Privilege and Property. Essays on the History of Copyright, edited by Deazley, Ronan/Kretschmer, Martin/Bently, Lionel. Open Book Publishers, Cambridge 2010. XII, 438 S., 11 Abb. Besprochen von Rainer Nomine.

 

Im März 2008 öffnete das digitale Archiv „Primary sources of Copyright (1450-1900)“ seine virtuellen Pforten (www.copyrighthistory.org). Die von dem UK Arts and Humanities Research Council (AHRC) gegründete Sammlung gewährt direkten Zugriff auf mittlerweile mehr als 550 bedeutende Zeugnisse der europäischen wie der nordamerikanischen Urheberrechtsgeschichte. Die von Lionel Bently (Bournemouth University) und Martin Kretschmer (University of Cambridge) verantwortete Datenbank soll insbesondere in den anglo-amerikanischen Raum hineinwirken, wo die urheberrechtliche Diskussion eher seltener rechtshistorischen Argu­menten zugänglich ist. Der hier anzuzeigende, physisch und selbstverständlich auch „online“ erwerbbare Sammelband nun ist die Frucht einer international besetzten Eröffnungskonferenz des Archivs und will - so der  Klappentext - eine „neue Geschichte“ des Urheber-/Nachdruckrechts konzipieren; die Beiträge decken denn auch einen sich von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert erstreckenden Zeitraum ab. Das Werk enthält einen Einleitungsaufsatz der Herausgeber, der nach der anregenden Erörterung der Grundfrage: Was macht (eigentlich) die Geschichte des geistigen Eigentums aus? („What is Copyright History?“) vorab erklärt, aus welchem Blickwinkel die fünfzehn folgenden Beiträge von Fachjuristen, Geschichts-, Kultur-, Medien- und Musikwissenschaftlern zur Erhellung des genannten Großthemas beitragen sollen. Neben der (auch rechtsvergleichenden) Darstellung von Grundlinien der Debatte um das geistige Eigentum (etwa in dem Beitrag: „Metaphors of Intellectual Property“ von William St. Clair, University of London) gibt dann die große Mehrzahl der Aufsätze eine - dem Untertitel des Bandes: „Essays on the History of Copyright“ eher entsprechende - Schilderung ganz konkreter geschichtlicher Gegebenheiten in abgegrenzten Regionen Europas (vornehmlich Italien, England, Frankreich, Deutschland) und Nordamerikas. So befasst sich etwa Joanna Kostylo (Centre of Research in the Arts, Social Sciences and Humanities, Cambridge) näher mit dem Venedig der Renaissancezeit, das sie als „home of the first printing privileges in Europe“ bezeichnet. Ronan Deazley (University of Glasgow) handelt von der britischen „Fine Arts Copyright Bill“ von 1862 und Fréderic Rideau (Université de Poitiers) spricht anschaulich über einen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geführten „Krieg“, in dem die Pariser Buchhändler bestimmte Monopole gegen ihre Kollegen aus der Provinz zu verteidigen suchten. Für den deutschen Leser interessant ist schließlich die von Friedemann Kawohl (Bournemouth University) gegebene neuerliche Darstellung der Vorgänge um die Kodifizierung des Verlagsrechts in Preußen (in den §§ 996-1036, Teil I, Titel 11 ALR von 1794). Der Musikwissenschaftler, der auch über den nach dem preußischen Urheberrechtsgesetz von 1837 gebildeten musikalischen Sachverständigenvereingearbeitet hat, schildert in seinem unter anderem auf die Akten des Geheimen Staatsarchivs in Berlin gestützten Beitrag („The Berlin Publisher Friedrich Nicolai and the Reprinting Section of the Prussian Statute Book of 1794)“ eindringlich, wie der umtriebige Buchhändler und Lobbyist Nicolai wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung des preußischen Nachdruckrechts nahm. Kawohl ist schließlich einer der Autoren des Sammelbandes, der die Bedeutung der Urheberrechtsgeschichte für das Verständnis des geltenden Rechts betont: Für ihn beruhen die §§ 996 ff. ALR auf einer typisch deutschen, stark personalistischen Sicht der Dinge („personalistic view of copyright“), die noch heute fortwirke und etwa den bekannten „Heidelberger Appell“ von 2009 beeinflusst habe.

Lübben                                                                                   Rainer Nomine