Urbare des Fürstentums Jägerndorf aus der Zeit der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1531-1535-1554/78), hg. v. Hanke, Siegfried/Vogel, Rainer (= Erträge Böhmisch-Mährischer Forschungen 8). LIT Verlag, Berlin 2010. 469 S. Besprochen von Christian Neschwara.
Der anzuzeigende Band enthält Transkriptionen von frühneuzeitlichen
Urbaren aus dem ehemaligen Fürstentum Jägerndorf, dem späteren
Österreichisch-Schlesien. Die Originale der vorliegenden Edition befinden sich
im tschechischen Landesarchiv Troppau.
Die beiden Herausgeber der vorliegenden Edition stammen selbst
auch aus dem mährisch-schlesischen Raum, sie sind bereits durch zahlreiche
Publikationen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ihrer altösterreichischen
Heimat hervorgetreten. Für die Transkription zeichnet Siegfried Hanke
verantwortlich, die Festlegung der Transkriptionsregeln sieht eine nahezu
wortgetreue Wiedergabe der Originaltexte vor, lateinische Eintragungen sind
weitgehend übernommen worden, alttschechische Eintragungen dagegen seinerzeit grundsätzlich
weggeblieben, inzwischen aber im Internet veröffentlicht unter http://www.sudetendeutsche-akademie.eu/publ.htm
(16. 5. 2011).
Die Edition
wird begleitet von einer ersten Erschließung und Auswertung dieser Quellen in
Hinblick auf die Sprache der zeitgenössischen mundartlichen und juristischen
Begriffe sowie insbesondere zur Entwicklung von Familien- und Ortsnamen in
diesem schlesischen Fürstentum durch Rainer Vogel. In Verbindung mit der
geographischen Einordnung der Orte und Städte in den historischen Kontext der
politischen und kulturellen Entwicklung dieses Raums enthält der vorliegende
Band außerdem reichhaltige Bildmaterialien von historischen Landkarten und
tabellarische Übersichten der jeweils regierenden Herzöge und ihrer Hauptleute
mit Erläuterung ihrer Aufgaben und Funktionen.
Urbare
stellen als Quellengattung unter dem frühneuzeitlichen Archivgut des mährisch-schlesischen
Raumes eine dominante Textsorte dar, sie enthalten mehr als bloße Verzeichnisse
des Güterbestandes und Darlegungen der in den jeweiligen Grundherrschaften
bestehenden Rechtsverhältnisse und Abgabenpflichten der Grunduntertanen. Ihre Auswertung
ist mühevoll, sie verspricht aber einen reichen Erkenntnisgewinn für eine
Vielfalt von historischen und sprachwissenschaftlichen Fragestellungen. Die
vorliegende Edition erschließt vor allem der historischen Sprachforschung, und
insbesondere der Mundartforschung, ein reichhaltiges Reservoir an neuen
Informationen aus der Zeit der sich entwickelnden neuhochdeutschen
Schriftsprache in einem überschaubaren deutsch-westslawischen Kontaktgebiet.
Ihre Auswertung ist aber auch für Fragstellungen
anderer Disziplinen historischer Forschung nutzbar, vor allem für die Rechts-
sowie die Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dieses
Mikroareals am Beginn der frühen Neuzeit.
Wien
Christian
Neschwara