Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. Festschrift für Werner Ogris zum 75. Geburtstag, hg. v. Olechowski, Thomas/Neschwara, Christian/Lengauer, Alina. Böhlau Wien 2010. XII, 606 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Als die Grundlagen der österreichischen Rechtskultur Werner Ogris aus Anlass seines 75. Geburtstags in Wien feierlich überreicht wurden, wurde in allen Ansprachen deutlich, dass Werner Ogris österreichische Rechtskultur der Gegenwart in höchster Vollendung ist. Dazu gehört nicht nur, dass er auf zahlreichen Feldern zahllose neue Erkenntnisse gewonnen hat, sondern auch, dass er selbst im Augenblick vollkommener Ehrung einen Augenblick auch darüber nachgedacht hat, was er alles sonst noch hätte leisten können. Als kluger Lebenskünstler hat er sich freilich damit abgefunden, dass auch für kommende Generationen noch Aufgaben zur Bewältigung zur Verfügung stehen müssen.

 

In Wien am 9. Juli 1935 geboren absolvierte Werner Ogris das Studium der Rechtswissenschaft in seiner Geburtsstadt in beeindruckender Kürze und war 1958 nicht nur bereits wissenschaftliche Hilfskraft, sondern auch promoviert und wissenschaftlicher Assistent. Nicht einmal vier Jahre später war er am 16. Februar 1962 unter Betreuung und Förderung durch Hans Lentze auch schon habilitiert. Noch im gleichen Jahr wurde der erfolgreiche Gelehrte an die Universität Berlin berufen und damit in der europäischen Gelehrtenwelt so ausgezeichnet, dass ihn die heimatliche alma mater bei erstmöglicher Gelegenheit zurückberief.

 

Seit 1966 wurde er rasch zum Inbegriff österreichischer Rechtsgeschichte. Lagen die Anfänge noch im Mittelalter, so machte sich der Gelehrte rasch auch die Neuzeit völlig zu eigen. Er erschloss die Rechtsentwicklung in Österreich von 1848 bis 1918 ebenso wie das Personenrecht und widmete sich großen Österreicherinnen und Österreichern wie Maria Theresia, Mozart oder Leo Graf Thun-Hohenstein ebenso wie großen Nichtösterrreichern. Darüber hinaus griff er so weit nach Europa aus, dass eine Sammlung seiner zwischen 1961 und 2003 vorgelegten Aufsätze den bezeichnenden Titel Elemente europäischer Rechtskultur erhalten konnte.

 

Zu diesem Zeitpunkt schien es noch, als könnte Werner Ogris nach 83 Semestern Lehrtätigkeit in europäischen Metropolen unter Abschluss aller noch laufenden Forschungsarbeiten und unter Abstand von neuen Verpflichtungen  procul negotiis einen wohlverdienten Ruhestand genießen. Auf Bitten und Drängen von Freunden und Kollegen stellte er aber sein 1972 eröffnetes Wirken an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften nicht ein, sondern weitete es beeindruckend aus. Daneben übernahm er wichtige Aufgaben europäischer Rechtskultur in den Nachbarländern und verbindet dadurch weiter österreichische und europäische Rechtskultur in beispielhafter Weise.

 

Als äußeres Zeichen des Dankes für bewundernswerte Leistung und vorbildliches Handeln haben Schüler, Freunde und Kollegen ihm nunmehr eine Festschrift dargebracht. Für diese hat das Herausgeberteam sich lange die Köpfe zerbrochen, welche Autorinnen und Autoren zur Mitarbeit einzuladen wären, weil aus der Fülle hervorragender in Frage kommender Wissenschafterinnen und Wissenschafter eine Auswahl getroffen werden musste. Der notwendige Entschluss ging schließlich dahin, nur Kolleginnen und Kollegen der Wiener Rechtsfakultät, die Mitglieder der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs innerhalb der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jubilars anzuschreiben, wobei die Fülle der positiven Rückmeldungen die kühnsten Erwartungen sprengte.

 

Insgesamt enthält der mit einem Bild des jugendlich dynamischen Gelehrten geschmückte Band 31 Beiträge zu den Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. Sie reichen von der Verschleppung der Akten des Reichshofrates durch Napoleon (Leopold Auer) über Irrtümer der Rechtsgeschichte - Rechtsgeschichte der Irrtümer (Wilhelm Brauneder), Haupt- und Zusatzaufgaben der Jurisprudenz (Franz Bydlinski), das Testamentsrecht der Landtafel ob der Enns (Ursula Floßmann/Herbert Kalb), , zwei Töpfe Schmalz, ein Pfund Safran und alle Äpfel im Keller (Gerhard Jaritz), den Weg vom Wort zum Bild (Gernot Kocher), das Naturrechtsdenken im Banne Kelsens (Gerhard Luf), den Beamtenbegriff des Strafgesetzbuches (Heinz Mayer), Zeiller, das ABGB und den Code civil (Franz Stefan Meissel), die Wiederentdeckung einer österreichischen Advokatenordnung aus 1648 (Christian Neschwara), die Entstehung des österreichischen Strafgesetzes von 1852 (Thomas Olechowski, Reichshofrat und Reichstage (Eva Ortlieb), Volksabstimmungen über Europa (Theo Öhlinger), Das Islamgesetz 1912 (Richard Potz), die Zwangsausbürgerung aus politischen Gründen (Ilse Reiter-Zatloukal), die Frage einer gesetzespositivistischen Umwälzung im Hochmittelalter (Thomas Simon), das Mündelgut im antiken Athen (Gerhard Thür) sowie Merkwürdiges und Denkwürdiges im Recht (Rudolf Welser) bis zu den Anfängen der historischen Rechtsschule romanistischer Richtung in Österreich vornehmlich in der Person Ludwig Arndts von Arnesberg (Gunter Wesener) und können mit ihrer Fülle neuer Einsichten an dieser Stelle nicht angemessen ausführlich erörtert werden. Am Ende des einladend gestalteten Werkes wird das Schriftenverzeichnis des Jubilars für die Jahre 2003 bis 2010 fortgeführt.

 

Insgesamt sind die Grundlagen der österreichischen Rechtskultur ein eindrucksvolles Beispiel für das erfolgreiche Wirken eines Rechtshistorikers in einer wichtigen juristischen Fakultät der Gegenwart. Zehntausenden Studierender hat Werner Ogris Rechtsgeschichte anschaulich und nachdrücklich an zahllosen Tatorten weit über Galgenberg und Ringtheater hinaus vor Augen geführt. Dem gesamten Fach gegenüber hat sich Werner Ogris durch seinen Einsatz so verdient gemacht, dass in der vom ihm jahrzehntelang im bedeutendsten rechtshistorischen Verlag mitbetreuten Zeitschrift für Rechtsgeschichte mit den besten Wünschen für eine glückliche Zukunft nicht nachdrücklich genug auf seinen Ehrenplatz hingewiesen werden kann.

 

Innsbruck                                                                                                                                                      Gerhard Köbler