Schützenmeister, Axel, Franz Beyerle - Leben und Werk (= Leipziger juristische Studien, Rechtshistorische Abteilung 4). Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2008. 262 S., zusätzlich CD mit 166 S. Besprochen von Clausdieter Schott.

 

Franz Beyerle (1885-1977) gehört zweifellos zu jenen Rechtshistorikern, denen auch seitens der nachfolgenden Generationen noch besondere Beachtung zuteil wird. Das mag zunächst einen äußeren Grund insofern haben, als an dem einen oder andern seiner zahlreichen akademischen Wirkungsorte das Interesse an der jüngeren Fakultätsgeschichte geweckt und wach gehalten wurde. Dies gilt vor allem für Frankfurt am Main, wo zunächst Bernhard Diestelkamp in mehreren Publikationen Beyerles Tätigkeit und Rolle in einem vorerst noch liberalen, später schwierigen Umfeld eingehend darstellte (aufgelistet im Literaturverzeichnis S. 211f.). Mit der gesamten Biographie Beyerles befasste sich sodann die Frankfurter Dissertation von Florian G. Dürselen („Franz Beyerle. Leben, Ära und Werk eines Rechtshistorikers, Frankfurt 2005, besprochen von Adolf Laufs in ZRG GA 123, 2006, S. 774f.). Wiederum Vita und Werk Beyerles sind nunmehr Gegenstand der vorliegenden Dissertation aus Leipzig, wo Beyerle in den Jahren 1934-1938 maßgeblich neben dem obligaten Bürgerlichen Recht und dem Handelsrecht die deutsche Rechtsgeschichte vertrat. Offensichtlich sind die Arbeiten von Dürselen und Schützenmeister streckenweise parallel entstanden und man darf dem späteren  Bearbeiter anerkennend attestieren, dass er sich durch die überholende Publikation nicht hat abschrecken lassen, sondern in durchaus eigenständiger Weise sein Thema bewältigt hat.

 

Das Interesse an Beyerles Leben und Werk hat aber auch einen inneren Grund, gehörte er doch unstreitig zu den führenden Rechtshistorikern des 20. Jahrhunderts. Nicht zuletzt lädt jedoch sein eigenwilliges, aufgeschlossenes und vielseitiges Profil geradezu dazu ein, sich mit seiner Person und seiner Arbeitswelt näher zu befassen. Hineingeboren und aufgewachsen in der ins Abseits geratenen, nichtsdestoweniger prägenden Kathedral- und Klosterlandschaft des Bodensees, führte Beyerles Lebensweg zunächst von Konstanz in die Klosterschule Seckau in Kärnten. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Breslau, Freiburg und Göttingen habilitierte er sich in Jena. Als Kriegsfreiwilliger erlitt er an der Ostfront eine schwere Verwundung, die ihn ein Leben lang beeinträchtigen sollte. Professuren in Jena, Basel, Greifswald, Frankfurt am Main, Leipzig und Freiburg im Breisgau bildeten die beruflichen Abschnitte dieses Gelehrtenlebens. Zuletzt lebte er in Wangen am Bodensee in seinem Ferienhaus, das er in Anlehnung an Gunnars Sonnen beschienenen Hof in der Njalssaga „Haldenende“ nannte. Der hier skizzierte Stationenweg gab aber nur die wechselnde Kulisse ab für einen engagierten Rechtshistoriker, der sowohl durch sein wissenschaftliches Werk wie auch durch seine Persönlichkeit und Originalität beeindruckte. Beyerles Forschungsschwerpunkte waren die südwestdeutschen Stadtrechte, das frühmittelalterliche Recht, insbesondere die germanischen Leges, sowie die Privatrechtsgeschichte. Hier hat er Bahnbrechendes, wenn auch nicht durchweg Bleibendes geleistet. Zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch und dessen Dogmatik hatte er stets ein betont distanziertes Verhältnis, und er gehörte zu jenen Germanisten, die das Schweizerische Zivilgesetzbuch über Gebühr schwärmerisch idealisierten. Seine Vision war ein Recht, das unter Einbeziehung naturrechtlicher Elemente die wirtschaftliche und soziale Wirklichkeit abbildete, womit er sich in jene empirisch-soziologischen Strömungen einreihte, die sich der Überwindung des Positivismus verschrieben hatten.

 

Mit Schützenmeisters Arbeit wird ein weiteres Mal das facettenreiche Leben Franz Beyerles und seines Werkes beschrieben. Gewisse Überschneidungen mit Dürselens Dissertation ließen sich dabei nicht vermeiden, jedoch ist der Verfasser durchaus seine eigenen Wege gegangen, so dass sich auch dessen erster biographischer Teil mit Gewinn liest. Weiterführend ist vor allem der zweite Teil, der sich mit dem literarischen Werk Beyerles befasst. Dieser Teil ist jedoch im Druck ausgespart und ist auf einer beigefügten Compact Disc enthalten. Die Darstellung ist thematisch geordnet nach den Forschungsbereichen: germanische Volksrechte, Stadtrechte, südwestdeutsche Landesgeschichte, deutsches Privatrecht, Biographisches sowie Arbeiten zum geltenden schweizerischen und deutschen Recht. Die Ausbreitung dieses Materials ist der Orientierung förderlich und verdient Anerkennung. Allerdings zeigen sich hier auch die Grenzen einer Anfängerarbeit, von der man keine gereifte fachliche Kompetenz erwarten darf.

 

Insgesamt kann man dem Verfasser beipflichten, dass Franz Beyerle über seine Forschungsergebnisse und Denkanstöße hinaus der rechtsgeschichtlichen Forschung eine Zukunftsperspektive gegeben hat und dass er daher den großen Vertretern der Disziplin zuzurechnen ist. Leider wird die Lektüre durch eine Häufung verdrießlicher Mängel und Fehlschreibungen getrübt. So bleibt es etwa dem Leser überlassen, einen „Ilde von Terwegen“ mit dem bekannten Maria Laacher Abt Ildefons Herwegen (1874-1946) zu identifizieren. Hier und öfters hätte man sich eine bessere Qualitätskontrolle gewünscht.

 

Zumikon/Zürich                                                                                  Clausdieter Schott