Wornien, Sebastian, Das Verhältnis von materiellem und formellem Strafrecht während des Nationalsozialismus (= Rechtsgeschichtliche Studien 36) Kovač, Hamburg 2010. LVIII, 159 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit beruht auf einer von Heiner Lück in Halle-Wittenberg angeregten und betreuten Schwerpunktbereichsarbeit des Wintersemesters 2008/2009 des in Berlin 1979 geborenen Verfassers. Sie befasst sich mit dem Verhältnis von materiellem und formellem Strafrecht der Jahre zwischen 1933 und 1945, greift aber weiter zurück und auch weiter aus. Man wird sie für eine Schwerpunktbereichsarbeit als erheblich überdurchschnittlich einstufen dürfen.

 

Ihre Grundlage ist bereits ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis. Gegliedert ist sie außer in eine thematische Einführung über die heutige Literatur, die Aufgaben und Ziele des Strafverfahrensrechts, das Strafrecht als Indikator der Staatsverfassung, den Nationalsozialismus und die eigenen Ziele in eine Übersicht über den Sachgegenstand in der Zeit der Weimarer Republik, in der Zeit des Nationalsozialismus und in Deutschland in der Nachkriegszeit. Am Ende beschäftigt sich der Verfasser selbständig mit den übergreifenden Zusammenhängen.

 

Dabei stellt er fest, dass 1933 keine Zäsur bedeutet, sondern dass das nationalsozialistische materielle und formelle Strafrecht einer strukturellen Kontinuität folgen. Dementsprechend ermittelt er, dass die nationalsozialistische Perversion des Strafrechts durch die in der Weimarer Zeit misslungenen humanen spezialpräventiven Strafrechtsreformen, durch die „Effektivierungs- und Einsparungsnovellen“ im Strafprozess und in der Gerichtsverfassung und durch die sondergerichtliche Justizpolitik im Bereich der politischen Straftaten begünstigt bzw. ermöglicht wurde. Dementsprechend empfiehlt er abschließend als Lernstrategie, den politischen Grundwert der Legalität zu erkennen, den Tendenzen zur Aushöhlung der Gesetzlichkeit im Strafrecht entgegenzuwirken und Kriminalpolitik und geltendes Strafrecht scharf zu trennen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler