Zaunstöck, Holger, Das Milieu des Verdachts. Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Mergenz der Denunziation in Universitätsstädten des 18. Jahrhunderts (= Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit 5). Akademie, Berlin 2010. 410 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das zwischen 2002 und 2007 am Institut für Geschichte der Universität Halle-Wittenberg entstandene Werk ist die von Monika Neugebauer-Wölk betreute, 2008 von der philosophischen Fakultät I der Universität Halle-Wittenberg angenommene Habilitationsschrift des 1998 mit einer Untersuchung über die mitteldeutschen Aufklärungsgesellschaften im 18. Jahrhundert promovierten Verfassers. Sie geht davon aus, dass auch wenn es bereits vor 1989 ein geschichtswissenschaftliches Interesse am Denunziationsverhalten gegeben habe, doch allgemein die Wende in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik mit dem neuen Blick auf den bis dahin in der Geschichte einmalig ausgedehnten und die gesamte Gesellschaft durchdringenden und durchsetzenden Apparat der Staatssicherheit als entscheidender Impuls für die Untersuchung von Denunziationen angesehen werde. Demgegenüber darf freilich nicht übersehen werden, dass auch während der nationalsozialistischen Herrschaft die Denunziation von beachtlicher praktischer Bedeutung war.

 

Seinen eigenen Untersuchungsgegenstand gliedert der Verfasser nach einer ausführlichen Einleitung über das Forschungsprofil und die Quellen in fünf Sachkapitel. Dabei beginnt er mit dem Muster der Denunziation in den Duelldelikten um 1700 in Leipzig, Wittenberg, Jena, Halle, Rostock, Helmstedt, Göttingen und Erlangen. Dem folgen die Eroberung der Universitätsstadt mit Studentenorden, Landsmannschaften und neuen Edikten nach 1740, die Emergenz der Denunziation im Konfliktfeld arkaner Studentengesellschaften nach 1760, das Überwechseln der Denunziation in weitere Bereich als Implikation des Medienzeitalters nach 1780 und schließlich die neuen Wege und die alten Wege nach der Revolution.

 

Durch seine erstmalige Untersuchung der studentischen Lebenswelt in Universitätsstädten der frühen Neuzeit gelangt der Verfasser zu einem interpretierenden Entwurf auf empirischer Basis. Als Ergebnis sieht er den Impuls für die Implementierung eines Denunziationsmusters in der intensivierten Disziplinarpolitik der staatlichen und universitären Obrigkeiten mit den stark frequentierten Universitäten gegen den Verhaltenskodex der akademischen Freiheit der Studenten mit der Duellbekämpfung im Mittelpunkt des politischen Interesses. Zwar wurden auf diese Weise die Handlungsoptionen eines denunziatorischen Feldes bis zum Ende der frühen Neuzeit voll ausgebildet, so dass auf sie bei späterem Bedarf zurückgegriffen werden konnte, doch waren nach den einleuchtenden Erkenntnissen des Verfassers die Menschen bzw. Studenten des 18. Jahrhunderts nicht ohne weiteres für die Denunziation instrumentalisierbar.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler