Reynolds, Susan, Before Eminent Domain. Toward a History of Expropriation of Land for the Common Good. University of North Carolina Press, Chapel Hill 2010. VIII, 175 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Dieser Essay deckt einen weiten geographischen (hauptsächlich Westeuropa und Amerika) und zeitlichen (Antike bis 1800) Bereich ab und argumentiert, dass der Ursprung des „eminent domain“ (ein von Hugo Grotius geprägter Begriff, der heute vornehmlich in Amerika Verwendung findet) nicht in einem übergeordneten Rechtsanspruch auf Land zu finden ist, der Feudalismus somit keine Rolle spielte, und dieses in Westeuropa schon vor dem 12. Jahrhundert zu findende Phänomen auch keinem neuen Gesetz und keiner neuen Idee von Gemeinwohl entsprang, also nicht „geboren“ wurde, sondern vielmehr seit frühester Zeit im Gemeinwesen vorhanden war. Die vor dem 12. Jahrhundert zu findenden Belege für Landenteignungen zum Wohle der Gemeinschaft sind weitverstreut, was entweder darauf schließen lässt, dass es in dieser Zeit wenig Landenteignungen gab oder dass diese als normal angesehen wurden und daher nicht begründet werden mussten. Die Zunahme der Belege im 12. Jahrhundert kann mit der besseren Überlieferung der Dokumente zusammen hängen und/oder mit einem Zuwachs an Enteignungen aufgrund wirtschaftlichen Wachstums und Städtegründungen und dem Bau von Befestigungsanlagen erklärt werden. Allerdings zeigen die ersten Belege für „eminent domain“ eine Frühform:  so wurde für das der Kirche von den Karolingern zur Landesverteidigung des Landes genommene Land gegen eine jährliche Nutzungsgebühr nur geliehen, und frühe englische Beispiele zeigen, dass Land getauscht wurde, wenn es für das Gemeinwohl und den gemeinen Nutzen (beide Begriffe werden vor 1800 synonym benutzt) benötigt wurde, während unter „eminent domain“ der völlige Verlust aller Rechte auf das enteignete Land gegen Entschädigung verstanden wird. Warum das Enteignungsrecht gegen Kompensation so weitläufig akzeptiert wurde, liegt darin begründet, dass das Streben nach dem Allgemeinwohl die Hauptaufgabe einer jeden Gemeinschaft war und diese Aufgabe auch bestehen blieb, als den individuellen Rechten mehr Gewicht beigemessen wurden. Es ist die Absicht der Autorin, Denkanstöße zu geben, auf Forschungsdesiderate hinzuweisen und ein Plädoyer für vergleichende Geschichtswissenschaft abzuhalten, was ihr in beeindruckendem Maße gelingt.

London                                                                                                                      Susanne Jenks