Stüdemann,
Andreas, Die Entwicklung der zwischenstaatlichen
Rechtshilfe in Strafsachen im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933
und 1945. Kontinuität und Diskontinuität im Auslieferungsrecht am Beispiel der
Rechtsentwicklung im NS-Staat (= Frankfurter kriminalwissenschaftliche Studien
119). Lang, Frankfurt am Main 2009. XXX, 525 S. Besprochen von Martin Moll.
Die Aktualität seiner
Fragestellung leitet Stüdemann von gegenwärtigen Bestrebungen zur
Vereinheitlichung und Effizienzsteigerung der Verbrechensbekämpfung innerhalb
der Europäischen Union ab. Hierbei zeige sich, so der Verfasser, eine deutliche
Kontinuität zur NS-Zeit, denn auch damals sei versucht worden, die
zwischenstaatliche Zusammenarbeit auf kriminalpolitischem Gebiet zu intensivieren
und die Rechte der Betroffenen massiv einzuschränken – erstaunlicherweise auch
durch die Bereitschaft der NS-Regierung, deutsche Staatsbürger ans Ausland
auszuliefern.
Stüdemann
hat umfangreiches Quellenmaterial zusammengetragen; insbesondere stützt er sich
auf zeitgenössische Gesetze, Verordnungen, zwischenstaatliche Abkommen bzw.
Verträge, publizierte Gerichtsentscheidungen, interne Anweisungen des
Reichsjustizministeriums sowie das rechtswissenschaftliche Schrifttum. Unveröffentlichte
Quellen wurden freilich nicht herangezogen und die zitierte historische
Literatur ist teils lückenhaft, teils veraltet. In Summe fanden die
Nationalsozialisten bei ihrer Machtübernahme am Anfang des Jahres 1933 ein weitgehend
ausdifferenziertes Auslieferungsrecht vor, das im Deutschen Auslieferungsgesetz
(DAG) von 1930 sowie in zahlreichen, bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden
völkerrechtlichen Verträgen kodifiziert und in der Praxis eingespielt war. An
diesen normativen Grundlagen änderte sich nicht viel, wie eine bloß geringfügige
Novellierung des DAG 1933 sowie die wenigen bis 1945 abgeschlossenen, neuen
Auslieferungsverträge mit ausländischen Staaten belegen. Der wichtigste von Stüdemann
behandelte Einschnitt war die sogenannte Verreichlichung der gesamten Justiz,
in deren Folge die Länder ihre bisherigen Zuständigkeiten im
Auslieferungsverkehr verloren.
Zu den weiteren
Schwerpunkten der Arbeit zählt die – durchaus kontroversielle – Diskussion im
rechtswissenschaftlichen Schrifttum über anzustrebende, aber kaum umgesetzte
Reformen des Auslieferungsrechts. Dem Eindringen nationalsozialistischen
Gedankengutes in diese Rechtsmaterie waren zumindest in der Praxis recht enge
Grenzen gesetzt, wie überhaupt das Regime vor Kriegsbeginn penibel darauf achtete,
Friktionen mit anderen Staaten zu vermeiden. Wie Stüdemann im
Schlussteil anhand der Auslieferungspraxis bezüglich der von Deutschland
während des Krieges besetzten Gebiete darlegt, trat hierbei das Recht gegenüber
direkten Zugriffsmöglichkeiten der Polizei in den Hintergrund. Bedauerlich ist
aber, dass der Verfasser lediglich mit Blick auf den deutsch-französischen
Waffenstillstandsvertrag vom Juni 1940 sowie den Hitler-Stalin-Pakt vom August
1939 den politischen Rahmen, nämlich den massiven Versuch der NS-Regierung,
deutscher Emigranten habhaft zu werden, intensiver untersucht.
So interessant die
Thematik an sich ist und so viel Material Stüdemann mit großem Fleiß
zusammengetragen hat, so sperrig liest sich die viel zu umfangreiche
Darstellung mit ihren 468 Seiten Text und 2.116 teils sehr langen Fußnoten,
zumal angesichts der cum grano salis
dominierenden Rechtskontinuität. Der Autor verfügt leider nicht über die Gabe,
knapp und prägnant zu formulieren: Rekordverdächtige 22 Druckseiten benötigt er
allein für das Inhaltsverzeichnis (S. IX-XXX), die zahlreichen Überschriften
sind kaum je unter drei Zeilen, manchmal sogar fünf oder sechs Zeilen lang. Dies
und das Fehlen eines Registers erschweren die Orientierung in dem Buch enorm. Die
unzähligen Redundanzen sowie die endlosen Schachtelsätze, in denen sich Stüdemann
regelmäßig selbst verheddert, belegen zusammen mit den grammatikalischen
Fehlern praktisch in jedem Satz, wozu der Wegfall von Lektoraten führt – und
dies bei einem Buch, das rund 90 Euro kostet.
Graz Martin
Moll