Vladislavské zřízení zemské a navazující
prameny (Svatováclavská smlouva a Zřízení o ručnicích (Die
Wladislawsche Landesordnung und die anschließenden Quellen). Edice. K vydání
přípravili a úvodní studií opatåřiki Kreuz, Petr/Martinovský, Ivan.
Scriptorium, Prag Univerzita Hradec Králové - Dolní Brezany 2007. 526 S. Abb.
Besprochen von Georg Modestin.
Die Bemühungen um die Kodifizierung des böhmischen
Landrechts gehen auf König Otakar II. Premysl zurück, doch fanden sie
spätestens mit dessen Tod im Jahr 1278 ein Ende, ohne dass überliefert ist, wie
weit sie gediehen waren. Ein weiterer Anlauf unter Otakars Sohn und Nachfolger
Wenzel II. stieß auf den Widerstand des böhmischen Adels, der um seine
Rechte fürchtete. Auch Karl IV. scheiterte 1355 mit seinem Versuch am
Adel, obwohl er, taktisch geschickt, die triumphale Rückkehr von seinem Romzug,
der ihm die Kaiserwürde eingebracht hatte, als Zeitpunkt zur Vorlage des
Gesetzbuches bestimmte. Das Ausbleiben einer Kodifizierung unter König Georg
von Podiebrad ist vor dem Hintergrund der schwierigen politischen Verhältnisse
im Land zu sehen, die durch die konfessionelle Spaltung zusätzlich belastet
wurden. Dass nach langwierigen Vorbereitungen schließlich doch eine Sammlung
der im Laufe der Zeit auf den Landtagen ergangenen Sprüche zustande kam – die
erste böhmische Landesordnung wurde im Frühjahr 1500 vom Landtag angenommen und
am 18. Juli jenes Jahres in Prag gedruckt –, war besonderen Umständen zu
verdanken. Die treibende Kraft hinter der Kodifizierung war nämlich nicht König
Vladislav II., dessen Unentschlossenheit sprichwörtlich geworden ist und
der – 1490 auch zum König von Ungarn gewählt – meist in Buda residierte,
sondern der böhmische Adel. In diesem Sinn ist die Bezeichnung «Wladislawsche
Landesordnung» irreführend. Der Adel nutzte das sich ihm in Form der
Gesetzessammlung bietende Instrument, um die Rechte der Städte zu beschneiden,
welche sich im Vorfeld zu passiv verhalten hatten und sich nun, gegen die
Landesordnung Sturm laufend, 1502 zu einem Städtebund zusammenschlossen. Die
Auseinandersetzungen zogen sich über Jahre hin und führten zu einer sich
verschärfenden Rechtsunsicherheit in Böhmen. Erst die beiderseitige Erschöpfung
ebnete 1517 den Weg zum sog. St. Wenzel-Abkommen, das am 24. Oktober vom
Landtag verabschiedet wurde und bis 1782 in Kraft blieb. Die Landesordnung aus
dem Jahr 1500 hingegen wurde bereits 1530 revidiert. Beide Gesetzestexte, deren
Entstehungsumstände in der ausführlichen Einleitung nachgezeichnet werden,
haben im anzuzeigenden Band eine Edition nach modernen Prinzipien erfahren. Als
dritte Quelle enthält die Edition die 1524 gedruckte Verordnung über die
Gewehre, die an die Landesordnung anknüpft. Alle drei Dokumente wurden in ihrer
Zeit in gedruckter Form verbreitet, ja die Landesordnung ist der erste
bedeutende tschechische Rechtstext, der mittels dieses Mediums vervielfältigt
wurde. Trotzdem haben sich nur wenige Exemplare erhalten: von der Landesordnung
fünf, davon bloß zwei vollständige, von den beiden anderen Dokumenten, dem St.
Wenzel-Abkommen und der Verordnung über die Gewehre, sogar nur je eines. Sie
bilden die Grundlage für die vorliegende Edition, die nebst dem üblichen Text-
und – einem eher knapp gehaltenen – Sachapparat eine Reihe weiterer
heuristischer Instrumente enthält: Auf die historische Einleitung ist bereits
hingewiesen worden; sie informiert außerdem in detaillierter Weise über die
kodikologischen Eigenheiten jedes einzelnen erhaltenen Erstdruck-Exemplars und
über die bisherige Editionsgeschichte. Dass nicht mehr auf den Inhalt und die
Struktur der vorgelegten Dokumente eingegangen wird, liegt wohl daran, dass es
sich um grundsätzlich bekannte Stücke handelt. Im Anhang werden die z. T.
umfangreichen Marginalien, Korrekturen und Kommentare wiedergegeben, die sich
in den überlieferten Exemplaren finden lassen. Ein Sachregister und ein
Namenregister erschließen die Quellen. Abgerundet wird der Band durch
zweiunddreißig qualitativ hochstehende Bildtafeln, die einen Eindruck vom
Druckbild und den Benutzerspuren vermitteln. Das Fazit ist schnell gezogen: Mit
dieser Arbeit legen die Herausgeber eine Edition mit Modellcharakter vor, von
der erwartet werden darf, dass sie die Forschung stimulieren wird, und sei es
nur in der Frage nach der Rezeption der Rechtstexte, so wie sie sich in den
mitedierten Annotationen niedergeschlagen hat.
Freiburg/Schweiz Georg
Modestin