Hammerstein, Notker, Geschichte als Arsenal. Ausgewählte Aufsätze zu Reich, Hof und Universitäten der Frühen Neuzeit, hg. v. Maaser, Michael/Walther, Gerrit (= Schriftenreihe des Frankfurter Universitätsarchivs 3). Wallstein, Göttingen 2010. 437 S., Ill. Besprochen von Hans-Christof Kraus.

 

Unter dem Titel „Res publica litteraria“ erschien im Jahr 2000 ein erster Band mit ausgewählten Studien Notker Hammersteins, dem Doyen der deutschen Universitäts-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit. Der Frankfurter Emeritus gehört – das beweist jener erste Band ebenso wie die soeben erschienene zweite Sammlung – zu den leider nur selten anzutreffenden wissenschaftlichen Autoren, die man nicht nur deshalb gerne liest, weil sie wirklich etwas, und zwar immer etwas Neues, Originelles und Interessantes, zu sagen haben, sondern auch, weil sie vorzüglich, nämlich deutlich, eingängig und gut verständlich schreiben können. So greift man zu diesem Band besonders gern – und das auch dann, wenn man einige der darin abgedruckten Studien früher schon einmal gelesen hat. Nachgerade klassische Abhandlungen finden sich darin, etwa der Aufsatz über das „vierte Weltreich“ in der Lehre der Reichsjuristen von 1987, als deren intimer Kenner Hammerstein seit der Veröffentlichung seiner bis heute grundlegenden Habilitationsschrift „Jus und Historie“ bekannt ist. Erhellend und gedanklich durchdringend zugleich sind auch seine Einzelstudien zu Leibniz, Thomasius, Wolff, Möser und besonders seine schon 1971 in der „Historischen Zeitschrift“ publizierte Antrittsvorlesung über das politische Denken des jüngeren Moser. In der gesamten Frühen Neuzeit ist Hammerstein zuhause, und es fällt ihm ebenso leicht, klug und kenntnisreich über das politische Denken der oberdeutschen Humanisten zu reflektieren oder über Staatsanschauungen im Kontext der Konfessionalisierung zu handeln wie über italienische Architekturtraktate der Renaissance, über die adlige Musikpraxis an frühneuzeitlichen deutschen Höfen oder auch über den Aufstieg der Philosophischen Fakultät zu schreiben.

 

Besonders hervorgehoben sei hier der – dem Band den Titel gebende – erste Aufsatz der Sammlung: „Geschichte als Arsenal – Geschichtsschreibung im Umfeld deutscher Humanisten“, erstmals 1989 publiziert. Hammerstein zeigt hier die drei sehr verschiedenen Dimensionen humanistischer Geschichtsschreibung, die zum einen über „ein hohes Maß historisch-kritischer … Kraft“ verfügte und damit in methodischer Hinsicht bereits in die ferne Zukunft einer modernen wissenschaftlichen Historie wies, die zweitens aber ebenfalls bestimmte Elemente hoch- und spätmittelalterlicher politischer Theologie weiterhin in sich trug und mit der auch von ihr erneut „verbindlich formulierten Vier-Reiche-Lehre die existenzielle Notwendigkeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ zu sichern vermochte, und die darüber hinaus drittens – nun im Zeichen von Reformation und Gegenreformation – dazu beitrug, das „waffenstrotzende Arsenal“ historisch grundierter politischer und konfessioneller Polemik immer wieder neu aufzufüllen. Und dennoch, so Hammersteins Fazit, haben „trotz oder gerade infolge ihrer Instrumentalisierung“ jene humanistischen Historien – eben weil sie ihre eigenen Resultate und Thesen im Kampf mit der gegnerischen Seite stets zu überprüfen gezwungen waren – insgesamt eine „fortwirkende Verbesserung“ erfahren. Und genau deshalb stehen sie, das wird man hinzufügen dürfen, am Beginn frühmoderner Geschichtsschreibung. – Am Ende bleibt dem Leser nur der Wunsch nach einem weiteren, einem dritten Band mit Hammersteinschen Beiträgen; hoffentlich muss man auf ihn nicht bis zum Jahr 2020 warten…

 

Passau                                                                                         Hans-Christof Kraus