Krenz, Egon, Gefängnis-Notizen. edition ost, Berlin 2009. 238 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der als Sohn eines Schneiders in Kolberg in Pommern am 19. März 1937 geborene, 1944 von seinen Eltern auf die Flucht nach Damgarten mitgenommene Egon Krenz wurde 1953 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Mitglied der Freien Deutschen Jugend und 1955 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, studierte nach einer abgebrochenen Schlosserlehre (ab 1953) am Institut für Lehrerbildung in Putbus auf Rügen und beendete diese Ausbildung 1957 mit dem Staatsexamen. Nach seinem Dienst in der Nationalen Volksarmee wurde er 1959 zweiter, später erster Kreissekretär der FDJ in Rügen, nach einem Studium der Gesellschaftswissenschaften an der Parteihochschule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in Moskau 1967 Sekretär des Zentralrats der FDJ. Ab 1971 war er Abgeordneter der Volkskammer, ab 1973 Mitglied des Zentralkomitees der SED, ab 1981 Mitglied des Staatsrats, ab 1983 Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der SED, ab 1984 Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrats und damit zweiter Mann hinter Erich Honecker.
Nach dem Rücktritt Erich Honeckers wurde Egon Krenz am 18. Oktober 1989 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und am 24. Oktober 1989 Vorsitzender des Staatsrats. Nach dem Rücktritt des Zentralkomitees der SED am 3. Dezember 1989 gab er am 6. Dezember 1989 den Vorsitz des Staatsrats ab und legte im Januar 1990 sein Mandat in der Volkskammer nieder. 1997 wurde er in einem von ihm als ungerecht empfundenen Strafprozess zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt und noch im Gerichtssaal verhaftet, nach wenigen Wochen wieder freigelassen, einige Jahre später aber doch zur Verbüßung der Strafhaft gezwungen.
In dieser Haft in Moabit, Hakenfelde und Plötzensee führte er ein Tagebuch. Nach dem Vorbild von Erich Honeckers Moabiter Notizen legte er 2009 seine Gefängnis-Notizen vor. Dass sie aus seiner Sicht Voreingenommenheit, Unverständnis und Unrecht in dedr Bundesrepublik Deutschland erweisen, kann nicht wirklich überraschen, doch erfordert die Freiheit in jedem Fall, dass jedermann der Allgemeinheit seine Wahrheit zur Verfügung stellt, weil nur im pluralistischen Zusammenwirken vieler Ausführungen eine Annäherung an Recht und Gerechtigkeit gelingen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler