Gräwe, Svenja Lena, Die Entstehung der Rechtsinformatik. Wissenschaftsgeschichtliche und -theoretische Analyse einer Querschnittsdisziplin (= Schriftenreihe zum Datenschutz- und Informationsrecht 4). Kovač, Hamburg 2011. LXIII, 292 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit der Aufklärung beginnen auch die Überlegungen zu einer Geometrisierung oder Mathematisierung des natürlichen menschlichen Daseins einschließlich des auf seiner Grundlage gebildeten Rechtes. Erst nach dem Ersten Weltkrieg waren die hierauf aufbauenden Lochkartenmaschinen aber so weit fortgeschritten, dass Post und Bahn im Deutschen Reich sie für einfache Vorgänge praktisch verwenden konnten, doch waren diese Geräte noch nicht in der Lage mehrere Vorgänge ohne menschlichen Eingriff in einem Durchlauf zu bearbeiten. Erst 1947 wurde an der Pennsylvania University in Philadelphia ein elektronischer Rechner gebaut, der komplizierte Operationen in kurzer Zeit in Simultanarbeit in einem Durchlauf bearbeiten konnte, und erst 1957 wurden Elektronenrechner auch in der Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt.

 

Mit der anschließenden Entwicklung befasst sich die von Thomas Hoeren angeregte und betreute, in das Forschungsprojekt Die Geschichte des Informationsrechts der Deutschen Forschungsgemeinschaft eingebundene, im Wintersemester 2010/2011 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster angenommene Dissertation der am Lehrstuhl des Betreuers beschäftigen Verfasserin, die ihrem Werk einen bunten Wirbel der Erscheinungen Justus Wilhelm Hedemanns als Motto vorausstellt. Gegliedert ist die Untersuchung in insgesamt fünf Teile. Sie betreffen Ziel und Gang der Untersuchung, Methode, Entwicklungsgeschichte der Rechtsinformatik, Strukturierung des rechtsinformatorischen Entstehungsprozesses und Rechtsinformatik als wissenschaftliche Disziplin.

 

Mit beachtlichem theoretischem Aufwand erörtert die Verfasserin Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsgeschichte, Wissenschaftsbegriff, wissenschaftstheoretische Schulen und wissenschaftlich Disziplinen. Danach untersucht sie die mit den Namen etwa von Steinmüller, Bund, Bull, Luhmann, Dreier, Haft, Herbert Fiedler, Podlech, Spiros Simitis, Herberger, Kilian und vieler anderer (wie etwa auch Franz Wieacker) verbundenen aufregenden Anfänge. Da um 1980 eine Stagnation der Rechtsinformatikentwicklung in Forschung, Lehre und Praxis zu beobachten ist, endet die interdisziplinär vorgehende, Verbindungen zu Informatik, Kybernetik oder Linguistik aufzeigende und damit die Rechtsinformatik als praktische Querschnittsdisziplin auswesende weiterführende Studie der Verfasserin mit etwa diesem Zeitpunkt, ohne dass sich bisher alle anfangs erhofften Veränderungen eingestellt hätten.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler