Gli inizi del diritto pubblico, 2 Da Federico I a Federico II - Die Anfänge des öffentlichen Rechts, 2 Von Friedrich I. bis Friedrich II., hg. v. Dilcher, Gerhard/Quaglione, Diego (= Annali dell’Istituto Storico Italo-Germanico in Trento/Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient, Contributi/Beiträge 21). Società Editrice il Mulino/Duncker & Humblot, Bologna/Berlin 2008. 421 S. Besprochen von Arno Buschmann.

 

Der vorliegende Band enthält die Druckfassung der Vorträge, die auf der zweiten Tagung des italienisch-deutschen historischen Instituts über die Anfänge des öffentlichen Rechts im September 2007 gehalten worden sind. Bei dieser Tagung handelt es sich um die Fortsetzung der Tagung, die im Juni 2006 zum selben Thema gehalten wurde und deren Tagungsband in dieser Zeitschrift Band 127 (2009) vom Rezensenten besprochen worden ist. Wiederum geht es um die Frage nach den Anfängen eines öffentlichen Rechts in staufischer Zeit und wiederum sind es bestimmte Themenbereiche, die bei der Tagung behandelt wurden und deren Abfolge die Einteilung des Sammelbandes in insgesamt vier Abschnitte bestimmt.

 

Der erste, einem allgemeinen Überblick über Fragestellung und Untersuchungsgegenstand der Tagung gewidmete Abschnitt beginnt mit einer Studie Gerhard Dilchers über Herrschaft und Rechte des Herrschers in der Zeit von Friedrich Barbarossa zu Friedrich II. von Hohenstaufen. In ihr werden die Ergebnisse der ersten Tagung zusammengefasst und die daraus resultierenden und weiter zu verfolgenden Fragestellungen formuliert. Wichtigstes Ergebnis für die Zeit Friedrich Barbarossas ist nach Dilchers Ansicht die allmähliche Abgrenzung der Rechte des Reiches von den persönlichen Rechten des Herrschers, die Konzentration der Gerichtsgewalt in dessen Person und die obligatorische Delegation bei deren Ausübung durch nachgeordnete Amtsträger, die Arrogation einer herrscherlichen Gesetzgebungsgewalt nach dem Vorbild des römischen Kaiserrechts, die Betonung der Herrschaftsfunktion beim Lehnswesen und bei der Sicherung des Landfriedens. Für Dilcher stellt sich nach dieser Feststellung für die Zeit Barbarossas die Frage nach der Weiterentwicklung dieser Herrschaftsform in der Zeit Friedrichs II. von Hohenstaufen im Hinblick auf die Ausbildung einer öffentlichen, transpersonalen Vollzugsorganisation. Zu Recht weist er darauf hin, dass sich in diesem Zeitabschnitt erste Ansätze eines eigenen öffentlichen Rechts herausbilden, das sich deutlich von dem überlieferten römischrechtlichen Begriff des ius publicum unterscheidet. Im zweiten Beitrag unternimmt Diego Quaglioni eine Konkretisierung der Fragestellung der Tagung in Bezug auf das überlieferte Geschichtsbild Friedrichs II. von Hohenstaufen und sieht es als Aufgabe an, die in diesem Zeitraum stattfindende Verrechtlichung des Okzidents näher zu bestimmen. Für ihn steht vor allem die Frage nach der Entstehung der Einheit von Herrschaft und Recht im Vordergrund – in der Tat eine der Kernfragen nicht nur des Zeitalters Friedrichs II. von Hohenstaufen, sondern der gesamten nachfolgenden Geschichte.

 

Der zweite Abschnitt, dessen Thematik den Rechtsformen der Herrschaft Friedrichs II. von Hohenstaufen in Sizilien und Deutschland gewidmet ist, wird eingeleitet durch einen Beitrag Elmar Wadles über die Sicherung des Landfriedens in staufischer Zeit. Er sieht einen Zusammenhang der Friedensbemühungen von Friedrich Barbarossa und bis zu Friedrich II. von Hohenstaufen, als deren Höhepunkte er die Friedensdokumente in der Zeit von 1152 bis 1250 erkennt und deren Überlieferung, Form, Funktion, Geltungsanspruch und Durchsetzung er des Näheren untersucht. Zu Recht stellt er fest, dass die Durchsetzung der Landfrieden angesichts der Struktur der kaiserlichen Herrschaft nicht durch bloßen kaiserlichen Befehl geschehen konnte, sondern an die konsensuale Mitwirkung des Reichsadels gebunden war. Daran änderte auch die Rezeption des römischen Rechts und die Berufung auf das römische Kaiserrecht nichts. Die Realität der Herrschaftsverhältnisse im Reich war eben eine andere als die im römischen Imperium. Der zweite Beitrag dieses Abschnittes von Beatrice Pasciuta beschäftigt sich mit Prozessmodellen und Justizsystemen im „Liber Augustalis“ Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien. Ziel der Untersuchung ist der Nachweis von der Existenz eines einheitlichen „ordo iudiciarius“, der den verstreuten prozessrechtlichen Bestimmungen des „Liber Augustalis“ zugrundegelegen habe und der nach Ansicht der Verfasserin eine einheitliche Handhabung des Rechts im Königreich habe sicherstellen sollen. Tatsächlich lässt sich aus den Vorschriften des „Liber Augustalis“ das königliche Bemühen deutlich ablesen, für eine einheitliche Handhabung des Rechts in den Gerichten des Königsreichs zu sorgen. Ob dieses Bemühen allerdings als gelungen bezeichnet werden kann, ist eine andere Frage. Der dritte Beitrag dieses Abschnitts von Mario Caravale ist der wichtigen Frage nach der Entstehung der mittelalterlichen Lehre vom römischen und langobardischen Lehnrecht als „ius commune“ gewidmet. Zutreffend stellt der Autor fest, dass die Geltung beider als „ius commune“ im Königreich Sizilien nicht auf der Autorität des königlichen Rechts beruhte, sondern durch dessen Anerkennung als Rechtsgewohnheit, vergleichbar der Rezeption des römischen Rechts im Heiligen Römischen Reich, worauf der Autor allerdings nicht hinweist.

 

Die Beiträge des dritten Abschnitts befassen sich mit der Problematik des Verhältnisses von Papstkirche und Kaiser, die das Thema der Entstehung des weltlichen öffentlichen Rechts berührt, jedoch nicht in dessen Zentrum steht. Der erste Beitrag von Filippo Liotta geht der Frage nach Entstehung und Bedeutung der „constitutio in basilica beati Petri“ für die weltliche und kirchliche Gesetzgebung nach. Sein Fazit ist, dass diese kaiserliche Konstitution auf päpstlichen Vorgaben beruht und von den Zeitgenossen als legislatives Symbol der gemeinsamen Herrschaft von Kaiser und Papst aufgefasst wurde, deren Rechtsideal das „utrumque ius“ war. Giulino Marchetto beschäftigt sich im folgenden Beitrag mit der kanonistischen Kommentierung der Absetzung Friedrichs II. von Hohenstaufen durch Papst Innozenz IV. und dem in ihr zum Ausdruck gebrachten Bemühen der Kanonisten, die substantielle Rechtmäßigkeit des päpstlichen Vorgehens nachzuweisen. Als Hauptkriterium für diesen Nachweis diente die strikte Beachtung der verfahrensrechtlichen Normen durch den Papst. Hans-Jürgen Becker untersucht in seinem Beitrag die Frage nach dem ausschließlichen Gesetzgebungsrecht des Papstes für die Kirche. Anschaulich schildert er zunächst die päpstlichen Versuche einer Strukturierung der Normenflut der päpstlichen Normerzeugung, die Entstehung des Liber extra als Konsequenz dieser Versuche und den Konflikt zwischen dem Papst und Friedrich II. von Hohenstaufen bezüglich dessen Gesetzgebungsplänen für sein Königreich Sizilien. Zutreffend geht Becker davon aus, dass beide Gesetzgebungswerke kaum Gemeinsamkeiten aufzuweisen haben, was bei Betrachtung von Aufbau und Inhalt unmittelbar einleuchtet. Die vielfach kolportierte Behauptung von einem arrogierten Gesetzgebungsmonopol des Papstes wird von Becker mit überzeugenden Argumenten widerlegt, umgekehrt die göttliche Herleitung des Gesetzgebungsrechts bei Friedrich II. von Hohenstaufen – Gesetzgebungsrecht kraft göttlicher Verleihung – überzeugend begründet. Der letzte Beitrag dieses Abschnittes von Vito Piergiovanni hat die Rolle des „Juristenpapstes“ Innozenz IV. als Gesetzgeber und Kommentator zum Gegenstand und unternimmt den Versuch, dessen Wirken im Zusammenhang mit der Erneuerung des kanonischen Rechts und der Entstehung eines ius commune zu analysieren.

 

Der vierte und zugleich umfangreichste Abschnitt des Tagungsbandes ist der Wirkungsgeschichte der ronkalischen Gesetzgebung und des Konstanzer Friedens im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit gewidmet. Die Beschränkung der Thematik auf diese Rechtstexte überrascht, nicht zuletzt nach der Themenstellung des gesamten Bandes, weil auf diese Weise die Entwicklung der für die Entstehung eines öffentlichen Rechts doch so wichtigen Epoche Friedrichs II. von Hohenstaufen völlig aus dem Blickfeld gerät. Das Hauptgewicht der Beiträge liegt stattdessen auf der Beschäftigung mit dem Konstanzer Frieden, dem allein drei von ihnen gewidmet sind. Der erste Beitrag von Magnus Ryan befasst sich mit der Überlieferung der Libri Feudorum und deren Verbindung mit dem römischen Recht durch die Einverleibung ihres Textes in die Ausgaben des Corpus iuris civilis. Nach einer subtilen Untersuchung der handschriftlichen Überlieferung kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass die Anerkennung des langobardischen Lehnrechts als ius commune feudorum und die Einfügung in das Corpus iuris civilis nicht in erster Linie dem kaiserlichen Gesetzgeber, sondern vor allem der Tätigkeit der Glossatoren geschuldet ist. Mit einer für die Entstehung der Vorstellung eines öffentlichen Rechts besonders wichtigen Quelle setzt sich Susanne Lepsius in ihrem Beitrag auseinander: der lange verschollenen und erst am Ende der sechziger Jahres des vorigen Jahrhunderts wiederentdeckten Lex omnis der ronkalischen Gesetzgebung Friedrich Barbarossas und der in dieser formulierten umfassenden kaiserlichen Rechtsprechungs- und Rechtsetzungskompetenz. Sie verfolgt und analysiert die Diskussion um deren Bedeutung innerhalb der französischen Legistik bei Jacques de Révigny. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass in dem vor allem herangezogenen Werk der „Summa feudorum“ das staufische Herrschaftskonzept einer vom Kaiser abgeleiteten Gerichtsgewalt und dessen Abgrenzung gegenüber der Lehnsherrschaft besonders ausgeprägt beschrieben worden ist – in der Tat eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Ausbildung eines eigenen öffentlichen Rechts. Die Reihe der Beiträge über den Frieden von Konstanz wird eröffnet durch den Beitrag Gero Dolezaleks, in dem aus einer genauen Kenntnis der Überlieferungsgeschichte des Friedenstextes in den mittelalterlichen Ausgaben des Corpus iuris civilis die Bedeutung des Friedens für die Literatur des ius commune dargelegt wird. Das wichtigste Ergebnis seiner Untersuchung ist die Beobachtung, dass der Friede von Konstanz, ähnlich wie die mittelalterlichen Texte des Corpus iuris civilis und des Corpus iuris canonici, als juristische Argumentationsgrundlage für die Kommentierung der mittelalterlichen Institutionen, die im Text des Friedens erwähnt werden, verwendet wurde und er dieser Rolle wohl hauptsächlich seine Überlieferung in den Rechtstexten des römischen und des kanonischen Rechts zu verdanken hat. Der zweite Beitrag über den Konstanzer Frieden von Gianluca Raccagni erörtert die Frage nach der Bedeutung des Friedens für die Anerkennung der italienischen Kommunen, insbesondere des lombardischen Städtebundes, als wichtigste Rechtsgrundlage ihrer kommunalen Existenz, die für ihn allein schon durch die reichliche Überlieferung des Friedenstextes in den städtischen Rechtsquellen belegt wird. Der folgende Beitrag von Angela De Benedictis behandelt die Rolle des Friedens bei der rechtlichen Bestimmung der Privilegien in den juristisch-politischen Texten ab dem 16. Jahrhundert bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Verfasserin versucht den Nachweis zu führen, dass der Konstanzer Friede bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fester Bezugspunkt für die Gültigkeit von Privilegien gewesen sei und erst ab dem Jahre 1867 seine praktische Bedeutung endgültig verloren habe. Im nächsten Beitrag untersucht Dieter Wyduckel die Rolle der iura regalia und des Jus majestatis als Grundlagen der Entstehung eines öffentlichen Rechts in der Frühen Neuzeit. Wichtiges Ergebnis dieses Beitrages, der in seiner Fragestellung über den zeitlichen Rahmen des Generalthemas hinausgeht, ist die Feststellung, dass beide Begriffe, ergänzt um den Begriff der iurisdictio, die mittelalterlichen Grundlagen der Bodin’schen Souveränitätslehre bilden, für die zu Recht sowohl römischrechtliche als auch kanonistische Wurzeln reklamiert werden. Zutreffend wird festgestellt, dass es bei der Diskussion in der frühen Reichspublizistik um Inhalt und Funktion des ius publicum einen bemerkenswerten Wandel von der souveränitätsbestimmten zur herrschaftsbegrenzenden Funktion gegeben hat. Der letzte Beitrag von Pietro Corrao geht noch einmal auf die Entwicklungen im Mittelalter zurück und vergleicht die gesetzlichen Regelungen im Königreich Sizilien unter der Herrschaft des Hauses Anjou und des Papstes nach der sizilianischen Vesper und der Könige Jakob II. und Friedrich III. von Aragon. Wichtigstes Resultat ist die Feststellung, dass sich auf der Insel Sizilien anders als auf dem Festland deutliche Tendenzen einer Wandlung der monarchischen Herrschaft bemerkbar gemacht haben.

 

Angesichts der Fülle der facettenreichen Beiträge des Sammelbandes fällt es schwer, ein Fazit ziehen, das auch nur einigermaßen die wichtigsten rechtshistorisch relevanten Gesichtspunkte erfasst und hervorhebt. Wenn dennoch der Versuch unternommen wird, dann vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass in der gedankenreiche Zusammenfassung, die Knut Görich am Ende der Tagung gegeben hat und deren Druckfassung am Ende des Tagungsbandes steht, die Ergebnisse der Beiträge aus der Sicht eines Allgemeinhistorikers gewürdigt worden sind, nicht hingegen aus dem Blickwinkel des Rechtshistorikers. Aus rechtshistorischer Sicht ist entscheidend zunächst die Feststellung, dass sich im Verlauf der späten staufischen Zeit ein neues Verständnis von Herrschaft und Recht herausgebildet hat, das zwar an das spätrömische Verständnis des ius publicum anknüpft, mit diesem jedoch nicht identisch ist, stattdessen erste Umrisse eines neuen Herrschaftsrechts erkennen lässt. Deutliche Unterschiede in Funktion und Wirkung von Herrschaft und Recht sind freilich zwischen den deutschen, italienischen und sizilischen Verhältnissen zu beobachten, wobei allerdings die wichtige Frage nach dem Herrschafts- und Rechtskonzept Friedrichs II. von Hohenstaufen im Reich und dessen Verbindung zur sizilischen Herrschaft leider nicht erörtert worden ist, was für ein Bild der möglichen Anfänge eines öffentlichen Rechts in staufischer Zeit doch erforderlich gewesen wäre. Ein wichtiges Ergebnis ist auch die Betonung der Rolle der Papstkirche bei der Formulierung einer päpstlichen Gesetzgebungsgewalt und deren Verhältnis zum weltlichen Recht und schließlich die Nachwirkung der mittelalterlichen Herrschaftskonzepte in den Rechtsvorstellungen der Reichspublizistik in der Frühen Neuzeit. Der Entwicklung in staufischer Zeit kommt hier in der Tat eine Schlüsselrolle zu, auch wenn von der Konstituierung eines öffentlichen Rechts als einer eigenen Kategorie, die sich nicht durch den Gegensatz zum Privatrecht definiert, noch nicht gesprochen werden kann.

 

Salzburg                                                                                 Arno Buschmann