Bornhorst, Sarah, Selbstversorger. Jugendkriminalität während des ersten Weltkriegs im Landgerichtsbezirk Ulm (= Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 19). UVK, Konstanz 2010. 340 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Andreas Wirsching betreute, im Sommersemester 2008 von der philologisch-historischen Fakultät der Universität Augsburg angenommene, für den Druck geringfügig überarbeitete Dissertation der als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Berliner Mauer in Berlin tätigen Verfasserin. Die Hauptgrundlage bilden Akten des königlichen Landgerichts Ulm. Sie bestehen zum einen aus Strafprozesslisten der Jahre von 1904 bis 1918 (ohne 1917) und zum anderen aus mehr als 130 stark ausgedünnten Strafakten betreffend Strafverfahren gegen Jugendliche vor dem Landgericht Ulm aus den Jahren von 1914 bis 1918.

 

Nach einer Einleitung zu Thema, Forschungsstand, Quellen, Methodik und Fragestellungen sowie zum Aufbau der Arbeit behandelt die Verfasserin in zwei Teilen acht Abschnitte. Sie betreffen allgemeine Grundlagen (Konstruktion von Jugendkriminalität, Tatort Landgerichtsbezirk Ulm), die Jugendkriminalität vor der Strafkammer des Landgerichts Ulm (Umgang mit den Quellen, von der Straftat zur Gerichtsverhandlung, Rahmenbedingungen, quantitative Entwicklung, Erscheinungsformen und Urteilfindung im Krieg). Erfasst werden Straftaten gegen das Eigentum, gegen das Vermögen, gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit, gegen die persönliche Freiheit, gegen die Sittlichkeit, gegen die Ehre, gegen die öffentliche Ordnung, Urkundendelikte, gemeingefährliche Straftaten, Straftaten im Amt, Übertretungen und sonstige Verstöße.

 

Besonderes Gewicht legte die Verfasserin in ihrer stark differenzierenden Untersuchung auf die Betrachtung der quantitativen Entwicklung und die konkreten Erscheungsformen sowie auf den Umgang der Strafverfolgungsinstanzen mit den kriminellen Jugendlichen. Dabei zeigt sich, dass unter den 211 Angeklagten vor allem Jungen als Täter (29 Mädchen) erscheinen und Diebstahl im Mittelpunkt steht. Als abweichende Persönlichkeiten wurden in dem Bemühen um Aufrechterhaltung der von bürgerlichen Wertvorstellungen geprägten Ordnung in den Wirren des ersten Weltkriegs 50 Jungen und 5 Mädchen stigmatisiert.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler