Tascher, Gisela, Staat, Macht und ärztliche Berufsausbildung 1920-1956. Gesundheitswesen und Politik. Das Beispiel Saarland (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2010. 435 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die dem am 24. November 1942 wegen seines antifaschistisch motivierten „Landesverrats“ in Berlin-Plötzensee hingerichteten Walter Hübner gewidmete Untersuchung ist die von Wolfgang U. Eckart betreute, von der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg im Wintersemester 2007/2008 angenommene, überarbeitete, ergänzte und Aktualisierte Fassung der Dissertation Gisela Taschers. Sie verfolgt die Entwicklung des Gesundheitswesens des Saargebiets und des Saarlands als Längsstudie an Hand ausgewählter Thesen. Im Mittelpunkt stehen die machtpolitischen und berufspolitischen Rahmenbedingungen für die ärztliche Berufsausübung während der nationalsozialistischen Herrschaft, wobei die zeitliche Abgrenzung auch die Erfassung von Kontinuitäten ermöglichen sollte.

 

Dementsprechend ist die auch auf unveröffentlichen Quellen aufbauende Untersuchung nach Vorwort, Danksagung und Einleitung in vier Abschnitte gegliedert. Sie betreffen den Aufbau des Gesundheitswesens von 1920 bis 1934 im Saargebiet (Verfassung, Verwaltungsorganisation, Gesundheitswesen, Krankenversicherung, Wohlfahrtspflege, Einfluss des Deutschen Reiches), die Gleichschaltung des Gesundheitswesens im Deutschen Reich nach 1933, den Aufbau des Gesundheitswesens im Saarland von 1935 bis 1945 (Rückgliederung, Gleichschaltung im Verwaltungsaufbau, bei den Gesundheitsämtern, bei den ärztlichen Standesorganisationen, der Sozialversicherung und der Wohlfahrtspflege, Zwangssterilisation) und den Aufbau des Gesundheitswesens im Saarland von 1945 bis 1956 (einschließlich der Entnazifizierung). Am Ende erfolgt eine Zusammenfassung.

 

Im Ergebnis stellt die Verfasserin fest, dass bis 1933 die Regelungen im Saargebiet nur wenig von denen des Deutschen Reiches abwichen. Bei der Rückgliederung in das Deutsche Reich traten die im Deutschen Reich unter nationalsozialistischer Herrschaft getroffenen Veränderungen in Kraft, womit die ärztliche Berufsausübung für machtpolitische Zwecke missbraucht wurde. Deswegen kann die Verfasserin anschaulich zeigen, dass die Ideologie eines totalitären Systems bis in die gesellschaftlichen Bereiche vordringen kann, welche allein anerkannten Ethischen Grundsätzen verpflichtet sein sollten.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler