Lang, Hans-Joachim, Als Christ nenne ich Sie einen Lügner. Theodor Rollers Aufbegehren gegen Hitler. Hoffmann und Campe, Hamburg 2009. 240 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Zuffenhausen als Sohn eines bei Weltkriegsende geschiedenen Juristen und Zeitungsredakteurs geborene und am 30. Oktober 2008 (13 Tage nach der Lektüre des über ihn geschriebenen Buchmanuskripts) gestorbene Theodor Roller gehörte seit 1930 der Hitlerjugend an, lehnte nach seinem Austritt als Mitglied des christlichen Vereins junger Männer aber 1937 den Fahneneid auf Adolf Hitler aus christlicher Überzeugung ab. Deswegen wurde gegen ihn ein Militärgerichtsverfahren eröffnet, in dessen Verlauf er wegen des Verdachts auf Schizophrenie in die Psychiatrie in München eingewiesen wurde. Nach vier Monaten wurde er entlassen.

 

In einem von zwei an Adolf Hitler gerichteten Briefen schrieb er am 11. Februar 1939: Als Christ nenne ich Sie einen Lügner und als Deutscher den größten Volksschädling, der je die deutsche Erde betrat. Im Rahmen eines der Verhaftung vom 18. 3. 1939 am Arbeitsplatz als Buchhalter folgenden Strafverfahrens wurde er von einem Sondergericht in Stuttgart trotz eines gegenteiligen psychiatrischen Gutachtens in die Heil- und Pflegeanstalt Weißenau eingewiesen, wodurch er den Krieg überlebte. Diese Geschehnisse eines individuellen, wenn auch erfolglosen Widerstands zeichnet der in Speyer 1951 geborene, journalistisch tätige, in der Germanistik promovierte Verfasser in seinem handlichen, auf mündlichen Schilderungen und archivalischen Recherchen beruhenden Werk gut lesbar aufklärend nach.

 

Eigentlich sollte jeder jeden erwiesenen Lügner stets als das benennen dürfen, was er tatsächlich ist, weil in der Wahrheit die Freiheit begründet ist. Allerdings stößt dieses Prinzip an vielen Stellen auf menschlichen Widerstand, weil es der grundlegenden Erkenntnis zuwiderläuft, dass die Welt getäuscht werden will, weshalb es sehr viele Lügner gibt. Immerhin hat sein Adolf Hitler der Lüge bezichtigender Brief Theodor Roller nicht unmittelbar das Leben gekostet, so dass seine Biographie auch als Ermutigung zur (mindestens subjektiven) Wahrheit selbst im Alltagsleben verstanden werden kann und muss.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler