Ein österreichischer
General gegen Hitler. Feldmarschalleutnant Alfred Jansa - Erinnerungen, nach
den Vorarbeiten von Herta und Claude-Maria-Alfred Jansa eingeleitet und hg. v.
Broucek, Peter. Böhlau, Wien 2011. 830 S. Besprochen von Martin Moll.
Buchtitel
geben häufig den Inhalt nur eingeschränkt, bestenfalls zugespitzt wieder. Nicht
anders verhält es sich bei der kommentierten Edition der umfangreichen
Erinnerungen des Feldmarschalleutnants Alfred Jansa (bis 1919: Jansa Edler von
Tannenau; geboren 1884 in Stanislau/Galizien, gestorben 1963 in Wien), deren
Manuskript Jansa im Jahr vor seinem Tod abschloss. Die Memoiren umfassen somit
nahezu acht Jahrzehnte und fünf politische Systeme: die Habsburgermonarchie,
die Erste Republik Österreich, den austrofaschistischen Ständestaat 1934-1938,
das „Dritte Reich“ sowie ab 1945 die Zweite Republik. Jansa diente als
Berufsoffizier in den Heeren der drei erstgenannten Systeme, nahm am Ersten
Weltkrieg teil und wurde 1935 Generalstabschef der österreichischen
Streitkräfte. Nur Wochen vor dem „Anschluss“ der Alpenrepublik an
NS-Deutschland wurde der erst 54-Jährige auf deutschen Druck hin pensioniert.
Trotz
Jansas langem und erfülltem Leben konzentriert sich der Buchtitel auf seine
Aktivitäten „gegen Hitler“, mithin einen Zeitraum von maximal fünf Jahren, denn
bald nach dem „Anschluss“ wies das neue Regime Jansa das thüringische Erfurt
als Aufenthaltsort zu, wo er sich wohlweislich ruhig verhielt, jedenfalls
keinen Widerstand leistete. In der Tat taucht Jansa in der Historiographie als
jener Mann auf, der während seiner kurzen Zeit als Generalstabschef alle Hebel
in Bewegung setzte, um das kleine österreichische Bundesheer für den immer wahrscheinlicher
werdenden Fall eines deutschen Einmarschs zu wappnen. Unbestritten war dies der
zentrale Abschnitt in Jansas Leben, wenngleich seine Erinnerungen hierzu zwar
viele Details, aber nichts grundlegend Neues mitteilen. Jansa selbst räumt den
Jahren an der Spitze des Generalstabs (1935-1938) rund 90 von insgesamt 630
Seiten ein; für den Ersten Weltkrieg sind es 200. Jansa hält also vieles in
seinem Leben ebenfalls für berichtenswert und der Leser ist gut beraten, dem
Autor darin zu folgen.
Der vielseitig
gebildete und interessierte Jansa schreibt ein angenehmes Deutsch von durchaus
literarischer Qualität. Den Text kennzeichnet die Präzision der verwendeten Formulierungen
ebenso wie Anflüge von (Selbst-)Ironie; selbst die Passagen über den Ruhestand
(immerhin 65 Seiten) zeigen wie die übrigen Kapitel den scharfen Beobachter
seiner Zeit und seiner Mitmenschen. Für sie hat Jansa meist viel Verständnis
und urteilt daher milde. Freilich: Seine Meinung über das NS-Regime, das er als
Militärattaché in Berlin praktisch von dessen Machtantritt an hautnah
miterlebte, fällt völlig eindeutig aus. Überraschend scharf, ja vernichtend
sind seine Worte über jene österreichischen Politiker mit Schuschnigg an der
Spitze, die das Bundesheer zuerst aufrüsteten und im März 1938 kläglich vor
Hitler kapitulierten (S. 672ff.).
Herausgeber
Peter Broucek erläutert durch Fußnoten im Text erwähnte Personen, Begebenheiten
usw., häufig ausführlicher als nötig. Eine herbe Enttäuschung ist allerdings Brouceks
rund 80 Seiten starke „Einführung in die militärisch-politische Lage
Österreichs“. Abgesehen davon, dass er nur die Jahre 1918-1938 behandelt, fehlt
diesem unstrukturierten Text jeglicher rote Faden. Zeitlich und thematisch
ständig hin und her springend, die großen Linien lediglich grob umreißend und
dafür irrelevante Details in epischer Breite, vor allem durch seitenlange
Fußnoten auswalzend, wird man eher vom Weiterlesen abgeschreckt als dazu
ermuntert. Auf diese Weise wird den Erinnerungen Jansas kein guter Dienst
erwiesen und man kann nur hoffen, dass diese erstrangige Quelle (nicht allein für
die Zwischenkriegszeit) die ihr gebührende Aufmerksamkeit finden wird.
Graz Martin
Moll