The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v. Blom-Cooper, Louis/Dickson, Brice/Drewry, Gavin. Oxford University Press, Oxford 2009. LXXXVI, 820 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Eine Randlage ermöglicht vielfach eigene Entwicklungen gegenüber Zentren und kann sich ihrerseits auch zu einem neuen eigenen Zentrum entwickeln. Seit die britischen Inseln mit der Eroberung durch Rom in etwas deutlicheres Licht gerückt wurden, dürften römische Gegebenheiten auch für sie bestimmend gewesen sein. Dementsprechend nahmen die Angeln und Sachsen auch in der Völkerwanderung ihr besonderes stammesmäßiges Volksrecht auf die Inseln mit.
Spätestens mit der normannischen Eroberung im Jahre 1066 begann aber die besondere Entwicklung eines angelsächsisch-normannischen Rechtssystems, das sich von den kontinentalen Vorgängen und Verhältnissen in vielfacher Hinsicht unterscheidet. Auch wenn Großbritannien 1973 den Europäischen Gemeinschaften beitrat, behielt es doch viele Besonderheiten bei, deren Gewicht durch die Verbreitung des englischen Rechts in den englischen Kolonien und die Entstehung eines eigenen angloamerikanischen Rechtskreises in der frühen Neuzeit noch wuchs. Zu diesen Besonderheiten zählt auch, dass das etwa durch die Magna Charta von 1215 und anderes besonders fortschrittliche „Mutterland der Demokratie“ lange Zeit weder die von Montesquieu 1748 vorgeschlagene Gewaltenteilung noch die in der Virginia Bill of Rights 1776 erstmals gelungene formelle Verfassung übernehmen wollte, so dass das britische Oberhaus fast bis in die Gegenwart nicht nur legislative sondern auch judikative Funktionen hatte.
Mit diesen befasst sich der von den Herausgebern zu Beginn des Jahres 2006 ins Auge gefasste, in kurzer Zeit in beeindruckender Weise gelungene Sammelband. Er gliedert seine 40 Teile der insgesamt 41 mitwirkenden, auf den Seiten XXVII-XXXIV vorgestellten Verfasser in die fünf Teile Institution (vor 1870, 1873-1876, the Judicial Office, the House of Lords and the English Court of Appeal, from Appellate Committee to Supreme Court), the Judges, Development of the Court, Regional and External Perspectives (Schottland, Irland, Judicial Committee of the Privy Council, the Old Commonwealth mit Australien, Neuseeland, Kanada, Südafrika und Indien), Reflections from the New Commonwealth, a Transatlantic Comparison, a European Perspective) und Specific Areas wie internationales Recht, europäische Einflüsse, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Menschenrechte, Strafrecht, faires Verfahren, unerlaubte Handlungen, Meinungsfreiheit, Familienrecht, Grundstücksrecht, Handelsrecht, geistiges Eigentum und Steuerrecht. Anhänge (Indices) für Lords of Appeal in Ordinary, (12) Funktionsnachfolgen, Lord Chancellors, alphabetische Kurzporträts sowie ein umfangreicher Gesamtindex von Abrahams bis Zander schließen das wichtige, erfreuliche Werk in einem überzeugenden Zeitpunkt gelungen ab.
Innsbruck Gerhard Köbler