Johann Gustav Droysen. Facetten eines Historikers, hg. v. Ries, Klaus (= Pallas Athene 34). Steiner, Stuttgart 2010. 230 S., 9 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit Johann Gustav (Bernhard) Droysen (Treptow an der Rega 6. Juli 1808-Berlin 19. Juni 1884) als einem Begründer der deutschen Geschichtswissenschaft hat sich zuletzt in einer Schilderung eines Lebens zwischen Wissenschaft und Politik Wilfried Nippel befasst, ohne eine Biographie zu schreiben (vgl. die Rezension Karsten Rupperts in ZRG GA 127 [2010]). Bereits zuvor hatte der Sonderforschungsbereich 482 (Ereignis Weimar-Jena. Kultur um1800) gemeinsam mit der Senatskommission zur Aufarbeitung der Jenaer Universitätsgeschichte im 20. Jahrhundert unter dem Titel „Was bleibt von der ,Historik’? Johann Gustav Droysen in Jena“ im Juli 2007 an der Universität Jena eine Tagung veranstaltet. Damit sollte daran erinnert werden, dass Droysen im Sommersemester 1857 erstmals seine methodologische Grundvorlesung Historik abgehalten hatte.

 

Da zugleich auf den 200. Geburtstag Droysens hingewiesen werden sollte, war die Tagung auch dem Menschen Droysen gewidmet, nicht dagegen dem Politiker der frühen Jahre. Ziel war eine Mischung von ideengeschichtlicher und lebensweltlicher Perspektive, bei der es in erster Linie um den Geschichtstheoretiker, der das hermeneutische Verfahren geschärft und eine wichtige Grundlage für die Entwicklung des Verständnisses von Geschichte als Wissenschaft gelegt hat. Dem entsprechen die insgesamt 11 Beiträge, die sich überzeugend als Facetten verstehen.

 

Den Beginn bildet die Berufung Droysens nach Jena (Stefan Gerber), wo die Historik entsteht (Stephan Paetrow), die Helmut G. Walther zum Positivismus des deutschen Historismus bzw. Klaus Ries zur Tradtion der Aufklärungshistorie in Beziehung setzt. Hans-Christof Kraus betrachtet die historische Entfaltung der Freiheit, Falko Schnicke Droysens Biographik zwischen idealistischer Geschichtsphilosophie und kleindeutscher Realpolitik, Christiane Hackel die Entstehung des hermeneutischen Paradigmas bei August Boeckh und Droysen, während Helmut Hühn der methodologischen, erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Reflexion des Verstehens bei Droysen nachspürt. Abschließend zeigt Regina Schulte Droysen in seinen Briefen an seine Schwestern, Miriam Sarah Marotzki Droysens Beziehung zu den bildenden Künsten sowie Wilfried Nippel Droysen in internationaler Perspektive, so dass eine Reihe neuer, freilich erst nachträglich im Druck vorgelegter Erkenntnisse für die Lebensschilderung zur Verfügung stand, die Wilfried Nippel unter Zeitdruck zum 200. Geburtstag auf Initiative des Verlags Beck verfasste.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler