Blasius, Dirk, Carl Schmitt und der 30. Januar 1933. Studien zu Carl Schmitt. Lang, Frankfurt am Main 2009. 117 S. Besprochen von Thomas Olechowski.

 

Das vorliegende Heft vereinigt einführende und erläuternde Texte des Essener Sozial- und Wirtschaftshistorikers Dirk Blasius mit der Abschrift von vier Interviews, die Carl Schmitt zwischen 1967 und 1973 im Radio gegeben hat. Sie haben die politische Situation am Anfang der 1930er Jahre in Deutschland, die Problematik des Art. 48 WRV, die Machtergreifung Hitlers und seine eigene Rolle bei diesen Ereignissen zum Gegenstand. Da diese Geschehnisse im Allgemeinen gut bekannt und vielfach beschrieben worden sind, liegt der Erkenntnisgewinn des Buches praktisch ausschließlich darin, wie Schmitt sie sah. 1972 wird Schmitt direkt gefragt: „Warum haben Sie bei Hitler mitgemacht?“ Er antwortet ausweichend: „Warum – ja, so ist es gekommen.“ (S. 59f.) An keiner Stelle versucht Schmitt, sich von seinen damaligen Sichtweisen zu distanzieren, Gefühle wie Reue oder Scham kommen nicht auf.

 

Das Buch ist ein Beweis mehr für das allgemein zu konstatierende, geradezu begeisterte Interesse, das der Person des „Kronjuristen des Dritten Reiches“ (nicht etwa nur seinem Werk) nach wie vor entgegen gebracht wird, ja, es scheint, dass dieses im 21. Jahrhundert noch weiter anwächst. Die Gründe hierfür sind dem Rezensenten schlicht unbegreiflich. Ist es das wohlig-schaurige Gruseln, das einem bei der Erkenntnis widerfährt, dass nicht nur tumbe Toren, sondern auch „ein Denker erster Ordnung“ (S. 20) der Weimarer Zeit dem Nationalsozialismus verfallen konnte? Diese Frage muss wohl jeder für sich persönlich beantworten.

 

Wien                                                                                                              Thomas Olechowski