Adolf Schärf. Tagebuchnotizen des Jahres 1952, hg. v. Enderle-Burcel, Gertrude (= Veröffentlichungen der österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien 2). StudienVerlag, Innsbruck 2010. IV, 7-399 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Nikolsburg am 20. April 1890 geborene Adolf Schärf wurde nach der mit Auszeichnung bestandenen Reifeprüfung und dem mit der Promotion 1914 abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaft in Wien Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei seines älteren Bruders, nach dem Wehrdienst im ersten Weltkrieg 1918 Sekretär bei dem Nationalratspräsidium bzw. bei den sozialdemokratischen Nationalratspräsidenten Karl Seitz, Matthias Eldersch und Karl Renner (1919 Ministerialvizesekretär, 1921 Ministerialsekretär, 1923 Sektionsrat, 1931 Hofrat, 1933 vom Landtag Wiens entsandter Bundesrat), nach der Pensionierung (1934, politische Haft vom 12. 2. 1934-17. Mai 1934) Rechtsanwalt (ab 12. März 1938 fünfzehn Tage in Polizeihaft, 1944 fünf Wochen Haft) und 1945 Abgeordneter zum Nationalrat und Vizekanzler sowie schließlich von 1957 bis zu seinem Tod in Wien am 28. Februar 1965 Bundespräsident Österreichs. Die bisher beste Beschreibung dieses wechselvollen erfolgreichen Lebens wurde 1982 von Karl R. Stadler vorgelegt. Seit 2005 wird die Allgemeinheit auch mit den Tagebuchnotizen des bedeutenden österreichischen Politikers vertraut gemacht.

 

Dem dabei zunächst edierten ersten Band über das Jahr 1955 folgt nun ein zweiter Band über das Jahr 1952. Auf schätzungsweise 150 Druckseiten wird dabei das von der Bearbeiterin mit zahlreichen hilfreichen Anmerkungen versehene öffentliche wie private Erleben eines mitteleuropäischen Spitzenpolitikers in einer angespannten Phase des kalten Krieges (vergebliche Bemühungen um einen Staatsvertrag mit den Alliierten und Ringen um die grundsätzliche Ausrichtung der Wirtschaftspolitik der Republik) sichtbar gemacht, wenn auch oft nur stichwortartig. Für die Geschichte Österreich nach dem zweiten Weltkrieg wird damit eine wichtige, nach Einschätzung der sachkundigen Bearbeiterin absolut einmalige Quelle erschlossen, deren Benutzung durch ein Abkürzungs- und Siglenverzeichnis, biographische Angaben, Literaturhinweise, ein Glossar zu den Einrichtungen der SPÖ, ein knappes Stichwortverzeichnis und ein ungewöhnlich umfangreiches Personenregister von Abramovich bis Zigeuner erleichtert wird, so dass sehr zu hoffen ist, dass der vor rund 27 Jahren einsetzenden Planung der am Österreichischen Staatsarchiv tätigen Bearbeiterin weiterer, möglichst vollständiger Erfolg beschieden sein wird.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler