Troje, Hans Erich, „Crisis digestorum“. Studien zur historia pandectarum (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main 264). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. VIII, 203 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wie der Verfasser zu Beginn seines schmalen, aber kenntnisreichen und gewichtigen Werkes ausführt, enthalten die Digesten oder Pandekten die wichtigsten und anspruchsvollsten Texte des römischen Rechts aus den Werken der römischen Rechtskundigen zwischen später Republik und frühem Dominat, die Kaiser Justinian nach seinem Herrschaftsantritt in Ostrom (527 n. Chr.) von einer Kommission zusammenstellen ließ. Sie sind zugleich die bei weitem wichtigsten Quellen der gegenwärtigen Kenntnis des römischen Rechts überhaupt, das bekanntlich noch in der Gegenwart fortwirkt. Der Verfasser vergleicht sie in ihrer Bedeutung mit der christlichen Bibel, deren Umfang von der Textmasse der Digesten noch um die Hälfte übertroffen wird.

 

Da die Digesten römisches Recht überliefern, sind sie an sich Gegenstand der juristischen Romanistik. Da sie aber in viele Rechtsquellen des Mittelalters und der Neuzeit Eingang gefunden haben, verdienen sie auch das Interesse des Germanisten (und des Kanonisten). Von daher ist ein kurzer Hinweis auf bedeutsame Erkenntnisse eines bekannten Romanisten vom Beginn des 21. Jahrhunderts auch in der Germanistischen Abteilung gerechtfertigt.

 

Hans Erich Troje gliedert seine detaillierten Feststellungen zur Überlieferungsgeschichte der Digesten in drei Teile, welche die Digesten in Handschriften und Drucken, Details, Nachlese, Seitenblicke, Rückblicke und Ausblicke betreffen. Sie beziehen sich in zehn Kapiteln auf Digestenstudien, Problemfelder, Editoren, Editionen, Graeca Modestini, Tücken, Lücken, Notae Cuiacii, Adnotata Torellis, Codex und Novellen. Wer die überzeugenden Darlegungen des viele Jahrzehnte die vielfältige, internationale Diskussion verfolgenden und auch selbst mitbestimmenden Verfassers zur Kenntnis genommen hat, könnte sich nur wünschen, dass der Verfasser mit seinem heutigen Wissen am Beginn seiner wissenschaftlichen langjährigen Entwicklung stünde, weil die Digesten und ihre Überlieferung mit Aussicht auf Lösung der wichtigsten ihrer noch offenen Fragen ein vollständiges Forscherleben als Mindesteinsatz benötigten.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler