Dunkhase, Jan Eike, Werner Conze. Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 194). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. 378 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die mit einem Bild Werner Conzes von etwa 1979 geschmückte Arbeit ist die von Jürgen Kocka betreute, 2008 im Fach Geschichte an der Freien Universität in Berlin angenommene Dissertation des nach dem Studium in Heidelberg, Jerusalem und Frankfurt am Main 2002 zum M. A. in mittlerer und neuerer Geschichte, Philosophie und jüdischen Studien in Heidelberg graduierten, seit 2007 als Redakteur und Übersetzter an der Botschaft Israels in Berlin und seit Juni 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig tätigen Verfassers. Ihr Gegenstand ist der aus einer preußischen Gelehrtenfamilie entstammende, als Sohn eines Reichsgerichtsrats in Neuhaus an der Elbe am 31. Dezember 1910 geborene, 1933 der SA beigetretene, 1934 bei Hans Rothfels in Königsberg mit einer Untersuchung über Hirschenhof - die Geschichte einer deutschen Sprachinsel in Livland promovierte, 1939 zur Wehrmacht eingezogene, nach einer Verwundung 1940 seine Habilitationsschrift über die Hufenverfassung im ehemaligen Großfürstentum Litauen abschließende, 1943 wenige Wochen als Professor an der Universität Posen tätige, 1944 als Hauptmann schwer verwundete, im Juli 1945 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassene, danach nach Göttingen, Münster und als ordentlicher Professor nach Heidelberg (1957) gelangte, dort am 28. April 1986 verstorbene bekannte Historiker Werner Conze. Sein Lebensweg gibt dem Verfasser historisch zu denken.

 

Nach einer kurzen Einleitung verfolgt er ihn in neun Kapiteln. Sie betreffen soziokulturelle Hintergründe, Lehrmeister und Lehrstätten (mit einem Übergang von der Rechtswissenschaft zur Geschichtswissenschaft), Volkstumskampf und Kriegsdienst (mit Volksgemeinschaft, Ostforschung, Entjudung, Karrieresprüngen und Vernichtungskrieg), (zunächst nicht besonders einfaches) westdeutsches Gelehrtendasein, Sozialgeschichte der industriellen Welt, den Bann der Nation, die Spannung zwischen West und Ost und die erlebte Zeitgeschichte mit Brüning und der Staatskrise von 1930 bis 1933 sowie Hitler und den Deutschen. Am Ende steht eine Leerstelle, in der es Werner Conze in seinem Nachkriegswerk nie um den Zivilisationsbruch der Judenvernichtung, sondern nur um Kontinuitätsbruch der deutschen Nationalgeschichte in der deutschen Katastrophe ging.

 

Insgesamt bietet die gut lesbare, in vier biographische Kapitel und fünf werkperspektivische Kapitel geteilte Arbeit auf der Grundlage zusätzlicher Quellen eine Reihe neuer Erkenntnisse über Werner Conze, der sich in der Nachkriegszeit durch sozialgeschichtliche und begriffsgeschichtliche Forschungen einen Namen gemacht hat. Wie weit die Einstufung als konservativer Modernisierer zutrifft, ist wohl streitig. Zu einer glanzvollen Karriere gehört meist eben auch geschickter Opportunismus am gegebenen Ort zur gegebenen Zeit, bei dem der einde mehr Erfolg haben kann als der andere.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler