Fischer, Hendrik K., Konsum im Kaiserreich. Eine statistisch-analytische Untersuchung privater Haushalte im wilhelminischen Deutschland (= Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Beiheft 15). Akademie Verlag, Berlin 2011. 453 S., 12 Abb. Besprochen von Werner Schubert.
Dem Konzept der Untersuchungen Fischers liegt die Annahme zugrunde, dass „sich die menschliche Gesellschaft aus ihren kleinsten Teilchen (nämlich den Haushalten) zusammensetzt, deren Anordnung von der Sozialstruktur, verstanden als einem ‚Wirkungszusammenhang sozialer Kräfte’“, bestimmt wird (S. 21). Grundlage der Untersuchungen ist ein aus bisherigen Veröffentlichungen ermittelter Datensatz von fast 4000 Haushaltsrechnungen aus der Zeit des Kaiserreichs (hierzu S. 351ff. das kommentierte Quellenverzeichnis), welche die jährlichen Ausgaben der erfassten Haushalte hinsichtlich ihrer Konsumstruktur (Nahrungs- und Genussmittel, Wohnen insgesamt, Kleidung, Ausgaben für Nicht-Grundbedürfnisse, S. 187) zusammenstellen. Als Ergebnis der clusteranalytischen Untersuchung der Konsumstrukturen hat Fischer vier deutlich voneinander abgrenzbare Typen von Konsumschemata herausgearbeitet (Typus des grundbedarfsfixierten Konsums, Typus des gehobenen Konsums, Typus des komfortablen Konsums und Typus des luxuriösen Konsums, jeweils mit einigen Untertypen). Als wichtigsten Ertrag der Arbeit stellt Fischer heraus, dass man sich von der „Vorstellung“ verabschieden müsse, „anhand der Berufsstellung eines Haushaltsvorstandes das Konsumverhalten eines Haushalts prognostizieren zu können“ (S. 272). Vielmehr zeige die „Verteilung der einzelnen sozioprofessionellen Gruppen auf verschiedene Konsummuster“, „dass eine andere Größe noch stärker als bisher in dieser Hinsicht berücksichtigt werden sollte: die des Einkommens“. Die Konsummuster sind nur zu 69% als Ergebnis einer Klassenbildung anzusehen (S. 273). Von einem „gespaltenen Konsum“ darf man sprechen, wenn etwa „bürgerliche Haushalte in der Absicht, den Lebensstil einer einkommenshöheren Schicht nachzueifern, sehr große Anteile ihres Budgets für Repräsentationszwecke verwendet“ (S. 270). Die Ergebnisse der hoch spezialisierten Untersuchungen von Fischer dürften auch für den sozialgeschichtlich orientierten Rechtshistoriker von Interesse sein, etwa für die Frage, inwieweit das Konsumverhalten die Gesetzgebung und Judikatur der Kaiserzeit mit bestimmt haben. Allerdings wären hierfür teilweise noch detailliertere Daten (z.B. hinsichtlich der Wohnungsverhältnisse usw.) erforderlich.
Kiel |
Werner Schubert |