Räisänen, Päivi, Ketzer im Dorf. Visitationsverfahren, Täuferbekämpfung und lokale Handlungsmuster im frühneuzeitlichen Württemberg (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 21). UVK, Konstanz 280 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die mit einem Bild von einer Gefangennahme von Täufern bei einer Versammlung in einem Wald der Herrschaft Grüningen im Mai 1526 geschmückte Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung der von Rebekka Habermas betreuten, zu Beginn des Jahres 2009 an der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen eingereichten Dissertation der in  Helsinki als Historikerin lebenden Verfasserin über ein nicht nur aus finnischer Sicht der Bearbeiterin zunächst etwas exotisch erscheinendes Thema. Sie eröffnet ihre Darstellung mit einer Bitte des Schorndorfer Spezialis Johann Hützelin vom 20. Juni 1616 an Herzog Friedrich von Württemberg um Rat darüber, was er mit der 50jährigen Barbara Halt aus Urbach tun solle, die seit längerer Zeit weder zum Gottesdienst noch zum Abendmahl gehe. Damit wollte er im Grunde auf ein allgemeineres Problem hinweisen.

 

Ihre diesbezügliche Untersuchung gliedert die Verfasserin nach einer den Forschungsgegenstand, die Forschungslage, die Quellen und die Vorgehensweise beschreibenden Einleitung in fünf Sachkapitel. Zunächst stellt sie Württemberg und das Amt Schorndorf sowie die seit 1522 von Ulrich Zwingli in Zürich ausgehenden Täufer in Württemberg und im Schorndorfer Raum dar. Danach behandelt sie nacheinander die obrigkeitlichen Täuferbilder (Täuferordnungen) und die Täuferbekämpfung in Württemberg, die Visitatoren als Normanwender und Akteure der Täuferbekämpfung, die Kräftefelder vor Ort (lokale Kirchendiener, weltliche Amtsträger) einschließlich der Teilnahmepflicht der Bevölkerung am kirchlichen Leben und die als Täufer Vorgeladenen an Hand ihrer vielfach archivalischen Quellen so detailliert wie möglich.

 

Ihr Untersuchungsziel war die Entwicklung von Ansätzen einer Kulturgeschichte der Visitation und einer Kulturgeschichte der Täufer an Hand eines ausgewählten Untersuchungsmaterials. Als entscheidend für den Umgang mit den Täufern in Württemberg ermittelt sie dabei die von den Obrigkeiten wahrgenommene Bedrohung der noch nicht gefestigten lutherischen Gesellschaftsordnung, für welche die Täufer als Negativfolie dienen konnten. Auch wenn der Ausgang einer Visitation nicht von vornherein festgelegt war, empfahl sich nach den vielfältigen Ergebnissen der gelungenen Studie doch für die Betroffenen ein möglichst geschmeidiges Verhalten.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler