Bologna und das Rechtsstudium. Fortschritte und Rückschritte der europäischen Juristenausbildung, hg. v. Baldus, Christian/Finkenauer, Thomas/Rüfner, Thomas. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. 290 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

 

In Bologna begannen im 12. Jahrhundert immer mehr Studierende aus unterschiedlichen Ländern ohne Reglementierung mit dem Rechtsstudium. Hieraus hat sich ein Erfolgsmodell mit gegenwärtig wohl mehr als einer Million Juristen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickelt. Dementsprechend erwuchs am Ende des 20. Jahrhunderts ein allgemeineres Vergleichbarkeitsproblem von Studienabschlüssen, das 1999 in Bologna zur Unterzeichnung einer völkerrechtlich nicht bindenden Erklärung neunundzwanziger europäischer Bildungsminister führte, nach dem bis 2010 ein einheitlicher europäischer Hochschulraum geschaffen werden sollte, der ein dreijähriges Bachelorstudium, ein anschließendes zweijähriges Masterstudium und ein darauf folgendes Doktoratsstudium als einheitliches Modell vorsah.

 

In dieses fügte sich die in Deutschland entwickelte Juristenausbildung wegen ihrer Staatsdiensteingangsprüfung, der praktischen Ausbildung zum Einheitsjuristen außerhalb der Universität und der zweiten staatlichen Abschlussprüfung nicht ein, zumal sich in Folge des anschwellenden Sachstoffes das zunächst auf mindestens sechs Semester angesetzte Universitätsstudium bereits rechtlich wie tatsächlich auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt hatte. Deswegen entstand (auch) in Deutschland eine Diskussion um die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit der Einführung des Bolognamodells in der Juristenausbildung, in deren Rahmen nach einer 2007 abgehaltenen Tagung 2008 ein Tagungsband unter dem Titel Juristenausbildung in Europa zwischen Tradition und Reform erschien, dessen Besprechung zwar großes Interesse von potentiellen Rezensenten hervorrief, bisher aber nur zu dem Ergebnis geführt hat, dass der ausgewählte sachkundige int3ernational erfahrene Rezensent sich noch immer eisern um eine Rezension bemüht. Aus diesem Grunde zieht es der Herausgeber vor, selbst wenigstens auf den inzwischen erschienenen Folgeband mit einigen Zeilen hinzuweisen.

 

Er beginnt in seinem ersten Abschnitt (Erfahrungen) mit einem historischen Überblick Thomas Rüfners und einem rechtsvergleichenden Überblick Thomas Raffs, an den sich informative Berichte über die Juristenausbildung in Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, Slowenien, Spanien, Ungarn, Lateinamerika, die Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland (Ute Mager) anschließen. Im zweiten Teil (Erwartungen) fragt Heino Schöbel nach der Einführung des Bologna-Modells in der deutschen Juristenausbildung, stellt Peter-Christian Müller-Graff die deutsche Juristenausbildung in den internationalen Kontext und behandeln die Herausgeber die Bologna-Reform aus Hochschullehrersicht. Nach ihr besteht angesichts der bewährten deutschen Juristenausbildung zu einer Umstellung, die ohnehin verspätet wäre und die Zahl der Juristen nicht regulierend einschränken dürfte, ohne rechtliche Verpflichtung kein sachlicher Grund, so dass es auf der Grundlage der trotz Bologna noch unterschiedlichen nationalen Rechte wohl für längere Zeit noch bei unterschiedlichen Juristenausbildungen in Europa und der übrigen Welt bleiben dürfte.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler