Šlechtické spory o čest na raně novověké Moravě (Edice rokové knihy zemského hejtmana Václava z Ludanic z let 1541-1556). Historická studie a edice. K vydání připravila a historickou studií opatřila Janišová, Jana [Die adeligen Ehrenstreitigkeiten im frühneuzeitlichen Mähren >Edition des Buches der Gerichtsverhandlungen des Landeshauptmanns Václav von Ludanice aus den Jahren 1541-1556<. Historische Studie und Edition] [= Prameny dějin moravských >Quellen zur Geschichte Mährens<) 14]. Matice Moravská, Brno 2007. 472 S.
Die zu
besprechende Arbeit ging aus einer Dissertation der Autorin hervor, die im
Jahre 2006 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität zu
Brünn verteidigt wurde.
Die Veröffentlichung besteht aus zwei annähernd gleich umfangreichen Teilen. Den ersten Teil stellt eine monografische Studie über das Phänomen der adligen Ehre im böhmischen und mährischen Landrecht im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit dar, wobei im Mittepunkt des Interesses vor allem die Rechtspraxis des Landgerichts des Markgraftums Mähren am Anfang der Frühen Neuzeit mit dem Schwerpunkt im zweiten und dritten Viertel des 16. Jahrhunderts steht (S. 9-229). Den zweiten Teil der Publikation bildet eine kritische Edition des sogenannten roková kniha (etwa Buch des Gerichtsverhandlungen) des Landeshauptmanns von Mähren Václav von Ludanice aus den Jahren 1541-1556 und anderer ausgewählten Quellen zur Problematik der adeligen Ehre.
In dem ersten einführenden Kapitel der historischen Studie bietet Jana Janišová eine Übersicht der bisherigen Erforschung des Phänomens adelige Ehre. Sie untersucht, charakterisiert, gegebenenfalls unterzieht einer Kritik die bedeutsamsten Arbeiten der Forscher, vorwiegend Rechtshistoriker, die sich mit diesem Problemkreis in der Zeit zwischen den Kriegen und in der Nachkriegszeit befassten (R. Rauscher, F. Čáda, K. Malý, P. Kreuz, J. Macek, P. Maťa). Die Autorin macht auch auf die Arbeiten einiger ausländischer Forscher aufmerksam (insbesondere G. Schwerhoff und M. Dinges).
Im zweiten Kapitel behandelt und charakterisiert
die Autorin zunächst die Auffassung adeliger Ehre in den mittelalterlichen
literarischen und erzählenden Quellen. Sie erinnert daran, dass die Ehre seit
dem Mittelalter zu den bedeutsamsten Attributen des Adelsstandes gehörte (S. 16).
Aus den literarischen Denkmälern des böhmischen Mittelalters schenkt Janišová
eingehende Aufmerksamkeit der Auffassung der Ehre in der alttschechischen
Alexandreis (Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert). Sie weist darauf hin, dass die
Titularien einen spezifischen Quellentypus, der die Problematik der adligen
Ehre berührt und an der Markscheide zwischen dem literarischen und juridischen
Werk steht, darstellen.
Im dritten und umfangreichsten Teil ihrer
Einführungsstudie befasst sich Janišová eingehend mit dem Vorkommen des
Begriffs adelige Ehre in den Rechtsquellen. Zuerst untersucht sie die
Verankerung der adeligen Ehre im böhmischen Landrecht. Als die Quelle von
Schlüsselbedeutung für die Erkenntnis der Auffassung der adligen Ehre im
Landrecht des mittelalterlichen Böhmens bezeichnet sie das auf Tschechisch
verfasste Rosenberger Rechtsbuch (Anfang des 14. Jahrhunderts), deren mit dem
Phänomen Ehre zusammenhängende Institute (Gerichtsduell, die sogenannte nevěra/Untreue,
Beschuldigung der unehelichen Herkunft) sie einer eingehenden Analyse
unterzieht. Die Bestimmungen über den Gerichtszweikampf, den sie offensichtlich
für ein mittelalterliches mit der adligen Ehre zusammenhängendes Rechtsinstitut
von Schlüsselbedeutung hält, verfolgt Janišová auch in anderen Quellen des
böhmischen mittelalterlichen Rechts, namentlich in den sogenannten Statuten
Konrad Ottos (1189), in der Maiestas Carolina (1355), im Ordo iudicii
terrae (2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) und im Rechtsbuch Ondřejs von
Dubá (Anfang des 15. Jahrhunderts). Die Autorin lenkt mit Recht große
Aufmerksamkeit auf den allgemeinen Befund des Böhmischen Landgerichts vom Oktober
1410, das den sogenannten nářek chlapstvím (das heißt Beschuldigung
der nichtadeligen Herkunft) betraf, um nachher in das Rechtsbuch Ondřejs
von Dubá aufgenommen zu werden und um zuletzt als Artikel 38 zu einem Teil der
ersten Kodifikation des böhmischen Landrechts, der Wladislawschen Landesordnung
(VZZ) aus dem Jahre 1500 zu werden. Janišová befasst sich etwas flüchtiger mit
den sich auf die Ehre in den Quellen des böhmischen Landrechts aus der
jagiellonischen Zeit und aus der Zeit vor dem Weißen Berge sich beziehenden
Bestimmungen. Es handelt sich dabei namentlich um das Rechtsbuch des Viktorin
Kornel von Všehrdy (Knihy devatery/Neun Bücher) aus den 1490er Jahren,
die VZZ (1500) und die Landesordnungen (ZZ) aus den Jahren 1530, 1549 und 1564.
Ferner werden die bisherigen Erkenntnisse über die Stellung der Gerichte mit
landesweitem Wirkungskreis, insbesondere des Landgerichts und des
Kammergerichts, bei den Streitigkeiten im Zusammenhang mit der adeligen Ehre
zusammengefasst. Janišová erinnert auch an die Bedeutung des allgemeinen
Spruchs des böhmischen Landgerichts aus dem Jahre 1485 (später Artikel 462
VZZ), der erstmals die Sanktionen für die Verletzung der adeligen Ehre genau
bestimmte. Sie hebt aber hervor, dass von Schlüsselbedeutung für die
Entwicklung des Rechtsschutzes der adeligen Ehre im böhmischen Landrecht erst
der Artikel 34 ZZ von 1530 war, der zwei grundlegende Delikte gegen die Ehre
genau unterschied und definierte, und zwar nářek cti
(Ehrenbeleidigung) und zhanění (Beschimpfung). Die Bestimmungen des
Artikels 34 ZZ von 1530 wurden nicht nur in die zwei weiteren Redaktionen von
ZZ (1549 und 1564) eingegliedert, sondern auch in fast unveränderter Fassung in
die erste Kodifikation des Stadtrechts in den böhmischen Ländern, in die
sogenannten Stadtrechte von Pavel Kristián von Koldín (1579) übernommen. Sehr interessant
ist die Übersicht der nach dem Landrecht mit Ehrenverlust zu bestrafenden
Delikte, die Janišová in dem tschechisch-deutschen Rechtshandbuch Sebastians
Fauknar von Fonkstein von 1564 entdeckte.
Weit detaillierter als den im Königreich Böhmen bestehenden
Verhältnissen widmet sich Janišová den Delikten gegen die Ehre im Landrecht der
Markgrafschaft Mähren. Zuerst charakterisiert sie die grundlegenden Quellen des
Landrechts in Mähren. Sie wiesen nämlich im Spätmittelalter und in der Zeit vor
dem Weißen Berge zwar eine ähnliche Struktur wie in Böhmen auf, sie
unterschieden sich aber etwa durch ihre Aufgabe und durch ihre Stellung
zueinander. Diese Quellen stellten Rechtsbücher, Landesordnungen, allgemeine
Sprüche des Mährischen Landgerichts und Landtagsbeschlüsse dar. Was die
Rechtsbücher über das Landrecht in Mähren angeht, macht die Autorin neben dem
allgemein bekannten Tovačovská kniha (Towatschauer Buch) aus den
1480er Jahren unter anderem auch auf die auf uns gekommenen sogenannten knihy
pamětí (Gedächtnisbücher) aufmerksam, in die nicht nur allgemeine
Sprüche des Mährischen Landgerichts und Landtagsbeschlüsse eingetragen wurden,
sondern auch oft bedeutende Gerichtsfälle, in denen das Landgericht einen
Spruch verkündete, der für grundsätzlich gehalten wurde. Als bedeutsame
zeitgenössische Bearbeitungen des mährischen Landrechts des 16. und aus dem
Anfang des 17. Jahrhunderts hebt Janišová das sogenannte Drnowsche Buch (Drnovská
kniha) aus den 1520er Jahren und die Schriften des mährischen Landeshauptmanns
Karl des Älteren von Žerotín über das Landgerichts aus den Jahren 1594-1614
hervor. Anschließend wendet die Autorin ihre Aufmerksamkeit auf andere
Gerichte, die in Mähren und in dem angrenzenden Gebieten Schlesiens die
adeligen Streite um die Ehre entschieden. Konkret handelte es sich um die
Landgerichte des Troppauer und Jägerndorfer Fürstentums und um das
Lehensgericht des Bischofs von Olmütz mit Sitz in Kremsier. Während die beiden
erstgenannten Gerichte bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein
nach dem mährischen Landrecht urteilten, regelten das Verfahren vor dem
Lehensgericht von Kremsier die sogenannten Lehensmännerrechte (Práva manská)
aus dem Jahre 1538, eine Übersetzung des Schwabenspiegels ins Tschechische.
Janišová definiert weiterhin die Stellung des roková
kniha als ausgeprägten Typ eines Gerichtsbuchs. Sie betont, dass es sich um
eine der bedeutendsten Quellen für das Studium der adeligen Streite um die Ehre
handele. Während aus der Tätigkeit des Troppauer Landgerichts eine komplette
Reihe der rokové knihy auf uns gekommen ist, stellt das roková kniha
des Landeshauptmanns Václav von Ludanice aus den Jahren 1541-1556, dessen
kritische Edition die rezensierte Publikation bringt, das einzige erhaltene roková
kniha des Landrechts in Mähren dar. In ihm werden 212 Ehrenstreitigkeiten
erfasst. Die meisten von ihnen betrafen nach Feststellung der Autorin
Wortbeleidigungen, den kleineren Teil bildeten Anklagen wegen Beschuldigung der
Verübung verschiedener Straftaten. Als Ehrenbeleidigungen wurden auch einige
Delikte gegen die Gesundheit (Durchprügelung, Verletzung) verstanden. Janišová
vergleicht im Detail die Agende der Ehrenstreitigkeiten, wie sie in dem
obengenannten Buch dargestellt ist, mit der gleichen Agende des Lehensgerichts von
Kremsier sowie mit der Agende des Landgerichts des Fürstentums Troppau.
In die rokové knihy wurden die sogenannten roky o čest eingetragen. Auf diese Weise wurden die Gerichtsverhandlungen in Sachen Ehrenstreitigkeiten bezeichnet, die vor dem mährischen Landeshauptmann geführt wurden, der die streitenden Parteien zum festgesetzten Termin zur Verhandlung ihres Streites lud (položil rok). Janišová beschreibt und analysiert in diesem Zusammenhang detailliert die Struktur der Eintragungen in dem roková kniha.
Nach einer kurzen Beschreibung der bei dem
Mährischen Landgericht geltenden Prozessregeln verfolgt die Autorin die
Entwicklung der Befugnisse des Landeshauptmanns bezüglich der Verhandlungen der
Ehrenstreitigkeiten. Während die Anfänge der allgemeinen richterlichen Gewalt
des mährischen Landeshauptmanns sich schon in der vorhussitischen Zeit
feststellen lassen, nahm der Hauptmann die Verhandlung der Ehrenstreitigkeiten
(nach Janišová) erst am Ende des 15. Jahrhunderts wahr. Diese Kompetenz behielt
er bis in das 17. Jahrhundert hinein. Ferner beschreibt und charakterisiert die
Autorin eingehend die Befugnisse des Königs von Böhmen zur Lösung der
Ehrenstreitigkeiten in Mähren (insbesondere das Institut der odvolání na
krále/Berufung zum König).
Janišová lenkt ihre Aufmerksamkeit auch auf die Eingriffe der Olmützer Bischöfe in die Jurisdiktion des mährischen Landeshauptmanns und des Landesgerichts, bei deren Durchführung sich die Bischöfe vor allem auf die Bestimmungen des zwischen dem Bischof Stanislaw Thurzo und den mährischen Ständen in 1531 abgeschlossenen Vertrages, weiter auf zwei von Kaiser Rudolf II. in den Jahren 1588 und 1590 erlassenen Privilegien sowie auf den Landtagsbeschluss aus dem Jahre 1582, der 1604 in die Mährischen Landesordnung aufgenommen wurde, stützten. Durch diesen Landtagsbeschluss wurde die Möglichkeit abgeschafft, die bischöflichen Mannen als Zeugen vor das Mährische Landesgericht zu laden. Durch das obengenannte Privilegium aus dem Jahre 1590 wurde von Kaiser Rudolf II. die Jurisdiktion des Lehengerichts in Kremsier um auf Hals und Ehre stattfindende Streitigkeiten erweitert.
Janišová grenzt detailliert die Kompetenzgrenzen
zwischen dem Mährischen Landesgericht und dem Lehensgericht in den um Hals und
Ehre geführten Streitigkeiten in der Zeit vor dem Weißen Berge ab (bis zum
Jahre 1620). Ihre weiteren Ausführungen beziehen sich auf die Zuständigkeit der
Jurisdiktion des Landrechts für geistliche Personen, konkret auf die
persönliche Zuständigkeit der Geistlichen in Hals und Ehre betreffenden Sachen
und die Zuständigkeit bei den Streitigkeiten der auf den Gütern des Kapitels
ansässigen Untertanen mit ihrer Obrigkeit. Die genannten Unklarheiten lösten in
Mähren seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Streitigkeiten aus,
die bis zum Jahre 1620 keine zufriedenstellende Lösung fanden.
Janišová analysiert und charakterisiert
detailliert die mit der Befugnis des Mährischen Landesgerichts, in konkreten
Ehrenstreitigkeiten zu entscheiden, verknüpften Fragen, einschließlich der
Fragen der Prozessfähigkeit der streitenden Parteien. Grundsätzlich konnte
seine Ehre beim Mährischen Landesgericht nur ein Angehöriger der vier
mährischen Stände, das heißt ein Adeliger, Geistlicher, Bürger und ein freier
Bauer (svobodník) verteidigen. Es konnte auch zu Ehrenstreitigkeiten
zwischen den Dienern und ihren Herren kommen, insofern der Diener adeliger
Abstammung war. Von Interesse ist die Wahrnehmung der Autorin, dass die Fremden
von nichtadeliger Herkunft vor dem Mährischen Landesgericht dieselbe Stellung
hatten wie die freien Bauern. Nur vereinzelt kommen nach Janišová
Ehrenstreitigkeiten vor, in denen als streitende Partei eine juristische Person
(Stadt oder Kloster) auftritt. Die Autorin weist ausdrücklich darauf hin, dass
der König von Böhmen in einer Ehrenstreitigkeit keine Prozesspartei sein
konnte, weil ein Angriff auf seine Ehre für ein crimen laese maiestatis gehalten
wurde.
Janišová beschäftigt sich ferner mit den
gewöhnlichsten Fällen, unter denen ein Adeliger seiner Ehre verlustig gehen
konnte. Meistens pflegte es wohl zu geschehen infolge eines Benehmens, das von
der damaligen Gesellschaft für unehrenhaft gehalten wurde, also wegen
Beziehungen mit ehrlosen Menschen (den Geächteten, Landesschädigern,
Fehdeerklärern, Prostituierten usw.) und durch Verletzung eines Gelöbnisses auf
Ehre und Glauben. Zum Ehrenverlust konnte es auch durch Gerichtsspruch nach
einer verlorenen Ehrenstreitigkeit kommen. Eine verhältnismäßig große
Aufmerksamkeit wurde von der Autorin der prozessrechtlichen Stellung der Frau
in den vor dem Mährischen Landesgericht ausgetragenen Ehrenstreitigkeiten
geschenkt.
Die bei den Ehrenstreitigkeiten geltenden
Prozessregeln werden von Janišová eingehend analysiert. Sie macht wiederum
darauf aufmerksam, dass das sogenannte rok, das vom mährischen
Landeshauptmann festgesetzt wurde, erstens ein Prozessinstitut zur Eröffnung
des Gerichtsverfahrens, ähnlich wie půhon (Vorladung), zweitens den
Termin der Gerichtsverhandlung vor dem Hauptmann und drittens die Bezeichnung
dieser Gerichtsverhandlung darstellte. Sie hebt hervor, dass es in Mähren
möglich war, Klage wegen Ehrenbeleidigung nur in Form eines rok zu erheben.
Es war daher nicht möglich, in den Ehrenstreitigkeiten den půhon zu
erheben. Die Ehrenstreitigkeiten charakterisiert die Autorin als Streite
privatrechtlichen Charakters. Anschließend beschreibt Janišová detailliert und unter
Angabe einer Reihe interessanter Einzelheiten den Verlauf des Verfahrens
beginnend mit der Terminfestsetzung zum Verhandeln des Streites über die
Zeugenverhöre und verschiedene Aufschübe bis zur Verkündung des Urteils, das in
der Regel mit einer Bestätigung der Ehre der klagenden Partei beziehungsweise
mit Auferlegung einer Strafe der angeklagten Partei verbunden war. Die Autorin
beschäftigt sich mit gleicher Detailtreue mit den in den Ehrenstreitigkeiten
benützten Beweismitteln. Sie kommt zum Schluss, dass im Verlauf des 16. Jahrhunderts
das Duell, ob als Form einer außergerichtlichen Lösung des Streites oder in der
Form eines gerichtlichen Zweikampfes, durch entweder unter Eid vor dem Gericht vorgetragene
oder in schriftlicher Form eingereichte Zeugenaussage ersetzt wurde. Außerdem
kamen bei den Ehrenstreitigkeiten auch übliche Urkundenbeweise wie z. B.
Privilegien oder Auszüge aus den Landtafeln zur Verwendung.
Für methodisch sehr anregend und interessant halte ich den Versuch der Autorin, verschiedene Formen des Delikts der Ehrenbeleidigung zu klassifizieren. Sie macht darauf aufmerksam, dass das Mährische Landrecht keine exakte Definition der Ehrenbeleidigung kannte und daher (im Unterschied zum Böhmischen Landrecht) dieses Delikt nicht weiter gliederte. Die Autorin unterscheidet insgesamt 8 Typen dieses Delikts, und zwar: a) Anzweifeln des Adels (sg. nářek chlapstvím); b) Missachtung des Herren- und Ritterstandes; c) Angriff auf das gesellschaftliche Prestige, Anzweifeln der moralischen Eigenschaften des Adeligen und die sogenannte Verspottung (posměch) (das heißt lächerlich machende oder missachtende Handlung); d) Beleidigung des Geschlechts, der Verwandten und Freunde; e) Beleidigung des bekleideten Amtes; f) Beschuldigung einer widerrechtlichen Handlung; g) grundloses Fluchen; h) Ehrenbeleidigung in Verbindung mit physischer Gewaltanwendung oder Drohung. Die vorliegende Klassifikation wird von Janišová eingehend begründet. Danach untersucht sie detailliert und charakterisiert die einzelnen Typen von Beleidigungen.
Janišová grenzt auch ab und beschreibt die Formen,
in denen die Ehrenstreitigkeiten beendet wurden. Es gab verschiedene Wege, den
Streit zu beenden: 1. durch Versöhnung der Parteien (das heißt durch außergerichtliche
Vereinbarung); 2. durch den Tod einer der Parteien; 3. durch Verkündigung und
Eintragung des sogenannten stanné právo (wortgetreu Standrecht bzw.
Stehenrecht) (infolge Nichterscheinens einer der Parteien); 4. durch Ausbleiben
beider streitenden Parteien; 5. durch Verkündigung des Befunds. Nach
Feststellung der Autorin wurden die betreffenden Streitigkeiten am häufigsten
durch Versöhnung und Ausbleiben der Parteien beendet.
Die Autorin war bestrebt, die in Mähren wegen
Ehrenbeleidigung auferlegten Strafen zu erfassen. Sie macht darauf aufmerksam,
dass die Mährischen Landesordnungen aus der Zeit vor dem Weißen Berge nur ein
Minimum an Bestimmungen über Strafen wegen Ehrenbeleidigung enthielten und dass
es deshalb nur möglich sei, diese Strafen aufgrund einer Analyse der konkreten
Fälle und in beschränktem Maße auf der Grundlage der allgemeinen Befunde des
Mährischen Landesgerichts zu erfassen. Die peinlichen Strafen wurden wegen
Ehrenbeleidigung nur ganz ausnahmsweise verhängt. Eine relativ häufiger
vorkommende Strafsanktion war die Verbannung aus dem Lande. Eine übliche Strafe
bestand in der öffentlich vorgetragenen Entschuldigung der klagenden Partei –
die sogenannte náprava (Gutmachung) oder odpros (Abbitte)
–, beziehungsweise in gewöhnlich vier Wochen Gefängnis. Geldstrafen kamen nur
vereinzelt vor.
Janišová polemisiert mit der am Ende der siebziger
Jahre von K. Malý formulierter These, dass der Schutz der adeligen Ehre im 16.
Jahrhundert schon ein Anachronismus gewesen wäre und der Hauptgrund für ihren
Schutz damals in rein pekuniären Interessen gelegen hätte. Nach Ansicht der
Autorin sei der Schutz der Ehre beim Adel im 16. Jahrhundert weder ein Relikt
noch ein primär durch Geldgewinn motiviertes Handeln, sondern eine
Manifestation und ein integraler Bestandteil der Mentalität damaliger adliger
Gesellschaft.
Den zweiten Teil des rezensierten Werkes eröffnet
eine eingehende Beschreibung und paläographische Analyse der edierten
Hauptquelle – des roková kniha des mährischen Landeshauptmanns Václav
von Ludanice aus den Jahren 1541-1556. Diese auf Papier geschriebene
Handschrift erwarb aus einem unbekannten Ort der im Zeitalter des Barock
wirkende böhmische Priester und Historiograph Tomáš Pešina z Čechorodu
(von Čechorod) (1629-1680). Aus seinem Nachlass ging die Handschrift in die
Wallensteinsche Familienbibliothek auf dem Schloss Duchcov (Dux) über, von wo
sie in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in die Schlossbibliothek in
Mnichovo Hradiště (Münchengrätz) kam.
In ihren Editionsanmerkungen veranschaulicht die
Editorin die Art und Weise der Bearbeitung und informiert über einige
Besonderheiten der vorliegenden Edition. Sehr detailliert stellt sie dem Leser
die von ihr angewandten Editionsgrundsätze vor. Die Edition des roková kniha
(S. 245-338) ist mit zwei Typen von Anmerkungen versehen. Einzelne Eintragungen
des Buches sind im Bedarfsfall mit alphabetisch geordneten textkritischen (sich
auf die Sprache beziehenden) Anmerkungen versehen. Sachliche Anmerkungen
(Erläuterungen) bilden eine komplette numerische Reihe im Rahmen der gesamten
Edition. Wertvoll sind hauptsächlich die zahlreichen sachlichen Anmerkungen, in
denen biographische Daten über die Teilnehmer an den Ehrenstreitigkeitenverhandlungen
geboten werden.
An die Edition des roková kniha knüpft die
Herausgeberin eine umfangreiche, mit gleichem Typ von Anmerkungen ausgestattete
Edition von ausgewählten Befunden und Eintragungen an, die vorwiegend aus den
Gedächtnis- und Befundbüchern des Mährischen Landesgerichts stammen, die
gegenwärtig im Mährischen Landesarchiv in Brünn aufbewahrt werden. Darauf folgt
die Edition der sich auf die Delikte gegen die Ehre beziehenden Bestimmungen im
mährischen Landesrecht, namentlich in dem Towatschauer Buch, in den allgemeinen
Befunden und Entscheidungen des Mährischen Landesgerichts aus den Jahren
1490-1543, in den Landtagsbeschlüssen aus den Jahren 1511-1549 sowie in den
mährischen Landesordnungen aus den Jahren 1535, 1545, 1562 und 1604.
Die Übersicht über die benützten Quellen und Literatur ist sehr umfangreich. Aus der Übersicht über die Quellen ergibt sich, dass die Autorin Archivfonds, Sammlungen und Handschriften, die in 10 einheimischen und ausländischen Bibliotheken und Archiven aufbewahrt werden, sowie zahlreiche Editionen historischer Quellen verwertete. Die Übersicht über die Fachliteratur enthält dann nicht weniger als dreihundert einheimische und ausländische (vorwiegend deutsche, österreichische und polnische) Titel.
Einen untrennbaren Bestandteil der Publikation
bilden zwei sorgfältig bearbeitete Register. Es handelt sich um ein Personen-
und Ortsregister und um ein Sachregister. Beide Register enthalten bloß Namen,
Benennungen und Begriffe, die in den edierten Texten vorkommen, das heißt im
zweiten Teil der Publikation, nicht in der einführenden Studie. Das Buch wird
durch eine umfassende englische Zusammenfassung abgeschlossen.
Die rezensierte Publikation
stellt als Ganzes ein verehrungswürdiges rechtshistorisches Werk von hoher
Qualität dar. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf die einführende Studie
als auch auf die nachfolgende Edition. In der umfassenden einführenden Studie
erwies J. Janišová, dass sie sich dank ihrer fast erschöpfenden Kenntnis
einschlägiger Quellen und relevanter Fachliteratur suverän in dem Thema
orientiert, über welches sie schreibt.
Die einführende Studie ist faktographisch
zuverlässig. Schwerwiegendere sachliche Irrtümer oder Ungenauigkeiten lassen
sich in ihr nur selten feststellen.
Man kann vielleicht der Autorin zustimmen, wenn
sie behauptet, dass bedeutsame gerichtliche Befunde in konkreten Fällen infolge
Eintragung in die Gedächtnisbücher des Mährischen Landesgerichts nicht
automatisch zu „Präzedenzfällen“ geworden seien. Sie stellten aber zweifelsohne
potentielle Präzedenzfälle dar. Die Autorin irrt aber, wenn sie meint, dass die
streitenden Parteien sich bei ihrer Argumentation nicht auf vorangehende
Befunde des Gerichts beriefen. Die Auferlegung des Versprechens (Gelöbnisses)
auf Ehre und Glauben war nicht mit der Gefängnisstrafe identisch, wie Janišová
ungenau anführt. Es handelte sich vorwiegend nur um das Versprechen, sich auf
Ladung zu bestimmter Zeit am bestimmten Orte einzufinden. Sg. nářek
chlapstvím (Anzweifeln der adeligen Herkunft) kann man nicht als einen
Tatbestand des Deliktes zhanění (Verspottung), sondern höchstens
der Ehrenbeleidigung bezeichnen.
Einen anderen Mangel, der ein wenig die
Orientierung in der umfangreichen Einführungsstudie erschwert, stellen zu
umfassende Anmerkungen dar, die meistens vollständige Hinweise auf Quellen und
Literatur zum vorhergehenden Absatz oder sogar zu einigen Absätzen bieten.
Der Editionsteil der rezensierten Publikation
bietet eine sorgfältig bearbeitete moderne kritische Edition einer bedeutsamen
neuzeitlichen rechtshistorischen Quelle, des roková kniha Václavs von
Ludanice, sowie anderer Quellen zur Thematik der adeligen Ehrenstreitigkeiten
in Mähren seit dem Ende des 15. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts.
Janišová weicht in ihrer Edition einige Male von
den festgesetzten und gewöhnlich benutzten Editionsregeln, beziehungsweise von
bei der Transkription frühneuzeitlicher Texte zu befolgenden Prinzipien ab;
gegebenenfalls überschreitet sie den Rahmen dieser Regeln bei der Lösung
gewisser spezifischer Probleme. Diese Feststellung betrifft vor allem die
Verwendung besonderer graphischer Zeichen, Auflösung von Verkürzungen und die
Art der Transkription einiger Diphthonge. In einigen Fällen werden in den textkritischen
Anmerkungen Wörter angeführt, deren Transkription eigentlich klar ist und deren
Anführung hier entbehrlich war. Störend wirkt auch die von der Autorin gewählte
Weise der Auflösung von Abkürzungen. Außerdem unterlässt es Janišová, einige
gewöhnliche Abkürzungen und verkürzte Wörter in den textkritischen Anmerkungen
anzuführen. Ebenso sollten in diesen Anmerkungen alle Schreiberfehler erfasst
werden, und nicht nur die, welche die Editorin für schwerwiegendere hält.
Trotz obengenannter Vorbehalte, die darüber hinaus zum Teil ein Ausdruck der anderen Meinung des Rezensenten hinsichtlich einiger Fragen sind und die weitere notwendige Diskussion veranlassen sollten, ist nochmals abschließend hervorzuheben, dass die rezensierte Publikation ein sehr gelungenes Werk darstellt, das die Qualitäten einer umfassenden rechtshistorischen Monographie und einer modernen, sorgfaltig bearbeiteten Edition einer bedeutenden frühneuzeitlichen Quelle verbindet. Durch dieses Werk knüpft J .Janišová bewusst an die besten, längst halbvergessenen Traditionen der Rechtshistoriographie in Mähren im verflossenen Jahrhundert an, die vor allem in der Person des bedeutendsten mährischen Rechtshistorikers des 20. Jahrhunderts, František Čáda (1895-1975), Professor für Rechtsgeschichte an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Masaryk-Universität in Brünn (bis zum Jahre 1950) verkörpert waren. Gerade zu seinem Vermächtnis bekennt sich die Editorin mit Fug und Recht.
Prag Petr Kreuz