Hamza, Gábor, Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, in sprachlicher Hinsicht gemeinsam mit Buzády, Csongor verfasst (= ELTE Rechtswissenschaft 5). ELTE Eötvös Univ. Verlag, Budapest 2009. 826 S. Besprochen von Gunter Wesener.
Nur zwei Jahre nach dem Erscheinen von Hamzas „Wege der Entwicklung des Privatrechts in Europa“, Passau 2007 (dazu meine Besprechung in dieser Zeitschrift 125, 2008, 595f.), liegt nun eine sehr stark erweiterte Neubearbeitung dieses Buches vor. Manche Abschnitte sind völlig neu, so der gesamte IV. Teil.
In einem einführenden Abschnitt „Harmonisierung des Privatrechts und die römischrechtliche Tradition in Europa“ wird zu Recht die wichtige Rolle des römisch-gemeinen Rechts bei einer Vereinheitlichung der europäischen Privatrechte hervorgehoben. Nicht zutreffend ist aber wohl die Feststellung, dass die Vertragsfreiheit zu den Grundprinzipien des römischen Rechts zu zählen sei (S. 22). Im klassischen römischen Recht bestand zunächst eine Typengebundenheit. Sie wurde erst allmählich auf verschiedenen Wegen gelockert (durch prätorische actiones utiles und in factum, durch Anerkennung von klagbaren pacta, durch Ausbildung der Innominatkontrakte). Die grundsätzliche Anerkennung der materiellen Vertragsfreiheit (Gestaltungsfreiheit) erfolgte aber erst nach bedeutenden Entwicklungen im kanonischen Recht und im Usus modernus durch das Naturrecht[1].
Der erste Teil (S. 38-56) hat „die Anfänge des Privatrechts in Europa“, insbesondere die justinianische Gesetzgebung, zum Gegenstand, der zweite Teil (S. 57-174) „die Entwicklung des Privatrechts in Europa im Mittelalter“, wobei auch das kanonische Recht Berücksichtigung findet (S. 63ff.).
Der umfangreiche dritte Teil (S. 175-601) behandelt „die Entwicklung und die Kodifikation des Privatrechts in Europa und im Kaukasus in der Neuzeit“, ausgehend vom Usus modernus pandectarum über Naturrecht und naturrechtliche Kodifikationen bis zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (S. 209ff.) und der Kodifikation des Privatrechts in der Schweiz (S. 236ff.).
Neu ist die Darstellung der Rechtsentwicklung in westeuropäischen und südeuropäischen Ländern (S. 256ff.), so in Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, ferner die Behandlung der englischen Rechtsentwicklung (S. 402ff.), der Entwicklung des Privatrechts in Schottland und in Irland, aber auch in den nordeuropäischen Staaten (Dänemark, Norwegen, Island, Schweden und Finnland (S. 426ff.). Von großem Interesse sind die Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Privatrechts in den nordeuropäischen Staaten (S. 444ff.).
Völlig neu ist auch der nunmehrige vierte Teil (S. 602-723): „Der Einfluss der europäischen Privatrechtstraditionen auf die Länder außerhalb Europas“. Behandelt werden, wenn auch nur knapp, die Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere Louisiana, ferner Kanada, die lateinamerikanischen Staaten, Südafrika, asiatische Länder (von Ceylon über Japan und China bis zu den Philippinen). Ständiger Bezugspunkt und gemeinsamer Blickwinkel sind hierbei der Einfluss und die Rolle des römischen Rechts (vgl. S. 13).
Höchst wertvoll sind die umfangreichen Schrifttumsangaben zu den einzelnen Abschnitten. Auch das Verzeichnis der allgemeinen Literatur (S. 731-770), gegliedert nach Fachgebieten bzw. Epochen, ist sehr zu begrüßen. Der Text wird durch fortlaufende Fußnoten ergänzt.
Als sehr nützlich erweisen sich das Abkürzungsverzeichnis sowie ein gemeinsames Quellen-, Namen-, Titel- und Sachregister (S. 771-801).
Graz Gunter
Wesener
[1] Vgl. B. Schmidlin, Zum Gegensatz zwischen römischer und moderner Vertragsauffassung: Typengebundenheit und Vertragsfreiheit, in: Maior XXV annis. Essays in commemoration of the sixth lustrum of the Institute for Legal History of the University of Utrecht, ed. by J. E. Spruit (Assen 1979) 111ff.; K.- P. Nanz, Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. bis 18. Jahrhundert (München 1985); M. St. Voitle, Vom Typenzwang des römischen Vertragsrechts zur naturrechtlichen materiellen Gestaltungsfreiheit (jur. Diss. Univ. Graz 2010).