KöblerZielińskiideologieundlexikographie20111010 Nr. 13861 ZRG GA 129 (2012) 81 IT

 

 

Zieliński, Lech, Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz (= Danziger Beiträge zur Germanistik 31). Lang, Frankfurt am Main 2010. 178 S., 18 Tab., 8 Graf. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Verfasser wurde nach dem Studium der Geschichte und Germanistik an der Universität Thorn (Toruń) 2001 in Danzig promoviert. Bei Erscheinen seines Werkes war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Germanistik in Thorn, Leiter des Auslandsamts der Hochschule für Wirtschaft in Bydgoszcz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kulturwissenschaften und Philosophie und Gründer und Herausgeber des Jahrbuchs für Übersetzungswissenschaft. Mit seinem in der Deutschen Demokratischen Republik zwischen 1964 und 1977 verfassten Gegenstand hat er sich seit vielen Jahren nachhaltig beschäftigt, so dass er in seinem Literaturverzeichnis auf fast ein Dutzend weiterer einschlägiger Arbeiten hinweisen kann.

 

Er gliedert seine bedeutsame Untersuchung in Einführung, fünf Sachkapitel und eine Zusammenfassung. Dabei schildert er eingangs den Forschungsstand einschließlich seiner eigenen Beiträge und die von anderen und von ihm angewandten Forschungsmethoden. Danach wendet er sich den Mechanismen der Ideologisierung des Untersuchungsgegenstands nach Abschluss von drei Bänden zu, wobei er insbesondere den Gebrauch des Adjektivs sozialistisch und an späterer Stelle des Substantivs Sozialismus (sowie der Wörter marxistisch-leninistisch, Marxismus-Leninismus, reaktionär, imperialistisch, Klassengegensatz, Klassencharakter, Klassengesellschaft, Klassenfeind und Klassenkampf) vor und nach der Ideologisierung umfassend und sorgfältig betrachtet und dokumentiert.

 

Im Ergebnis stellt er überzeugend fest, dass im 1970 erschienenen vierten Band, der als erster nach neuer politischer Konzeption unter politischem Druck redigiert wurde, die ideologischen Spuren am deutlichsten auftreten (35,75 Prozent der ermittelten Belege), während in den späteren Bänden 5 und 6 bereits ein Rückgang festzustellen ist. Zusammenfassend kann er also ein beeindruckendes Beispiel von Politisierung von Sprachwissenschaft erweisen. Ob dabei seinem Vorschlag, die ideologisierten Bände nachträglich zu entideologisieren, angesichts der Vergänglichkeit alles Irdischen und der Knappheit aller verfügbaren Mittel Erfolg beschieden sein wird, wird sich noch zeigen müssen, verdient hätte das gewichtige Werk eine möglichst ideologiefreie Fassung sicherlich, so sehr die Veröffentlichung selbst ein bezeichnendes geschichtliches Dokument der Wahrhaftigkeit bzw. der Unwahrhaftigkeit von angeblicher Wissenschaft ist.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler