Kirschbaum, Jochen, Die Etablierung der Historischen Rechtsschule an der Ludoviciana (1814-1824) (= Rechtshistorische Reihe 419). Lang, Frankfurt am Main 2011. XII, 380 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Martin Lipp nach den Worten des Verfassers ausgewogen, engagiert und auch in menschlicher Hinsicht so angenehm wie offen unterstützte, im Sommersemester 2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Gießen angenommene, von der juristischen Studiengesellschaft Gießen e. V. ausgezeichnete und mit einem großzügigen Druckkostenzuschuss ausgestattete Dissertation des Verfassers. Sie greift ein sehr interessantes, wissenschaftsgeschichtliches Thema auf. In einer Einführung und vier Abschnitten mit insgesamt 8 Kapiteln nähert sie es angemessenen, wenn auch nicht grundstürzend neuen Ergebnissen.

 

Nach der Betrachtung Gießens zur Zeit der Schulgründung, des Untersuchungsgegenstands und des Diskussionsstands sowie der Erläuterung der angewandten Methode erörtert der Verfasser einige Thesen aus den Gründungsschriften und als relevante Kernthemen des Schulprogramms Erkenntnistheorie, Geschichtstheorie, Rechts- und Rechtsquellenlehre, Methode und letztlich nicht besonders wichtige Kodifikationsfrage. Es folgen die lokal-historischen Bedingungen (Stadt, Universität, Fakultät, Lehrpläne und Inhalte). Einzeln und teilweise sehr detailliert wendet sich der Verfasser dann Carl Theodor Welcker, Josef Ludwig Anton Schaumann, Egid von Löhr, Gustav Marezoll, Johann Adam Fritz und Johann Heinrich Bender zu.

 

Im Ergebnis stellt er anscheinend zu seiner Überraschung fest, dass sich die Etablierung der historischen Rechtsschule in dem Berlin nicht besonders nahen Gießen (in der Rechtsquellenlehre, der juristischen Methode und in der dogmatisch-systematischen Konstruktion) langsam und stufenweise über einen Zeitraum von elf (oder eher zwölf?) Jahren (1813-1824) vollzog. In zeitlicher Hinsicht sieht er vor allem bei Löhr bereits vor der Schulgründung und umso mehr seit seinem Ruf nach Gießen wesentliche Teile von Savignys Denken durchaus originell und ohne ausdrückliches Bekenntnis aufgenommen und fortentwickelt, obwohl ihm insgesamt allerdings Einflüsse Hugos und Savignys teilweise sogar zu verschwimmen scheinen. Einige handwerkliche Schwächen (z. B. Eisenhardt zitiert als Eisenhard, Entwicklung im Fachbereich des frühen 19. Jahrhunderts) trüben den positiven Gesamteindruck der theorieakzentuierten Leistung nicht wirklich erheblich.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler