Kelsen, Hans, Werke, Band 3 Veröffentlichte Schriften 1911-1917, hg. v. Jestaedt, Matthias in Kooperation mit dem Hans-Kelsen-Institut. Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. X, 871 S. Besprochen von Thomas Olechowski.

 

Der vorliegende Band vereint fünfundzwanzig, nach Inhalt, Form und Umfang sehr unterschiedliche Arbeiten Kelsens, die er zwischen 1911 und 1917 veröffentlichte. Beruflich war er zu jener Zeit zunächst an der k.k. Exportakademie (der Vorläuferin der heutigen Wirtschaftsuniversität Wien), ab 1914 in verschiedenen Bereichen der Militärverwaltung, zuletzt als Berater des k.u.k. Kriegsministers, tätig. Diese äußeren Umstände spiegeln sich in Schriften wie jener über den „Buchforderungseskont und die inakzeptable deckungsberechtigende Tratte“ (S. 93–103) oder „Zur Reform der verfassungsrechtlichen Grundlagen der Wehrmacht Österreich-Ungarns“ (S. 615–629) wider. Aber auch viele bekannte(re) Arbeiten Kelsens finden sich hier, wie etwa das literarische Gefecht, das er sich mit Eugen Ehrlich zur Frage der Rechtssoziologie lieferte (S. 317–358, 607–612, 613–614), die Arbeit über „Rechtsstaat und Staatsrecht“ (S. 147–155), in der Kelsen bereits knapp vor der (erst 1920 explizit ausgesprochenen) Erkenntnis der Identität von Staat und Recht steht, sowie seine Untersuchung über „Reichsgesetz und Landesgesetz“ (S. 359–425), in der er das Verhältnis zweier Normensysteme zueinander untersucht – eine wichtige Vorarbeit für die ebenfalls erst 1920 ausformulierte Lehre von der Grundnorm! Besonders aufmerksam gemacht werden soll aber auch auf seine 1913 erschienene Arbeit über „Politische Weltanschauung und Erziehung“ (S. 112–145), die im Zusammenhang mit Kelsens damaliger Lehrtätigkeit im Volksbildungswesen steht, und in der er sich dafür ausspricht, schon an den Schulen (verfassungs)juristische Kenntnisse zu vermitteln, damit später die Staatsbürger in der Lage seien, aktiv am politischen Geschehen mitzuwirken. Insofern erweist sich Kelsen noch zur Zeit der Monarchie als Verfechter moderner demokratischer Ideen.

 

Ausstattung des Buches und Qualität der Edition blieben gegenüber Band 2 unverändert. Es gilt diesbezüglich das von mir in meiner letzten Rezension (vgl. ZRG GA 128 [2011] ##) Gesagte.

 

Wien                                                                                                  Thomas Olechowski