David, Anke, Die Entwicklung des Mordtatbestandes im 19. Jahrhundert (= Schriften zum Strafrecht und Strafprozessrecht 102). Lang, Frankfurt am Main 2009. XIV, 258 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Manfred Maiwald angeregte und betreute, im Juli 2007 abgeschlossene Dissertation der zeitweise als wissenschaftliche Assistentin am Juristischen Seminar tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich außer in Einleitung und in Schlussbemerkungen in zwei Hauptteile. Auf der Grundlage des gemeinen Rechts im ausgehenden 18. Jahrhundert betrachtet die Verfasserin zunächst den Mordtatbestand in der Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts und geht danach auf besondere Ausprägungen und Umstände in Bezug auf den Mord über.

 

Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts bezieht sie Bayern (Kleinschrod 1802, Strafgesetzbuch 1813), Oldenburg, Sachsen (Entwurf Tittmann 1811, Erhard 1816, Stübel 1824, Criminalgesetzbuch 1838), Württemberg, Hannover, Braunschweig, Hessen-Darmstadt, Kurhessen und Baden ein, für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts Preußen (Entwürfe 1827, 1830, 1833, 1836, 1843, 1845, 1846, 1847, 1850, Strafgesetzbuch von 1851), Sachsen (Strafgesetzbuch 1855), Bayern (1861), den Norddeutschen Bund (Entwurf 1869, Strafgesetzbuch 1870) und das Deutsche Reich (Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1851).. Dabei zeigt sich insgesamt als Ziel, die aus dem gemeinen Strafrecht überkommenen kasuistisch geregelten Mordtatbestände durch einen Mordtatbestand mit einem Merkmal Vorbedacht oder Überlegung abzulösen. Bei den besonderen Ausprägungen stellt die Verfasserin als Spezialregelungen den Zweikampf, die Tötung auf Verlangen und den Mord aus Lebensüberdruss heraus und befasst sich besonders mit dem Verhältnis von Mord und Zurechnungsfähigkeit und dem Menschen hinter dem Mord, wobei sie zwischen Mörder und Mörderin differenziert.

 

Im Ergebnis ermittelt die Verfasserin, wie als Folge der Aufklärung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Zweiteilung der Tötungsdelikte in Mord und Totschlag mit Todesstrafe einerseits und zeitiger Freiheitsstrafe andererseits entwickelt wird. Durch die Möglichkeit, strafmildernde Umstände bereits im Strafprozess zu berücksichtigen, wird entgegen Feuerbach die Stellung des Richters gestärkt. Die im 19. Jahrhundert gefundene Lösung für das Verhältnis zwischen Mord und Totschlag wird freilich 1941 durch die von Karl Stooß für die Schweiz vorgeschlagene Lösung ersetzt, nach der Mord vorliegt, wenn der Täter aus Mordlust, aus Habgier, unter Verübung von Grausamkeit, heimtückisch oder mittels Gift, Sprengstoffen oder Feuer oder um die Begehung eines anderen Verbrechens zu verdecken oder zu erleichtern, getötet hat.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler