Die Fraktion als Machtfaktor. CDU/CSU im Deutschen Bundestag 1949 bis heute, hg. v. Schwarz, Hans-Peter. Pantheon Verlag, München 2009. 368 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Am 1. September 1949 trat in Bonn im Bürgerverein unter der kurzzeitigen amtierenden Leitung des späteren ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland die CDU/CSU Bundestagsfraktion zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Im Hinblick auf diesen Zeitpunkt ergab sich in der Fraktion ein Interesse an einer unabhängigen, knappen, sachlichen Darstellung von sechzig Jahren Geschichte. Sie legte der in Lörrach 1934 geborene, als Verfasser einer Biographie Konrad Adenauers bestens ausgewiesene Herausgeber mit Unterstützung siebener sachkundiger Politologen, von denen drei im Archiv für christlich-demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn beschäftigt sind und daher den einschlägigen Quellen sehr nahe stehen, in dem mit einem Foto des Plenarsaals des Bundestags rechtzeitig vor.
Sie umfasst insgesamt 12 Studien. In chronologischer Reihenfolge beginnt der Herausgeber selbst mit der Ära Adenauer, der die Fraktion mit einem Fegefeuer verglich, lange Zeit aber die zugehörige Glut gut zu beherrschen verstand. Peter März schildert die Stürze der Kanzler Adenauer (1963) und Erhard (1966), Torsten Oppelland die Gegenüberstellung von amerikafreundlichen Atlantikern und frankophilen Gaullisten, Stefan Marx die erste große Koalition mit der SPD, Werner Link das Verhältnis zu einer neuen Ostpolitik, Wolfgang Jäger die Durchsetzungskraft Helmut Kohls, Hanns Jürgen Küsters die Fraktionsführung Alfred Dreggers, Hans-Peter Schwarz die Fraktionsführung Wolfgang Schäubles, Hans-Peter Schwarz die zweite Oppositionszeit und die zweite große Koalition bis 2009. Abschließend widmet sich Günter Buchstab der parlamentarischen Besonderheit der CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft, Hans-Peter Schwarz der Fraktion als Machtfaktor.
Der Zeitgenosse, der das politische Geschehen dieser Jahre als äußerer Betrachter miterlebt hat, wird eindrucksvoll an vieles Geschehene, wie etwa die unerlaubte Annahme von Geldern durch höchste Amtsträger, erinnert und erfährt auch manches ihm bislang Unbekannte. Insgesamt zeichnen die Bearbeiter ein spannendes Bild vom Kampf um die politische Macht mit vielen Niederlagen und einigen Siegen. Dass die Fraktion ein bedeutender Machtfaktor in der Gestaltung der Politik im Parteienstaat ist, kann der anziehend geschriebene Band nachdrücklich unter Beweis stellen.
Innsbruck Gerhard Köbler