Transit Deutschland. Debatten zu Nation und Migration, hg. v. Göktürk, Deniz/Gramling, David/Kaes, Anton/Langenohl, Andreas. kup Konstanz university press, Konstanz 2010. 878 S., 13 Fotos. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Weimar Republic Sourcebook lautet der aussagekräftige Titel eines 1994 von Anton Kaes, Edward Dimendberg und Martin Jay veröffentlichen Quellenwerks, in dem (kurze) Quellen innerhalb bestimmter Diskursbereiche chronologisch geordnet und mittels Montage aufeinander bezogen wurden, um Ereignisse und Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu zeigen. Angestrebt wurde ein Netzwerk  von Kommentaren, die ihrerseits neue Kommentare verursachen. Die Zukunft bleibt dabei offen und kann vom Leser weiterverfolgt werden.

 

Nach diesem Muster begann 2001 im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Multicultural Germany Project am German Department der University of California, Berkeley, die Bearbeitung eines Projekts Germany in Transit. Dem lag außer einem Vergleich Deutschlands mit den Vereinigten Staaten von Amerika als typischem Einwanderungsland die Vorstellung zu Grunde, dass auch deutsche Kultur in der Gegenwart nicht ohne Einbeziehung von Migration erfasst werden kann. Hieraus erwuchs die von Deniz Göktürk, David Gramling und Anton Kaes in Englisch herausgegebene und 2007 von der University of California in der Reihe Weimar and Now – German Cultural Criticism veröffentlichte Dokumentation Germany in Transit – Nation and Migration – 1955-2005, deren Beginn mit dem fünfzigsten Jahrestag der Ankunft der ersten 100000 Gastarbeiter ais Italien in Deutschland im Rahmen europäischer Solidarität am 21. Dezember 1955 zeitlich zusammenfällt. Vier Jahre später folgt dem zeitlich zusammentreffend mit dem 50. Jahrestag eines deutsch-türkischen Gastarbeitsakommens nun eine deutsche Ausgabe.

 

Sie wird nach einem Überblick über die mehr als 200 verwendeten Quellen (etwa von Fatih Akin, Maxim Biller, Daniel Cohn-Bendit, Recep Tayyip Erdoğan, Günter Grass, Jürgen Habermas, Elfriede Jelinek, Udo Lindenberg, Angela Merkel, Franz Müntefering, Michael Naumann, Cem Özdemir, Orhan Pamuk, Wolfgang Schäuble, Alice Schwarzer, Theo Sommer, Hans-Ulrich Wehler oder Feridun Zaimoğlu), die 13 beigefügten Abbildungen und nach einem kurzen Vorwort in einer ansprechenden Einleitung erläutert. Danach folgen in elf Kapiteln die Texte zu arbeitenden Gästen, sozialistischen Freunden, Xenophobie und Gewalt, Was ist deutsch?, fremdem Glauben, inszenierter Vielfalt, keinem Einwanderungsland, Leben in zwei Welten, Schreiben auf Achse, Deutschland als einem türkischen Märchen sowie Europa – and beyond. Der Anhang des die ursprünglich nicht wirklich vorhergesehene, aus bloßer ökonomischer Profitgier ausgelöste Entwicklung im tatsächlichen Ergebnis abbildenden Werkes schließt nach einem Hinweisschild zum „Ausgang“ die eindringliche Dokumentation mit Chronologie, Bibliographie, Filmographie, Weblinks, Quellennachweisen, kurzen Daten der inzwischen vier Herausgeber und einem Index (Personenregister, Sachregister) aus unterschiedlicher Sicht auf.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler