Bastian, Daniell,
Westdeutsches Polizeirecht unter alliierter Besatzung (1945-1955) (= Beiträge
zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 66). Mohr (Siebeck), Tübingen 2010. X,
289 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Michael Stolleis - umsichtig und
freizügig - betreute, im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte
in Frankfurt am Main entstandene, im Sommersemester 2009 vom Fachbereich
Rechtswissenschaften der Universität Frankfurt am Main angenommene, leicht
überarbeitete Dissertation des 1975 geborenen, derzeit als Regierungsrat im
hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung tätigen
Verfassers. Sie bereitet eine Geschichte des öffentlichen Rechts der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts in einem sachlichen und zeitlichen Teilbereich vor.
Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in zwei Teilen mit je zwei
Kapiteln.
Ausgangspunkt der interessanten und wichtigen Studie ist
das liberale und rechtsstaatliche Polizeiverwaltungsgesetz Preußens vom 1. Juni
1931, das unter der nationalsozialistischen Herrschaft und der mit ihr
verbundenen Verdrängung der Freiheit des Einzelnen durch die ideologisch
bestimmten Interessen der Volksgemeinschaft weitgehend ausgehöhlt wurde.
Demgegenüber versuchten nach dem Kriegsende die amerikanischen und britischen
Besatzungsbehörden einen Neuaufbau durch eine grundsätzlich kommunale
Polizeiorganisation nach angelsächsischem Vorbild unter den Grundsätzen der
Demilitarisierung, Denazifizierung, Demokratisierung und Dezentralisierung.
Dieses Vorgehen stieß auf heftigen deutschen Widerstand und musste mit Beginn
des Korea-Krieges im Juni 1950 veränderten Sicherheitsinteressen weichen.
Im Einzelnen behandelt der erste Teil dementsprechend die
Entwicklung des Polizeirechts in den westlichen Besatzungszonen unter dem
Einfluss der Alliierten. Davon betrifft Kapitel 1 die Neuorganisation der
Polizei in den westlichen Besatzungszonen, die nur in der französischen
Besatzungszone weniger strikt verlief. Kapitel 2 verfolgt das formelle und
materielle Polizeirecht zwischen preußischer Kontinuität und alliierten
Eingriffen an Hand der Sachpunkte Verordnungswesen, polizeiliche
Strafverfügungen und Verwarnungen, Anwendung von polizeilichen Zwangsmitteln,
Rechtsschutz gegen polizeiliches Handeln und weitere Anwendbarkeit der
polizeilichen Befugnisse durch die entpolizeilichten Ordnungsbehörden.
Im zweiten Teil betrachtet der Verfasser die Entwicklung
des Polizeirechts in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland. Dabei
stellt er die Auswirkungen des Besatzungsstatuts und des Grundgesetzes auf die
Polizeiorganisation in (der Bundesrepublik) Deutschland, den Wandel der
amerikanischen Polizeipolitik im Zuge der weltpolitischen Entwicklung und den
Aufbau der Sicherheitsarchitektur des Bundes und der Länder nebeneinander.
Danach behandelt er die Neuordnung und Weiterentwicklung des Polizeirechts in
den Ländern an Hand der unterschiedlichen Polizeiorganisation nach neuen
Landespolizeigesetzen (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz sowie Bayern und Hessen), die Regelung des
übrigen formellen Polizeirechts und die Weiterentwicklung des materiellen
Polizeirechts.
Insgesamt stellt er dabei fest, dass zwar das formelle
Polizeirecht noch stark von den alliierten Eingriffen geprägt wurde, dass aber
im materiellen Polizeirecht im Wesentlichen unmittelbar an die
rechtsstaatlichen Vorlagen vom Ende der Weimarer Republik angeknüpft wurde. Im
Polizeiorganisationsrecht ging jedes Bundesland seinen eigenen Weg.
Zusammenfassend bietet der Verfasser auf diese Weise auch mit Hilfe
unveröffentlichter Quellen eine eindrucksvolle Bestandsaufnahme der
polizeirechtsgeschichtlichen Entwicklung im Westen Deutschlands zwischen
Kapitulation und Aufhebung des Besatzungsstatuts, die in ihrer Spannung
zwischen alliierter Fremdbestimmung und territorialer Selbstbestimmung für die
Gesamtgeschichte des jüngeren öffentlichen Rechts in Deutschland eine gute
Grundlage bilden wird.
Innsbruck Gerhard Köbler