SED-Kader - Die mittlere Ebene. Biographisches Lexikon der Sekretäre der Landes- und Bezirksleitungen, der Ministerpräsidenten und der Vorsitzenden der Räte der Bezirke 1946-1989, hg. v. Niemann, Mario/Herbst, Andreas (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2010. 592 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Welt hinter dem Eisernen Vorgang war dem Westen in ihren Einzelheiten zwischen 1945/1946 bzw. 1949 und 1989 grundsätzlich unbekannt. Die mittlere Ebene der SED-Kader war ihm dementsprechend weitgehend fremd. Von daher eröffnet ein Lexikon mit insgesamt 543 Kurzbiographien dieses Bereichs in jedem Fall wichtige neue Erkenntnismöglichkeiten.

 

In der zugehörigen Einleitung schildert Mario Niemann, Privatdozent am historischen Institut der Universität Rostock, Relevanz, Aufbau und Nutzen des Lexikons im Umfeld der bereits vorliegenden Werke, von denen das 1997 von Andreas Herbst (Mitarbeiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin) und anderen herausgegebene Werk Die SED - Ein Handbuch den bisher besten Zugriff bietet. Wegen seiner Schwächen und wegen des seitdem eingetretenen Zeitablaufs lagen Verbesserung und Aktualisierung nahe. Deswegen strebten die Herausgeber trotz der nicht mehr vollständigen Quellen eine möglichst umfassende zeitgemäße Übersicht an, die sich zeitlich vom Jahrgang 1879 (Otto Buchwitz) bis zum Jahrgang 1954 (Norbert Kertscher und Roland Claus) erstreckt, 37 Frauen (6,8 Prozent) einbezieht und 162 von 223 angesprochenen Funktionären zur Selbstauskunft bewegt.

 

Dem biographischen, mit durchschnittlich je einer Seite pro Funktionär von Adolphs bis Zylla reichenden Teil sind eine strukturelle Darstellung, Grundsätze der Kaderpolitik und ein Überblick über die personelle Zusammensetzung der Sekretariate vorangestellt. Im Ergebnis zeigen die Bearbeiter, dass die mit erheblichem materiellen und personellen Aufwand verbundene sozialistische Kaderpolitik der SED die mit ihr verbundenen Erwartungen nicht erfüllte und den Umbruch in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sowie das Ende der SED nicht verhindern konnte. Angemessene Register und Verzeichnisse erleichtern den Zugang zu dem interessanten, bisher nicht in dieser Dichte bekannten Material, das auch wertvolle Aufschlüsse über den weiteren Werdegang der einbezogenen Funktionäre nach 1989/1990 bietet.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler