Dönninghaus, Victor, Minderheiten in Bedrängnis. Sowjetische Politik gegenüber Deutschen, Polen und anderen Diaspora-Nationalitäten 1917-1938. Oldenbourg, München 2009. 693 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Freiburg im Breisgau tätige Historiker ist bereits 1999 als Teilverfasser einer Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen und 2002 durch Arbeiten über Die Deutschen in der Moskauer Gesellschaft (1494-1941) und die Deutschen an der Wolga im ausgehenden Zarenreich hervorgetreten. Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren 2002-2005 mit Hilfe eines Habilitationsstipendiums des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien. Im Februar 2006 wurde sie als von Detlef Brandes und Dietmar Neutatz unterstützte Habilitationsschrift für osteuropäische Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau angenommen.

 

Der Verfasser erweitert dabei sein Bearbeitungsfeld von den Deutschen auf andere westliche Minderheiten in der Sowjetunion wie Polen, Letten, Litauer, Esten und Finnen. Er vertieft es zugleich für die Zwischenkriegszeit, in welcher der Stalinismus ausgebildet und umgesetzt wurde. Dieser Vorgang veränderte die Gesellschaft erheblich und begründete eine eigenständige rechtsferne Herrschaftsform.

 

Der Verfasser gliedert seine umfangreiche, für den Druck gekürzte, auf viele archivalische Quellen gestützte, weiterführende Untersuchung in vier Teile, Sie betreffen die konzeptionelle Entwicklung der Nationalitätenpolitik der Bolschewiken, das Verhältnis zwischen den Zentralorganen der Sowjetunion und den westlichen Minderheiten, in deren Mittelpunkt die Deutschen stehen, die Beziehungen zwischen dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und den Minderheiten und den „großen Meister“, der zum Feind erklärte, wer nicht Freund sein wollte. Angehörigen der Minderheiten blieben in der von Stalin ausgelösten nationalistischen Bedrängnis vielfach nur Möglichkeiten der entwurzelnden Auswanderung, wie sie das Titelbild für Mennoniten aus Lichtenau in der Südukraine 1924 eindringlich veranschaulicht.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler