Schwießelmann, Christian, Die Christlich-Demokratische Union in Mecklenburg und Vorpommern. Von der Gründung bis zur Auflösung des Landesverbandes (1945-1952) (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 58). Droste, Düsseldorf 2010. 512 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Über die Geschichte der CDU/Landes- und Provinzialverbände der SBZ/DDR gibt es bisher im Wesentlichen nur „ideologisch verfärbte Studien“ aus der DDR-Zeit (S. 20f.). Mit der Darstellung Schwießelmanns liegt nunmehr eine historisch-politikwissenschaftlich orientierte Geschichte der CDU in Mecklenburg und Vorpommern von 1945 bis 1952 vor. Im Vordergrund stehen drei Untersuchungsschwerpunkte: Kontinuitäten/Brüche in der Entwicklung der Partei und ihrer Folgen auf regionaler Ebene, das Spannungsverhältnis zwischen Widerstand und Anpassung sowie die Rolle von Personen, ihrem Handeln und die Wechselwirkungen mit den Parteistrukturen (S. 12). In diesem Zusammenhang wäre es nützlich gewesen, wenn Schwießelmann die wichtigsten Persönlichkeiten der Landes-CDU noch einmal zusammenfassend in Kurzbiographien zusammengestellt hätte. Schwießelmann geht von drei Entwicklungsphasen des CDU-Landesverbandes aus: Der Gründungsphase 1945/46, der Wachstums- und Konsolidierungsphase 1946-1949 und der Anpassungsphase 1949-1952. Die CDU war bis 1949 die zweitstärkste politische Kraft in Mecklenburg und Vorpommern (rd. 30.000 Mitglieder; 1946 34,1% des Stimmenanteils bei den Landtagswahlen gegenüber 49,5% der SED; 31 CDU-Abgeordnete von 90 Abgeordneten). Der Unionsgedanke beruhte bei Gründung der Partei auf vier politisch-gesellschaftlichen Strömungen, nämlich dem Liberalismus, dem Konservativismus, der sozialen bzw. gewerkschaftlichen Tradition und dem Föderalismus (S. 65ff.). Im Einzelnen behandelt Schwießelmann die Gründung der CDU und den Aufbau des Landesverbandes, die Kommunal- und Landtagswahlen 1946, die bereits nicht unerheblich behindert wurden und die CDU im Landtag und in der Regierung. Es folgen Abschnitte über die Stellung des Landesverbandes zur Zeit der Absetzung des CDU-Vorsitzenden Jakob Kaiser, über den Weg in die Unterordnung 1949, die „Säuberung“ 1950 und die „CDU und der Aufbau des Sozialismus“ 1951 und 1952. Seit 1950 stand die Partei unter der Aufsicht des Ministeriums für Staatssicherheit (S. 417ff.). Im Resümee gibt Schwießelmann noch einen Überblick über die nach Aufhebung der Landes-CDU begründeten drei neuen Kreisverbände (S. 444ff.). Über 1952 hinaus hätten sich, so Schwießelmann, Christdemokraten immer wieder dem Gleichschaltungsdruck der DDR widersetzt und hätten dies zum Teil mit dem Leben bezahlt (S. 426ff.). Rechtshistorisch von Bedeutung ist in erster Linie die Zeit von 1945 bis 1949, als die CDU teilweise noch eigenständige Positionen vertreten hat bzw. konnte, insbesondere zu den Enteignungen und der Bodenreform (die zunächst 54% der landwirtschaftlichen Fläche betraf), zur Entnazifizierung und zur Kirchenpolitik (S. 97ff.). Schwerpunkte der Sacharbeit der CDU-Landtagsfraktion betrafen die Einhaltung der Verfassung, den Schutz der unrechtmäßig Enteigneten und das Eintreten für die Rechtssicherheit und die Unabhängigkeit der Justiz (hierzu S. 186ff.). So wandte sich der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Kaltenborn 1947 gegen die Möglichkeit der Kassation rechtskräftiger Urteile in Strafsachen (S. 187). Ferner ist rechtshistorisch von Bedeutung die Mitarbeit der CDU-Abgeordneten in den Landtagsausschüssen und die Tätigkeit der CDU-Minister im Kabinett Wilhelm Hoeckers (S. 201ff.). Die CDU-Fraktion diente in begrenztem Rahmen als „Oppositionsersatz“ und widersprach zusammen mit der LPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands) in den ersten zwei Jahren der Wahlperiode des Landtags 47 von 109 Gesetzesvorlagen. Über die Landtagsarbeit der CDU-Fraktion in dieser Zeit hätte man gerne noch mehr gelesen. Insgesamt leistete jedoch der liberal-protestantisch dominierte Landesvorstand gegenüber den totalitären Bestrebungen der SED nur geringen Widerstand und beförderte so die politische Gleichschaltung, die 1952 abgeschlossen war. Die Untersuchungen Schwießelmanns zeigen, dass die Geschichte demokratischer Parteien zugleich auch immer einen wichtigen Teil der Rechtsgeschichte darstellt, da von ihnen die Rechtspolitik mitbestimmt wird. Unter diesem Aspekt ist das Werk Schwießelmanns für die Zeit bis 1949 trotz „Begrenztheit politisch-autonomen Handels während der kommunistischen ‚Diktaturdurchsetzung’“ (S. 444) auch für den Rechtshistoriker von Interesse.

 

Kiel

Werner Schubert