Kimmich, Martin, Die Kleinbetriebsklausel des Kündigungsschutzgesetzes. Eine rechtsgeschichtliche, verfassungsrechtliche und rechtssoziologische Untersuchung (= Europäische Hochschulschriften 2, 4889). Lang, Frankfurt am Main 2009. 174 S., zahlr. Tab. und Graph. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Armin Höland betreute, 2008 an der Universität Halle-Wittenberg angenommene Dissertation des in Hamburg 1972 geborenen, von 2003 bis 2006 im Forschungsprojekt Regulierung des Arbeitsmarkts des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung mitarbeitenden und seit 2007 als politischer Sekretär der Industriegewerkschaft Metall tätigen Verfassers. Ihr Ziel ist in erster Linie die rechtssoziologische Überprüfung der kündigungsschutzrechtlichen Kleinbetriebsklausel, nach der für Kleinbetriebe der Kündigungsschutz eingeschränkt ist. Dabei geht der Verfasser insbesondere auch der Frage nach, welche Bedeutung empirischen Erkenntnissen für die verfassungsrechtliche Überprüfung von Rechtssätzen zukommt.

 

Das erste seiner drei Kapitel verfolgt rechtshistorisch die Entwicklung der Kleinbetriebsklausel vom Deutschen Reich über die Weimarer Reichsverfassung, das Betriebsrätegesetz 1920, das Dritte Reich, das Kündigungsschutzgesetz von 1951, die Beschäftigungsförderungsgesetze von 1985 und 1996 bis zur jüngsten Vergangenheit und ermittelt dabei das Fehlen betriebsbezogener Rationalität, aber auch einen allmählichen Verständniswandel. Kapitel 2 betrifft den verfassungsrechtlichen Rahmen. Auf dieser Grundlage untersucht der Verfasser abschließend die Annahmen über die Wirkungen der Kleinbetriebsklausel.

 

Da etwa im Jahre 2003 fast 5 Millionen Beschäftigte in Betrieben mit bis zu 9 Beschäftigten tätig waren, sind die Ergebnisse des Verfassers rechtspolitisch durchaus gewichtig. Zu Recht weist er dabei daraufhin, dass die  Bewertung der Rahmenbedingungen bei der Ausgestaltung des § 23 I KSchG durch den Gesetzgeber in seinen politischen Verantwortungsbereich fällt (statt des vom Verfasser verwendeten fallen) und der Gesetzgeber seine politischen Entscheidungen nicht mit Hilfe empirischer Erkenntnisse begründen muss, dass diese Entscheidungen aber mit Hilfe empirischer Erkenntnisse in Frage gestellt (statt des vom Verfasser verwendeten widerlegt) werden können. Deswegen sieht es der Verfasser als wünschenswert an, dass die (in der Gegenwart bestimmenden) politischen Akteure ihre Pläne einer immer weitergehenden Einschränkung des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes in Zukunft hinterfragen und sich stärker als bisher den Erkenntnissen der empirischen Sozialforschung zuwenden, wofür vermutlich aber bereits nach den nächsten Bundestagswahlen kein akuter politischer Bedarf mehr bestehen wird.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler