Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich - Deutschsprachige Länder, hg. v. Gatz, Erwin, in Zusammenarb. m. Becker, Rainald/Brodkorb, Clemens/Flachenecker, Helmut, Kartographie Bremer, Karsten. Schnell + Steiner, Regensburg 2009. 376 S., 197 farb. Hauptkart., 20 Nebenkart. Besprochen von Gudrun Pischke.

 

Trotz im Sinne von weiterführenden Anregungen (Vorwort S. 5) zu verstehender und unten genannter Kritik bietet dieses monumentale Werk zur Geschichte der Kirche in 13 Abschnitten 197 Karten zu 14 Jahrhunderten Kirchengeschichte in den – allerdings nie starren – Grenzen des Heiligen Römischen Reiches. Auf den im Spätmittelalter aufkommenden und seit der frühen Neuzeit gebräuchlichen Zusatz ‚deutscher Nation‘ ist erfreulicherweise verzichtet worden; statt dessen findet sich die unglückliche, weil für etliche Reichsteile in allen Himmelsrichtungen unzutreffende, Ergänzung „Deutschsprachige Länder“. Den kritischen Anregungen sei der Inhalt detaillierter vorangestellt, um Benutzern einen Leitfaden an die Hand zu geben, welche Themenbereiche der Atlas umfassend oder exemplarisch abdeckt. Jeder der nicht durchgezählten 13 Abschnitte beginnt mit einem Einführungstext und zu jeder Karte gehört ein Erläuterungstext, der in einigen Fällen über das zur Karte Erforderliche hinausgeht, in anderen Fällen – besonders hinsichtlich der Bistumsentwicklung – sehr knapp ausgefallen ist.

 

Hauptbestandteil sind die Karten der Bistümer bzw. Erzbistümer, und zwar – soweit entstanden – im Vergleich mit ihren Territorien, den Hoch- bzw. Erzstiften um 1500. Zu den 60 Erz-/Bistümern kamen noch drei bzw. fünf unselbständige Suffragane, die in den Reichsmatrikeln von 1422 bis 1521 auch erfasst sind, zweier Bistümer hinzu. In einem zweiten Zeitschnitt werden einige Bistümer/Hochstifte um 1750 berücksichtigt, hier wird die 1499 – offiziell 1648 – sich aus dem Heiligen Römischen Reich gelöste Eidgenossenschaft mit dem Bistum Chur herausgestellt, und werden Breslau und Kulm als im Preußenland liegend ausgewiesen. In einem weiteren, nicht kohärenten Zeitschnitt werden die Bistümer der Gegenwart vorgestellt, jetzt verteilt auf diverse Staaten, wobei sie Ländern und – nicht nur historischen – Landschaften zugeordnet sind. Hier zeigt sich die Schwierigkeit, Entwicklungen und Bezeichnungen in Deckung zu bringen. Nach den Diözesanregulierungen sowohl im ausgehenden 18. Jahrhundert als auch in zurückliegenden Jahrzehnten bestehen in dem Gebiet, das dem Heiligen Römischen Reich zugewiesen wurde, nunmehr verteilt auf mehrere Staaten, 44 Bistümer, wobei alte Bistümer neue Zuschnitte, zum Teil auch neue Benennungen erhalten haben und neue Bistümer entstanden sind. Um die gesamte Entwicklung eines seit Jahrhunderten bestehenden Bistums zu erfassen, muss zurückgeblättert werden.

 

Bevor die Bistümer mit den Hochstiften im umfangreichsten Abschnitt „Die Kirche im Reich um 1500“ (S. 57-143) dargestellt werden, stehen am Anfang fünf Karten zu den Anfängen des Christentums im späten sechsten Jahrhundert und fünf zur kirchlichen Erschließung des Heiligen Römischen Reiches bis zum Ausgang des Mittelalters, und zwar vier zu Bistumsgründungen – gemäß der Dynamik der Entwicklung – zu den Zeitschnitten bis 700, 700 bis 850, 850 bis 1000 und 1000 bis 1500 sowie eine zu Reichsabteien und Reichsstiften um 1000 sowie eine weitere zur Ausbreitung des Zisterzienserordens. Es schließen sich im zeitlich abweichenden Abschnitt „Wallfahrtsziele bis 1450“ vier Karten zu Wallfahrtszielen im Erzbistum Köln, in den Bistümern Brandenburg und Würzburg und – abweichend von der Bistumseinteilung (warum?) – in Oberösterreich an und werden beispielhaft Stifte und Klöster in eben denselben Bistümern bzw. Gebieten dargestellt. Es folgen im sechsten Abschnitt eine Auswahl von Stadtplänen um 1500 zu 14 Bischof- oder Kathedralstädten sowie eine Karte (mit Nebenkarte) zur Bistumseinteilung der Niederlande 1559 bzw. 1559/61. Der siebte Abschnitt „Konfessionswechsel und konfessionelle Beharrung“ befasst sich mit der lutherischen Landeskirche exemplarisch im albertinischen Sachsen um 1580 sowie mit Stiften und Klöstern in den ehemaligen Hochstiften Magdeburg und Halberstadt; es folgt die Konfessionsverteilung im Hochstift Osnabrück seit 1651, geschossen wird mit der Niederlassung der Gesellschaft Jesu um 1725. Nach dem achten Abschnitt mit ausgewählten Bistümern um 1750 werden für diesen Zeitschnitt die Themen Wallfahrtsziele und Kathedralstädte in Fortsetzung der angeführten Beispiele wieder aufgenommen. Waren es um 1500 14 dieser Städte, so sind es jetzt noch neun und als zehnte Lüttich (warum nicht schon um1500?). Dieser Abschnitt schließt mit den Universitätsstädten um 1790; auch hier sei die Frage eingeschoben, warum nicht schon um 1500 (dieser Themenkreis [S. 13] ist folglich nur hier vertreten). Unter dem zwölften Abschnitt „Neuordnungen seit dem Zeitalter der Aufklärung“ finden sich nicht nur die neu zugeschnittenen und auch zeitlich befristeten Diözesen, sondern auch – weil zeitlich später – die Stifte und Klöster Oberösterreichs und weiter Pfarr- und Klosterkirchen in der Stadt Köln sowie drei Karten zu den evangelischen Landeskirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz um 1900 und eine Karte zur Verteilung der  beiden großen Konfessionen im Reich um 1900. Im 13. und letzen Abschnitt „Vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ gibt es neben den neuen Diözesen eine Karte zur Dichte der katholischen Bevölkerung in Deutschland in der Gegenwart. Abschnitt und Atlas endet mit drei Karten zur gegenwärtigen evangelischen Kirche in Deutschland. Österreich und der Schweiz. Ein Ortsregister erschließt dem Nutzer das Atlaswerk.

 

Von Ausnahmen abgesehen gibt es lediglich eine Legende (S. 21), was ein mühseliges Zurückblättern erfordert. Es wäre fast überall Platz für eine der jeweiligen Karte angepassten Legende gewesen! In der Gesamtlegende fehlen einige der in verschiedenen Karten verwendeten Symbolen, Linien, Schraffuren und Farben. Diese sind weder aus der Karte noch aus dem beigefügten Text zu erschließen. Karten im Falz erschweren nicht nur das Lesen, sondern es verschwindet auch etlicher Inhalt im Falz. Dies wäre in einigen Fällen dadurch zu vermeiden gewesen, dass ohne Beachtung des Satzspiegels die Karte nach rechts gerückt worden wäre, wie in einigen Fällen auch verfahren worden ist. Text und Karte hätten im Hinblick auf optimale Nutzung von beiden in allen Fällen auf einer Seite oder gegebenenfalls auf einer Doppelseite zusammengeführt werden müssen. Dadurch hätte es vielleicht keine leeren Seiten gegeben. Zur Gestaltung einzelner Karten und auch zu Karteninhalten ließe sich noch einiges anmerken; doch dann würden etliche Einzelheiten angeführt werden.

 

Die Einwände schmälern in keiner Weise den Nutzwert des vorgelegten Kartenwerkes zur nicht nur deutsch(sprachig)en Kirchengeschichte. Gerade die Karten zu den nicht deckungsgleichen Bistümern/Hochstiften unter Berücksichtigung der Territorien, über die sich die Bistümer erstreckten, haben ihren nicht zu unterschätzenden Stellenwert im wesentlichen Teil des Atlasses „als raumordnender Faktor von eigenem historischen Gewicht wieder (oder überhaupt erstmals) sichtbar“ gemacht (S. 13). Es zeigt sich einmal wieder, dass, wenn ein Atlas abgeschlossen ist, die Fortsetzung eigentlich schon wartet: in diesem Fall wäre eine Ergänzung zur Vollständigkeit bei den Beispielkarten der drei Themenkreise – Wallfahrtsziele, Stifte und Klöstern und Bischofs- und Kathedralstädte – wünschenswert, auch an weitere thematische Karten – zum Beispiel zu Kirchenreformen – ist zu denken wie auch an weitere Karten zu den protestantischen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften.

 

Bovenden                                                                               Gudrun Pischke