Lusiardi, Ralf, Stiftung und städtische Gesellschaft. Religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund (= Stiftungsgeschichten 2). Akademie Verlag, Berlin 2000.. 298 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Stiftung ist in der Gegenwart eine wichtige Rechtsfigur im privaten wie im öffentlichen Recht, obwohl der sie begründende Stifter meist nicht mehr lebt. In der Rechtsgeschichte haben sich etwa Reicke, Pleimes oder Liermann um sie besonders verdient gemacht. Aus diesem Grunde darf auch auf einen freundlichen Hinweis Michael Borgoltes hin vom Herausgeber verspätet auf die Untersuchung Ralf Lusiardis hingewiesen werden.

 

Bei ihr handelt es sich um die von Michael Borgolte angeregte und in jeder Phase geförderte, im Wintersemester 1997/1998 von der philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich außer in Einleitung und Schlussbetrachtung in fünf Abschnitte. Sie betreffen die Forschungslage, Quellen und Methode, Schenken (oder besser Geben?) und Stiften, die Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung, den Zusammenhang mit Jenseitsvorstellungen und die Motive, Moden und Funktionen.

 

Ausgangspunkt des Verfassers ist ein neuer, sozialhistorischer Stiftungsbegriff, der nicht die intendierte Dauerhaftigkeit des Stiftungsguts, sondern die durch die Vergabung geschaffenen sozialen Beziehungen zum entscheidenden Kriterium erhebt, von deren Bindekraft nach der Überzeugung des Verfassers der Erfolg einer Stiftung abhängt. Sehr ansprechend ist auch, dass der Verfasser das gesamte Stiftungswesen einer wirtschaftlich bedeutenden spätmittelalterlichen Stadt trotz erheblich unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen in den Blick genommen hat. Da die Stiftung aus wirtschaftlichen Gründen weitgehend den wohlhabenderen städtischen Schichten vorbehalten bleiben musste, mussten im Rahmen  wachsender Heilsunsicherheit verschiedener Jenseitsmodelle die besitzschwachen Sünder nach Ansicht des Verfassers verzweifeln oder auf einen anderen, durch Martin Luther schließlich auch gewiesenen Weg zur Seligkeit hoffen, wass vermutlich durch weitere Einzelstudien weiter abgesichert werden könnte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler