angenähert.
Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler
DRG 242; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Unternehmen ist
im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen
Werten, innerhalb deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber
dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht.
Seit dem 20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den
Mittelpunkt des Handelsrechts zu stellen. Sie werden in Österreich 2007
verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 707; Geller, L., Das Unternehmen, 1913, 2. A: 2013Oppikofer, H.,
Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C., Unternehmen und Unternehmensformen,
1936; Recht und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979;
Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W.,
Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J., Das Unternehmen,
1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an sich“, 1996; Unternehmen im
Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998; Pierenkemper, T.,
Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die Dimension des Unternehmens,
2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H., Moderne Unternehmensgeschichte,
2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005;
Ciriacy-Wantrup, K. v., Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von
Unternehmen der Renaissance, 2007
Unterpfand (meist
gleichbedeutend wie) Pfand
Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37
Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen
Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer
entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom →Diebstahl
erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s (Kleinschrod, Sachsen 1838).
Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und
Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht
im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß,
H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973
Unterschrift ist
der zum Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den Text einer Urkunde
gesetzte, eigenhändig geschriebene →Name eines Menschen. Das römische
Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die merowingische Königsurkunde
weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf, an deren Stelle später das
Monogramm oder das →Siegel (11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt
die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit
der Schreibfähigkeit wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche
Reichsgericht die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.
Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907,
Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W.,
Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der
lateinischen Urkunden, 1983
Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen Tatsachen
erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit feststellt. Der U.
beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er selten (Preußen
1793 Allgemeine Gerichtsordnung).
Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit, 1971;
Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M., Die
Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999
Untertan ist
der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit unterstehende Mensch in der
frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der Aufklärung der Staatsbürger oder
Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).
Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der
Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht
der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468;
Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller,
H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R.,
Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der
Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981;
Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R.,
Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte
im Ritterstift Odenheim, 2002
Unterwalden ist
das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit →Luzern und 1291 ein
Bündnis mit Uri und →Schwyz gegen die Grafen von →Habsburg schließt
und 1309/1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone
der →Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll
des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994)
(Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000
Untreue ist
das durch Mangel an zu erwartender Treue gekennzeichnete Vermögensdelikt. Die
U. wird lange durch den Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie
verselbständigt (Bayern 1813).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter.
J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur
zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestands (§ 266 StGB), (in)
Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205
unverheiratet (Wort 15. Jh.), nicht verheiratet
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
unvollkommen zweiseitig verpflichtend (Adj.) grundsätzlich nicht beide Beteiligte verpflichtend, aber in
besonderen Fällen doch (z. B. Leihe, Auftrag)
Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustands.
U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass
ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.
Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der
unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958
Unwedersatt
Lit.: Minnigerode, H. v.,
Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939), 249
unwirksam (1766, Unwirksamkeit 1704) nicht wirksam
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Unzucht ist
seit dem 18. Jh. die allgemeine Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit,
die 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben wird.
Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W.,
Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994;
Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht –
Vergewaltigung, 2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004
Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw.
das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eines Handelnden. Die U.
wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung
erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich
1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). →Zurechnungsfähigkeit
Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren,
1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der
Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99;
Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973;
Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957;
Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998
Uplandslagh,
Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige
und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s
überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland,
Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das
bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern
zusammenarbeitenden Ausschuss gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme
vorgelegt und nach Annahme von König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in
8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25
Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11
Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es
ist christlich beeinflusst und enthält manche Neuerung. Es beeinflusst
Dalalagen, Södermannalagen, Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons
Landrecht, durch das es 1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das
Reichsgesetzbuch Schwedens die Geltung auch im Übrigen.
Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C.,
Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus
Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och
germanska element, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Uppsala entsteht
im 12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des
Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird
eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet.
Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand
weitgehend zerstört.
Lit.: Annerstedt, C., Upsala univeristets histora, Bd. 1f.
1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria, 1975; Lindroth, S., Uppsala
universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å., Juridiska fakulteten i Uppsala,
1985
Upstallsbom ist
der bei Aurich gelegene Ort, nach dem der spätmittelalterliche Zusammenschluss
friesischer Gaue zwischen Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten
geschworene Abgesandte der einzelnen Landschaften auf Landtagen über
allgemeine Angelegenheiten. 1323 schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.)
Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig später verfallenden Bundes.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840;
Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsboom (1323), 1974; Gerbenzon, P.,
Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Uradel (1862)
ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte →Adel
im Gegensatz vor allem zum →Briefadel.
Urbach
Lit.: Regesten zur Geschichte der
Herren von Urbach, bearb. v. Uhland, R., 1958
Urbar ist
das mittelalterliche und frühneuzeitliche Güterverzeichnis (z. B. Heberegister,
Salbuch, Zinsrödel) eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch,
Fulda, Werden, im Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
81, 105; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die
landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904;
Die Urbare der Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare
des Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die
landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür,
M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen
Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K.,
1912f.; Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König
Ottos I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61;
Jecklin, F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F.,
Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das
Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberösterreichischen
Musealvereines 84 (1932); Altwürttembergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934;
Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das
bernisch-solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener hochstiftische Urbar von
1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen in Schaffhausen
und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das Bickelspergsche Lagerbuch
der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold, F., 1941; Feger, O., Das
älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker Urbare, hg. v. Wießner, H.,
1951; Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953),
1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von 1366, hg. v. Dertsch, R., 1954;
Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das Urbar der vorderen Grafschaft
Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek, F., 1956; Altwürttembergische
Lagerbücher aus der österreichischen Zeit 1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u.
a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Raisch,
H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das Hohentwiel-Lagerbuch von 1562,
bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann,
H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v.
Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das
karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979;
Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U.
u. a., Die spätmittelalterlichen Urbare des Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992;
Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998; Das älteste Urbar des Priorats
Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler, R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt
Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R., 1999; Das Urbar des Grafen Burkhard
III. von Maidburg-Hardegg, hg. v. Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen
Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare
Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu
Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Feigl, H./Stockinger, T., Die
Urbare der Herrschaften Maissau und Sonnberg, 2008; Urbare des Fürstentums
Jägerndorf, hg. v. Hanke, S. u. a., 2010
Urbino in
den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es
Sitz eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung (754) fällt es an den
Papst. In dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506 eine Universität
geschaffen.
Lit.: Le città nella storia d’Italia,
1986
Urfehde ist
das seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete
Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100
Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die →Fehde endet.
Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in
Preußen 1796 Abstand genommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden,
1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein
Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A.,
Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000
Urgicht (F.)
Geständnis
Urheber (Wort 1432) ist der Veranlasser
oder Hersteller eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit
der frühen Neuzeit entwickelt sich zu seinem Schutz das (im römischen Recht
trotz Anerkennung der Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) →Urheberrecht.
Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A.,
Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz
literarischer Urheberschaft in Rom, 2004; Köbler, G., Vom Urheber und Patent
zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Urheberrecht (1855) ist die Gesamtheit der den →Urheber schützenden
Rechtssätze. Im Altertum genießt der Verfasser eines Werkes zwar bereits Ruhm
und wird auch der Plagiator eines Werkes gesellschaftlich geschmäht, doch gibt
es Recht (Eigenum, Besitz) nur am einzelnen Werkstück und ist die Abschrift
eines Textes nicht rechtswidrig. Das U. gewinnt kurz nach Gutenbergs Erfindung
des Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1440-1454), der die preiswerte
Vervielfältigung von Gedanken auf dem seit dem 13. Jh. verwendeten billigeren
Papier ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung
von privilegierenden Patenten zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen
(England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt.
Insbesondere Drucker (darunter auch rechtswidrige Nachdrucker) werden gegen
billiger mögliche Nachdrucke durch örtlich begrenzte, Strafen vorsehende
Privilegien von Landesherren geschützt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst
nur Ehrengeschenke. Im Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen
Privilegien des 16. und 17. Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von
einem Verlagseigentum (17. Jh.) seit dem Ende des 18. Jh.s (in Naturrecht und
Rechtsphilosophie) die Lehre vom →geistigen Eigentum („Person-Eigentum
an Leistungen als Auswirkung des Rechtes der Persönlichkeit), die sich im 19.
Jh. nach englisch-französischem Vorbild (Eigentumstheorie John Lockes, 1710
Statute of Anne, Frankreich 1791, 1793, intellectual property, propriété
intellectuelle) für einige Zeit durchsetzt (Württemberg Gewerbeordnung 1828, Preußen
Gesetz zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen
Nachdruck 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen
Bunds vom 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Urheberrechtsgesetz des
Deutschen Reiches vom 11. Juni 1870, Gesetze betreffend den Schutz von Werken
der Kunst und Photographie 1876, Patentgesetz 25. 5. 1877, Literatururhebergesetz
vom 19. Juni 1901 [Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur
und Tonkunst], Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis
sie in Deutschland durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände
beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) und die
Vorstellung von Immatgerialgüterrechten wieder verdrängt wird. Mit der
Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines
Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft
(1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des
Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken (1952
Welturheberrechtsakommen, E. 20. Jh.s Agreement on Trade Related Aspects of
Intellectual Property Rights). Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers
ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel
zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener,
durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender
Mittelsmänner (z. B. Verlag, der nach dem Verlagsvertrag die wirtschaftlichen
Rechte des Autors durch ein Honorar von 5-10 Prozent des Ladenpreises des
einzelnen verkauften Buches entgilt).
Lit.: Köbler,
DRG 184, 205, 218, 272; Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der
gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55
(1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen
Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht,
1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts,
1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H., Volkslied und
Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und
Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum
Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist
Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das
Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der
Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989), 198;
Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge
zum Urheberrecht, (in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur
Geschichte des Urheberrechts in Europa, (in) Entwicklung des europäischen
Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier,
F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die
Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische
Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und
ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995;
Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die
Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 (1996), 307;
Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz,
hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des
Arbeitnehmererfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, (in)
Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den
Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C.,
Literary Copyright Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently,
L., The Making of Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das
Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999),
153; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der
königlich preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F.,
Urheberrecht der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des
Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004;
Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen
Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den
Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004;
Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die
urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik
und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im
Rechtsverkehr, 2004; Bandilla, K., Urheberrecht im Kaiserreich, 2005; Balogh,
E., Der Einfluss des deutschen Rechtes auf den ersten ungarischen Gesetzentwurf
zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305; Gergen, T., Das württembergische
Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck, UFITA 2006, 189; Feld, A., Das
bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und
Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007; Wadle, E., Urheberrecht zwischen
Gestern und Morgen, 2007; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis
Württembergs im 19. Jahrhundert, 2007; Löhnig, M., Vom Schrifteigentum - das
erste deutsche Urheberrecht in Art. 577da-dh des badischen Landrechts, UFITA 1997,
783ff.; Gergen, T., Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19. Jahrhundert, ZRG
GA 125 (2008), 181; Köbler,
G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008;
Mohnhaupt, H., Zur Entstehung der Rechtsdisziplin Urheberrecht im 19.
Jahrhundert (in) Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v.
Pahlow, L. u. a., 2008, 131;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Löhr, I., Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Flechsig,
N., Der englische Bach aus Leipzig und das erste Urheberrechtsgesetz der Welt,
UFITA 2010, 445; Reuß, R., Naturrecht oder positivistisches Konzept. Die
Entstehung des Urheberrechts im 18. Jahrhundert in England und den Vereinigten
Staaten von Amerika, 2010; Höffner, E., Geschichte und Wesen des Urheberrechts,
2010, 2. A. 2011; Wadle, E., Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts, 2012;
Birnhack, M., Colonial Copyright, 2012; Dressel, F., Neue Strukturen für den
Schutz geistigen Eigentums im 19. Jahrhundert, 2013; Neurauter, S., Das Bauhaus
und die Verwertungsrechte, 2013; Fitzgerald, B. u. a., A Short History of
Copyright, 2013
Uri ist der
Ort am Vierwaldstätter See, der 732 erstmals erwähnt wird und dem König
Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt. 1291 schließt sich U. mit →Schwyz
und Unterwalden gegen →Habsburg zusammen. U. ist ein Urkanton der →Schweiz,
in dem die Landsgemeinde 1928 durch Urwahlen ersetzt wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit
von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer, H.,
Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993
Urkunde (Wort um 790 belegt) ist die
verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder für Eingeweihte
verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich
erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist bzw. das unter Beobachtung
bestimmter Formen ausgefertigte und beglaubigte Schriftstück über Vorgänge
rechtserheblicher Natur (Ahasver von Brandt). Da die U. die Schriftlichkeit
voraussetzt, fehlt sie den Germanen im Gegensatz (zu altorientalischen
Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.] instrumentum) als
Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h.
dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach
griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv gefasstes
Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet und durch Verdoppeln
oder Zusammenfalten (Diplom) vor Beschädigung oder Verfälschung geschützt
wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und
öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die
Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die
der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die
Königsurkunde (ca. 4000 im Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast
10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Um die Mitte des 12. Jh.s entsteht auch
im Adel ein Interesse an der Schriftlichkeit von Rechtsgeschäften. Gegliedert
ist jede U. grundsätzlich in Protokoll (Invokation [Gottes], Intitulation [des
Ausstellers], Inskription [Nennung des Empfängers], Salutation [Gruß]),
Kontext (Arenga [allgemeine Begründung der Ausstellung], Promulgation
[Verkündung}, Ereignisbericht [lat. narratio], Bitte um Urkundenausstellung,
Dispositio [eigentliches Rechtsgeschäft, Verfügung], Confirmatio und/oder
Pönformel, Beglaubigungsmittel [lat. corroboratio]) und Eschatakoll (Actum,
Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift, Zeugenunterschriften und die
Schreiberformel [Rekognition], evtl. Gebetsformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl
der Urkunden unübersehbar zu, zumal die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet
wird. Gegen das Ende des 13. Jh.s wird auf Invokation, Arenga und Zeugen
verzichtet, setzt sich die Volkssprache gegenüber dem Lateinischen durch und
dringen Sicherungsklauseln und Gewährleistungsklauseln vor. Im Druck veröffentlicht
sind seit dem 17. Jh. vor allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der
Bestrafung der Urkundenfälschung dienen später besondere Strafvorschriften.
Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei
St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer,
K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880), 89;
Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887; Hübner, R., Gerichtsurkunden
der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten der deutschen
Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg, L./Redlich, O.,
Urkundenlehre, 1907ff.; Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters,
1911; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen,
1912; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A.
1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters,
1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung, hg. v.
Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der
frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden,
begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner, F., De oudste oorkonden van het
klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932; Santifaller, L., Urkundenforschung,
1937; Honselmann, K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die
Geltungsdauer rechtlicher Dokumente, 1941; Meisner, H., Urkunden- und
Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien,
1951; Chartae latinae antiquiores, hg. v. Bruckner, A., Bd. 1ff. 1954ff., Neuere
Editionen mittelalterlicher Königs- und Papsturkunden, (bearb.) v. Santifaller,
L., 1958; Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Hofmann, S.,
Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und
Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die
Urkunden Philipps von Schwaben und Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlavaček,
I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen des böhmischen und römischen Königs Wenzel
(IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P., English royal documents, 1971; Fichtenau,
H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert,
1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar,
1972; Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones
Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff.
1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984;
Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund
11000 Urkunden); Frenz, T., Papsturkunden, 1986, 2. A. 2000; Fotografische
Sammlungen mittelalterlicher Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die
Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes,
S., A Handlist of Anglo-Saxon Charters, 1991; Tropper. P., Urkundenlehre in
Österreich, 1994; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die
Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v. Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die
Kölner Urkundensprache des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe
Siegelurkunden in Schwaben (10.-12. Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die
tabellae-Urkunden aus den pompejanischen und herkulanensischen Urkundenfunden,
1997; Chartae latinae antiquiores, Serie 2 (ab 800), hg. v. Cavallo, G. u. s.,
Bd. 51ff. 1997ff.; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Typologie der
Königsurkunden, hg. v. Bistricky, J., 1998; Papsturkunde und europäisches
Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im
klassischen Altertum und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R.,
1999; Hellmann, M., Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P.,
Die spätmittelalterliche Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger,
hg. v. Kölzer, T., 2001; Heinz, K., Monasterium.net - Auf dem Weg zu einem
europäischen Urkundenportal (in) Regionale Urkundenbücher hg. v. Kölzer, T. u.
a., 2010; Scharfenberg, S., Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes
vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v.
Nicolaj, G., 2004; Schulze, H., Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu,
2006; Vogtherr, T., Urkundenlehre, 2008; Zehetmayer, R., Urkunde und Adel, 2009;
Krafft, O., Bene valete, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schulze, U., Studien zur
Erforschung der deutschsprachigen Urkunden des 13. Jahrhunderts, 2011; Küsters,
U., Marken der Gewissheit, 2012; Mersiowski, M., Die Urkunde in der
Karolingerzeit, 2012
Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) →Urkunde.
Die Urkunde ist bereits im römischen Recht Beweismittel im Rechtsstreit und
nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei gilt die
Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung
im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle Urkunden
oder später allgemein öffentliche Urkunden.
Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur
Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894);
Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Urkundenbuch ist
seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe älterer →Urkunden
eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband u. s. w.) in einem Buch (z. B. der
Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.] Germaniae
Historica).
Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters
Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache
Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25;
Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.;
Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen
Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des
Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T.,
2006ff.; Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006
Urkundenfälschung ist die Herstellung einer unechten Urkunde, die
Verfälschung einer echten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder
verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen
Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte →(lat.) privilegium (N.)
maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von
1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird
die U. ein Straftatbestand.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum
Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung
des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg.
v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007: Rojas. L., Dogmengeschichte der Urkundenfälschung,
(in) Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems FS Frisch, 2013,
925
Urkundenlehre (Diplomatik) →Urkunde
Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2.
A. 1912, Neudruck 1968
Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem
anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es
dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich
unangreifbar, ist die Königsurkunde.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Urlaub ist
ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jh. die (erlaubte,) meist
bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen,
Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen
im Jahr.
Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R.,
Urlaubsrecht, 1995
Urschwabenspiegel →Schwabenspiegel
Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975
Urschweiz →Schweiz
Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz,
1941
Urteil ist
die gerichtliche, vor allem in neueren Zeiten einer besonderen Form bedürftige
Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der
Richter (lat. [M.] iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im
Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen (nicht dagegen der Richter). Im
Frühmittelalter ist das U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem
Ergebnis vom Verlauf eines außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der
frühen Neuzeit verdrängt der gelehrte Richter den Laienschöffen aus der
Urteilsfällung. Das U. wird schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt.
Im 19. Jh. setzt der Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des
Laien als Urteiler bzw. Laienrichter durch (Geschworenengericht, →Schwurgericht
u. s. w.). Seit dem Spätmittelalter ist
das U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar
(Österreich Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde.
Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler,
R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im
altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Lenel, P., Die Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des
holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm,
C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das
Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die
älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche
Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil
fragen“ und Urteil finden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97;
Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est
altercatio finita, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen,
1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O.,
Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004
Urteiler ist
der vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht
(→Rachinburge, Schöffe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die
Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440
Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils.
Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa einem Drittel der von römischen
Rechtskundigen überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher selten und
wird von der Rechtslehre wegen der damit vergrößerten Gefahr der Angreifbarkeit
eher abgelehnt. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse
der Entscheidungsträger) selbverständlicher bzw. notwendiger Bestand des
Urteils (Reichskammergericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen
1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R.,
Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in
Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die
Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die
richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der
rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Harke, J., Argumenta
Iuventiana- Entscheidungsbegründungen eines hochklassischen Juristen, 1999;, Kriechbaum,
M., Urteilsbegründung in der mittelalterlichen Rechtslehre, Gedächtnisschrift
Jörn Eckert, 2008, 505; Brom, C., Urteilsbegründungen im „Hoge Raad van
Holland, Zeelnd en West Friesland, 2008
Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen notwendige
Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B. hängt in
Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine mindestens zehnjährige
Gefängnisstrafe vorsehendes Urteil von der Bestätigung des Staatsoberhaupts
ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam. Im 19. Jh. wird die
U. beseitigt (Württemberg 1819).
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965, 255
Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei,
ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von
1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck,
Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht Joachim →Mynsinger von
Frundeck eine Sammlung von Urteilen des Reichskammergerichts (Gail 1578,
Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem folgen im 18. Jh.
Sammlungen der Urteile der meisten Obergerichte. Im 19. Jh. wird dies
selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von
Frundeck, J., Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin,
O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343;
Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte
Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992;
Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, (in)
Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403
Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie
führt im Frühmittelalter vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und
Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich,
ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet
im Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten
Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt
die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C.,
Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio
finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592;
Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken
des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110
USA (Vereinigte
Staaten von Amerika)
Usucapio (lat.
[F.]) ist im klassischen römischen Recht die →Ersitzung des Eigentums
nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen
werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa
[F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich
bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit wird die u. im Westen durch eine
Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei
Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.)
von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken spricht.
Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29 I
3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61
usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung (im altrömischen Recht)
Lit.: Köbler, DRG 23
usurae (lat. [F.l.] Zinsen
Usus (lat.
[M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt
eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt
der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor [F.] in manu). Verbringt sie
vor Ablauf des Jahres drei Nächte außerhalb des Hauses, beginnt die Jahresfrist
neu zu laufen. Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten
dinglichen Recht.
Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative
Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Ususfructus (lat.
[M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr. der →Nießbrauch als
ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter
Familienmitglieder, später als beschränktes dingliches Recht.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II
7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in
usus modernus und Naturrecht, 2004
Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der zeitgenössisch-moderne Gebrauch der
Pandekten in Europa im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn seit 1650 [1643 Conring, H.,
De origine iuris Germanici, Vom Ursprung des deutschen Rechtes]). Er passt in
zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber Reich und
Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren Tradition den
Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an
(z. B. Anerkennung des Grundsatzes Kauf bricht nicht Miete oder des Erbvertrags).
Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage.
Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel Stryks ([Lentzen 22.
11. 1640-Halle 23. 7. 1710,] 1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V
priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667).
Bedeutende Juristen dieser Zeit sind →Conring, →Schilter, →Struve,
→Stryk, →Thomasius, →Böhmer, →Heineccius, →Leyser,
→Kreittmayr und →Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die
Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Die
Anerkennung heimischen Rechtes bewirkt eine gewisse Nationalisierung des Rechtes.
Neben dem U. m. p. entsteht die Vernunftrechtsvorstellung.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Molitor, E.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 1949 (fortgesetz v. Schlosser,
H.); Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1975, 9. A. 2001, 10. A.
2005; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Schröder, J., Wissenschaftstheorie,
1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und Dogmengeschichte des
Privatrechts, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. v. Simon,
D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die privatrechtlichen Normen des usus
modernus, (in) Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, 1987, 279;
Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Brauneder,
W., Europäisches Privatrecht, 1997; Landau, P., Methoden des kanonischen
Rechtes in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus
modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen
Bedeutung des Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, (in) Die Begründung
des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229
Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)
Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner,
W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974
utilitas (lat.
[F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer →Dienstbarkeit
des römischen Rechtes)
Lit.: Kaser § 28 I 3
Utilitätsprinzip (N.) Nützlichkeitsgrundsatz (z. B. haftet die durch ein Rechtsverhältnis
weniger begünstigte Partei nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
utlagr (anord.)
rechtlos
Utopie ([nirgendwo
als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staatsrecht die
Vorstellung eines alle Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden
Gemeinwesens.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus,
T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R.,
Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994, 10. A. 2003; Seibt, F., Utopia, 1972;
Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis
zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien
des Thomas Morus, 1988; Winiarczyk, M., Die hellenistischen Utopien, 2011; Schölderle,
T., Geschichte der Utopie, 2012
Utrecht ist
die am Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum
(Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird.
1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande vom Heiligen römischen
Reich. 1636 wird eine Universität in U. errichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, T., Het
landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe
belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im
Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942;
Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de
Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd
Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van
hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom
Utrecht, 2004
UWG ist die
Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz gegen den →unlauteren
Wettbewerb.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218
uxor (lat. [F.])
Ehefrau
Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert,
1995
V
Vacarius (Lombardei
um 1120–England nach 1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Magister) um
1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater
des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/1180 in Lincoln. In seinem (lat.)
Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus →Digesten
und Codex.
Lit.: The Liber Pauperum of
Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and
the Civil Law, (in) Church and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 246; Taliadoros, J., Law
and Theology in Twelfth-Cetury England, 2006
vadimonium (lat.
[N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette
Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome, ZRG RA
114 (1997), 160
vadium (lat.
[N.]) Pfand, (mlat.) Wette
Valencia am
Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten
(413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das
1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238 von →Aragonien gewonnen
und 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707
beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine Universität. →Furs de V.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274;
Guinot, E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa Montalvo, J., Diccionario de
historia medieval del Reino de Valencia, 2002
Valentinian I.
Lit.:
Schmidt-Hofner, S., Reagieren und Gestalten. Der Regierungsstil des
spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I, 2008
Valentinian III.
ist der römische Kaiser (425-455), unter dem 426 n. Chr. das sog. Zitiergesetz
erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die
Spätantike, 1988
Valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der →Volksversammlung
(Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im magistratischen Strafverfahren.
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Valin,
René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen
commentaire sur l’Ordonnance de la marine.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977
Valois (1328-1498)
→Kapetinger
valvassor (lat.
[M.] ) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter
Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la noblesse,
1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes lombardes au
Moyen Age, 1993
Vandale,
Wandale ist der Angehörige des bei
Plinius dem Älteren (um 23 v. Chr.-79 n. Chr.) erstmals erwähnten, in der
Völkerwanderung wohl von der Ostsee 406/429 nach Nordafrika ziehenden,
vielleicht 80000 Angehörige zählenden, 455 Rom plündernden, 533/534 von →Byzanz
unterworfenen, germanischen Volkes.
Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner,
H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002;
Castritius, H., Die Vandalen, 2007; Howe, T., Vandalen, Barbaren und Arianer,
2007; Berndt, G., Konflikt und Anpassung, 2007; Vössing, K, Das Königrech der
vandalen, 1014
Vare (mhd.)
ist die im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch
Versprechen (z. B. Stottern, Husten) u.
s. w. zu verlieren. Gegen diese v. wird der →Fürsprecher geschaffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116
Vasall (M.)
Lehnsmann
Vasallität als
(nach h. M.) personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere
Verhältnis (zu kelt. gwas [M.] Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz
und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und Dienste (Heerfahrt und Hoffahrt
gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W.,
Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994;
Deutinger, R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78
vassus (lat.
[M.] 6. Jh.) Vasall, Mann
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW
Vater (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen, Vaterschaft um 1150 belegt) ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen
Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der
Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet (Vaterschaftsvermutung), wer der
Mutter innerhalb der Empfängniszeit (300-180 Tage vor der Geburt) beiwohnt,
doch kann die Vaterschaft mit der Vaterschaftsklage angegriffen werden. Beim
unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht mit dem Kind verwandt
(z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969 aufgehoben). Umgekehrt
kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden. Der V. hat die väterliche
Gewalt über das Kind. Sie wird im ausgehenden 20. Jh. durch die elterliche
Sorge bzw. Obsorge (Österreich 1989) ersetzt. →Familie
Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L.,
Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG
GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939;
Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie,
1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
väterliche Gewalt →Vater
Vatikan ist
die nach dem Wohnsitz des →Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die
oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im
V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv),
dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw.
nach 1368 verteilt worden sein dürften.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval
Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan,
2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006; Augias, C., Die Geheimnisse
des Vatikan, 2011; Johrendt, J., Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von
St. Peter im Vatikan (11.-13. Jahrhundert), 2011
vatikanisch (Adj.) den Vatikan betreffend (z. B. Konzilien [im Vatikan, 21. allgemeines
Konzil 1869/1870, päpstlicher Primat, 22. allgemeines Konzil 1962-1965,
Vorbereitung des Codex iuris canonici von 1983)
Vattel,
Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn,
wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Naturrecht in Basel und
Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit
des gens (Völkerrecht), in dem er das Vernunftrecht auf das Völkerrecht
anwendet (Nation, Beziehung zu anderen Nationen, Krieg, Wiederherstellung des
Friedens).
Lit.: Gugenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer
de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Good, C., Emer de Vattel
(1714-1767), 2011
Vaud →Waadt
Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in Valladolid
und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553 Finanzbeamter
und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit humanistischen
Zügen, der das moderne →Naturrecht vorbereitet. Er setzt sich für die
Freiheit der Meere und für →subjektive Rechte ein.
Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho natural
medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des Fernando
Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979
vectigal (lat.
[M.] ) Steuer, Abgabe
Lit.: Kaser § 30 I
Vélez Sársfield,
Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos
Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de
Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem
Vorbild Teixeira de Freitas’.
Lit.: Chanetón, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937;
Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20
Veme →Feme
Lit.: Köbler, DRG 11, 117
Venedig entsteht
innerhalb vorgelagerter Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon
römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568).
Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.)
magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751
verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten
Dogen (lat. [M.] dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein
besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen
1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium
(Rat der Weisen), über das (bzw. den) der Doge bald von der tatsächlichen
Entscheidungsgewalt ausgeschlossen wird. Im 13. Jh. wird V.
Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die
über die Signoria die wirkliche Herrschaft ausübenden kleinen Rat. Unter
Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des Amtscharakters aller
politischen Gewalt handelt eine adlige Oberschicht in den wesentlichen Fragen
als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs etwa 110000. Im
Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem Festland (sog.
terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die Entdeckung
Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seewegs nach Indien verringern die
Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den politischen Zustand
Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V. Protektorat →Österreichs,
an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866 gelangt
(Lombardo-Venezianisches Königreich). Danach fällt es an →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi
Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La
Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs
zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Eickhoff, E., Venedig, Wien
und die Osmanen, 1970, 2. A. 1992, 3. A. 2008; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im
mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982;
Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D.,
Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die
Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch,
G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler,
H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Huse,
N., Venedig, 2005; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter,
2005; Chauvard, J., La circulation des biens á Venise, 2005; Venezia, hg. v.
Winter, S., 2006; Eickhoff, E., Venedig - spätes Feuerwerk, 2006, 2. A. 2007;
Mathieu, C., Inselstadt Venedig, 2007; Landwehr, A., Die Erschaffung Venedigs,
2007; Judde de Larivière, C., Naviguer, commercer, gouverner, 2008; Bellavitis,
A., Famille, genre, transmission à Vebise, 2008; Brandes, J., Mare Venetianum,
2008; Fröhlich, M., Mysterium Venedig, 2010; Crowley, R., Venedig erobert die
Welt, 2011; Bergdolt, K., Deutsche in Venedig, 2011
Venetien ist
das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem
3. Jh. sind die Veneter mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an
Venedig, 1815 mit der Lombardei zum österreichischen Königreich
Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214; Gottsmann, A., Venetien
1859-1866, 2005 (mit Karte)
Venezia →Venedig
venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters (auf Wiederherstellung des
früheren Zustands, lat. restitutio in integrum)
Venire contra factum proprium (nemini licet [lat.].
Sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben, (ist keinem
erlaubt).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230,
Brocardica sive generalia juris 10, 28)
Verarbeitung (1731, lat. [F.] specificatio, zu novam speciem facere) ist die
Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch Bearbeitung oder Umbildung
eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot aus Mehl, Salz, Wasser u. s.
w.). Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der
neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter,
eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die
Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den
Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als
Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schermaier, M., Materia, 1992; Behrends, O., Die
Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der
Verarbeitung, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Veräußerung (1418) ist die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der
meist eine →Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B.
Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1;
Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu
Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter (z. B. Esel, Idiot, Blödmann, Arschloch)
Verbalkontrakt (M.) →Verbalvertrag
Verbalvertrag (Verbalkontrakt) ist im römischen Recht der an die Verwendung bestimmter
Wörter gebundene →Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen
des Freigelassenen).
Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45
Verband ist
die Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als
V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus loseren
Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die →juristische
Person (19. Jh.). Der V. muss aber nicht in jedem Fall juristische Person sein
(z. B. Gewerkschaft).
Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf
zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M.,
Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland
1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt,
K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987; Heuft. C.,
Spätantike Zwangsverbände zur Versorgung der römischen Bevölkerung, 2013
Verbannung ist
die im älteren römischen und mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit
dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser
Gemeinschaft beanspruchten Gebiet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995
Verbindlichkeit (1390) Obligation
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verbindung (lat. [F.] accessio) ist die schon im altrömischen Recht mögliche tatsächliche Vereinigung
mehrerer Sachen verschiedener Eigentümer zu einer Einheit außerhalb eines
Rechtsgeschäfts (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau,
Sonderfall, für den die actio de tigno iuncto gilt), bei der Eigentum durch den
Eigentümer der Hauptsache erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen
(z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Bei Schaffung einer bloß
zusammengesetzten Sache (z. B. Schiff), kann jeder Eigentümer Lostrennung der
in seinem Eigentum verbleibenden Sache verlangen. Bei V. einer beweglichen
Sache mit einem Grundstück (z. B. Einpflanzen, Hausbau auf Grundstück,
Anschwemmen) gilt der Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (das Oberirdische
folgt dem Grund). Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25
Verbot ist
die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B.
im →Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den
frühneuzeitlichen →Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit →Strafe
oder anderen Folgen bedroht werden.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein einer
Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der
unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die
Strafmilderung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264
verbrauchbar (aufbrauchbar)
Lit.: Köbler, DRG 39
Verbraucher oder
Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. Der
V. wird im 20. Jh. als schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunterworfenen
entdeckt und z. B. in Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz
(1971), das Gesetz zur Regelung des Rechtes der allgemeinen
Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz
(1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB
bestimmt am Ende des 20. Jh.s den V. als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft
zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer
selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 2002 werden die
meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des
Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen des
modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und
Verbraucherschutz, 2005
Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes (z. B. Tabak,
Alkohol, Mineralöl) gelegte Steuer. Allgemeine wichtige V. im 20. Jh. ist die
Umsatzsteuer.
Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A.
1992
Verbrechen ist
die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren Strafe (z. B.
Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V.
sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V. gegen die
Menschlichkeit u. s. w. Die Absonderung
der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im Zuge des 18. Jh.s hat
praktisch-systematische Gründe. Der Versuch eines Verbrechens ist in
Deutschland strafbar.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der
Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck
1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W.
Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968;
Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1;
Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl,
A., NS-Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen,
1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111
(1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112
(1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H.,
Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997;
Evans, R., Tales from the German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation
des Verbrechens, 1999; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v.
Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003;
Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung
im Anstaltsstaat, 2004; Siebenpfeiffer, H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem
Verbrechen auf der Spur, 2006; Verbrecher im Visier der Experten, hg. v.
Schauz, D. u. a., 2007; Schubert, E., Räuber, Henker, arme Sünder, 2007;
Sprecher, T., Literatur und Verbrechen, 2011; Kailer, T., DIe Vermessung des
Verbrechers, 2011; Leone, F., Von der Lehre des „geborenenen“ Verbrechers zur
modernen Hirnforschung, 2013; Revolten und politische Verbrechen zwischen dem
12. und 19. Jahrhudert, hg. v. Benedictis, A. de u. a., 2013
Verbrechenskonkurrenz →Konkurrenz
Verbrennen ist
die durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht
bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck
1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer,
W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988
verbum (N.) regis
(lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz
Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts z. B.
der Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die →Äußerung einer wahrheitswidrigen V. ist in Deutschland seit
1870 strafbar. Seit 1933 genügte für Strafbarkeit Leichtfertigkeit, seit 1969
ist wieder Vorsatz erforderlich.
Lit.:
Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer
Straftat (§ 145d StGB), 2003
Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen
des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen
älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme
aus dem italienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art außerordentlicher
Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die Aufklärung
bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat. →in
dubio pro reo).
Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die
Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965;
Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993;
Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes
Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193;
Balogh, E., Die Verdachtsstrafe in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2009
Verden an der Aller, 810
erstmals als Ferdi (Furt) erwähnt, ist vielleicht seit etwa 785 Sitz eines von
König Karl dem Großen gegründeten Bistums. Es schließt sich 1566 der
Reformation an. Sein kleines weltliches Herrschaftsgebiet fällt von 1648 bis
1712/1719 an Schweden. Über Hannover gelangt es an Preußen (1866), das
Deutsche Reich (1871) und 1946 bei der Aufteilung Preußens zu Niedersachsen.
Lit.: Urkundenbuch der Bischöfe
und des Domkapitels von Verden, Bd. 1ff. bearb. v. Mindermann, A., 2001ff.;
Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Verdroß,
Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht,
Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei
für eine universale Sicht des Rechtes ein. Deshalb anerkennt er in seinem
Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten
Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976).
Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred
Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991
Verdun an
der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines
Bischofs. 843 einigen sich in V. die Söhne Ludwigs des Frommen auf die Dreiteilung
des fränkischen Reiches. 879 kommt V. aus dem Mittelreich Lothars zum östlichen
(deutschen) Teil des fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird,
1552/1648 aber an Frankreich fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P.,
Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995; Petry,
C., Faire des sujets du roi, 2006
Verein (Wort Straßburg 1519, Vereinsrecht 1849) ist die Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten
Zweck. Im Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer berechnete Personenvereinigung
mit körperschaftlicher Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder
unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im altrömischen Recht (lat. collegium [N.],
sodalitas [F.], sodalicium [N.],
corpus [N.]), ohne dass sich die Rechtskundigen damit näher befassen.
Eine allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage
älterer unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher
Vereinigungen (z. B. Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem
18. Jh. Seit desssen Mitte finden sich zunehmend politische Vereine als
Vorläufer der Parteien, die aber von 1832 bis 1848 verboten werden (z. B.
patriotische Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die Illuminaten,
Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise wie die
Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783, oder studentische Reformbewegungen)
Ab etwa 1860 werden die politischen Vereine als Partei bezeichnet. Innerhalb
der Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der
nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht unterworfenen Personenvereinigung
zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des
Systems der Normativbestimmungen ausführlich im →allgemeinen Teil des
deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) geordnet.
Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der
Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des
deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und
Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im
Kaiserreich, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und
Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976;
Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der
„Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann,
O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der
Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988;
Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die
Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft,
Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003;
Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2005; Nathaus, K., Organisierte Geselligkeit, 2009; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vereinigter Landtag
ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht preußischen
Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4. 1848
letztmals zusammengetretene Landtag.
Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte
Landtag, Diss. phil. Bonn 1961
Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen Kontinents nach dem die
Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci [1451-1512] als Amerika
in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im Breisgau 1507) ist der
im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und Spaniens) erwachsende Staat
auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen Halbkontinents. In seinem
Teilstaat Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der Virginia Bill of Rights
(Menschenrechtserklärung) die erste formelle Verfassung. Am 7. 9. 1787 wird
eine Verfassung geschaffen, zu deren Erläuterung 1787/1788 in Zeitungsartikeln
Federalist Papers zu Gunsten repräsentativer Demokratie, Gewaltenteilung und
Grundrechten veröffentlicht werden. 1789 errichtet der Judiciary Act die
Grundlage für den Supreme Court. Im 19. Jh. setzt sich das englische
Rechtssystem durch. Im Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen
Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen
Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische
Recht auf Grund politischer, wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit
der Vereinigten Staaten von Amerika alle Rechte in vielfacher Weise.
Lit.:Warren, C., A Hisatory of the American Bar, 1912,
Neudruck 2013; Seagle, W., The Quest for
Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A.
1967; Schwartz, B., American Constituional Law, 1955, Neudruck 2013; Jacobs,
R., Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des
englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Blumenwitz, D., Einführung
in das angloamerikanische Recht, 1971, 7. A. 2003; Eichler, H., Verfassungsbewegungen
in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A.
1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der
Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992;
Cushman, C., The Supreme Court Justices, 1993, 2. A. 1995, 3. A: 2012; Dokumente zur Geschichte der
Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993, 2. A. 2007;
Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J.,
Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Köbler,
G., Rechtsenglisch, 1996, 7. A. 2007, 8. A. 2011; Die amerikanischen
Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U., Lexikon der
amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die
amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den
Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Oxford Guide to United States Supreme Court
Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin
nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit,
1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, (in) Beiträge
zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten
Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.;
Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000,
3. A. 2012; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges
Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 6. A.
2004; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003; Surrency, E., History of the
federal courts, 2. A. 2002; Oberg, M., Uncas, 2003; Wellenreuther, H., Von
Chaos und Krieg zu Ordnung und Frieden, 2006; Dokumente zur Geschichte der
Vereinigten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007; Klemke, U., Die deutsche
politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Gassert, P. u. a., Kleine
Geschichte der USA, 2007; Gerste, R., Duell ums Weiße Haus, 2008; Meissner, J.
u. a., Schwarzes Amerika 1861-1865, 2008; Herring G., From Colony to
Superpower, 2008; Sautter, U., Der amerikanische Bürgerkrieg, 2009; Truninger,
S., Die Amerikanisierung Amerikas, 2010; Grazia, V. de, Das unwiderstehliche
Imperium, 2010; Welskopp, T., Amerikass große Ernüchterung, 2010; Goebel, J.
jr., Antecedents and Beginnings to 1801, 2010 (betrifft Supreme Court,
Voraquflage 1971); Parker, K., Common Law, History and Democracy in America
1790-1900, 2011; Spillane, J. u. a., A History of Modern American Criminal
Justice, 2013; Lawson, G. u. a., The Origins of the Necessary and Proper Clause,
2013; Tinkle, M., The Maine State Constitution, 2013; Rabban, D., Law’s
History. American Legal Thought and the Transatlantic Turn to History, 2013;
Darrow, C., In the Clutches of the Law - Clarence Darrow’s Letters, 2013; Berg,
M., Geschichte der USA, 2013; Leshy, J., The Arizona State Constitution, 2013;
Orth, J./Newby, P., The North Carolina State Constitution, 2013, Utter,
R./Spitzer, H., The Washington State Constitution, 2013; A Companion to
American Legal History, hg. v. Hadden,
S. u. a., 2013; Lurie, J., The Supreme Court and Military Justice, 2013
Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt
sich im 19. Jh. als Grundrecht.
Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965;
Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W.,
Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Vereinte Nationen
(United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des
Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch Kollektivmaßnahmen. Die
Vereinten Nationen entstehen als Nachfolger des Völkerbunds 1945. Grundlage
ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind
Vollversammlung, Sicherheitsrat und Generalsekretär.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen,
hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten
Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte
Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen,
2000; Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung, hg. v. Münk,
H. 2008
Verfachbuch →Grundbuch
Lit.:
Das älteste Tiroler Verfachbuch (Landgericht Meran 1468-1471), hg. v. Moeser,
K. u. a., 1990
Verfahren ist
die Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines
Vorhabens, insbesondere durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungsverfahren)
oder eines Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit
(Gerichtsverfahren, Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Verallgemeinerung
einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln
den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.],
forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den →Zivilprozess tritt
bald der besondere →Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (→legisactio)
wird das →Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das
Kognitionsverfahren (→cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden
Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der →Volksversammlung
statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. [M.])
thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter
spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im Zivilprozess
dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess drängt der
Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird das V.
liberalisiert und modernisiert und die →Gerichtsverfassung vereinheitlicht.
Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer
Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen
Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55,
70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J.,
Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D.,
Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a.,
2003; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger
u. a., 2010; Medieval Legal Process, hg. v. Mostert, M., 2011
Verfahrensverweigerung ist die Verweigerung der Durchführung eines →Verfahrens
seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im
Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem →Königsbann.
Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung
durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung (Bundestag) angerufen werden.
Lit.: Köbler, DRG 92, 200
Verfall
Lit.:
Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis 76a StGB), 2013
Verfallspfand ist das im altrömischen Recht verbreitete, später zurückgedrängte, bei
Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in das Eigentum des Pfandgläubigers
übergehende →Pfand. Da es dem Pfandgläubiger oft weit mehr als die
Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen wegen des
angemessenen Schutzes des Schuldners selten.
Lit.: Kaser § 31 II 2
Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines Gegenstands zugunsten eines
Rechtssubjekts. Im süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in
der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der
Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der
überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder
Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich
sind aber rechtsgeschäftliche Teilung oder →Einkindschaft. Seit dem 15.
Jh. verliert die V. ihre Bedeutung.
Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des
fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht,
1968, 188
Verfasser ist der Urheber einer Gegebenheit, insbesondere
eines Sprachwerks.
Lit.:
Verfasser-Datenbank - die Autoren der deutschsprachigen Literatur von den Anfängen
bis zur Gegenwart, 2012 (elektronische Ressource De Gruyter Berlin);
Compendium auctorum latinorum medii aevi 500-1500 (CALMA, 2012 bis ba
erschienen); Biographisches Archiv des Mittelalters (BAMA), bearb. v.
Wispelwey, V., 2004ff. mit fast 130000 biographischen Artikeln aus 56
Quellenwerken
Verfassung (zu Fass, fassen, seit dem 14. Jh. belegt) ist (materiell)
der grundlegende Zustand (vor allem des Staates) und (formell) den diese in
seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede
Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie
unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie,
Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten
seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene
Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer
Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495
oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555,
Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679
Habeas-Corpus-Akte). In England wird im 17. Jh. constitution zur Bezeichnung
des Zustands (der materiellen V.) eines Staates (bodie politique), im 18. Jh.
zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen
(formelle V.). Am 12. 6. 1776 wird mit der →Virginia Bill of Rights in
Amerika die erste formelle V. (→Verfassungsurkunde) geschaffen (17. 9.
1787 Constitution of the United States), die bald anderen Gesetzen übergeordnet
ist (1803) und bei Kollision Verfassungswidrigkeit (voidness) eines der V.
widersprechenden Gesetzes bewirkt. Dem folgen (→Toskana Entwurf 1782,
1787 erweitert auf 145 Artikel) →Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7.
1807), →Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12.
1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Republik
(30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik
(17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik
(12. 4. 1798), die →Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das
batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca
(4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische
Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), (Russland Entwurf 1804), Holland
(7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809,
Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Nassau 1./2. 9. 1814,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Sachsen-Weimar 1816,
Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Sachsen-Hildburghausen 1818/1819,
Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819, Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt
1820, Sachsen-Coburg 1821, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Sachsen-Meiningen
1824, Belgien 7. 2. 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832, Hannover 1833, Italien
4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw. 26. 7. 1854, Liechtenstein
26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869, Island 5. 1. 1874,
Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4. 1879) sowie im
Gebiet des früheren Heiligen römischen Reiches Frankfurt (10. 10. 1806), Westphalen (15. 11.
1807), Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)→Nassau (3. bzw.
2. 9. 1814), →Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816),
→Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816),
Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), →Bayern (26. 5. 1818), →Baden
(22. 8. 1818), →Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12.
1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848 bzw.
1867) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des
Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die
Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der
Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in
Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871,
ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der
Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949) sowie in Österreich das Bundesverfassungsgesetz
von 1920. Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes
Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen
Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch
gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die
V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788,
Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den
Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit
unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen)
auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit
einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte
Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur
Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. In Österreich besteht die (formelle) V. aus
dem Bundesverfassungsgesetz und mehr als 1300 Verfassungsgesetzen bzw. einzelnen
Verfassungsbestimmungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32,
55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222,
227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des
österreichischen Kaisertums, 1809; Hugo, G. W., Chronologische Verzeichnis der
Verfassungsurkunden älterer und neuerer Zeit, 1827; Die Grundgesetze und Verfassungsurkunden,
hg. v. Hugo, G. W., 1836; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A.
1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der mittelalterlichen Verfassung
Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900), 115; Sander, P., Feudalstaat und
bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung,
1914; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation und
Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel, P., Wilhelm von Humboldt und
die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913; Schramm, P., Studien zu
frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG GA 49
(1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil. Röm. Reiches, ZRG
GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die Verfassungen der modernen
Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel, E./Groh, F./Hecker, H.,
1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf die deutschen
Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz 1955; Pfeffer,
W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der
Verfassungsbegriff in der deutshen Staatslehre der Aufklärung und des
Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, (in) Ständische
Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung,
1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H.,
Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die Reichsverfassung
der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7.
A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff, 1986; Gizewski, C., Zur
Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse, 1988; Stourzh, G., Wege
zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung, hg. v.
Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20. Jahrhunderts, 14.
A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; 1789 et
l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u. a., 1994; Schulze, H.,
Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A. 2004; Caenegem, R. van, An
historical introduction to Western constitutional law, 1995; Mohnhaupt,
H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten, hg. v.
Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, (in)
Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der
Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung,
1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen Verfassungsgerichtshof,
1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro
Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H.,
Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in
Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation,
1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die
Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H.,
Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der Verfassung und
konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M.
u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048;
Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung
der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F.,
Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität, 2002; Die Verfassungen der
Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, Bd. 2 Nord- und
Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und Verfassungswandel, hg.
v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die landständische Verfassung, 2003;
Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Eine
Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004; Parlamento e Costituzione
nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in
den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a.,
2004; Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und Geschichte, 2. A. 2004; Eine
Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Weimarer
Landesverfassungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W., Geheime Hüter der
Verfassung, 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg. v. Kotulla, M., Bd.
1ff. 2006ff.; Bock, D., Der Eid auf die Verfassung im deutschen Konstitutionalismus,
ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H., Englische Verfassung und politisches Denken
im ancien régime 1689-1789, 2006; Winterhoff, C., Verfassung, 2006;
Constitutions of the World, Europe, Bd. 3 Deutsche Verfassungsdokumente, Teil
1ff. 2006ff.; Hollstein, T., Die Verfassung als „allgemeiner Teil“, 2007; Rheinbündischer
Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Handbuch Ius Publicum
Europaeum, hg. v. Bogdandy, A. v. u. a., Bd. 1f. 2007f.; Dressel, C. v. Die
Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg 1800-1826, 2007; Baum,
D., Johann Friedrich Benzenberg (1777-1846) Doktor der Weltweisheit und
Professor der Konstituionen, 2007; Köbler, G., Von der Geschichte der
Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Müßig,
U., Die europäische Verfassungsdiskussion des 18. Jahrhunderts, 2008;
Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, hg. v.
Wahl, R., 2008; Reform an Haupt und Gliedern, hg. v. Durner, W. u. a., 2009;
Weber, A., Europäische Verfassungsvergleichung, 2010; Deutsche Verfassungen
1849-1949, hg. v. Ipsen, J., 2012; Neu, T., Die Erschaffung der landständischen
Verfassung, 2012 (Hessen 1509-1655); Verfassungsvoraussetzungen -
Gedächtnisschrift für Winfried Brugger, hg. v. Anderheiden, M. u. a., 2013;
Schutz der Verfassung, hg. v. Simon, T., 2014
Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine Grundrechte
wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft
entfalten und Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als
unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze
ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt der Katalog einen
pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar, wobei die
Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung
von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird. An der Spitze des
Organisationsteiles steht die Entscheidung für den demokratischen und sozialen
Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht, durch besondere Organe der
Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung ausgeübt wird und Parteien
bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die wichtigsten Organe
sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler und
Bundesverfassungsgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die
Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des
Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist die am 7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich
konservative, aber weder Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine
gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird
durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der
Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten durch einen
kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968
will die inzwischen erreichten sozialen Errungenschaften absichern und gibt in
der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H.,
Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989
Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die
verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz
eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen
(1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in
Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das
Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000
Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zur Verabschiedung
einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main 1848, Weimar 1919).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610,
Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem
19. Jh. (1818, 1834) die die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der →Verfassung
(z. B. durch Normenkontrolle, Grundrechtsverletzungsprüfung, Wahlprüfung,
Amtsenthebungsverfahren) überprüfende, in einzelnen Staaten aus der
allgemeinen Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich Anfang
1919 Verfassungsgerichtshof in Anknüpfung an Aufgaben des Reichsgerichts mit
Aufgabenerweiterung 1920, Tschechoslowakei 1920 [konnte grundsätzlich
jedes verfassungwidrige Gesetz für nichtig erklären, geriet aber in Vergessenheit],
Liechtenstein, Spanien, Italien,), Deutsches Reich [→Staatsgerichtshof]
1921, Frankreich, Türkei, Jugoslawien, Spanien, Portugal, Belgien, Bundesrepublik
Deutschland 1951, Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980). In den
Vereinigten Staaten von Amerika kann jedes Gericht selbständig (deklaratorisch)
die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes feststellen (ebenso Skandinavien,
Irland), in anderen Staaten ist dazu nur das besondere Verfassungsgericht
(Schweiz, Griechenland, Estland) befugt. Keine Einrichtung für
Verfassungsgerichtsfragen besteht bisher in Großbritannien und den
Niederlanden.
Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des
Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N. F. 16
(1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, (in)
Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit,
hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa,
hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung
der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit
in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen
Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre
Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997;
Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki,
B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die
Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000;
Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818,
2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen
Ländern und in Berlin, 2002; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der
Tschechoslowakei, 2009; Haase, G. u. a., Verfassungsgerichtsbarkeit in
Europa, 2009
Verfassungsgerichtshof ist das (obere) Verfassungsgericht (z. B. Österreich [nach
dem Reichsgericht Cisleithaniens von 1869-1918] Gesetz vom 25. 1. 1919, 3. 4.
1919 und durch Bundesverfassungsgesetz 1920 Zuständigkeit (auf Normenkontrolle
und Wahlprüfung) sowie 1925 auf Kompetenzprüfung erweitert, Mai/Juni 1933
durch die Bundesregierung beschlussunfähig gemacht, durch die Maiverfassung 1934
aufgelöst, 12. 10. 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten an Hand
der Verfassung).
Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher;
Zavadil, T., Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs 1933, 1997
(Diplomarbeit Univ. Wien); Heller, K., Der Verfassungsgerichtshof, 2010; Neschwara,
C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Regierung und Parlament,
ZRG GA 130 (2013), 435
Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der (formellen oder materiellen) →Verfassung
betreffende Teil der (die V. einschließenden) Rechtsgeschichte (Wort seit 1825
[Müller, Alexander] belegt). Grundlegend für Deutschland ist die V. von Georg
→Waitz. Weitere bekannte Verfassungsgeschichtler sind (die Historiker)
Otto Hintze [1902 erstes persönliches Ordinariat für Verfassungsgeschichte an
der Univerisität Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner oder (der Jurist) Ernst
Rudolf Huber.
Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff.
1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte,
hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte,
1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di
Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen,
insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur
Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB
Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche
Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische
Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung,
1975; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 8. A. 2001,
10. A. 2005; Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung,
1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und
Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990;
Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz,
A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Caenegem, R. van, An
Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche
verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1990, 2. A: 1992, 3. A. 1997, 4. A. 2001, 5.
A. 2005, 6. A., 2009, 7. A. 2013; Frotscher, W./Pieroth, B.,
Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005, 6.
A. 2007; 8. A. 2010, 9. A. 2010, 10. A. 2011, 11. A. 2012, 12. A. 2013; Zuleeg, M., Ansätze zu einer
Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine
deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002, 7. A. 2006; Brandt, H., Der lange
Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer, W., Die wissenschaftlichen
Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich, G.,
Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat,
2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und Verfassungsgeschichte, 2001;
Europäische Verfassungsgeschichte, hg. v. Willoweit, D. u. a., 2003 (47
Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003
(Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2004; Pitz, E.,
Verfassungslehre und Einführung in die deutsche Verfassungsgeschichte des
Mittelalters, 2006; Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte
und Recht, 2004; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a., Bd. 1f. 2006ff.; Steiger, H.,
Verfassungsgeschichte im Spiegel verfassungsgeschichtlicher Studienbücher und
Überblicke, ZNR 2007, 287ff.; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur
Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Kotulla, M., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009; Verfassungsgeschichte
in Europa, hg. v. Neuhaus, H., 2010; Verfassungsgeschichte aus internationaler
und diachroner Perspektive, hg. v. Arlinghaus, F., 2010; Willoweit, D., Kleine
deutsche Verfassungsgeschichte, 2013; Verfassungsgeschichte Europas, hg. v. Prettenthaler-Ziegerhofer,
A. u. a., 2013
Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z.
B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-1866).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche
Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung,
Hist. Jb. 100 (1980), 257
Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die →Verfassung betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966;
Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A.
1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat.
Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen
und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches
Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.
Verfassungsschutz
Lit.:
Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004
Verfassungsurkunde ist die eine →Verfassung schriftlich verkörpernde Urkunde
(formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach wissenschaftlicher
Konvention) seit 12. 6. 1776 (→Virginia Bill of Rights).
Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen,
Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der
Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen
Verfassungsurkunde, 1918
Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im
Gegensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.
Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und
Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126
Verfestung ist
seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine Rechtsfolge bei
Ladungsungehorsam, die der →Acht ähnelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch
der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem
Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995
Verfügung (1560) ist im Privatrecht das
Rechtsgeschäft, durch das ein Recht unmittelbar geändert, aufgehoben,
übertragen oder belastet wird (z. B. Übereignung). Zu einer V. ist
beispielsweise der Eigentümer befugt, doch kann er die Verfügungsbefugnis auch
anderen einräumen. Verfügungsbefugt sind ebenfalls Vormund (lat. tutor) und
Pfleger (lat. curator). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der
→Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im
19. Jh. wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die
für den Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht
ist V. ein →Verwaltungsakt.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2;
Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen
nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über
Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem
Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen nach
den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen nach
ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die
Entdeckung der Verfügungsmsacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der
Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977,
213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Schmidt-Recla, A., Kalte oder warme Hand?, 2011
Verfügungsgeschäft ist das eine →Verfügung anstrebende bzw. bewirkende →Rechtsgeschäft.
Es bedarf im römischen Recht eines rechtlichen Grundes (lat. iusta caua). Im
19. Jh. wird das V. von dem Verpflichtungsgeschäft abstrahiert, so dass es auch
ohne dieses wirksam ist. Dann kann aber die Verfügung auf dem Weg über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung rückgängig gemacht werden.
Vergabung ist
das Übertragen eines Gegenstands an eine andere Person. →Schenkung
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Vergehen ist
die rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe
oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird
das V. nach französischem Vorbild zu Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813).
Der Versuch eines Vergehens ist nur bei besonderer gesetzlicher Bestimmung
strafbar.
Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hannamann, O., Über die
Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, K. v., Über die
Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die
Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915
Vergeltung ist
der in Zufügung des gleichen oder eines (als mindestens gleichwertig
angesehenen) anderen Nachteils bestehende →Strafzweck.
Vergewaltigung ist
die Nötigung einer Frau mit Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem
Nötigenden oder einem Dritten (→Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s wird auch
die V. in der→Ehe strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland
1997). In Deutschland wird 1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben
und als besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck
1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S.,
Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C.,
Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur
Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005; Münch, I. v., Frau komm!,
2009
Vergleich (1468,
lat. [F.] transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der
Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege
gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen
Recht ein →Erlass, wird aber von →Justinian (527-565) hiervon
abgelöst. Der V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter
wird das justinianische Recht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der
Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung,
2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der
Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert,
W., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Eisenhardt, M., Sanierung statt Liquidation, 2011
Verhaftung ist
seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines einer Straftat Verdächtigen.
Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die
Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass die Verwaltung
unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen darf, die den
Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz
der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst im 20. Jh. artikuliert.
Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994
Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting system) ist die Art des
Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis
der Gesamtstimmenzahl zu der auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste
im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Belgien
1899, Österreich 18. 12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein Grundmandat oder
bundesweit 4 Prozent der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im
ganzen Reich ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht.
Es kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den
politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.
Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung
der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R.,
Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60
Verhandlung ist
die Erörterung eines Gegenstands durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung
vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des
Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht
unterbreiten, so dass nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden
wird. Ein Gegensatz zum Verhandlungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime [Gönner])
ist der Grundsatz der Untersuchung durch das Gericht (z. B. im Inquisitionsprozess).
Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und
Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit,
1971
Verhör ist
die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen andern Menschen zur
Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von Verdächtigen durch
einen Ermittler.
Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M.,
Das Verhör, 2003
Verjährung (1555, verjähren 1221-1224 Sachsenspiegel, Verjährungsfrist 1784/1794) ist der
durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als
(lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von den römischen Kaisern
Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424) mit einer Frist von
grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr)
eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das Frühmittelalter aus und wird
später allgemein aus dem römischen Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die →Verschweigung.
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen
Verjährung binnen 30 Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002
ist in Deutschland die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V.
gibt es auch für die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.
Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20. Jh.;
Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre, 2. A.
1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866; Reich, O.,
Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson, W. van,
Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg, H., Die
Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die gemeinrechtliche
Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jansen, J., Bezit te kwader
trouw, verkrijgende en bevrijdende verjarng, 2011
Verkauf →Kauf
Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte, bei
Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende Pfand.
Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem Land
seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das Gericht
oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch öffentliche
Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung verwertet.
Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips,
1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verkehr ist
ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder Beförderung von Menschen
oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im
römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand wird erst in der
Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18. Jh.s und vor allem seit dem 19.
Jh. verdichtet sich der V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem
Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem Straßenverkehr (Straße,
Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil, Lastkraftwagen), dem Wasserverkehr
(Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff) und dem Luftverkehr (Ballon,
Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu. Die Modernisierung der
Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung und Globalisierung aus
(schneller, öfter, weiter, mehr, billiger, bequemer, sicherer). Für die unterschiedlichen
Verkehrswege Land, Wasser, Luft und Raum werden vor allem im 20. Jh. jeweils
besondere Verkehrsregeln entwickelt.
Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu
Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A.,
Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung
des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge
eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194;
Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C.,
Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008
Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung entwickelte
Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus erwachsenden
Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist Schadensersatz aus
unerlaubter Handlung zu leisten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Voss, L., Die Verkehrspflichten,
2007; Bohrer, M., Der morsche Baum. Verkehrssicherheit und Fahrlässigkeit in
der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010
Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche Verhalten
im Rechtsverkehr. Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts
herangezogen werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung
dienen.
Lit.: Al-Shamari, N., Die
Verkehrssittte im § 242 BGB, 2006
Verklarung ist
im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über
den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits römischrechtlichen
Ansätzen im Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang
mit der allgemeinen Verschweigung ist ungewiss.
Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913
Verknechtung ist
der Verlust der Freiheit durch Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in
unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener Voraussetzungen.
Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958),
116
Verkündung ist
die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der
V. Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze
in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt. In Ermangelung einer Schriftform
erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das
geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh.
wird die Veröffentlichung in Schriftform zur Voraussetzung für die Geltung
eines neuen Rechtssatzes.
Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur
Aufzeichnung, (in) Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verlag (1548) ist der
gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der Tonkunst
und Literatur. Der V. (z. B. von Webwaren) erscheint seit dem Spätmittelalter
(Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und
Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen
Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem
das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben der Stadt auch das
Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen
Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur
(deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184;
Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen
Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei
zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, (in) Vom Gewerbe
zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988;
Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb,
1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Wesel, U.,
250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013
Verlagsrecht (1784/1794) ist objektiv die
Gesamtheit der den →Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem
Verleger vom Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Ausgangspunkt
nimmt das V. auf dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des
Buchdrucks am Ende des Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien
gegen Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich
die Lehre vom →geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im
preußischen →Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren
Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich
geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von
Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.
Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H.,
Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und
Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und
Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des
Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Wesel, U., 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013
Verlassenschaft ist die Hinterlassenschaft bzw. der Nachlass eines Menschen. In
Österreich bildet sich unter dem Einfluss der Rezeption des römischen Rechtes
seit dem 16. Jh. ein besonderes Verlassenschaftsverfahren aus, nach dem das
Erbe mit dem Erbfall nicht unmittelbar dem Erben anfällt, sondern der ruhende
Nachlass selbst zeitweiliger Rechtsträger ist. Das Gericht oder der von ihm
beauftragte Notar muss in einem nichtstreitigen Verfahren (Außerstreitgesetz
vom 9. 8. 1854, reformiert am 13. 11. 2003) grundsätzlich den Todesfall
aiufnehmen, einen letzten Willen veröffentlichen, die Erbansprüche
feststellen und die Einantwortung der Erben vornehmen.
Lit.:
Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957
Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches →Grundbuch.
Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der
Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1
Verletzung →Körperverletzung
Verleumdung ist
die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren
Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet ist, denselben
verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen
Kredit zu gefährden. Die V. wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren
Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V.
und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen
Strafgesetzbuchs mit Hilfe des Merkmals „wider besseres Wissen“.
Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Sørensen, P.,
The unmanly man, 1983
Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer
Liegenschaft
Verlöbnis (1450) ist der Vertrag, durch den
sich zwei Menschen verschiedenen Geschlechts gegenseitig versprechen, die Ehe
miteinander einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis.
Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen
Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. [F.]
sponsio →[N.Pl.] sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform
gelöst wird (und seine vielleicht anfangs vorhandene Klagbarkeit verliert). Im
spätantiken römischen Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf
übernommene Verlöbnisgabe (lat. arrha [F.]
sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter
vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. Im germanischen Recht
einigen sich vielleicht ursprünglich auch Brautvater und Bräutigam über die
Braut. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung.
Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unterscheidung zwischen den (lat.)
sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de
praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des
Eheversprechens wird im 18./19. Jh. (Österreich 30. 8. 1782 Verlöbnispatent) wieder
beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20. Jh.
verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik,
Bundesrepublik Deutschland 1996).
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg,
E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876;
Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882;
Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und
Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die
Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis
von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verlobung (1550) s. Verlöbnis
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermächtnis (1614) ist die (letztwillige) Verfügung
von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen (im Gegensatz zu einem
Teil der Erbschaft) einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als
Erben einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen
Formen bekannt (formbedürftig lat. [N.]
→legatum nach ius civile bzw. formfrei →fideicommissum nach
Kaiserrecht). Das Legat kann in einem Testatment oder in einem bestätigten
Kodizill bestellt werden. Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter
auch das V. aufgenommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es (nicht
dinglich wirkendes Vindikationslegat, sondern nur schuldrechtlich wirkendes)
Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des
Vermächtnisnehmers gegen den Erben.
Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111;
Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Eßmann, A., Vom Eigennutz zum Gemeinnutz, 2007; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermählung →Eheschließung
vermehrter Sachsenspiegel →Meißener Rechtsbuch
Vermengung (lat. [F.] commixtio) ist die Zusammenfügung gleichartiger fester Stoffe
unterschiedlicher Eigentümer zu einem ununterscheidbaren Ganzen (z. B.
Getreide). Nach römischem Recht bleibt bei nicht einvernehmicher V. das
Eigentum am entsprechenden Anteil bestehen, während bei einvernehmlicher V.
Miteigentum entsteht. Bei V. von Geld wird ursprünglich (originär) Eigentum
erworben.
Vermischung (1524, lat. [F.] commixtio) ist der Zusammenfluss gleichartiger Flüssigkeiten
oder geschmolzener Metalle verschiedener Eigentümer. Bei Einverständnis
entsteht Miteigentum, bei fehlendem Einverständnis bleibt das Eigentum am jeweiligen
Anteil bestehen.
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen
unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach
amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag
und Bundesrat.
Vermögen (Wort um 1300 belegt) ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände
von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt
das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf
vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann
mit Vermögensteuer besteuert werden. Im römischen Recht ist Träger (Eigentümer)
des Vermögens der Vater (lat. [M.] pater familias). Später werden daneben Söldner
vermögensfähig hinsichtlich des (lat. [N.]) peculium castrense, seit der Nachklassik Hauskinder hinsichtlich
ihres Sondervermögens.
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II;
Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869;
Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H.,
Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im
Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine
Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA
109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen
oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte,
von der Aufklärung wegen der Auswirkungen auf die Familie des Betroffenen
bekämpfte, durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland (wieder) eingeführte,
aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03.
2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.
Lit.: Schnieders,
R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002
Vermögensvollstreckung ist im römischen Recht die im 2./1. Jh. v. Chr. neben die
Personalvollstreckung tretende Vollstreckung des Gläubigers in das Vermögen
des Schuldners, wenn dieser nicht den durch Urteil bestimmten Betrag leistet.
Dabei wird der betreibende Gläubiger in den Besitz eingewiesen und danach das
Vermögen durch Versteigerung an den Meistbietenden verwertet, wobei die
Verteilung des Überschusses auf die anderen Gläubiger nach der Reihenfolge der
Urteile erfolgt.
Vermutung ist
der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten Umstands (grundsätzlich)
auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll (z. B. von Besitz
auf Eigentum). Die aus der Erfahrung des Alltagslebens erwachsende V. ist (als
[lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem
später aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 29; Hamza, G.,
Réflexions sur les présomptions relatives aux comourants (commorientes) (in)
Status familiae, 2001, 131
Vernunft ist
die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf
die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird
die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht.
Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft
und Natur der Sache, 1970; Pohl, M., Fliehen - Kämpfen - Kapitulieren, 2013
Vernunftrecht ist das allein durch die →Vernunft gerechtfertigte und begründete
Recht. Es ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V.
nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern (Francisco de →Vitoria
1483/1493-1546, Fernando →Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer
verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen
Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine
Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo →Grotius
1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus
dem naturgegebenen Streben (lat. [M.]
appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte
Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden
auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen
Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf
Gott bezogene Naturrecht verweltlicht bzw. (bei Grotius) von der Moraltheologie
emanzipiert und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die
göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft
allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht.
Dem folgt neben David →Mevius etwa →Pufendorf (1672), der in
geometrischer Art (lat. more geometrico) für das private Recht ein Gesamtsystem
einleuchtender Vernunftsätze bilden will. Christian →Wolff (1679-1754)
will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthetische Deduktion
mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen
Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei
nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechtes als
Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht
einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die
Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel →Kant
(1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche
Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches →Allgemeines Landrecht
(1794), →Code civil (1804) und österreichisches →Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch (1811/1812) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische
Prägung. Im Staatsrecht führt das V. zur Lehre vom Gesellschaftsvertrag (frz.
contrat social), im Strafrecht zur Humanisierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145,
159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum
150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3;
Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural
moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979;
Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die
Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders,
W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und
Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und
Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A. 2001, 10. A. 2005
Verona an
der unteren Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische
(lat. [F.]) colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs,
später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des
Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, die 1228 und 1276
Statuten aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und →Österreich
(1797) gelangt es 1866 zu →Italien.
Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976;
Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995
Verordnung ist
die behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von Personen für eine
unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem Auftreten von
Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im Frühmittelalter
(z. B. →Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber erst seit der
frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber. →Notverordnung
Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen
Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller
baden-durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller
unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J.,
Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das
richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001
verpachten →Pacht
Verpfählung
Lit.: Der Rechtsbrauch des
Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921),
110
verpfänden (als
Pfand geben), durch Rechtsgeäft ein Pfandrecht als beschränktes dingliches
Recht an einer Sache eines anderen begründen
Lit.:
Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen
Reichsstädte, 1893; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von
Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte im Mittealter, 1967
Verpflichtung (1307, F.) Obligation, Schuld, Verbindlichkeit
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine →Verpflichtung
begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem diese Verpflichtung
tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das →Verfügungsgeschäft
ist. Das V. verändert die dingliche Rechtslage an der betroffenen Sache nicht,
begründet aber relative Rechte und Pflichten des Gläubigers und Schuldners
in Bezug auf das daraufhin vorzunehmende Verfügungsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler, DRG
46
Verrat ist
die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines Geheimnisses. Bereits bei den
Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch Aufhängen. Im Übrigen werden
die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat, Landesverrat) im Einzelnen
unterschiedlich verfolgt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J.,
Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942
Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein
Mensch, dem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder weniger
abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr hat für
vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen
einzustehen.
Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, G., Entwicklung der
Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen,
(in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior,
2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen,
2000
Versailles ist
der südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals bezeugte und 1561 mit
Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein Schloss errichten
lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in
V. der König von Preußen zum Kaiser von Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919
wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat
betrachtete, aber auch den Wunsch Frankreichs nach Zerschlagung Deutschlands
oder nach Gewinnung der Rheingrenze verhindernde, ohne Beteiligung des
Deutschen Reiches entstehende, den Wiederaufstieg Deutschlands in wenigen
Jahren zur potentiell stärksten Macht Europas ermöglichende Friedensvertrag
der alliierten Siegermächte des ersten Weltkriegs mit dem Deutschen Reich
unterzeichnet (Verlust eines Zehntels des Staatsgebiets [Elsass, Lothringen,
Westpreußen, Posen], Kriegsschuld, Reparationsverpflichtungen,
Heereseinschränkung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das
Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles,
1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001; Kolb, E., Der Friede von
Versailles, 2005
Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich
und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare
Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt (str.), wobei es
dem Kläger nur begrenzt möglich ist, die Teilnahme des Beklagten außerhalb seines
Wohnorts zu erzwingen. In der Gegenwart wird bei Säumnis des Beklagten nach dem
Vorbild des sächsischen Prozesses auf der Grundlage des Vortrags des Klägers
ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.
Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H.,
Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa,
M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main
1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster
1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T.,
Versäumnisurteile in Europa, 1996; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang,
2009
Verschollenheit (1809) ist das Fehlen von
Nachrichten über das Leben oder Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt
während längerer Zeit unbekannt ist und an dessen Fortleben nach den Umständen
ernstliche Zweifel bestehen. Die V. wird bereits im römischen Recht erfasst
(Auflösung der Ehe, Kriegsverschollenheit [lat. ius postliminii]). Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der →Todeserklärung
eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Verschollenheitsgesetz
(15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten
Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.
Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237,
266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951;
Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bertrand, A., Zur
Entwicklung des Verschollenheitsrechts, 2013
Verschulden (Wort 1636 belegt) ist das
objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines
schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen Recht ein bedeutsames
Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.]
culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von
einer →Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann,
dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbverständlich
mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende
Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/1808, Hasse 1815, Ihering
1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus →Gefährdungshaftung
(Preußen 1838 für Eisenbahnen u. s. w.)
geschaffen. In der Folge wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht
objektiv bestimmt. Im Eherecht kann eine schuldhafte Verletzung einer
ehelichen Pflicht in der Neuzeit einen Grund für die Ehescheidung darstellen.
In Deutschland wird dieses (vorwerfbare) V. 1976 durch die (objektive) Zerrüttung
ersetzt, in Österreich 1978 die einvernehmliche Ehescheidung ermöglicht und
1999 unter Aufgabe der absoluten Ehescheidungsgründe ein einziger relativer
Verschuldensehescheidungstatbestand geschaffen.
Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128,
209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969),
187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein
Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)
Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle
gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193
Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechtes bzw. die Duldung
eines fremden Eingriffes in ein Recht, die seit dem Mittelalter meist nach →Jahr
und Tag zum Verlust des Rechtes führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von
der →Verjährung und der →Ersitzung verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr,
W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln
1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Verschwender (lat.
[M.] prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben
tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden
Pfleger (lat. [M.] curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht
aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich
häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der →Entmündigung
die →Betreuung.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz,
A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung
wegen Verschwendungssucht, 1996; Griebl, L., Die Behandlung von Verschwendern
und Geisteskranken, 2010
Versenken im Moor
ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. →Moorleiche
Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der
Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922
Versicherung (1490) ist die Schaffung von
Sicherheit durch ein Verhalten, insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf
eine Schadensausgleichsleistung eines Versicherers durch regelmäßige Vorleistungen
eines Versicherten. Die V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter,
spätestens jedoch im Hochmittelalter auf der Grundlage der Gegenseitigkeit
der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten, Lösegeldzahlung,
Schiffsverlust [Italien
14. Jh.]). Sie wird ein schuldrechtlicher
Vertrag zwischen Versicherer (Versicherungsgemeinschaft) und (einzelnem) Versicherungsnehmer.
Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit dem 17. Jh. wird die →Lebensversicherung
möglich. Neben die genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die
unternehmerische Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt
zwecks allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversicherung für einzelne Schadensgefahren
(Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908 wird im Deutschen Reich ein
Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden Versicherungen geschaffen,
über die der Staat (Preußen 1781) die Aufsicht führt. Dieses Gesetz wird in
Deutschland zum 1. 1. 2008 neu gefasst. Neben der sich mit zunehmender
Globalisierung stark internationalisierenden Privatversicherung steht
die von Otto von Bismarck zur Abwehr sozialistischer Gefahren für den Staat 1881/1884
aufgegriffene →Sozialversicherung (Zwangsversicherung gegen
Arbeitsunfall als Arbeitnehmer, Krankheit als Arbeitnehmer, Invalidität als
Arbeitnehmer, Alter als Arbeitnehmer u. s. w.), die auch einen entsprechend hohen Verwaltungsaufwand mit
sich bringt.
Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il
contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten
Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte,
1936; Schmitt-Lermann, H., Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben
des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British
Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur
Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen
Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die
Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Hofmann, E.,
Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor
dem Versicherungsvertragsgesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und
Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W.,
Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg.
v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrags im
preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E.,
Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der
Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the
Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte
der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000;
Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001; Principles
of European Insurance Contract Law, hg. v. Basedow, J. u. a., 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Röder, T., From Industrial to Legal Standardization 1871-1914, 2012; Koch, P.,
Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland, 2012
Versicherung an Eides Statt
Lit.: Lex, P., Die Versicherung an
Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967
versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache
Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II
Versionsklage (lat. actio [F.] de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das
zu einer Bereicherung des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven
Verwendete, die Justinian (527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem
Handeln Gewaltfreier erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
geht die V. in den Bereicherungsansprüchen auf.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage,
1965
Versitzung ist
der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim Rechtserwerb durch →Ersitzung.
Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf sozialversicherungsrechtliche
Versorgung außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses zwischen zwei Ehegatten
im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland 1976 eingeführt. Der
Ehegatte mit geringeren Versorgungsansprüchen hat einen Anspruch auf
Ausgleich aus den Versorgungsansprüchen des anderen Ehegatten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169
Versprechen (1632) ist die Zusage einer Leistung
oder das fehlerhafte Sprechen.
Lit.: Die Ordnung des
Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des
Staates. Sie ist im Rechtsstaat als →Enteignung nur gegen Entschädigung
zulässig. Sie ist in der Marktwirtschaft selten.
Lit.:
Stiefel, D., Verstaatlichung und Privatisierung in Österrreich, 2011
Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den Meistbietenden. Die
V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird in den
mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder
öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in der →Zwangsvollstreckung
(→Zwangsversteigerung).
Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970;
Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003
Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen
Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand,
Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als
Strafe bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt
sie im Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und
schließlich beseitigt. Als →Maßnahme der Sicherung und Besserung wird
aber die Kastration zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich wieder
durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd.
1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Versuch ist
im Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch
Handlungen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands unmittelbar
ansetzen, aber nicht zur Vollendung führen. Der V. ist so alt wie die Straftat.
Er wird anfangs aber nur als verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z.
B. Messerziehen als Vorstufe einer Körperverletzung). In Italien befassen sich jedoch
bereits die Glossatoren verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat
betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird der V. als solcher gesehen
(Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und dann einschließlich des →Rücktritts
als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum
war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos?, 1963 (9 S.);
Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973,
157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241;
Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur.
Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18).
Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren,
1989, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom
Versuch, 1995
Verteidiger ist
der Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen
Recht bekannt, gewinnt aber insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen
Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. →Strafverteidiger
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264;
Henschel, J., Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972;
Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980;
Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der
Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA
117 (2000), 395; Gaqrlati, L., Die Verteidigung hat das Wort, 2011; Mehlich,
A., Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion, 2012
Vertrag (Wort 1287 belegt, Vertragsabschluss 1863, Vertragserbe 1896, Vertragsverhältnis
1863, vertragswidrig 1807) ist das
grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig entsprechende Willenserklärungen
zustandekommende, zweiseitige →Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit
den Anfängen des Rechtes (Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Jurisprudenz unterscheidet
mehrere verschiedene Arten (→Realkontrakt, →Verbalkontrakt, →Litteralkontrakt,
→Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen Kirche entwickelt
sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio
non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die
Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrags. Vielleicht geht der
Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch im weltlichen
Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582).
Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.)
erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter
Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im allgemeinen Teil geordnet. Die
Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im Wesentlichen auch für den V.
zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossenen sowie für den wohl erst im 19.
Jh. anerkannten öffentlichrechtlichen V. →Gesellschaftsvertrag
Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855;
Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und
Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67
(1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur.
Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA
77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht,
ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v.
Classen, P., 1966; Stoljar, S., A History of Contract at Common Law, 1975;
Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische Vertrag, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen
Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts,
Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law
of contract, ed. by Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of
Modern Contract Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen
Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis,
1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im
modernen Austauschvertrag, 1997; Volante, R., Il sistema contrattuale del
diritto comune classico, 2001; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im
deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der
Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Meß, C., Das
Vertragsrecht bei Adam Smith, 2007; Harth, C., Der Mythos von der Zerstörung
des Vertrags, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Fichte, R., Die Begründung des Militärdienstverhältnisses,
2010
Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen Rechtsprechung im späten 20. Jh.
(um 1960) entwickelte Vertrag, der bestimmte schützenswerte Dritte in den
Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrags einbezieht, um den
unzureichenden Schutz des Deliktsrechts auszugleichen (seit 2002 in
Deutschland § 311 III BGB).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
270; Krings, S., Die Vorgeschichte des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten
Dritter im Mietrecht, 2013
Vertrag zugunsten Dritter (1845) ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B.
Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen). Er wird nach älteren
vernunftrechtlichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet.
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt.
Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner
548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die
Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti
a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines
Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus,
1968
Vertragsfreiheit (Wort 1860 belegt, Privatautonomie) ist die Freiheit in
Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als Grundsatz am Beginn des
Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich
eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft u. s. w.). Im römischen Recht bestehen
demgegenüber viele Einschränkungen (z. B. Typenzwang). In der Kirche wird
schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Das
Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt
sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art. 1134 Cc Frankreichs von 1804). Der
Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen
die V. verschiedentlich ein. Auch Verbraucherschutz seit dem ausgehenden 20.
Jh. bedeutet Beschränkung der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer,
W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948;
Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung,
1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and
Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer,
S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006; Keiser, T., Vertragszwang und
Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne,
2013
Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen →Vertrag betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des
deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels
Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59
(1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A.
1995; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanistas im römischen Recht, 2009;
Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, hg. v. Arnold, S., 2014
Vertragsstrafe (Wort 1897, lat. [F.]
poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den
Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit
verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der →Stipulation
bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit dem Spätmittelalter
wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen Recht aufgenommen und
allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) bejaht sie
unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen Ermäßigungsmöglichkeit.
Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell,
DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische
Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye,
F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du
concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang, H.,
Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe,
1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen,
1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vertragsverletzung →Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung
Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss.
jur. Hamburg 1967
Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte
Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. →Treu und Glauben
Lit.: Canaris, C., Die
Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003 Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein Rechtsgeschäftspartner auf
die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsge-schäfts vertraut.
Vertreibung ist
die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von Menschen von einem von
ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung in Mitteleuropa nach dem zweiten
Weltkrieg im Umfang von vielleicht 12,5 oder 15 Millionen Menschen). Sie ist
völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu
Recht werden und kein Opfer rechtfertigt ein anderes.
Lit.: Dokumente der Vertreibung der
Deutschen aus Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd.
1ff. 1958ff.; Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die
Vertreibung der Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H.,
Schwarzbuch der Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden,
hg. v. Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg.
v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und
Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen,
Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur
Vertreibung 1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der
deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die
Vertreibung, 2003; Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a.,
2003; Urban, T., Der Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt
gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M., Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004;
Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006;
Lexikon der Vertreibungen, hg. v. Brandes, D. u. a., 2010; Beer, M., Flucht und
Vertreibung der Deutschen, 2011; Steinbach, E., Die Macht der Erinnerung, 2. A.
2011; Douglas, R., Ordnungsgemäße Überführung, 2012; Schwartz, M., Ethnische Säuberungen in der Moderne, 2013
Vertreter (Wort 1390) s. Stellvertreter
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
vertretbar (wegen
der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar)
Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999
Vertretung (Wort um 1500) →Stellvertretung
Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald,
F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur.
Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen
Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v. Gerhard,
D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T.,
Gesamtvertretung, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Vertriebener
Lit.: Kossert, A., Kalte Heimat. Die Geschichte der
deutschen Vertriebenen nach 1945, 2008; Integrationen, hg. v. Krauss, M., 2008;
Fischer, W., Heimat-Politiker?, 2010; Amos, H., Vertriebenenverbände im
Fadenkreuz, 2011; Schwartz, M., Funktionäre mit Vergangenheit, 2012; Müller,
M., Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977, 1012
Verwahrung (Wort
um 1495, lat. [N.] depositum, Verwahrungsvertrag 1784/1794) ist der entweder
gegenseitige oder unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag, durch den
sich der Verwahrer verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene
bewegliche Sache aufzubewahren. Die V. ist dem römischen Recht als zunächst
unentgeltlicher →Realvertrag bekannt (bei Entgeltlichkeit locatio
conductio operis, Werkvertrag). Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach.
Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Danach ist entgeltliche
V. ein zweiseitig verpflichtender Vertrag, unentgeltliche V. ein unvollkommen
zweiseitig verpflichtender Vertrag. Bei unregelmäßiger V. (lat. depositum
[N.] irregulare) wird der Verwahrer Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld
in der Bank), ist aber zur Rückgabe gleichartiger Sachen (eventuell mit
Zinsen) verpflichtet.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3;
Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und
Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verwaltung ist
die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere
die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht.
Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer
Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu.
Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen
gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige
allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine
Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von
Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen.
Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und
Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen
geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungsreformen).
Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken
geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten,
die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet
wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von
Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in
die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und
eher →Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der
Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→Leistungsverwaltung
z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem
Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden
geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von
der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht (→Verwaltungsgericht)
in Deutschland durch. Der Umfang der V. (um 1870 in Österreich etwa 80000
öffentlich Bedienstete, um 1910 400000) und damit auch ihre Kosten wachsen (bis
in das Ende des 20. Jh.s) unvermindert oder kaum vermindert weiter.
Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232,
251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische
Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die
städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J.,
Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local
government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3.
A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H.,
Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H.,
Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt,
5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967;
Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer,
F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche
Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.;
Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den
niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung
hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des Departements
Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom
Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972;
Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A.,
Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der
städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und
Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Universität Budapest, 1978; Maier, H., Die
ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de
l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H.,
Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung
seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff.
1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und
ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch
Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A.
Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen
Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher
Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des
römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären
System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren
Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung.
Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und
Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003;
Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U.,
Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge,
2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und
Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit
in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller,
2008; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger
u. a., 2010
Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder
andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare
Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid).
Der urteilsähnliche V. entsteht mit der →Verwaltung. Das Wort V. tritt
anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als
allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto →Mayer
nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich geregelt
wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland 1976)
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259;
Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845;
Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des
deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967;
Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre
vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer,
1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998;
Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002;
Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004
Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein
Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten (allein) gemeinschaftlich verwaltet.
Die V. findet sich bereits sehr früh. Die V. mit Widerrufsmöglichkeit der
Ehefrau ist von 1812 bis 1978 der ordentliche Ehegüterstand des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (verschämte V.), die V. ohne Widerrufsmöglichkeit
der ordentliche gesetzliche Ehegüterstand in Deutschland von 1900 bis 1953
(Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt mit der Gleichstellung der Frau
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (Deutschland 1953 Gütertrennung. 1957 Zugewinngemeinschaft,
Österreich 1978).
Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten (vor allem
zwischen Staat und Bürger) entscheidende Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich
der Untertan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz gegenüber dem Landesherrn an
ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg
berufen kann. In der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird die gerichtliche
Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer politischen Forderung, weil
die Verwaltungstätigkeit während der gesamten frühen Neuzeit zunimmt und der
Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Überprüfbarkeit allen Handelns
nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne Überprüfung wird
bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als
unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichte (Otto →Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer
Verwaltungsgerichte (Robert von Mohl, Johann Kaspar Bluntschli, Rudolf von →Gneist
1857, 1872, Vorbild Frankreich) werden die unterschiedlichen Vorschläge, vermehrt
um das süddeutsche Modell des Verwalungsrechtsschutzes zu einem neuen Gericht
verbunden. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden 1863 [Gesetz die
Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. 10. 1863 mit Wirkung vom
1. 10. 1864] Enumerationsprinzip, Bezirksräte unter einem letztinstanzlichen,
aber auch erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof,
Preußen 1872, Oberverwaltungsgericht, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG,
Hessen 1874 (1875/1879), Österreich [Verwaltungsgerichtshof] 1875, Württemberg
1876, Bayern 1878, Anhalt 1888, Braunschweig 1895, Sachsen-Meiningen 1897, Lippe
1898, Sachsen 1900, Oldenburg 1906, (Thüringen 1910, Reuß 1911, ) Lübeck 1916, anders
bis nach 1918 noch Hamburg, Mecklenburg-Schwerin (1922), Mecklenburg-Strelitz
(1922), Bremen, Waldeck-Pyrmont, Schaumburg-Lippe). Die dabei eintretende
Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21.
1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952
geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt bis 2013 keine
unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (sog. unabhängige
Verwaltungssenate und seit 1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof
(1934 Bundesgerichtshof, 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten
auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf Verfassungsmäßigkeit), doch werden unter grundsätzlicher
Überführung von Bediensteten und anhängigen Sachen zum 1. 1. 2014 ein
Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanzgericht (mit 9 Außenstellen) und 9
Landesverwaltungsgerichte eingerichtet..
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr,
O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968;
Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht
N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern,
1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit
in Oldenburg, 1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig
Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof,
1966; Die Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v.
Lehne, F. u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980;
Stolleis, M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C.
Menger, 1985, 57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer
Republik, Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das
Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994;
Hudenmann-Simon, C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P.,
Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz
bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht
Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50
Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die
Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8;
Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg.
v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche
Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im
Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag,
M., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von
1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Hackel, F., Die Entstehung
einer eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2011; Hien, E.,
150 Jahre deutsche Verwaltungsgerichtsbarjkeit, 2013 (Vortrag); Pagenkopf, M.,
150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 2014
Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht (Oberverwaltungsgericht) der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das einzige Verwaltungsgericht (ab 2.
7. 1876, 1934 mit dem Verfassungsgerichtshof zum Bundesgerichtshof verschmolzen,
1945 wiedererrichtet).
Lit.:
Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungsgerichtshof, 2001
Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung
betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der
Ausbildung von →Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren
Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine
gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh.
(Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist der →Verwaltungsakt.
Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere
Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht,
Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht u. s. w.).
Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des
Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833;
Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des
Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen
Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O.,
Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg,
1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS
Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in
der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das
Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung
des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981;
Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in
Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft
und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J.,
Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von
Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori,
L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les
origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung,
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner
1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur,
2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer
Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007;
Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff.
2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel,
M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden →Verwaltung,
wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens wieder seit
Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497, 2. H. 20. Jh. Bundesrepublik
Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die
Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F.,
Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970
Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf
die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines
Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der
Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz,
in Kraft 1926) infolge internationalen Druckes zwecks Verwaltungsvereinfachung
als Voraussetzung einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926
Landesverwaltungsordnung, Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung,
Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich
geordnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher;
Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags,
2000
Verwandter ist
der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten
Menschen in einem Abstammungsverhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante,
Nichte). Die Verwandtschaft (Wort 1493 belegt) ist vom Beginn des Rechtes an
von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das →Erbrecht
ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als
Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht,
Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch →Adoption
hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der Verwandten
zwischen →Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich der Adoptierten,
aber ausschließlich der Emanzipierten) und →Kognaten (Blutsverwandte).
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des
Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen
Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im
germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship
Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und
Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U.,
Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die
Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Harders. A.,
Suavissima Soror, 2008; Verwandtschaft, Freundschaft, Brüderschaft, hg. v.
Krieger, G., 2009; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval Nordic
Legislation, 1010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Mitterauer, M., Historische Verwandtschaftsforschung,
2013
Verwendung (Wort 1477) ist die bereits dem
römischen Recht bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen
kann.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D.,
Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung
auf Verwendungsersatz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verwertung ist die Umsetzung eines Gegenstands in
einen anderen Wert (z. B. Geld).
Lit.: Schulze, E., Geschätzte und
geschützte Noten. Zur Geschichte der Verwertungsgesellschaften, 1995
Verwirkung ist
der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben
folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung.
Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und
Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934
Verzicht ist
die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechtes oder eines rechtlichen Vorteils.
Der V. ist bereits dem römischen Rechtes bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon
tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig sind die Verzichte (Renuntiationen)
auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen
Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des
Verzichts ist der Erbverzicht.
Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass
und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der
Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts-
und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation,
ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verzug (Wort
1286, lat. [F.] mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und
möglichen Leistung durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen
Recht als Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich
ist. Eine Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei
Terminschulden nicht nötig. Der V. wird durch ein Leistungsangebot beendet. Seit
dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen
Einrichtungen (z. B. Geld auf Grund einer Vertragsabrede bei einem Dritten auf
Schaden des Schuldners nehmen) verschmolzen. Folgen des Verzugs sind die
Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens
sowie die Schadenstragung bei zufälligem Untergang des Leistungsgegenstands.
Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.
Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim
Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann,
E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung,
1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften
des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Ebert, I., Pönale
Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Harke, J., Mora debitoris und mora
creditoris im klassischen römischen Recht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Veßra ist das im frühen 12. Jh.
von den Grafen von Henneberg in Ostfranken gegründete Hauskloster.
Lit.:
Das Prämonstratenserkloster Veßra - Urkundenregesten 1130-1873, hg. v.
Wölfing, G., 2009
vestigii minatio
(F.) (mlat.) Spurfolge
vestitura (lat./mlat.
[F.]) Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die
Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195
Veto (lat. ich verbiete) ist der
Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine
Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B.
Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint
an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom
Parlament beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives V. des Kaisers
Österreichs nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichsoberhauptes
nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, absolutes Veto des
Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des
Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse, V. der
ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
vi (lat.)
durch Gewalt
Lit.: Kaser § 21 I
via (lat. [F.])
Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.]
servitus)
Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26
via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre
Vicarius (lat.
[M.]) ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers
in der Reichsdiözese. Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise
verschiedentlich ein Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch
für weniger bedeutende Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer
eingerichteter Pfründen.
Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55,
84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur Reformation,
2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004
vicinus (lat.
[M.]) Nachbar
vicus (lat.
[M.]) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung
Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in) Das
Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136
Vidal de Canellas, nach Studium des Rechtes in
Bologna (um 1221) Bischof von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I.
von Aragón, erstellt eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero
von Aragón von 1247.
Lit.: Vidal Mayor, hg. v.
Tilander, G., 1956
Vidalín,
Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der
Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter. Nach 1719 verfasst er einen
Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.
Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987,
350
Videant consules ne quid detrimenti res publica
capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben
(bzw. zusehen), dass der Staat keinen Schaden nimmt.
Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109
(1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v.
Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)
vidimus (lat.)
wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter)
Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007
Vieh ist
die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren Haustiere, die in den
älteren Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil sind. Dementsprechend
besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem in Viehzucht. Im
römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu den (lat.) →res
(F.Pl.) mancipi (handgreifbaren Sachen). Im mittelalterlich-neuzeitlichen
Recht werden entgegen der deutschrechtlichen Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“
bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch
als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit
bei einem anderen.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel,
J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Vierteilen ist
die durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile vollzogene →Todesstrafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Vikar →vicarius
villa (lat.
[F.]) Hof, Dorf
Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des
terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus
und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136:
Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
villicus (lat.
[M.]) Verwalter, Meier, Dorfvorsteher
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Villikation (F.)
Fronhof mit abhängigen Höfen in der →Grundherrschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener,
W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989
Villingen
Lit.: Fischer, T., Der Prozess vor
dem Villinger Stadtgericht im 17. Jahrhundert, 2006
Vilsbiburg
Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg,
1976
vinculum (lat. [N.]) Band
Vindex (lat.
[M.] Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für
einen als Schuldknecht Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen
gelegte Hand wegschlagen kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger
(Gläubiger) und dem Dritten (v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten
sich die Summe, gegen die der Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann,
verdoppelt.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
vindicatio (lat.
[F.]) Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem
[in die Freiheit], in servitutem [in die Sklaverei], pignoris [des Pfandes],
rei servitutis [der Sache der Servitut], ususfructus [des Nießbrauchs], pro
parte [auf den Anteil])
Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III; Söllner § 9
vindicta (lat.
[F.]) Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe
Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler,
DRG 29
Vindikation (1756,
lat. [F.] vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen.
Zur Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart
des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch
vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. [F.]
vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm
gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen
auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die
(lat.) →legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der
geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der
Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten
Besitzer.
Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb
mögliche →Vindikation) des Vermächtnisnehmers gerichtete →Vermächtnis
im Gegensatz zum (nur) schuldrechtlich wirkenden →Damnationslegat.
Lit.: Köbler, DRG 23
Vinding Kruse,
Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er
wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung eines neuen Grundbuchsystems
in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum
(Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).
Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184
Vinnius,
Arnold (Monster bei Den Haag 4. 1. 1588-Leiden 1. 9. 1657) wird nach dem
Rechtsstudium in Leiden (1603 Gerard Tuningius [Schüler Hugo Doneaus]) 1612
oder 1613 promoviert und nach langer Wartezeit als Rektor der Lateinschule in
Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden. Unter
dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo →Doneaus (Donellus)
veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar seines Lehrers Tuningius,
1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri III (drei Bücher zusammengezogener
Rechtswissenschaft), 1642 einen Kommentar zu den Institutionen und 1646 eine
Ausgabe der Institutionen mit Anmerkungen. In seinem Kommentar bietet er mit
großem Erfolg eine philologisch-historische Erklärung des Textes mit vielen
Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter
Jurist angesehen wird.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law
Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden
1990, 18; Vinnius, A., Institutionenkommentar Schuldrecht, übers. v. Wille, K.,
2005
Virginia Bill of Rights ist die von George Mason (1725-1792) entworfene und am 12.
6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonie
Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle →Verfassung
der Welt angesehen wird.
Lit.: Köbler, DRG 191
Virilstimme ist
die Einzelstimme eines Mitglieds im Heiligen römischen Reich bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der
mehrere Mitglieder vereinenden →Kuriatstimme.
Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke,
W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2
Vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik-frühmittelalterlicher
hervorhebender Titel.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967
virtus (M.) Mannhaftigkeit,
Tugend
L.:
McDonnell, M. u. a., Virtus and the Roman Republic, 2006
vis (lat. [F.])
Gewalt →vi
Lit.: Köbler, DRG 42, 43
Visby auf
Gotland ist die Hansestadt (1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt
des Handels in der Ostsee entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher
Sprache ein in den Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert
sich in vier Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe,
Verfahren, Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von
Lübeck, Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten
beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei
Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V.
an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine
Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang
mit dem Stadtrecht.
Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853,
1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des
Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8),
487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1;
Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches
Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte,
1976; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Visitation ist
die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche Überprüfung der
Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der Neuzeit finden
zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am →Reichskammergericht
statt.
Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der
Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des
Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die
Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Frieb, K., Kirchenvisitation und
Kommunikation, 2006
Vis (F.) maior
(lat.) ist schon im römischen Recht die (größere bzw.) höhere Gewalt (z. B.
Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung befreien
kann.
Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Vita (lat.
[F.]) Lebensbeschreibung
Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus
vitam, hg. v. Walz, D., 2001
Vitoria,
Francisco de (Burgos? 1483/1493-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von
Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris
(1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.)
Summa (F.) theologiae des →Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die
Schule von →Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt
versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung
des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von
Christen) berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als
schutzbedürftige Minderjährige ein.
Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de Indis, hg. v. Pereña, L.
u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International Law, 1934;
Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das Privatrecht
bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial de Francisco
de Vitoria, 1993
Viztum,
Vitztum, Vizedom (lat. [M.] vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines
Herrn (z. B. Leiter der Finanzverwaltung in den Ländern Österreichs bis 1749).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic
(1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und
1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellensammlung
zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jh.s (Chrestomatij po istorii
russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor istorii
russkago pravo).
Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F.
Vladimirskago-Budanova, (in) Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84
Vöcklabruck
Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und
der Attergau 1, 1971
Voet,
Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in
Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist
ein Naturrecht und Partikularrecht aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad
pandectas (Pandektenkommentar), der den modernen Gebrauch der Pandekten
erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht er Grundrisse zu den Pandekten
bzw. Institutionen.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law
Professors, 1974, 35, 69; Van den Bergh, R., The selective Paulus Voet, 2007
vogelfrei (frei
wie ein Vogel, preisgegeben)
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938),
525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2
(1992), 189
Vogt (zu
lat. [M.] advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit
dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder
einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V.
für die Kirche vorgeschrieben. In der →Immunität nimmt er die Aufgaben
des Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum
Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jh. ist V. ein Amtsträger weltlicher
Herren (z. B. Reichslandvogt), im Spätmittelalter auch der Vormund. In der
frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden und die
niedere Vogtei als Grundlage einer neben der Landesherrschaft stehenden
beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Teilweise gelingt
der Kirche die Umwandlung der Vogtei in ein bloßes Patronat. Mit dem Heiligen
römischen Reich verschwindet 1806 auch
der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113;
Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H.,
Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in
Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St.
Gallen, 1985
Vogtei ist
die Stellung als →Vogt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei
im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und
Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei,
1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und
Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel
und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die
Untervogtei, 2002
Vohenstrauß
Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977
Vokabular ist
das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den Bereich des Rechtes gibt
(Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420, Jodocus Verbarius,
Vocabularius utriusque iuris, Wörterbuch beider Rechte, um 1452). Bei
alphabetischer Anlage kann es auch →Abecedarium heißen. Zum →Sachsenspiegel
sind zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in
einem Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur,
1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305; Landau, P., Der Traktat Lex est commune
praeceptum von Altzelle (in) Römische Jurisprudenz, 2011, 379
Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht kein Unrecht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)
Volk ist
die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder politische Entwicklung
verbundene umfassende Menschenmehrheit. V. sind z. B. Griechen, Römer,
Germanen, Franken u. s. w. Im
Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als →Volksrecht
auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen
Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges römisches Reich
verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als
eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegenüber.
Demgegenüber versteht die Aufklärung (→Rousseau) das V. als den
eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt im Laufe des
19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen
Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat
angestrebt. Im Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die völkische
Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehenden
20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer.
Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223,
230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen,
T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C.,
Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G.,
Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche
Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk
zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer,
1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die
Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk
und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im
Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002;
Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006; Coumert, M., Origines
des peuples, 2007
Völkerbund ist
der von den Siegermächten des ersten Weltkriegs (insbesondere Woodrow
Wilson) angeregte, am 28. 6. 1919 gegründete, von 1920 bis 1946 bestehende,
anfangs ganz von Frankreich beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer
Satzung (Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf,
einem Völkerbundrat mit den Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen
Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von
Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche
Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion
wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V.
am 18. 4. 1946 auf.
Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des
deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der
Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Fellner, F., Vom Dreibund zum
Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und
seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund
1918-1926, 2006; Das Vertragswerk von Locarno, hg. v. Breuer, M. u. a., 2007
Völkermord (Genozid)
ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der
Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche,
Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren).
Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998;
Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in
Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia
1944-1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N.,
Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004
Volkach am Main kommt 899 vom fränkischen König Arnulf von Kärnten
an das Kloster Fulda, wird 1258 als Stadt erwähnt und gelangt 1328 in Teilen an
das Hochstift Würzburg (1520 ganz). Der Stadtschreiber Niklas Brobst von Effelt
verfasst 1504 im Volkacher Salbuch eine Sammlung des örtlichen Rechtes mit
vielen Abbildungen. 1814 fällt V. an Bayern.
Lit.:
Das Volkacher Salbuch, hg. v. Arnold, K./Feuerbach, U., 2009
Völkerrecht ist
die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten und anderen
Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in seinen
einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahrtausende vor
die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) →ius (N.) gentium
(bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen
Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden.
In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im
ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco
de →Vitoria 1483/1493-1546, Fernando →Vazquez 1512-1569, Francisco
Suarez 1548-1617) aus einem als allgemein geltend behaupteten Naturrecht
gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ab. Hugo →Grotius (1583-1645) begründet
in Systematisierung dieser Vorstellungen 1605-1608 mit (lat. De iure praedae
(Vom Recht der Beute) bzw. 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres
(Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht
für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische
Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter.
Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der Herrscher
als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt
ersetzt. 1758 wendet Emer de →Vattel in einem bedeutsamen Werk das
Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von →Martens
in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici
(Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung
und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor.
Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die christlichen (zivilisierten) Staaten
Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen
wird. Die Verhältnisse zwischen den Staaten des europäischen Völkerrechts und
politischen Gemeinwesen in Übersee, die keine zivilisierten Nationen bilden,
werden durch das überseeische Völkerrecht geregelt, das nur sehr schwach
entwickelt ist. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der
Vereinten Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwischenstaatsrecht
zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter
(Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien
und Ruanda, Entscheidung des britischen House of Lords im Fall Pinochet 1999).
Kennzeichnend hierfür ist auch, dass nicht mehr nur die Interessen von Staaten,
sondern auch der Staatengemeinschaft als ganzer (Gemeinwohl) geschützt
werden, wobei die Einhaltung (z. B. des Genozidverbots) von jedem Staat
verlangt werden kann. Quellen des Völkerrechts sind (mangels der Souveränität
eines [Völkerrechts-]Gesetzgebers) hauptsächlich Verträge und Völkergewohnheitsrecht.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; The
Consolidated Treaty Series, hg. v. Parry, C., 1648ff.; Walker, T., A History of
the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts, 1936;
Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire des
relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der Wiener
Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des Völkerrechts
in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2. amerikanischen A.);
Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen, Bd. 1f. 1957ff.;
Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E., Völkerrechtliche
Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die Völkerrechtspersönlichkeit
und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis
1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdross, A./Simma, B., Universelles
Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C.,
Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes
historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte
des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of
Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2.
A. 2007, 2. A. 2007; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994;
Kleinschmidt, H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder,
J., Die Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen
Neuzeit, (in) Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v.
Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts,
ZRG KA 86 (2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im
Völkerrecht, 2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise
and Fall of International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law
in Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im
Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche
Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum
Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G.,
Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B.,
Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881,
2003; Gierhake, K., Begründung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der
kantischen Rechtslehre, 2006; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2. A. 2007; Schmidt,
F., Praktisches Naturrrecht zwischen Thomasius und Wolff - Der Völkerrechtler
Adam Friedrich Glafey, 2007; Swatek-Evenstein, M., Geschichte der humanitären
Intervention, 2008; Denfeld, C., Hans Wehberg (1885-1962), 2008; Degenhardt,
F., Zwischen Machtstaat und Völkerbund - Erich Kaufmann, 2008; Ziegler, K.,
Fata iuris gentium, 2008; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008; Steiger,
H., Die Ordnung der Welt, 2010; König, S., Der Einfluss des Privatfürstenrechts
auf das Völkerrecht, ZRG GA 127 (2010), 293; Weeber, U., Hugo Grotius’
Völkerrechtskonzeption, ZRG GA 127 (2010), 301; Kempe, M., Fluch der
Weltmeere, 2010; Grotkamp, N., Völkerrecht im Prinzipat, 2009; Les conflits
entre peuples, hg. v. Dauchy, S. u. a., 2011; Klump, R. u. a., Völkerrecht und
Weltwirtschaft, 2012; Jung, H., Rechtserkenntnis und Rechtwsfortbildung im
Völkergewohnheitsrecht, 2012; Toyoda, T., Theory and Politics of the Law of
Nations, 2011; Pauka, M., Kultur, Fortschritt und Reziprozität _ Die
Begriffsgeschichte des zivilisierten Staates im Völkerrecht, 2012; Geneuss, J.,
Völkerrechtsverbrechen und Verfolgungsermessen, 2013; Lovric-Pernak, K.,
Morale internationale und Humanité im Völkerrecht des späten 19. Jahrhunderts,
2013; Nippold, O., Die Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen
Streitigkeiten, 2013
Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen
Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern, Teutonen,
Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (→Türke) aus
Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die Gebiete des
weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen, Sueben,
Alemannen, →Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die V.
endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis
entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker
Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche
vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche
Wanderungsbewegungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt
wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.
Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E.,
Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.;
Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993;
Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998;
Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A.
2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002;
Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002; Halsall, G., Barbarian
Migration and the Roman West, 2007; Völker, Reiche und Namen im frühen
Mittelalter, hg. v. Becher, M., 2010; Rummel, P. u. a., Die Völkerwanderung,
2011
Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über
eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen
in der →Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften
geht diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher
Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische
Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.).
Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927;
Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volkssouveränität
und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative
Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995
Volksanwaltschaft ist die in Österreich mit Gesetz vom 24. 2. 1977 nach schwedischem
Vorbild (Ombudsman) (zunächst nur versuchsweise) geschaffene außergerichtliche
Einrichtung, bei der sich jeder Betroffene wegen eines behaupteten Missstands
in der Verwaltung des Bundes bei Fehlen eines Rechtsmittels beschweren kann.
Die V.muss die Beschwerde prüfen und kann gegenüber Missständen Empfehlungen aussprechen,
aber nicht gerichtlich vorgehen.
Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines Staates,
Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu verlangen. Das
V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten (Georgia 1777,
Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)
Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D.,
Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik,
1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003
Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die
der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegengesetzte Staatsform, in der die
politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als
Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemokratien
geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als
erfolglos zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Volkseigen (dem
Volk [und damit keinem Einzelnen] gehörig)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des
Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund
und Boden in der DDR, 1978
Volksempfinden
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde
Volksempfinden“ – eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199
Volksgeist ist
vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles
und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten Verschiedenheit der Völker
gründenden französischen l’esprit de la nation die Gesamtheit der einem
jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst wirkenden schöpferischen
Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der deutschen Romantik Herder
(1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück. →Savigny übernimmt
diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der →historischen
Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon aus, dass die
Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass
das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen
Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes
ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das
eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet →Puchta
den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche
Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung
schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.
Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung
des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1;
Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295;
Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J.,
Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1
Volksgerichtshof ist das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht der
nationalsozialistischen Regierung des Deutschen Reiches vor allem für
Hochverrat und →Landesverrat (12 Berufsrichter, wovon nur einer vor 1933
der NSDAP angehörte, seit 1942 auf Lebenszeit ernannt), das in Senaten mit 2
Berufsrichtern und drei Volksrichtern (Funktionären, Offizieren, Beamten)
entscheidet (insgesamt rund 570 Richter und Staatsanwälte). Der V. sichert
(auch durch „verfahrensmäßige Normalität“) die nationalsozialistische Herrschaft.
Unter seinem Präsidenten (Roland Freisler August 1942-3. 2. 1945) werden bis
1945 bei 16342 Angeklagten (mindestens 15729 Abgeurteilten) 5243 Todesurteile
verhängt. Rechtsmittel fehlen. Am 25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag
alle Entscheidungen des Volksgerichtshofs als nichtig. Durch Gesetz vom 25. 8.
1998 werden alle Urteile als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G.,
Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974, 2. A. 2011;
Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H.,
Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989,
17; Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die
Urteilspraxis des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die
Angeklagten des 20. Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu,
2001; Eder, W., Das italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato
und der deutsche Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002;
Terror und Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004; Ramm, A., Der 20. Juli vor
dem Volksgerichtshof, 2007
Volksgesetzbuch ist
das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines →Volkes
verständlich zusammenfassende Gesetzbuch. Seit (11. 3.) 1938 (Anschluss
Österreichs an das Deutsche Reich) befasst sich die →Akademie für
deutsches Recht mit einem Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie,
Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung)
gegliederten Volksgesetzbuchs. Dieses teils reaktionäre, teils
fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1900) wird im August 1944 eingestellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das
Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetzbuch,
Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W.,
Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch, FS R. Gmür
1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988
Volkshaus ist
die Bezeichnung für das Parlament in der nicht verwirklichten deutschen
Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch geheime, direkte,
allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden.
Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Volksheer ist
das vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen
dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen
gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen
gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/1813) und setzt die der
Volkssouveränität entsprechende allgemeine →Wehrpflicht voraus. Im
späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor. 2011 wird
in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt.
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung,
1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche
Militärgeschichte, 1966
Volkskammer ist
das Parlament der →Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die
Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982
Volkskunde ist
die Lehre von den Wesenszügen eines →Volkes. Die rechtliche V. bezieht
sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück.
1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in
Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B.
Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B.
Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der
allgemeinen Ethnologie.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994;
Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke
zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M., Volkskunde, 1937; Mackensen, L.,
Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937; Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen
Volkskunde Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51;
Bader, K., Die zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942;
Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das
volkstümliche Leben im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954;
Wackernagel, H., Altes Volkstum der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger
im nachmittelalterlichen Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958;
Strübin, E., Grundfragen des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer,
K., Volksleben im Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und
Schäfer, 1961; Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg,
1964; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v.
Tzermias, P., 1965; Das Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B.,
Weltbild, 1969; Duenninger, J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen
Jahreslauf, 1971; Kramer, K., Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das
Recht der kleinen Leute, hg. v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur
Rechtsarchäologie und rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.;
Mohrmann, R., Volksleben in Wilster, 1977; Göttsch, S., Stapelholmer
Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Volksrecht ist
das Recht eines Volkes, insbesondere das Recht eines der frühmittelalterlichen
Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.]
lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer
Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des
Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten,
Burgunder, Franken (ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen,
Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (→lex,
leges). Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht
zusammen. Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich
durch →Wergeld und Buße (→Kompositionensystem) und das Verfahren.
Die Aufzeichnung der durch →Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im
frühen 9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das
V. durch das →Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird.
Das V. ist bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79,
80, 101; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und
Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen
Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im
Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger,
ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache,
hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991
Volksrichter ist
der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch
Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der sowjetischen Besatzungszone
bzw. der →Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung
in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995;
Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J.,
Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen,
Kollektive, 1999
Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen
Verordnung des Deutschen Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen
Volkes schadet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jansen, S.
Schädling, 1999
Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als
Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (→Cicero 106-43 v.
Chr.) und mittelalterlichen (→Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der
Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel
(1758) und Jean-Jacques →Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das
Volk. Dementsprechend erklärt die →Virginia Bill of Rights 1776, dass
alle Gewalt vom Volk ausgehe. Auch die französische Revolution behauptet die
Verankerung jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker
seit etwa 1820, wenn sie die V. dem →monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum
und der Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung
(1919) und die späteren deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt
alle Staatsgewalt auf das Volk zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248;
Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und
die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und
Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D., Volkssouveränität
und repräsentative Demokratie in der schweizerischen Regeneration, 1966;
Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971),
91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v. Schott, C.,
Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La
souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität
und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001
Volkssprache ist
die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die
Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder
Gelehrten. Im fränkischen Frühmittelalter ist die Grundlage der Volkssprachen
im östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch, altsächsisch)
germanistisch, die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu
einem →Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in
der Überlieferung allgemein vor (Sachsenspiegel 1221-1224, Mühlhäuser Reichsrechtsbuch,
rund vierzig Urbare [Urbar der Marschälle von Pappenheim 1214-1219?], rund 40
städtische Rechtsbücher, mehr als 4000 Originalurkunden vor allem ab 1250), in
der Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen römischen Reich unter
Vereinheitlichung auf das Neuhochdeutsche) gegenüber fremden Sprachen durch.
Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz
bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend angloamerikanischer Einfluss
bemerkbar.
Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden,
1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer,
H., Zur Geschichte der deutschen Rechtes- und Gesetzessprache, 1987; Sprache,
Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen
Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008;
Brunner, T., Le passage aux langues vernaculaires dans les actes de la
pratique en Occident, Le Moyen °Age 115 (2009), 29ff.
Volkstribun (lat.
tribunus [M.] plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr.
anerkannte Sonderorgan der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Jeder der zehn
auf je ein Jahr gewählten Volkstribune muss Plebejer sein. Er leitet die
Versammlung der Plebejer und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen
Handlungen eines Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein
Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse. Im Prinzipat beansprucht der Prinzeps die
vom Amt gelöste Amtsgewalt (lat. tribunicia potestas [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Volksverhetzung
Lit.:
Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassenkampf zur Volksverhetzung (§ 130
StGB), 2009
Volksverrat ist
der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch
Aufhängen des Verräters verfolgt.
Lit.: Köbler, DRG 71
Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes.
Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht
finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata (nach Kurien oder Geschlechtern
gegliedert), comitia centuriata (nach Vermögensklassen in Zenturien
gegliedert, Wahl der Konsuln und Prätoren), Tributkomitien (nach lokalen
Bezirken, tribus gegliedert, Wahl der niederen Magistrate) und Versammlung der
(lat. [F.]) plebs. Die V. wird von Beamten einberufen und kann deren
Anträge nur annehmen oder ablehnen. Mit dem Prinzipat des Augustus verschwindet
die V. Die V. der Germanen und des Frühmittelalters entscheidet in allen
allgemein wichtigen Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft
tritt sie notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde
Schweizer Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in
Demonstrationsversammlungen.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69,
70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national
assembly in the Anglo-Saxon period, 1913
Volksvertretung →Parlament
Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen
Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.
Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes
oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen Betriebs,
Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule
1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens
einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters Merkantilismus,
Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus und
Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionenökonomik,
Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie
nebeneinander.
Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A.
1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G.,
Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998
Vollbort (F.)
Zustimmung
Vollenhoven,
Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und
Recht Verwaltungsbeamter im niederländischen Kolonialministerium und 1901
Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die
Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen nicht den
niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk untersucht
das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.
Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.;
Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A.,
Cornelius van Vollenhoven, 1992
Volljährigkeit (Wort 1739, volljährig 1590, Volljährigkeitserklärung 1863,) ist das Lebensalter,
mit dem die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. ergänzt im
römischen Recht um 200 v. Ch. (Lex Laetoria) die ältere Mündigkeit und verdrängt
in der frühen Neuzeit die ältere →Mündigkeit weitgehend. Sie tritt nach
römischem Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst im
Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel
Lehnrecht 21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in den altpreußischen
Provinzen (1790, ALR 1794) und in Österreich (1753-1919) im 19. Jahrhundert mit
24 Jahren volljährig wird. Das französische Recht, das sächsische Recht, später
Preußen (9. 12. 1876) (Deutsches Reich 17. 2. 1875) und das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die
V. weiter herab (Deutschland 1. 1. 1975 18, Deutsche Demokratische Republik 17.
5. 1950 18 Österreich 1. 7. 1971 19, 1. 7. 2001 18, Schweiz 20, 1. 1. 1996 18).
Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266;
Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vollmacht (1372) ist die durch →Rechtsgeschäft
erteilte Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo →Stellvertretung zulässig
ist. 1866 weist Paul Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von
Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag)
und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend
dem Abstraktionsprinzip nach.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238,
266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G.,
Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer Anordnung.
Im altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit Hilfe der
→Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.]
→legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch
Pfandergreifen (lat. →legis actio [F.]
per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch
den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate
und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht ersetzt die
(lat.) →actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei
hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). Im
Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und
ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb.
Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (→Konkurs). Bei den Germanen muss
die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und
Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmittelalter
wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des
Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Im
Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten
durch öffentliche →Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die
im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist →Schuldhaft
möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam. →Arrest
und →Konkurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne Erlaubnis des
Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleichgestellt. Die
peinliche →Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter
vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher
Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landesordnung Bayerns von
1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zum Regelfall
der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des
Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst
sich die Wissenschaft mit der V. Im 19. Jh. wird das Vollstreckungsverfahren
(Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (→Zivilprozessordnung,
→Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher,
Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird
beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich
humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt und
verrechtlicht.
Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86,
116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des
Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren,
1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879,
Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im
salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Haff, K., Vollstreckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische
Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung
der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als
prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O.,
Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W., Vollstreckung
und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D., Die
Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss. jur.
Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.]
executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der
Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Vermerk
des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels,
der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
1861, 3. A. 1878; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in
Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120
volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille
Voltaire (Arouet),
F. (Paris 21. 11. 1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in
England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner
vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der →Aufklärung.
Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J.,
Voltaire, JuS 1998, 491
Volumen (parvum)
(lat. [N.] [kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des →Codex
Justinians, die glossierten Novellen und die Institutionen.
Vom Rechte
Lit.: Speicher, S., Vom Rechte,
1986
von Gottes Gnaden →Dei gratia
Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im
frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980
Vonnisse von Damme sind eine flämische Fassung der →Rôles
d’Oléron.
Vorarlberg ist
das zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet,
das seit dem Spätmittelalter stückweise (1375 Feldkirch, 1523 Bregenz, 1814
Lustenau) an →Habsburg gelangt, dort meist gemeinsam mit Tirol von
Innsbruck aus verwaltet wird und seit 1918 selbständiges Land
Deutschösterreichs, seit 1920 Bundesland →Österreichs ist (1939-1945
Reichsgau Tirol, bis 1955 unter Besatzung Frankreichs).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L., Geschichte
der Rechsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930; Bundsmann, A.,
Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das
Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a., 1969; Burmeister, K., Die
Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung, 1970;
Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff., 2. A. 1972ff.;
Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Burmeister, K., 1973; Welti, L.,
Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig,
D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der
Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v.
Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998;
Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodenseee, hg. v. Hartung, W. u.
a., 1992; Nachbaur, U., Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948, 2007;
Feurstein, C., Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, 2009; Klausmann, H., Kleiner
Sprachatlas von Vorarlberg und Liechtenstein, 2012 (8 und 3 Sprachlandschaften);
Niederstätter, Alois, Vorarlberg im Mittelalter, 2014
Voraus ist
der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt
gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke. Der V. ist dem römischen
Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im Spätmittelalter neben →Heergewäte
und →Gerade. Der eheliche V. wird 1900 in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§ 758) Österreichs
aufgenommen.
Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und
der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten,
FamRZ 6 (1959), 84
Vorausvermächtnis (lat. [N.] praelegatum, legatum per praeceptionem) ist das bereits
dem römischen Recht bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben,
so dass dieser Erbe zugleich Vermächtnisnehmer wird.
Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis,
1966
Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes
Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut
eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein →Gesetz
abhängig ist.
Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
5. A. 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen
konstitutionellen Monarchie, 2005
Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut
ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung
durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits im
Mittelalter (z. B. bei →Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen
Gesetzbüchern (Allgemeines Landrecht 1794, Code civil 1804, Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch 1811) wird es anerkannt.
Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht,
1900, Neudruck 1967
Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen
Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter (mit dem Hauptort
Freiburg im Breisgau). Ein Teil hiervon bildet später →Vorarlberg, ein
anderer geht zwischen 1799 und 1805 in Baden (Breisgau), Württemberg und
Frankreich auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die
Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v.
Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisation
Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in
der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische
Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 1999ff.;
Speck, D., Vorderösterreich, 2010; Vorderösterreichisches Appellationsgericht
und vorderösterreichische Landrechte 1782-1805, 2013
Voreid ist
der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er erscheint bereits im
Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist
ungeklärt.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Vorerbe ist
der Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu
einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe)
wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird
aber auf dem Weg über ein →Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der
Aufnahme des Testaments im Heiligen römischen Reich (13. Jh.) wird auch die
Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) schränkt die Vorerbschaft aus liberalen Überlegungen auf
einen Zeitraum von 30 Jahren ein.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der
Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse,
1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen
Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235
Vorkaufsrecht (1691) ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von
dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an
einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst
unbekannt, erscheint in unterschiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm
steht in Deutschland das →Näherrecht gegenüber. In der frühen Neuzeit
wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen Gesetzbücher
(1794ff.) nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche, teils
auch sachenrechtliche Wirkung zu.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2;
Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32 (1911),
337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“,
Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Schurig, K., Das Vorkaufsrecht, 1975; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vorlesung (lat.
[F.] praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines
(geschriebenen) Textes (z. B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen
nachschreibenden Hörern über den Text Verfügenden bestehende älteste
Lehrveranstaltung der Universität. Gedruckte Verzeichnisse von Vorlesungen sind
seit dem 16. Jh. erhalten (Dillingen 1564-1614, Helmstedt unregelmäßig seit
etwa 1585, beständig seit etwa 1600, Herborn vielleicht seit 1585, Jena seit
1591). Sie zeigen durch die allmähliche Aufnahme privater Vorlesungen den
Wandel vom schulischen Lehrplan zur wirtschaftlich ausgerichteten Lehrfreiheit
an den protestantischen Universitäten der Aufklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K.,
Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen
Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen, Jb.
f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener
juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H.,
Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse,
(in) Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11
(1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche
Quelle, (in) Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der
Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die
Vorlesung, 1999; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität
Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008; Die Vorlesungen der Berliner
Universität 1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010
Vormärz ist
die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale
Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor
dem März 1848 im →Deutschen Bund. Bereits im V. werden verschiedene
Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende allgemeine Veränderungen
ein.
Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt,
H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat
und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche
Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz
und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz,
Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999
Vormerkung (1713) ist die vorläufige Grundbucheintragung zur Sicherung eines
Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750
in Preußen sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) →ius
(N.) ad rem (Recht zur Sache). Sie soll ursprünglich die Augabe erfüllen, die
später dem Widerspruch zukommt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther, P.,
Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vormund (Wort um 950 belegt) ist, wer
durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich verordneten,
verwaltenden Fürsorgetätigkeit für Minderjährige (bzw. Frauen und
entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V. (lat. [M.]
tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch
erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste
männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder u. s. w.) V. Er hat eine treuhänderische
Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem Rechte, muss
aber für den Unterhalt sorgen. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er
wegen der Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen
Aufsicht (Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das
Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Der
Codex Maximilianeus Bavaricus civilis verlegt die vormundschaftlichen Rechte
der Familie teilweise auf den Staat, worin dasAllgemeine Landrecht Preußens
1794 folgt., während der Code civil von 1804 den Familienrat entscheidend sein
lässt. 1875 erlässt Preußen eine besondere bahnbrechtende
Vormundschaftsordnung, die den Vormund weitgehend selbständig ein Amt unter
Aufsicht des Staats ausübern lässt. Das Bürgerliche Gestzbuch von 1900 bringt
die Zulassung der Amtsvormundschaft und der Anstaltsvormundschaft und die Anerkennung
der elterlichen Gewalt der Mutter über ihr Kind. Weitere Änderungen schaffen das
Jugenwohlfahrtsgesetz von 1922 (Verallgemeinerung der Amtsvormundschaft über
uneheliche Kinder), das Gleichberechtigungsgesetz von 1947, das Familierechtsänderungsgesetz
von 1961, das Nichtehelichengesetz von 1969, das Gesetz zur Neuregelung des Rechtes
der elterlichen Sorge von 1979 und das Betreuungsgesetz von 1999, das die Entmündigung
mit anschließender Vormundschaft abschafft. Seit 1. 1. 1992 gibt es in
Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die →Betreuung. Ein
besonderer Familienrat wird 1979 gestrichen. Das besondere Vormundschaftsgericht
endet mit dem FGG-Reformgesetz von 2008. In Österreich ist mit dem
Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 2001 (BGBl. I 2000, 135)
die 1970 auch für die Frau eröffnete Vormundschaft beseitigt und durch die
Obsorge einer anderen geeigneten Person ersetzt, wobei Amtsobsorgeschaft des
Jugendwohlfahrtsträgers nur für im Inland gefundene Kinder unbekannter Eltern
vorgesehen ist.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die
Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff. http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KrautWilhelmTheodorDieVormundschaftNachDenGrundsaetzenDesDeutschenRechts1835Bd1.pdf;
Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff. http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RiveFriedrichGeschichteDerDeutschenVormundschaft1862Bd1.pdf;
Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen, 1961; Tetzlaff,
W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F.,
Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen, 1966; Kranz,
E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967;
Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von
der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori,
G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vormundschaft (Wort um 950 belegt)→Vormund,
(lat. [F.] tutela)
L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Heider, M., Die Geschichte der Vormundschaft seit der Aufklärung, 2011
Vorname ist im deutschen Bereich der ursprünglich alleinige →Name des Menschen, der seit dem Übergang
vom Frühmittelalter zum Hochmittelalter wegen der allgemeinen Verdichtung
allmählich um den Familiennamen ergänzt wird (Venedig seit 9. Jh.), der sich
seit dem 18. Jh. zunehmend in den Vordergrund schiebt und etwa in der
Bibliographie Vorrang vor dem weniger Unterscheidungskraft aufweisenden
Vornamen hat.
Vorparlament ist
die Versammlung zur Vorbereitung eines Parlaments (z. B. Frankfurt am Main
1848).
Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606
Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen
staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
199
Vorrecht (N.)
Sonderrecht, Privileg
Vorsate →Vorsatz
Lit.:
Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266
Vorsatz (Wort
um 1250 belegt, lat. [M.] dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung
eines Straftatbestands in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das
Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der
Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher
erfasst wird er von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese
stellt dem V. die →Fahrlässigkeit gegenüber.
Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die
Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Vorsprecher →Fürsprech,
Fürsprecher
Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung einer
Straftat) ist der 1913 in die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich
festgelegte Straftatbestand des deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand
dadurch strafbar macht, dass er eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.
Lit.:
Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und Vortäuschen einer
Straftat (§ 145d StGB), 2003
Vorurteil ist das dem Urteil zeitlich vorausliegende Urteil und zwar auch im Sinne
einer eine Meinung bestimmenden oder ein Urteil prägenden, oft nicht geäußerten
Lebenserfahrung. Im Recht ist die vorgefasste Meinung grundsätzlich
rechtswidrig. Sie lässt sich allerdings selten nachweisen.
Lit.: Horaczek,
N./Wiese, S., Handbuch gegen Vorurteile, 2011
Vorverfahren ist
ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B.
Inquisition im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Inquisitionsprozess).
Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der Gegenwart muss es
rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.
Lit.: Köbler, DRG 117, 263
Vorvertrag ist
der auf Abschluss eines Vertrags gerichtete, vorbereitende →Vertrag. Er
ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig.
Die Verletzung von vor Abschluss eines Vertrags bestehenden
Aufklärungspflichten und Sorgfaltspflichten verpflichtet bei →culpa in
contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss, Ihering 1861) zu Schadensersatz.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss.
jur. Münster 1962
Vorzensur (F.) vorherige →Zensur
votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 346
Vsehrdy,
Viktorin Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen
Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs →Böhmen.
Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen.
Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.
Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg.
v. Jirecek, H., 1874
Vulgarrecht ist
das spätantike weströmische Recht (3.-5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die
durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise
propagandistisch bedingte, vulgare Haltung (str.). Sie zeigt sich in
einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in
gefühlsbetonter rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche
Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt (str.). Demgegenüber
wird sie im Osten von →Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche
Quellen sind etwa die (lat.) →sententiae (F.Pl.) Pauli, die →regulae
(F.Pl.) Ulpiani, die →res (F.Pl.) cottidianae, der →Gaius von
Autun, die →Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum, die →Consultatio
(F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die →interpretationes (F.Pl.) oder
die romanistischen →Volksrechte der Westgoten, Burgunder und Ostgoten
(str.).
Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F.,
Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss.
Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G.,
Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion,
(in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Vandendriessche, S., Possessio und
dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für
den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die
regelmäßige V. steht in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem
unmündigen (lat. [M.]) suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als
Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.
Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11
Vulgata →Vulgathandschrift
Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines
Textes (z. B. der →Digesten)
Lit.: Söllner § 22
W
Waadt (Vaud,
„Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See (nördlich des Genfer Sees),
Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen
Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen.
1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798
wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der →Schweiz. Die
Verfassung der W. stammt von 1885.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le
coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les
institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen,
Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession
testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J.,
Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex,
D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les
sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du
Pays de Vaud, 1991
Waal (M., zu lat. aqualis,
Adj. Wasser betreffend?) ist ein landwirtschaftlicher Bewässerungsgraben im
Vintschgau in Südtirol. Möglicherweise wurden die Waale im 12. Jh. angelegt. Ihre
arbeitsaufwendige Verwaltung erfolgt genossenschaftlich unter Leitung eines
Waalmeisters.
Lit.: Bodini,
G., Südtiroler Waalwege, 1996
Wachszins (M.)
Zins in Bienenwachs
Wächter,
Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880),
Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut)
Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher
Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des
Oberappellationsgerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor in Leipzig.
Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein
unvollendetes Handbuch des im Königreich →Württemberg geltenden
Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen
Privatrecht.
Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500
Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1
1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen
Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den
allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und
Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter
(1797-1880), 2004
wadiare (lat.-afrk.)
wetten, versprechen
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Wadiatio
Lit: Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1
wadium (lat.-afrk.
[N.]) Wette, Versprechen, Pfand
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Waffe ist
jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch
Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W.
ist bedeutsam im Kampf. Sie erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der
Waffengebrauch bereits seit dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit
der Neuzeit bedarf er vielfach behördlicher Erlaubnis und kann strafschärfend
wirken.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das
Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W.,
Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280; Feinstein, A., Waffenhandel, 2012
Wagatsuma,
Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher
Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927
ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des
Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche
Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen
Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.
Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a.,
1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki,
1993
Wahl ist
die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch Abstimmung. Sie findet sich
bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst, Bischof, Abt und Pfarrer
vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König, Bürgermeister, Ratsherren,
Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen bestimmt. Dabei wird anfangs meist
von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur
Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die letztlich zur Anerkennung des
Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. (vor allem ab 1848) entsteht allmählich
die geheime (nicht zuletzt dem Schutz von Arbeitnehmern dienende), gleiche,
allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren) (Frankreich,
Griechenland, 1871 Deutsches Reich, 1890 Spanien, 1905 Finnland, 1907
Norwegen, 1909 Schweden, 1912 Italien), zu der später auch die Frau zugelassen
wird (Frauenwahlrecht z. B. Australien 1902, Österreich 1918, Deutsches Reich
1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen
Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden werden dabei hauptsächlich
Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Rechtstatsächlich werden Zwecks
Erhöhung der Wahlbeteiligung wird im späteren 20. Jh. die Briefwahl zugelassen
(Deutschland Bundestagswahl 1957). Wahlen in der Gegenwart vorrangig im
Fernsehen entschieden, weshalb die besten Aussichten hat, wer sich im
Fernsehen am einnehmendsten darstellen und niemand gegen die Mehrheit der
meinungsbildenden Medien bestimmenden Einfluss auf die Erörterung von
Sachfragen gewinnen kann. Über Rechtsstreitigkeiten bei Wahlen entscheiden
letztlich meist Gerichte (Österreich Reichsgericht, 1920 Verfassungsgerichtshof,
Wahlgerichtsbarkeit).
Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler,
WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer,
E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1;
Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische
Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche
Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die
Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz,
A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der
Parlamente und anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u.
a., 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R.,
Die römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B.,
Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’eglise, 1979;
Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R.,
The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in
der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland,
1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990;
Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und
Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen,
1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W.,
Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in
Deutschland, 1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999;
Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1
Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001;
Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002;
Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga,
F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005;
Hägele, G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cusanus, SB. bay. Ak.
d. Wiss. 2001-2003, 2004, 103; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v.
Pelizaeus, L., 2008; Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren, hg. v.
Dartmann, C. u. a., 2010; Hundert Jahre allgemeines und gleiches Wahlrecht in
Österreich, hg. v. Simon, T., 2010; Mergel, T., Propaganda nach Hitler, 2010;
Elections in Europe, hg. v. Nohlen, D. u. a., 2010; Voting for Hitler and
Stalin - Elections under 20th Century Dictatorships, hg. v. Jesse, R. u. a.,
2011; Magin, M., Wahlkampf in Deutschland und Österreich, 2012
Wähler →Wahl
Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei
(oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber
ungewiss ist, welcher von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W.
wird im Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich
aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 236
Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen
folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die
Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352
[22. 9. 1695 verboten, allgemeines Verbot 20. Jh.], Heiliges römisches Reich
[deutscher Nation] 1292, vor allem seit 1519). Seit dem Westfälischen Frieden
von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der Reichsstände die 1711
(erfolglos) als ständige[, aber als solche vom Kaiser nie bestätigte] W.
gefasste W. (, die am Ende des 18. Jh.s 314 Druckseiten umfasst).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E.,
Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an
den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die
Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen
Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick,
E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier,
K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente
imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers, (in)
Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89
Wahlkindschaft (F.) Adoption
Wahlrecht ist
objektiv die Gesamtheit der für eine →Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv
das Recht zu wählen (aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). In Rom
werden die Magistrate der Republik gewählt, im deutschen Reich (grundsätzlich)
die Könige, in der christlichen Kirche Bischöfe und Päpste. Anfangs soll der
Grundsatz der Einstimmigkeit im Vordergrund gestanden haben. Vielleicht seit
dem 13. Jh. setzt sich von der Kirche her der Mehrheitsgrundsatz durch.. Im 19.
Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918) das nach der Steuerleistung unterscheidende
→Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen
Bevölkerung wahlberechtigt. Seit 1789, verstärkt seit der Mitte des 19. Jh.s
wird in Frankreich (zunächst erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert. →Frauen
erhalten das Wahlrecht in New Jersey 1776 (bis 1807), Pitcairn 1838, Wyoming
1869, Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen
Reich 1919, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946, in
der Schweiz 1971 und in Kuweit 2005. In Österreich setzt sich das allgemeine,
gleiche, unmittelbare und geheime W. für Männer 1907 durch, für Frauen 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983;
Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48
(1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und
Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht
im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger,
A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj,
R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des
Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004; Schmetterer, G., Das Wahlrecht
der ersten Republik, 2009
Wahlschuld ist
die bereits dem römischen Recht bekannte Art der Schuld, bei der mehrere
Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass (nach Wahl des Gläubigers oder
im Zweifel des Schuldners nur die eine oder die andere zu bewirken ist (z. B.
ein Schmuckstück oder der Wert in Geld). Geht einer Gegenstände der W. unter,
schränkt sich die Wahl entsprechend ein.
Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Wahnsinn ist
die laienhafte Benennung der Störung der Geistestätigkeit. →Geisteskranker
Wahrheit ist
der mit Gründen einlösbare und insofern haltbare Geltungsausspruch über einen
Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit
(lat. in veritate libertas), die der Lügner und Betrüger bewusst zum eigenen
Vorteil und zum fremden Schaden verlässt. In Untersuchungsverfahren ist die
Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und
Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A.
1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Hofbauer, H., Verordnete Wahrheit, bestrafte
Gesinnung, 2012; Kieninger, M., Narkoanalyse, 2011
Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die landschaftlich
verbreitete Art des →Grundbuchs.
Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher
Kurhessens, 1914
Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinende, an
Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der
Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Fankfurt am Main 1970
Währung ist
das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens.
In der Zuständigkeit eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z.
B. durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten
durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und
Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249;
Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Die kulturelle Seite der
Währung, hg. v. Löffler, B., 2009
Waiblingen
Lit.: Widder, E., Waiblingen, 2005
Waise ist
das teilweise (Halbwaise) oder gänzlich (Vollwaise) elternlose →Kind. Es
erhält einen →Vormund. In der frühen Neuzeit werden Waisen teilweise mit
Armen, Irren und Siechen gemeinsam untergebracht, teilweise aber auch besondere
Häuser für Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser
mit 19000 Waisen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, H., Beiträge zur
Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder,
Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen
Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der
frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003; Kinder, Krätze, Karitas, hg. v. Veltmann,
C. u. a., 2009
Waitz,
Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird nach dem Studium von
Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel (1842), Göttingen
(1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta (N.Pl.) Germaniae
Historica (1875-1886). Seit 1844 veröffentlicht er eine achtbändige deutsche
Verfassungsgeschichte.
Walachai ist
das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes
Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den →Osmanen (Türken)
abhängig. 1862 geht sie in →Rumänien auf.
Wald ist
die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche einschließlich der Lichtungen und
Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im Altertum nur am Mittelmeer intensiv
genutzt und dabei an vielen Stellen beseitigt. Im Mittelalter wird er auch
sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist
teilweise königlich (→Forst), teilweise grundherrschaftlich und
teilweise genossenschaftlich bzw. gemeinschaftlich. Im 18. Jh. beginnt eine
moderne Waldwirtschaft als bürgerliche Selbstbehauptung gegen aristokratische
Jagdnutzung und Waldnutzung der Bauern. Im 19. Jh. wird der W. vielfach in
Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.
Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905,
Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L.,
Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F.,
Geschichte der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la
Forêt d’Eu, 1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen,
1931; Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche
Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C.,
Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die
rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München
1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen
Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum,
1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig,
1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald,
1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte,
1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg.
v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte
des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes
Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002;
Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer gemeyne, 2004; Grewe, B., Der
versperrte Wald, 2004; Sperber, J., Angenommene, vorgetäuschte und eigentliche
Normenkonflikte bei der Waldnutzung im 19. Jahrhunderet, HZ 290 (2010), 681;
Hölzl, R., Umkämpfte Wälder, 2010
Waldeck
Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände
und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert, 1968
Waldenser
Lit.: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und
andere, 2005; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010
Wales ist
die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach dem Abzug der Römer im
5. Jh. britische →Kelten zu halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter
die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet ganz in →England
eingegliedert. 1999 erhält W. eine eigene Versammlung mit beschränkten
eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen Spielraum).
Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904; The
Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The
Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986; Davies, W., Welsh History in the
Early Middle Ages, 2009
Walkenried
Lit.: Urkundenbuch des Klosters
Walkenried, bearb. v. Dolle, J., Bd. 1f. 2002ff.
Wallfahrt
Lit.: Wallfahrt und Volkstum in
Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber, G., 1934; Wallfahrt und Recht im
Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v. Escher, F. u. a., 2006; Wallfahrten
in der europäischen Kultur, hg. v. Dolezal, D. u. a., 2006; Pilgerreisen in
Mittelalter und Renaissance, hg. v. Haupt, B. u. a., 2006; Wallfahrt und
Reformation, hg. v. Hrdina, J. u. a., 2007; Schauta, M., Die ersten
Jahrhunderte christlicher Pilgerreisen, 2008; Ikari, Y., Wallfahrtswesen in
Köln, 2009; Brumme, C., Das spätmittelalterliche Wallfahrtswesen im Erzstift
Magdeburg, im Fürstentum Anhalt und im sächsischen Kurkreis, 2010
Wallis ist
der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete,
im Südosten des Genfer See(e)s gelegene, zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton
(1814) der →Schweiz.
Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890;
Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P.,
Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der
Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit
im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte
der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165;
Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht
der Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das
Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem
Wallis, 1967; Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L.,
Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des
Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L.,
Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T.,
Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland,
1987; Carlen, L., Walliser Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das
Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77;
Schnyder, C., Reformation und Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002
Wallonien (französischsprachiges
Gebiet Belgiens)
Walser ist
der seit dem 13. Jh. aus dem →Wallis ausgewanderte, im Süden, in
Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem
Recht angesiedelte, katholische Alemanne.
Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in
der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie
Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.;
Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli,
P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993;
Bündner Urkundenbuch, Bd. 2 (neu) 1200-1272), 2004
Walter von Coutances ist der um 1170 in Paris
wirkende, 1185 zum Erzbischof von Rouen und 1191 zum Regenten des angevinischen
Großreichs aufgestiegene Kanonist englischer Herkunft. (Tractatum de iudiciis
(Traktat von den Gerichten).
Lit.: Landau, P., Walter von
Coutances und die Anfänge der anglo-normannischen Rechtswissenschaft, Panta
rei, hg. v. Condorelli, O., 2004, 183
Walther ([Walter] zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz 5. 12. 1584), Kaufmannssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna (Alciat) und Pavia 1540
Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und 1564 Kanzler in den
innerösterreichischen Ländern. In seinen der Anleitung herrschaftlicher
Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten (lat. [M.] Aurei tractatus
iuris Austriae, goldene Traktate des Rechtes Österreichs 1552-1558) gibt er
eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und ergänzendem römischem
Recht.
Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers
privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich,
hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369
Wandale →Vandale
Wandlung (Wort in allgemeinerer Bedeutung um 790 belegt) ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels
der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als
Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei
gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder
die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. →actio
[F.] redhibitoria) oder die Minderung (lat. →actio [F.]
quanti minoris) des Kaufpreises verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W.
aus dem römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den
Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG 46,
165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Wannseekonferenz ist die in der Villa Marlier am
Wannsee in Berlin am 20. 1. 1942 unter Reinhard Heydrich durchgeführte, ein
Protokoll der Besprechung über die Endlösung der Judenfrage hinterlassende
Konferenz über die Organisation der beschlossenen Vernichtung der Juden mittels
Deportation in den Osten, der zwei weitere Konferenzen im März und Oktober 1942
folgen.
Lit.: Roseman, M., Die
Wannsee-Konferenz, 2002
Wappen ist
seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für das im 12. Jh. entstehende, seit dem 13.
Jh. individualisierte farbige Erkennungszeichen des gerüsteten und damit
unkenntlich gewordenen Ritters. →Adler, Heraldik
Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch,
neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik,
1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E.,
Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches
Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel,
15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten
Wappenbilder, 1992; L’Armorial Bellenville, hg. v. Pastoureau, M. u. a., 2004;
Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005; Scheibelreiter, G., Wappenbild und
Verwandtschaftsgeflecht, 2009
Ware (Wort um 900 belegt) ist die bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. →Kauf,
→Handelsrecht
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Warenmarke ist
die →Marke für eine →Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetzlich
geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz, Gesetz über den
Markenschutz). Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994
ablösende Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995.
Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884;
Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55
(1935), 244; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954;
Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle,
E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig,
F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988
Warenzeichen →Warenmarke
wargus (lat.-germ.
[M.]) Würger, Wolf, Verbrecher
Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und magisch-kulturelle
Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974;
Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472
Warnkönig,
Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor
in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844
in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige flandrische Staats- und
Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige französische Staats- und Rechtsgeschichte
vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen Rechtsschule nach
Belgien.
Lit.: Wild, G., Leopold August
Warnkönig, 1961
Warren,
Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in
Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953
Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung
in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende, einstimmig gefällte
Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert er Freiheit und
Gleichheit.
Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl
Warren, 1982
Warschau an
der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339
Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von →Polen. 1815 erhält es im
mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine
Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2 2107,2111, 3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007
Wartburgfest ist
das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher
Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10. 1817 auf der
Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und der Code
Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische Verbindungen
an den Universitäten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter
Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg.
v. Dedner, B., 1994
Wartrecht →Erbenwartrecht,
→Näherrecht
Was dem einen recht ist, das ist dem anderen
billig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)
Wasser ist
die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit. Schon früh werden große
Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat, kleine Gewässer mit dem
angrenzenden Grundstück Einzelnen zugeordnet. Seit dem 19. Jh. wird das W.
nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker rechtlich erfasst
(Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches Allgemeines
Landrecht von 1794, Landeswassergesetze, Wasserverbandverordnung vom 3. 9.
1937, Wasserhaushaltsgesetz 27. 7. 1959/1960, vgl. auch die Arbeiten des
Ausschusses für Wasserrecht zwischen 1934 und 1941 im Rahmen der Akademie für
deutsches Recht) und als schützenswertes Umweltgut angesehen. Im Mittelalter
ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils. →Meer, →Mühle, →Stromregal
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig,
A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828,
Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte
des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das
Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und
Mitteleuropa, 1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Georgi,
O., Der sächsische Entwurf eines Wassergesetzes, 1907, Neudruck 2013; Motzfeldt,
U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des
Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft,
1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336;
Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58
(1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum
19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Breuer, R., Öffentliches
und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994;
Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B.,
Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen
Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der
Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001;
Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber,
A., Die Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957, 2005;
Behrens, C., Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig, 2009; Seckel,
F., Zur Geschichte des Gewässerschutzrechts in Sachsen, 2010; Stippak, M., Beharrliche
Provisorien - Städtische Wasserversorgung, 2010
Wasserburg
Lit.: Burkard, T., Wasserburg und
Kling, 1965
Wasserzeichen ist das vom Papierhersteller bei der Papierherstellung erzeugte Kennzeichen
seines Papiers.
Lit.: Weiß, W., Thüringer
Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953; Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v.
Piccard, G., 1961; Ochsenkopf und Meerjungfrau, red. v. Rückert, P., 2006
Waterrecht ist
die gotländische Fortführung der flämischen →Vonnisse von Damme.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
watschar (mhd.)
freigewordener Gemeinschaftsanteil, Abgabe
Lit.: Hübner § 21
Weber,
Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12. 3. 1954), geb. Schnitger,
Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als Cousin zweiten Grades
verwandten) Max →Weber und dem Studium der Philosophie und Sozialwissenschaften
Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie die „Ehefrau und Mutter in der
Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung.
Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert,
M./Buchholz, S., Marianne Weber, (in) Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung,
hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides,
2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004; Meurer, B., Marianne Weber, 2010;
Kruse, V./Barrelmeyer, U., Max Weber, 2012
Weber, Max
(Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920), Politikerssohn, mütterlicherseits
aus einer der reichsten deutsch-englischen Familien, wird nach dem Studium von
Recht, Wirtschaft, Geschichte und Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin
(Levin Goldschmidt) und Göttingen (Habilitation in Berlin mit 27 Jahren) Professor
in Berlin (1893), Freiburg im Breisgau (1894 Volkswirtschaft), Heidelberg
(1897) sowie nach längerer Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im
Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen Arbeiten stehen Studien über das
Verhältnis von Religion, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen
versucht er deutend die gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den
Entwicklungsvorgang der Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.
Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre
Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum
Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und
Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max
Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen,
1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit,
1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit,
1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950,
2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001;
Ringer, F., Max Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das Weber-Paradigma,
hg. v. Albert, G., 2005; Müller, H., Max Weber, 2007; Weber, M., Zur Geschichte
der Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007;
Fitzi, G., Max Weber, 2008; Petersen, J., Max Webers Rechtssoziologie und die
juristische Methodenlehre, 2008; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2008; Weber,
M., Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie - Vorlesungen 1894-1898, hg. v.
Mommsen, W. u. a., 2009; Massimilla, E., Max Weber zwischen Heinrich Rickert
und Johannes von Kries, 2011
Wechsel ist
die besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften unterliegende Urkunde,
in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungsverpflichtungen
verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Sicherung des
Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich
rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (→Indossament)
leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen
versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung
im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1847/1848)
an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu
weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz).
Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit
zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167;
Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26
(1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen
Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts, 1890; Schaube,
A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte, ZRG GA 14
(1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff.,
Neudruck 2013; Valery, J., Une traité de Philippe Le Bel, 1909; Nicolini, U.,
Studi storici sul pagherò cambiario, 1936; Holden, J., The History of
Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della lettera di
cambio, Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 1955; Dabin, L.,
Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die Anfänge des
Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des neuzeitlichen
Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L., Über den Ursprung
der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844,
3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss. jur. Köln 1987;
Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen
Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen
Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR
144 (1980), 484; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und schweizerisches
Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della Cambiatura,
1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen Wechselfähigkeit in der
Schweiz, 2004; Freund, J., Die Wechselverpflichtung im 19. Jahrhundert, 2008,
2012; Traut-Amend, A., Wechselverbindlichkeiten vor dem Reichskammergericht,
2009
Wechselrecht →Wechsel
wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert
Weende (Stift)
Lit.:
Urkundenbuch des Stifts Weende, hg. v. Krösche, H., 2009
Weg ist der
zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder bestimmte Teil der Erdoberfläche.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung
in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten
Grafschaft Schaumburg, 1971
Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der vorausgesetzten Umstände eines Geschäfts.
Der W. d. G. wird in Deutschland im 20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.)
clausula (F.) rebus sic stantibus zur Erfassung unvorhergesehener Verläufe
entwickelt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
270
Wegsperre (lat.
via [F.] lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung
eines Weges, die als bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.
Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
wehading (ahd.
[N.]) Zweikampf
Wehr
Lit.:
Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280
Wehrdienst ist
der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende
Dienst als Soldat bei den Streitkräften.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des
Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a.,
1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999
Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793,
1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der
Verfügbarkeit.
Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3
1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der
Bundeswehrverwaltung, 1963
Wehrmacht s. Heer
Lit.: Oldenburg, M., Ideologie und
militärisches Kalkül, 2004; Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005;
Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A., Wehrmacht und
Niederlage, 2005; Arnold, K., Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den
besetzten Gebieten der Sowjetunion, 2005; Stein, O., Die deutsche
Heeresrüstungspolitik 1890-1914, 2007; Römer, F., Der Kommissarbefehl, 2008; Pohl,
D., Die Herrschaft der Wehrmacht, 2008, 2. A. 2009; Hasenclever, J.,
Wehrmacht und Besatzungspolitik in der Sowjetunion, 2009; Buchmann, B., Österreicher
in der deutschen Wehrmacht, 2009; Förster, J., Die Wehrmacht im NS-Staat, 2. A.
2009; Hartmann, C., Wehrmacht im Ostkrieg, 2009, 2. A. 2010; Zimmermann, J.,
Pflicht zum Untergang, 2009; Leugers, A., Jesuiten in Hitlers Wehrmacht, 2009;
Mühlhäuser, R., Eroberungen, 2010; Hitlers militärische Elite, hg. v.
Ueberschär, G., 2. A. 2011; Mit reinem
Gewissen -Wehrmachtrichter, hg. v. Perels, J. u. a., 2011 (30000 Todesurteile,
davon mindestens 20000 vollstreckt); Müller,
R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kilian, K., Wehrmacht und Besatzungsherrschaft
im russischen Nordwesten 1941-1944, 2012; Gentile, C., Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg,
2012; Römer, Felix, Kameraden, 2013
Wehrpflicht ist
die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der
demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793,
Preußen 3. 9. 1814).
Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932; Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel,
1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung
des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v.
Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in
Deutschland, 2001; Fritsche,
M., Entziehungen, 2004
Weibel (M.)
Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener
Lit.:
Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in
Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt)
Weiberlehen ist
das seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als
Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich
1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.
Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel
1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G.
van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von
Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990
Weichbild (lat.
forma [F.] vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen
Siedlung in Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden
später das Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor
allem eine besondere Erbleihe angesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell,
K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960;
Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG
GA 95 (1978), 121
Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste
mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch
von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr.
decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark römischrechtlich
durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5
Handschriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.
Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v.
u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75
Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht
zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung
des →Sachsenspiegels niedergeschriebene Rechtsbuch, das später mehrfach
ergänzt und im letzten Drittel des 13.Jh.s zur Weichbildvulgata erweitert
wird.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32;
Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weichbildvulgata ist das im letzten Drittel des 13. Jh.s aus →Weichbildrecht,
einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem →Sachsenspiegel
und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136 Artikeln.
Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853;
Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weiderecht (Hutrecht)
ist das in Mittelalter und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine
Weide zu treiben. Es ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh.
werden viele Weiderechte aufgehoben.
Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der
Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten,
1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995
Weidlich,
Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713–Halle 1781) wird nach dem
Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er
veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.
Weigel,
Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst sich als Professor der
Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos [M.]
geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei
nicht hinausgelangt, beeinflusst er →Pufendorf und →Leibniz.
Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechtswissenschaft.
Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v.,
Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und
Naturrecht, 1972
Weimar an
der Ilm ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des
Hauses →Wettin wird. Berühmt wird W., von dem zwischen 1307 und 1500
weniger als 60 Urkunden, aber ein Stadtbuch bzw. Ratshandelsbuch (1380-1410)
und ein Statutenbuch (ab 1433) überliefert sind, durch die dortige Tätigkeit →Goethes.
1919 wird Weimar Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die am 14. 8.
1919 eine →Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich
verabschiedet (Grundrechte).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T.,
Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer Nationalversammlung
und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes Weimar und die französische
Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer Stadtbücher, hg. v.
Steinführer, H., 2005; Weimar 1919, hg. v. Ulbricht, J., 2009; Hunstock, S.,
Die (groß-)herzogliche Residenzstadt Weimar um 1800, 2011; Seemann, A., Weimar,
2012
Weimarer Nationalversammlung →Weimar
Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler
Hugo →Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene, am 31. 7. 1919 von der vom 6.
2.-11. 8. 1919 tagenden Weimarer Nationalversammlung (9,6 Prozent Frauen) beschlossene
und am 11. 8. 1919 verkündete Verfassung des Deutschen Reiches. Ihre 181
Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil (1-108) und einen
Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein unitarischer Bundesstaat
mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden,
Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz,
Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe, Schaumburg-Lippe). Es ist eine
Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk Volksentscheide
und Volksbegehren durchführen kann und in allgemeinen, direkten, gleichen und
geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und den Reichstag (Verhältniswahlrecht
mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten) bestimmt. Der Reichstag ist gemeinsam mit
dem Reichsrat zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichspräsident ist
Staatsoberhaupt und regiert durch den von ihm ernennbaren und absetzbaren Reichskanzler
und die Reichsminister, die des Vertrauens des Reichstags bedürfen. Er hat ein
Notverordnungsrecht und kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das
Reichsgericht (in Leipzig). Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung
der Gesetze steht den Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der
Länder. Die Grundrechte sind grundsätzlich unmittelbar anwendbar. Die W. R.
endet sachlich am 30. 1. 1933 durch die Ernennung Adolf Hitlers als Führers der
stärksten Partei zum Reichskanzler (einer konservativen Koalition) bzw.
allmählich zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung
rechtstatsächlich. Formell wird die W. R. erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs
beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W.,
Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
6. A. 2010, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre
Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der
Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das
Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002; Pauly, W.,
Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004
Weimarer Republik
ist der nichtamtliche Name für das Deutsche Reich vom (9. 11. 1918 bzw.) 14. 8.
1919 bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als
Folge des Versailler Vertrags an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst, aber in der politischen
Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der Bevölkerung, insbesondere
auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem Staat identifizieren. Die
wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung und treiben sie auf der
Grundlage der immer weiter um sich greifenden Überzeugung, dass eine vollständige
Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen
Parteien zu, von denen 1932 die Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf →Hitlers stärkste Partei des Reichstags
wird. 1932 setzt der auf Grund einer Notverordnung des Reichspräsidenten zum
Reichskommissar für Preußen ernannte Reichskanzler Franz von Papen die Landesregierung
Preußens ab und eine Reichskommission ein (Preußenschlag). Im Januar 1933
versucht der im November 1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem
durch Wahlniederlagen in Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht
zurückzukehren. Mit Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des →Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Apfel, A., Hinter
den Kulissen der deutschen Justiz, 1933?, hg. v. Gehlsen, J. u. a., 2013; Braun,
O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik,
Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971;
Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der
Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und
Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D.,
1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984;
Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998, 7. A. 2009; Die Weimarer Republik,
hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und
preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988;
Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer
Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A.
1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der
parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die
Weimarer Republik, 1999; Niedhart, G., Die Außenpolitik der Weimarer Republik,
1999, 2. A. 2006, 3. A. 2013; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik,
hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000, 2. A. 2008;
Schumann, D., Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D.,
Die Weimarer Republik, 2002, 3. unv. A. 2009; Mergel, T., Parlamentarische
Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische
Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke
Juristen in der Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R.,
Weimarer Republik 1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar,
2004; Mülhausen, W., Friedrich Ebert 1871-1925, 2006, 2. A. 2007; Pyta, W.,
Hindenburg, 2007; Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik, hg. v.
Wirsching, A. u. a., 2008; Marcowitz, R., Die Weimarer Republik 1929-1933, 3. A.
2009; Terhalle, M., Deutschnational in Weimar, 2009; Weimar Germany, hg. v.
McElligott, A., 2009; Weber, P., Gescheiterte Sozialpartnerschaft - gefährdete
Republik?, 2010; Graf, R., Die Zukunft der Weimarer Republik, 2010; Kolb. E.,
Deutschland 1918-1933, 2010; Staufer, A., Ludwig Ebermayer, 2010; John, A., Der
Weimarer Bundesstaat, 2011; Zur Aktualität der Weimarer Staatsrechtslehre, hg.
v. Schröder, U. u. a. 2011; Bergien, R., Die bellizistische Republik.
Wehrkonsens und Wehrhaftmachung in Deutschland 1918-1933, 2012
Wein ist
das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den Römern bekannte
alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die Weinverfälschung. Im
Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von Kaufverträgen (Weinkauf, gemeinsames
Trinken als Teil des Vertragsschlusses). Rechtlich wird die Herstellung von
W. vor allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992)
genauer geordnet.
Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des
Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen
Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und
Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im
schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht,
1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157;
Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972;
Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G.,
Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11
(1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau
und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert
Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im
Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung
im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135; Jakab, E.,
Risikomanagement beim Weinkauf, 2009; Weinwörter, hg. v. Besse, M. u. a., 2009;
Bernhardt, U., Geschichte des Weinrechts im deutschen Kaiserreich (1871-1918),
2012
Weißenburg im
Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei,
die zahlreiche Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als
250 Urkunden, rund 70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine
Reichsstadt. 1672 wird W. von Frankreich annektiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses,
hg. v. Doll, A., 1979
Weistum ist
das durch mündliche Erklärung (Weisung) meist alter Männer als bestehend
erwiesene (gezeigte) Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.)
legis Salicae (Einung des salfränkischen Rechtes) nimmt man an, dass große
Teile der →Volksrechte als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem
Hochmittelalter werden verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen
als Weistümer (oder auch anders) bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor
allem in Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster
Setzung, Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die
Setzung kann durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als
Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung
der Weistümer beginnt mit der Sammlung und Ausgabe der Weistümer durch Jakob
Grimm (1840).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104;
Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd.
1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a.,
Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.;
Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924,
Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der
Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer
Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau
der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA
60 (1940), 261; Oberösterreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K.,
Elsässische Weistümer, 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59
(1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K.,
1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.;
Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der
Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der
Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl,
H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die
saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim
und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, (in)
Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den
Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G.
Dortumnds 88 (1997), 140; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Weißrussland (Belarus)
Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau,
D. u. a., 2001
Welcker,
Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869),
Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813
Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in
Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines deutschen Parlaments.
Zusammen mit →Rotteck veröffentlicht er von 1834 an das den Liberalismus
prä_gende Staatslexikon. 1848 ist er Mit_glied der Frankfurter Nationalversammlung.
Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A.,
Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz,
H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968;
Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985
Welfe ist
der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder fränkischen, vielleicht
seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees begüterten, 819 erstmals
sicher nachweisbaren Geschlechts (1070-1138, 1156-1180 Herzog von Bayern,
1137-1180 auch Herzog von Sachsen). Der bekannteste W. ist →Heinrich der
Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Kaiser Friedrichs I. Barbarossa
1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Von 1198 bis 1218 ist der
Welfe Otto IV. Gegenkaiser der Staufer. Den Welfen bleibt das Eigengut
Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum, 1692 Kurfürstentum, 1714 zugleich
König von Großbritannien bis 1901) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover, dann an
Preußen) bzw. 1918 (Braunschweig, dann Ende der Monarchie).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler,
Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A.,
Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von
Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und
ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die
welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995;
Hechberger, W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000;
Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004;
Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006; Lilienthal, A., Die
Fürstin und die Macht, 2007; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a.,
2009; Otto IV., hg. v. Hucker, B., 2009; Aschoff, H., Die Welfen, 2010; Pfannkuche,
G., Patrimonium - feudum - territorium, 2011; Vollrath, M., Welfische
Klosterpolitik, 2012
Welser ist
der Angehörige eines frühneuzeitlichen, frühkapitalistischen Handelshauses
in Nürnberg und Augsburg.
Lit.: Die Welser, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2002; Stromer von
Reichenbach, W., Welser Augsburg und Welser Nürnberg, 2002
Welt ist die den Menschen in
Raum und Zeit umfassende, wohl einen Beginn und auch ein Ende einschließende Gesamtheit
des Seins.
Lit.: WBG
Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., 2009; Osterhammel, J., Die Verwandlung
der Welt, 2009; Mirow, J., Weltgeschichte, 2009; Nolte, H., Weltgeschichte des
20. Jahrhunderts, 2009; MacGregor, N., Eine Geschichte der Welt in 100
Objekten, 2011; Atlas der Weltbilder, hg. v. Markschies, C. u. a., 2011; Komlosy, A., Globalgeschichte, 2012; Conrad, S., Globalgeschichte,
2013
Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO)
ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene
internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).
Lit.: Beise, M.,
Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Weltkrieg ist
der die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-1918, 1939-1945 mit 2,75 Millionen
toten deutschen Soldaten zwischen Juni 1944 und Mai 1945).
Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H.,
Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der
erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied
vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreung oder Kapitulation?,
hg. v. Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im
zweiten Weltkrieg, 1999; Kriegsende 1919, hg. v. Duppler, J., 1999; Borchard,
M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The
first World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte Verliererjustiz nach dem
ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus,
Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik - Der erste Weltkrieg, 2002; Salewski,
M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v.
Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg – zweiter Weltkrieg,
hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und
Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das 20.
Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite
Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B.,
Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands
Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Neitzel,
S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster Weltkrieg,
hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel
1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H.,
Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenabkommen,
2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg
1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze
Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005;
Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005; Der zweite Weltkrieg,
hg. v. Kuß, S. u. a., 2006; Der zweite Weltkrieg und seine Folgen, hg. v.
Martin, B., 2006; Golla, K., Die deutsche Fallschirmtruppe 1936-1941, 2006; Die
Ostfront 1943/44, hg. v. Frieser, K. u. a., 2007; Goeken-Haidl, U., Der Weg
zurück. Die Repatriierung, 2007; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang, 2009;
Kruse, W., Der erste Weltkrieg, 2009; Goltermann, S., Die Gesellschaft der
Überlebenden, 2009; Hartmann, C. u. a., Der deutsche Krieg im Osten 1941-1944,
2009; War Planning 1914, hg. v. Hamilton, R. u. a., 2010; Mulligan, W., The
Origins of the First World War, 2010; Schwelling, B., Heimkehr - Erinnerung - Integration
Der Verband der Heimkehrer, 2010; Russlandheimkehrer, hg. v. Scherstjanoi, E.,
2012; Weltmärkte und Weltkriege 1870-1945, hg. v. Rosenberg, E., 2012; Rauchensteiner,
M., Der erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, 2013; Krumeich,
G., Juli 1914 - Eine Bilanz, 2013; Cabanes, B. u. a., Der erste Weltkrieg, 2013;
Bremm, K., Propaganda im ersten Weltkrieg, 2013; Beaupré, N., Der erste
Weltkrieg, 2013; Schminck-Gustavus, C., Feuerrauch, 2013; Kretschmann, C., Der
erste Weltkrieg, 2014
Weltliches Recht
(lat. ius [N.] civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende
bzw. das von weltlichen Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht
(lat. ius [N.] canonicum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971
Weltraum ist der die Erde umgebende Teil der Welt.
Lit.: Reinke, N., Geschichte der
deutschen Raumfahrtpolitik, 2004
Weltrecht ist das für die gesamte Welt geltende Recht.
Lit.: Zitelmann, E., Die Möglichkeit eines Weltrechts, 1888, Neudruck
2013; One Law for All?, hg. v. Kirmse, S., 2012
Welzel,
Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904-Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem
Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in Bonn. Er
entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den Vorsatz
als subjektiven Tatbestand zum (objektiven) Tatbestand im engeren Sinn zieht.
In seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechtsgeltung die Anerkennung
des Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen
und demokratische Diskussion.
Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit,
1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen
Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik
als Naturrecht?, 2000
Wende (M.) ist die ältere Sammelbezeichnung für den →Slawen an
der deutschen Nordostgrenze.
Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im
deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v.
Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972; Herrmann, J., Der Wendenkreuzzug
von 1147, 2011
Wenger,
Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher Professor, dann ordentlicher
Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg (1908), München (1909) und
Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu
und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte.
Innerhalb des römischen Rechtes bietet er eine grundlegende Zusammenfassung
über „Die Quellen des römischen Rechtes“ (1953).
Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII
Wenzelskrone ist die auf König Wenzel I. (1230-1253) zurückgehende Krone des Königs
von Böhmen. Länder der W. sind (unter den Habsburgern) Böhmen, Mähren,
Schlesien und die Lausitz.
Wer A sagt, muss auch B sagen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)
Werböczy,
Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland
(Krakau 1492) (1492 Amtsträger des Königs von Ungarn, nach Adoption durch
Mihály Szobi) Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich
Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in
Ungarn unter Rezeption römischen Rechtes geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.]
Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae.
Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn).
Obwohl das die Interessen des Adels sichernde, vom Landtag wohl gebilligte Werk
nie in Kraft tritt, gilt es teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.
Lit.: Fraknói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy
jog forrástana, (in) Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Tanulmányok Werbőczy Istvánról, hg.v. Hamza, G.,
2001; Werböczy, S., The Customary Law of the renowned kingdom of Hungary
in three parts, 1517, hg. und übers. v. Bak, J. u. a., 2006
Werbung
Lit.: Rücker, M.,
Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000; Ilgen,
V./Schindelbeck, D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006
Werden
Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse
und Mark in den Quellen der Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der
Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen
Stifter Essen und Werden während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte
von Stadt und Stift Essen 86 (1971)
Werfen ist
das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische
Bedeutung haben.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943
Wergeld ist
im Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung
für die ausgleichspflichtige Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits
für die Germanen vermuten. Es fällt teilweise an die Verwandten des
Getöteten, teilweise an den König (Friedensgeld). Es wird vermutlich
ursprünglich im einzelnen Fall besonders ausgehandelt. In den Volksrechten
erscheinen feste, vom jeweiligen Stand abhängige Schillingbeträge (→Kompositionensystem
z. B. bei einem fränkischen Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als
Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen der peinlichen →Strafe seit dem
11. Jh. verschwindet es allmählich.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119,
120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten,
ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123;
Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur
altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und
Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners
Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og
mandebod, 1971
Werk (Wort bereits für das
Indogermanische zu erschließen) ist das Ergebnis der auf einen neuen Erfolg gerichteten
Tätigkeit des Menschen (z. B. Bauwerk, Kunstwerk).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Werkvertrag (1863) ist der gegenseitige Vertrag,
in dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen
Entgelt herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen Recht als (lat.)
locatio (F.) conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem
Stoff, Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines
Sklaven, conductor ist der zu Erfolg verpflichtete Hersteller, locator der
Besteller des Werkes) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen
Stadt, in welcher der Unternehmer vielfach durch die Zunft eingeschränkt wird.
Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung
wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur
Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden. Vielfach
sind danach Gefahrtragung oder Gewährleistung deutschrechtlich gelöst, anderes
wie etwa der Verzug römischrechtlich. Werklieferungsvertrag ist gegenüber dem
W. der dem Kauf ähnliche Vertrag über die Herstellung eines Werkes aus Stoffen des
Unternehmers oder Herstellers.
Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des Werkvertrags,
1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung sozialpolitischer
Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die Rechtsprechung des
Reichsgerichts zum Werkvertrag, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung im Werkvertragsrecht
des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der Florentiner Renaissance,
2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Wert ist die zum Wohl eines
Lebewesens beitragende Gegebenheit. Die angesehensten rechtlichen Werte können
in der Gegenwart durch die Verfassung besonders geschützt. sein. Sie können zu
einem Wertesystem zusammengefügt sein.
Lit.:
Wapler, F., Werte und das Recht, 2008
Wertheim
Lit.: Der Lehenhof der Grafen von
Wertheim, 1955; Zimmermann, K., Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im
alten Wertheim, 1975
Wertpapier (Wort 1853) ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die
Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich
Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen
Handelsplätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der →Wechsel.
In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des
19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung
im Deutschen Bund (→Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im
Deutschen Reich auch der →Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur
noch elektronisch dokumentierten Rechte vor.
Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167,
218, 272; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Salvioli,
G., I titoli al portatore, 1883; Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und Arten
der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge zur
Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der
Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher
Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer,
K., 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die Geldentwertung.
Sie wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche
Vertragsklauseln eingeschränkt.
Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992
Wertungsjurisprudenz ist die seit 1930 bzw. seit
der Mitte des 20. Jh.s (Karl Larenz, Franz Wieacker, Heinrich Lange, Mittel und
Ziel der Rechtsfindung im Zivilrecht, Z. d. Ak. f. dt. R. 1936, 922) erkennbare
Lehre, nach der Rechtssätze nicht mechanisch aus der Wirkung kausaler
Interessen entstehen, sondern sich auf eine Wertung der an der Gesetzgebung
Beteiligten gründen und bei der Auslegung objektiv-teleologische Kriterien (z.
B. Gleichbehandlungsgrundsatz, Sachgemäßheit) heranzuziehen sind. Die W.
setzt ein in der Gesamtrechtsordnung enthaltenes Wertesystem voraus.
Lit.: Petersen, J., Von der
Interessenjurisprudenz zur Wertungsjurisprudenz, 2001; Rückert, J.,
Vom „Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior
iure)
Wesel
Lit.: Stadtrechnungen von Wesel
1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963; Weseler Edikte 1324-1600, bearb. v.
Roelen, M. u. a., 2005
Wesenbeck,
Matthaeus (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in
Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in
Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563
verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und
bezieht die Rechtspraxis ein.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het
humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in
Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg. Ein
Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u. a.,
2006
Westeuropäische Union
(WEU) ist der am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete,
erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen Großbritannien,
Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland und Italien mit
einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als wichtigsten
Organ. Am 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die Europäische Union
übertragen.
Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen
Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999
Westfale ist
der im Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teilstamms
der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der Westfalen wird die
Gütergemeinschaft hervorgehoben. 1180 wird Westfalen Territorialherzogtum des
Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen gelangt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256;
Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die
Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für
vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R.,
Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921),
481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke,
F. v., Fürstenbergsche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den mittelalterlichen
Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das
westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches
Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche
Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler,
G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166;
Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H.,
Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Das Herzogtum
Westfalen, Bd. 1 hg. v. Klueting, H., 2009
Westfalen
Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff.
hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.; Süderländische Geschichtsquellen und
Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f. 1954f.; Westfalen – Hanse –
Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a., 1955; Haase, C., Die
Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Wüllner, W., Zivilrecht
und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens am Ende des 18.
Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa, 1964; Hartlieb
von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung Westfalens, 1965;
Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze); Klueting, H., Die Säkularisation
im Herzogtum Westfalen 1802-1834, 1980; Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H.
u. a., 1994; Fischer, S., Juristen in Westfalen im 19. Jahrhundert, 2012
Westfälischer Friede
ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von Münster (katholisch,
zwischen Kaiser und Frankreich) und Osnabrück (evangelisch, zwischen Kaiser
und Schweden), der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den
Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich,
weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und
Vorpommern an Schweden) und im Übrigen den etwa 300 nun vorhandenen
Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a.
Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der
Auseinandersetzung verstärkt. Durch Beschluss des Reichstags wird er 1654 Reichsgesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Pütter, S.,
Geist des westphälischen Friedens, 1795, Neudruck hg. v. Buschmann, A., 2010; Kürschner,
T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische
Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der
Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Forschungen und
Studien zur Geschichte des westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die
westfälischen Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur.
Göttingen 1965; Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969),
449; Instrumenta pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert,
F., Die deutschen Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem
westfälischen Friedenskongress 1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische
Friede, 1989; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005;
Immler, G., Kurfürst Maximilian I. und der westfälische Friedenskongress, 1992;
Der westfälische Friede, hg. v. Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden,
hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K., Der westfälische Friede, 1999; Der
westfälische Frieden, hg. v. Moorman van Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken
in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen
Friedens von 1648 für das europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37
(1999), 129; 350 Jahre westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000;
Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix
de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002
westfränkisch →Frankreich
Westgalizien ist
der westliche Teil Galiziens (mit Krakau und Lublin), der 1795 bei der dritten
Teilung Polens an Österreich gelangt. am 19. 12. 1796 tritt dort die
österreichische →Allgemeine Gerichtsordnung vom 1. 5. 1781 in etwas
veränderter Form als Westgalizische Gerichtsordnung in Kraft (nach 1812 auch in
Tirol und Salzburg, gültig bis 1898). Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme
(1790) der Gesetzgebungsarbeiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786
nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige,
aus dem sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren →Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuchs als Bürgerliches Gesetzbuch für (West-)Galizien
(Westgalizisches Gesetzbuch mit 8155 Wortformen) in Kraft gesetzt (JGS 337, in
Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798). 1809 fällt W. an
das Großherzogtum Warschau.
Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf,
hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des
Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399
Westgote ist
der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstamms der
Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse).
Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.) →Codex (M.)
Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung
geltende (lat.) →Lex (F.) Romana Visigothorum (Römisches Recht der
Westgoten). 507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die
Franken und werden auf das inzwischen eingenommene →Spanien (Toledo) verwiesen.
Das Recht der Westgoten wird in der (lat.) →Lex (F.) Visigothorum weiter
entwickelt (Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die →Fueros
Eingang. 711 geraten die Westgoten infolge Uneinigkeit unter die Herrschaft
der →Araber. Im Hochmittelalter gehen sie in der Vorbevölkerung der
iberischen Halbinsel auf.
Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75,
80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123;
Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A.,
Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A.,
The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und
Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v.
Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder
paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über
westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudos de
direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen
Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der
westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der
Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und
Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972;
García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf
der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001;
The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001;
Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Ferreiro, A., The Visigoths
in Gaul and Iberia, 2006; Ferreiro, A., The visigoths in Gaul and Iberia - A
Substantial Bibliography, 2007ff.; Kampers, G., Geschichte der Westgoten, 2008;
Hillgarth, J., The Visigoths in History and Legend, 2009
Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist die älteste, um 1220 beginnende,
vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung.
Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren
(Mitte 13. Jh.) eine Handschrift von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis
1300 oder Jahrzehnte später (1310-1315) entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften
seit etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson
(um 1175-1227).
Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827, Neudruck
1976; Das ältere westgötische Rechtsbuch, hg. v. Rehfeldt, B., 1926; Schwedische
Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och ära, (in)
Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u. a., 1946; Äldre
Västgötalagen, hg. v. Wessén, E., 1950; Ericsson, G., Den kanoniska rätten,
1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska
rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen
Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987,
504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988; Äldre Västgötalagen, hg. v.
Wiktorsson, P., 2011; Nilsson, G., Nytt Ljus Över Yngre Västgötalagen, 2012
Westmannalagh,
Västmannalagh, (Schweden um 1330) →nordisches Recht
Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas historia,
1978
Westphalen ist
das kurzlebige, von →Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8.
1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973;
Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992;
Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des
Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von
Tribunalen, Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für
das Königreich Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u.
a., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hewig, A. u. a. 2008;
Bethan, A., Napoleons Königreich Westphalen, 2012; Paye, C., Der französischen
Sprache mächtig, 2013
Westzone ist
die von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der westlichen alliierten
Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich)
des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen entsteht die →Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H.,
Bürgerliches Recht in den Westzonen, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989
Wettbewerb ist
das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen
können, insbesondere das Streben jedes von mehreren Unternehmen, auf einem
gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen
Stadt wird der W. durch die →Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung
des 19. Jh.s wird dagegen der W. freigegeben (→Gewerbefreiheit Deutschland
1869). Um daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich
nach Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs
vom 27. 5. 1896 erlassen, das 1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss
nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die
aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen werden, das später noch verschärft wird
(1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen
Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976,
1980, 1989).
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen
und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter Handelsgesellschaftern,
Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und Monopolpolitik, 1973; Vom
Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983;
Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den
Mühlsteinen, 1988; Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die
Leiden des Privatrechts, 1994; Heße, M., Die historische Entwicklung der
Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des
unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996, 1064; Volckart, O., Wettbewerb und
Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H.
v., Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand,
L., Antitrust auf deutsch, 2004; Bormann, J., Wettbewerbsbeschränkungen durch
Grundstücksrechte, 2004; Pitzer, F., Interessen im Wettbewerb, 2009;
Michalczyk, R., Europäische Ursprünge der Regulierung von Wettbewerb, 2010
Wette (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist das gegenseitige,
zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen mehrerer
Vertragspartner dienende Versprechen dahingehend, dass dem, dessen Behauptung
sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im römischen
Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento enthalten.
Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im Frühmittelalter
wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter
wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W.
wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen. Der Staat bemüht sich zwecks
Verhinderung von Wettsucht und zwecks Erzielung von Einnahmen um eine Einschränkung
gewerblicher Privatwetten.
Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2;
Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und
wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB)
in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Wetterau ist
die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie
ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch beherrscht. Im Hochmittelalter
ist sie königsnah.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hävernick, W., Das
ältere Münzwesen der Wetterau, 1936, kommentierte Neuaufl. 2009; Kropat, A.,
Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht
Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im
Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R.,
Bd. 1 1999
Wettin ist
die Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein wohl seit 875 (Graf Friedrich
im Harzgau) nachweisbares Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird.
Die Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (→Sachsen) und
eine ernestinische Linie (→Thüringen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse,
O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980;
Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die
Heiratspolitik, 2004; Rogge, J., Die Wettiner, 2005; Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete
1349-1382, bearb. v. Leisering, E., 2006; Groß, R., Die Wettiner, 2007; Knöfel,
A., Dynastie und Prestige, 2009; Kaiser, U., Das Amt Leuchtenburg, 2012
Wetzlar an
der Lahn erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von
1603 bis 1806 beherbergt W. das →Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge
zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei
Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien,
Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das
Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen
Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991; Schieber, S., Normdurchsetzung
im frühneuzeitlichen Wetzlar, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der
frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (429 Nummern);
Winkel, H., Herrschaft und Memoria, 2010
WEU →Westeuropäische
Union
Weyer,
Johann (Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2. 1588) wird nach dem
Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545) und
Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und
Hexereiaberglauben gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis
daemonum). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.
Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“,
Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn,
1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992
whig (M.)
Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England (Schimpfname, Tory
angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).
Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer
Ministerialität hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene,
spätere Abt von Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey
(1146), der den Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als
wichtiger Berater dient, gleichwohl von einem einzelnen heutigen Juristen entgegen
diplomatischen Erkenntnissen systematischer Fälschung bezichtigt wird.
Lit.: Jakobi, F., Wibald von
Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2003ff.; Hofmann, H.,
Das Briefbuch Wibalds von Stablo, DA 63 (2007), 41; Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey, hg. v.
Hartmann, M, 2012
Widerlegung, Widerlage (F.) Ersatzleistung, Gegengabe des Ehemanns oder eines
Dritten an die Ehefrau für deren Heiratsgut im Ehevertrag mit Wirkung nach dem
Tode des Ehemanns bei vorheriger tatsächlicher nachweislicher Leistung des Heiratsguts
Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts,
1973, 51, 364
Widerruf (Wort um 1200 belegt) ist im
Privatrecht die Willenserklärung, die eine noch nicht endgültig wirksame
Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die
Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts. Der privatrechtliche W. ist
bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst
mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.
Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II
5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von
Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Martens, M., Die Entwicklung
der Widerrufsrechte des Verbrauchers, 2010
Widersagung (F.)
Fehdeankündigung
Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994
Widerspruch ist
die Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuchs
seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren
Verwaltungsbehörde zur einheitlichen Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche
Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage, doch werden am Ende des 20. Jh.s
Ausnahmen zugelassen.
Lit.: Köbler, DRG 263
Widerstand ist
die entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen
eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh diskutiert (Manegold von
Lautenbach 11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B.
Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und
rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem
19. Jh. ein Straftatbestand. Aus ihm wird später der W. gegen Vollstreckungsbeamte.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F.,
Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das
vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im
Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und
Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter,
G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956; Schönfeld,
W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und
das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich -
Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W.,
Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff
und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A.
1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H.,
Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v.
Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945, bearb.
v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999;
Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v., Widerstandsrecht
und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen Neuzeit, hg. v.
Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von Stauffenberg
(1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R., Juristen im
Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche Widerstand gegen
Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D., Die weiße Rose, 2. A. 2003;
Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jh.), hg. v. De
Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand, hg. v. Borgstedt,
A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B., Gesetzesbindung und
Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße Rose war nur der
Anfang, 2006; Widerstand - gestern und heute, hg. v. Beutin, H. u. a., 2009;
Holtmann, K., Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe vor dem Volksgerichtshof,
2010; Rüthers, B., Die einsamen Außenseiter, 2011; Hormayr, G., Ich sterbe
stolz und aufrecht, 2012; Gott will Taten sehen, hg. v. Käßmann, M., 2013
Wieacker,
Franz (Stargard 5. 8. 1908-Göttingen 17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn,
wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher
Professor in Leipzig(, NSDAP), 1939 ordentlicher Professor in Leipzig, 1948 in
Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1969 Orden Pour le mérite, 1973 mit
65 Jahren emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht
das römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden römischen
Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale Gelehrte 1952
eine auf der Studienreform des Jahres 1935 aufbauende, ideengeschichtlich
ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (2. A.
1967).
Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60
(1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C.,
2000; Franz Wieacker, Historiker des modernen Privatrechts, hg. v. Behrends, O.
u. a., 2010
Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen
Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen
Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) →restitutio (F.) in integrum
zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965,
233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung, durch die eine
versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig fingiert wird. Die
W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem oberitalienisch-kanonischen Verfahren
(lat. restitutio [F.] in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen
(Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss.
jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973,
289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996
Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden
durch Ausgleich. Die W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg
bedeutsam.
Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a.,
Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld und
Schulden, 2005; Grenzen der Wiedergutmachung, hg. v. Hockerts, H. u. a., 2006;
Rückert, J., Abrechnen, aber wie?, ZRG GA 125 (2008), 256
Wiederkauf ist
der schon im römischen Recht durch besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit
Vorbehalt des Rückkaufs. Durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung
des Verkäufers wird dann der Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die
Erstattung des Preises zurückzuübertragen.
Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur
des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken
zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf,
FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Wiedertäufer (Anabaptist)
ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die
Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich
um 1520, Münster 1534).
Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs,
Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G.,
1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980
Wiedervereinigung →Deutsche Demokratische Republik, Saar
Lit.: Elzer, H., Die deutsche Wiedervereinigung an der
Saar, 2007; Ritter, G., Die deutsche Wiedervereinigung, HZ 286 (2008), 289
Wie du mir, so ich dir.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)
Wiek ist
die Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die im 14. Jh. (1322-37?) aus
dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in der Wiek und dem
ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen Handschriften seit
dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt wird. Dieses
wiek-oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die
Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist,
findet teilweise Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424),
das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Crusius’
Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte.
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95; Arbusow,
L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der Geschichte
Livlands u. s. w. 23 (1924/26), 75;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163
Wielant,
Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.])
artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechtes in Löwen Anwalt und
Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie
civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er
einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines
Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische
Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1996
Wien an der
Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw. römischer Grundlage (Legionslager
89 oder 98 n. Chr., 433 aufgegeben) errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit
1156 Sitz der →Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts
(1221) wird W. kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250 bzw. 1237-1239,
1278-1288) und erhält (am 12. 3.) 1365 eine anfangs im Heiligen römischen Reich
führende, dann zurückfallende Universität (zwischen Hofburg und Schottenstift),
an der das Studium des römischen Rechtes aber eigentlich erst am Ende des 15.
Jh.s möglich wird (zwischen 1451 und 1500 mehr als 19000 Studierende in Wien
insgesamt). Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter
Benutzung des Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch
in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe,
Ehegüter, Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum
Sitz des Kaisers des Heiligen römischen Reiches, 1469 Bischofssitz und 1722/1723
Erzbischofssitz. 1526 erhält es eine neue Stadtverfassung, 1529 und 1683
scheitern Belagerungen durch die Türken. In der Mitte des 18. Jh.s ordnet Maria
Theresia den darniederliegenden provinziellen Rechtsunterricht. 1783
erlässt Joseph II. eine Magistratsverfasssung. Zu Beginn des 19. Jh.s wird im
Studium das Schwergewicht auf das österreichiche Recht gelegt. Vom 18. 9.
1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach
den napoleonischen Kriegen neu geordnet wird (Kräftegleichgewicht zwischen
Russland [mit Kongresspolen], Großbritannien [mehr Kolonien], Österreich
[Königreich Lombardo-Venetien, Sekundogenituren in Italien, Verzicht auf
westeuropäische Güter], Preußen [Teile Sachsens, Gebiete am Rhein] und Frankreich,
wichtige Grundsätze Restauration, monarchische Legitimität, Solidarität der
Fürsten bei Abwehr revolutionärer Bewegungen) →Deutscher Bund). Später
folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. 1857 wird die
Niederlegung der Stadtmauern Wiens beschlossen. 1920 wird Wien Bundeshauptstadt
der Bundesrepublik Österreich. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich
an, von dem es sich verselbständigt. 1934 wird es bundesunmittelbare Stadt,
1939 Reichsgau W., 1945 wieder Bundesland und Bundeshauptstadt, die bis 1955
von allen vier Alliierten besetzt wird. Am 22. 5. 1969 wird in Wien von deiner
Konferenz der Vereinten Nationen das (Wiener) Übereinkommen über das Recht der
völkerrechtlichen Verträge angenommen. 1980 wird W. ein Sitz der Vereinten
Nationen, 1995 Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150,
769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der
Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener
Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt
Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt
Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten
Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v.
Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des
Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.); Quellen zur Geschichte der
Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die
Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts
in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die
allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916;
Luntz, I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O.,
Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10,
1916, 19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463,
1919; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen
der Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts,
1931; Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgabe für Hans Voltelini, 1932,
7; Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in
Wien, Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935);
Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht
des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker, W., Wien
und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Die Matrikel der
Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff.; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer Sammelhandschrift des
Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur Geschichte der
Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg. v. Dyroff, H.,
1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im spätmittelalterlichen Wien, 1970
(SB Wien); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das
Steueramt der Stadt Wien 1526-1760, 1971; Brauneder, W., Die Geltung
obrigkeitlichen Privatrechts im spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975),
195; Csendes, P., Wien in den Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A.,
Die Lehrer der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss.
geisteswiss. Wien 1980; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v.
Demelius, H., 1980; Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen
Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das
Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes, P., 1987; Die Wiener Stadtbücher,
Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u. a., 1989ff.; Csendes, P.,
Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992;
Ogris, W., Vom Galgenberg zum Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre
Wirtschaftsuniversität Wien, red. v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener
Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v. Csendes, P. u. a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F.,
Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy, K., Das Werden Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch
und Wirklichkeit – Die Anfänge der Universität Wien, MIÖG 113 (2005), 63; Der
Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652-1800). hg. v. Pangerl. I.
u. a., 2007; Mühlberger, K., Palace of Knowledge, 2008; Die Universität Wien im
Konzert, hg. v. Mühlberger, K. u. a., 2010; ... daz si ein recht puech solten
haben .., hg. v. Opll, F., 2010 (zum Wiener Eisenbuch des 14.-19.
Jahrhunderts); Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff., hg. v.
Mühlberger, K., 6, 1, 7 1715-1745/46, 2011 (6764 Besucher); Die Matrikel der
Wiener rechtswissenschaftlichen Fakultät, hg. v. Mühlberger, K., Bd. 1
1402-1442; Schartner, I., Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der
Universität Wien im Ansturm des Nationalsozialismus, 2011; Holzschuh, I.,
Wiener Stadtplanung im Nationalsozialismus, 2011; Waldstätten, A., Staatliche
Gerichte in Wien seit Maria Theresia, 2012; Vertriebenes Recht - Vertreibendes
Recht, hg. v. Meissel, F. u. a., 2012; Schaukästen der Wissenschaft, hg. v.
Feigl, C., 2012; Denk, U., Alltasg zwischen Studieren und Betteln, 2013;
Haider, E., Wien 1914, 2013; Lackner, C., Möglichkeiten und Perspektiven
diplomatischer Forschung - Zum Privileg Herzog Albrechts III. für die
Universität Wien vom Jahre 1384, 2013; Stauber, R., Der Wiener Kongress, 2014;
Benesch, M., Die Wiener Christlichsoziale Partei, 2014
Wiesentheid
Lit.: Domarus, M., Territorium
Wiesentheid, 1956
Wigle van →Aytta
wik (M.) Dorf,
Siedlung, →Weichbild
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS;
Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik
und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121
Wikinger ist
der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter
(793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001
Amerika. Als →Normannen dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl
auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung
auf.
Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935;
Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G.,
The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer,
R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger,
2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die Wikinger,
2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005; Bauduin, P., Le monde franc et les
Vikings, 2009; Seaver, K., Mit Kurs auf Thule, 2011; Findeisen, J., Vinland,
2011
Wilda,
Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8. 1800-Kiel 9. 8. 1856),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Hugo, Eichhorn) und
Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum Christentum (1825)
Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor in Halle, 1842
ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke
betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das Strafrecht der Germanen
(1842) (bis zum Frühmittelalter).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft,
1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern,
B., Georg Beseler, 1982
Wildbann (M.)
Jagdregal
Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952),
301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001
Wilderei ist
die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt
im Frühmittelalter meist die Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter
wird eine peinliche Strafe üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr
streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall
des Diebstahls, bis 1871 die W. wieder verselbständigt wird.
Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur.
Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U.,
Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im
Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht,
Wilderei und gute Policey, 2007
Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder
bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In
der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus.
Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock
1898
Wilhelm →Ockham
Wilhelmus de Cabriano (bei Brescia) († 1201 als
Erzbischof von Ravenna, Casus Codicis, Vorlesungsnachschrift wahrscheinlich
auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jh.s)
Lit.: Lit.: Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 204; Wallinga, T., The Casus Codicis of
Wilhelmus de Cabriano, 2005
Wille (Wort bereits für das
Germanische zu erschließen) ist die
Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden. Der
W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zum Ausdruck. Bei dessen
Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform abgestellt, teils auch auf
den ihr zugrundeliegenden Willen.
Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die
Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Babusiaux, U., Id quod actum est. Zur Ermittlung
des Parteiwillens im klassischen römischen Zivilprozess, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Willebrief ist
seit dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des
Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche
Willebriefe, DA 23 (1967), 171
Willenserklärung (Wort 1701) ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete
Äußerung (lat. declaratio [F.], Erklärung) des →Willens (lat. voluntatis,
z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft
vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 17.
oder 18. Jh. (Thomasius 1688, Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits
Connan, 1508-1551, Erstbeleg 1701/1705?). Die W. kann einen →Willensmangel
enthalten.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der
Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010¸;
Thomale, C., Leistung als Freiheit, 2012
Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die
Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der
menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die
Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht
eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein
rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.
Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970;
Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009
Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung betreffende
Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische Recht (z.
B. →Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten Neuzeit
statt.
Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte,
Bd. 1f. 1985ff.
Willkür ist
die freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den
Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter
das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der
Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M.,
Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529; Recht und Willkür,
hg. v. Starck, C., 2012
Wilna (Vilnius)
Lit.:
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007
Wilten
Lit.: Wilten, 1924
Wimpfen
Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung
des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961; Laufs, A., Das Wimpfener Rechtsbuch,
ZRG GA 89 (1972), 175
Windscheid,
Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher Professor in
Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852), München
(1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges
Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit
so vorbildlich zusammenfasst, dass der Text bis 1900 das fehlende deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung
eines Bürgerlichen Gesetzbuchs beeinflusst er den ersten Entwurf erheblich.
Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter
wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989;
Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902;
¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/WindscheidBPandenktenrecht1-1862.pdf
Windsheim
Lit.:
Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928;
Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963;
Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt
Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974
Winterthur
Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953
Wippe (F.)
Gerät zum Fallenlassen eines Täters in eine Flüssigkeit
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Wippen (N.)
Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen
Wirtschaft ist
die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur planvollen Deckung des
menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher
Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter (Zähmung des Auerochsen im
silbernen Halbmond um 8000 v. Chr.) und Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung
entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen W. die Plantagenwirtschaft,
wobei allgemein eine auffällige Produktivitätssteigerung samt
Einkommenserhöhung im 1. und 2. Jh. n. Chr. Statt findet. Von diesen römischen
Verhältnissen wird wohl die frühmittelalterliche →Grundherrschaft
beeinflusst. In ihr gewinnt das →Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung.
Bereits in den letzten Jahrzehnten des 8. Jh.s könnte ein neuer Aufschwung
eingesetzt haben. Über den Markt entsteht im 11. Jh. →die Stadt als der
Mittelpunkt von Gewerbe und Handel. Tauschmittel wird das →Geld. Bereits
am Beginn der frühen Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach
wendet sich der Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und
versucht im →Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In
Auseinandersetzung mit dem →Physiokratismus wird vor allem von Adam
Smith der →Liberalismus entwickelt, der die Erwerbstätigkeit des
Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Etwa zu dieser Zeit tritt in
Teilen Europas ein überdurchschnittliches Wachstum der Wirtschaft ein. Im 19.
Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem sich in Richtung auf Industrie
verändernden Wirtschaftssektor Gewerbe zu, im 20. Jh. dem Wirtschaftssektor
Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast völlig zurück. Die
Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als Volkswirtschaft
wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des Verkehrswesens,
der internationalen Kapitalmobilität und der Massenmigration die Verflechtung
der einzelstaatlichen Wirtschaften zur Weltwirtchaft ein. In der Auseinandersetzung
zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält die Marktwirtschaft in der
zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Oberhand.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173,
217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511;
Below, G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige
Kriegswirtschaft, 1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen
Spätmittelalters, 1930; Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und
Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F.,
Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979;
Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb,
1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning,
F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die
Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der
deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der
deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche
Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der
griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften,
1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000;
Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches
(1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, M., Origins of the European
Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25
(2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004;
Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004;
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktarut, hg. v.
Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279
(2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter, R., Geschichte der
Weltwirtschaft, 2005; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006;
Fellmeth, U., Pecunia non olet, 2008; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der
Wirtschaft, 2008; Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2010; Ruffing,
K., Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike, 2012;Vries, P., Ursprünge
des modernen Wirtschaftswachstums, 2013
Wirtschaftsgemeinschaft →Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Wirtschaftsgeschichte ist der die →Wirtschaft betreffende Teil der
Geschichte.
Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische
Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts-
und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der
Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale
Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme
der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in
Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen
Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich
1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer
Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte,
1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven, 1930, Neudruck 1962;
Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930;
Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H., Wirtschaftsgeschichte
Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche Wirtschaft im Alltag, ZRG GA
65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1966;
Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1976;
Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer,
W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W., Wirtschaftsgeschichte der
Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Cipolla u. a.,
1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas,
1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, 6. unv. A. 1988;
Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989;
Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F.,
Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.;
Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die
Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius,
G. u. a., 1996, 2. A. 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz,
H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen
wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche
Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen
Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P.,
Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20.
Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v.
Schulz, G. u. a., 2003; Devroey, J., Économie rurale et société dans l’Europe
franque, 2001; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945,
2004; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004; Wischermann,
C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold, B.,
Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A., Genuss im
kulturellen Wandel, 2004; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a.,
2006; The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, hg. v. Scheidel,
W. u. a., 2007; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe, 2009; Niemann, H.,
Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2009; Mieck, I., Kleine Wirtschaftsgeschichte
der neuen Bundesländer, 2009; Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte
10.-19. Jahrhundert, 2010; Howell, M., Commerce before Capitalism in Europe
1300-1600, 2010; Scholtyseck, J., Der Aufstieg der Quandts, 2011
Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit
dem 20. Jh. deutlich zunimmt.
Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H.,
Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993
Wirtschaftsprüfung ist die Prüfung von Unternehmen bezüglich der Zuverlässigkeit
der Rechnungsführung. Sie entsteht als Folge der Industrialisierung zuerst in
Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika zum Schutz der
Eigenkapitalseigner und erst später in Deutschland zum Schutz der Fremdkapitalgläubiger.
Im Deutschen Reich wird sie nach Aufdeckung betrügerischer Handlungen von
Unternehmensleitern 1931 durch eine Notverordnung eingeführt.
Lit.: Weyershaus, H., Wirtschaftsprüfung in Deutschland und
erster europäischer Zusammenschluss (1931-1961), 2012
Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden
Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der
hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die
Landesherren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20.
Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem
wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge
zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht
im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Pleyer, K./Lieser,
J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das
Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, (in) Recht, Rechtsphilosophie und
Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983;
Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988;
Nörr, K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten
Wirtschaft, ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff
und Inhalt des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer
Republik, 2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in
Deutschland, 2002; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121
(2004), 471; Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der
Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L.,
Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Wirtschaftssteuerung
durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Die andere
Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v. Bender, G. u. a., 2006; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Beiträge zur Geschichte des
Wirtschaftsrechts, hg. v. Baums, T. u.
a., 2012
Wismar ist
der 1229 erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der
Ostsee. W. hat lübisches Recht. Aus ihm sind zahlreiche Bürgersprachen
(Statuten) überliefert. Von 1653 bis 1715 wird es Sitz des schwedischen
Tribunals für die neu erworbenen Herzogtümer Bremen und Verden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die
Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der
Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und
Altertumskunde 99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v.
Knabe, L., 1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806),
2004; Akten des schwedischen Tribunals zu Wismar im niedersächsischen
Landesarchiv 1653-1715, bearb. v. Fiedler, B., 2012
Wissen ist
die gespeicherte Erfahrung (des Menschen).
Lit.:
Burke, P., A Social History of Knowledge, Bd. 1f. 2000ff.
Wissenschaft ist die mit einleuchtend erscheinenden Gründen versehene Sammlung
menschlichen Wissens. Die Anfänge der W. liegen in der griechischen Philosophie
(Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte Wandel der W. vom ausgehenden 16.
Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem durch die genauere Beobachtung
der Natur und durch Sachverhalte prüfende und danach Gesetze ableitende
Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft W. ist, ist streitig.
Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions,
1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v.
Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v.
Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106;
Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissenschaftlichen
Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A.
2003; Hammerstein, N., Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17.
Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004;
Early Modern Science, hg. v. Park, K. u. a., 2006; Lindner, J., Die
Europäisierung des Wissenschaftsrechts, 2009; Mekkas der Moderne, hg. v.
Schmundt, H. u. a., 2010; I saperi nelle corti. Knowledge at the Courts, 2008;
Kernforschung in Österreich, hg. v. Fengler, S., 2012
Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter
Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft,
1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B.,
Wissenschaftsfreiheit, 1993; Kempny, S., Zur Entstehung des Grundrechts auf
Wissenschaftsfreiheit, ZRG GA 130 (2013), 423
Witte, Karl
(Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in Halle. Auf seinen Hinweis
entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der Institutionen des →Gaius.
Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819
Wittelsbach bei
Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180
Herzöge von Bayern werden und 1214 die Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurfürstentum)
erlangen (1329 Teilung in Linien Bayern und Pfalz, König bzw. Kaiser Ludwig der
Bayer 1314-1347, König Ruprecht von der Pfalz 1400-1410, Kaiser Karl VII.
Albrecht 1742-1745, Nebenlinie in Schweden 1654-1720, 1777 Beerbung der Linie
Bayern durch die Linie Pfalz, Nebenlinie in Griechenland 1832-1862). 1918
danken die Wittelsbacher als Könige Bayerns (einschließlich der Pfalz) im
Deutschen Reich ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und
Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M.,
Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005;
Menzel, M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und
Holland, DA 61 (2005), 103; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007
Wittenberg an
der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst
askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). →Luther
Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des
Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit
der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre
Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische
Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die
Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u.
a., 2006; Reichelt, S., Der Erlebnisraum Lutherstadt Wittenberg, 2013
Wittenwiler,
Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der 1395 als Advokat und Notar bezeichnete
Hinterthurgauer Landadlige, der vielleicht zur Zeit des Konzils von Konstanz
(1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen
rechtlichen Bezügen verfasst.
Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers
Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v.
Boesch, B., 1970
Wittgenstein an
der oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines Grafengeschlechts. Für W. wird
1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon;
Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das
Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v.
Krämer, F., Bd. 1f. 1965
Wittum ist
seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und
später an die Braut im Zuge der Eheschließung (meist als bloße Anwartschaft).
Das W. dient der Vorsorge für den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes.
Es steht ohne klare Trennung neben der Morgengabe und bedeutet sachlich meist
nur ein Gebrauchsrecht der Witwe am Wittumsgut.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts,
1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und
spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte
Ehe, 1978
Witwe ist
der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemanns. Meist geht die Personalgewalt
auf die Verwandten des Mannes über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird
von der christlichen Spätantike (Hieronymus) aber abgelehnt, so dass
gelegentlich die W. als eigentliche Gründerfigur des Mittelalters angesehen
wird.
Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die
Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung,
1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Jussen, B., Der
Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows in Denmark 1500-1900,
Scand. J. History 29, 209; Alamichel, M., Widows in Anglo-Saxon and Medieval Britain,
2008
Witzenhausen
Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt
Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der
Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das
Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, (in) Beiträge zur
Geschichte der Werralandschaft 4, 1937
Woche ist
die aus sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit.
Sie findet sich auch im Judentum und danach im Christentum. In jeder W. ist der
(Sabbat bzw.) Sonntag Feiertag. An einem bestimmten Wochentag findet der
Wochenmarkt statt.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980
Wohlerworben
Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das
wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103
(1986), 104
Wohlfahrt ist
der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die
allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend
um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Vielleicht ist dabei
frühneuzeitliche Wohlfahrtsstaatlichkeit eine notwendige, aber nicht ausreichende
Form des Strebens nach Souveränität. Am Ende des 18. Jh.s kämpft der
Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit
an. 1882 spricht das preußische Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine
Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege ab.
Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS
A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von
Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955;
Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere
deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des
Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat,
1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann,
F., Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003; Süßmann, J., Die Wurzeln des
Wohlfahrtsstaats, HZ 285 (2007), 19
Wohlhaupter,
Eugen (Unterwiesenbach/Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein 23.
12. 1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München
(Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie
1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in
Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.
Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987
Wohnrecht ist das beschränkte dingliche Recht auf Nutzung einer Wohnung. Es ist
bei Justinian (527-565) als (lat. [F.]) habitatio (Wohnung) bezeugt. Auch das
mittelalterliche deutsche Recht kennt Wohnungsberechtigungen. Bei der Aufnahme
des römischen Rechtes wird die habitatio eher abgelehnt. Danach wird das W. als
Personalservitut etwa in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs
(1811/1812) aufgenommen.
Wohnsitz (1614) ist der örtliche Schwerpunkt
der Lebensbeziehungen eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt,
wird aber erst seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird
seine Begründung und Veränderung formalisiert.
Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der
Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im
kanonischen Recht, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Wohnung ist
das meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete Besitztum eines oder
mehrerer Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht
findet sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch →Miete
erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In
der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt
(Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die im
öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. Im 20. Jh. wird
zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft
unterstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Gentz, M., Die
Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968, Neudruck 2013: Feldbauer, P.,
Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und Füchtings
Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984;
Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985;
Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K., Zwischen
den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur
Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd.
1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999; Fuhrmann, B. u. a.,
Geschichte des Wohnens, 2007
Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer →Wohnung in
Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden
Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren →Stockwerkseigentums im
Gegensatz zu dem römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit
(die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s (Österreich 1948,
Derutschland 1951, Schweiz 1963/1965) aus sozialrechtlichen Überlegungen
zugelassen, so dass in Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der
(Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.
Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG
GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994
Wo kein Kläger, da kein Richter.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo iudex
sine actore)
Wolf
Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952
Wolf, Erik
(Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im Breisgau 13. 10. 1977) wird
nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in Frankfurt am Main und Jena
Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und Freiburg im Breisgau (1930).
Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker der deutschen Geistesgeschichte
(1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).
Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.;
Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33
Wolfenbüttel
Lit.: Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr
1574. Der Atlas des Gottfrie Mascop, hg. v. Ohainski, U. u. a., 2012
Wolff,
Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754), Gerberssohn, wird nach dem
1699 aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik, Physik, Philosophie und
Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz) Philosophielehrer in Leipzig (1703),
Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach Landesverweis unter Tötungsandrohung
wegen gefährlicher Gedanken) Professor für Mathematik und Philosophie in
Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich den Großen) Professor für
Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der
Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren freie und gleiche)
Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben, stellt er (vor allem
auch in 1713 beginnenden deutschsprachigen, dann seit 1728 in lateinischen
Veröffentlichungen sowie anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung
aus wenigen Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze
insgesamt auf (lat. Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit
dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen
Satz bis zu 300 Obersätze voraussetzt, die Ablösung des →Naturrechts als
in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten
Schüler sind Cramer, Ickstatt, Darjes und Nettelbladt.
Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S.,
Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian
Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und
Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs
Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des
Privatrechts, (in) Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209;
Christian Wolff und die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004;
Timme, M., Christian Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche
Methode bei Christian Wolff, 2004; Wolffiana II Christian Wolff und die
europäische Aufklärung, hg. v. Stolzenberg, J. u. a., 2007
Wolff,
Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953), Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher Professor, 1914 ordentlicher
Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin (1921), bis er 1934/1935 aus
seinem Amt entfernt wird und 1938 nach London auswandert. Sein 1910 erstmals
veröffentlichtes, bis 1932 (9. Auflage) in 37000 Exemplaren erschienenes Sachenrecht
gilt als eines der besten privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s.
Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543; Hansen, T.,
Martin Wolff (1872-1953), 2009
Wolhynien,
Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein
unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188 mit →Galizien
vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis
1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen werden mehrfach
verschleppt und umgesiedelt.
Wöllner, Johann
Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen
Departements. Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es
anerkennt den Grundsatz der religiösen →Toleranz und konfessionellen
Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen.
Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist.
Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen
Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975
Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht
verloren.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)
Wood,
Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703 Doctor of Civil Law und
1704 geistlicher Rektor von Hardwick in Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er
An Institute of the Laws of England. Beeinflusst von Domat versucht er eine
Ordnung und Systematisierung des →common law nach römischrechtlichen
Methoden. Seine Verbindung von römischem Recht und englischem Recht wirkt
fast während des gesamten 18. Jh.s prägend.
Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938,
418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two
Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991), 432
Wormeln (Kloster bei Warburg 1246-1810)
Lit.:
Urkunden des Klosters Wormeln, hg. v. Müller, H., 2009
Worms ist
die ursprünglich keltische Siedlung (Borbetomagus) am linken Ufer des mittleren
Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die
bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in der am 23. 9. 1122
nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit
bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499
erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer →Reformation.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms,
Speyer und Mainz, 1890; Koehne, C., Die Wormser Stadtrechtsreformation, 1897;
Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J.
u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des Hochstifts Worms,
Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche
Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte,
1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; ¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ReformationderStattWorms-DerStattWormbsReformacion.pdf; Die ältesten
Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees, I. u. a., 2006;
Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v.
Mahlerwein, G. u. a., 2010 (1394 Nummern)
Wormser Konkordat
ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122, der den →Investiturstreit
vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring
und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu,
dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers
vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil
unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die weltlichen Rechte (Kirchengüter,
Regalien u. s. w.) (durch das Zepter) übertragen. Damit wird die Einheit von
geistlicher und weltlicher Herrschaft aufgegeben.
Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff,
H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia
regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196;
Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910),
137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und
Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung
des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser
Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KonkordatvonWorms1122.htm
Wort
Lit.: Wörter und Sachen im Lichte
der Bezeichnungsforschung, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1981; Baumgart, W.,
Wörterbuch historischer und politischer Begriffe des 19. und 20.
Jahrhunderts, 2010; Wort - Bild - Zeichen, hg. v. Speer, H., 2012
Writ ist im
englischen Recht das über eine Bitte an den königlichen Kanzler gegen Entgelt
zu erlangende Privileg des Königs, in dem er in lateinischer Sprache den Sheriff
der Grafschaft des Beklagten anweist, dem Beklagten z. B. zurückzugeben, was er
schuldet oder zum königlichen Gericht zu kommen und zu erklären, warum er es
nicht tut. Diese streng formalisierte verfahrensrechtliche Weisung ist
vielleicht über Kirche und Universität durch das römische Recht beeinflusst.
1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden. 1258 werden neue writs
verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen. Für Verträge
wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene Arten von writs
und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action aufgegeben. Die
Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den →inn of courts
zuverlässig erlernt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957;
Caenegem, R. van, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Wucher (Wort bereits für das Germanische zu erschließen, ahd. wuohhar, M.,
Ertrag) ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit,
des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines
anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen
Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen Missverhältnis
zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für
wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den Wegfall des kanonischen
→Zinsverbots und der neuzeitlichen Höchstzinssätze im Liberalismus wird
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen
(Österreich 28. 5. 1881 für Kreditgeschäfte, 12. 10. 1914 für alle
Rechtsgeschäfte, 1916 § 879 II Nr. 4 ABGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im
Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in
Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Pohlkamp, M.,
Die Entstehung des modernen Wucherrechts, 2009; Liebner, K., Wucher und Staat,
2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Was vom Wucher übrigbleibt, hg. v. Casper, M. u. a., 2013
Wülfinghausen
Lit.: Urkundenbuch des
Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.
Wunder (lat.
miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen
widersprechende erwünschte Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten,
unerwartetes Bestehen bedrohlicher Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen
anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand
parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei.
Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v.
Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen
Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002;
Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon
der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters,
hg. v. Herbers, K., 2005; Franz, L., Wahre Wunder, 2011; Credible Incredible -
The Miraculous in the Ancient Mediterranean, hg. v. Nicklas, T. u. q., 2013
Würde →Menschenwürde
Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991
Wurm,
Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach 1401), Schüler des
Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte Jurist, der an
verschiedenen sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z. B. an der
buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des Sachsenspiegels.
Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von
Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397).
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus
Wurm, 1990
Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von Friesen besiedelte Landschaft
an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der
Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.
Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973
Württemberg ist
die 1081/1092 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen,
welche die Landesherrschaft im östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1495
wird W. unter Eberhard V., der 1477 die Universität Tübingen gründet,
Herzogtum. 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes, vierteiliges →Landrecht
(Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das
unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. Am Beginn des 19.
Jh.s wird der Umfang des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500
Quadratkilometer erweitert. Am 25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine →Verfassung.
Nach dem revolutionären Umsturz im November 1918 werden am 26. 4. 1919 eine
vorläufige und am 25. 9. 1919 eine revidierte Verfassung beschlossen. 1951/1952
wird W. mit Baden zu Baden-Württemberg vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269;
Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die
Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation
in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württembergische Geschichte,
1909, 5. A. 1963; Württembegische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.;
Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.; Beschreibung des
Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg. v. kgl. Haus und
württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes, 1919; Knapp, T.,
Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und das württembergische
privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock, A., Die Entstehung
der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung des Oberamtes
Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die Revolution, 1931;
Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die Organisation und Verwaltung
von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg im Zeitalter Napoleons, 1937;
Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive
Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis
13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in Württemberg, 1938;
Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in
Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube, W., Der Stuttgarter
Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks, E.,
Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und
Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck, W., Geschichte
der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich Württemberg im Spiegel
der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die
Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Bernhardt, W., Die
Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, 1973;
Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag,
1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte von
Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner,
W., Ebingen, 1986; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen
Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier,
H., Handbuch der baden-würt_tembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Haug-Moritz,
G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher Dualismus, 1992; Gotthard,
A., Konfession und Staatsräson, 1992; Molitor, S., 1495 - Württemberg wird
Herzogtum, 1995; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und
rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten zur
Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F.,
Biographisches Handbuch der württtembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933,
2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der
Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer, B., Ich bleibe nicht
mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine Geschichte des
Königreichs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische Hof im 15.
Jahrhundert, hg. v. Rückert, P., 2006; Kümmerle, J., Luthertum, humanistische
Bildung und württembergischer Territorialstaat. 2008; Die Aufnahmeprivilegien
für französisch-reformierte Glaubensmigranten im Herzogtum Württemberg,
bearb. v. Schätz, H., 2009; Brüser, J., Herzog Karl Alexander von Württemberg
und die Landschaft (1733 bis 1737), 2010; Die Protokolle der Regierung des
Volksstaates Württemberg, Bd. 1 bearb. v. Baumann, A., 2013; Erdmann, T. v.,
Die Verfassung Württembergs von 1919, 2013
Wurtzins (M.)
Hausstättenzins
Wurzach
Lit.: Vogel, A., Die
Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss.
jur. Tübingen 1958
Würzburg am
Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen
Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995
und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte
Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000
Einwohner. Das Würzburger Landgericht will für das Herzogtum →Franken
zuständig sein.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Knapp, H., Die Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze,
hg. v. Hoffmann, H., 1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus
Franconiae, 1956; Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts
Würzburg (1172-1413), bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell
Würzburg um 1500, 1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum
Würzburg, 1969; Schubert, E., Materielle und organisatorische Grundlagen der
Würzburger Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter,
1977; Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978;
Fries, L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a.,
Bd. 1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der
Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte der
Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1ff. 2001ff.; Raum und Recht –
Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a.,
2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003; Sprandel, R., Das Würzburger
Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts, 2003; Müller, K., Die Würzburger
Judengemeinde im Mittelalter, 2004; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die juristische
Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005; Die Lebensbeschreibungen
Bischof Burchards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005; Das
Benediktinerkloster St. Stephan in Würzburg, hg. v. Leng, R., 2006; Süßmann,
J., Vergemeinschaftung durch Bauen, 2007; Christoforatou, E., Zwischen
geistlicher Herrschaft und Eigenverantwortung, 2010
Wüstung ist
die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch
als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der
Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG
GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung,
ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer,
H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A. 1976;
Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967
X
Xanten
Lit.: Urkundenbuch des Stiftes
Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935; Hawicks, H., Xanten im späten
Mittelalter, 2006; Das St. Viktor-Stift
Xanten, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2012
Xiphilinos,
Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer
einer Rechtsschule und kommentiert das in den →Basiliken überlieferte
römische Recht.
Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen
Rechtsbüchern, 1986, 29, 40
Y
Year book ist
die Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des →englischen
Rechtes von jungen Anwälten in →Law French aufgenommen sind (reports, von
1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz lateinische records).
Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.;
Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Z
Zabarella,
Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach dem Studium des
Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof
von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der
Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.
Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79
(1993), 232
Zachariä (1842
von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843),
Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie und des Rechtes
in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808
veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen
Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das
aufgeklärte „Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo
Zachariaes, 1996
Zachariae,
Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4.
1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler und Staatsrechtler in Göttingen
(Grundlinien des gemeinen deutschen Kriminalprozesses, 1837).
Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D., Heinrich
Albert Zachariae, 1985
Zagreb (Agram)
an der oberen Save geht auf antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines
Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung
Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z. an →Österreich. 1669
erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt →Kroatiens.
Lit.: Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum
Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1967;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007
Zahl ist
die Umstände nach ihrer Menge fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittelalterliche
Zahlenangaben sind wohl grundsätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben
sind Übertreibungen anzunehmen.
Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A.
1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der
Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bentley, P., Das Buch der
Zahlen, 2008; Kosmos und Zahl, hg. v. Hecht, H. u. a., 2008
Zahlung (Wort 1470, Zahlungsbefehl 1809, Zahlungsort 1766, Zahlungsstatt 1645,
Zahlungstermin 1646, Zahlungsunfähigkeit 1766) ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst
durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bargeldlos.
Lit.: Meder, S., Die bargeldlose
Zahlung, 1996; Denzel, M., Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs,
2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Linardatos, D., Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2013
Zähringen bei
Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer alemannischen Familie,
die 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch
viele Stadtgründungen (z. B. →Freiburg im Breisgau, →Bern)
gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem Aussterben 1218 an verschiedene
Nachfolger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der
Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer,
1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v.
Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004
Zar (M.)
ist der nach lat. Caesar gebildete slawische Herrschertitel (Russland
1547-1917, Bulgarien 1908-1946). →Kaiser
Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995;
Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001
Zalaszowski,
Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom und Deutschland
Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.)
regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen).
Lit.: Malinowska, I., Mikolaj
Zalaszowski, 1960
Zasius (Zäsy),
Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach
dem Rechtsstudium in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber
in Freiburg, wo er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in
Frankreich gegen die herkömmliche italienische Art (lat. →mos [M.]
Italicus) entwickelten humanistisch-philologischen Neuansätze (→Alciat,
lat. →mos [M.] Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich
beeinflussten Stadtrecht (Reformation) →Freiburgs wirkt er maßgeblich
mit. Er ist der erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.
Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius,
1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Familienstatut der von
Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius
und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956;
Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer);
Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus
Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und
Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder,
K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97
Zauber ist
die Zuhilfenahme von nichtmenschlichen geistigen Kräften zur Verwirklichung
menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der Vorgeschichte an. Die
christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von Z. und Zauberei und
verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit Was Z. bewirkt, ist ungewiss. →Hexen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn,
1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S.,
Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C.,
1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A.
1999, 4. A. 2004; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J.,
Homines magici, 1995; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und
Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse
in Kursachsen, 2003
Zauberei →Zauber
Zaudengericht
Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das
Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935
Zaun
Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht
zwischen Gemeinweiden und Kulturland, ZRG GA 29 (1928), 336
zehn Gebote →Dekalog
Zehnt (Wort um 1120 belegt) ist der bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von
der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf
biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrags. Er wird
von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr des
Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des Kirchenguts
erneuert. Im 13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im
Gefolge der französischen Revolution durch die →Kirchensteuer ersetzt
(Preußen 20. 6. 1875).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U.,
Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la
dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites
zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267;
Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern,
1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R.,
Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die
Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der
Tempelzehnt in Baylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des
Bistums Konstanz, 2001; La dîme dans l’Europe médiévale et moderne, hg. v. v.
Viader, R., 2010
Zeichen →Marke,
Warenzeichen
Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992;
Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Zeil
Lit.: Inventar des Archivs
Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh, R., Das Hausrecht der
Reichserbtruchsessen Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.
Zeiller,
Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem
Studium der Philosophie in Graz und des Rechtes in Wien (Martini) Hauslehrer
Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in
Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet
das westgalizische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Jahres 1803.
Sein 1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von
ihm umgestalteten Stoff des späteren →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1811/1812, Kommentar 1811/1813). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt
die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe)
zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. 1813 wird Z. geadelt.
Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E.,
Franz von Zeiller, 1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u.
a., 1980; Franz von Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003
Zeit
Lit.: Engammare, M., L’ordre du
temps, 2004; Holford-Strevens, L., Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des
Kalenders, übers. v. Rochow, C., 2008
Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte.
In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans
Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit
etwa 1970 wird unter notwendiger Vernachlässigung der allgemeinen
Rechtsgeschichte auch eine juristische Z. angestrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D.,
Juristische Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?,
hg. v. Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum
Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J.,
Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein
Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte,
1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999;
Institut für juristische Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v. Vormbaum,
T., 1999ff.; Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999;
Themen juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999;
Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp,
B., Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M.,
Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht –
Gestern und heute, 2002 (Juristische Zeitgeschichte); Einführung in die
Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der
Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G., Einführung in das Studium der
Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der österreichischen
Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte
als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das
Studium der Zeitgeschichte, 2004; Senn, M./Gschwend, L., Juristische
Zeitgeschichte 2. A. 2004, 3. A. 2010; Auf dem Weg in eine neue Moderne?, hg.
v. Raithel, T. u. a., 2009; Möller, H. u. a., 60 Jahre Institut für
Zeitgeschichte, 2009; Neueste Zeit Oldenbourg Geschichte Lehrbuch hg. v.
Wirsching, A., 2009.; Fröhlich, M., Zeitgeschichte, 2009; Österreichischer
Zeitgeschichtetag, hg. v. Böhler, I. u. a., 2010; Epos Zeitgeschichte, hg. v.
Hürter, J. u. a., 2010; Zeitgeschichte ausstellen in Österreich, hg. v. Rupnow,
D. u. a., 2011;
D’Aprile, I., Die Erfindung der Zeitgeschichte, 2013
Zeitschrift ist die im Verlauf der Zeit in
Abständen erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser.
Sie entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Zeitungen vor der →Zeitung werden von
der Familie Fugger seit 1568 gesammelt. Juristische, zunächst noch buchähnliche
Zeitschriften werden im Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert
herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas im 19. Jahrhundert,
wobei teilweise die Wissenschaft im Vordergrund steht, teilweise aber auch die
Praxis einbezogen wird. Erfolgreichste deutschsprachige juristische Zeitschrift
ist wohl die 1947 vom Verlag C. H. Beck begründete Neue Juristische Wochenschrift.
Lit.: Juristische Zeitschriften,
hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v.
Simon, T. u. a., 2006; Weber, H., Juristische Zeitschriften des Verlags C. H.
Beck, 2007; Das Medium Wissenschaftszeitschrift seit dem 19. Jahrhundert, hg.
v. Stöckel, S. u. a., 2009; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011
Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und
anderen für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen
(germanistischeren) Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende,
Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische Abteilung
und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um
eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche
Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift“). Seit
2011 erscheinen weiter eine digitale Zeitschrift integrativer europäischer
Rechtsgeschichte (ZIER) und eine besondere Zeitschrift für österreichische
Rechtsgeschichte sowie seit 2012 unter dem Namen Rechtskultur eine dreisprachig
geöffnete Zeitschrift für europäische Rechtsgeschichte.
Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für
Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands
berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1
Zeitung ist das regelmäßig erscheinende,
über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Ab 1568 werden in Augsburg handschriftliche
Nachrichten jeder Art aus Europa gesammelt (so genannte Fuggerzeitungen, mehr
als 16200 Nachrichten bis 1605). Die älteste in Deutschland erschienene und
erhaltene Z. ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen (aus Wolfenbüttel, zweitälteste
Z. der Welt). Seit 1650 gibt es Tageszeitungen. Die älteste, noch erscheinende
Z. der Welt ist die schwedische Post- och Innikes Tidningar (1645), die älteste
noch erscheinende Z. Deutschlands die Hildesheimer Allgemeine Zeitung (1705),
die älteste, noch erscheinende deutschsprachige Z. die Wiener Zeitung
Lit.: Baumert, D., Die Entstehung
des deutschen Journalismus, Diss. phil. Berlin 1928, Neudruck 2013; Breil, M., Die
Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v.
Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S.,
Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in
Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u.
a., 2006; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung,
2011
Zensor ist
der altrömische Amtsträger (2 Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf
fünf Jahre gewählt wird und wohl seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die
Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist.
Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; El Beheiri, N., Das
regimen morum der Zensoren, 2012
Zensualität ist die durch Leistung von Zins (Kopfzins, Heiratsabgabe,
Sterbeabgabe) gekennzeichnete gesellschaftliche Stellung im Mittelalter (779
Kapitular von Herstal, urkundlich ab etwa 800, vor allem bei Tipuarieren,
Alemannen und Bayern).
Lit.:
Esders, S., Die Formierung der Zensualität, 2010
Zensur ist
die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten, insbesondere über die
Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Bereits dem ausgehenden Altertum
(ab 4. Jh. n. Chr.) ist die Z. in der Kirche bekannt. 1184 führt Papst Lucius
III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie wird nach der Erfindung des
Buchdrucks wegen der damit verbundenen Gefahren 1487 durch Papst Innozenz
VIII. in die Vorzensur umgewandelt. Von 1559/1564 bis 1967 führt die
katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum prohibitorum (Anzeiger
verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jh. die neuzeitlichen Landesherren
(z. B. Maria Theresia für Österreich 1748, 1749, 1752, 1778 überwog in
Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der erlaubten Bücher), bis
im 19. Jh. der Liberalismus grundsätzlich die →Pressefreiheit erreicht
(in Österreich aber Vorzensur bis 1848, 1852-1862, 1914-1918, 1933-1939, [nicht
verbotene] Nachzensur bis 1981).
Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss.
jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R.,
Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg,
Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977;
Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich ...“, hg. v.
Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt.
Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur
Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon
155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von
Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36;
Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche
Grundlagen bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im
Baden des Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum,
2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918,
2004; Bianchin, L., Dove non arriva la legge, 2005
Zensus (M.)
Steuerleistung (z. B. 594 v. Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines
gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts] im 19. Jh. [Großbritannien bis 1867,
Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw. vom Kremsierer Entwurf 1849
[Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der Bevölkerung, 1882 durch
Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform gemildert]
bis 1907 [Becksche Wahlrechtsreform])
Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e
il voto, 1993; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2009
Zent (zu
lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft und Bedeutung streitige
Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des Mittelalters.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts
Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen
und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der
Landgemeinde, 1964
Zentenar
Lit.: Glitsch, H., Der
alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917
Zentgericht ist
das die →Zent betreffende Gericht.
Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach,
ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002; Schultheiß,
S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007
Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde
der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum,
1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press,
V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden
des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und
Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen
Reiches, 1982
Zentralismus
Lit.: Centralismo e federalismo
tra otto(cento) e novecento, hg. v. Janz, O. u. a., 1997
Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission des →Deutschen
Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe.
Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission,
1970
Zentrumspartei (bzw. Zentrum) ist im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen
Katholizismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte,
Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck
1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen
Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der
Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, HZ 285 (2007) 49
Zepter (N.)
(Szepter) Herrscherstab
Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt,
C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992
Zerreißen ist
eine Form der →Todesstrafe (14.-18. Jh.).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922,
131
Zerrüttung ist
die Zerstörung durch Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen
Lebensgemeinschaft, die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich
durch Gesetz vom 20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren
Verschuldensgrundsatzes zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird
(in Österreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H.,
Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008
Zession (F.,
Wort 1499 in Worms belegt) (Schreiten,) Abtretung (einer Forderung)
Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen
Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig,
K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg.
v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur.
Bochum 2000; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im Codex Theresianus,
(in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der
Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre, 2011; Lammeyer, P., Konflikt
zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil, 2012
Zeuge (lat.
[M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat,
aussagen soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von
Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden
groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen
(zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst
oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint
die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler,
WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die
Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser
Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971;
Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222; Subjektivierung
des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994; Bogisch,
M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des Hofes,
1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln
zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice, 2003; Bähr,
M., Die Sprache der Zeugen, 2012
Zeumer,
Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem
Studium der deutschen Sprache und Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin
Herausgeber wichtiger, vor allem rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher
Professor in Berlin).
Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl
Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35
(1914), 646
Ziegenhain
Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft
Ziegenhain, 1934
Zigeuner ist
die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung Roma (Männer, Menschen)
oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien
ausgewanderten bzw. von Arabern verschleppten, seit dem 15. Jh. im Heiligen
römischen Reich (1399 Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden
indogermanischen Volkes. Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch
(Fehlen eines festen Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach
1871 des Deutschen Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher
Überwachung und Erfassung unterstellt. Im →Nationalsozialismus wird der
Z. ohne totale Tötungsabsicht verfolgt. In der Gegenwart leben
schätzungsweise 80000-120000 Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im
Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann,
J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der
Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996;
Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort
Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten
Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M.,
Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das
Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914,
2002; Fremde Arme – arme Fremde, hg. v. Patrut, I. u. a. 2007; Zwischen
Erziehung und Vernichtung, hg. v. Zimmermann, M., 2007; Zigeuner und Nation,
hg. v. Uerlings, H. u. a., 2008; Kallenberg, V., Von liederlichen Land-Läuffern
zum asiatischen Volk, 2010; Bogdal, K., Europa erfindet die Zigeuner, 2011;
Zigeunerverfolgung im Rheinland, hg. v. Frings, K. u. a., 2012
Zimbrisch ist die Bezeichnung für in Oberitalien seit dem Mittelalter bestehende,
in der Gegenwart fast ausgestorbene deutsche Dialekte.
Lit.:
Schweizer, B., Zimbrische Gesamtgrammatik, 2008; Bidese, E., Das Zimbrische von
Giazza, 2012 (Ljetzan); Kolmer, A., Pronomen und Pronominalklitika im Cimbro, 2012
Zins (Wort um 1100 belegt,
Lehnwort aus lat. census, lat. [F.] usura) ist die bereits
dem römischen Recht bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals (um 50
v. Chr. Höchstzinssatz von 12 Prozent) grundsätzlich durch Vereinbarung (anders
bei Verzug), im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft
in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Ist der Z. wirtschaftlich
bedeutungslos, dient er der bloßen Anerkennung eines Rechtsverhältnisses etwa
bezüglich eines Grundstücks (Anerkennungszins, Rekognitionszins). Das
kanonische →Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit
1530 wird im Heiligen römischen Reich der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804
(Code civil) bzw. 1848 setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das
Verbot des →Wuchers eine Schranke.
Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2;
Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins
im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in
Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von
Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig,
1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, (in) Das Grundeigentum
1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA
61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand,
O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo,
M., Historia jurídica del anatocismo, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Denjean, C., La loi du
lucre, 2011
Zinsverbot ist
das Verbot, einen →Zins für eine Leistung zu nehmen. Es wird in der
Kirche zuerst für Geistliche, seit dem 5. Jh. n. Chr. auch für Laien
entwickelt. Im Mittelalter verbietet die Kirche wegen Lukas 6,35 Christen grundsätzlich
das Nehmen von Zins für →Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte (z. B.
contractus mohatrae, Rentenkauf) entwickelt werden und im Übrigen das entgeltliche
Darlehensgeschäft von den →Juden (und Lombarden) durchgeführt wird. Seit
der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchstzinssätzen
(Heiliges römisches Reich 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den
Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses.
1983 gibt auch die katholische Kirche das W. auf. Auch der Islam kennt eine
ähnliche Einrichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F.,
Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische
Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum
kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und
Zinsverbot, FS H. Lange, 1992
Zips ist
die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370 erscheint das Landrecht der
Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s überliefert wird. Es
umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen, Handel, Verfahren,
Verwaltung).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992
Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet
Österreich-Ungarns.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher
Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme und dem
heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten benediktinischen
Reformordens. Wichtige deutsche Niederlassungen sind Kamp, Ebrach und
Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen im deutschen Sprachraum).
Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de
Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M., Die
Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u. a.,
1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A.
1999, 4. A. 2004; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser
zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998;
Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in
Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen,
hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000;
Zisterzienser, hg. v. Knefelkamp, U., 2001; Eberl, I. Die Zisterzienser, 2002;
Haarländer, S., Die Zisterzienser, 2006; Rüffer, J., Die Zisterzienser und ihre
Klöster, 2007; Norm und Realität, hg. v.
Felten, F. u. a., 2009; Zisterzienser im Norden, hg. v. Bärenfänger, R.,
2007; Oberste, J., Die Zisterzienser, 2014
Zitelmann,
Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in
Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem mit dem Privatrecht (→Willenserklärung,
→Irrtum).
Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen,
T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73
Zitiergesetz ist
(nach Gustav →Hugo) das 426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und
Valentinian III. erlassene Gesetz (Codex Theodosianus 1. 4. 3), das →Papinian,
→Paulus, →Ulpian, →Modestin und →Gaius als
maßgebliche Rechtskundige benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen
vorgetragenen Ansichten formale Entscheidungsregeln (Mehrheit, bei
Stimmengleichheit Papinian) für die Richtigkeit einer Lösung festlegt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler,
DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur
Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235
Zittau
Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg.
v. Prochno, J., 1939
zivil (Adj.) in Rom den römischen
Bürger betreffend, quiritisch, nichtmilitärisch, nichtkirchlich, nichtprätorisch,
nichtbonitarisch (z. B. Eigentum, bei dem bonitarisches, durch bloße
traditio einer res mancipi übertragenes Eigentum erst durch Ersitzung ziviles
Eigentum wird)
Zivilehe ist
die durch weltliche Formen (Abgabe der Willenserkärung vor einer nichtkirchlichen
Stelle) zustandekommende →Ehe der Neuzeit. Sie erscheint nach der
Reformation Martin Luthers (1517) bereits im 16. Jh. (1580) in den Niederlanden
als Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig unter Oliver
Cromwell sogar als einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird
sie durch Gesetz vom 20. 9. 1792 (und den Code civil von 1804), im Deutschen
Reich 1875 und in Österreich mit dem Ehegesetz von 1938 verwirklicht.
Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der
modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336;
Woopen, A., Die Zivilehe, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Giesen, D., Grundlagen und
Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der
Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und
Kirche, 1991; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der
fakultativen Zivilehe, 1998
Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein
Privatrechtsgesetzbuch (Schweiz 1907/1912, Deutsche Demokratische Republik
19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952], ohne Privatautonomie, ohne
besonderes Schuldrecht und ohne besonderes Sachenrecht, 1990 durch das
Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich wieder
aufgehoben). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1. 1. 1912 in Kraft
(Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Eine Zusammenstellung
der Veränderungen bietet http://www.admin.ch/ch/d/gg/cr/1907/19070042.html
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Marti, H., Wortregister
zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1922; Sontis, J., Das griechische
Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur Dokumentation,
Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische
Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965;
Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich.
Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches
Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung
des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen
Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im
deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte
des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999; ZGB gestern - heute - morgen, hg. v.
Girsberger, D. u. a., 2007; Materialien zum Zivilgesetzbuch, hg. v. Hurni, C.
u. a., Bd. 1f. 2008f.
Zivilisation (F.) ist die Schaffung günstigerer Lebensbedingungen für den Menschen
durch Anwendung von Einsicht bzw. Wissenschaft und Technik durch den Menschen.
Sie entfremdet den Menschen seiner natürlichen Herkunft und Verhaltensweise.
Das Ausmaß der Z. nimmt insbesondere seit der Sesshaftwerdung des Menschen vor
rund 10000 Jahren (z. B. in
Mesopotamien und Ägypten über längere Zeiträume) stark zu (z. B. Vorratshaltung,
Hygiene, Religion, Schrift, Geld, Buchdruck, industrielle
Revolution, Strom, Telefon, Automobil, Flugzeug, Digitalisierung).
Lit.: Frankfort, H., The Birth of
Civilization in the Near East, 1951; Rifkin, J., Die empathische Zivilisation, 2010; Wengrow, D., What Makes
Civilization?, 2010
Zivilliste (F.)
Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England 1689)
Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f.
3. A. 1883f.
Zivilprozess (Zivilverfahren)
ist das öffentliche Gerichtsverfahren (Prozess) zwischen einem Kläger und
einem Beklagten in privaten (zivilen) Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits
in Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als Legisaktionenverfahren
(→legisactio), danach als →Formularverfahren und seit der
Zeitwende als →Kognitionsverfahren (→cognitio). Im Mittelalter
spaltet sich das wohl zunächst weitgehend einheitliche, anfangs vermutlich in
der Volksversammlung unter einem Vorsitzenden durchgeführte Verfahren, in dem
seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen in sog. (lat.) ordines
(M.Pl.) iudiciarii (Gerichtsordnungen) erörtert wird, erst im Hochmittelalter
(13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche
Sachen (Z., lat. causae civiles) und peinliche Sachen (→Strafprozess,
lat. causae criminales) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als
verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe
unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren
ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren
des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger
nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das →Gericht
durch →Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder
das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum →Beweis ist (Beweisrecht).
Wegen des Urteils können seit dem Spätmittelalter die Akten an eine als
sachkundiger eingeschätzte Stelle (z. B. Oberhof) versendet werden. In
Oberitalien bildet sich während des Mittelalters auf der Grundlage des
justinianischen Rechtes das römisch-kanonische Verfahren aus, das allmählich
vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es beginnt mit der vom Kläger
bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des Beklagten zu einem Termin. Hier
überreicht der Kläger dem Beklagten die Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung.
In einem nächsten Termin hat der Beklagte alle verfahrensablehnenden
Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide Parteien können sich vor Gericht durch
Prokuratoren vertreten und außerhalb des Gerichts durch Advokaten beraten
lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids und der Streitbefestigung ist der
Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen und vom Beklagten dieser Vortrag ebenso
zu beantworten. Die geheime Beurteilung der Beweisergebnisse durch den selbst
in →Subsumtion des Sachverhalts unter den Tatbestand entscheidenden →Richter
ist an feste Beweisregeln gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird
aufgezeichnet. Der Vollstreckung des kirchengerichtlichen Urteils dient die
Exkommunikation. Gegen das Urteil ist →Appellation und seit dem 12./13.
Jh. in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das →Reichskammergericht
setzt sich der gelehrte Z. als gemeiner Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Allgemein
kann man deshalb nicht von einem Wandel eines formgebundenen Prozesses oder Verfahrens
zu einem formfreien Prozess oder Verfahren am Übergang vom Mittelalter zur
Neuzeit sprechen. Der Allgemeinen Gerichtsordnung Preußens von 1793/1795
liegt nach überwiegender Ansicht die Inquisitionsmaxime zu Grunde (mit dem
Richter im Mittelpunkt), von der aber Novellen der Jahre 1833/1846 einigen
Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des auch Beschleunigung
anstrebenden französischen →Code de procédure civile von 1806 (in Kraft
1807) im 19. Jh. zu →Mündlichkeit und →Öffentlichkeit zurück (Genf
1819, Baden 1831, Hannover 1850 A. Leonhardt, konsequente Mündlichkeit,
weitestgehende Parteiherrschaft, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird
auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der →Zivilprozessordnung
geregelt (mit dem Bürger im Mittelpunkt, Österreich 1. 8. 1895, Franz Klein
[1854-1926], unter Ablösung der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 und der
Westgalizischen Gerichtsordnung von 1796 in Kraft 1898, mit Öffentlichkeit,
Mündlichkeit, freier Beweiswürdigung, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Verständnis
von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe zur Sicherung der
allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters statt
unbeschränkten Verhandlungsgrundsatzes, weitgehender Übergang zum
Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr von der Verhandlungsmaxime in
späteren Novellen von 1924 und 2001. Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im
Übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die
Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine
Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.
Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Bülow, O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A.,
Die Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A.,
Der Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und
Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schubert,
W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im
Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedekind, W.,
Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken,
1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess nach bayerischen
Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses,
1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972;
Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H.,
Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer
Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit
und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau,
J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und
Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977;
Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981,
16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der
Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen
Zivilverfahrensrechts, 1987; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister,
H., 1988; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem
europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die
Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und
Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997;
Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines
iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at
first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559),
1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000;
Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung
von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay,
hg. v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale
Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van
Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt
am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der
Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien, 2006; 1806. 1976 – 2006 De
la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Ahrens,
M., Prozessreform und einheitlicher Zivilprozess, 2007; Schlinker, S.,
Litis contestatio, 2008; Scheifele, A., Ziviprozessrecht in Baden 1803-1864
(Elektronische Ressource), Diss. jur. Konstanz 2008; Zwischen Formstrenge und
Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009; Die Entwicklung des Zivilprozessrechts
in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W., 2011; Die
Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mitteleuropa um die Jahrtausendwende, hg.
v. Sutter-Somm, T., 2012; Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint. Der
modernisierte Zivilprozess in Europa, hg. v. Schulze, G., 2014
Zivilprozessordnung →Zivilprozess
Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die
gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer
Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der
Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen
Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen
der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer
Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat
(von 1864), hg. v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die
österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868,
hg. v. Schubert, W., 1997; Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
für das Großherzogtum Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe
zu einer bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und
1865, hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung,
hg. v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz,
1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998;
100 Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000; Schöniger-Hekele,
B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl, G., Bayerns
Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze, 2003
Zivilrecht ist
das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt
seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.) →ius (N.) civile, dem für
die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist
es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im
Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum
kirchlichen Recht, aber auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum
Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als bedeutsame politische Kraft im
18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen. Deswegen enthalten der Code
civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches Gesetzbuch hauptsächlich das für den
Bürger wichtige →Privatrecht.
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil
1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts,
1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom
Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der
Einfluss Kants, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits,
I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152;
Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a.,
1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in
Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue
Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der
bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer
deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im
Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des
BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935,
hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Zivilrecht
unter europäischem Einfluss, hg. v. Gebauer, M. u. a., 2005, 2. A. 2010; Deutschsprachige
Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten ihrer Schüler, hg. v. Grundmann,
S. u. a., Bd. 1 2007, Bd. 2 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die deutsche
Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1 2009
Zivilsache ist
das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit im Wege des →Zivilprozesses.
Lit.: Daut, (Vorname unbekannt), Untersuchung über den
Einfluss nationalsozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965
Znaim ist
der 1048 erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren
Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.
Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523,
1992
Zölibat ist
im katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode
von Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber höherer Weihen
(kirchenrechtlich) zu einem ehelosen Leben verpflichtet.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978;
Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; 1992, 2. A. 1994, Hattenhauer,
H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in
der frühen Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm,
2006; Parish, H., Clerical Celibacy in the West c. 1100-1700, 2010
Zoll ist
die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits dem römischen Altertum
bekannte →Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren. Das
entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen König meist auf die
Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche →Zollverein von
1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Interesse des
Handels um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebiets der zusammengeschlossenen
Staaten (Zollunion).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in Deutschland,
1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff, K., Rott- und
Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31
(1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer, M., Deutsche
Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954; Hassinger, H., Die
Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Scholz-Babisch, M.,
Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18.
Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, bearb. v.
Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und
Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das Zollwesen
im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997; Pfeiffer, F.,
Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und
Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004
Zollverein ist
der Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828
vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche
Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen Staaten (unter gleichzeitigen
Umgehung einer vorgesehenen Bundesregelung ohne das wegen des Widerstands
Preußens erst 1865 nur die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen
deutschen Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches
von 1871 im Sinne der kleindeutschen Lösung), wobei die höheren Zollvereinsbeamten
für die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eintreten und dem
politischen Liberalismus zuneigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H.,
Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die
deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99; Kreutzmann, M., Bürokratische
Funktionseliten und politische Integration im Deutschen Zollverein
(1834-1871). HZ 288 (2009), 561; Der Deutsche Zollverein, hg. v. Hahn, H. u.
a., 2012
Zone ist
ein Teil eines größeren Gebiets (z. B. Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Zöpfl,
Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem Rechtsstudium in
Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842 ordentlicher Professor in
Heidelberg. Seine deutsche Staats- und Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch
des gemeinen deutschen Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des
allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 92
Zubehör (Wort um 1360 belegt) ist die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der
Hauptsache zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck
einer Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung
entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem
das Eigentum am Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen
ab.
Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zuchthaus ist
das der zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende Gebäude. Die
zwangsweise Erziehung (vor allem zu Arbeitsamkeit) in einem Z. wird seit der
frühen Neuzeit wohl als Ergebnis religiöser Überlegungen als sinnvoll angesehen
(Schloss Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen
1609, Lübeck 1613, Hamburg 1622, Danzig 1629, Breslau 1668, Wien 1671,
Waldheim/Sachsen 1716, Graz 1724, Innsbruck 1725, Torgau 1730, Kaiserswerth
1736, Nürnberg 1769, Zwickau 1775, 1776 Koblenz). In solche wohl Klöstern und
Spitälern nachgebildete Häuser werden neben Armen (Bettlern), Alten,
Geistesgestörten und Kindern auch Diebe und andere Straftäter aufgenommen.
Versuche, die Häuser wirtschaftlich zu betreiben, scheitern. Außerdem erweisen
sich die Häuser eher als Verschlechterungsanstalten, in denen es den
Inhaftierten auch sehr schlecht geht. Später setzt sich Z. als Bezeichnung für
eine Freiheitsstrafe durch. Verbesserungen werden erst im 19. Jh. umgesetzt. Am
1. 4. 1969 wird die Bezeichnung Z. in Deutschland wegen der mit dem Z. auch
verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R.,
Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G.,
Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner
Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von
1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und
Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und
Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke,
1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus,
1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau,
1994; Schirra, D., Zucht- und Arbeitshäuser als Institution der Fürsorge,
Magisterarbeit 1997; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling-Ruhwinkel,
E., Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer,
G., 2006
Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum
Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht
vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemanns
gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812, im
kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex
iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch
durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt
aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen
1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von
1951.
Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung,
Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des Ehemanns,
1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J., Prügelstrafe
und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des Züchtigungsrechts,
2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur körperlichen
Züchtigung, 2002
Zucker
Lit.:
Ouerfelli, M., Le Sucre, 2008
Zufall ist das
Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der
durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich
dem zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.
Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung,
ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zug am
Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg gegründete, 1273 an König
Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von den umgebenden Orten der
Eidgenossenschaft der →Schweiz zum Eintritt in die Eidgenossenschaft
gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz eine Verfassung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das
Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v.
Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky,
M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003
Zug auf den Gewähren →Gewährschaft
Zugabe
Lit.:
Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986; Matz, J., Die
Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Zugang (Wort mit allgemeinerer
Bedeutung um 765 belegt)
Lit.: Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zugewinn ist die Vermehrung des Vermögens des Menschen in der Zeit.
Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche Gleichberechtigungsgesetz
vom 18. 6. 1957 geschaffene, 2009 abgeänderte Regelgüterstand von Eheleuten.
Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich zwischen dem größeren Zugewinn
und dem kleineren Zugewinn nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen
werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994;
Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB,
2009
Zugrecht →Näherrecht
Zuname (Wort 1467 belegt) ist der seit dem späten Frühmittelalter
zwecks besserer Kennzeichnung der sich vermehrenden Bevölkerung zum
bisherigen Namen hinzutretende Name (Übername, Familienname), der allmählich
außerhalb von Nahebeziehungen die Bedeutung des eigentlichen Namens (Vornamens)
übertrifft..
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zunft ist
der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen
Stadt (Genossenschaft, z. B. Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den
Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente.
Sie wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791,
England 1814, Preußen 1807/1810/1811/1845, Österreich 1859) seitens des
Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS;
Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in
Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914;
Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände
des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden,
1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die
Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der
Zünfte, 1936; Klapper, H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R.,
Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der
Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und
Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die
schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E.,
Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A.,
Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es
eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen,
R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;
Göttmann, F., Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer
Zünfte, 1979; Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in
den Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D.,
Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985;
Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung,
1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v.
Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19.
Jahrhundert, ZNR 2004, 246; Kluge, A., Die Zünfte, 2007, 2. A. 2009; Heusinger,
S. v., Die Zunft im Mittelalter, 2009
Zurechnung, F., Lehnübersetzung von lat. imputatio durch Samuel
Pufendorf 1672, 1893 objektive Z. (Ludwig Harscher von Almendingen),
verschwindet im 19. Jh., 1969/1970 (Jescheck) moderne Lehre von der objektiven
Z.
Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung
seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die
Fähigkeit, zusammengehörige Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die
moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf
(1632-1694). →Unzurechnungsfähigkeit
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der Zurechnungsfähigkeit,
1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927; Gschwend, L., Zur Geschichte
der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996
Zürich am
Zürichsee bzw. an der Limmat erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218
ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der →Schweiz.
Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts. 1833
erhält es eine Universität. Von 1853 bis 1855 schafft Johann Kaspar Bluntschli
ein Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich in fünf Büchern (Personenrecht,
Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg.
v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff.
1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das
Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die
Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons
Zürich, Teil 1, Bd. 1ff. 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher
Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt
Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N.
F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft
Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen
Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche Miszellen
aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton Zürich,
1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich, 1923;
Eichholzer, E., Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen
Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des
zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder,
W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die
politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung
des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R.
n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich,
1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen, 1930;
Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652, 1930;
Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr, A., Die
Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für schweizerische
Geschichte 12 (1932); Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der neuzeitlichen
Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert Jahre
antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter
zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte,
bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie,
1936; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935; Usteri, P.,
Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik, 1935;
Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von 1336,
1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936;
Largiadèr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367;
Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E.,
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D.,
Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher
Räte als Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen
Güterrechts der Stadt Zürich, 1942; Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht
des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P., Verfassungsgeschichte
der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit den Waldstätten, 1953;
Schoop, R., Rechtsstellung, politische und wirtschaftliche Bedeutung der
Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri, E., Die Schildner zum
Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und
zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung jugendlicher
Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in Zürich, 1964;
Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der Polizeiorganisation der Republik
Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans
Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Richner, F., David
von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz, S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli,
M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Landert-Scheuber, M., Das
politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992; Gabathuler, M., Die Kanoniker,
1998; Malamud, S./Sutter, P., Die Betreibungs- und Eingewinnungsverfahren der
Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001;
Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich,
2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Müller, M., Gesellschaftlicher
Wandel und Rechtsordnung, 2005; Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v.
Schott-Volm, C., 2006; Casanova, C., Nacht-Leben, 2007; Senn, M., Das
mittelalterliche Zürich, 2007; Jäger, C., Die Gutachtertätigkeit der
Juristenfakultät Zürich, 2008
Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht
bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis
die Gegenleistung angeboten wird.
Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Zusicherung
Lit.:
Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987
Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung einer Aufgabe.
In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden. Dies muss umso
genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft gestaltet ist.
Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die
Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes,
ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel
im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993
Zustellung ist
der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu
beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines
Schriftstücks. 1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten
Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. →litis contestatio
[F.]).
Lit.: Köbler, DRG 202
Zutphen
Lit.: Vries, W. de, De opkomst van
Zutphen, 1960
Zwang (Wort
bereits für das Germanische zu erschließen, lat. [F.] vis) ist die Einwirkung
mit Gewalt auf einen Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende
Verhalten verletzt bereits im römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der
Prätor (um 71 v. Chr.) und später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt
gewähren bei einem in Furcht (lat. metus) geschlossenen Rechtsgeschäft die
Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43;
Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25
(1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H.,
Twing und Bann, 1935; Hartkamp, A., Der Zwang im römischen Privatrecht, 1971; Kranig,
A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Zwangsarbeit ist
die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im Deutschen Reich zwischen
1933 und 1945)(, deretwegen 1951 erstmals ein Schadensersatzverfahren vor
einem deutschen Zivilgericht durchgeführt wird).
Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001;
Schulte, J., Zwangsarbeit und Vernichtung - Das Wirtschaftsimperium der SS,
2001; Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im
Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter
und Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004;
Rawe, K., … wir werden sie schon zur Arbeit bringen, 2005; Urban, T.,
Zwangsarbeit im Tagebau, 2006; Levin, A., Erinnerung? Verantwortung? Zukunft?,
2007; Hitlers Sklaven, hg. v. Plato, A. v. 2008; Zwangsarbeit im
Nationalsozialismus, hg. v. Kramer, H. u. a., 2008; Zwangsarbeit und
katholische Kirche, hg. v. Hummel, K. u. a., 2008; Rumpf, J., Der Fall
Wollheim, 2010; Westerhoff, C., Zwangsarbeit im Ersten Weltkrieg, 2011;
Schieder, P., Französische Zwangsarbeiter im Reichseinsatz, 2011;
Zwangsarbeiter in Österreich 1939-1945, hg. v. Bacher, D. u. a., 2013; Urban,
T., Zwangsarbeit bei Thyssen, 2014
Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz
geregelte Versteigerung eines →Grundstücks im Wege der →Zwangsvollstreckung.
Lit.: Köbler, DRG 184
Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den
Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. →Urteil) verbrieften Anspruchs.
Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Im Deutschen Reich wird die
Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die
Realexekution (Vermögensvollstreckung) ersetzt. Ihr Ablauf wird im Deutschen
Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. →Vollstreckung.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A.,
Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren
Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W.,
Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931,
ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Ausschüsse für
Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008
Zweck (M.) Sinn, Ziel
Zweckverband
Lit.: Vom Städtebund zum
Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994
Zweibrücken
Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der
Grafen von Zweibrücken, bearb. v. Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches
Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W., 1965; Festschrift zum 150jährigen
Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969
Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an
Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei
gleichberechtigten Gewalten. →Zweischwerterlehre
Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete
politische System (z. B. Österreich seit 1848). Ursprünglich entsprechen die
beiden Kammern z. B. in England (seit dem 14. Jh.) verschiedenen Ständen (Adel
im Oberhaus, Nichtadlige im Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch
föderalistische Interessen sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Bundesrat
Österreichs, Senat der Vereinigten Staaten von Amerika). In Österreich war
1861 das Herrenhaus die Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die
Vertretung der Länder.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wedel, J. v.,
Zur Entwicklung des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems, 2011
Zweikampf ist
der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter
verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites (z. B. über das Eintrittsrecht
von Enkeln) auch im Gericht verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er
hinter dem Urteil zurück. Sein später Ausläufer ist (vom 16. Jh.) bis zum 19.
Jh. das →Duell.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der
Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der
Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen
Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des
privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des
Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i
oldgermansk Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin,
M., Meister Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da
sigelos wirt dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R.,
Zweikampf §§ 201-210 a. F. StGB, 2002; Neumann, S., Der gerichtliche Zweikampf,
2010
Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den
Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland
im Jahre 1990. Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der
„2+4“-Vertrag, 1997
Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas
22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung])
anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen
irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B.
Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das
weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach
kurialistischer Ansicht (11. Jh., z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX.,
Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem
Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. →Zweigewaltenlehre
des Papstes
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109
zweiseitig (Adj.) zwei Seiten betreffend (z. B. Rechtsgeschäft),
bilateral
Zweiter Weltkrieg
ist der am 1. 9. 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum
für die Deutschen entstehende Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die
Alliierten (Großbritannien, Frankreich). Das Deutsche Reich greift nach einem
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion nacheinander Polen, Dänemark, Norwegen,
Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941 Jugoslawien,
Griechenland, Bulgarien, Nordafrika und trotz des Nichtangriffspakts die
Sowjetunion (Unternehmen Barbarossa - von Anfang an wohl aussichtslos -),
womit es sich (zusätzlich zu inhomogener Führungsstruktur, Ressortegoismus
der Teilstreitkräfte und allgemeiner Ressourcenunterlegenheit) kriegsentscheidend
übernimmt. Japan greift am 7. 12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in
Pearl Harbour an, worauf die Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg
eintreten. Danach kommt der deutsche Vormarsch aus logistischen Gründen zum
Stillstand (Stalingrad). In Italien wird 1943 Benito Mussolini gestürzt, worauf
Italien dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Im Luftkrieg werden die
deutsche Industrie und die deutsche Infrastruktur schwer beschädigt. 1944
landen Truppen der Alliierten in Frankreich. Am 8. 5. 1945 kapituliert das
Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf zweier Atombomben auf
Nagasaki und Hiroshima durch die Vereinigten Staaten von Amerika am 2. 9. 1945.
Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von schätzungsweise 55-60
Millionen Menschen, darunter 5,3 Millionen Soldaten des Deutschen Reiches
und 6 Millionen Juden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche
Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Frieser, K., Blitzkrieg-Kegende,
1995, 2. A., 2. A. 1996, 3. A: 2005, 4. A. 2010;Gruchmann, L., Der zweite
Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E.
u. a., 1985; Hellwinkel, L., Der deutsche Kriegsmarinestützpunkt Brest, 2010;
Hartmann, C., Unternehmen Barbarossa, 2011; Müller, R., Der Feind steht im
Osten, 2011; Bachmann, K., Vergeltung, Strafe, Amnestie, 2011; Rickard, N.,
Advance and Destroy, 2011; Elliger, L., Das Massaker von Oradour, 2012; Müller,
R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kennedy, P., Die Casablanca-Strategie,
2012; Manthe, B., Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft,
2013
Zweizüngiges Urteil
ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des Verfahrens sowohl für
den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch
für den Fall des Misslingens festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der
Ausgang der Beweisführung entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil
enthaltenen Möglichkeiten sich verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70
Zwickau
Lit.: Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die Zwickauer Stadtrechtsreformation
1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935; Schultze, A., Zur Zwickauer
Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer Rechtsbuch, hg. v.
Ullrich, G., 1941; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche,
Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste Zwickauer Stadtbuch
(1375-1481) und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008; Urkundenbuch der Stadt
Zwickau, hg. v. Kunze, J. u. a., Teil 2 2012; Steinführer, H., Urkundenbuch der Stadt
Zwickau, Teil 1 2013
Zwing
Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von
Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289
Zwingli
Lit.: Köhler, W., Das Buch der
Reformation Huldrych Zwinglis, 1926; Pribnow, V., Die Rechtfertigung
obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli,
1996
Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.] duodecimarum
legum) ist das am Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte (auf zwölf
Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen Patriziern und Plebejern bestimmte
Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in 40 wörtlichen Bruchstücken
in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus
überliefert und danach an Hand weiterer [etwa 120 bzw. 200] inhaltlicher
Hinweise von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teilweise
fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt
(rekonstruiert). Nach den Vorbildern →Lykurgs (Sparta 8. Jh. v. Chr.), →Drakons
und →Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer griechischer
Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine Zehnmännerkommission
(lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat. [F.] →lex)
vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für alle erkennbar
fest. Dabei wird teils nur aufgezeichnet, teils neu gesetzt. Die Sätze folgen
nicht systematisch, sondern assoziativ auf einander. Erfasst sind vor allem Zivilprozess,
Familienrecht, Erbrecht, Vermögensrecht, Deliktsrecht und Sakralrecht, wobei
teils manches vertieft angesprochen wird, anderes nur oberflächlich. Das Z. wird
in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine
Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die Priesterschaft als eine
Geheimwissenschaft, aus der sich später die →Jurisprudenz (Rechtsklugheit)
entwickelt. Vielleicht werden die Tafeln von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Noch
kurz vor der Zeitenwende (Cicero) lernen die jungen römischen Bürger das Z. auswendig.
Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch
unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail
(Aymarus Rivallius).
Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di
E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg.
v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik,
1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung
des Zwölftafelrechts, 2004
Zypern ist
die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im
ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den
Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht Z. unter gemeinsamer Herrschaft
Ostroms (→Byzanz) und der →Araber. Über Venedig (1489) gelangt es
an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung
und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des
Gebiets im Norden und Nordosten (1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht
Zyperns ist dementsprechend nacheinander griechisch, römisch, arabisch,
türkisch und westlich geprägt. 2004 tritt Zypern (in seinem griechischen Teil)
der Europäischen Union (1993) bei.
Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a., 2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, 2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007; The Formation of Cyprus in the 2nd Millenium B. C., hg. v. Hein, I., 2009; Schollmeyer, P., Das antike Zypern, 2009; Fujii, T., Imperial Cult and Imperial Representation in Roman Cyprus, 2013