Rogg, Matthias, Armee des Volkes? Militär und Gesellschaft in der DDR (= Militärgeschichte der DDR 15). Links, Berlin 2008. XIV, 687 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Armee des Volkes war anfangs nicht das Wunschthema des in Wittmund 1963 geborenen, 1983 in die Bundeswehr als Berufssoldat eintretenden, von 1989 bis 1993 in Freiburg im Breisgau neuere/neueste Geschichte, Kunstgeschichte und mittlere Geschichte studierenden, von 1994 bis 1998 bei dem Aufbau des Museums des Dreißigjährigen Krieges in Wittstock an der Dosse, der flächenmäßig sechstgrößten Stadt Deutschlands, tätigen, 1998 über Soldatenbilder - Studien zur bildlichen Darstellung von Kriegsleuten im 16. Jahrhundert promovierten Verfassers. Die Vielschichtigkeit des Themas und die Möglichkeit einer anregenden Teamarbeit im Militärgeschichtlichen Forschungsamt überzeugten ihn jedoch. Als Frucht intensiver langjähriger Bemühungen konnte er im Jahre 2008 seine fragende Untersuchung über die Armee des Volkes vorlegen, auf Grund deren er als erster habilitierter Militärhistoriker, der zugleich aktiver Soldat der Bundeswehr (derzeit Oberstleutnant) war, im Fach neuere Geschichte der philosophischen Fakultät der Universität Potsdam habilitiert wurde.

 

Ausgangpunkt war die interessante Frage, ob die Landesverteidigung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, in der schließlich etwa jeder fünfte Bürger im erwerbstätigen Alter in einer (para)militärischen Organisation erfasst war, real oder nur verbal eine Sache des ganzen Volkes war. Ihr widmet sich der Verfasser vor allem auf der Grundlage von mehr als 4000 unveröffentlichten, teilweise erstmals ausgewerteten Akten. Er gliedert dabei nach einer Fragestellung, Forschungsstand, Quellendiskussion , Methode und Aufbau beschreibenden Einleitung in acht Sachkapitel über Selbstbild, Freundbild, Feindbild, Strukturen der wehrpolitischen Mobilisierung, Motivation, Systemwelt und Lebenswelt in der Kaserne, Lebenswelt am Standort, Einsatz bei volkswirtschaftlichen Aufgaben, die Zeit nach dem Ehrendienst und einen Längsschnitt.

 

Im Ergebnis sieht er überzeugend die Frage, ob die Nationale Volksarmee unter der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei eine Armee des Volkes war, noch vor ihrer Auflösung als eigenständig und unmissverständlich selbst mit einem großen Nein und einem kleinen Ja beantwortet an. Die Gesellschaft der Deutschen Demokratischen Republik lehnte offenbar das Militär nicht grundsätzlich ab, ohne dass sich die genauen Ursachen dieser Perzeption bisher sicher ermitteln lassen. Der eigene Beitrag des Einzelnen beruhte aber - wie wohl auch andernorts - statt auf Neigung auf Pflicht und blieb letztlich vor allem kritisch in Erinnerung.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler