Jan z Gelnhausenu, Příručka práva městského (Manipulus vel directorium iuris civilis). K vydání připravil Flodr, Miroslav [Johann von Gelnhausen, Handbuch des Stadtrechts >Manipulus vel directorium iuris civilis<, hg. v. Flodr, Miroslav] (= Prameny dějin moravských [Quellen zur Geschichte Mährens] 16). Matice Moravská, Brno (Brünn) 2008. 403 S.

 

Das aus den 1350er Jahren stammende Brünner Rechtsbuch (Schöffenbuch) des Schreibers Johann gehört zweifelsohne zu den bedeutsamsten in den Böhmischen Ländern entstandenen mittelalterlichen Rechtsbüchern. Es handelt sich hierbei um ein Rechtsdenkmal, dass auch im breiteren mitteleuropäischen Kontext als sehr bedeutend anzusehen ist. Dank dieser Tatsache wurde das Brünner Rechtsbuch schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Gegenstand des Forscherinteresses (E. F. Roessler, J. A. Tomaschek, E. Ott, J. Čelakovský). Im vorigen Jahrhundert befassten sich mit dem Brünner Rechtsbuch mehr oder weniger systematisch manche deutsch (O. Peterka, G. Schubart-Fikentscher, W. Trusen) und tschechisch (M. Boháček, F. Hoffmann, J. Dřímal) schreibende Forscher.

 

In den letzten mehr als zwei Dezennien widmete sich systematisch der Erforschung des Brünner Rechtsbuches und des Brünner mittelalterlichen Stadtrechts Miroslav Flodr (geboren 1929), jetzt Professor emeritus für Historische Hilfswissenschaften an der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität in Brünn. Er gab schon in den Jahren 1990-1993 eine umfangreiche dreibändige moderne kritische Edition des Brünner Rechtsbuches des Schreibers Johann heraus. Dem Brünner Stadtrecht in der Zeit von der Gründung der Stadt (1243) bis zum Ende des Wirken des Schreibers Johann (1359) galt Flodrs umfangreiche Monographie, die im Jahre 2001 veröffentlicht wurde. An diese Monographie knüpften in den Jahren 2006 und 2008 zwei weitere selbständige Publikationen an, in denen Flodr das Brünner Stadtrecht nach dem Ableben des Schreibers Johann (die Jahre 1359-1389), bzw. an der Neige des Mittelalters (1389-Ende 15. Jh.) behandelte.

 

Die rezensierte Publikation ist (nach der Edition der Sprüche des Brünner Stadtgerichts bis zum Jahre 1389, die 2007 erschien) bislang die letzte, aus dem Forscherinteresse Flodrs hervorgegangene Veröffentlichung über das mittelalterliche Brünner Stadtrecht. Es handelt sich hierbei um die Edition eines vorwiegend lateinisch abgefassten rechtlichen Manuskripts aus dem Jahre 1389, das allgemein unter dem Titel Manipulus vel directorium iuris civilis et collectus bekannt ist. Das angesprochene Manuskript wurde für die Geschichtsforschung schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Raigerner (Rajhrad) Benediktiner Piter und Habrich sowie von dem Professor des Rechts J. V. Monse entdeckt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts widmete sich der Untersuchung des Manipulus am intensivsten der Herausgeber der Prager und Brünner Rechtsdenkmäler des 13. und 14. Jahrhunderts Emil Franz Roessler. Auf die Bedeutung des Manipulus wies wiederholt in den 1880er und 1890er Jahren auch der tschechische Rechtshistoriker und Prager Stadtarchivar Jaromír Čelakovský hin.

 

Der Text des Manipulus ist in zwei Handschriften erhalten, nämlich in der Handschrift Nr. 3. des Archivs der Stadt Brünn (AMB) und in der  Handschrift sign. CO 328 der Bibliothek des Kapitels zu Olmütz. Die vorliegende Edition beruht auf beiden genannten Handschriften. Beide sind Papierkodizes, die in den 1380er Jahren in der Stadtkanzlei in Brünn entstanden. Die Autorschaft des Manipulus, das allgemein als ein umfangreiches Handbuch des Brünner Stadtrechts bezeichnet werden kann, wird allgemein Johann von Gelnhausen zugeschrieben, der als Stadtnotar in Brünn seit 1379 wirkte. Terminus ad quem für die Entstehung des Manipulus ist das Jahr 1389, in dem Johannes von Gelnhausen den Dienst in der Stadt Brünn verließ. Während das Handschrift Nr. 3. AMB dauerhaft im Besitz der Stadt Brünn verblieb, ging die künstlerisch wichtigere Handschrift sign. CO 328 durch die Hände mehrerer Inhaber, bevor sie in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in die Olmützer Kapitelbibliothek geriet.

 

In seiner wenig umfangreichen, aber inhaltsreichen Einführungsstudie zur Edition (S. 7-24) untersucht Flodr eingehend bekannte Angaben über das Leben und die Tätigkeit des Notars Johann von Gelnhausen. Gelnhausen begann seine Karriere als öffentlicher Notar, später wechselte er zur kaiserlichen Kanzlei Karls IV. über, in der er in den Jahren 1366-1374 das Amt des obersten Registrators versah. Anschließend trat er in den Dienst am Hofe des Bischofs von Olmütz Johannes von Neumarkt (Jan ze Středy) ein. In dieser Zeit beteiligte er sich an der Ausarbeitung einiger Formularsammlungen. Auf Fürbitte seines Gönners, des Markgrafen von Mähren Jošt (Jodok), wurde er 1379 zum Brünner Stadtnotar. Während seines ungefähr zehnjährigen Wirkens in der Stadtkanzlei konnte er eine gründliche Kenntnis des Brünner Stadtrechts erwerben. Er hatte die Möglichkeit sich mit der Rechtsmaterie vertraut zu machen, die sich in der Brünner Kanzlei aus der Zeit des früheren Notars Johann, Verfassers des Rechtsbuchs, erhielt. Zu dieser Materie gehörte auch der von Notar Johann bearbeitete Auszug aus den Digesten. Nach dem Jahre 1389, als er die Brünner Stadtkanzlei verließ, war Johann von Gelnhausen (nach Flodr) weiterhin als öffentlicher Notar vor allem in Brünn tätig. In den Jahren 1397-1404 hatte er das Amt des Stadtnotars in Jihlava (Iglau) inne, wo er gleichzeitig auch als Rektor der Stadtschule und öffentlicher Notar wirkte. Dort bearbeitete er auch allmählich eine umfassende Zusammenfassung des Iglauer Stadt- und Bergrechts.

 

Flodr bietet in seiner Einführung auch eine detaillierte Inhaltsanalyse des Manipulus dar. Bei der Bearbeitung des Manipulus ging Johann von Gelnhausen vom Brünner Rechtsbuch aus. Nichtsdestoweniger ließ er mehr als 60 Artikel des Brünner Rechtsbuchs aus, die er offensichtlich als nicht geeignet für ein allgemeiner ausgerichtetes Rechtshandbuch betrachtete. Umgekehrt erweiterte er den Manipulus um eine Anzahl von Artikeln, die das Original des Rechtsbuches nicht enthielt. Nach Flodrs Feststellungen handelte es sich zum kleineren Teil um neu entstandene Artikel und Rechtssprüche, zum größeren Teil um Artikel, die nur im Konzept des Brünner Rechtsbuches erfasst wurden, das in den 1380er Jahren immer noch in der Stadtkanzlei aufbewahrt wurde. Die genannten Artikel wurden aber zuletzt in das Original (die endgültige Version) des Rechtsbuchs nicht aufgenommen. Neben dem Brünner Rechtsbuch ist als zweite Hauptquelle des Manipulus der bereits genannte von Notar Johann gefertigte Auszug aus den Digesten zu nennen. Nach Flodr arbeitete Johann von Gelnhausen bei der Vorbereitung des Manipulus auch mit anderen Rechtsquellen, insbesondere mit dem Berggesetzbuch König Wenzels II. von 1300 (Ius regale montanorum). Insgesamt gelangt Flodr zum Schluss, dass „....der Manipulus in seinen 1389 Ansätzen wirklich eine breite und progressive Materie des Stadtrechts erfasste“ (S. 21) und dass er „… einen guten Behelf für die eigene Rechtspraxis darzustellen vermag“ (S. 22).

 

Die Edition des Manipulus folgt der Einführung auf den S. 25-234. Sie wird ergänzt durch umfassende Anmerkungen zu den einzelnen Artikeln (S. 235-323), die unter anderem auch eine inhaltliche und formelle Konkordanz der benutzten Textvorlagen (d. h. des Brünner und des Olmützer Handschrift) enthalten. Der Herausgeber führt hier auch an, welche Artikel aus dem obengenannten Auszug aus den Digesten übernommen wurden. Den Abschluss der Edition bildet ein umfangreiches Register (S. 324-385) sowie eine Konkordanz der Artikel des Brünner Rechtsbuchs und des Manipulus (S. 386-396) bzw. eines Auszugs aus den Digesten und dem Manipulus (S. 397-402).

 

Das rezensierte Werk stellt eine gute kritische Edition einer mittelalterlichen Rechtsquelle dar. Ernstere sachliche oder methodische Einwände lassen sich dagegen nicht erheben. Als Ganzes stellt die Edition des Brünner Manipulus nicht nur ein bedeutsames Editionsvorhaben zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Mähren und einen gewichtigen Betrag zur Erkenntnis des Brünner Stadtrechts dar, sondern ist auch als eine wertvolle und unübersehbare Bereicherung unserer Kenntnisse über die Entwicklung des mittelalterlichen Stadtrechts in Mitteleuropa anzusehen.

 

Prag                                                                                                   Petr Kreuz