Bundesrepublik und DDR. Die Debatte um Hans-Ulrich Wehlers „Deutsche Gesellschaftsgeschichte“, hg. v. Bahners, Patrick/Cammann, Alexander (= beck’sche reihe). Beck, München 2011. 425 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Freudenberg bei Siegen 1931 geborene, nach dem Studium der Geschichte, Soziologie und Ökonomie  in Köln, Bonn und Ohio 1960 über Sozialdemokratie und Nationalstaat (1840-1914) bei Theodor Schieder promovierte und nach Ablehnung einer ersten Habilitationsschrift über den Aufstieg des amerikanischen Imperialismus 1865-1900 (1964) 1967 mit der Arbeit Bismarck und der Imperialismus (1967) mit knapper Mehrheit habilitierte, ab 1970 in Berlin und von 1971 bis 1996 wirkende Hans-Ulrich Wehler hat seit 1987 eine fünfbändige Deutsche Gesellschaftsgeschichte verfasst, die ein Standardwerk der deutschen Geschichtsschreibung für die Zeit zwischen 1750 und 2000 geworden ist. Ihr vierter, von 1914 bis 1949 reichender Band ist in dieser Zeitschrift von Werner Schubert in ZRG GA 122 (2005) besprochen worden. Da sich für den fünften, die Zeit von 1949 bis 1990 betreffenden Band kein Interessent mehr fand, soll zumindest in wenigen Zeilen mittelbar darauf hingewiesen werden.

 

In diesem Band vertrat Wehler etwa die Ansicht, dass die Leistungsideologie des Nationalsozialismus eine Ressource des westdeutschen Wirtschaftswunders bildete. Er ging weiter beispielsweise davon aus, dass die studentische Bewegung des Jahres 1968 politisch scheiterte und die Deutsche Demokratische Republik nur eine Fußnote zur Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bildet. Hierzu entstand im Sommer 2008 eine öffentliche Diskussion, deren wichtigste Beiträge von mehr als 50 Mitwirkenden der Sammelband der Öffentlichkeit vorstellt.

 

Angesichts ihrer verwirrenden Vielfalt kann dabei hier nur darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie den Autor über sein Werk und sein Land sprechen lassen, dass sie 18 Fragen des Tages wie Modell Bundesrepublik - Fußnote DDR?, Ist Ungleichheit Schicksal oder wie deutsch ist die deutsche Geschichte 1949 bis 1990? in den Blick nehmen. Dem folgen Aspekte der Kritik und Zeitzeugen (Ralf Dahrendorf, Wolfgang Schäuble, Hans-Jochen Vogel). Am Ende einer Fernsehsendung fasst Harald Schmidt den In halt des fünften Bandes der Gesellschaftsgeschichte leicht vereinfacht in der Wendung zusammen, dass normale Enten oder Menschen, strampeln können, wie sie wollen und doch nie dort ankommen, wo Dagobert Duck oder der Kapitalist schon ist, betont aber auch, dass die Geschichte und damit auch die deutsche Gesellschaftsgeschichte weiter geht - wie dies auch zwischen 1750 und 1990 oder 2011 der Fall war.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler