Reynolds, Susan,
Before Eminent Domain. Toward a History of Expropriation of Land for the Common
Good.
Dieser Essay deckt einen weiten geographischen
(hauptsächlich Westeuropa und Amerika) und zeitlichen (Antike bis 1800) Bereich
ab und argumentiert, dass der Ursprung des „eminent domain“ (ein von Hugo
Grotius geprägter Begriff, der heute vornehmlich in Amerika Verwendung findet) nicht
in einem übergeordneten Rechtsanspruch auf Land zu finden ist, der Feudalismus
somit keine Rolle spielte, und dieses in Westeuropa schon vor dem 12.
Jahrhundert zu findende Phänomen auch keinem neuen Gesetz und keiner neuen Idee
von Gemeinwohl entsprang, also nicht „geboren“ wurde, sondern vielmehr seit
frühester Zeit im Gemeinwesen vorhanden war. Die vor dem 12. Jahrhundert zu
findenden Belege für Landenteignungen zum Wohle der Gemeinschaft sind
weitverstreut, was entweder darauf schließen lässt, dass es in dieser Zeit wenig
Landenteignungen gab oder dass diese als normal angesehen wurden und daher nicht
begründet werden mussten. Die Zunahme der Belege im 12. Jahrhundert kann mit
der besseren Überlieferung der Dokumente zusammen hängen und/oder mit einem
Zuwachs an Enteignungen aufgrund wirtschaftlichen Wachstums und
Städtegründungen und dem Bau von Befestigungsanlagen erklärt werden. Allerdings
zeigen die ersten Belege für „eminent domain“ eine Frühform: so wurde für das der Kirche von den
Karolingern zur Landesverteidigung des Landes genommene Land gegen eine jährliche
Nutzungsgebühr nur geliehen, und frühe englische Beispiele zeigen, dass Land
getauscht wurde, wenn es für das Gemeinwohl und den gemeinen Nutzen (beide
Begriffe werden vor 1800 synonym benutzt) benötigt wurde, während unter
„eminent domain“ der völlige Verlust aller Rechte auf das enteignete Land gegen
Entschädigung verstanden wird. Warum das Enteignungsrecht gegen Kompensation so
weitläufig akzeptiert wurde, liegt darin begründet, dass das Streben nach dem
Allgemeinwohl die Hauptaufgabe einer jeden Gemeinschaft war und diese Aufgabe
auch bestehen blieb, als den individuellen Rechten mehr Gewicht beigemessen
wurden. Es ist die Absicht der Autorin, Denkanstöße zu geben, auf
Forschungsdesiderate hinzuweisen und ein Plädoyer für vergleichende
Geschichtswissenschaft abzuhalten, was ihr in beeindruckendem Maße gelingt.
London Susanne
Jenks