Rohrßen, Benedikt, Von der „Anreizung zum Klassenkampf“ zur „Volksverhetzung“ (§ 130 StGB). Reformdiskussion und Gesetzgebung seit dem 19. Jahrhundert (= Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 3 Beiträge zur modernen deutschen Strafgesetzgebung 34). De Gruyter, Berlin 2009. XVII, 342 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Thomas Vormbaum betreute, im Mai 2008 an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen  angenommene Dissertation des bei sämtlichen Mitgliedern des Lehrstuhls herzlich aufgenommenen Verfassers. Sie ist als Baustein des größeren Vorhabens der sorgfältigen Erforschung der modernen deutschen Strafgesetzgebung gedacht. Dementsprechend schließt die gelungene Studie für ihren Bereich eine dort bisher bestehende Lücke.

 

Gegliedert ist sie insgesamt in die drei Teile Grundlagen, Entwicklung seit 1870 und Zusammenfassung. Während der Verfasser zunächst Problemstellung, Forschungsstand, Methode und Fragestellungen sowie Darstellungsweise erörtert, schließt er bei seiner historischen Grundlegung gesetzliche Vorläufer im deutschen und französischen Recht, Rahmenvorgaben des Deutschen Bundes und einschlägige Bestimmungen der Partikularstrafgesetzgebung an, wobei Preußen im Mittelpunkt steht. Das Schwergewicht seiner Überlegungen ist im zweiten Teil enthalten.

 

Hier behandelt der Verfasser das Strafgesetzbuch, die Reformen und Reformversuche bis zum Beginn der Strafrechtsreform, den Beginn der Strafrechtsreform, die Weimarer Republik mit ihren Versuchen der Verschmelzung der §§ 111 und 130 RStGB, die Zeit des Nationalsozialismus, die Reformdiskussion und Gesetzgebung nach 1945 und die Reformüberlegungen und deren Realisierung seit den Achtzigerjahren in chronologischer Reihung sehr sorgfältig und formuliert dazu zahlreiche Zwischenergebnisse. Danach fasst er seine Erkenntnisse zusammen und stellt dabei insgesamt fest, dass erste Vorgänger der Vorschrift erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Ausgleich von aus der Pressefreiheit befürchteten Gefahren geschaffen wurden und dass § 130 StGB vom zweiten Deutschen Reich bis in die Zeit der Bundesrepublik entgegen der politisch naheliegenden Erwartung zunächst wörtlich unverändert blieb und fragt auf dieser Grundlage nach der Widerspiegelung eines Funktionswandels in der späteren Bezeichnungsänderung.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler