Selbstregulierung im 19. Jahrhundert. Zwischen Autonomie und staatlichen Steuerungsansprüchen, hg. v. Collin, Peter/Bender, Gerd/Ruppert, Steffen/Seckelmann, Margrit/Stolleis, Michael (= Moderne Regulierungsregime 1 = Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 259). Klostermann, Frankfurt am Main 2011. IX, 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Regulierte Selbstregulierung, so beschreiben die Herausgeber in Einschränkung gegenüber dem Titel, ist für öffentliche Zwecke in Anspruch genommene Selbstorganisation, wie sie in der Gegenwart vielfach begegnet. Sie ist gekennzeichnet durch die Verbindung zwischen Freiheit und Zwang. Ziel ist die Wahrung möglichst vieler Vorteile zu möglichst geringen Kosten.
Die Ermittlung der historischen Dimensionen regulierter Selbstregulierung, der rechtlichen Ausformungen sowie der ökonomischen, kulturellen und sozialpolitischen Kontexte hat sich im Rahmen des Frankfurter Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ vor einigen Jahren eine am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte gebildete Arbeitsgruppe als Gegenstand gewählt. Sie will wesentliche Impulse aus der Einbeziehung anderer Wissenschaftler in der Form von Tagungen gewinnen und hat aus diesem Grunde vom 9. bis zum 11, Juli 2009 in Bad Homburg eine erste entsprechende Veranstaltung ausgerichtet, die ihr Hauptaugenmerk auf die Entstehung gesellschaftlicher Selbstorganisation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtete. Die dort gehaltenen 14 Referate werden durch den zugehörigen Sammelband der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.
Den Beginn bilden dabei Untersuchungen über Schlüsselbegriffe wie Selbstregulierung (Peter Collin), Gemeinsinn (Manfred Hettling) oder Privatautonomie (Sibylle Hofer). Rechtsvergleichend werden danach als europäische Perspektiven Frankreich (Klaus-Gert Lutterbeck), Großbritannien (Andreas Fahrmeir) und Italien (Thorsten Keiser) betrachtet. Als Referenzgebiete des Rechts werden Aktienrecht (Christian Schubel), Patentrecht (Margrit Seckelmann), Handelsrecht (Karl Otto Scherner) und Arbeitsrecht (Jürgen Brand) einbezogen.
Den Abschluss bilden erfreulicherweise vier Praxisfelder Erfasst werden die preußischen Handelskammern zwischen staatlichem Auftrag und regionaler Interessenorganisation (Boris Gehlen), die Hilfs- und Unterstützungskassen in Preußen (Florian Tennstedt, die Verflechtungen von Vereins- und Verwaltungstätigkeit als Form kommunaler Selbstregulierung (Ralf Roth) und die protestantischen Kirchen (Stefan Ruppert). Ein Register hätte die vielfältigen interessanten Ergebnisse des ersten von mehreren geplanten Bänden über das Zusammenspiel staatlicher Organisation und nichtstaatlicher Selbstorganisation, die angesichts leerer Haushaltskassen des Steuerstaats auch in der Gegenwart von erheblicher aktueller Bedeutung ist, zusätzlich aufschließen können.
Innsbruck Gerhard Köbler