Herbers, Klaus/Neuhaus, Helmut, Das Heilige Römische Reich. Ein Überblick (= UTB 3298 S). Böhlau, Köln 2010. 371 S., 6 Abb. Besprochen von Arno Buschmann.

 

Mit dieser Taschenbuchausgabe machen die Autoren den Text ihres erfolgreichen Werkes „Das Heilige Römische Reich. Schauplätze einer tausendjährigen Geschichte (843-1806)“ erneut zugänglich, das in erster Auflage 2005 und in zweiter Auflage ein Jahr später erschienen ist und in höchst anschaulicher Weise die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches von seinen Anfängen im 9. Jahrhundert bis zu seinem Ende 1806 zu schildert. Die Autoren haben den Text geringfügig überarbeitet, unter weitgehendem Verzicht auf das umfangreiche Bildmaterial der ersten Auflagen für Studienzwecke nutzbar gemacht und auf diese Weise eine handliche Darstellung der Geschichte des Alten Reiches, wie das Heilige Römische Reich heutzutage vielfach genannt wird, geliefert.

 

Besonderer Vorzug des Buches, wie schon in der Rezension der ersten Auflage des Werkes in dieser Zeitschrift hervorgehoben wurde, ist die Darstellung des Heiligen Römischen Reiches als einer eigenen historischen Erscheinung statt ihrer Einordnung in eine wie auch immer beschaffene „Deutsche Geschichte“[1]. Terminologisch wird das Heilige Römische Reich als historische Erscheinung zwar erst im 12. Jahrhundert fassbar, worauf in der Einleitung von Klaus Herbers zutreffend hingewiesen wird, doch reicht seine tatsächliche Geschichte bis in das 9. Jahrhundert und damit in die Zeit des Fränkischen Reiches zurück. Ohne diese fränkische Tradition ist seine Geschichte nicht zu verstehen, ihre Elemente haben die Geschichte des Reiches sowohl im Mittelalter wie in der Neuzeit bis zum Ende des Reiches bestimmt.

 

Dementsprechend haben die Autoren ihre Darstellung nach einer Einleitung von Klaus Herbers in zwei Abschnitte eingeteilt, einen ersten, der von Herbers verantwortet wird und die Geschichte des Reiches im Mittelalter behandelt und einen zweiten, der von Helmut Neuhaus verfasst ist und die Geschichte des Reiches in der Neuzeit beschreibt. In der Einleitung werden die Geschichte von Terminologie und Begriff des Reiches von den Anfängen bis zur endgültigen Fixierung als Heiliges Römisches Reich, Geographie, Organisation, Struktur und Funktionsweise des Reiches als Rahmenbedingungen für seine Geschichte in Mittelalter und Neuzeit behandelt. Der erste, dem Mittelalter gewidmete Abschnitt orientiert sich an der Geschichte der großen Herrscherdynastien der Karolinger, Ottonen, Salier, Staufer, Luxemburger und Habsburger und deren Herrschaftsausübung. Besonderes Gewicht legt der Verfasser hierbei auf die Schilderung der räumlichen Verortung der Herrschaftsausübung und deren regionale Ausdehnung, der Bedeutung der Adelsherrschaften für die Entstehung und Ausbildung des Reiches, der Rolle der Kirche für die Konsolidierung der königlichen Stellung, der Verschiebung der Machtzentren durch den Wechsel der Dynastien, der inneren Wandlungen der Herrschaftsstruktur durch das Aufkommen der Territorialherrschaften, der ersten Ansätze einer rechtlichen Fixierung der Stellung des Königs und schließlich am Ende des Mittelalters der Verlagerung von Macht und Herrschaft vom Norden und der Mitte des Reiches in den Süden. Der zweite Abschnitt, der die Entwicklung des Reiches in der Neuzeit bis zu dessen Ende behandelt, legt den Schwerpunkt der Darstellung auf die Schilderung der inneren Konsolidierung des Reiches durch Reform und organisatorische Verdichtung, der rechtlichen Bewältigung der Konfessionalisierung, des Erstarkens der Reichsfürstentümer im Absolutismus und schließlich des allmählichen Zerfalls bis zur Niederlegung der Kaiserkrone durch Kaiser Franz II. am 6. August 1806, die das Ende des Reiches besiegelte. Beide Abschnitte zeichnen sich durch konzise Darstellung des faktischen Geschehens aus, bei der freilich die Entwicklung des Rechts nur gestreift werden konnte. Dem Ganzen ist ein ebenso instruktiver wie nachdenklicher Ausblick aus der Feder von Helmut Neuhaus angefügt, in dem noch einmal die Erinnerung an die wichtigsten Orte der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches beschworen wird, in denen sich Glanz und Herrlichkeit, aber auch die Vergänglichkeit des Alten Reiches manifestieren und die nach dem Ende des Reiches in unterschiedlicher Weise als Zeugnisse der Geschichte verehrt, verklärt oder, wie in der Zeit des Nationalsozialismus, für politische Zwecke instrumentalisiert wurden. Ein umfangreicher Anhang enthält neben Stammtafeln der Herrscherdynastien ein Verzeichnis der wichtigsten herrscherrelevanten Orte, der Daten von Königen und Kaisern des Reiches in der Neuzeit sowie der Kurfürsten vom Jahre 1356 bis zum Jahre 1806. Insgesamt handelt es sich bei der vorliegenden für Studienzwecke erfolgten Umarbeitung des ursprünglichen Werkes um eine höchst gelungene kompakte Darstellung der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches, in der dieses als eine geschlossene und eigenständige geschichtliche Erscheinung eindrucksvoll vor Augen gestellt wird.

 

Salzburg                                                                                 Arno Buschmann



[1] Vgl. ZRG Germ. Abt. 124 (2007), S. 537f.