Höbelt, Lothar, Kaiser Ferdinand III. Friedenskaiser wider Willen. Ares Verlag, Graz 2008. 488 S., 30 Ill. Besprochen von Karsten Ruppert und

 

Von Ferdinand III., dem Kaiser der letzten Phase der Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens, gibt es in der Tat bis heute keine wissenschaftliche Biografie. Die in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Lexikonartikel und Essays sind dafür kein Ersatz und die voluminöse Darstellung von M. Koch aus dem Jahre 1866 endet 1648 und entspricht in ihrer Mischung von habsburgischer Panegyrik und Apologie nicht mehr heutigen Standards. Um so mehr überrascht, dass sich mit Lothar Höbelt ein Historiker an das anspruchsvolle Unternehmen gewagt hat, der sich bisher nicht als Historiker der Epoche profiliert hat, sondern vor allem als Kenner der Habsburgermonarchie des 19. Jahrhunderts hervorgetreten ist. Nicht nur, aber auch deswegen nötigt die Art, wie Höbelt seine Aufgabe bewältigt, durchaus Respekt ab. Denn die zahlreichen Archive und Quellensammlungen sowie die umfangreiche Forschungsliteratur, die er ausgewertet hat, offenbaren den Ehrgeiz, ein Standardwerk vorzulegen, das sich allerdings wohl nicht nur an Wissenschaftler richtet.

 

Es gelingt Höbelt zunächst einmal, das bisher völlig vernachlässigte letzte Jahrzehnt der Regierungszeit Ferdinands III. aufzuhellen, wobei sich die Darstellung zu einem Überblick über die Lage der Erbländer weitet, freilich weniger struktur- als mehr personen- und familiengeschichtlich. Hier wie auch für die Zeit zuvor holt Höbelt weit aus. Einmal, indem er meist mehrere Schauplätze des europäischen Konflikts im Auge behält, doch zum andern auch dadurch, dass er sich in Details und Anekdoten verliert und gelegentlich doch recht weit abschweift. Schlachten, Entscheidungen und Verhandlungen werden breit nachvollzogen. Persönliche Rivalitäten, Intrigen, personale und familiäre Konstellationen am Hof, in denen sich die politischen Parteiungen widerspieglen, werden nicht ausgelassen, wie auch gelegentlich Persönliches über den Kaiser, seine Familie oder führende Männer eingestreut wird. Und schließlich bekommt alles auch Kolorit, indem der Aufbau des Hofes, dessen Alltag und die Vergnügungen der Hofgesellschaft gestreift werden. Mehr als einmal wird der Leser im Guten wie im Schlechten an die umfangreiche Darstellung der Gegenreformation von Moriz Ritter erinnert. So erfährt man viel; doch gerade deswegen überrascht, wie wenig Relevantes wirklich neu ist.

 

Der Titel des Buches legt es nahe zu vermuten, dass hier der Versuch der Biografie eines Kaisers im 17. Jahrhundert unternommen wird. Doch bezeichnend, dass nicht deutlich wird, ob diese Absicht überhaupt besteht. Denn die methodischen Implikationen dieser Gattung werden nicht reflektiert und es hätte bedacht werden müssen, ob das Selbstverständnis der Menschen dieses Jahrhunderts und nicht weniger wichtig Art und Anzahl der Quellen ein solches Unternehmen sinnvoll erscheinen lassen. Das Ergebnis spricht dagegen. Selbst als „politische Biografie“ in dem Sinne, dass eine Epoche aus der Sicht eines Individuums geschildert wird, kann man das Buch nur bedingt bezeichnen. Denn in der Breite der Darstellung der Geschichte des Reichs und der Erblande in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kommen der Kaiser, seine Regierung und sein Hof doch erstaunlich selten, auf den ersten 100 Seiten fast überhaupt nicht vor. Ein Bild von der Person oder der Persönlichkeit Ferdinands scheint nirgends auf. Es ist noch nicht einmal zu klären, wie viel von der Politik, die in seinem Namen gemacht wurde, auf ihn zurückgeht. Man darf dem Autor zugute halten, dass dies angesichts der Quellenlage wohl auch nicht gelingen kann.

 

Unterstellt man einmal die Einheit von Person und Amt, dann erscheint Ferdinand III. in diesem Buch als ein kompetenter Kaiser von Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein mit erkennbaren Vorlieben für Details und Militärfragen. In der großen Politik habe für ihn die Einheit des Hauses Habsburg mit Spanien oberste Priorität gehabt, so wenig er auch dazu beitragen konnte. Unzulänglichkeit, vor allem militärische, sei auch der Grund für die nachlassende politische Macht im Reich gewesen. Mit Nachdruck, doch etwas zu einseitig, wird darauf insistiert, dass der Einfall der Schweden in Prag denn auch der Auslöser dafür gewesen sei, dass Ferdinand sich zum Abschluss der Friedensverträge von Münster und Osnabrück gezwungen gesehen habe. Ob er das „wider Willen“, wie der Untertitel des Buches, doch nicht die Abhandlung selbst suggeriert, getan hat, ist weiterhin eine unbeantwortete Frage. Denn zu Recht wird unterstrichen, dass politisch und verfassungsrechtlich der Westfälische Frieden für das Verhältnis von Kaiser und Reich keinen so gravierenden Einschnitt markiert, vor allem wenn man auf die Praxis vor und nach dem Krieg schaut. Und hinsichtlich der anderen Bestimmungen der Friedensverträge ist anzunehmen, dass Höbelt seine These vom „Friedenskaiser wider Willen“ gar nicht erst aufgestellt hätte, wenn er Ferdinands eigenhändige Geheiminstruktion für Trauttmansdorff zur Kenntnis genommen hätte, das doch wohl aufschlussreichste Dokument für die kaiserlichen Vorstellungen vom Frieden. Im Einklang mit der Forschung wird Ferdinand III. im Vergleich zu seinem Vater eine größere Versöhnlichkeit gegenüber dem Protestantismus attestiert. Da sich diese aber vor allem im Reich zeigt und nicht in den Erblanden ist sie wohl eher den Umständen als Einsicht geschuldet.

 

Woher aber kommt es, dass diese anerkennenswerte Leistung nicht rundweg überzeugt? Da ist zunächst Höbelts Umgang mit der Forschung zu nennen. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er diese angesichts des beträchtlichen Zeitraums nicht ausreichend beachtet habe, wohl aber tut er dies öfters nicht eingehend genug. Daher stellt er kaum forschungsrelevante Fragen, vielmehr fließt zu vieles zu selbstverständlich dahin. Darüber hinaus hätten manche Teile dann auch deutlich verdichtet werden können. Eng damit zusammen hängen die kompositorischen Schwächen des Buches. Es wird als Ganzes wie in seinen Kapiteln von keiner Fragestellung, Idee oder These zusammengehalten. Daher wird der Leser zu oft von einer Masse von Fakten überschüttet, die mehr verwirren als erhellen. Dazu kommen ausführlich referierte Quellen, so dass die Darstellung mehr in die Breite als in die Tiefe geht. Autor und Leser sehen vor lauter Bäumen oft nicht den Wald. Es rundet sich zu wenig zu einem geschlossenen Bild und zu einer bleibenden Einsicht.

 

Die Art, in der Höbelt seine Ergebnisse präsentiert, wird nicht jedermanns Sache sein. Er ist ein geistreicher Autor mit einem immensen Wissen; das verleitet ihn aber auch zu Abschweifungen und nicht immer nachvollziehbaren Assoziationen. Gerne entwirft er große Tableaus, in denen sich dann aber wieder erkennbare Lücken finden. Er schreibt anschaulich, ja über weite Strecken sogar unterhaltend, manchmal auch blumig. Er bedient sich (wohl bewusst mit Blick auf ein breiteres Publikum) eines journalistischen Stils, der auch vor Anekdoten, gewagten Vergleichen und bewusst anachronistischen Bildern wie Modernismen nicht zurückschreckt; und schließlich liebt Höbelt eindeutige Urteile auch dann, wenn die Grundlage dafür schmal ist.

 

Eichstätt                                                                                 Karsten Ruppert