Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451. Die Zeit Ruprechts (1400-1404), bearb. v. Rödel, Ute (= Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451 15). Böhlau, Köln 2009. XCI, 451 S. Besprochen von Peter Oestmann.
Vor über vierzig Jahren stellte Bernhard
Diestelkamp auf dem 18. Deutschen Rechtshistorikertag in Salzburg 1970 einen
Plan zur Sammlung und Herausgabe von Quellen zur Tätigkeit der Höchsten
Gerichtsbarkeit im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation vor[1].
1977 berichtete er in dieser Zeitschrift vom Fortgang des Unternehmens[2],
und 1986 erschien mit Band 3 der erste Regestenband zur Tätigkeit des deutschen
Königs- und Hofgerichts. Seit dieser Zeit ist auch Ute Rödel als
Projektmitarbeiterin mit der Quellenerschließung und der Erstellung von
Regesten beschäftigt. Nunmehr liegt Band 15 der monumentalen Zusammenstellung
vor. Insgesamt sind damit 7216 Urkunden aus der Zeit von 912 bis Dezember 1403
greifbar. Leider ist Band 10 noch nicht erschienen. Zwischen 1372 und 1376
klafft deshalb immer noch eine Lücke. Der größte Teil der Überlieferung des
Hofgerichts stammt aus dem 15. Jahrhundert. Entgegen den ursprünglichen
Planungen wird es deswegen nicht möglich sein, die Tätigkeit des Gerichts
wirklich bis 1451 zu dokumentieren. Das ist freilich zugleich ein Erfolg des
Unternehmens, denn je genauer die Suche in gedruckten Quellen und mit
voranschreitender Zeit auch in den Archiven erfolgt, desto mehr Quellen fördern
Diestelkamp und seine Mitarbeiter zu Tage. Immerhin wird die Zeit König
Ruprechts von der Pfalz (1400-1410) vollständig erfasst sein. Erfreulicherweise
sind so viele Urkunden erhalten, dass statt der ursprünglich geplanten zwei nun
sogar drei Regestenbände zu diesem Herrscher erscheinen können. Die Intensität
der hofgerichtlichen Tätigkeit darf man also auf keinen Fall unterschätzen.
Allein von Oktober 1400 bis Dezember 1403 sind 436 Urkunden nachweisbar, welche
die richterliche Tätigkeit des Königs und seines Hofrichters belegen. Die
Aufgabe des Königs als oberster Richter des Reiches war in dieser Zeit
zweifellos eine ganz wesentliche Ausprägung seiner Herrschaft.
Ruprecht galt in der älteren Forschung als gescheiterter
König mit geringer Hausmacht, der zudem das Interesse an seinem Hofgericht
verloren haben soll. Die Quellen zeigen nun, dass er zwar in der Tat nur selten
den persönlichen Vorsitz im Hofgericht führte und teilweise zeitgleich zum
Hofgericht seine Ratssitzungen abhielt. Als Institution allerdings gewann das
Reichshofgericht nach der Absetzung König Wenzels in den Anfangsjahren des 15.
Jahrhunderts eher an Festigkeit. Die Prokuratorenstellen scheinen nach und nach
fest zugeordnet worden zu sein, Kanzleiregister und Hofgerichtsregister wurden
erstmals angelegt (letzteres ist allerdings verlorengegangen). Mit Johann
Kirchen verfügte Ruprecht zudem über einen besonders fähigen Leiter der
Hofgerichtskanzlei. Als Schiedsrichter trat König Ruprecht durchaus selbst in
Erscheinung, ebenso wenn es um die Lösung von der Reichsacht oder um
Exekutionsmandate ging. Aus ihrer reichhaltigen Erfahrung bei der
Quellenerschließung hat Ute Rödel solche und noch zahlreiche andere Hinweise in
einer umfangreichen und detailgenauen Einleitung zusammengetragen.
Obwohl die Regesten auf den Abdruck des
Quellenwortlauts verzichten, verbreitern sie die Quellengrundlage ganz
erheblich. Von den 436 Regesten waren zuvor 148 Stück in überhaupt keinen
Regestenwerken erschlossen. Vor allem in den Archiven von Karlsruhe, Frankfurt,
mit gewissem Abstand auch Köln, Wien und Straßburg haben die Bearbeiter mit
Unterstützung der Archivare zahlreiche bisher unbekannte Urkunden erst
entdeckt. Die inhaltliche Bandbreite der Überlieferung zeigt zugleich die Fülle
spätmittelalterlicher Gerichtspraxis. Schon im ersten Stück geht es um einen
Gefangenen des Kölner Erzbischofs, der in Notwehr einen wahnsinnigen und
ruchlosen Junker getötet haben sollte. König Ruprecht setzte sich für die
Freilassung des Inhaftierten ein. In der letzten Quelle kam König Ruprecht
seinem eigenen Heidelberger Hufschmied zu Hilfe und unterstützte ihn mit einem
Schreiben an die Stadt Frankfurt bei der Prozessführung gegen einen Frankfurter
Bürger. Mit mehreren Dutzend Urkunden am umfangreichsten überliefert ist ein im
Frankfurter Stadtarchiv (Institut für Stadtgeschichte) überlieferter Prozess
gegen Hermann Schelriß. Dieser mainzische Burgmann zu Seligenstadt hatte einen
Frankfurter Bürger und seinen Schreiber 1403 gefangengesetzt. Die Stadt
Frankfurt erstrebte deswegen am Hofgericht die Freilassung ihres Bürgers. Die
ganze Vielfalt der hofgerichtlichen Tätigkeit wird hier anschaulich greifbar
mitsamt königlicher Mandate und verschiedener Vergleichsversuche.
Die Arbeit mit den Regesten ist gewohnt einfach,
weil Querverweise zusammengehörige Stücke leicht als solche erkennen lassen.
Das Register ist feinmaschig, wobei das Sachregister sowohl moderne juristische
Suchbegriffe wie auch teilweise mittelalterliche Formulierungen (z. B. nach
Recht, geverde, wohlbedacht) enthält. Ein umfassendes Quellen- und
Literaturverzeichnis lädt dazu ein, sich auch inhaltlich mit der Zeit König
Ruprechts auseinanderzusetzen. Mit den Urkundenregesten werden zwar keine
politisch werbewirksamen Hochglanzprospekte vorgelegt, wie Rödel in ihrem
Vorwort süffisant-bitter zugibt. Aber jeder neue Band der Reihe schafft
bleibende Grundlagen für künftige Tiefbohrungen. Für unser Wissen um die
spätmittelalterliche Königsgerichtsbarkeit sind die verdienstvollen
Regestenbände von unschätzbarem Wert.
Münster Peter
Oestmann